Über sexuelle Perversionen  

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"All the forms of sexual perversion … have one thing in common: their roots reach down into the matrix of natural and normal sex life; there they are somehow closely connected with the feelings and expressions of our physiological erotism. They are … hyperbolic intensifications, distortions, monstrous fruits of certain partial and secondary expressions of this erotism which is considered 'normal' or at least within the limits of healthy sex feeling."

"Die sämtlichen eben angeführten Formen sexueller Perversionen […] haben alle doch etwas Gemeinschaftliches: daß sie nämlich ihre Wurzeln bis tief hinab in den Boden des natürlichen normalen Geschlechtslebens hineinsenken, daß sie irgendwie dort in den Empfindungen und Äußerungen unserer physiologischen Erotik fest verankert sind und daß sie nur krankhaft einseitige Auswüchse oder ins Maßlose gesteigerte Übertreibungen, Verzerrungen, monströse Ausartungen gewisser Teil- und Begleiterscheinungen dieser als „normal“ betrachteten, mindestens noch als innerhalb der gesunden Breite liegend anerkannten Erotik darstellen."--"Über sexuelle Perversionen" (1914) by Albert Eulenburg

English translation probably from Sexual Aberrations (1964) by Wilhelm Stekel

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"Über sexuelle Perversionen" (1914) is a text by Albert Eulenburg published in Zeitschrift für Sexualwissenschaft and cited in Stekel's Sexual Aberrations.

Full text

Über sexuelle Perversionen

Von Prof, Dr. A. Eulenbnrg

in Berlin.

Unter sexuellen Perversionen verstehen wir die Anomalien mid krankhaften Ab- und Ausartungen des Geschlechtssinnes, die sich in einer dem gesunden, natürlichen Empfinden widersprechenden nnd widerstrebenden Wahl des Triebziels nnd der Hü. seiner Verwirk- lichung (also zur geschlechtlichen Befriedigung) dienenden Mittel, der Äußerungsweisen des Geschlechtstriebes, im einzelnen Falle kundgeben.

Man pflegt die beiden Ausdrücke Perversionen und Pervers i täten nicht vermischt zü brauchen, sondern begriff liuh zu unterscheiden ; doch ist die ^Scheidung keine giuu übereinstimmende. Manche bezeichnen ala „Perversitäten'1 die zur Hefrätrdi- prung dea krankhaften Triebes dienenden Ei □ blatte, die aus fehlerhafter öder krank- huf (er Triobrich tung hervorgehenden Handlungen, Andere gelten dngagen von dorn ^rundsfttalichen Unterschiede aus, daß unter ,,Perverf<iajien'1 meist angeborene, krank- halte AbiTTiinp-ri dir* Gesehleehtssinneä zu veifitelieu Heien, wahrend es sich dagegen Lei den „Perversi täten11 um Ausseh wetfungen handle, für die eiim derartige angeborene und krankhafte Anlage nicht anzunehmen sei. Dort also „Krankheit" — hier ,,Aus- KcLweifung" und ,,Laster". Dieser Unterschied ist natu Midi in ^richtsärztl icher He- ziehung, wo es sich um die Frage der Zureeh nunpsfähigk ei t bei den mannigfaltigen Delikten sexueller Natur handelt, wie z. B. bei den Diebstählen der „Fetischisteu", den Ärgernis, erregenden Entblößungen der „Exhibitionisten", den Messcrattentflten und „Lust- morden11 der Sadisten, von weittragender Beden lang.

Da die sexuellen Perversionen durchaus nicht die einzigen Anomalien des (Jeschlechtesinnes darstellen, so fragt es sich, weichen Umfang wir diesem etwas willkürlich aufgestellten Sammelbegriff anweisen, wie wir ihn anderen Anomal ieformen gegenüber abgrenzen. Es würde zu dem Zwecke erforderlich sein, eine Übersicht und möglichst vollständige Klassifikation aller uns bekannten Abarten und Spielarten des Liebes- triebes, aller von der „Korm" sieb nach irgendeiner Seite hin ent- fernenden Äußerungen des Geschlechtssinnes zu geben. Man hat der- artige Klassifikationen längst in sehr verschiedener Weise versucht, zuerst wohl Krafft-Ebing in seiner Psychopathia Sexualis. Auch ich habe schon in meiner vor bald 20 Jahren erschienenen „sexualen Neuropathie" eine solche, auch von anderer Seite mehrfach akzeptierte Einteilung gegeben, die sich, wie ich glaube, durch ihre Einfachheit und leichte Übersichtlichkeit, in Analogie der bei nervösen Funktions- störungen auch sonst gebrauch liehen Differenzierung, empfiehlt. Ich unterscheide in erster Reihe zwei Hauptgruppen, nämlich quantitative und qualitative Anomalien des Gesenke htesinnes. Bei den quanti- tativen wieder einerseits die krankhaften Triebs te ige rangen, die ich als Hypererosien bezeichne, wohin z.B. die Erscheinungen


1) Vortrag im Kursus der Sexualwissenschaft für Ärate am 23. Jnni 1914. Z*iUBlir. f. B*milwi.nea»eh»lt I. S. 20


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A. Eulen Wjj.


der sexuellen Frühreife (PrükozLtät) und ihrer senilen Spätdauer, der Satyria&is und der Nymphomanie gehören — andererseits die krank- haften, bis zur völligen Aufhebung gehenden TFieb- herabsefczungen, die Hyperosien und Anerosien, wohin die Erscheinungen verminderter oder gänzlich fehlender Libido, der „sexu- ellen Hyp- und Anästhesie", der Frigidität, Dyspareunie usw. gerechnet werden müssen.

. Diesen quantitativen stehen also die qualitativen Nonnabweichungen gegenüber, für die ich die allgemeine Bezeichnung „Parerosien" in Vorschlag gebracht habe. Hier sind aus wesentlich praktischen Gründen zunächst die auf das gleiche Geschlecht gerichteten (homo- sexuellen) Anomalien des Triebziels von den and ersgeschl ech- tigen (heterosexuellen) Anomalien zu unterscheiden, obgleich eine solche Auseinanderhaltung keineswegs streng durchgeführt werden kann, weil manche Formen sexueller Verirrung sich ebensowohl mit Homo- sexualität wie mit Heterosexualität vertragen, wie denn z. B. feti- schistische und sadistische Akte sowohl Personen des eigenen wie des anderen Geschlechtes gegen über verübt werden können, nnd weil es auch mancherlei Verirrungen des (Jeschlechtssännes gibt, die sich unter dieses Schema Überhaupt nicht oder nur schwierig einreihen lassen — ich will nur an die allerdings selteneren Vorkommnisse der Nekro- philie (Leichenschändung), des sogen, Py gmalinuismus (des Statuenmißbrauchs) und der Zoophilie (Bestialität, Sodomie usw.) erinnern, die man allerdings auf dialektischen Umwegen, mit etwas gekünstelter Deutung, für eine der Hauptformen sexueller Perversion, für den Sadismus, in Anspruch zu nehmen versucht hat; endlich an die besonders der Seneszenz eigentümlichen Formen der Kinderliebe (Padophilie).

Vou den sexuellen Perversionen können wir ferner noch eine Anzahl leichterer Norm ab weichungen abtrennen, für die ich den Ausdruck sexueller Pikazismus von pica, der bekannten Bezeichnung krank- hafter Gelüste, vorgeschlagen habe, weil es sich dabei mehr um eigen- artige, aber noch nicht als krankhaft zu betrachtende Gelüste und Geschmacksrichtungen handelt, di* meist einem stark entwickelten Variabilitatsbedürfnis oder sonstigen Antrieben entspringen, für die also der Ausdruck „Perversion* doch zu schwer und zu weit hergeholt erscheint - die übrigens auch meist sich in der Intimität ehelicher und nicht-ehelicher Alkoven abspielen und ein hervorragendes ärztliches und forensisches Interesse nicht darbieten. In hervorragendem Maße ist dies dagegen der Fall bei den üauptformen sexueller Perversionen, die wir als Fetischismus, Exhibitionismus, Sadismus und Masochisinus bezeichnen, und zu deren besonderen Charakterisierung wir nun übergehen.

Nur eine allgemeinere Bemerk an g möchte ich noch voraufschieken. Die sämtlichen eben aufgeführten Formen sexueller Perversionen, so sehr sie auch untereinander verschieden sind, haben alle doch etwas Gemeinschaftliches : daß sie nämlich ihre Wurzeln bis tief hinab in den Boden des natürlichen, normalen Geschlechtslebens hineinsenken — daß sie irgendwie dort in den Empfindungen und Äußerungen unserer physio- logischen Erotik fest verankert sind — und daß sie nur krankhaft einseitige Auswüchse, oder ins Maßlose gesteigerte Übertreibungen, Yerzer rangen, monströse Au Bartungen gewisser Teil- und Begleit- erscheinungen dieser als „normal" betrachteten, mindestens noch als innerhalb der gesunden Breite liegend anerkannten Erotik darstellen. So rindet der Fetischismus seine physiologische Grundlage in den indi- viduelle« Liebesbediügungen, deu auch bei der Liebesobjektwahl der Gesunden vielfach obwaltenden Tendenzen bewußter oder unbewußter Teilanziehung — der Exhibitionismus in der auch dem normalen Liebes- verkehr anhaftenden Xeignng und Notwendigkeit schamverletzender Ent- blößung — Sadismus und MasochiemuB in gewissen häufigen Begleit- erscheinunungen des sexuellen Orgasmus im Liebesakt (bei Tieren und Menschen), in der wollusterh&henden Wirkung gewisser dem geliebten Objekt zugefügter Verletzungen oder umgekehrt von diesem erduldeter Demütigungen nnd selbst Mißhandlungen. Es verhält sich also mit dieser physiologischen Grundlage der sexuellen Ter Versionen ähnlich wie mit manchen Erscheinungen funktioneller Psychosen, z. B, dem Größen- und Verfolgungswahn des echten Paranoikers, in dem wir auch vielfach nur krankhafte Ausartungen nnd Exzesse ihm schon vor der Erkrankung ursprünglich inhärierender Züge der Selbstüberschätzung und der mißtrauischen Beurteilung anderer zu erblicken haben.

Vielleicht konnte auch noch die Frage aufgeworfen worden, welches Interesse denn gerade wir Ärzte an der Beschäftigung 'mit diesem anscheinend so schwer zugänglichen und dabei so uuonjuick liehen Gegenstande zu nehmen haben. Darauf wäre zu erwidern, dafl dienen Interesse ein fio großes und unabweisbares ist, daß wir, selbst wenn wir die Beschäftigung damit am liebsten vermieden, uns ihr doch schlechte] dings nicht entziehen tonnten und durften. Ganz abgesehen davon, daß kein Stand sehen von Berufswegen in dem Maße wie der ärztliche verpflichtet urt, sich die Wahrheit des Tcrenzischen : „hofflo EiUm; nihil human i a me aHoimm puta*' untor allon Umständen gegenwÄrti^ lu Ii alten — abgesehen von diesem allgemein menschlichen und sozialen Interesse erwächst uns aus den mit den sexuellen Perversionen verknüpften Lebeubbeziehungen und Vor- gängen ungemein häufig auch die Pflicht unmittelbar eingreifender beruflicher Betätigung. In ganz besoodorem Maße gilt dies für den Neurologen und Psychiater, und vor allem für den Gcrichtsarzt- Die sexuellen Perversionen — die ivil ja noch genauer und zutreffen- der als psycho sexuelle bezeichnen würden — stehen in Innigstem Zusammenhange mit den verschiedensten Neuropathien und Psychopathien, mit den Erscheinung weisen kon- stitutionell neuropsychopsthiseber Veranlagung überhaupt; ja es ist kaum möglich, für diese ein Verständnis und eine BehaadluDgamügtichlieit zu gewinnen, ohne eine er- schöpfende Kenntnis des vielfach so abnormen Geschlechtslebens dieser „Nimruiiker41 und „Psychopathen", innerhalb dessen gerade den sexuellen Perversionen eine oft so hervor- ragende und für das ganze Ijehetssschicksal entscheidende Holle beizumessen ist. Ich erinnere ferner an dio ungemeine Bedeutung der sexuellen Pervensioneu für das ehe- liche Zusammenleben und für die dem Arzte daraus erwachsende Pflicht ihrer verständnisvollen Würdigung, wo es sich im Bereiche seiner Tatigkeitesphäre um Eue- irrungen, Ehescheidungen , um die ganze oft so traurige und trostlose Pathologie des Familieoiebons bandelt. Denn die lalle gehören leider keineswegs, zu den Seltenheiten, und sie gelangen dem Arzte in der von ihm eingenommenen Vertrauensstellung natur- gemäß am ersten zur Kenntnis, wo sich auf dem Boden sexueller Perversionen häusliche und schließlich auch die Schranken des Hauses seihst gewaltsam durchbrechende Tragödien der schrecklichsten und verhängnisvollsten Art abspielen! Iter Gerichtsarzt endlich — nnd nicht minder ein jeder an dessen Stelle als Sachverständiger vor Oe rieht berufene Arzt — kann ohne eine genaue Kenntnis und verständnisvolle Würdigung der sexuellen Perversionen überhaupt nicht bestehen. Denn sie sind ja Ursprung und Inhalt einer- seits vieler der zivilrechtlichen Beurteilung unterliegender Rech tsstreiti gleiten (Eut- mündigwgs-, Ehescheidungssachen usw.) — und andererseits dar wichtigsten strafrecht- lichen Begutachtungen, da sie in dem ganten Abschnitt der Verbrechen und Vergehen Tvider die SitÜichteit (dreizehnter Abschnitt dos Strafgesetzbuchs, für das deutsche Reich), außerdem aber in so manchen anderen Abschnitten, wie den Eigen tum svcTgohen^ Körper- verletzungen, Verbrechen und Vergehen wider das Ijeben eine hochbedeuteame Rollo spielen; es sei nur an die Diebstähle dor Fetischisten, die öffentliche Ärgerniserregung der Exhibitionisten, die Messerstechereien und Lustmorde, aber auch mannigfaltigen Sach-

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heftch&digurjgerj der WadisUin erinnert. In fast allen derartigen Fällen wtrd sofort die Frage der vollftn oder v er minderten ZurochnuugisfiihigLeit oder des ^itnalicheti Ausschlusses dar freien Willenabeati tntnung aus §51 des Str.O.B. am Horizont auftauchen und die unbedingte Notweudi gleit einer dein We&en der Tat selbst und dos Täters gerecht wordenden Beurteilung, damit die Notwendigkeit, zugleich aber auch die Schwierigkeit sachverständiger ärztlicher Begutachtung unmittelbar herausstellen.

Fetischismus.

Der Ausdruck Fetischismus rührt von Binet her, der die diesen Namen tragende sexuelle Per Version monographisch zuerst beschrieben hat — nach ihm Garnier — in Deutschland ist er durch Krafft-Ebing zu allgemeiner Einführung gelaugt. Es wird dabei au den Begriff des „Fetisch1* als eines religiöser Verehrung dienenden Idols — oder Symbols — angeknüpft und dieser Ausdruck auf das -Gebiet sexueller Beziehungen Ubertragen; ich habe daher auch „sexueller Symbolismus" als wissenschaftliche Bezeichnung dafür vorgeschlagen. Was ist nun unter „Fetisch" in diesem Sinne und unter Fetischismus zn verstehen? Die zumeist beliebte und anerkannte Erklärung ist die, daß es sich dabei um eine Art von Teilliebe, um Teilanziehung handelt, d, h, um eine solche, wobei gewissermaßen der Teil für das Ganze, pars pro toto genommen wird — was aber streng genommen doch nur für den sogen. K ö rper teil fetischism us zutrifft, der sich auf einen einzelnen Körperteil bezieht, als Hand-, Fuß-, Haar-, Busen- fetischismus usw. — dagegen schon weniger auf die verschiedenen Formen von Kleidungsstückfetischismn s, wobei die mit einem bestimmten Körperteil in Beziehung stehenden Kleidangestucke gewisser- maßen als Symbol und als Ersatz dieses Körperteils in sexueller Be- ziehung herhalten müssen, z. B. Schuhe, Handschuhe, Korsette, Frauen- wäsche u. dg), die Rolle des Fetisch s spielen — und noch weniger auf den Stoffeti Bchismus, wobei das sexuelle Interesse auf Kleidnngs- stoffe ganz ohne Zusammenhang mit deren persönlichen Träge m1 z. B. auf Pelz, Sammet, Seide usw. ausschließlich konzentriert wird. Es gibt noch manche andere, und zum Teil recht seltsame und schmutzige Sonder- arten des Fetischismus — wir müssen uns aber zuerst darüber klar zu werden suchen, inwieweit der Fetischismus einerseits mit den indi- viduellen Liebe sbeding an gen, mit den fast für jede Einzel- persönlichkeit wirksamen besonderen Faktoren ihres Sexual empfindens und Sexaaltriebes, physiologisch zusammenhängt und wie weit er andererseits als pathologisch zu bewertende Erscbeiuung darüber hinaus- ragt. Auch im gesunden, normalen Liebesleben spielt ja, wie besonders Magnus Hirschfeld in einer interessanten Monographie dieses Gegenstandes durchzuführen gesucht hat, dieses Prinzip der Teil- anziehung mehr oder weniger bewußt oder unbewußt fast durchweg eine ganz hervorragende Holle. Den einen reizen ausschließlich schlanke, gracile Gestalten, der andere schwärmt für voll entwickelte, üppige, Rnbenssche Fülle; der eine für Blondinen, der andere für Brünetten, und auch Schwarz- und Rothaarigen fehlt es nicht an begeisterten Ver- ehrern— ebensowenig, wie den poetisch angesungenen blauen, braunen and schwarzen Augen, Alle Sinneseinflüsse spielen dabei eine mitunter dominierende Rolle; Gang, Stimme, der vom Körper oder einzelnen Körperteilen ausströmende Duft, der bekannte „odor di femmina" machen ihre Einwirkung geltend und werden zur Ursache dauernder un wider*


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Ober sexuelle PerverajoHen. 309


stehl icher Anziehung (oder im umgekehrten Falle auch oft unüber wind- barer Abstoßung), Auf wie viele kann eine „schicke4* Kleidung, die die Kürperreize plastisch hervortreten läßt, die Füße klein, die Taille schmal, die Hüften üppig erscheinen läßt, oder kann schon die ganze Art der Aufmachung ab solche, Stoff und Schnitt der Kleidung, das Werk des Schneidere und Kostümkünstlers allein im höchsten Maße verführerisch, Begierden anregend wirken! Hier haben wir allenthalben schon die Übergänge nicht bloß zum Körpertellfetiachismus, sondern selbst zum Kleidungs- und Stoffetischismus - kurz, vom „physiologischen" zum pathologischen Fetischismus. Ähnliches findet sich auch bei Frauen, bei denen allerdings nicht nur die Vor- und Übergangsformen, sondern auch der echte pathologische Fetischismus viel seltener sind, oder wenigstens zu sein scheinen, weil ihre individuellen Liebesbedingungen, ibre,,TeüauziehuQgen"(undTeil&bBtoßungen) mehr im Verborgenen bleiben, ungleich weniger an die Öffentlichkeit heraustreten; aber die Vorliebe tür bärtige oder unbärtige, große und starke oder kleine und zierliche Manneserscheinungen, und die einem Teile der Frauenwelt wenigstens früher naub gesagte Vorliebe für „zweierlei Tuch1*, das neuerdings häufig beobachtete Schwärmen für exotische, andersrassige und andersfarbige Exemplare der Männlichkeit, für braune Turküs, schwarze Somalis, gelb- liche Ostasiaten usw. wären immerhin in dieser Richtung zu nennen.

Die Frage ist nun: wo und wann wird dieser sozusagen physio- logische Fetischismus zu einem pathologischen? Offenbar muß die Grenzlinie da gezogen werden, wo die geschlechtliche Erregung als solche nicht mehr an die Persönlichkeit des Trägers oder der Trägerin der wirksamen Teil anasieh uug geknüpft ist, sondern von dieser Persönlichkeit ganz absieht und es nur noch mit dem die Anziehung bewirkenden Teil (oder leblosen Objekt) ausschließlich zu tun hat. Wo also dieser Teil oder dieses leblose Objekt in Wahrheit zum „Fetisch" wird, dem ein Kultus ganz eigentümlicher Art, ein oft mit völlig ausgebildetem Zeremonien dienst einhergehender, dem Fernstehenden natürlich ab- geschmackt, lächerlich und fratzenhaft erscheinender Sexualkultus gewidmet wird — der aber auch vielfach seine Adepten zu Handiangen bedenklicher Art verleitet und mit den 5 traf gesetzlichen Bestimmungen über Sach- und Körperbeschädigung, Über Eigsn tunisvergehen usw. in mannigfachen Konflikt bringt Pathologisch ist es zweifellos, wenn der Fe tisch ist eine Sammlung weiblicher Haare, Perrücken, abgeschnittener Zöpfe u. dgl, anlegt und sieb an den nicht selten mit unglaublicher Pedanterie aufgeschriebenen und katalogisierten Schätzen sein es Mu Beatus durch deren Betrachtung berauscht, aufregt, seine geschlechtlichen Be- gierden damit onamsti&ch befriedigt — oder wenn er die gleichen Akte bei gekauften oder zusammen gestohlenen Frauenschuhen, bei weiblichen Hemden, Strümpfen, Taschentüchern, Korsetts und sonstigen Gegen- ständen weiblicher Garderobe insgeheim verrichtet, ohne an die Träge- rinnen nnd Besitzerinnen dieser Dinge zu denken, ja, ohne von ihnen überhaupt nur zu wissen. Eigentümlich ist, daß wenigstens bei manchen Fetischisten das Gerauhte und heimlich Entwendete stärker erregend wirkt als das auf unsträfliche Weise Erworbene, und daß ältere, schon länger im Besitze des Fetischisten befindliche Objekte ihre Wirkung oft sehr rasch einbüßen, so daß diese stets mit den neuesten Erwer- bungen ausschließlich verknüpft ist.


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310 A- Egenburg,


Dies alles gilt auch für den viel selteneren weiblichen Fetischismus, von dem Howard neuerdings einige lehrreiche. Beispiele in der Form des Kleidungafetischiarous berichtet, Eiuo 39jäbrigo Frau stahl ein Paar Beinkleider eines ihr bekannten Hannes und fand in deren Streich ein sexuelle Befriedigung. Eine 21 jährige Frau regte sich nach dein plötzliches Tode ihres Liebhabers mit dessen Unterhosen auf, die sie unter ihrem Koptkissen liegen hatte und liebkoste. Ein 17 jähriges Mädchen hatte erotische Nacht- nnd Taptraume von dem zufällig gesehenen blauen Strumpfband eines von ihr geliebten .Mannes; sie verschaffte sich durch Entwendung vom I identisch e in einem (jestbaft ein dem ersehnten gleichendes Strumpfband und mastutbierte damit au Hause — fand aber bald heraus, daß dies Strumpf band seine Wirksamkeit als Fetisch versagte, daß dagegen ein jedesmal neuest und 2 war nicht gekauftes, sondern gestohlene« Strumpfband wiederum wirkte.

Sehr merkwürdig ist nun — womit man sieb erst seit kurzem ein- gehender beschäftigt hat — , daß man diesem pathologischen Fetischis- mus einen nicht minder pathologischen Antifetiuchismus (Forel) gegenüberstehen kann, einen „Fetischbaß", eine sexuelle* Teil abstoßung, oder „taorror sexualis partialis" nach dem Ausdrucke von Magnus Hirschfeld, der darüber eine interessante Studie kürzlich veröffent- licht hat. Auch dieser Antifeti&chismu& kommt sowohl bei Männern wie bei Frauen vor und ist, wie es scheint, bei ersteren besonders häufig gegen die spezifischen und primären Merkmale des anderen Geschlechtes gerichtet, gegen die weiblichen Geschlechtsteile und Brüste. Der Haß gegen diese ist übrigens schon bei den de Sadeschen Helden fast allgemein, und eine ganze Anzahl von ihnen geht durch die Dekouvrierung dieser widerwärtigen Geschlechtsmerkmale, ja schon durch deren bloße Vorstellung ihrer Potenz völlig verlustig. Daß aber Ähnlich es auch ganz ohne sadistische Nebenbeziehungen vorkommen kann, lehrt der von Hirschfeld berichtete Fall von Fetischhaß gegen weibliche Brüste, der einen ärztlichen Kollegen betraf, dem aus diesem un Uber- wind liehen Haß wiederholt Schwierigkeiten in seiner Praxis erwuchsen (er konnte z.B. die Thorax-Perkussion bei Frauen schlechterdings nicht ausführen) und der deshalb schließlich gezwungen seine Praxis mit der ungefährlichen Spezialität eines — Kinderarztes vertauschte, — In anderen Fällen richtete sich der Fetischhaß gegen die sonst häufigsten Gegenstände fetischistischer Anbetung, gegen Fuß nnd Hand, oder gegen Haare von gewisser (roter) Färbung, oder gegen bestimmte Garderoben- stücke, Korsetts, Wäsche knöpfe, gelbe Schuhe, Handtaschen (was viel- leicht bei dem so häufigen Handlaschenraub mitunter eine Rolle spielt), Schleier, Reform k leider. Von weiblicher Seite kennen wir Fälle von Fetischhaß gegen bartlose ebensowohl wie gegen vollbärtige Männer, aber auch gegen Schourrbartbinden, ferner gegen bestimmte Kleidungs- stücke (Fracks, Uniformen) und dergleichen mehr, Auch der Fetisch- haß kann zu kriminellen Delikten, z. B. zum Besudeln und Zerstören von Damenkleidera durch stückweises Herausschneiden, Veranlassung geben; es erscheint auch nicht ausgeschlossen, daß er in manchen Fällen von körperlich eu Verletzungen, z. B. durch Zopf abschneiden und selbst bei Mädchen Stechern und Lustmfirdern, wo sich an t) fetischistische und sadistische Passionen vereinigen, die anregende und mit auslösende Triebkraft bildet. Daß der durch eine unüberwindliche Teälaversion begründete sexuelle Widerwille gegen eine bestimmte Person den Manu dieser Person gegenüber impotent machen kann (sogen, psychische Impotenz) und daher auch Lockerung uud Auflösung des ehelichen Bandes herbeiführen kann, bedarf wohl kaum einer näheren Erörterung.


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Über stelle Perversen. 311


Die letzte Ursache eines solchen sexuellen Widerwillens, eines M Fetische asses" muß zweifellos in Vorgängen ähnlicher Art gesucht werden, wie sie der pathologischen Fetischliebe anderweitig zugrunde liegen. Freilich sind wir auch hierüber noch keineswegs vollständig im klaren. Im allgemeinen geht die vorherrschende Ansicht dahin, daß es sich beim pathologischen Fetischismus zumeist, wenn nicht durch- weg, um krankhaft konstitutionell neuropathisch oder psychopathisch veranlagte Individuen handelt, bei denen dann durch irgendwelche zufällige Jugendeindiücke bestimmte, einseitig festgehaltene und für das ganze spätere Sexaalleben mattgehende Ideen-Assoziationen aus- gelöst werden. Wie Bin et, der Namen&geber des Fetischismus, es treffend ausdrückt, ein „accident agissant sur un snjet pre> dispose". Es handelt sich also um ein „determinierendes Erlebnis*, das natürlich in einer stark lustbetonten Empfindung bestanden haben muß, die in der Eegel in die sexuelle Früh zeit hinab reicht und die so abnorm starke nnd nachhaltige assoziative Verknüpfungen auch nur bei von vornherein abnorm veranlagten Persönlichkeiten, den de gen eres und desfiquilibres nach französischer Bezeichnung, auszubilden imstande ist. Das Umgekehrte, also ein gleichfalls determinierendes, aber stark unlustbetontes Sexualerlebnis in früher Jugend müßten wir natürlich in Fallen der mit obaedierender Gewalt wirkenden Teil ab stoßung, des Antifetischismus annehmen.

Dieser sogen. Obknsioostheorie von Bio et hat sich neuerdings eine sogen. Ko uzen trationstheorie entgegengesetzt, 'welche in der TeÜEUixiehung und leiU abstofiuDg QUt eine konzentrierte Versinnbildlichung der anziehen Jen gder abstoßenden Geflaititperhiünlichkäit erblickt — was also in Wahrheit auf «ine Art von Ästhötieeh be- dingtem psychoaexualeii Symbolismus hinauslaufen würde. Eine ganz abweichende und eigenartige , aber wohl kaum haltbare Erklärung des Fetischismus ist neuerdings von Wilhelm Stake l in ciliar diesen Gegenstand behandelnden, auf einzelne BewciHfalle gestützten Abhandlung versucht worden. Stehel erblickt in dem Fetischismus zunächst und von vornherein eine Flucht vor dem Weibe and grundsätzliche Entwertung des Weibes, da der Fetisch als solcher seinem Verehrer, dos Weib als selches, als Ge- schlechtswesen überflüssig mache! Der Fetischist habe Angst vor dem Weibe, das er für seinen persönlichen Gebrauch durch ein Symbol ersetze und selbst in der Ehe even- tuell nur durch eine Verbindung mit diesem Symbol genießen könne. So mußte z. B. die Gattin eines Fetischisten zu diesem Zwecke die ehedem von ihm gesammelten alten Schürzen Anlegen; ein fetischistischer Bräutigam sammelte die Rosen, die seine Braut nach seinem Befehl am Busen getragen und löste die Verlobung auf, als er seinen .,Kesenharem" vollständig beisammen hatte. — Es liegt auf der Hand, daß Stet eis Hypothese der Flucht vor dem Weibe, des „Abrückend vom Weibe41 jedenfalls nur für einen Teil der pathologischen Fetisehanhänger Geltung haben katin, da andere neben ihrem Fetischkult trotzdem dem Weihe ungemein eifrig nachjagen. Ich erwähne als Beispiel nur einen, dor berühmtesten MfetiscbisteL, jenen bekannten Vielschreiber der Revolutipn^ zeit Retif dt; Ja B roten ue, dem Iwan Bloch eine ausgezeichnete monographische Studie gewidmet hat; dieser Mann, dessen frühentwickelter Fuß- und Scbuhfetischismus in seinen zahllosen Werken eine so bedeutsame Rolle spielt, zeichnete sich gleichfalls durch eine ungemein früh, nach eigenem Geständnis dem weiblichen Geschlecht gegenüber hervor- tretende, fast unersättliche Balazitftt &U$ und soll Dach seiner eigenen, dafür charaktc- rutischen Behauptung bereits mit — 9 Jahren Vaterfreuden erlebt haben! — Auf noch weniger tragfahigem Boden steht Stet eis weitere Annahme, daß vorzugsweise solche Körperteile, die einem Druck, einer Pressung, einem „Zwange" »ufgcsetKt sejcri nnd stellvertretend dafür Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände , die einen derartigen „Zwang*1 ausübten, als Fetisch benutzt würden. Er begründet auf solche Weise aller- dings mit einigem Anschein deniSehuta- und den Korseti fetischtsmus, und will daraus die Berechtigung herleiten, den Fetischismus als eine Art von ,,Zwan gs n eu rose" auf- zufassen — was doch, auch selbst die anderweitige Richtigkeit seiner Fetisoherkliirung «»gegeben, wesentlich auf eine Wortspielen'! mit dem Ausdrucke „Zwang1* hinaus laufen wurde. Und nun soll vollends* gar dieser Zuaogsueurose ein religiöse* Mc-ti* unter-


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A, Eutenburg,


geschoben werden — es soll diese „Zwangsneurose" zu einer „Cb riKtusneiiTOäö" umgeschaffen, der Fetisch iamus tu einer ,,Eisat2 religion," umgedeutet werden, die sich ihrem Träger io der Form einer sexuellen Per Version darbiete, um seinem „Bedürfnis nach Glaubeai1' gerecht zu werden und so zwischen einer übermäßigen Sexualität vmd starteii Frömmigkeit ein nach beiden Seiten befriedigendes Kompromiß herzustellen. ,.Der Fetisehtflt11, sagt Stete] wörtlich, „ist im offenen Kampfe mit jeder Autorität, besonders aber mit Gott, dem er sich im Geheimen unterwirft und dem er durch be- sondere Entbehrttngeti au dienen glaubt". — Einer Kritik dieser Anschauungen kann und muß ich mich an dieser Stelle enthalten. Es sind nach meinem Gefühl weit übenspannla Herleitungea aus zwei ziemlich komplizierten, überdies noch in ziemlich einseitiger Weise (rnktets Trau mannt vse usw.) gedeuteten Einzelbeobachtungen, denen jede allgemeinere


gehender damit beschäftigen will, sei auf die OriginaUbhanillung Stekala (im Zcntralbt. f. l^ychoaialyse und Psychotherapie. 4. Jahrg., H. 3/6-} verwiesen.

Am befriedigendsten erscheint somit immerhin noch die Bin et sehe Lehre von dem „aecident", dem für die getroffene Fetischwahl bestim- men den Erlebnis. Allerdings könnte man an dieser Lehre irre werden, wenn man sieht, welche höchst sonderbare nnd kaum glaubliche Fetisch- wahlen manchmal getroffen werden, z, B. schmutzige Füße und Schuhe, mit Euß gefärbte Hände, mißgestaltete bucklige oder durch Verletzungen entstellte und selbst verstümmelte Körper — alles dieses hat seine speziellen Bewunderer und Verehrer gefunden — ist für diese zum Fetisch geworden — und darüber hinaus noch die mehr oder weniger ekelhaften Ausecheidungsprodukte männlicher nnd weiblicher Körper, die dem Bereiche sogen, koprolagnis tischer Passionen, der „renifieurs*, „stercoraires" usw. angehören: Falle in denen es sich anscheinend viel- fach um eine Verquick an g von Fetischismus mit anderweitigen, namentlich ruasochis tischen Perversionen handelt Auch hier übrigens bieten sich fließende Übergänge vom „physiologischen" zum pathologi- schen Fetischismus — wer vermöchte dies bei manchen weitverbreiteten Prozeduren raffinierter Erotik mit Sicherheit zu entscheiden, z, B. bei dem so ungemein viel geübten sogen, cunnilingus (richtiger Bcunni- linctäo"), von dem es sich schwer beurteilen läßt, ob es sich um eine dem spezifischen Geschlechtsmerkmal des Weibes dargebrachte fetischistische, oder anch masochistische Huldigung, oder um eine der Vorbereitung und Steigerung des weiblichen Orgasmus zu dienen beflissene Kunstnachhilfe, oder um ein rein dem Variabilitätsbedürfnis und der Neugierde entspringendes Einzel ex periment handelt? Ich habe im letzteren Falle erlebt, daß ein junger Mann, dänischer Student, in die schwerste Melancholie verfiel und mit Selbstmordgedanken umging, weil er sich durch Ausübung dieser Prozedur, zu der er sich hatte Uber reden lassen, der entsetzlichsten, auf keine Weise zu sahnenden Todsünde schuldig gemacht zu haben glaubte!

Ich komme nun zu der gerichtsSrztlichen, zugleich kriim> nalis tischen Bedeutung des Fetischismus. Diese liegt darin, daß der Fetischismus, wie ja schon mehrfach erwähnt wurde, zu Sach- und Personen beschädigungen und zu Eigen tunisvergehen (Diebstahl and Unterschlagung) verhältnismäßig häufige Veranlassung darbietet Unter den Beschädigungen steht das aus Zeitungsberichten allbekannte, von einer gewissen Fetischistense kte methodisch geübte Zopfabschneiden wohl auch der Häufigkeit nach obenan. Fast in allen Großstädten machen von Zeit zu Zeit solche Zopfabschneider von sich reden, die sich von ihrer Ausbeute häusliche Sammlungen anlegen, um damit ihren schon geschilderten eigenartigen Kultus zn treiben. Die Männer, die


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Über sexuelle PeiTereionen. 313


dieser Fassion huldigen, sind oft hoch intelligent, in ihrem Berufe tüchtig, und erwecken dnrch den Kontrast ihres Handelns ia dem einen Paukte mit ihrer ganzen sonstigen Lebensführung überwiegend den Eindruck, daß sie einem für sie un widersteh liehen Zwange gehorchen, von dem sie auch durch Bestrafung oder Internierung nicht befreit werden können. Erst in den letzten Tagen fand ich in einem Wiener Journal einen in dieser Hinsicht lehrreichen Fall geschildert, dereinen nach Argentinien berufenen 29 jährigen deutschen Ingenieur betraf. Dieser wurde in Buenos Aires verhaftet* als er in der dortigen Haupt- straße einer Gesandtentochter ihren blonden Zopf abschnitt* und gestand dabei, daß er allein in Buenos Aires sich desselben Vergehens bereits 21 mal schuldig gemacht habe, aber auch vorher in Europa bereits mehr- fach deshalb in Untersuchung gezogen und in der Berliner Maison de saute längere Zeit ohne Erfolg interniert worden sei. Die abge schnitte tieft Zöpfe bildeten zu Hause den Gegenstand seiner Anbetung; er küßte sie, drückte sie an Wange und Nase, berauschte sich an ihrem Dufte. Er erklärte, wie die große Mehrzahl der Fetischisten, seineu krankhaften Trieb, der ihn so unheilvoll kompromittiere und schädige, für unwider- stehlich. Man sprach ihn aus diesem Grunde frei: er wurde aber in eine Anstalt überführt, aus der er, wenn überhaupt, wohl ebensowenig geheilt wie früher hervorgehen wird.

Zu den Diebstählen, die von Fetiscbisten begangen werden, gehören besondere häufig solche von weiblichen Garderobegegenständen, vor allem von Taschentüchern (die ja am leichtesten erreichbar sind), aber auch von Schuhen, Hemden t Schürzen, Korsetts usw., selbst von weiblichen Nachtmützen. Bei der Ausstellung „die Frau in Hans und Beruf" im vorigen Jahre in den Aus Stellungeballen des Zoo wurde ein 19 jähriger Kaufmann aus guter Familie betroffen, als er einer jungen Dame das Taschentuch aus dem Ärmelaufschlag ihres Mantels herauszog und in seine Tasche steckte. Er gab gleichfalls an, unter einem inneren Zwange gehandelt zu haben, dem er nicht habe widerstehen können, Üu Hause hatte er bereits mehr als 50 solche Taschentücher in einem besonderen Fache eines Schränken aufgestapelt. Derartige Fälle sind typisch und Ärzten, Kichtern, Polizeibeamten längst bekannt und geläufig. Überraschender dürfte dagegen sein, daß sie auch mit den internationalen Hoteldiebstählen, die neuerdings so viel von sich sprechen machen, hier und da in einem gewissen Zusammenbang zu stehen scheinen, indem es auch unter diesen Hoteldieben Spezialisten gibt, die es auf elegante Schuhe nnd Stiefel in fetischistischem Interesse besonders absehen. Es fragt sich nun, wie soll sich der Gerichts arzt zu diesen in typischer Weise sich abspielenden Dingen verhalten, welche Stellung soll er als Sachverständiger dem echten Fetischisteu gegenüber einnehmen ? Kann oder muß hier von einem Ausschluß der Zorechnungs- fähigkeit, oder wenigstens von einer Verminderung derselben, im Momente der Tatbegehnng die Rede sein? Eier wie auch sonst überall bei den sexuellen Per Versionen muß als oberste Norm für den Sachverständigen gelten, nicht die Tat an sich, sondern die Persönlichkeit des Täters in erster Reihe zu berücksichtigen. Die Tat. wie unsinnig, wie verkehrt sie uus auch erscheinen mag, genügt für sich allein niemals zur Annahme ausgeschlossener oder geminderter Zurechnungsfähigkeit, So auch bei den fetischistischen Diebstählen.


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Waldemar Zude,


Der internationale Hoteldieb, der außer eleganten Schah en and Stiefeln auch Schmucksachen usw. mit sich gehen heißt, wird natürlich auf die Zubilligung von §51 keinen Anspruch erbeben dürfen; und selbst für den Zopf ab schneid er konnten unter Umständen noch andere als aus sexueller Perversion entspringende Motive (z. B. Gewinnsucht) in Frage kommen. Es maß also immer zunächst der Zusammenhang des Deliktes mit einem krankhaften, perversen Sexual leben und die Herleitung ans einem solchen nachgewiesen werden; darüber hinaus in der Regel auch das Vorhandensein einer konstitutionell psychopathischen Veranlagung oder ausgesprochener Geistesstörung, wobei namentlich die verschiedenen (angeborenen und erworbenen) Schwachsinnsformen in Betracht kommen würden. Sind derartige Beziehungen verbal tuismäfiig leicht zu ent- scheiden, bo bieten dagegen solche Fälle oft größere Schwierigkeit, in denen Psychopathie und Schwachsinn nachweisbar nicht vorliegen, wo es sieb vielmehr anscheinend um anderweitig Gesunde odernmNeurotiker handelt, bei denen die Un widerstehlich keit des Triebes, das momentan Zwanghafte ihre» Handelns exkulpierend vor- geschützt wird. Indessen auch bei diesen krankhaften, plötzlich ein- setzenden uud in typischer Weise periodisch wiederkehrenden Drang- und Zwaßgszustinden handelt es sich doch, wie die genauere Unter- suchung in der Regel ergibt, vielfach am geistig nicht ganz vollwertige, belastete und entartete Personen, auf die also Binets Ausspruch von dem sujet prädisposä immerhin zutrifft, und denen man eine mehr oder weniger herabgeminderte Zurechnungsfähigkeit insofern wird zugestehen müssen. {Schluß folgt.)


Viel ist schon geschrieben worden über sexuelle Aufklärung der Jugend. Doch ist der Erfolg bis jetzt noch sehr gering, fast Null. Eltern und Lehrer sträuben sich standhaft das geschlechtliche Problem vor. ihren JC indem zu enthüllen. Selbst in höherereu Lehranstalten begnügt mau sich mit einigen nichtssagenden Redensarten darüber, die das Ganze eher verschleiern als klaren.

Ein noch jüngerer Lehrer, der es ernst nahm mit seinem Beruf nnd ernstlich darüber nachdachte, wie er seine Kinder zur Wahrheit Über die Menschwerdung führen könne, sprach einst mit seinem Vater, auch einem Lehrer, darüber. Doch dieser fuhr ihn an; „Laß den Un- sinn! Hab' ich euch so etwas erzählt V1' — „Leider nicht/1 gab dieser zur Antwort, „und du hast es nur Vi7, (dem ältesten Bruder, der damals Gymnasiast war) zu verdanken, daß wir vor vielem Schlechten bewahrt worden sind. W. gab uns solch ein Ruch, und heimlich lasen wir es auf dem Heuboden!1* Der Herr erzählte mirT daß die Bilder anfangs lüsterne Gedanken bei ihm hervorgerufen hätten und erst die Lektüre des guten Buches ihn auf den rechten Weg gebracht habe in seinem Denken und Fühlen. Nun wollte er seinen Schülern die nötige Auf- klärung geben. Jn einer Buchhandlung entdeckte er einst ein Buch


Notwendigkeit der Sexualpädagogik.


Von Waldemar Zu de


in Biadkä.





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