On the History of Religion and Philosophy in Germany  

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"Some of the contents and many symbols and metaphors portrayed in On the Genealogy of Morality, together with its tripartite structure, seem to be based on and influenced by Heinrich Heine's On the History of Religion and Philosophy in Germany."--Sholem Stein


"Immanuel Kant traced his merciless philosophy up to this point, he stormed heaven, . . . there was no more allmercyfulness, no more fatherly goodness, no otherworldly rewards for this worldly restraint, the immortality of the soul was at its last gasp . . . and old Lampe stood there with his umbrella under his arm, a miserable onlooker with anxious sweat and tears running down his face. And so Immanuel Kant had mercy and showed that he wasn’t just a great philosopher, but also a good person. He thought it over and said, half kindly and half in irony: “Old Lampe must have a God, or the poor fellow can’t be happy but man ought to be happy on earth-practical reason says so (at least according to me) ; so let practical reason also disclose the existence of God.” By this argument Kant distinguished theoretical from practical reason and, as with a magic wand, brought back to life the corpse of deism which theoretical reason had killed. --Heine lampooning Kant

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On the History of Religion and Philosophy in Germany (1833) is a text by Heinrich Heine, first published in French as L’Allemagne depuis Luther. In its later German version, the book is divided into two: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland ("On the History of Religion and Philosophy in Germany") and Die romantische Schule ("The Romantic School"). Heine was deliberately attacking Madame de Staël's book De l'Allemagne (1813) which he viewed as reactionary, Romantic and obscurantist. It is in this book that he jokingly remarked that Kant, in order to make his manservant Martin Lampe happy, he made sure that practical reason guaranteed the existence of god.

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Der Text Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland ist eine in essayistischem Stil geschriebene Abhandlung des deutsch-jüdischen Dichters Heinrich Heine (1797–1856). Er entstand 1833/34 zur Zeit des Pariser Exils Heines, wurde zunächst auf französisch veröffentlicht und bildet damit einen Teil seiner Bemühungen um ein besseres Verständnis beider Völker füreinander. Die deutsche Erstausgabe erfolgte in „Der Salon. Zweiter Band“ (1834).

Allgemeines zum Text

Der Inhalt folgt einigen wiederkehrenden Motiven. Zum einen entwickelt Heine eine teleologische Geschichtskonzeption, nach der in der deutschen Geschichte eine religiöse Revolution zu einer philosophischen und schließlich zu einer politischen Revolution führt. Dies ist vor allem vor dem Eindruck der Französischen Revolution von 1789 zu verstehen, die in Deutschland vor 1848 bisher ausgeblieben ist. Zum anderen ist Heine „Dialektiker“ (Höhn 2004, 347), indem er im Wesentlichen mit Gegensätzen arbeitet. Zentral ist das Begriffspaar Körper/Geist bzw. Sensualismus/Spiritualismus (letzteres in einem heute nicht mehr geläufigen Sinn).

Das Ziel seiner Arbeit an einer populär geschriebenen Geistesgeschichte ist für Heine die Emanzipation, nicht die Wissenschaftlichkeit: „Das Volk hungert nach Wissen und dankt mir für das Stückchen Geistesbrod, das ich ehrlich mit ihm theile“ (HSA, Bd.8, S. 131). Daher sind auch häufig zeitkritische Kommentare zu entdecken, wie z.B. über die staatliche Zensur (HSA, Bd.8, 153f), die Heines Schriften immer wieder verstümmelt hat, oder die Angst der Gelehrten vor einer Verkündigung ihrer Ideen im Volk, was Heine daher als seine Aufgabe ansieht.

Erstes Buch

Die erste Stufe der historischen Entwicklung ist für Heine die Reformation als Entmachtung des katholischen Christentums in Deutschland. Für Heine unterdrückt das Christentum vor Luther die Körperlichkeit des Menschen: „Einst wenn die Menschheit ihre völlige Gesundheit wieder erlangt, wenn der Friede zwischen Leib und Seele wieder hergestellt, und sie wieder in ursprünglicher Harmonie sich durchdringen: dann wird man den künstlichen Hader, den das Christentum zwischen beiden gestiftet, kaum begreifen können.“ (HSA, Bd.8, 134f)

Das Denken und Handeln des „kompletten Menschen“ (HSA, Bd.8, 150) Luther markieren einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte, da er erstens die Verteufelung des Körpers, also z.B. das Prinzip des Zölibats, aufhebt und zweitens durch die deutsche Bibelübersetzung die Heilige Schrift für jeden zugänglich macht: „Indem Luther den Satz aussprach, daß man seine Lehre nur durch die Bibel selber, oder durch vernünftige Gründe, widerlegen müsse, war der menschlichen Vernunft das Recht eingeräumt, die Bibel zu erklären und sie, die Vernunft, war als oberste Richterin in allen religiösen Streitfragen anerkannt.“ (HSA, Bd.8, 153) Bedeutung hat Luther für Deutschland ebenso, weil er die deutsche Sprache entscheidend mitgeprägt hat: „Aber dieser Martin Luther gab uns nicht bloß die Freiheit der Bewegung, sondern auch das Mittel der Bewegung, dem Geist gab er nämlich einen Leib. Er gab dem Gedanken auch das Wort. Er schuf die deutsche Sprache.“ (HSA, Bd.8, 155)

Zweites Buch

Die „philosophische Revolution“ ist nach Heine nicht das Produkt eines Mannes wie die religiöse, sondern das Ergebnis der Philosophiegeschichte von René Descartes über Immanuel Kant bis Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Die beschriebenen Philosophen, u.a. Locke, Leibniz, Spinoza und Lessing, einen geistige ‚Familienbande’ (z.B.HSA, Bd.8, 169,178); alle arbeiten, teils widersprüchlich, an der Vervollkommnung der Philosophie.

Dabei sind vier Definitionen wichtig. Das Begriffspaar (objektiver) Idealismus/Materialismus ist nach Heine rein beschreibend und er meint „mit dem ersteren die Lehre von den angeborenen Ideen, von den Ideen a priori, und mit dem anderen Namen bezeichne ich die Lehre von der Geisteserkenntniß durch die Erfahrung, durch die Sinne, die Lehre von den Ideen a posteriori“ (HSA, Bd.8, 164). Dagegen werden die Begriffe Spiritualismus/Sensualismus hier eher als wertende Kampfbegriffe benutzt: „Den Namen Spiritualismus überlassen wir daher jener frevelhaften Anmaßung des Geistes, der nach alleiniger Verherrlichung strebend, die Materie zu zertreten, wenigstens zu fletriren [verändern, verkehren] sucht: und den Namen Sensualismus überlassen wir jener Opposizion, die, dagegen eifernd, ein Rehabilitiren der Materie bezweckt und den Sinnen ihre Rechte vindiziert [‚einfordert’], ohne die Rechte des Geistes, ja nicht einmal ohne die Supremazie [‚Priorität’, ‚höhere Wichtigkeit’] des Geistes zu läugnen.“ (HSA, Bd.8, 164)

Bei der Schilderung der wichtigen Philosophen geht Heine immer wieder auf deren Leben ein, das mit ihrem Denken tief verwurzelt erscheint. So hat zum Beispiel der sephardisch-niederländische Philosoph Baruch Spinoza (1632–1677) einen makellosen Lebenswandel und kann die zuvor auseinandergetreteten Denkrichtungen des Materialismus und Idealismus wieder zusammenrücken. (HSA, Bd.8, 169ff)

Im Bezug auf die Rolle Gottes bevorzugt Heine den Pantheismus gegenüber einem christlich-personifizierten Gott, aber auch gegenüber atheistischen Vorstellungen wie denen der Französischen Revolution: „Wir kämpfen nicht für die Menschenrechte des Volks, sondern für die Gottesrechte des Menschen“. (HSA, Bd.8, 175) Nach Heine sollte Gott also nicht aufgegeben werden, sondern vielmehr in allem verortet werden, was uns umgibt. Religiöse Dogmen sind mit dieser Einstellung nicht vereinbar: „’Gott ist alles, was da ist’, und Zweifel an ihm ist Zweifel an das Leben selbst, es ist der Tod.“ (HSA, Bd.8, 200)

Drittes Buch

Der besondere Wert von Immanuel Kants Philosophie liegt nach Heine in folgender erkenntnistheoretischer Einsicht: „Kant bewies uns, daß wir von den Dingen, wie sie an und für sich selber sind, nichts wissen, sondern daß wir nur in so fern etwas von ihnen wissen, als sie sich in unserem Geiste reflektiren.“ (HSA, Bd.8, 197)

Georg Wilhelm Friedrich Hegel schließlich beendet die philosophische Revolution. Genauso wie Heine den französischen Revolutionär Robespierre nur als Ausführer der Ideen der französischen Aufklärer versteht, muss nun auch in Deutschland nach dem Wort die Tat folgen.

Das Ende der Abhandlung besteht in einer ironischen Warnung der Franzosen vor einem geeinten Deutschland (HSA, Bd.8, 229ff). Hier zeigt sich die Skepsis Heines vor dem Lauf der Geschichte, den er trotz der grundsätzlichen Tendenz zum Besseren immer als ambivalent beschreibt, da die politische Revolution neben der Befreiung des Volkes auch die Zerstörung der Hochkultur und der Traditionen mit sich bringt. Zur ‚Verspätung’ der Deutschen in der europäischen Geschichte sei ein letztes Zitat genannt: „Der Gedanke geht der That voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig, und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht.“ (HSA, Bd.8, 229)

Wirkung

Obwohl sich „Der Salon. Zweiter Band“ nicht besonders gut verkaufen ließ und auch heute nicht zu Heines bekanntesten Werken gehört, folgte auf die Veröffentlichung eine bemerkenswerte Verbotswelle. Der österreichische Politiker und Kopf der Restauration Fürst Metternich schätzte Heines Fähigkeiten und fürchtete zugleich seine „Ich empfehle [...] dieses Werk, weil es die Quintessenz der Absichten und Hoffnungen der Bagage mit der wir uns beschäftigen, enthält. Zugleich ist das Heine’sche Produkt ein wahres Meisterwerk in Beziehung auf Styl und Darstellung.“ (DHA, Bd.8/2, 554) Dem Verbot in Österreich gingen Verbote in Preußen und Hamburg voraus. In der Forschung wird die Bedeutung der Veröffentlichung beim Verbot der ‚Jungdeutschen’ 1835 diskutiert. (DHA, Bd.8/2, 556)


English text translated by Havelock Ellis[1]

RELIGION AND PHILOSOPHY IN GERMANY.

    [A considerable portion of this, which is one of Heine's most
    important works, marked by luminous exposition and bold and
    brilliant ideas, is here presented. It was published in French,
    under the title _De l'Allemagne depuis Luther_, in the _Revue des
    Deux Mondes_ for 1834, and shortly afterwards it appeared in
    German, terribly mutilated by the censor, like nearly everything
    that Heine wrote. It was written at the suggestion of Prosper
    Enfantin, and dedicated to him, as at that time, in Heine's
    opinion, the foremost champion of human progress. The translation
    here given is Mr. Fleishman's; it has been revised and brought
    closer to the original.]


PREFACE TO SECOND EDITION (1852).

...The book which lies before you is a fragment, and shall remain a fragment. To be candid, I would prefer to leave the book wholly unprinted; for since its first publication my views concerning many subjects, particularly those which relate to religious questions, have undergone a marked change, and much that I then asserted is now in opposition to my better convictions. But the arrow belongs not to the archer when once it has left the bow, and the word no longer belongs to the speaker when once it has passed his lips, especially when it has been multiplied by the press.... At that time I was yet well and hearty; I was in the zenith of my prime, and as arrogant as Nebuchadnezzar before his downfall.

Alas! a few years later, a physical and spiritual change occurred. How often since then have I mused over the history of that Babylonian king who thought himself a god, but who was miserably hurled from the summit of his self-conceit, and compelled to crawl on the earth like a beast, and to eat grass (probably it was only salad). This legend is contained in the grand and magnificent book of Daniel; and I recommend all godless self-worshippers to lay it devoutly to heart. There are, in fact, in the Bible many other beautiful and wonderful narrations, well deserving their consideration; for instance, the story of the forbidden fruit in Paradise, and the serpent which already six thousand years before Hegel's birth promulgated the whole Hegelian philosophy. This footless blue-stocking demonstrates very sagaciously how the absolute consists in the identity of being and knowing; how man becomes God through knowledge, or, what amounts to the same thing, how God arrives at the consciousness of himself through man. To be sure, this formula is not so clear as in the original words: "If ye eat of the tree of knowledge, ye shall be as gods, knowing good and evil." Dame Eve understood of the whole demonstration only this--that the fruit was forbidden; and because it was forbidden she ate of it. But no sooner had she eaten of the tempting apple than she lost her innocence, her naive guilelessness, and discovered that she was far too scantily dressed for a person of her quality, the mother of so many future kings and emperors, and she asked for a dress--truly, only a dress of fig-leaves, because at that time there were as yet no Lyons silk fabrics in existence, and because there were in Paradise no dressmakers or milliners--oh, Paradise! Strange, that as soon as a woman arrives at self-consciousness her first thought is of a new dress!

...Officious, pious Christian souls seem very anxious to know how my conversion was brought about, and seem desirous that I should impose upon them an account of some wonderful miracle. With true Christian importunity they inquire if I did not, like Saul, behold a light when on the way to Damascus; or if, like Balaam, the son of Beor, I was not riding a restive ass, which suddenly opened its mouth and discoursed like a human being. No, ye credulous souls, I never journeyed to Damascus. Even the name would be unknown to me if I had not read the "Song of Songs," wherein King Solomon compares the nose of his beloved to a tower looking towards Damascus. Nor have I ever seen an ass--that is, no four-footed one--that spoke like a human being; whereas I have met human beings in plenty that every time they opened their mouths spoke like asses. In fact, it was neither a vision, nor a seraphic ecstasy, nor a voice from heaven, nor a remarkable dream, nor any miraculous apparition, that brought me to the path of salvation. I owe my enlightenment simply to the reading of a book! one book! yes, it is a plain old book, as modest as nature, and as simple; a book that appears as work-day-like and as unpretentious as the sun that warms, as the bread that nourishes us; a book that looks on us as kindly and benignly as an old grandmother, who, with her dear tremulous lips, and spectacles on nose, reads in it daily: this book is briefly called _the_ book--the Bible. With good reason it is also called the Holy Scriptures: he that has lost his God can find Him again in this book, and towards him who has never known Him it wafts the breath of the divine word. The Jews, who are connoisseurs of precious things, well knew what they were about when, at the burning of the second temple, they left in the lurch the gold and silver sacrificial vessels, the candlesticks and lamps, and even the richly-jewelled breast-plate of the high-priest, to rescue only the Bible....

      *       *       *       *       *

...Distinguished German philosophers who may accidentally cast a glance over these pages will superciliously shrug their shoulders at the meagreness and incompleteness of all that which I here offer. But they will be kind enough to bear in mind that the little which I say is expressed clearly and intelligibly, whereas their own works, although very profound, unfathomably profound--very deep, stupendously deep--are in the same degree unintelligible. Of what benefit to the people is the grain locked away in the granaries to which they have no key? The masses are famishing for knowledge, and will thank me for the portion of intellectual bread, small though it be, which I honestly share with them. I believe it is not lack of ability that holds back the majority of German scholars from discussing religion and philosophy in proper language. I believe it is a fear of the results of their own studies, which they dare not communicate to the masses. I do not share this fear, for I am not a learned scholar; I, myself, am of the people. I am not one of the seven hundred wise men of Germany. I stand with the great masses at the portals of their wisdom. And if a truth slips through, and if this truth falls in my way, then I write it with pretty letters on paper, and give it to the compositor, who sets it in leaden type and gives it to the printer; the latter prints it, and then it belongs to the whole world.

The religion of Germany is Christianity. Therefore I shall have to relate what Christianity is, how it became Roman Catholicism, how out of this sprang Protestantism, and out of the latter German philosophy. Inasmuch as I am about to speak of religion, I beg beforehand of all pious souls not to be uneasy. Fear naught, ye pious ones! No profane witticisms shall offend your ears. It is true that these are yet necessary in Germany, where, at this juncture, it is important to neutralise ecclesiastical power. For there we are now in the same situation that you in France were before the Revolution, when Christianity was yet in the closest union with the old _regime_. The latter could not be overthrown so long as the former maintained its sway over the masses. Voltaire's keen ridicule was needed ere Samson could let his axe descend. But neither the ridicule nor the axe proved anything; they only effected something. Voltaire could only wound the body of Christianity. All his jests gathered from the annals of the Church, all his witticisms against the doctrines and public worship of the Church, against the Bible, this holiest book of humanity, against the Virgin Mary, that loveliest flower of poesy, the whole encylclopaedia of philosophical shafts which he launched against the clergy and priesthood, wounded only the outward, mortal body of Christianity, not its inner being, not its profound spirit, nor its eternal soul.

For Christianity is an idea, and as such is indestructible and immortal, like every idea. But what is this idea?

Just because this idea has not yet been clearly comprehended, and because the essential has been mistaken for the fundamental, there is as yet no history of the Church. Two antagonistic factions write the history of the Church, and contradict each other incessantly. But the one as little as the other will ever distinctly state what that idea really is which is the underlying principle of Christianity, of its symbolism, of its dogma, of its public worship, and which strives to reveal itself throughout its whole history, and has manifested itself in the actual life of Christian nations.

...How this idea was historically evolved, and disclosed itself in the world of phenomena, may be discovered as early as the first centuries after the birth of Christ, if we study impartially the history of the Manicheans and the Gnostics. Although the first were branded as heretics, and the latter defamed, and both anathematised by the Church, yet their influence on the doctrines of the Church was lasting. Out of their symbolism Catholic art was developed, and their modes of thought penetrated the whole life of Christendom. The First Cause of the Manicheans does not differ much from that of the Gnostics. The doctrine of the two principles, the good and the evil, constantly opposing each other, is common to both. The Manicheans derived this doctrine from the ancient Persian religion, in which Ormuz, the light, is at enmity with Ahriman, the darkness. The others, the real Gnostics, believed in the pre-existence of the good principle, and accounted for the rise of the evil through emanation, through the generation of AEons, which, the farther they are removed from their origin, the more vicious and evil do they become.

...This Gnostic theory of the universe originated in ancient India, and brought with it the doctrine of the incarnation of God, of the mortification of the flesh, of spiritual introspection and self-absorption. It gave birth to the ascetic, contemplative, monkish life, which is the most logical outgrowth of the Christian principle. This principle has become entangled among the dogmas of the Church, and has been able to express itself but very obscurely in the public worship. But everywhere we find the doctrine of the two principles prominent; the wicked Satan is always contrasted with the good Christ. Christ represents the spiritual world, Satan the material; to the former belong our souls, to the latter our bodies. Accordingly, the whole visible world, which constitutes nature, is originally evil, and Satan, the prince of darkness, through it seeks to lure us to ruin. Therefore it behoves us to renounce all the sensuous joys of life, to torture the body, which is Satan's portion, in order that the soul may the more majestically soar aloft to the bright heavens, to the radiant kingdom of Christ.

This theory of the universe, which is the true fundamental idea of Christianity, spread itself with incredible rapidity, like a contagious disease, over the whole Roman empire. These sufferings, at times strung to fever-pitch, then again relaxing into exhaustion, lasted all through the middle ages; and we moderns still feel in our limbs those convulsions and that debility. And if among us, here and there, there be one who is already convalescent, he cannot flee from the universal hospital, and feels himself unhappy as the only healthy person among invalids.

When once mankind shall have recovered its perfect life, when peace shall be again restored between body and soul, and they shall again interpenetrate each other with their original harmony, then it will be scarcely possible to comprehend the factitious feud which Christianity has instigated between them. Happier and more perfect generations, begot in free and voluntary embraces, blossoming forth in a religion of joy, will then smile sadly at their poor ancestors, who held themselves gloomily aloof from all the pleasures of this beautiful world, and through the deadening of all warm and cheerful sensuousness almost paled into cold spectres. Yes, I say it confidently, our descendants will be more beautiful, more happy, than we; for I have faith in progress; mankind is destined to be happy, and I have a more favourable opinion of the Divinity than those pious souls who imagine that He created mankind only to suffer. Already here on earth, through the blessings of free political and industrial institutions, would I seek to found that millennium which, according to the belief of the pious, is not to be until the day of judgment. The one is perhaps as visionary a hope as the other, and possibly there will be no resurrection of humanity, either in the politico-moral or in the apostolic-Catholic sense. Perhaps mankind _is_ doomed to eternal misery; the masses _are_ perhaps condemned to be for ever trodden under foot by despots, to be plundered by their accomplices, and to be jeered at by their lackeys. Alas! in that case we must seek to maintain Christianity, even if we recognise it to be an error. Barefoot, and clad in monkish cowls, we must traverse Europe, preaching the vanity of all earthly good, and inculcating resignation. We must hold up the consoling crucifix before scourged and derided humanity, and promise, after death, all the seven heavens above.

...The final fate of Christianity is dependent upon our need of it. This religion has for eighteen centuries been a blessing to suffering humanity; it was providential, divine, holy. All that it has benefited civilisation, by taming the strong and strengthening the weak, by uniting the nations through like emotions and a like language, by all that its panegyrists extol--all these are insignificant in comparison with that great consolation which in itself is bestowed upon mankind. Eternal praise is due to that symbol of a suffering God, the Saviour with the crown of thorns, the Christ crucified, whose blood was a soothing balsam dripping into humanity's wounds. The poet, in particular, will reverently recognise the solemn grandeur of that symbol. The whole system of allegory, as expressed in the life and art of the middle ages, will in all times excite the admiration of poets. What colossal consistency in _the_ Christian art!--that is, in architecture! How harmoniously those Gothic cathedrals are adapted to the religious services of the Church, and how the fundamental idea of the Church itself is revealed in them! Everything towers upward; everything transubstantiates itself; the stone blossoms into branches and foliage and becomes a tree; the fruits of the vine and of the wheat-stalk become blood and flesh; man becomes God, and God becomes a pure, abstract spirit. The Christian life during the middle ages is for the poet a rich, inexhaustible store-house of precious materials. Only through Christianity could, in this world, such varied phases arise--contrasts so striking, sorrows so diverse, beauties so strange, that one is inclined to believe that they never did exist in reality, and that all was but a colossal fever-dream, a delirious fantasy of an insane God. Nature herself appeared in those times fantastically disguised; but notwithstanding that man, occupied with abstract metaphysical speculations, turned peevishly away from her, yet at times she awoke him with a voice so solemnly sweet, so deliciously terrible, so enchanting, that he involuntarily listened and smiled, then shrank back with terror, and sickened even unto death. The story of the nightingale of Basle here comes to my mind, and, as it is probably unknown to you, I will relate it.

In May 1433, at the time of the Ecumenical Council, a party of ecclesiastics, prelates, learned scholars, and monks of every shades took a walk in a grove near Basle, wrangling over theological disputations, drawing hair-splitting distinctions, or arguing concerning annates, expectatives, and reservations, debating whether Thomas of Aquinas was a greater philosopher than Bonaventura, and what not! But suddenly, in the midst of their abstract and dogmatical discussions, they paused, transfixed, before a blooming linden-tree, on which sat a nightingale, trilling and trolling the sweetest and tenderest strains. The learned men were ravished with delight. The glowing melodies of spring penetrated to their scholastic, musty, bookworm hearts, their souls awoke from the mouldy, wintry sleep, they looked at one another in astonished ecstasy. But finally one of them made the sagacious remark that such things could not come of good, that the nightingale might be a devil, and that this devil might be seeking through its sweet music to decoy them from their pious conversations and to lure them to voluptuousness and similar pleasant sins; and then he began to exorcise, probably with the usual formula--"Adjuro te per cum, qui venturus est, judicare vivos et mortuos," etc. It is said that at this conjuration the bird replied, "Yes, I am an evil spirit!" and flew away, laughing. But those who heard its song sickened that very night, and soon after died.

This legend needs no commentary. It bears distinctly the horrible impress of a time when all that was sweet and lovely was denounced as diabolical. Even the nightingale was slandered, and it was customary to make the sign of the cross when she sang. The true Christian, like an abstract spectre, walked timorously, with closed senses, amidst the loveliness of nature.

...As regards the good principle, the same conception prevailed over all the Christian countries of Europe. The Roman Catholic Church took care of that, and whoever deviated from the prescribed faith was a heretic. But in relation to the evil principle and the empire of Satan, different views were held in different countries, and the Germanic North had quite different conceptions from the Latin South. This was caused by the fact that the Christian priesthood did not reject the previously existing national gods as baseless fantasies of the brain, but conceded to them an actual existence; asserting, however, that all these gods were nothing but male and female devils, who, through the victory of Christ, had lost their power over mankind, and now sought through wiles and stratagems to lure them to sin. All Olympus was now transformed into an airy hell; and if a poet of the middle ages sang of Grecian mythology ever so beautifully, the pious Christian would persist in seeing therein only devils and hobgoblins. The gloomy fanaticism of the monks alighted with special severity on poor Venus: she was considered a daughter of Beelzebub, and the good knight Tannhaeuser tells her to her face--

   "O Venus, lovely wife of mine,
     You are but a she-devil!"

Tannhaeuser had been enticed by her into that wondrous mountain-cavern called the Venusburg, where, according to tradition, dwelt the beautiful goddess with her nymphs and her paramours, beguiling the hours with the most wanton carousings and dancing. Even poor Diana was not spared, and, notwithstanding her previous reputation for chastity, similar scandals were fastened on her good name. It is said that she, together with her nymphs, indulged in nightly rides through the forest; hence the legend of a strange midnight chase, by wild and furious hunters. This legend reveals clearly the then pervading Gnostic theory of the degeneration of the former divinities. In this transformation of the ancient national religion the underlying principle of Christianity is most fully manifested. The national religion of Europe in the North, even more than in the South, was pantheism. All the mysteries and symbols of that religion were founded on and had reference to a worship of nature; each of the elements was regarded as the embodiment of some mysterious being, and as such was revered and worshipped; in every tree dwelt a divinity, and all nature swarmed with gods and goddesses. Christianity exactly reversed this, and in place of gods it substituted devils and demons. The cheerful figures of Grecian mythology, beautified as they were by art, had taken root in the South along with Roman civilisation, and were not so easily to be displaced by the hideous, weird, and satanic divinities of the German North. The latter seemed to have been fashioned without any particular artistic design, and even before the advent of Christianity they were as sombre and as gloomy as the North itself. Hence there could not arise in France so frightful a devil-dom as among us in Germany, and even the witchcraft and sorcery of the former assumed a cheerful guise. How lovely, fair, and picturesque are the popular superstitions of France as compared with the bloody, hazy, and misshapen monsters which loom gloomily and savagely from out the mists of German legendary lore!

Those German poets of the middle ages who chose such themes as had originated, or been first treated, in Brittany and Normandy, thereby invested their poems with somewhat of the cheerfulness of the French temperament. But the old Northern sombreness, of whose gloom we can now scarcely form any idea, exercised full sway over such of our literature as was distinctly national, and over such popular traditions as have been orally transmitted. The superstitions of the two countries offer as striking a contrast as that which exists between a Frenchman and a German. The supernatural beings that figure in old French _fabliaux_ and legends are bright and cheerful creations, and remarkable for a cleanliness which is noticeably lacking in our filthy rabble of German hobgoblins. French fairies and sprites are as distinguishable from German spectres as a spruce and daintily-gloved dandy, jauntily promenading the Boulevard Coblence, is different from a burly German porter, carrying a heavy load upon his shoulders. A French nixen, such as a Melusina, is to a German elf as a princess to a washerwoman. The fay Morgana would stand aghast at sight of a German witch, her body naked and besmeared with ointment, riding on a broom-stick to the Brocken. The Brocken is no merry Avalon, but a rendezvous for all that is weird and hideous. On the very summit of the mountain sits Satan, in the shape of a black goat. The infamous sisterhood form a circle around him and dance, and sing, "Donderemus! Donderemus!" Mingled in the infernal din are heard the bleating of the goat and the shouting of the demoniac crew. If, during the dance, a witch happens to drop a shoe, it is an evil omen, and portends that she will be burned at the stake ere the year ends. But all the terror which such a portent inspires is forgotten amid the wild and maddening Berlioz-like music of the witches' sabbath--and when in the morning the poor witch awakens from her delirium, she finds herself lying, stark naked and tired, by the glimmering embers of her hearth.

The most complete account of witches we find in the learned Dr. Nicolai Remigius's _Demonology_. This sagacious man had the best opportunity to learn the tricks of witches, as he officiated at their trials, and during his time, in Lotharingia alone, eight hundred women were burned at the stake, after trial and conviction. The trial was generally as follows:--Their hands and feet were tied together, and then they were thrown into the water. If they went under and were drowned, it was a proof that they were innocent, but if they floated on the surface, they were recognised as guilty and burned. Such was the logic of those times.... When the learned Dr. Remigius had completed his great work on witchcraft, he deemed himself so great a master of his subject as to be able to work magic, and, conscientious man that he was, did not fail to accuse himself before the courts; in consequence of which accusation he was burned as a sorcerer.

...I must confess that Luther did not understand the real nature of Satan. Whatever evil may be said of the devil, it cannot be denied that he is a spiritualist. Still less did Luther understand the real nature of Catholicism. He did not comprehend that the fundamental idea of Christianity, the deadening of the senses, was too antagonistic to human nature to be ever entirely practicable in life; he did not comprehend that Catholicism was a concordat between God and the devil--that is to say, between the spirit and the senses, in which the absolute reign of the spirit was promulgated in theory, but in which the senses were nevertheless practically reinstated in the enjoyment of their rights. Hence a wise system of concessions allowed by the Church to the senses, always, however, under formalities which cast a slur on every act of the senses, and maintained the sham usurpation of the spirit. You might yield to the tender impulses of your heart and embrace a pretty girl, but you must confess that it was a flagrant sin, and for this sin you must make atonement. That this atonement might be made with money was as beneficial to humanity as useful to the Church. The Church imposed fines, so to say, for every indulgence of the flesh; hence there arose taxes on all sorts of sins, and there were pious colporteurs who, in the name of the Roman Catholic Church, hawked for sale through the land absolutions for every taxed sin. Such a one was that Tetzel against whom Luther first entered the field.

...Leo X., the keen Florentine, the pupil of Politian, the friend of Raphael, the Greek philosopher with the triple crown, bestowed by the Conclave, probably because he suffered from a disease, nowise due to Christian abstinence, which was then very dangerous, Leo of Medici, how he must have smiled at the poor, chaste, simple-minded monk who imagined that the evangelic gospels were the chart of Christianity, and that this chart must be a truth! Perhaps he never comprehended what Luther was aiming at, for at that time he was busily occupied with the building of St. Peter's Cathedral, the cost of which was defrayed by the money derived from these sales of absolutions, so that sin actually furnished the means wherewith to build this church, which became thereby, as it were, a monument to the lusts of the flesh, like that pyramid which an Egyptian girl built with the money she had earned by prostitution. Of this house of God it perhaps might be said more truly than of Cologne Cathedral, that it was built by the devil. This triumph of spiritualism, compelling sensualism itself to build its most beautiful temple--this reaping from the multitude, by concessions made to the flesh, the means wherewith to beautify spiritualism, was not understood in the German North. For there, more easily than under the burning skies of Italy, was it possible to practice a Christianity that should make the fewest concessions to the senses. We Northerners are cold-blooded, and needed not so many price-lists of absolution for sins of the flesh as the fatherly Leo sent us. The climate makes the exercise of Christian virtues easier for us; and when, on the 31st of October 1517, Luther nailed to the door of St Augustine's Church his thesis against indulgences, the city moat of Wittenberg was, perhaps, already frozen over with ice thick enough for skating, which is a chilly pleasure, and therefore no sin.

...In Germany the battle against Catholicism was nothing else than a war begun by spiritualism when it perceived that it only reigned nominally and _de jure_; whereas sensualism, through conventional subterfuges, exercised the real sovereignty and ruled _de facto_. When this was perceived, the hawkers of indulgences were chased off, the pretty concubines of the priests were exchanged for plain but honest wedded wives, the charming Madonna pictures were demolished, and there reigned in certain localities a puritanism inimical to every gratification of the senses. In France, on the contrary, during the seventeenth and the eighteenth centuries, the war was begun by sensualism against Catholicism, when it saw that while it, sensualism, reigned _de facto_, yet every exercise of its sovereignty was restrained in the most aggravating manner by spiritualism, and stigmatised as illegitimate. While in Germany the battle was fought with chaste earnestness, in France it was waged with licentious witticisms, and while there theological disputations were in vogue, here many satires were the fashion.

...Truly, Jansenism had much more cause than Jesuitism to feel aggrieved at the delineation of Tartuffe, and Moliere would be as obnoxious to the Methodists of to-day as to the Catholic devotees of his own time. It is just because of this that Moliere is so great, for, like Aristophanes and Cervantes, he levelled his _persiflage_ not only at temporary follies, but also against that which is ever ridiculous--the inherent frailties of mankind. Voltaire, who always attacked only the temporary and the unessential, is in this respect inferior to Moliere.

...Then why my aversion to spiritualism? Is it something so evil? By no means. Attar of roses is a precious article, and a small vial of it is refreshing, when one is doomed to pass one's days in the closely-locked apartments of the harem. But yet we would not have all the roses of life crushed and bruised in order to gain a few drops of the attar of roses, be they ever so consoling. We are like the nightingales, that delight in the rose itself, and derive as delicious a pleasure from the sight of the blushing, blooming flower as from its invisible fragrance.

...But there was one man at the Diet of Worms who, I am convinced, thought not of himself, but only of the sacred interests which he was there to champion. That man was Martin Luther, the poor monk whom Providence had selected to shatter the world-controlling power of the Roman Catholic Church, against which the mightiest emperors and most intrepid scholars had striven in vain. But Providence knows well on whose shoulders to impose its tasks; here not only intellectual but also physical strength was required. It needed a body steeled from youth through chastity and monkish discipline to bear the labour and vexations of such an office.

...Luther was not only the greatest, but also the most thoroughly German hero of our history. In his character are combined, on the grandest scale, all the virtues and all the faults of the Germans, so that, in his own person, he was the representative of that wonderful Germany. For he possessed qualities which we seldom find united, and which we usually even consider to be irreconcilably antagonistic. He was simultaneously a dreamy mystic and a practical man of action. His thoughts possessed not only wings, but also hands; he could speak and could act. He was not only the tongue, but also the sword of his time. He was both a cold, scholastic word-caviller, and an enthusiastic, God-inspired prophet. When, during the day, he had wearily toiled over his dogmatic distinctions and definitions, then in the evening he took his lute, looked up to the stars, and melted into melody and devotion. The same man who could scold like a fish-wife could be as gentle as a tender maiden. At times he was as fierce as the storm that uproots oaks; and then again he was mild as the zephyr caressing the violets. He was filled with a reverential awe of God. He was full of the spirit of self-sacrifice for the honour of the Holy Ghost; he could sink his whole personality in the most abstract spirituality, and yet he could well appreciate the good things of this earth, and from his mouth blossomed forth the famous saying--

   "Who loves not wine, women, and song,
   Will be a fool all his life long."

He was a complete man--I would say an absolute man, in whom spirit and matter were not antagonistic. To call him a spiritualist would, therefore, be as erroneous as to call him a sensualist. How shall I describe him? He had in him something aboriginal, incomprehensible, miraculous.

...All praise to Luther! Eternal honour to the blessed man to whom we owe the salvation of our most precious possessions, and whose benefactions we still enjoy. It ill becomes us to complain of the narrowness of his views. The dwarf, standing on the shoulders of the giant, particularly if he puts on spectacles, can, it is true, see farther than the giant himself; but for noble thoughts and exalted sentiments a giant heart is necessary. It were still more unseemly of us to pass a harsh judgment on his faults, for those very faults have benefited us more than the virtues of thousands of other men. The refinement of Erasmus, the mildness of Melanchthon, could never have brought us so far as the godlike brutality of Brother Martin.

...From the day on which Luther denied the authority of the Pope, and publicly declared in the Diet "that his teachings must be controverted through the words of the Bible itself, or with sensible reasons," there begins a new era in Germany. The fetters with which Saint Boniface had chained the German Church to Rome are broken. This Church, which has hitherto formed an integral part of the great hierarchy, now splits into religious democracies. The character of the religion itself is essentially changed: the Hindoo-Gnostic element disappears from it, and the Judaic-theistic element again becomes prominent. We behold the rise of evangelical Christianity. By recognising and legitimising the most importunate claims of the senses, religion becomes once more a reality. The priest becomes man, takes to himself a wife, and begets children, as God desires.

...If in Germany we lost through Protestantism, along with the ancient miracles, much other poetry, we gained manifold compensations. Men became nobler and more virtuous. Protestantism was very successful in effecting that purity of morals and that strictness in the fulfilment of duty which is generally called morality. In certain communities, indeed, Protestantism assumed a tendency which in the end became quite identical with morality, and the gospels remained as a beautiful parable only. Particularly in the lives of the ecclesiastics is a pleasing change now noticeable. With celibacy disappeared also monkish obscenities and vices. Among the Protestant clergy are frequently to be found the noblest and most virtuous of men, such as would have won respect from even the ancient Stoics. One must have wandered on foot, as a poor student, through Northern Germany, in order to learn how much virtue--and in order to give virtue a complimentary adjective, how much evangelical virtue--is to be found in an unpretentious-looking parsonage. How often of a winter's evening have I found there a hospitable welcome,--I, a stranger, who brought with me no other recommendation save that I was hungry and tired! When I had partaken of a hearty meal, and, after a good night's rest, was ready in the morning to continue my journey, then came the old pastor, in his dressing-gown, and gave me a blessing on the way,--and it never brought me misfortune; and his good-hearted, gossipy wife placed several slices of bread-and-butter in my pocket, which I found not less refreshing; and silent in the distance stood the pastor's pretty daughters, with blushing cheeks and violet eyes, whose modest fire in the mere recollection warmed my heart for many a whole winter's day.

...How strange! We Germans are the strongest and wisest of nations; our royal races furnish princes for all the thrones of Europe; our Rothschilds rule all the exchanges of the world; our learned men are pre-eminent in all the sciences; we invented gunpowder and printing;--and yet if one of us fires a pistol he must pay a fine of three thalers; and if we wish to insert in a newspaper, "My dear wife has given birth to a little daughter, beautiful as Liberty," then the censor grasps his red pencil and strikes out the word "Liberty."

...I have said that we gained freedom of thought through Luther. But he gave us not only freedom of movement, but also the means of movement; to the spirit he gave a body; to the thought he gave words. He created the German language.

This he did by his translation of the Bible.

In fact, the divine author of that book seems to have known, as well as we others, that the choice of a translator is by no means a matter of indifference; and so He himself selected His translator, and bestowed on him the wonderful gift to translate from a language which was dead and already buried, into another language that as yet did not exist.

...The knowledge of the Hebrew language had entirely disappeared from the Christian world. Only the Jews, who kept themselves hidden here and there in stray corners of the world, yet preserved the traditions of this language. Like a ghost keeping watch over a treasure which had been confided to it during life, so in its dark and gloomy ghettos sat this murdered nation, this spectre-people, guarding the Hebrew Bible.

...Luther's Bible is an enduring spring of rejuvenation for our language. All the expressions and phrases contained therein are German, and are still in use by writers. As this book is in the hands of even the poorest people, they require no special learned education in order to be able to express themselves in literary forms. When our political revolution breaks out, this circumstance will have remarkable results. Liberty will everywhere be gifted with the power of speech, and her speech will be biblical.

...More noteworthy and of more importance than his prose writings are Luther's poems, the songs which in battle and in trouble blossomed forth from his heart. Sometimes they resemble a floweret that grows on a rocky crag, then again a ray of moonlight trembling over a restless sea. Luther loved music, and even wrote a treatise on the art; hence his songs are particularly melodious. In this respect he merits the name, Swan of Eisleben. But he is nothing less than a wild swan in those songs wherein he stimulates the courage of his followers and inflames himself to the fiercest rage of battle. A true battle-song was that martial strain with which he and his companions marched into Worms. The old cathedral trembled at those unwonted tones, and the ravens, in their dark nests in the steeple, startled with affright. That song, the Marseillaise of the Reformation, preserves to this day its inspiriting power.

...The expressions "classic" and "romantic" refer only to the spirit and the manner of the treatment. The treatment is classic when the form of that which is portrayed is quite identical with the idea of the portrayer, as is the case with the art-works of the Greeks, in which, owing to this identity, the greatest harmony is found to exist between the idea and its form. The treatment is romantic when the form does not reveal the idea through this identity, but lets this idea be surmised parabolically. (I use the word "parabolically" here in preference to "symbolically.") The Greek mythology had an array of god-figures, each of which, in addition to the identity of form and idea, was also susceptible of a symbolic meaning. But in this Greek religion only the figures of the gods were clearly defined; all else, their lives and deeds, was left to the arbitrary treatment of the poet's fancy. In the Christian religion, on the contrary, there are no such clearly-defined figures, but stated facts--certain definite holy events and deeds, into which the poetical faculty of man could place a parabolic signification. It is said that Homer invented the Greek gods and goddesses. That is not true. They existed previously in clearly-defined outlines; but he invented their histories. The artists of the middle ages, on the other hand, never ventured the least addition to the historical part of their religion. The fall of man, the incarnation, the baptism, the crucifixion, and the like, were matters of fact, which were not to be intermeddled with, and which it was not permissible to remould in the least, but to which poetry might attach a symbolic meaning. All the arts during the middle ages were treated in this parabolic spirit, and this treatment is romantic. Hence we find in the poetry of the middle ages a mystic universality; the forms are all so shadowy, what they do is so vaguely indicated, all therein is as if seen through a hazy twilight intermittently illumined by the moon. The idea is merely hinted at in the form, as in a riddle; and we dimly see a vague, indefinite figure, which is the peculiarity of spiritual literature. There is not, as among the Greeks, a harmony, clear as the sun, between form and meaning, but occasionally the meaning overtops the given form, and the latter strives desperately to reach the former, and then we behold bizarre, fantastic sublimity; then, again, the form has overgrown itself, and is out of all proportion to the meaning. A silly, pitiful thought trails itself along in some colossal form, and we witness a grotesque farce: misshapenness is nearly always the result.

The universal characteristic of that literature was that in all its productions it manifested the same firm, unshaken faith which in that period reigned over worldly as well as spiritual matters. All the opinions of that time were based on authorities. The poet journeyed along the abysses of doubt as free from apprehension as a mule, and there prevailed in the literature of that period a dauntless composure and blissful self-confidence such as became impossible in after-times, when the influence of the Papacy, the chief of those authorities, was shattered, and with it all the others were overthrown. Hence the poems of the middle ages have all the same characteristics, as if composed not by single individuals, but by the whole people _en masse_: they are objective, epic, naive.

In the literature that blossomed into life with Luther we find quite opposite tendencies.

Its material, its subject, is the conflict between the interests and views of the Reformation and the old order of things. To the new spirit of the times, that hodge-podge religion which arose from the two elements already referred to--Germanic nationality and the Hindoo-Gnostic Christendom--was altogether repugnant. The latter was considered heathen idol-worship, which was to be replaced by the true religion of the Judaic-theistic Gospel. A new order of things is established; the spirit makes discoveries which demand the well-being of matter. Through industrial progress and the dissemination of philosophical theories, spiritualism becomes discredited in popular opinion. The _tiers-etat_ begins to rise; the Revolution already rumbles in the hearts and brains of men, and what the era feels, thinks, needs, and wills is openly spoken; and that is the stuff of which modern literature is made. At the same time the treatment is no longer romantic, but classic.

...The universal characteristic of modern literature consists in this, that now individuality and scepticism predominate. Authorities are overthrown; reason is now man's sole lamp, and conscience his only staff in the dark mazes of life. Man now stands alone, face to face with his Creator, and chants his songs to Him. Hence this literary epoch opens with hymns. And even later, when it becomes secular, the most intimate self-consciousness, the feeling of personality, rules throughout. Poetry is no longer objective, epic, and naive, but subjective, lyric, and reflective.

...The God of the pantheists differs from the God of the theists in so far that the former is in the world itself, while the latter is external to, or, in other words, is over the world. The God of the theists rules the world from above as a quite distinct establishment. Only in regard to the manner of that rule do the theists differ among themselves. The Hebrews picture God as a thunder-hurling tyrant; the Christians regard him as a loving father; the disciples of Rousseau and the whole Genevese school portray him as a skilful artist, who has made the whole world somewhat in the same manner as their papas manufacture watches; and as art-connoisseurs, they admire the work and praise the Maker above.

...From the moment that religion seeks assistance from philosophy her downfall is unavoidable. She strives to defend herself, and always talks herself deeper into ruin. Religion, like all other absolutisms, may not justify herself. Prometheus is bound to the rock by a silent power. AEschylus represents the personification of brute force as not speaking a single word. It must be dumb.

...Moses Mendelssohn was the reformer of the German Israelites, his companions in faith. He overthrew the prestige of Talmudism, and founded a pure Mosaism. This man, whom his contemporaries called the German Socrates, and whose nobleness of soul and intellectual powers they so admired, was the son of a poor sexton of the synagogue at Dessau. Besides this curse of birth, Providence made him a hunchback, in order to teach the rabble in a very striking manner that men are to be judged not by outward appearance but by inner worth. As Luther overthrew the Papacy, so Mendelssohn overthrew the Talmud; and that, too, by a similar process. He discarded tradition, declared the Bible to be the well-spring of religion, and translated the most important parts of it. By so doing he destroyed Jewish Catholicism, for such is the Talmud. It is a Gothic dome which, although overladen with fanciful, childish ornamentation, yet amazes us by the immensity of its heaven-aspiring proportions.

...No German can pronounce the name of Lessing without a responsive echo in his breast. Since Luther, Germany has produced no greater and better man than Gotthold Ephraim Lessing. These two are our pride and joy. In the troubles of the present we look back at their consoling figures, and they answer with a look full of bright promise. The third man will come who will perfect what Luther began and what Lessing carried on--the third Liberator.

Like Luther, Lessing's achievements consisted not only in effecting something definite, but in agitating the German people to its depths, and in awakening through his criticism and polemics a wholesome intellectual activity. He was the vivifying critic of his time, and his whole life was a polemic. His critical insight made itself felt throughout the widest range of thought and feeling--in religion, in science, and in art. His polemics vanquished every opponent, and grew stronger with every victory. Lessing, as he himself confessed, needed conflict for the full development of his powers. He resembled that fabulous Norman who inherited the skill, knowledge, and strength of those whom he slew in single combat, and in this manner became finally endowed with all possible excellencies and perfections. It is easily conceivable that such a contentious champion should stir up not a little commotion in Germany,--in that quiet Germany which was then even more sabbatically quiet than now. The majority were stupefied at his literary audacity. But this was of the greatest assistance to him, for _oser_! is the secret of success in literature, as it is in revolutions,--and in love. All trembled before the sword of Lessing. No head was safe from him. Yes, many heads he struck off from mere wantonness, and was moreover so spiteful as to lift them up from the ground and show to the public that they were hollow inside. Those whom his sword could not reach he slew with the arrows of his wit. His friends admired the pretty feathers of those arrows; his enemies felt their barbs in their hearts. Lessing's wit does not resemble that _enjouement_, that _gaite_, those lively _saillies_, which are so well known here in France. His wit was no petty French greyhound, chasing its own shadow: it was rather a great German tom-cat, who plays with the mouse before he throttles it.

Yes, polemics were our Lessing's delight, and so he never reflected long whether an opponent was worthy of him,--thus through his controversies he has saved many a name from well-merited oblivion. Around many a pitiful authorling he has spun a web of the wittiest sarcasm, the most charming humour; and thus they are preserved for all time in Lessing's works, like insects caught in a piece of amber. In slaying his enemies he made them immortal. Who of us would have ever heard of that Klotz on whom Lessing wasted so much wit and scorn? The huge rocks which he hurled at, and with which he crushed, that poor antiquarian, are now the latter's indestructible monument.

It is noteworthy that this wittiest man of all Germany was also the most honourable. There is nothing equal to his love of truth. Lessing made not the least concession to falsehood, even if thereby, after the manner of the worldly-wise, he could advance the victory of truth itself. He could do everything for truth, except lie for it. Whoever thinks, he once said, to bring Truth to man, masked and rouged, may well be her pander, but he has never been her lover.

...It is heart-rending to read in his biography how fate denied this man every joy, and how it did not even vouchsafe to him to rest with his family from his daily struggles. Once only fortune seemed to smile on him; she gave him a loved wife, a child--but this happiness was like the rays of the sun gilding the wings of a swift-flying bird: it vanished as quickly. His wife died in consequence of her confinement, the child soon after birth. Concerning the latter, he wrote to a friend the horribly-witty words, "My joy was brief. And I lost him so unwillingly, that son! For he was so wise, so wise! Do not think that the few hours of my fatherhood have already made a doting parent of me. I know what I say. Was it not wisdom that he had to be reluctantly dragged into the world with iron tongs, and that he so soon discovered his folly? Was it not wisdom that he seized the first opportunity to leave it? For once I have sought to be happy like other men; but I have made a miserable failure of it."

...Lessing was the prophet who from the New Testament pointed towards the Third Testament. I have called him the successor of Luther; and it is in this character that I have to speak of him here. Of his influence on German art I shall speak hereafter. On this he effected a wholesome reform, not only through his criticism, but also through his example; and this latter phase of his activity is generally made the most prominent, and is the most discussed. But, viewed from our present standpoint, his philosophical and theological battles are to us more important than all his dramas, or his dramaturgy. His dramas, however, like all his writings, have a social import, and _Nathan the Wise_ is in reality not only a good play, but also a philosophical, theological treatise in support of the doctrine of a pure theism. For Lessing, art was a tribune, and when he was thrust from the pulpit or the professor's chair he sprang on to the stage, speaking out more boldly, and gaining a more numerous audience.

I say that Lessing continued the work of Luther. After Luther had freed us from the yoke of tradition and had exalted the Bible as the only well-spring of Christianity, there ensued a rigid word-service, and the letter of the Bible ruled just as tyrannically as once did tradition. Lessing contributed the most to the emancipation from the tyranny of the letter.

Lessing died in Brunswick, in the year 1781, misunderstood, hated, and denounced. In the same year there was published at Koenigsberg the _Critique of Pure Reason_, by Immanuel Kant. With this book there begins in Germany an intellectual revolution, which offers the most wonderful analogies to the material revolution in France, and which to the profound thinker must appear equally important. It develops the same phases, and between the two there exists a very remarkable parallelism. On both sides of the Rhine we behold the same rupture with the past: it is loudly proclaimed that all reverence for tradition is at an end. As in France no privilege, so in Germany no thought is tolerated without proving its right to exist: nothing is taken for granted. And as in France fell the monarchy, the keystone of the old social system, so in Germany fell theism, the keystone of the intellectual _ancien regime_.

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It is horrible when the bodies which we have created ask of us a soul. But it is still more horrible, more terrible, more uncanny, to create a soul, which craves a body and pursues us with that demand. The idea which we have thought is such a soul, and it allows us no peace until we have given it a body, until we have brought it into actual being. The thought seems to become deed; the word, flesh. And, strange! man, like the God of the Bible, needs but to speak his thought, and the world shapes itself accordingly: light dawns, or darkness descends; the waters separate themselves from the dry land, and even wild beasts appear. The universe is but the signature of the word.

Mark this, ye haughty men of action. Ye are naught but the unconscious servants of the men of thought, who, oftentimes in the humblest obscurity, have marked out your tasks for you with the utmost exactitude. Maximilian Robespierre was only the hand of Jean Jacques Rousseau--the bloody hand that from the womb of time drew forth the body whose soul Rousseau had created. Did the restless anxiety that embittered the life of Jean Jacques arise from a foreboding that his thoughts would require such a midwife to bring them into the world?

Old Fontenelle was perhaps in the right when he declared, "If I carried all the ideas of this world in my closed hand, I should take good heed not to open it." For my part, I think differently. If I held all the ideas of the world in my hand, I might perhaps implore you to hew off my hand at once, but in no case would I long keep it closed. I am not adapted to be a jailor of thoughts. By Heaven! I would set them free. Even if they assumed the most threatening shapes and swept through all lands like a band of mad Bacchantes; even if with their thyrsus staffs they should strike down our most innocent flowers; even if they should break into our hospitals and chase the sick old world from its bed! It would certainly grieve me sadly, and I myself should come to harm. For, alas! I too belong to that sick old world; and the poet says rightly that scoffing at our own crutches does not enable us to walk any the better. I am the most sick among you all, and the most to be pitied, for I know what health is. But you know it not, you enviable ones. You can die without noticing it yourselves. Yes, many of you have already been dead for these many years, and you think that now only does the true life begin. When I contradict such madness, then they become enraged against me, and rail at me, and, horrible! the corpses spring on me and reproach me; and more even than their revilings does their mouldy odour oppress me. Avaunt, ye spectres! I am speaking of one whose very name possesses an exorcising power: I speak of Immanuel Kant.

It is said that the spirits of darkness tremble with affright when they behold the sword of an executioner. How, then, must they stand aghast when confronted with Kant's _Critique of Pure Reason_! This book is the sword with which, in Germany, theism was decapitated.

To be candid, you French are tame and moderate compared with us Germans. At the most, you have slain a king; and he had already lost his head before he was beheaded. And withal you must drum so much, and shout, and stamp, so that the whole world was shaken by the tumult. It is really awarding Maximilian Robespierre too much honour to compare him with Immanuel Kant. Maximilian Robespierre, the great citizen of the Rue Saint Honore, did truly have an attack of destructive fury when the monarchy was concerned, and he writhed terribly enough in his regicidal epilepsy; but as soon as the Supreme Being was mentioned, he wiped the white foam from his mouth and the blood from his hands, put on his blue Sunday coat with the bright buttons, and attached a bouquet of flowers to his broad coat-lapel.

The life-history of Immanuel Kant is difficult to write, for he had neither a life nor a history. He lived a mechanical, orderly, almost abstract, bachelor life, in a quiet little side-street of Koenigsberg, an old city near the north-east boundary of Germany. I believe that the great clock of the cathedral did not perform its daily work more dispassionately, more regularly, than its countryman, Immanuel Kant. Rising, coffee-drinking, writing, collegiate lectures, dining, walking--each had its set time. And when Immanuel Kant, in his grey coat, cane in hand, appeared at the door of his house, and strolled towards the small linden avenue, which is still called "the philosopher's walk," the neighbours knew it was exactly half-past four. Eight times he promenaded up and down, during all seasons; and when the weather was gloomy, or the grey clouds threatened rain, his old servant Lampe was seen plodding anxiously after, with a large umbrella under his arm, like a symbol of Providence.

What a strange contrast between the outer life of the man and his destructive, world-convulsing thoughts! Had the citizens of Koenigsberg surmised the whole significance of these thoughts, they would have felt a more profound awe in the presence of this man than in that of an executioner, who merely slays human beings. But the good people saw in him nothing but a professor of philosophy; and when at the fixed hour he sauntered by, they nodded a friendly greeting, and regulated their watches.

But if Immanuel Kant, that arch-destroyer in the realms of thought, far surpassed Maximilian Robespierre in terrorism, yet he had certain points of resemblance to the latter that invite a comparison of the two men. In both we find the same inflexible, rigid, prosaic integrity. Then we find in both the same instinct of distrust,--only that the one exercises it against ideas, and names it a critique, while the other applies it to men, and calls it republican virtue. In both, however, the narrow-minded shopkeeper type is markedly manifest. Nature had intended them to weigh out sugar and coffee, but fate willed it otherwise, and into the scales of one it laid a king, into those of the other, a God. And they both weighed correctly.

...Pantheism had already in Fichte's time interpenetrated German art; even the Catholic Romanticists unconsciously followed this current, and Goethe expressed it most unmistakably. This he already does in _Werther_. In _Faust_ he seeks to establish an affinity between man and nature by a bold, direct, mystic method, and conjures the secret forces of nature through the magic formula of the powers of hell. But this Goethean pantheism is most clearly and most charmingly disclosed in his short ballads. The early philosophy of Spinoza has shed its mathematical shell, and now flutters about us as Goethean poetry. Hence the wrath of our pietists, and of orthodoxy in general, against the Goethean ballads. With their pious bear-paws they clumsily strike at this butterfly, which is so daintily ethereal, so light of wing, that it always flits out of reach. These Goethean ballads have a tantalising charm that is indescribable. The harmonious verses captivate the heart like the tenderness of a loving maiden; the words embrace you while the thought kisses you.

...This giant was minister in a lilliputian German state, in which he could never move at ease. It was said of Phidias's Jupiter seated in Olympus, that were he ever to stand erect the sudden uprising would rend asunder the vaulted roof. This was exactly Goethe's situation at Weimar; had he suddenly lifted himself up from his peaceful, sitting posture, he would have shattered the gabled canopy of state, or, more probably, he would have bruised his own head. But the German Jupiter remained quietly seated, and composedly accepted homage and incense.

...When it was seen that such saddening follies were budding out of philosophy and ripening into a baleful maturity--when it was observed that the German youth were generally absorbed in metaphysical abstractions, thereby neglecting the most important questions of the time and unfitting themselves for practical life,--it was quite natural that patriots and lovers of liberty should be led to conceive a justifiable dislike to philosophy; and a few went so far as to condemn it utterly and entirely, as idle, useless, chimerical theorising.

We shall not be so foolish as to attempt seriously to refute these malcontents. German philosophy is a matter of great weight and importance, and concerns the whole human race. Only our most remote descendants will be able to decide whether we deserve blame or praise for completing first our philosophy and afterwards our revolution. To me it seems that a methodical people, such as we Germans are, must necessarily have commenced with the Reformation, could only after that proceed to occupy ourselves with philosophy, and not until the completion of the latter could we pass on to the political revolution. This order I find quite sensible. The heads which philosophy has used for thinking, the revolution can afterwards, for its purposes, cut off. But philosophy would never have been able to use the heads which had been decapitated by the revolution, if the latter had preceded.

...Christianity--and this is its fairest service--has to a certain degree moderated that brutal lust of battle, such as we find it among the ancient Germanic races, who fought, not to destroy, not yet to conquer, but merely from a fierce, demoniac love of battle itself; but it could not altogether eradicate it. And when once that restraining talisman, the cross, is broken, then the smouldering ferocity of those ancient warriors will again blaze up; then will again be heard the deadly clang of that frantic Berserkir wrath, of which the Norse poets say and sing so much. The talisman is rotten with decay, and the day will surely come when it will crumble and fall. Then the ancient stone gods will arise from out the ashes of dismantled ruins, and rub the dust of a thousand years from their eyes; and finally Thor, with his colossal hammer, will leap up, and with it shatter into fragments the Gothic Cathedrals.

And when ye hear the rumbling and the crumbling, take heed, ye neighbours of France, and meddle not with what we do in Germany. It might bring harm on you. Take heed not to kindle the fire; take heed not to quench it. Ye might easily burn your fingers in the flame. Smile not at my advice as the counsel of a visionary warning you against Kantians, Fichteans, and natural philosophers. Scoff not at the dreamer who expects in the material world a revolution similar to that which has already taken place in the domains of thought. The thought goes before the deed, as the lightning precedes the thunder. German thunder is certainly German, and is rather awkward, and it comes rolling along tardily; but come it surely will, and when ye once hear a crash the like of which in the world's history was never heard before, then know that the German thunderbolt has reached its mark. At this crash the eagles will fall dead in mid air, and the lions in Afric's most distant deserts will cower and sneak into their royal dens. A drama will be enacted in Germany in comparison with which the French Revolution will appear a harmless idyl. To be sure, matters are at present rather quiet, and if occasionally this one or the other rants and gesticulates somewhat violently, do not believe that these are the real actors. These are only little puppies, that run around in the empty arena, barking and snarling at one another, until the hour shall arrive when appear the gladiators, who are to battle unto death.

And that hour _will_ come. As on the raised benches of an amphitheatre the nations will group themselves around Germany to behold the great tournament. I advise you, ye French, keep very quiet then: on your souls take heed that ye applaud not. We might easily misunderstand you, and in our blunt manner roughly quiet and rebuke you, for if in our former servile condition we could sometimes overcome you, much more easily can we do so in the wantonness and delirious intoxication of freedom. Ye yourselves know what one can do in such a condition--and ye are no longer in that condition. Beware! I mean well with you, therefore I tell you the bitter truth. You have more to fear from emancipated Germany than from the whole Holy Alliance, with all its Croats and Cossacks. For, in the first place, you are not loved in Germany,--which is almost incomprehensible, for you are so very amiable, and during your sojourn in Germany took much pains to please at least the better and lovelier half of the Germans. But even if that half should love you, it is just the half that does not bear arms, and whose friendship would therefore avail you but little.

What they really have against you, I could never make out. Once in a beer-cellar at Goettingen, a young Teuton said that revenge must be had on the French for Conrad von Stauffen, whom they beheaded at Naples. You have surely long since forgotten that. But we forget nothing. You see that if we should once be inclined to quarrel with you, good reasons will not be wanting. At all events, I advise you to be on your guard. Let what will happen in Germany, whether the Crown Prince of Prussia or Dr. Wirth hold sway, be always armed, remain quietly at your post, musket in hand. I mean well with you; and I almost stood aghast when I learned lately that your ministry propose to disarm France.

As, notwithstanding your present Romanticism, you are inborn classics, you know Olympus. Among the naked gods and goddesses who there make themselves merry with nectar and ambrosia, you behold one goddess who, although surrounded with mirth and sport, yet wears always a coat of mail, and keeps helm on head and spear in hand.

It is the goddess of wisdom.

Full German text[2]

Zur Gesdiidite der Religion und Philosophie in Deutsdiland


Vorrede zur ersten Auflage

Idh muß den deutsdien Leser darauf besonders auf= merksam madien, daß diese Blätter ursprünglidi für eine französisdie Zeitsdirift, die »Revue des deux mon= des*, und zu einem bestimmten Zeitzwedt abgefaßt worden, Sie gehören nämlidi zu einer Übersdiau deut- sdier Geistesvorgänge, wovon idi bereits früher dem französisdien Publikum einige Teile vorgelegt, und die audi in deutsdier Spradie als Beiträge »zur Gesdiidite der neueren sdiönen Literatur in Deutsdiland<^ er^ sdiienen sind. Die Anforderungen der periodisdien Presse, Übelstände in der Ökonomie derselben, Mangel an wissensdiaftlidien Hülfsmitteln, französisdie Unzu^ länglidikeiten, ein neulidi in Deutsdiland promulgiertcs Gesetz über ausländisdie Drud^e, weldies nur auf midi seine Anwendung fand und dergleidien Hemmungen mehr, erlaubten mir nidit, die versdiiedenen Teile jener Übersdiau in dironologisdier Reihenfolge und unter einem Gesamttitel mitzuteilen. Das gegenwärtige Budi, trotz seiner inneren Einheit und seiner äußerlidien Ge*' sdilossenheit, ist also nur das Fragment eines größeren Ganzen.

Idi grüße die Heimat mit dem freundlidisten Gruße.

Gesdirieben zu Paris, im Monat Dezember 1834.

Heinrich Heine.


Vorrede zur zweiten Auflage.

Als die erste Auflage dieses Budies die Presse ver- ließ, und idi ein Exemplar desselben zur Hand nahm, ersdirak idi nidit wenig ob den Verstümmelungen, deren Spur sidi überall kund gab. Hier fehlte ein Bei* wort, dort ein Zwisdiensatz, ganze Stellen waren aus- gelassen, ohne RüdisiAt auf die Übergänge, so daß nidit bloß der Sinn, sondern mandimai die Gesinnung selbst versdiwand. Viel mehr die Furdit Cäsars, als die Furdit Gottes, leitete die Hand bei diesen Verstümmelungen, und während sie alles politisdi Verfänglidie ängstlidi auS'^ merzte, vcrsdionte sie selbst das Bedenklidiste, das auf Religion Bezug hatte. So ging die eigentlidie Tendenz dieses Budies, weldie eine patriotisdi-demokratisdie war, verloren, und unheimlidi starrte mir daraus ein ganz fremder Geist entgegen, wddier an sdiolastisdi-theo- logisdie Klopffeditereien erinnert, und meinem huma-- nistisA-toIeranten Naturell tief zuwider ist.

Idi sdimeidielte mir anfangs mit der Hoffnung, daß \6\ bei einem zweiten Abdrudt die Lakunen dieses Budies wieder ausfüllen könne/ dodi keine Restauration der Art ist jetzt möglidi, da bei dem großen Brand zu Hamburg das Original-Manuskript im Hause meines Verlegers verloren gegangen. Mein Gedäditnis ist zu sdiwadi, als daß idi aus der Erinnerung nadihelfen könnte, und außerdem dürfte eine genaue Durdisidit des Budies mir wegen des Zustandes meiner Augen nidit erlaubt sein. Idi begnüge midi damit, daß idi nadi der französisdien Version, weldie früher als die deutsdie gedruckt worden, einige der größern ausgelassenen Stel- len aus dem Französisdien zurüd<übersetze und inter- kaliere. Eine dieser Stellen, weldie in unzähligen fran- zösisdien Blättern abgedrudtt, diskutiert und audi in der vorjährigen französisdien Deputiertenkammer von


Vorrede zur zweiten Auflage 189

einem der größten Staatsmänner der Franzosen, dem Grafen Mole, besprodien worden, ist am Ende dieser neuen Ausgabe befmdlidi und mag zeigen, weldie Be= wandtnis es hat mit derVerkleinerung und Herabsetzung Deutsdilands, deren idi mid», wie gewisse ehrlidie Leute versidierten, dem Auslande gegenüber sdiuldig gemadit haben soll. Äußerte idi midi in meinem Unmut über das alte, offizielle Deutsdiland, das versdiimmelte Philister^ land, — das aber keinen Goliath, keinen einzigen großen Mann hervorgebradit hat, — so wußte man das was idi sagte, so darzustellen, als sei hier die Rede von dem wirk= lidien Deutsdiland, dem großen, geheimnisvollen, sozu^ sagen anonymen Deutsdiland des deutsdien Volkes, des sdilafenden Souveränen, mit dessen Szepter und Krone die Meerkatzen spielen. Soldie Insinuation ward den ehrlidien Leuten nodi dadurdi erleiditert, daß jede Kund- gabe meiner wahren Gesinnung mir während einer lan* gen Periode sdiier unmöglidi war, besonders zur Zeit als die Bundestagsdekrete gegen das »junge Deutsdi* land« ersdiienen, weldie hauptsädilidi gegen midi ge- riditet waren und midi in eine exzeptionell gebundene Lage braditen, die unerhört in den Annalen der Preß- kneditsdiaft. Als idi späterhin den Maulkorb etwas lüften konnte, blieben dodi die Gedanken nodi geknebelt.

Das vorliegende Bud» ist Fragment, und soll audi Fragment bleiben, Ehrlidi gestanden, es wäre mir lieb, wenn idi das Budi ganz ungedrudtt lassen könnte. Es haben sidi nämlidi seit dem Ersdicincn desselben meine Ansiditen über mandie Dinge, besonders über göttlidie Dinge, bedenklidi geändert, und mandies, was idi behauptete, widerspridit jetzt meiner bessern Über* Zeugung. Aber der Pfeil gehört nidit mehr dem Sdiüt- zen, sobald er von der Sehne des Bogens fortfliegt, und das Wort gehört nidit mehr dem Spredier, sobald es


190 Religion und Philosophie in Deutschland

seiner Lippe entsprungen und gar durdi die Presse ver- vielfältigt worden. Außerdem würden fremde Befuge nisse mir mit zwingendem Einsprudi entgegentreten, wenn idi dieses Budi ungedrudct ließe und meinen Ge- samtwerken entzöge. Idi könnte zwar, wie mandie Sdiriftsteller in soldien Fällen tun, zu einer Milderung der Ausdrüdte, zu Verhüllungen durdi Phrase meine Zufludit nehmen,- aber idi hasse im Grund meiner Seele die zweideutigen Worte, die heudilerisdien Blu- men, die feigen Feigenblätter. Einem ehrlidien Manne bleibt aber unter allen Umständen das unveräußerlidie Red^t, seinen Irrtum offen zu gestehen, und idi will es ohne Sdieu hier ausüben. Idi bekenne daher unum- wunden, daß alles, was in diesem Budie namentlidi auf die große Gottesfrage Bezug hat, eben so falsdi wie un^ besonnen ist. Eben so unbesonnen wie falsdi ist die Behauptung, die idi der Sdiule nadispradi, daß der Deismus in der Theorie zu Grunde geriditet sei und sidi nur nodi in der Ersdieinungswelt kümmerlidi hin= friste. Nein, es ist nidit wahr, daß die Vernunftkritik, weldie die Bcweistümer für das Dasein Gottes, wie wir dieselben seit Anselm von Canterbury kennen, zemiditet hat, audi dem Dasein Gottes selber ein Ende gemadit habe. Der Deismus lebt, lebt sein lebendigstes Leben, er ist nidit tot, und am allerwenigsten hat ihn die neueste deutsdie Philosophie getötet. Diese spinn- webige berliner Dialektik kann keinen Hund aus dem Ofenlodi lodcen , sie kann keine Katze töten, wie viel weniger einen Gott. Idi habe es am eignen Leibe er- probt, wie wenig gefährlidi ihr Umbringen ist,- sie bringt immer um, und die Leute bleiben dabei am Leben, Der Türhüter der Hegelsdien Sdiule, der grimme Rüge, behauptete einst steif und fest, oder vielmehr fest und steif, daß er midi mit seinem Portierstodt in den »Hai-


Vorrede zur zweiten Auflage 191

lisdicn Jahrbüdiern« totgeschlagen habe, und doch zur selben Zeit ging ich umher auf den Boulevards von Paris, frisdi und gesund und unsterblicher als je. Der arme, brave Rüge! er selber konnte sich später nicht des ehrlichsten Ladiens enthalten, als ich ihm hier in Paris das Geständ- nis machte, daß ich die fürchterlichen Totschlagblätter, die »Hallischen Jahrbücher«, nie zu Gesicht bekommen hatte, und sowohl meine vollen roten Backen, als auch der gute Appetit, womit ich Austern schluckte, über- zeugten ihn, wie wenig mir der Name einer Leiche ge* bührte. In der Tat, ich war damals noch gesund und feist, ich stand im Zenith meines Fettes, und war So über- mütig wie der König Nebukadnezar vor seinem Sturze. Ach! einige Jahre später ist eine leibliche und gei- stige Veränderung eingetreten. Wie oft seitdem denke ich an die Geschichte dieses babylonischen Königs, der sidi selbst für den lieben Gott hielt, aber von der Höhe seines Dünkels erbärmlich herabstürzte, wie ein Tier am Boden kroch und Gras aß — <es wird wohl Salat gewesen sein). In dem prachtvoll grandiosen Buch Daniel steht diese Legende, die ich nicht bloß dem guten Rüge, sondern auch meinem noch viel ver* stocktern Freunde Marx, ja auch den Herren Feuer- bach, Daumer, Bruno Bauer, Hengstenberg und wie sie sonst heißen mögen, diese gottlosen Selbstgötter, zur erbaulichen Beherzigung empfehle. Es stehen über- haupt noch viel schöne und merkwürdige Erzählungen in der Bibel, die ihrer Beachtung wert wären, z, B, gleich im Anfang die Geschichte von dem verbotenen Baume im Paradiese und von der Schlange, der klei- nen Privatdozentin, die schon sechstausend Jahre vor Hegels Geburt die ganze Hegeische Philosophie vor- trug. Dieser Blaustrumpf ohne Füße zeigt sehr scharf- sinnig, wie das Absolute in der Identität von Sein und


192 Religion und Philosophie in Deutschland

Wissen besteht, wie der Mensdi zum Gotte werde durdi die Erkenntnis, oder was dasselbe ist, wie Gott im Mensdien zum Bewußtsein seiner selbst gelange — Diese Formel ist nidit so klar wie die ursprünglidien Worte: Wenn ihr vom Baume der Erkenntnis genos^ sen, werdet ihr wie Gott sein! Frau Eva verstand von der ganzen Demonstration nur das Eine, daß die Frudit verboten sei, und weil sie verboten, aß sie da- von, die gute Frau. Aber kaum hatte sie von dem lodcenden Apfel gegessen, so verlor sie ihre Unsdiuld, ihre naive Unmittelbarkeit, sie fand, daß sie viel zu nadcend sei für eine Person von ihrem Stande, die Stammutter so vieler künftigen Kaiser und Könige, und sie verlangte ein Kleid, Freilidi nur ein Kleid von Feigenblättern, weil damals nodi keine Lyoner Seidenfabrikanten geboren waren, und weil es audi im Paradiese nodi keine Putzmadierinnen und Modehänd - lerinnen gab — o Paradies! Sonderbar, so wie das Weib zum denkenden Selbstbewußtsein kommt, ist ihr erster Gedanke ein neues Kleid I Audi diese biblisdie Gesdiidite, zumal die Rede der Sdilange, kommt mir nidit aus dem Sinn, und idi mödite sie als Motto diesem Budie vor- ansetzen, in derselben Weise, wie man oft vor fürst- lidien Gärten eine Tafel sieht mit der warnenden Auf- Schrift: Hier liegen Fußangeln und Selbstschüsse.

Idi habe midi bereits in meinem jüngsten Budie, im »Romanzero«, über die Umwandlung ausgesprodien, weldie in Bezug auf göttlidie Dinge in meinem Geiste stattgefunden. Es sind seitdem mit diristlidier Zu- dringlidikeit sehr viele Anfragen an midi ergangen, auf weldiem Wege die bessere Erleuditung über midi gekommen. Fromme Seelen sdieinen darnadi zu ledi* zen, daß idi ihnen irgend ein Mirakel aufbinde, und sie möditen gerne wissen, ob idi nidit wie Saulus ein


Vorrede zur zweiten Auflage 193

Lidit erblickte auf dem Wege nadi Damaskus, oder ob idi nidit wie Barlam, der Sohn Boers, einen stätigen Esel geritten, der plötzlidi den Mund auftat und zu spredien begann wie ein Mensdi? Nein, Ihr gläubigen Gemüter, idi reiste niemals nadi Damaskus, idi weiß nidits von Damaskus, als daß jüngst die dortigen Ju* den besdiuldigt worden, sie fräßen alte Kapuziner, und der Name der Stadt wäre mir vielleidit ganz unbe» kannt, hätte idi nidit das Hohe Lied gelesen, wo der König Salomo die Nase seiner Geliebten mit einem Turm vergleidit, der gen Damaskus sdiaut. Audi sah idi nie einen Esel, nämlidi keinen vierfüßigen, der wie ein Mensdi gesprodien hätte, während idi Mensdien genug traf, die jedesmal, wenn sie den Mund auftaten, wie Esel spradien. In der Tat, weder eine Vision, nodi eine seraphitische Verzüdtung, nodi eine Stimme vom Himmel, audi kein merkwürdiger Traum oder sonst ein Wunderspuk bradite midi auf den Weg des Heils, und idi verdanke meine Erleuditung ganz ein*, fadi der Lektüre eines Budies — Eines Budies? Ja, und es ist ein altes, sdilidites Budi, besdieiden wie die Natur, audi natürlidi wie diese/ ein Budi, das werkeU tägig und ansprudislos aussieht, wie die Sonne, die uns wärmt, wie das Brot, das uns nährt/ ein Budi, das so traulidi, so segnend gütig uns anblidtt, wie eine alte Großmutter, die audi täglidi in dem Budie liest, mit den lieben, bebenden Lippen, und mit der Brille auf der Nase — und dieses Budi heißt audi ganz kurzweg das Budi, die Bibel. Mit Fug nennt man diese audi die heilige Sdirift/ wer seinen Gott verlo- ren hat, der kann ihn in diesem Budie wiederfinden, und wer ihn nie gekannt, dem weht hier entgegen der Odem des göttlidien Wortes, Die Juden, weldie sidi auf Kostbarkeiten verstehen, wußten sehr gut, was sie vir, ij


194 Religion und Philosophie in Deutschland

taten, als sie bei dem Brande des zweiten Tempels die goldenen und silbernen Opfergesdiirre , die Leuditer und Lampen, sogar den hohenpriesterlidien Brustlatz mit den großen Edelsteinen im Stidi ließen, und nur die Bibel retteten. Diese war der wahre Tempelschatz, und derselbe ward gottlob nidit ein Raub der Flammen oder des Titus Vespasianus, des Bösewidits, der ein so sdiledites Ende genommen, wie die Rabbiner er- zählen. Ein jüdischer Priester, der zweihundert Jahr vor dem Brand des zweiten Tempels, während der Glanzperiode des Plolcmäers Philadelphus, zu Jcrusa«  lern lebte und Josua ben Siras ben-Eliezer hieß, hat in einer Gnomensammlung, »Meschalim«, in Bezug auf die Bibel den Gedanken seiner Zeit ausgesprochen, und ich will seine schönen Worte hier mitteilen. Sie sind sazerdotal feierlich und doch zugleich so ercjuickend frisch, als wären sie erst gestern einer lebenden Men- schenbrust entcjuollen, und sie lauten wie folgt:

»Dies alles ist eben das Buch des Bundes, mit dem höchsten Gott gemacht, nämlich das Gesetz, welches Mose dem Hause Jakob zum Schatz befohlen hat. Daraus die Weisheit geflossen ist, wie das Wasser Pison, wenn es groß ist: und wie das Wasser Tigris, wenn es übergehet in Lenzen, Daraus der Verstand geflossen ist, wie der Euphrates, wenn er groß ist, und wie der Jordan in der Ernte. Aus demselben ist her- vorbrochen die Zucht, wie das Licht, und wie das Wasser Nilus im Herbst. Er ist nie gewesen, der es ausgelernt hätte: und wird nimmermehr werden, der es ausgründen möchte. Denn sein Sinn ist reicher, weder kein Meer: und sein Wort tiefer, denn kein Abgrund.« 

Geschrieben zu Paris, im Wonnemond 1852.

Heinrich Heine,


Erstes Buch


Die Franzosen glaubten, in der letzten Zeit, zu einer Verständnis Deutsdilands zu gelangen, wenn sie sidi mit den Erzeugnissen unserer sdiönen Lite* ratur bekannt maditen. Hierdurdi haben sie sidi aber aus dem Zustande gänzlidier Ignoranz nur erst zur Oberflächlidikeit erhoben. Denn die Erzeugnisse un- serer sdiönen Literatur bleiben für sie nur stumme Blumen, der ganze deutsdie Gedanke bleibt für sie ein unwirtÜdies Rätsel, solange sie die Bedeutung der Rc* ligton und der Philosophie in Deutsdiland nidit kennen. Indem idi nun über diese beiden einige erläuternde Auskunft zu erteilen sudie, glaube idi ein nützlidies Werk zu unternehmen. Dieses ist für midi keine leidite Aufgabe. Es gilt zunädist die Ausdrüdte einer SdiuU spradie zu vermeiden, die den Franzosen gänzlidi un* bekannt ist. Und dodi habe idi weder die Subtilitätcn der Theologie, nodi die der Metaphysik so tief er- gründet, daß idi im Stande wäre, dergleidien nadi den Bedürfnissen des französisdien Publikums, ganz einfadi und ganz kurz zu formulieren. Idi werde daher nur von den großen Fragen handeln, die in der deutsdien Got- tesgelahrtheit und Weltweisheit zur Spradie gekom^ men, idi werde nur ihre soziale Widitigkeit beleuditcn, und immer werde idi die Besdiränktheit meiner eige- nen Verdeutlidiungsmittel und das Fassungsvermögen des französisdien Lesers berüdisiditigen.

Große deutsdie Philosophen, die etwa zufällig einen Blidt in diese Blätter werfen, werden vornehm die Adiseln zud<en über den dürftigen Zusdinitt alles deS" sen, was idi hier vorbringe. Aber sie mögen gefälligst bedenken, daß das wenige, was idi sage, ganz klar und deutlidi ausgedrüdit ist, während ihre eignen Werke,


196 Refigion und Philosophie in Deutachland

zwar sehr gründlidi, unermeßbar gründlich, sehr tief- sinnig, stupcnd tiefsinnig; aber eben so unverständlich sind. Was helfen dem Volke die verschlossenen Korn" kammern, wozu es keinen Schlüssel hat? Das Volk hungert nach Wissen und dankt mir für das Stückchen Geistesbrot, das ich ehrlich mit ihm teile.

Ich glaube, es ist nicht Talentlosigkeit, was die mei^ sten deutschen Gelehrten davon abhält, über Religion und Philosophie sich populär auszusprechen. Ich glaube, es ist Scheu vor den Resultaten ihres eigenen Denkens, die sie nicht wagen, dem Volke mitzuteilen. Ich, ich habe nicht diese Scheu, denn ich bin kein Gelehrter, ich selber bin Volk. Ich bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den siebenhundert Weisen Deutschlands. Ich stehe mit dem großen Haufen vor den Pforten ihrer Wcis^ heit, und ist da irgend eine Wahrheit durchgeschlüpft, und ist diese Wahrheit bis zu mir gelangt, dann ist sie weit genug: — ich schreibe sie mit hübschen Buchstaben auf Papier und gebe sie dem Setzer/ der setzt sie in Blei und gibt sie dem Drucker/ dieser druckt sie und sie gehört dann der ganzen Welt.

Die Religion, deren wir uns in Deutschland erfreuen, ist das Christentum, Ich werde also zu erzählen haben : was das Christentum ist, wie es römischer Katholizis* mus geworden, wie aus diesem der Protestantistnus und aus dem Protestantismus die deutsche Philosophie hervorging.

Indem ich nun mit Besprechung der Religion beginne, bitte ich im voraus alle frommen Seelen, sich bei Leibe nicht zu ängstigen. Fürchtet nichts, fromme Seelen! Keine profanierende Scherze sollen Euer Ohr ver* letzen. Diese sind allenfalls noch nützlich in Deutsch- land, wo es gilt, die Macht der Religion, für den Augenblick, zu neutralisieren. Wir sind nämlich dort


Erstes Buch 197

in derselben Lage wie Ihr vor der Revolution, als das Christentum im untrennbarsten Bündnisse stand mit dem alten Regime. Dieses konnte nidit zerstört wer^ den, solange nodi jenes seinen Einfluß übte auf die Menge, Voltaire mußte sein sdiarfes Geläditer erhe^ ben, ehe Samson sein Beil fallen lassen konnte. Jedodi wie durdi dieses Beil, so wurde audi durdi jenes Ladien im Grunde nidits bewiesen, sondern nur bewirkt. VoU taire hat nur den Leib des Christentums verletzen können. Alle seine Spaße, die aus der Kirchengesdiidite gesdiöpft, alle seine Witze über Dogmatik und Kultus, über die Bibel, dieses heiligste Budi der Mensdiheit, über die Jungfrau Maria, diese sdiönste Blume der Poesie, das ganze Dictionnaire philosophischer Pfeile, das er gegen Klerus und Priestersdiaft lossdioß, ver- letzte nur den sterblidien Leib des Christentums, nidit dessen inneres Wesen, nidit dessen tieferen Geist, nicht dessen ewige Seele.

Denn das Christentum ist eine Idee, und als soldic unzerstörbar und unsterblidi, wie jede Idee. Was ist aber diese Idee?

Eben weil man diese Idee nodi nidit klar begriffen' und Äußerlidikeiten für die Hauptsadie gehalten hat, gibt es nodi keine Gesdiidite des Christentums. Zwei entgegengesetzte Parteien sdireiben die Kirdienge- sdiidite und widerspredien sidi beständig, dodi die eine, eben so wenig wie die andere, wird jemals bestimmt aussagen: was eigentlidi jene Idee ist, die dem Chri- stentum als Mittelpunkt dient, die sidi in dessen Sym- bolik, im Dogma wie im Kultus, und in dessen ganzer Gesdiidite zu offenbaren strebt, und im wirklidien Le- ben der diristlidien Völker manifestiert hat! Weder Baronius, der katholisdie Kardinal, nodi der prote- stantisdie Hofrat Sdirödih entdedit uns, was eigentlidi


198 Religion und Philosophie in Deutschland

jene Idee war. Und wenn Ihr alle Folianten der Man - sisdien Konziliensammlung, des Assemanisdien Kodex der Liturgien und die ganze Historia ecclesiastica von Sacdiarelii durdiblättert, werdet Ihr dodi nid)t ein* sehen, was eigentlidi die Idee des Christentums war. Was seht Ihr denn in den Historien der orientalisdien und der occidentalisdien Kirdien? In jener, der orien- talisdien Kirdiengesdiidite, seht Ihr nidits als dogma- tisdie Spitzfundigkeiten, wo sidi die altgriediisdie So- phistik wieder kund gibt/ in dieser, in der occidentali- sdien Kirdiengesdiidite, seht Ihr nidits als disziplinari- sdic, die kirdilidien Interessen betreffende Zwiste, wobei die altrömische Reditskasuistik und Regierungskunst, mit neuen Formen und Zwangsmitteln, sidi wieder geltend madien. In der Tat, wie man in Konstantinopel über den Logos stritt, so stritt man in Rom über das Verhältnis der weltlidien zur geistlidien Madit,- und wie etwa dort über Homousios, so befehdete man sidi hier über Investitur. Aber die byzantinisdien Fragen: ob der Logos dem Gott -Vater Homousios sei? ob Maria Gottgebärerin heißen soll oder Mensdiengebäre-- rin? ob Christus in Ermangelung der Speise hungern mußte, oder nur deswegen hungerte, weil er hungern wollte? alle diese Fragen haben im Hintergrund lauter Hofintrigen, deren Lösung davon abhängt, was in den Gcmädiern des Sacri Palatii gezisdielt und gekidiert wird, ob z. B, Eudoxia fällt oder Puldieria/ — denn diese Dame haßt den Nestorius, den Verräter ihrer Liebeshändel, jene haßt den Cyrillus, weldien Puldieria besdiützt, alles bezieht sidi zuletzt auf lauter Weiber- und Hämmlingsgeklätsdie, und im Dogma wird eigent- lidi der Mann und im Manne eine Partei verfolgt oder befördert. Eben so gehts im Occident,- Rom wollte herrsdien/ »als seine Legionen gefallen, sdiidcte es


Erstes Buch 199

Dogmen in die Provinzen«/ alle Glaubenszwiste hatten römisdie Usurpationen zum Grunde,- es galt, die Ober= gewalt des römisdien Bisdiofs zu konsolidieren. Dieser war über eigentlidie Glaubenspunkte immer sehr nadi* siditig, spie aber Feuer und Flamme, sobald die Redite der Kirche angegriffen wurden,- er disputierte nidit viel über die Personen in Christus, sondern über die Kon* Sequenzen der Isidorsdien Dekretalen/ er zentralisierte seine Gewalt durdi kanonisdies Redit, Einsetzung der Bi- sdiöfe, Herabwürdigung der fürstlidien Madit, Möndis* orden, Zölibat usw. Aber war dieses das Christentum? Offenbart sidi uns aus der Lektüre dieser Gesdiiditen die Idee des Christentums? Was ist diese Idee?

Wie sidi diese Idee historisdi gebildet und in der Er^ sdieinungswelt manifestiert, ließe sidi wohl sdion in den ersten Jahrhunderten nadi Christi Geburt entdedten, wenn wir namentlidi in der Gesdiidite der Manidiäcr und der Gnostiker vorurteilsfrei nadiforsdien. Obgleidi erstere verketzert und letztere versdirien sind und die Kirdie sie verdammt hat, so erhielt sich doch ihr Ein* fluß auf das Dogma, aus ihrer Symbolik entwickelte sich die katholische Kunst, und ihre Denkweise durch' drang das ganze Leben der christlidien Völker. Die Manichäer sind ihrer letzten Gründe nach nicht sehr verschieden von den Gnostikern. Die Lehre von den beiden Prinzipien, dem guten und dem bösen, die sich bekämpfen, ist beiden eigen. Die Einen, die Mani«  chäer, erhielten diese Lehre aus der altpersischen Re* ligion, wo Ormuz, das Licht, dem Ariman, der Fin- sternis, feindlich entgegengesetzt ist. Die Anderen, die eigentlichen Gnostiker, glaubten vielmehr an die Prä- existenz des guten Prinzips, und erklärten die Ent- stehung des bösen Prinzips durch Emanation, durch Generationen von Äonen, die, je mehr sie von ihrem


ZOO Religion und Philosophie in Deutschland

Ursprung entfernt sind, sidi desto trüber vcrsd\Ieditert. Nadh Cerinthus war der Ersdiaffer unserer Welt keineswegs der hödiste Gott, sondern nur eine Ema- nation desselben, einer von den Äonen, der eigentliche Demiurgos, der allmählig ausgeartet ist, und jetzt, als böses Prinzip, dem aus dem hödisten Gott unmittelbar entsprungenen Logos, dem guten Prinzip, feindselig gegenüber stehe. Diese gnostisdie Weltansidit ist ur- indisdi und sie führte mit sidi die Lehre von der In- karnation Gottes, von der Abtötung des FleisAcs, vom geistigen Insidisclbstversenken , sie gebar das ascetisdi besdiaulidie Möndisleben, welches die reinste Blüte der diristlidien Idee. Diese Idee hat sidi in der Dogmatik nur sehr verworren und im Kultus nur sehr trübe ausspredien können. Dodi sehen wir überall die Lehre von den beiden Prinzipien hervortreten/ dem guten Christus steht der böse Satan entgegen ,• die Welt des Geistes wird durch Christus, die Welt der Ma- terie durch Satan repräsentiert/ jenem gehört unsere Seele, diesem unser Leib/ und die ganze Ersdieinungs- weit, die Natur, ist demnach ursprünglich böse, und Satan, der Fürst der Finsternis, will uns damit ins Verderben locken, und es gilt allen sinnlichen Freuden des Lebens zu entsagen, unsern Leib, das Lehn Satans, zu peinigen, damit die Seele sich desto herrlicher em- porschwinge in den lichten Himmel, in das strahlende Reich Christi.

Diese Weltansicht, die eigentliche Idee des Christen- tums, hatte sich, unglaublich schnell, über das ganze römische Reich verbreitet, wie eine ansteckende Kranke heit, das ganze Mittelalter hindurch dauerten die Lei- den, manchmal Fieberwut, manchmal Abspannung, und wir Modernen fühlen noch immer Krämpfe und Schwäche in den Gliedern. Ist auch mancher von uns schon ge-


Erstes Buch 201

nesen, so kann er dodi der allgemeinen Lazarettluft nidit entrinnen, und er fühlt sidi unglud^lidi als der einzig Gesunde unter lauter Siedien. Einst wenn die Mensdiheit ihre völlige Gesundheit wieder erlangt, wenn der Friede zwisdien Leib und Seele wieder hergestellt, und sie wieder in ursprünglidier Harmonie sidi durdi- dfingen: dann wird man den künstlidien Hader, den' das Christentum zwisdien beiden gestiftet, kaum be- greifen können. Die glücklidiern und sdiöneren Ge- nerationen, die, gezeugt durdi freie Wahlumarmung, in einer Religion der Freude emporblühen, werden wehmütig lädieln über ihre armen Vorfahren, die sidi aller Genüsse dieser sdiönen Erde trübsinnig enthielten, und, durdi Abtötung der warmen farbigen Sinnlidikeit, fast zu kalten Gespenstern verblidien sind! Ja, idi sage es bestimmt, unsere Nadikommen werden sdiöner und glüdilidier sein als wir. Denn idi glaube an den Fort- sdiritt, idi glaube, die Mensdiheit ist zur Glüdtseligkeit bestimmt, und idi hege also eine größere Meinung von der Gottheit als jene frommen Leute, die da wähnen, er habe den Mensdien nur zum Leiden crsdiaffen. Sdion hier auf Erden mödite idi, durdi die Segnungen freier politisdier und industrieller Institutionen, jene Seligkeit etablieren, die, nadi der Meinung der From- men, erst am jüngsten Tage, im Himmel, stattfinden soll. Jenes ist vielleidit eben so wie dieses eine törigte Hoffnung, und es gibt keine Auferstehung der Mensdi- heit, weder im politisdi moralisdien, nodi im apostolisdi katholisdien Sinne.

Die Mensdiheit ist vielleidit zu ewigem Elend be- stimmt, die Völker sind vielleidit auf ewig verdammt von Despoten zertreten, von den Spießgesellen der- selben exploitiert, und von den Lakaien verhöhnt zu werden.


ZOZ Religion und Philosophie in Deutschland

Adi in diesem Falle müßte man das Christentum, selbst wenn man es als Irrtum erkannt, dennodi zu er- halten sudien, man müßte in der Mönchskutte und bar- fuß durdi Europa laufen, und die Niditigkeit aller irdischen Güter und Entsagung predigen, und den ge- geißelten und verspotteten Menschen das tröstende Kruzifix vorhalten, und ihnen nach dem Tode, dort oben, alle sieben Himmel versprechen.

Vielleicht eben, weil die Großen dieser Erde ihrer Obermadit gewiß sind, und im Herzen beschlossen haben sie ewig zu unserem Unglück zu mißbrauchen, sind sie von der Notwendigkeit des Christentums für ihre Völker überzeugt, und es ist im Grunde ein zartes Menschlidikeitsgefühl, daß sie sich für die Erhaltung dieser Religion so viele Mühe geben!

Das endliche Schicksal des Christentums ist also da* von abhängig, ob wir dessen noch bedürfen. Diese Religion war eine Wohltat für die leidende Menschheit während achtzehn Jahrhunderten, sie war providentiell, göttlich, heilig. Alles was sie der Zivilisation genützt, indem sie die Starken zähmte und die Zahmen stärkte, die Völker verband durch gleiches Gefühl und gleiche Sprache, und was sonst noch von ihren Apologeten hervorgerühmt wird, das ist sogar noch unbedeutend in Vergleichung mit jener großen Tröstung, die sie durch sich selbst den Menschen angedeihen lassen. Ewiger Ruhm gebührt dem Symbol jenes leidenden Gottes, des Heilands mit der Dornenkrone, des ge^ kreuzigten Christus, dessen Blut gleichsam der lin= dernde Balsam war, der in die Wunden der Mensch=^ heit herabrann. Besonders der Dichter wird die schau^ erliche Erhabenheit dieses Symbols mit Ehrfurcht an- erkennen. Das ganze System von Symbolen, die sich ausgesprochen in der Kunst und im Leben des Mittel-


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alters, wird zu allen Zeiten die Bewunderung der Diditer erregen. In der Tat, weldie kolossale Konse-= quenz in der diristlidien Kunst, namentlidi in der Ardiitektur! Diese gotisdien Dome, wie stehen sie im Einklang mit dem Kultus, und wie offenbart sidi in ihnen die Idee der Kirdie selber! Alles strebt da empor, alles transsubstanziiert sidi : der Stein sproßt aus in Ästen und Laubwerk und wird Baum/ die Frudit des Weinstodts und der Ähre wird Blut und Fleisdi,- der Mensdi wird Gott/ Gott wird reiner Geist! Ein ergiebiger, unversiegbar kostbarer Stoff für die Diditer ist das dirisdidie Leben im Mittelalter, Nur durdi das Christentum konnten auf dieser Erde sidi Zustände bilden, die so kedte Kontraste, so bunte Sdimerzen, und so abenteuerlidie Sdiönheiten ent halten, daß man meinen sollte, dergleidien habe nie» mals in der Wirklidikeit existiert, und das alles sei ein kolossaler Fiebertraum, es sei der Fiebertraum eines wahnsinnigen Gottes. Die Natur selber sdiien sidi damals phantastisdi zu vermummen/ indessen obgleidi der Mensdi, befangen in abstrakten Grübeleien, sidi verdrießlidi von ihr abwendete, so wedite sie ihn dodi mandimal mit einer Stimme, die so sdiauerlidi süß, so entsetzlidi liebevoll, so zaubergewaltig war, daß der Mensdi unwillkürlidi auf hordite, und lädielte, und er- sdirak, und gar zu Tode erkrankte. Die Gesdiidite von der Baseler Naditigall kommt mir hier ins Ge- däditnis, und da Ihr sie wahrsdieinlidi nidit kennt, so will idi sie erzählen.

Im Mai 1433, zur Zeit des Konzils, ging eine Ge- sellsdiaft Geistlidier in einem Gehölze bei Basel spa- zieren, Prälaten und Doktoren, Möndie von allen Farben, und sie disputierten über theologisdie Streitig- keiten, und distinguierten und argumentierten, oder


204 Religion und Philosophie in Deutschland

Stritten über Annaten, Expektativen und Reservationen, oder untersuditen , ob Thomas von Aquino ein grö^ ßcrer Philosoph sei als Bonaventura, was weiß idi! Aber plötzlidi, mitten in ihren dogmatisdien und ab- strakten Diskussionen, hielten sie inne, und blieben wie angewurzelt stehen vor einem blühenden Lindenbaum, worauf eine Naditigall saß, die in den weidisten und zärtlidisten Melodien jaudizte und sdiludizte. Es ward den gelehrten Herren dabei so wunderselig zu Mute, die warmen Frühlingstöne drangen ihnen in die sd»o= lastisdi verklausulierten Herzen, ihre Gefühle erwaditen aus dem dumpfen Wintersdilaf, sie sahen sidi an mit staunendem Entzüdten/ — als endlidi einer von ihnen die sdiarfsinnige Bemerkung madite, daß soldies nidit mit rediten Dingen zugehe, daß diese Naditigall wohl ein Teufel sein könne, daß dieser Teufel sie mit seinen holdseligen Lauten von ihren diristlidien Gesprädien abziehen, und zu Wollust und sonstig süßen Sünden verlodcen wolle, und er hub an zu exorzieren, wahr- sdieinlidi mit der damals üblidien Formel: adjuro te per eum, qui venturus est, judicare vivos et mortuos etc, etc. Bei dieser Besdiwörung, sagt man, habe der Vogel geantwortet: »ja, idi bin ein böser Geist!« und sei ladiend davongeflogen, diejenigen aber, die seinen Gesang gehört, sollen nodx selbigen Tages erkrankt und bald darauf gestorben sein.

Diese Gesdiidite bedarf wohl keines Kommentars. Sie trägt ganz das grauenhafte Gepräge einer Zeit, die alles, was süß und lieblidi war, als Teufelei versdirie. Die Naditigall sogar wurde verleumdet und man sdilug ein Kreuz, wenn sie sang. Der wahre Christ spazierte, mit ängstlidi versdilossenen Sinnen, wie ein abstraktes Gespenst, in der blühenden Natur umher. Dieses Ver- hältnis des Christen zur Natur werde idi vielleidit in


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einem späteren Buche weitläuftiger erörtern, wenn ich, zum Verständnis der neuromantischen Literatur, den deutschen Volksglauben gründlidi bespredien muß. Vor- läufig kann idi nur bemerken, daß französisdie Sdirift» steller, mißleitet durd» deutsdie Autoritäten, in großem Irrtume sind, wenn sie annehmen, der Volksglauben sei während des Mittelalters überall in Europa derselbe gewesen. Nur über das gute Prinzip, über das Reidi Christi, hegte man in ganz Europa dieselben Ansichten/ dafür sorgte die römische Kirdie, und wer hier von der vorgesdiriebenen Meinung abwidi, war ein Ketzer. Aber über das böse Prinzip, über das Reidi des Satans, herrsditen versdiiedene Ansichten in den versdiiedencn Ländern, und im germanisdien Norden hatte man ganz andere Vorstellungen davon, wie im romanisdien Süden. Dieses entstand dadurdi, daß die diristlichc Priesterschaft die vorgefundenen alten Nationalgötter nidit als leere Hirngespinste verwarf, sondern ihnen eine wirklidie Existenz einräumte, aber dabei behaup- tete, alle diese Götter seien lauter Teufel und Teufe* linnen gewesen, die durdi den Sieg Christi ihre Macht über die Mensdien verloren und sie jetzt durdi Lust und List zur Sünde verlocken wollen. Der ganze Olymp wurde nun eine luftige Hölle, und wenn ein Diditer des Mittelalters die griediisdien Göttergeschichten nodi so sdiön besang, so sah der fromme Christ darin doch nur Spuk und Teufel. Der düstere Wahn der Mönche traf am härtesten die arme Venus / absonderlich diese galt für eine Toditer Beelzebubs, und der gute Ritter Tanhüser sagt ihr sogar ins Gesicht:

O, Venus, schöne Fraue mein, Ihr seid eine Teufelinne! Den Tanhüser hatte sie nämlich verlockt in jene wunderbare Höhle, welche man den Venusberg hieß


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und wovon die Sage ging, daß die sAönc Göttin dort mit ihren Fräulein und Gesponsen, unter Spiel und Tänzen, das lüderlidiste Leben führe. Die arme Di- ana sogar, trotz ihrer Keusdiheit, war vor einem ähn^ lidien Schidtsal nidit sidier, und man ließ sie nädittidi mit ihren Nymphen durch die Wälder ziehen, und da- her die Sage von dem wütenden Heer, von der wilden Jagd. Hier zeigt sidi nodi ganz die gnostisdie Ansidit von der VersAlechterung des ehemals Göttlichen, und in dieser Umgestaltung des früheren Nationalglaubens manifestiert sich am tiefsinnigsten die Idee des Christen«^ tums.

Der Nationalglaube in Europa, im Norden noch viel mehr als im Süden, war pantheistisch, seine My- sterien und Symbole bezogen sich auf einen Natur dienst, in jedem Elemente verehrte man wunderbare Wesen, in jedem Baume atmete eine Gottheit, die ganze Erscheinungswelt war durchgöttert,- das Christentum verkehrte diese Ansicht, und an die Stelle einer durch- götterten Natur trat eine durchteufelte. Die heiteren, durch die Kunst vcrsci^önerten Gebilde der griechisdien Mythologie, die mit der römiscfien Zivilisation im Süden herrschte, hat man jedoch nicht so leicht in häß- liche, schauerliche Satanslarvcn verwandeln können, wie die germanischen Göttergestalten, woran freilich kein besonderer Kunstsinn gemodelt hatte, und die schon vorher so mißmutig und trübe waren, wie der Norden selbst. Daher hat sich bei Euch, in Frankreich, kein so finsterschreckliches Teufelstum bilden können, wie bei uns, und das Geister- und Zauberwesen selber erhielt bei Euch eine heitere Gestalt. Wie schön, klar und farbenreich sind Eure Volkssagen in Vergleichung mit den unsrigen, diesen Mißgeburten, die aus Blut und Nebel bestehen und uns so grau und grausam an-


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grinsen. Unsere mittelalterlidien Dichter, indem sie meistens Stoffe wählten, die Ihr, in der Bretagne und in der Normandie, entweder ersonnen oder zuerst be^ handelt habt, verliehen ihren Werken, vielleidit ab^ siditlidi, so viel als mögliA von jenem heiter altfran^ zösisdien Geiste. Aber in unseren Nationaldiditungen und in unseren mündlidien Volkssagen, blieb jener düster nordisdie Geist, von dem Ihr kaum eine Ahnung habt. Ihr habt, ebenso wie wir, mehre Sorten von Elementargeistern, aber die unsrigen sind von den Eurigen so versdiieden wie ein DeutsAer von einem Franzosen. Die Dämonen in Euren Fabliaux und Zauberromanen, wie hellfarbig und besonders wie reinlidi sind sie in Vergleidiung mit unserer grauen und sehr oft unflätigen Geisterkanaille. Eure Feen und Elementargeister, woher Ihr sie audi bezogen, aus Cornwallis oder aus Arabien, sie sind dodi ganz na- turalisiert und ein französisdier Geist untersdieidet sidi von einem deutsdien, wie etwa ein Dandy, der mit gelben Glaceehandsdiuhen auf dem Boulevard Coblcncc flaniert, s\d\ von einem sdiweren deutsdien Sad;träger untersdieidet. Eure Nixen, z. B. die Melusine, sind von den unsrigen eben so versdiieden wie eine Prin- zessin von einer Wäsdierin. Die Fee Morgana, wie würde sie ersdiredten, wenn sie etwa einer deutsdien Hexe begegnete, die nadtt, mit Salben besdimiert, und auf einem Besenstiel, nadi dem Brodten reitet. Dieser Berg ist kein heiteres Avalon, sondern ein Rendezvous für alles, was wüst und häßlidi ist. Auf dem Gipfel des Bergs sitzt Satan in der Gestalt eines sdiwarzen Bod<s. Jede von den Hexen naht sidi ihm mit einer Kerze in der Hand und küßt ihn hinten, wo der Rüdtcn aufhört. Nadiher tanzt die verrudite Sdiwestersdiaft um ihn herum und singt: Donderemus, Donderemus:


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Es meckert der Bock, es jauchzt der infernale Chahüt. Es ist ein böses Omen für die Hexe, wenn sie bei diesem Tanze einen Schuh verliert,- das bedeutet, daß sie noch im selbigen Jahr verbrannt wird. Doch alle ahnende Angst übertäubt die tolle echtberliozische Sabbathmusik/ — und wenn die arme Hexe des Mor* gens aus ihrer Berauschung erwacht, liegt sie nackt und müde in der Asche, neben dem verglimmenden Herde.

Die beste Auskunft über diese Hexen findet man in der »Dämonologie« des ehrenfesten und hochgelahrten Doktor Nicolai Remigii, des durchlauchtigsten Herzogs von Lothringen Kriminalrichter. Dieser scharfsinnige Mann hatte fürwahr die beste Gelegenheit das Treiben der Hexen kennen zu lernen, da er in ihren Prozessen instruierte, und zu seiner Zeit allein in Lx)thringen achthundert Weiber den Scheiterhaufen bestiegen, nach^ dem sie der Hexerei überwiesen worden. Diese Beweis«  Führung bestand meistens darin : Man band ihnen Hände und Füße zusammen und warf sie ins Wasser. Gingen sie unter und ersoffen, so waren sie unschuldig, blieben sie aber schwimmend über dem Wasser, so erkannte man sie für schuldig, und sie wurden verbrannt. Das war die Logik jener Zeit,

Als Grundzug im Charakter der deutschen Dämonen sehen wir, daß alles Idealische von ihnen abgestreift, daß in ihnen das Gemeine und Gräßliche gemischt ist. Je plump vertraulicher sie an uns herantreten, desto grauenhafter ihre Wirkung. Nichts ist unheimlicher als unsere Poltergeister, Kobolde und Wichtelmännchen, Prätorius in seinem »Anthropodemus« enthält in dieser Beziehung eine Stelle, die ich nach Dobeneck hier mit* teile:

»Die Alten haben nicht anders von den Poltergeistern halten können, als daß es rechte Menschen sein müssen.


Erstes Buch 209

in der Gestalt wie kleine Kinder, mit einem bunten Röddein oder Kleiddien. Etlidie setzen dazu, daß sie teils Messer in den Rüd^en haben sollen, teils nodi anders und gar greulidi gestaltet wären,- nadidem sie so und so, mit diesem oder jenem Instrument vorzeiten umgebradit seien. Denn die Abergläubisdien halten dafür, daß es derer vorweilen im Hause ermordeten Leute Seelen sein sollen. Und sdiwatzen sie von vielen Historien, daß, wenn die Kobolde denen Mägden und Ködiinnen eine Weile im Hause gute Dienste getan, und sidi ihnen beliebt gemadit haben/ daß mandies Mensdi daher gegen die Kobolde eine soldie Affektion bekommen, daß sie soldie Kneditdien audi zu sehen inbrünstig gewünsdit und von ihnen begehrt haben: worin aber die Poltergeister niemals gerne willigen wollen, mit der Ausrede, daß man sie nidit sehen könne, ohne sidi darüber zu entsetzen. Dodi wenn dennodi die lüsternen Mägde nidit haben nadilassen können, so sollen die Kobolde jenen einen Ort im Hause benannt haben, wo sie sidi leibhaft präsentieren wollen/ aber man müsse zugleidi einen Eimer kaltes Wasser mitbringen. Da habe es sidi denn begeben, daß ein soldier Kobold, etwa auf dem Boden, in einem Kissen, nadtt gelegen, und ein großes Sdiladitmesser im Rüd^en sted^end gehabt habe. Hierüber mandic Magd so sehr ersdirodten war, daß sie eine Ohnmadit bekommen hat. Darauf das Ding alsbald aufgesprungen ist, das Wasser genommen, und das MensÄ damit über und über begossen hat, damit sie wieder zu sidi selbst kommen könne. Worauf die Mägde hernadi ihre Lust verloren, und lieb Chimgen niemals weiter zu sdiauen begehrt haben. Die Kobolde nämlidi sollen audi alle besondere Namen führen, ins Gemein aber Chim heißen. So sollen sie audi für die Knedite und


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Mägde, welchen sie sich etwa ergeben, alle Hausarbeit tun: die Pferde striegeln, füttern, den Stall ausmisten, alles aufsdieuern, die Küdie sauber halten und was sonsten im Hause zu tun ist, sehr wohl in Adit nehmen, und das Vieh soll audi von ihnen zunehmen und ge- deihen. Dafür müssen die Kobolde audi von dem Ge«  sindc karessiert werden/ daß sie ihnen nur im geringsten nidits zu Leide tun, weder mit Ausladien oder Ver- säumung im Speisen. Hat nämlidi eine Köchin das Ding zu ihrem heimlichen Gehülfen einmal im Hause angenommen, so muß sie täglicii, um eine gewisse Zeit, und an einem bestimmten Ort im Hause sein bereitetes Schüsselchen voll gutes Essen hinsetzen, und ihren Weg wieder gehen/ sie kann hernach immer faulenzen, auf den Abend zeitig schlafen gehen, sie wird dennoch früh Morgens ihre Arbeit beschickt finden. Vergißt sie aber ihre Pflicht einmal, etwa die Speise unterlassend, so bleibt ihr wieder ihre Arbeit allein zu verrichten, und sie hat allerhand Mißgeschick: daß sie sich ent- weder im heißen Wasser verbrennt, die Töpfe und das Geschirr zerbricht, das Essen umgeschüttet oder gefallen ist usw., daß sie also notwendig von der Hausfrau oder dem Herrn zur Strafe ausgescholten werden/ wor- über man auch zum öftern den Kobold soll kichern oder lachen gehört haben. Und so ein Kobold soll stets in seinem Hause verblieben sein, wenngleich sich das Ge- sinde verändert hat. Ja, es hat eine abziehende Magd ihrer Nachfolgerin den Kobold rekommandieren und aufs beste anbefehlen müssen, daß jene seiner auch also wartete. Hat diese nun nicht gewollt, so hat es ihr auch an kontinuierlichem Unglück nicht gemangelt, und sie hat zeitig genug das Haus wieder räumen müssen.« 

Vielleicht zu den grauenhaftesten Geschichten gehört folgende kleine Erzählung:


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Eine Magd hatte jahrelang einen unsiditbaren Haus^ geist bei sich am Herde sitzen, wo sie ihm ein eignes Stättdien eingeräumt, und wo sie sidi die langen Winter* abende hindurdi mit ihm unterhielt. Nun bat einmal die Magd das Heinzdien, denn also hieß sie den Geist, er solle sidi dodi einmal sehen lassen, wie er von Natur gestaltet sei. Aber das Heinzlein weigerte sidi dessen. Endlidi aber willigte es ein, und sagte, sie mödite in den Keller hinabgehen, dort solle sie ihn sehen. Da nimmt die Magd ein Lidit, steigt hinab in den Keller, und dort, in einem offenen Fasse, sieht sie ein totes Kindlein in seinem Blute sdiwimmen. Die Magd hatte aber vor vielen Jahren ein unehelidies Kind geboren und es heimlidi ermordet und in ein Faß gestedtt.

Indessen, wie die Deutsdien nun einmal sind, sie sudien oft im Grauen selbst ihren besten Spaß und die Volks* sagen von den Kobolden sind mandimal voll ergötzlidier 2,üge. Besonders amüsant sind die Gesdiiditen vom Hüdeken, einem Kobold, der, im zwölften Jahrhundert, zu Hildesheim sein ^X^esen getrieben und von weldiem in unseren Spinnstuben und Geisterromanen so viel die Rede ist. Eine sdion oft abgedrudtte Stelle aus einer alten Chronik gibt von ihm folgende Kunde:

»Um das Jahr 1132 ersdiien ein böser Geist eine lange Zeit hindurdi vielen Mensdien im Bistum Hildes- heim, in der Gestalt eines Bauern mit einem Hut auf dem Kopfe: weshalb die Bauern ihn in sädisisdier Spradie Hüdeken nannten. Dieser Geist fand ein Ver- gnügen daran mit Mensdien umzugehen, sidi ihnen bald siditbar, bald unsiditbar zu offenbaren, ihnen Fragen vorzulegen und zu beantworten. Er beleidigte niemanden ohne Ursadie. Wenn man ihn aber aus«  ladite, oder sonst besdiimpfte, so vergalt er das emp- fangene Unredit mit vollem Maße. Da der Graf Bur-


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chard de Luka von dem Grafen Hermann von Wiesen«  bürg ersdilagen wurde, und das Land des letzteren in Gefahr kam, eine Beute der Radier zu werden, so wedtte der Hüdeken den Bisdiof Bernhard von Hildesheim aus dem Sdilafe, und redete ihn mit folgenden Worten an : Stehe auf, Kahlkopf! die Grafsdiaft Wiesenburg ist durdi Mord verlassen und erledigt, und wird also leidit von dir besetzt werden können. Der Bisdiof versammelte sdinell seine Krieger, fiel in das Land des sdiuldigen Grafen, und vereinigte es, mit Bewilligung des Kaisers, mit seinem Stift. Der Geist warnte den genannten Bisdiof häufig ungebeten vor nahen Gefahren, und zeigte sidi besonders oft in der Hofküdie, wo er mit den Ködien redete, und ihnen allerlei Dienste erwies. Da man allmählig mit dem Hüdeken vertraut geworden war, so wagte es ein Küchenjunge, ihn, so oft er er«  sdiien, zu necken, und ihn sogar mit unreinem Wasser zu begießen. Der Geist bat den Hauptkodi, oder den Küdienmeister, daß er dem unartigen Knaben seinen Mutwillen untersagen mödite. Der Meisterkodi ant«  wortete : du bist ein Geist, und furditcst didi vor einem Buben! worauf Hüdeken drohend erwiderte: Weil du den Knaben nidit strafen willst, so werde idi dir in wenigen Tagen zeigen, wie sehr idi midi vor ihm fürdite. Bald nadiher saß der Bube, der den Geist beleidigt hatte, ganz allein sdilafend in der Küdie. In diesem Zustand ergriff ihn der Geist, erdrosselte ihn, zerriß ihn in Stüd<en, und setzte diese in Töpfen ans Feuer. Da der Kodi diesen Streidi entdedcte, da fludite er dem Geist, und nun verdarb Hüdeken am folgenden Tage alle Braten, die am Spieße gested^t waren, durdi das Gift und Blut von Kröten, weldies er darüber aus^ sdiüttete. Die Radie veranlaßte den Kodi zu neuen Bcsdiimpfungcn, nadi weldien der Geist ihn endlidi


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über eine falsdie vorgezauberte Brücke in einen tiefen Graben stürzte. Zugleich madite er ciie Nacht durch, auf den Mauern und Türmen der Stadt, fleißig die Runde und zwang die Wächter zu einer beständigen Wachsamkeit. Ein Mann, der eine untreue Frau hatte, sagte einst, als er verreisen wollte, im Scherze zu dem Hüdeken : guter Freund, ich empfehle dir meine Frau, hüte sie sorgfältig. Sobald der Mann entfernt war, ließ das ehebredierische Weib einen Liebhaber nach dem andern kommen. Allein Hüdeken ließ keinen zu ihr, sondern warf sie alle aus dem Bette auf den Boden hin. Als der Mann von seiner Reise zurückkam, da ging ihm der Geist weit entgegen und sagte zu dem Wiederkehrenden : ,Ich freue mich sehr über deine An- kunft, damit ich von dem schweren Dienst frei werde, den du mir auferlegt hast. Ich habe deine Frau mit unsäglicher Mühe vor wirklicher Untreue gehütet. Ich bitte dich aber, daß du sie mir nie wieder anvertrauen mögest. Lieber wollte ich alle Schweine in ganz Sachsen- land hüten, als ein Weib, das durch Ränke in die Arme ihrer Buhlen zu kommen sucht.*« 

Der Genauigkeit wegen muß idi bemerken, daß Hü- dekens Kopfbedeckung von dem gewöhnlichen Kostüme der Kobolde abweidit. Diese sind meistens grau ge- kleidet und tragen ein rotes Käppchen. Wenigstens sieht man sie so im Dänischen, wo sie heut zu Tage am zahlreichsten sein sollen. Ich war ehemals der Meinung, die Kobolde lebten deshalb so gern in Dänemark, weil sie am liebsten rote »Grütze« äßen. Aber ein junger dänisdier Dichter, Herr Andersen, den ich das Ver- gnügen hatte diesen Sommer hier in Paris zu sehen, hat mir ganz bestimmt versichert, die Nissen, wie man in Dänemark die Kobolde nennt, äßen am liebsten »Brei« mit Butter. Wenn diese Kobolde sich mal in


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einem Hause eingenistet, so sind sie auch nidit so bald geneigt, es zu verlassen. Indessen, sie kommen nie un* angemeldet, und wenn sie irgend wohnen wollen, madien sie dem Hausherrn auf folgende Art davon Anzeige: sie tragen des Nadits allerlei Holzspäne ins Haus und in die Mildifässer streuen sie Mist von Vieh. Wenn nun der Hausherr diese Holzspäne nidit wieder wegwirft, oder wenn er mit seiner Familie von jener besdimutzten Mildi trinkt, dann bleiben die Kobolde auf immer bei ihm. Dieses isT mandiem sehr mißbe* haglidi geworden. Ein armer Jütländer wurde am Ende so verdrießlich über die Genossenschaft eines solchen Kobolds, daß er sein Haus selbst aufgeben wollte, und seine sieben Sachen auf eine Karre lud und damit nach dem nächsten Dorfe fuhr, um sich dort niederzulassen. Unterwegs aber, als er sich mal umdrehte, erblickte er das rotbemützte Köpfchen des Kobolds, der aus einer von den leeren Bütten hervorguckte, und ihm freundlich zurief: wi flutten! <wir ziehen aus.) I Ich habe mich vielleicht zu lange bei diesen kleinen Dämonen aufgehalten, und es ist Zeit, daß ich wieder zu den großen übergehe. Aber alle diese Geschichten illustrieren den Glauben und den Charakter des deut- schen Volks. Jener Glaube war in den verflossenen Jahrhunderten eben so gewaltig wie der Kirchenglaube. Als der gelehrte Doktor Remigius sein großes Buch über das Hexenwesen beendigt hatte, glaubte er seines Gegenstandes so kundig zu sein, daß er sich einbildete, jetzt selber hexen zu können/ und, ein gewissenhafter Mann wie er war, ermangelte er nicht, sich selber bei den Gerichten als Hexenmeister anzugeben, und infolge dieser Angabe wurde er als Hexenmeister verbrannt. Diese Greul entstanden nicht direkt durch die christ- liche Kirche, sondern indirekt dadurch, daß diese die


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altgermanisdie Nationalreligion so tüdtisch verkehrt, daß sie die pantheistische Weltansicht der Deutsdien in eine pandämonisdie umgebildet, daß sie die früheren Heiligtümer des Volks in häßlidie Teufelei verwandelt hatte. Der Mensdi läßt aber nidit gern ab von dem, was ihm und seinen Vorfahren teuer und lieb war, und heimlidi krampen sidi seine Empfindungen daran fest, selbst wenn man es verderbt und entstellt hat. Daher erhält sidi jener verkehrte Volksglaube vielleidit nodi länger als das Christentum in Deutsdiland, weU dies nidit wie jener in der Nationalität wurzelt. Zur Zeit der Reformation sdiwand sehr sdinell der Glaube an die katholisdien Legenden, aber keineswegs der Glaube an Zauber und Hexerei.

Luther glaubt nidit mehr an katholisdie Wunder, aber er glaubt nodi an Teufelswesen. Seine »Tisdi- reden« sind voll kurioser Gesdiiditdien von Satans- künsten, Kobolden und Hexen. Er selber in seinen Nöten glaubte mandimal mit dem leibhaftigen Gott- sei-bei-uns zu kämpfen. Auf der Wartburg, wo er das neue Testament übersetzte, ward er so sehr vom Teufel gestört, daß er ihm das Tintenfaß an den Kopf sdimiß. Seitdem hat der Teufel eine große Sdieu vor Tinte, aber nodi weit mehr vor Drudtersdiwärze. Von der Sdilauheit des Teufels wird in den erwähnten Tisdireden mandi ergötzlidies Stüdtlein erzählt, und idi kann nidit umhin eins davon mitzuteilen.

»Doktor Martin Luther erzählte, daß einmal gute Gesellen bei einander in einer Zedie gesessen waren. Nun war ein wild wüste Kind unter ihnen, der hatte ge- sagt: Wenn einer wäre, der ihm eine gute Z,e6\t Weins sdienkte, wollte er ihm dafür seine Seele verkaufen.

»Nidit lange darauf kömmt einer in die Stuben zu ihm, setzet sidi bei ihm nieder und zedit mit ihm, und


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spricht unter anderen zu dem, der sich also viel ver- messen gehabt:

»Höre, du sagst zuvor, wenn einer dir eine Zeche Weins gebe, so wollest du ihm dafür deine Seele ver^ kaufen?

»Da sprach er nochmals: Ja, ich wills tun, laß mich heute recht schlemmen, demmen, und guter Dinge sein.

»Der Mann, welcher der Teufel war, sagte ja, und bald darnach verschlich er sich wieder von ihm. Als nun derselbige Schlemmer den ganzen Tag fröhlich war, und zuletzt auch trunken wurde, da kommt der vorige Mann, der Teufel, wieder, und setzt sich zu ihm nieder, und fragt die anderen Zechbrüder, und spricht: Lieben Herren, was dünket Euch, wenn einer ein Pferd kauft, gehört ihm der Sattel und Zaum nicht auch dazu? Dieselbigen erschraken alle. Aber letz* lieh sprach der Mann :

»Nun sagts flugs. Da bekannten sie und sagten: Ja, der Sattel und Zaum gehört ihm auch dazu. Da nimmt der Teufel denselbigen wilden, rohen Gesellen und führet ihn durch die Decke hindurch, daß niemand gewußt, wo er war hinkommen.« 

Obgleich ich für unsern großen Meister Martin Lu- ther den größten Respekt hege, so will es mich doch bedünken, als habe er den Charakter des Satans ganz verkannt. Dieser denkt durchaus nicht mit solcher Geringschätzung vom Leibe, wie hier erwähnt wird. Was man auch Böses vom Teufel erzählen mag, so hat man ihm doch nie nachsagen können, daß er ein Spiri^ tualist sei.

Aber mehr noch als die Gesinnung des Teufels ver^ kannte Martin Luther die Gesinnung des Papstes und der katholischen Kirche. Bei meiner strengen Unpar= teiligkeit muß ich beide, eben so wie den Teufel, gegen


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den allzueifrigen Mann in Schutz nehmen. Ja, wenn man midi aufs Gewissen früge, würde idi eingestehn, daß der Papst, Leo X., eigentlidi weit vernünftiger war, als Luther, und daß dieser die letzten Gründe der katho= lisdien Kirdie gar nidit begriffen hat. Denn Luther hatte nidit begriffen, daß die Idee des Christentums, die Verniditung der Sinnlidikeit, gar zu sehr in Wider- sprudi war mit der mensdilidien Natur, als daß sie je^ mals im Leben ganz ausführbar gewesen sei,- er hatte nidit begriffen, daß der Katholizismus gleidisam ein Konkordat war zwischen Gott und dem Teufel, d. h. zwischen dem Geist und der Materie, wodurch die Alleinherrschaft des Geistes in der Theorie ausgespro^ chen wird, aber die Materie in den Stand gesetzt wird alle ihre annullierten Rechte in der Praxis auszuüben. Daher ein kluges System von Zugeständnissen, welche die Kirche zum Besten der Sinnlichkeit gemacht hat, ob- gleich immer unter Formen, welche jeden Akt der Sinnlichkeit fletrieren und dem Geiste seine höhnischen Usurpationen verwahren. Du darfst den zärtlichen Neigungen des Herzens Gehör geben und ein schönes Mädchen umarmen, aber du mußt eingestehn, daß es eine schändliche Sünde war, und für diese Sünde mußt du Abbüße tun. Daß diese Abbüße durch Geld ge- schehen konnte, war eben so wohltätig für die Mensch- heit, wie nützlich für die Kirche. Die Kirche ließ so zu sagen Wergeid bezahlen für jeden fleischlichen Ge- nuß, und da entstand eine Taxe für alle Sorten von Sünden, und es gab heilige Colportcurs, welche, im Namen der römischen Kirche, die Ablaßzettel für jede taxierte Sünde im Lande feil boten, und ein solcher war jener Tetzel, wogegen Luther zuerst auftrat. Unsere Historiker meinen, dieses Protestieren gegen den Ab'^ laßhandel sei ein geringfügiges Ereignis gewesen, und


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erst durdi römisdien Starrsinn sei Luther, der anfangs nur gegen einen Mißbraudi der Kirdie geeifert, dahin getrieben worden, die ganze Kirdienautorität in ihrer hödisten Spitze anzugreifen. Aber das ist eben ein Irrtum, der Ablaßhandel war kein Mißbraudi, er war eine Konsequenz des ganzen Kirdiensystems, und in- dem Luther ihn angriff, hatte er die Kirdie selbst an- gegriffen, und diese mußte ihn als Ketzer verdammen. Leo X., der feine Florentiner, der Sdiüler des Polizian, der Freund des Raphael, der griediische Philosoph mit der dreifadien Krone, die ihm das Konklav vielleidit deshalb erteilte, weil er an einer Krankheit litt, die keineswegs durdi diristlidie Abstinenz entsteht und da- mals nodi sehr gefährlidi war .... Leo von Medicis, wie mußte er lädieln über den armen, keusdien, ein- fältigen Möndi, der da wähnte, das Evangelium sei die Charte des Christentums, und diese Charte müsse eine Wahrheit sein! Er hat vielleidit gar nidit gemerkt, was Luther wollte, indem er damals viel zu sehr be- sdiäftigt war mit dem Bau der Peterskirdie , dessen Kosten eben mit den Ablaßgeldern bestritten wurden, so daß die Sunde ganz eigentlidi das Geld hergab zum Bau dieser Kirdie, die dadurdi gleidisam ein Monu- ment sinnlidier Lust wurde, wie jene Pyramide, die ein egyptisdies Freudenmäddien für das Geld erbaute, das sie durdi Prostitution erworben. Von diesem Got- teshause könnte man vielleidit eher als von dem köl- ner Dome behaupten, daß es durdi den Teufel erbaut worden. Diesen Triumph des Spiritualismus, daß der Sensualismus selber ihm seinen sdiönsten Tempel bauen mußte, daß man eben für die Menge Zugeständnisse, die man dem Fleisdie madite, die Mittel erwarb, den Geist zu verherrlidien , dieses begriff man nidit im deutsdien Norden, Denn hier, weit eher als unter


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dem glühenden Himmel Italiens, war es möglidi, ein Christentum auszuüben, das der Sinnlidikeit die aller- wenigsten Zugeständnisse madit. Wir Nordländer sind kälteren Blutes, und wir bedurften nidit so viel Ablaßzettel für fleisdilidie Sünden, als uns der väter- lidi besorgte Leo zugesdiidtt hatte. Das Klima erleidi- tert uns die Ausübung der diristlidien Tugenden, und am 31. Oktober 1517, als Luther seine Thesen gegen den Ablaß an die Türe der Augustinerkirdie ansdilug, war der Stadtgraben von Wittenberg vielleidit sdion zugefroren, und man konnte dort Sdilittsdiuhe laufen, weldies ein sehr kaltes Vergnügen und also keine Sünde ist.

Idi habe midi oben vielleidit sdion mehrmals der Worte Spiritualismus und Sensualismus bedient/ diese Worte beziehen sidi aber hier nidit, wie bei den fran- zösischen Philosophen , auf die zwei versdiiedencn Quellen unserer Erkenntnisse, idi gcbraudie sie viel* mehr wie sdion aus dem Sinne meiner Rede immer von selber hervorgeht, zur Bezeidinung jener beiden versdiiedenen Denkweisen, wovon die eine den Geist dadurdi verherrlidien will, daß sie die Materie zu zer- stören strebt, während die andere die natürlidicn Reditc der Materie gegen die Usurpationen des Geistes zu vindizieren sudit.

Auf obige Anfänge der lutherisdien Reformation, die sdion den ganzen Geist derselben offenbaren, muß idi ebenfalls besonders aufmerksam madien, da man hier in Frankreidi über die Reformation nodi die alten Mißbegriffe hegt, die Bossuet durdi seine »Histoire des variations« verbreitet hat und die sidi sogar bei heutigen Sdiriftstellern geltend madien. Die Franzo- sen begriffen nur die negative Seite der Reformation, sie sahen darin nur einen Kampf gegen den Katholi-


220 Religion und Philosophie in Deutschland

zismus, und glaubten manchmal, dieser Kampf sei jen- seits des Rheines immer aus denselben Gründen ge^ fuhrt worden, wie diesseits, in Frankrcidi. Aber die Gründe waren dort ganz andere als hier, und ganz entgegengesetzte. Der Kampf gegen den Katholizis^ mus in Deutschland war nidits anders als ein Krieg, den der Spiritualismus begann, als er einsah, daß er nur den Titel der Herrschaft führte, und nur de jure herrschte, während der Sensualismus, durch hergebrach- ten Untcrschleif, die wirkliche Herrschaft ausübte und de facto herrschte/ — die Ablaßkrämer wurden fort* gejagt, die hübschen Priesterkonkubinen wurden gegen kalte Eheweiber umgetauscht, die reizenden Madon* nenbilder wurden zerbrochen, es entstand hie und da der sinnenfeindlichste Puritanismus. Der Kampf gegen den Katholizismus in Frankreich, im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert, war hingegen ein Krieg, den der Sensualismus begann, als er sah, daß er de facto herrschte und dennoch jeder Akt seiner Herrschaft von dem Spiritualismus, der de jure zu herrschen behaup- tete, als illegitim verhöhnt und in der empfindlichsten Weise fletriert wurde. Statt daß man nun in Deutsch- land mit keuschem Ernste kämpfte, kämpfte man in Frankreich mit schlüpfrigem Spaße,- und statt daß man dort eine theologische Disputation führte, dichtete man hier irgend eine lustige Satire. Der Gegenstand dieser letzteren war gewöhnlich, den Widerspruch zu zeigen, worin der Mensch mit sich selbst gerät, wenn er ganz Geist sein will/ und da erblühten die köstlichsten Hi- storien von frommen Männern, welche ihrer tierischen Natur unwillkürlich unterliegen oder gar alsdann den Schein der Heiligkeit retten wollen, und zur Heuchelei ihre Zuflucht nehmen. Schon die Königin von Na^ varra schilderte in ihren Novellen solche Mißstände,


Erstes Buch 221

das Verhältnis der Möndie zu den Weibem ist ihr gewöhnlidies Thema, und sie will alsdann nidit bloß unser Zwerdifell, sondern audi das Möndistum er^ sdiüttern. Die boshafteste Blüte soldier komisdien Po^ lemik ist unstreitig der »Tartüff« von Moliere,- denn dieser ist nidit bloß gegen den Jesuitismus seiner Zeit geriditet, sondern gegen das Christentum selbst, ja gegen die Idee des Christentums, gegen den Spiri-- tualismus. In der Tat, durdi die affichierte Angst vor dem nackten Busen der Dorine, durdi die Worte

Le ciel defend, de vrai, certains contentements, Mais on trouve avec lui des accomodements —

dadurdi wurde nidit bloß die gewöhnlidie Sdieinheilig- keit persifliert, sondern audi die allgemeine Lüge, die aus der Unausftihrbarkeit der diristlidien Idee not- wendig entsteht/ persifliert wurde dadurdi das ganze System von Konzessionen, die der Spiritualismus dem Sensualismus madien mußte. Wahrlidi, der Jansenismus hatte immer weit mehr Grund, als der Jesuitismus sidi durdi die Darstellung des »Tartüff^« verletzt zu fühlen, und Moliere dürfte den heutigen Methodisten nodi immer eben so mißbehagen, wie den katholisdien Devoten seiner Zeit, Darum eben ist Moliere so groß, weil er, gleidi Aristophanes und Cervantes, nidit bloß tempo- relle Zufälligkeiten, sondern das Ewig-Lädierlidie, die Ursdiwädien der Mensdiheit, persifliert. Voltaire, der immer nur das Zeitlidie und Unwesentlidie angrifl^, muß ihm in dieser Beziehung nadistehen.

Jene Persiflage aber, namentlidi die Voltairesdie, hat in Frankreidi ihre Mission erfüllt, und wer sie weiter fortsetzen wollte, handelte eben so unzeitgemäß, wie unklug. Denn wenn man die letzten siditbaren Reste des Katholizismus vertilgen würde, könnte es sidi leidit


222 Religion und Philosophie in Deutschtand

ereignen, daß die Idee desselben sidi in eine neue Form, gleidisam in einen neuen Leib flüditet, und, sogar den Namen Christentum ablegend, in dieser Umwandlung uns no<h weit verdrießlidier belästigen könnte, als in ihrer jetzigen gebrodienen, ruinierten und allgemein diskreditierten Gestalt. Ja, es hat sein Gutes, daß der Spiritualismus durdi eine Religion und eine Priestersdiaft repräsentiert werde, wovon die erstere ihre beste Kraft sdion verloren und letztere mit dem ganzen Freihcits^ enthusiasmus unserer Zeit in direkter Opposition steht.

Aber warum ist uns denn der Spiritualismus so sehr zuwider? Ist er etwas so Sdiledites? Keines- wegs. Rosenöl ist eine kostbare Sadie, und ein Fläsdi- dien desselben ist erquicksam, wenn man in den ver= sdilossenen Gemädiem des Harem seine Tage ver^ trauern muß. Aber wir wollen dennodi nidit, daß man alle Rosen dieses Lebens zertrete und zerstampfe, um einige Tropfen Rosenöl zu gewinnen, und mögen diese nodi so tröstsam wirken. Wir sind vielmehr wie die Naditigallen, die sidi gern an der Rose selber ergötzen, und von ihrer errötend blühenden Ersdieinung eben so beseligt werden, wie von ihrem unsiditbaren Dufte.

Idi habe oben geäußert, daß es eigentlidi der Spiri- tualismus war, weldier bei uns den Katholizismus an- griff. Aber dieses gilt nur vom Anfang der Refor- mation/ sobald der Spiritualismus in das alte Kirdien- gebäude Bresdie gesdiossen, stürzte der Sensualismus hervor mit all seiner lang verhaltenen Glut, und Deutsdi- land wurde der wildeste Tummelplatz von Freiheits- rausd) und Sinnenlust, Die unterdrüd<ten Bauern hatten in der neuen Lehre geistlidie Waffen gefunden, mit denen sie den Krieg gegen die Aristokratie führen konnten/ die Lust zu einem soldien Kriege war sdion seit anderthalb Jahrhundert vorhanden. Zu Münster


Erstes Buch 223

lief der Sensualismus nackt durdi die Straßen,. in der Gestalt des Jan van Leiden, und legte sidi mit seinen zwölf Weibern in jene große Bettstelle, weldie nodi heute auf dem dortigen Rathause zu sehen ist. Die Klosterpforten öffneten sidi überall, und Nonnen und Möndilein stürzten sidi in die Arme und sdinäbelten sidi. Ja, die äußere Gesdiidite jener Zeit besteht fast aus lauter sensualisdien Erneuten,- wie wenig Resultate davon geblieben, wie der Spiritualismus jene TumuU tuanten wieder unterdrüdtte, wie er allmählig im Norden seine Herrsdiaft sidierte, aber durdi einen Feind, den er im eigenen Busen erzogen, nämlidi durdi die Phi* losophie, zu Tode verwundet wurde, sehen wir später. Es ist dieses eine sehr verwid^elte Gesdiidite, sdiwer zu entwirren. Der katholisdien Partei wird es leidit, nadi Belieben die sdilimmsten Motive hervorzukehren, und wenn man sie spredien hört, galt es nur die fredistc Sinnlidikeit zu legitimieren und die Kirdiengüter zu plündern. Freilidi, die geistigen Interessen müssen immer mit den materiellen Interessen eine Allianz sdiließen, um zu siegen. Aber der Teufel hatte die Karten so sonderbar gemisdit, daß man über die Intentionen nidits Sidieres mehr sagen kann.

Die erlauditen Leute, die Anno 1521 im Reidissaale zu Worms versammelt waren, moditen wohl allerlei Gedanken im Herzen tragen, die im Widersprudi standen mit den Worten ihres Mundes. Da saß ein junger Kaiser, der sidi, mit jugendlidier Herrsdicr- wonne, in seinen neuen Purpurmantel widtelte, und sidi heimlidi freute, daß der stolze Römer, der die Vor* ganger im Reidie so oft mißhandelt und nodi immer seine Anmaßungen nidit aufgegeben, jetzt die wirk- samste Zuredit Weisung gefunden. Der Repräsentant jenes Römers hatte seinerseits wieder die geheime


224 Religion und Philosophie in Deutschland

Freude, daß ein Zwiespalt unter jenen Dcutsdien ent* stand, die, wie betrunkene Barbaren, so oft das sdiöne Italien überfallen und ausgeplündert, und es nodi immer mit neuen Überfallen und Plünderungen bedrohten. Die weltlidien Fürsten freuten sidi, daß sie, mit der neuen Lehre, sidi auch zu gleidier Zeit die alten Kirchengüter zu Gemüte führen konnten. Die hohen Prälaten überlegten schon, ob sie nicht ihre Köchinnen heuratcn und ihre Kurstaaten, Bistümer und Abteien auf ihre männlichen Sprößlinge vererben könnten. Die Abgeordneten der Städte freuten sich einer neuen Er* Weiterung ihrer Unabhängigkeit. Jeder hatte hier was zu gewinnen und dachte heimlich an irdische Vorteile. Doch ein Mann war dort, von dem ich überzeugt bin, daß er nicht an sich dachte, sondern nur an die göttlichen Interessen, die er vertreten sollte. Dieser Mann war Martin Luther, der arme Mönch, den die Vorsehung auserwählt, jene römische Weltmacht zu brechen, wogegen schon die stärksten Kaiser und kühn- sten Weisen vergeblich angekämpft. Aber die Vor- sehung weiß sehr gut, auf welche Schultern sie ihre Lasten legt/ hier war nicht bloß eine geistige, sondern auch eine physische Kraft nötig. Eines durch klöster- liche Strenge und Keuschheit von Jugend auf gestählten Leibes bedurfte es, um die Mühseligkeiten eines solchen Amtes zu ertragen. Unser teurer Meister war da- mals noch mager und sah sehr blaß aus, so daß die roten wohlgefutterten Herren des Reichstags fast mit Mitleid auf den armseligen Mann in der schwarzen Kutte herabsahen. Aber er war doch ganz gesund, und seine Nerven waren so fest, daß ihn der glänzende Tumult nicht im mindesten einschüchterte, und gar seine Lunge muß stark gewesen sein. Denn, nachdem er seine lange Verteidigung gesprochen, mußte er, weil


Erstes Buch 225

der Kaiser kein Hochdeutsch verstand, sie in lateinisdier Spradie wiederholen. Ich ärgere mich jedesmal, wenn ich daran denke,- denn unser teurer Meister stand neben einem offenen Fenster, der Zugluft ausgesetzt, während ihm der Schweiß von der Stirne troff. Durch das lange Reden modite er wohl sehr ermüdet und sein Gaumen mochte wohl etwas trocken geworden sein. Der muß jetzt großen Durst haben, dadite gewiß der Herzog von Braunschweig/ wenigstens lesen wir, daß er dem Martin Luther drei Kannen des besten eimbecker Biers in die Herberge zuschickte. Idi werde diese edle Tat dem Hause Braunschweig nie vergessen.

Wie von der Reformation, so hat man audi von ihren Helden sehr falsche Begriffe in Frankreich. Die nächste Ursache dieses Nichtbegreifens liegt wohl darin, daß Luther nicht bloß der größte, sondern auch der deutscheste Mann unserer Geschichte ist/ daß in seinem Charakter alle Tugenden und Fehler der Deutschen aufs Großartigste vereinigt sind, daß er audi persönlich das wunderbare Deutschland repräsentiert. Dann hatte er auch Eigenschaften, die wir selten vereinigt finden, und die wir gewöhnlich sogar als feindlidie Gegensätze an- treffen. Er war zugleidi ein träumerischer Mystiker und ein praktischer Mann in der Tat, Seine Gedanken hatten nicht bloß Flügel, sondern auch Hände/ er sprach und handelte. Er war nicht bloß die Zunge, sondern auch das Sdiwert seiner Zeit. Auch war er zugleidi ein kalter scholastischer Wortklauber und ein begeisterter, gottberauschter Prophet. Wenn er des Tags über mit seinen dogmatischen Distinktionen sich mühsam abgearbeitet, dann griff er des Abends zu seiner Flöte, und betraditete die Sterne und zerfloß in Melodie und Andacht. Derselbe Mann, der wie ein

VII, 15


226 Religion und Philosopfiie in Deutschland

Fisdiweib sdiimpfen konnte, er konnte auch weidi sein, wie eine zarte Jungfrau. Er war manchmal wild wie der Sturm, der die Eiche entwurzelt, und dann war er wieder sanft wie der Zephyr, der mit Veilchen kost. Er war voll der schauerlichsten Gottesfurcht, voll Auf- opferung zu Ehren des heiligen Geistes, er konnte sich ganz versenken ins reine Geisttum,- und dennoch kannte er sehr gut die Herrlidikeiten dieser Erde, und wußte sie zu schätzen, und aus seinem Munde erblühte der famose Wahlspruch : Wer nicht liebt Wein, Weiber und Gesang, der bleibt ein Narr sein Lebenlang. Er war ein kompletter Mensch, ich möchte sagen: ein ab- soluter Mensch, in welchem Geist und Materie nicht getrennt sind. Ihn einen Spiritualisten nennen, wäre daher eben so irrig, als nennte man ihn einen Sen- sualisten. Wie soll ich sagen, er hatte etwas Ur* sprüngliches. Unbegreifliches, Mirakulöses, wie wir es bei allen providentiellen Männern finden, etwas Schau- erlich-Nai ves, etwas Tölpelhaft-Kluges, etwas Erhaben- Borniertes, etwas Unbezwingbar-Dämonisches.

Luthers Vater war Bergmann zu Mansfeld, und da war der Knabe oft bei ihm in der unterirdischen Werk* statt, wo die mächtigen Metalle wachsen und die star- ken Urcjuellen rieseln, und das junge Herz hatte viel- leicht unbewußt die geheimsten Naturkräfte in sich ein* gesogen, oder wurde gar gefeit von den Berggeistern. Daher mag auch so viel Erdstoff, so viel Leidenschaft- schlacke an ihm kleben geblieben sein, wie man der= gleichen ihm hinlänglich vorwirft. Man hat aber Un- recht, ohne jene irdische Beimischung hätte er nicht ein Mann der Tat sein können. Reine Geister können nicht handeln. Erfahren wir doch aus Jung Stillings Gespensterlehre, daß die Geister sich zwar recht farbig und bestimmt versichtbaren können, auch wie lebendige


Erstes Buch 227

Mensdien zu gehen, zu laufen, zu tanzen, und alle möglichen Gebärden zu madien verstehen, daß sie aber nidits Materielles, nidit den kleinsten Nadittisdi, von seiner Stelle fortzubewegen vermögen.

Ruhm dem Luther! Ewiger Ruhm dem teuren Manne, dem wir die Rettung unserer edelsten Güter verdanken, und von dessen Wohltaten wir nodi heute leben! Es ziemt uns wenig, über die Besdiränktheit seiner An* siditen zu klagen. Der Zwerg, der auf den Sdiultern des Riesen steht, kann freilidi weiter schauen als dieser selbst, besonders wenn er eine Brille aufgesetzt,- aber zu der erhöhten Ansdiauung fehlt das hohe Gefühl, das Riesenherz, das wir uns nidit aneignen können. Es ziemt uns nodi weniger, über seine Fehler ein herbes Urteil zu fällen/ diese Fehler haben uns mehr genutzt, als die Tugenden von tausend Andern. Die Feinheit des Erasmus und die Milde des Melandithon hätten uns nimmer so weit gebradit wie mandimal die götrlidie Brutalität des Bruder Martin. Ja, der Irrtum in Betreff des Beginnes, wie idi ihn oben angedeutet, hat die kostbarsten Früdite getragen, Früdite, woran sidi die ganze Mensdiheit erquidct. Von dem Reidistage an,l wo Luther die Autorität des Papstes leugnet und öffent- lidi erkärt: »daß man seine Lehre durdi die Aussprudle der Bibel selbst oder durdi vernünftige Gründe wider» legen müsse!« da beginnt ein neues Zeitalter in DeutsA-t land. Die Kette, womit der heilige Bonifaz die deutsdic Kirdie an Rom gefesselt, wird entzwei gehauen. Diese Kirdie, die vorher einen integrierenden Teil der großen Hierardiie bildete, zerfällt in religiöse Dcmokrazien. Die Religion selber wird eine andere/ es vcrsdi windet daraus das indisdi gnostisdie Element, und wir sehen, wie sidi wieder das judäisdi-deistisdic Element darin erhebt. Es entsteht das evangelisdie Christentum. In-


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dem die notwendigsten Ansprüdie der Materie nidit bloß berücksiditigt, sondern audi legitimiert werden, wird die Religion wieder eine Wahrheit. Der Priester wird ein Mensdi, und nimmt ein Weib und zeugt Kin- der, wie Gott es verlangt. Dagegen Gott selbst wird wieder ein himmlisdier Hagestolz ohne Familie,- die Legitimität seines Sohnes wird bestritten,- die Heiligen werden abgedankt,- den Engeln werden die Flügel be* schnitten i die Muttergottes verliert alle ihre Ansprüdie an die himmlische Krone und es wird ihr untersagt Wunder zu tun. Überhaupt von nun an, besonders seit die Naturwissenschaften so große Fortschritte machen, hören die Wunder auf. Sei es nun, daß es den lieben Gott verdrießt, wenn ihm die Physiker so mißtrauisch auf die Finger sehen, sei es auch, daß er nicht gern mit Bosko konkurrieren will: sogar in der jüngsten Zeit, wo die Religion so sehr gefährdet ist, hat er es verschmäht, sie durch irgend ein eklatantes Wunder zu unterstützen. Vielleicht wird er von jetzt an, bei allen neuen Religionen, die er auf dieser Erde einführt, sich auf gar keine heiligen Kunststücke mehr einlassen, und die Wahrheiten der neuen Lehren immer durch die Vernunft beweisen/ was auch am vernünftig' sten ist. Wenigstens beim Saint-Simonismus, welcher die neueste Religion, ist gar kein Wunder vorgefallen, ausgenommen etwa, daß eine alte Schneiderrechnung, die Saint-Simon auf Erden schuldig geblieben, zehn Jahr nach seinem Tode, von seinen Schülern bar be- zahlt worden ist, Ncxh sehe ich, wie der vortreffliche Pere Olinde, in der Salle-Taitbout, begeistrungsvoll sich erhebt, und der erstaunten Gemeinde die cjuittierte Schneiderrechnung vorhält. Junge Epiciers stutzten ob solchem übernatürlichen Zeugnis. Die Schneider aber fingen schon an zu glauben!


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Indessen, wenn bei uns in Deutsdiland, durdi den Protestantismus, mit den alten Mirakeln audi sehr viel andere Poesie verloren ging, so gewannen wir dodi mannidifaltigen Ersatz, Die Mensdien wurden tugend* hafter und edler. Der Protestantismus hatte den gün- stigsten Einfluß auf jene Reinheit der Sitten und jene Strenge in der Ausübung der Pfliditen, weldie wir ge- wöhnlidi Moral nennen,- ja, der Protestantismus hat in mandien Gemeinden eine Riditung genommen, wo^ durdi er am Ende mit dieser Moral ganz zusammen- fällt, und das Evangelium nur als sdiöne Parabel gültig bleibt. Besonders sehen wir jetzt eine erfreulidie Ver- änderung im Leben der Geistlidien. Mit dem Zölibat versdiwanden audi fromme Unzuchten und Möndis- laster. Unter den protestantisdien Geistlidien finden wir nidit selten die tugendhaftesten Mensdien, Men- sdien, vor denen selbst die alten Stoiker Respekt hät- ten. Man muß zu Fuß, als armer Student, durdi Nord- deutsdiland wandern, um zu erfahren, wie viel Tugend, und damit idi der Tugend ein sdiönes Beiwort gebe, wie viel evangelisdie Tugend mandimal in so einer sdieinlosen Pfarrerwohnung zu finden ist. Wie oft, des Winterabends, fand idi da eine gastfreie Aufnahme, idi ein Fremder, der keine andere Empfehlung mit- bradite, außer daß idi Hunger hatte und müde war. Wenn idi dann gut gegessen und gut gesdilafen hatte, und des Morgens weiter ziehen wollte, kam der alte Pastor im Sdilafrodt und gab mir nodi den Segen auf den Weg, weldies mir nie Unglüd< gebradit hat,- und die gutmütig gesdiwätzige Frau Pastorin stedtte mir einige Butterbröte in die Tasdie, weldie midi nidit minder erquiditen/ und in sdiweigender Ferne standen die sdiönen Predigertöditer mit ihren errötenden Wangen und Veildienaugen, deren sdiüditernes Feuer, nodi in


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der Erinnerung, für den ganzen Wintertag mein Herz erwärmte.

Indem Luther den Satz ausspraA, daß man seine Lehre nur durdi die Bibel selber, oder durdi vernünftige Grunde, widerlegen müsse, war der mensdilidien Ver* nunft das Redit eingeräumt, die Bibel zu erklären und sie, die Vernunft, war als oberste Riditerin in allen religiösen Streitfragen anerkannt. Dadurdi entstand in Deutsdiland die sogenannte Geistesfreiheit, oder, wie man sie ebenfalls nennt, die Denkfreiheit. Das Denken ward ein ReAt und die Befugnisse der Vernunft wur* den legitim. Freilidi, sdion seit einigen Jahrhunderten hatte man ziemlidi frei denken und reden können, und die Scholastiker haben über Dinge disputiert, wovon wir kaum begreifen, wie man sie im Mittelalter audi nur ausspredien durfte. Aber dieses gesdiah vermittelst der Distinktion, wcldie man rwisdien theologisdier und philosophisdier Wahrheit madite, eine Distinktion, wo- durdi man sidi gegen Ketzerei ausdrüdtlidi verwahrte,- und das gesdiah audi nur innerhalb den Hörsälen der Universitäten, und in einem gotisdi abstrusen Latein, wovon dodi das Volk nidits verstehen konnte, so daß wenig Sdiaden für die Kirdie dabei zu befürditen war. Dennodi hatte die Kirdie soldies Verfahren nie eigent- lidi erlaubt, und dann und wann hat sie audi wirklidi einen armen Sdiolastiker verbrannt. Jetzt aber, seit Luther, madite man gar keine Distinktion mehr zwi-^ sdien theologisdier und philosophisdier Wahrheit, und man disputierte auf öffentlidiem Markt, und in der deutsdien Landesspradie und ohne Sdieu und Furdit. Die Fürsten, weldie die Reformation annahmen, ha- ben diese Denkfreiheit legitimisiert, und eine widitige, wcltwiditige Blüte derselben ist die deutsdie Philo- sophie.


Erstes Buch 231

In der Tat, nidit einmal in Griedienland hat der mensdilidie Geist sidi so frei ausspredien können wie in Deutsdiland, seit der Mitte der vorigen Jahrhunderts bis zur französisdien Invasion. Namen tlidi in Preußen herrsdite eine grenzenlose Gedankenfreiheit. Der Mar^ quis von Brandenburg hatte begriffen, daß er, der nur , durdi das protestantisdie Prinzip ein legitimer König von Preußen sein konnte, audi die protestantisdie Denkfreiheit aufredit erhalten mußte.

Seitdem freilidi haben sidi die Dinge verändert, und der natürlidie Sdiirmvogt unserer protestantisdien Denkfreiheit hat sidi, zur Unterdrückung derselben, mit der ultramontanen Partei verständigt, und er be- nutzt oft dazu die Waffe, die das Papsttum zuerst gegen uns ersonnen und angewandt: die Zensur.

Sonderbar! WirDeutsdien sind das stärkste und das klügste Volk. Unsere Fürstengesdileditcr sitzen auf allen Thronen Europas, unsere Rothsdiilde beherrsdien alle Börsen der Welt, unsere Gelehrten regieren in allen Wissensdiaften, wir haben das Pulver erfunden und die Budidrudicrci / — - und dennodi, wer bei uns eine Pistole lossdiießt bezahlt drei Taler Strafe, und wenn wir in den »Hamburger Correspondent« setzen wollen: »meine liebe Gattin ist in Wodien gekommen, mit einem Töditerlein, sdiön wie die Freiheit!« dann greift der Herr Doktor Hoffmann zu seinem Rotstift und streidit uns »die Freiheit«.

Wird dieses nodi lange gesdiehen können? Idi weiß nidit. Aber idi weiß, die Frage der Preßfreiheit, die jetzt in Deutsdiland so heftig diskutiert wird, knüpft siA bedeutungsvoll an die obigen Betraditungen, und idi glaube ihre Lösung ist nidit sdiwer, wenn man bedenkt, daß die Preßfreiheit nidits anderes ist, als die Konse- quenz der Denkfreiheit und folglidi ein protestantisdies


Z3Z Religion und Philosophie in Deutschland

Redit. Für Redite dieser Art hat der Dcutsdie sdion sein bestes Blut gegeben, und er dürfte wohl dahin ge«  bradit werden, noch einmal in die Sdiranken zu treten.

Dasselbe ist anwendbar auf die Frage von der aka* demisdien Freiheit, die jetzt so leidensdiaftlidi die Ge* müter in Deutsdiland bewegt. Seit man entdedtt zu haben glaubt, daß auf den Universitäten am meisten politisdie Aufregung, nämlidi Freiheitsliebe, herrsdit, seitdem wird den Souverainen von allen Seiten insi» nuiert, daß man diese Institute unterdrücken, oder doch wenigstens in gewöhnliche Unterricfitsanstaltcn ver- wandeln müsse. Da werden nun Plane gesciimiedet und das Pro und Contra diskutiert. Die öffentlichen Gegner der Universitäten, eben so wenig wie die öffent- lichen Verteidiger, die wir bisher vernommen, scheinen aber die letzten Gründe der Frage nicht zu verstehen. Jene begreifen nicht, daß die Jugend überall, und unter allen Disziplinen, für die Interessen der Freiheit be- geistert sein wird, und daß, wenn man die Universi- täten unterdrückt, jene begeisterte Jugend anderswo, und vielleicht, in Verbindung mit der Jugend des Han- delsstands und der Gewerbe, sich desto tatkräftiger aussprechen wird. Die Verteidiger suchen nur zu be- weisen, daß mit den Universitäten auch die Blüte der deutschen Wissenschaftlichkeit zu Grunde ginge, daß eben die akademische Freiheit den Studien so nützlich sei, daß die Jugend dadurch so hübsch Gelegenheit finde, sich vielseitig auszubilden usw. Als ob es auf einige griechische Vokabeln oder einige Roheiten mehr oder weniger hier ankomme!

Und was gölte den Fürsten alle Wissenschaft, Stu- dien oder Bildung, wenn die heilige Sicherheit ihrer Throne gefährdet stünde! Sie waren heroisch genug, alle jene relativen Güter für das einzig absolute, für


Erstes Buch 233

ihre absolute Herrschaft aufzuopfern. Denn diese ist ihnen von Gott anvertraut und wo der Himmel ge* bietet, müssen alle irdisdien Rüdisiditen weidien.

Mißverstand ist sowohl auf Seiten der armen Pro- fessoren, die als Vertreter, wie auf Seiten der Re«  gierungsbeamten , die als Gegner der Universitäten öffentlidi auftreten. Nur die katholisdie Propaganda in Deutsdiland begreift die Bedeutung derselben, diese frommen Obskuranten sind die gefährlidisten Gegner un^ seres Universitätssystems, diese wirken dagegen meudi- lerisch mit Lug und Trug, und gar, wenn sidi einer von ihnen den liebevollen Anschein gibt, als wollte er den Universitäten das Wort reden, offenbart sich die jesuiti^^ sehe Intrige. Wohl wissen diese feigen Heuchler, was hier auf dem Spiel steht zu gewinnen. Denn mit den Uni- versitäten fällt auch die protestantische Kirche, die seit der Reformation nur in jenen wurzelt, so daß die ganze protestantische Kirchengeschichte der letzten Jahrhun- derte fast nur aus den theologischen Streitigkeiten der wittenberger, leipziger, tübinger und halleschen Uni- versitätsgelehrten besteht. Die Konsistorien sind nur der scfiwache Abglanz der theologischen Fakultät, sie ver- lieren mit dieser allen Halt und Charakter, und sinken in die öde Abhängigkeit der Ministerien oder gar der Polizei.

Doch laßt uns solchen melancholischen Betraditungen nicht zu viel Raum geben, um so mehr, da wir hier noch von dem providentiellen Manne zu reden haben, durch welchen so Großes für das deutsche Volk ge- schehen. Ich habe oben gezeigt, wie wir durch ihn zur größten Denkfreiheit gelangt. Aber dieser Martin Luther gab uns nicht bloß die Freiheit der Bewegung, sondern auch das Mittel der Bewegung, dem Geist gab er näm- lich einen Leib. Er gab dem Gedanken auch das Wort. Er schuf die deutsche Spradie,


234 Religion und Philosophie in Deutschland

Dieses gesdhah, indem er die Bibel übersetzte.

In der Tat, der göttlidie Verfasser dieses Budis sdieint es eben so gut wie wir Andere gewußt zu haben, daß es gar nidit gleidigültig ist durdi wen man über- setzt wird, und er wählte selber seinen Übersetzer, und verlieh ihm die wundersame Kraft, aus einer toten Spradie, die gleidisam sdion begraben war, in eine andere Spradie zu übersetzen, die nodi gar nidit lebte.

Man besaß zwar die Vulgata, die man verstand, so wie audi die Septuaginta, die man sAon verstehen konnte. Aber die Kenntnis des Hebräisdien war in der diristlidien Welt ganz erlosdien. Nur die Juden, die sidi, hie und da, in einem Winkel dieser Welt ver- borgen hielten, bewahrten nodi die Traditionen dieser Spradie. Wie ein Gespenst, das einen Sdiatz be- wadit, der ihm einst im Leben anvertraut worden, so saß dieses gemordete Volk, dieses Volk -Gespenst, in seinen dunklen Ghettos und bewahrte dort die he- bräische Bibel,- und in diese verrufenen Sdilupfwinkel sah man die deutschen Gelehrten heimlidi hinabstei- gen, um den Sdiatz zu heben, um die Kenntnis der hebräisdien Spradie zu erwerben. Als die katholisdie Geistlidikeit merkte, daß ihr von dieser Seite Gefahr drohte, daß das Volk auf diesem Seitenweg zum wirk- lidicn Wort Gottes gelangen und die römisdien Fäl- sdiungen entded^en konnte: da hätte man gern audi die jüdisdie Tradition unterdrüd^t, und man ging da- mit um, alle hebräisdien Büdier zu verniditen, und am Rhein begann die Büdierverfolgung , wogegen unser vortrefflidier Doktor Reudilin so glorreidi gekämpft hat. Die kölner Theologen, die damals agierten, be- sonders Hodistraaten , waren keineswegs so geistes- besdiränkt, wie der tapfere Mitkämpfer Reudilins, Rit- ter Ulridi von Hütten sie in seinen »litteris obscurorum


Erstes Buch 235

virorum« sdiildert. Es galt die Unterdrüdvung der he= bräisdien Sprache. Als Reudilin siegte, konnte Luther sein Werk beginnen. In einem Briefe, den dieser da* mals an Reudilin sdirieb, sdieint er sdion zu fühlen, wie widitig der Sieg war, den jener erfoditen, und in einer abhängig sdiwierigen Stellung erfoditen, wäh* rend er, der Augustinermöndi, ganz unabhängig stand,- sehr naiv sagt er in diesem Briefe: ego nihil timco, quia nihil habeo.

Wie aber Luther zu der Spradie gelangt ist, worin er seine Bibel übersetzte, ist mir bis auf diese Stunde unbegreiflidi. Der altsdiwäbisdie Dialekt war, mit der Ritterpoesie der hohenstaufensdien Kaiserzeit, gänzlidi untergegangen. Der altsädisisdie Dialekt, das soge- nannte Plattdeutsdie , herrsdite nur in einem Teile des nördlidien Deutsdilands, und hat sidi, trotz aller Ver* sudie, die man gemadit, nie zu literärisdicn Zwedccn eignen wollen. Nahm Luther zu seiner Bibelüber- setzung die Spradie, die man im heutigen Sadisen spradi, so hätte Adelung Redit gehabt, zu behaupten, daß der sädisisdie, namentlidi der meißcnsdie Dialekt unser eigentlidies Hodideutsdi, d. h. unsere Sdirift- spradie, sei. Aber dieses ist längst widerlegt worden, und idi muß dieses hier um so sdiärfer erwähnen, da soldier Irrtum in Frankreidi nodi immer gäng und gäbe ist. Das heutige Sädisisdie war nie ein Dialekt des deutsdien Volks, eben so wenig, wie etwa das Sdile- sisdie/ denn so wie dieses, entstand es durdi slavisdie Färbung. Idi bekenne daher offenherzig, idi weiß nidit, wie die Spradie, die wir in der Lutherisdien Bibel finden, entstanden ist. Aber idi weiß, daß durdi diese Bibel, wovon die junge Presse, die sdiwarze Kunst, Tausende von Exemplaren ins Volk sdileudcrtc, die Lutherisdie Spradie in wenigen Jahren über ganz Deutsdiland


Z36 Religion und Philosophie in Deutschland

verbreitet und zur allgemeinen Sdiriftspradie erhoben wurde. Diese Sdiriftspradie herrsdit nodi immer in Deutsdiland, und gibt diesem politisdi und religiös zerstüdtelten Lande eine literärisdie Einheit. Ein soU dies unsdiätzbares Verdienst mag uns bei dieser Spradie dafür entsdiädigen , daß sie, in ihrer heutigen Ausbil- dung, etwas von jener Innigkeit entbehrt, weldie wir bei Spradien, die sidi aus einem einzigen Dialekt ge- bildet, zu finden pflegen. Die Spradie in Luthers Bibel entbehrt jedodi durdiaus nidit einer soldien Innigkeit, und dieses alte Budi ist eine ewige Quelle der Verjün- gung für unsere Spradie. Alle Ausdrüd^e und Wen- dungen, die in der Lutherisdien Bibel stehn, sind deutsdi, der Sdiriftsteller darf sie immerhin nodi gebraudien/ und da dieses Budi in den Händen der ärmsten Leute ist, so bedürfen diese keiner besonderen gelehrten An- leitung, um sidi literarisdi aussprcdien zu können.

Dieser Umstand wird, wenn bei uns die politisdic Revolution ausbridit, gar merkwürdige Ersdieinungcn zur Folge haben. Die Freiheit wird überall spredien können und ihre Spradie wird biblisdi sein.

Luthers Originalsdiriften haben ebenfalls dazu bei- getragen, die deutsdie Spradie zu fixieren. Durdi ihre polemisdie Leidensdiaftlidikeit drangen sie tief in das Herz der Zeit, Ihr Ton ist nidit immer sauber. Aber man madit audi keine religiöse Revolution mit Oran- genblüte. Zu dem groben Klotz gehört mandimal ein grober Keil. In der Bibel ist Luthers Spradie, aus Ehrfurdit vor dem gegenwärtigen Geist Gottes, immer in eine gewisse Würde gebannt. In seinen Streitsdirif- ten hingegen überläßt er sidi einer plebejisdien Ro- heit, die oft eben so widerwärtig, wie grandios ist. Seine Ausdrüdie und Bilder gleidicn dann jenen rie- senhaften Steinfiguren, die wir in indisdien oder egyp-


Erstes Buch 237

tisdien Tempelgrotten finden, und deren grelles Ko= lorit und abenteuerlidie Häßlidikeit uns zugleidi abstößt und anzieht. Durdi diesen barocken Felsenstil er^ sdieint uns der kühne Möndi mandimal wie ein reli«  giöser Danton, ein Prediger des Berges, der, von der Höhe desselben, die bunten Wortblödte hinabsdimet* tert auf die Häupter seiner Gegner.

Merkwürdiger und bedeutender als diese prosaisdien Sdiriften sind Luthers Gedidite, die Lieder, die, in Kampf und Not, aus seinem Gemüte entsprossen. Sie gleidien mandimal einer Blume, die auf einem Felsen wädist, mandimal einem Mondstrahl, der über ein bewegtes Meer hinzittert. Luther liebte die Musik, er hat sogar einen Traktat über diese Kunst gesdiriebcn, und seine Lieder sind daher außerordentlidi melodisdi. Audi in dieser Hinsidit gebührt ihm der Name : Sdiwan von Eis- leben. Aber er war nidits weniger als ein milder Sdiwan in mandien Gesängen, wo er den Mut der Seinigen an* feuert und sidi selber zur wildesten Kampflust begei- stert. Ein Sdiladitlied war jener trotzige Gesang, wo- mit er und seine Begleiter in Worms einzogen. Der alte Dom zitterte bei diesen neuen Klängen, und die Raben ersdiraken in ihren obskuren Turmnestern. Jenes Lied, die marseiller Hymne der Reformation, hat bis auf unsere Tage seine begeisternde Kraft bewahrt.

Eine feste Burg ist unser Gott, Ein gute Wehr und Waffen, Er hilft uns frei aus aller Not, Die uns jetzt hat betroffen. Der alte böse Feind Mit Ernst ers jetzt meint. Groß Madit und viel List Sein grausam Rüstung ist. Auf Erd ist nidit seins Gleidien,


238 Religion und Philosophie in Deutschland

Mit unsrcr Madit ist nichts getan,

Wir sind gar bald verloren,

Es streit't für uns der rechte Mann,

Den Gott selbst hat erkoren.

Fragst du, wer es ist?

Er heißt Jesus Christ,

Der Herr Zcbaoth,

Und ist kein andrer Gott,

Das Feld muß er behalten.

Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollten uns verschlingen. So fürchten wir uns nicht so sehr. Es soll uns doch gelingen/ Der Fürst dieser Welt, Wie sauer er sich stellt. Tut er uns doch nicht. Das macht, er ist gericht't. Ein Wörtlcin kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn.

Und keinen Dank dazu haben.

Es ist bei uns wohl auf dem Plan

Mit seinem Geist und Gaben.

Nehmen sie uns den Leib,

Gut, Ehr, Kind und Weib,

Laß fahren dahin,

Sie habens kein Gewinn,

Das Reich muß uns doch bleiben.

Ich habe gezeigt, wie wir unserm teuern Doktor Martin Luther die Geistesfreiheit verdanken, welche die neuere Literatur zu ihrer Entfaltung bedurfte. Ich habe gezeigt, wie er uns auch das Wort schuf, die Sprache, worin diese neue Literatur sich aussprechen


Erstes Buch 239

konnte. Ich habe jetzt nur nodi hinzuzufügen, daß er auch selber diese Literatur eröffnet, daß diese, und ganz eigentlich die schöne Literatur mit Luther be* ginnt, daß seine geistlichen Lieder sich als die ersten wichtigen Erscheinungen derselben ausweisen und schon den bestimmten Charakter derselben kund geben. Wer über die neuere deutsche Literatur reden will, muß daher mit Luther beginnen, und nicht etwa mit einem nüremberger Spießbürger, Namens Hans Sachs, wie aus unredlichem Mißwollen von einigen romantischen Literatoren geschehen ist. Hans Sachs, dieser Trou- badour der ehrbaren Schusterzunft, dessen Meister-^ gesang nur eine läppische Parodie der früheren Minne- lieder und dessen Dramen nur eine tölpelhafte Trave- stie der alten Mysterien, dieser pedantische Hanswurst, der die freie Naivität des Mittelalters ängstlich nach- äfft, ist vielleicht als der letzte Poet der älteren Zeit, keineswegs aber als der erste Poet der neueren Zeit zu betrachten. Es wird dazu keines weiteren Bewei- ses bedürfen, als daß ich den Gegensatz unserer neuen Literatur zur äheren mit bestimmten Worten erörtere.

Betrachten wir daher die deutsche Literatur, die vor Luther blühte, so finden wir:

L Ihr Material, ihr Stoff ist, wie das Leben des Mittelalters selbst, eine Mischung zweier heterogener Elemente, die in einem langen Zweikampf sich so ge- waltig umschlungen, daß sie am Ende in einander ver- schmolzen, nämlich: die germanische Nationalität und das indisch gnostische, sogenannte katholische Christen- tum.

2. Die Behandlung, oder vielmehr der Geist der Be- handlung in dieser älteren Literatur ist romantisdi. Abusivc sagt man dasselbe auch von dem Material jener Literatur, von allen Ersdicinungen des Mittel-


240 Religion und Philosophie in Deutschfand

alters, die durch die Versdimelzung der erwähnten bei- den Elemente, germanisdie Nationalität und katholi- sdies Christentum, entstanden sind. Denn, wie einige Diditer des Mittelalters die griediisdie Gesdiidite und Mythologie ganz romantisdi behandelt haben, so kann man audi die mittelalterlidien Sitten und Legenden in klassisdier Form darstellen. Die Ausdrüd^e ^klassisdi«  und »romantisdi« beziehen sidi also nur auf den Geist der Behandlung. Die Behandlung ist klassisdi, wenn die Form des Dargestellten ganz identisdi ist mit der Idee des Darzustellenden, wie dieses der Fall ist bei den Kunstwerken der Griedien, wo daher in dieser Identität audi die größte Harmonie zwisdien Form und Idee zu finden. Die Behandlung ist romantisdi, wenn die Form nidit durdi Identität die Idee offenbart, son- dern parabolisdi diese Idee erraten läßt. Idi gebraudie hier das Wort »parabolisdi« lieber als das Wort »sym- bolisdi«. Die griediisdie Mythologie hatte eine Reihe von Göttergestalten, deren jede, bei aller Identität der Form und der Idee, dennodi eine symbolisdie Bedeu«  tung bekommen konnte. Aber in dieser griediisdien Religion war eben nur die Gestalt der Götter bestimmt, alles andere, ihr Leben und Treiben, war der Willkür der Poeten zur beliebigen Behandlung überlassen. In der diristlidien Religion hingegen gibt es keine so be* stimmte Gestalten, sondern bestimmte Fakta, be- stimmte heilige Ereignisse und Taten, worin das didi- tende Gemüt des Mensdien eine parabolisdie Bedeu- tung legen konnte. Man sagt, Homer habe die grie- diisdien Götter erfunden/ das ist nidit wahr, sie exi- stierten sdion vorher in bestimmten Umrissen, aber er erfand ihre Gesdiiditen. Die Künstler des Mittelalters hingegen wagten nimmermehr in dem gesdiiditlidien Teil ihrer Religion das mindeste zu erfinden/ der


Erstes Buch 241

Sündenfall, die Mensdiwerdung, die Taufe, die Kreu* zigung u. dgl. waren unantastbare Tatsadien, woran nidit gemodelt werden durfte, worin aber das dichtende Gemüt der Mensdien eine parabolisdie Bedeutung le- gen konnte. In diesem parabolisdien Geist wurden nun audi alle Künste im Mittelalter behandelt, und diese Behandlung ist romantisdi. Daher in der Poesie des Mittelalters jene mystisdie Allgemeinheit,- die Gestal- ten sind so sdiattenhaft, was sie tun ist so unbestimmt, alles ist darin so dämmernd, wie von wediselndem Mondlicht beleuchtet/ die Idee ist in der Form nur wie ein Rätsel angedeutet, und wir sehen hier eine vage Form, wie sie eben zu einer spiritualistischen Litera- tur geeignet war. Da ist nicht wie bei den Griechen eine sonnenklare Harmonie zwischen Form und Idee/ sondern, manchmal überragt die Idee die gegebene Form, und diese strebt verzwciflungsvoll jene zu er- reichen, und wir sehen dann bizarre, abenteuerliche Er- habenheit: manchmal ist die Form ganz der Idee über den Kopf gewachsen, ein läppisch winziger Gedanke schleppt sich einher in einer kolossalen Form, und wir sehen groteske Farce/ fast immer sehen wir Unförm- lichkeit.

3. Der allgemeine Charakter jener Literatur war, daß sich in allen Produkten derselben jener feste, sichere Glaube kund gab, der damals in allen weltlichen wie geistlichen Dingen herrschte. Basiert auf Autoritäten waren alle Ansichten der Zeit/ der Dichter wandelte, mit der Sicherheit eines Maulesels, längs den Ab- gründen des Zweifels, und es herrscht in seinen W^erken eine kühne Ruhe, eine selige Zuversicht, wie sie später unmöglich war, als die Spitze jener Autoritäten, nämlich die Autorität des Papstes, gebrochen war und alle andere nachstürzten. Die Gedichte des Mittelalters^

VII, .6


242 Religion und Philosophie in Deutschland

haben daher alle denselben Charakter, es ist als habe sie nidit der einzelne Mgnsdi, sondern das ganze Volk gediditet,- sie sind objektiv, episdi und naiv.

In der Literatur hingegen, "die mit Luther empor» blüht, finden wir ganz das Gegenteil:

\. Ihr Material, der Stoff, der behandelt werden soll, ist der Kampf der Reformationsinteressen und An«  siditen mit der alten Ordnung der Dinge. Dem neuen Zeitgeist ist jener Misdiglaubc, der aus den erwähnten zwei Elementen, germanisdie Nationalität und indisdi gnostisdies Christentum, entstanden ist, gänzlidi zu- wider/ letzteres dünkt ihm heidnisdie Götzendienerei, an dessen Stelle die wahre Religion des judäisdi de«  istisdien Evangeliums treten soll. Eine neue Ordnung der Dinge gestaltet sidi,- der Geist madit Erfindungen, die das Wohlsein der Materie befördern,- durdi das Gedeihen der Industrie und durdi die Philosophie wird der Spiritualismus in der öffentlidien Meinung diskredi- tiert/ der dritte Stand erhebt sidi/ die Revolution grollt sdion in den Herzen und Köpfen/ und was die Zeit fühlt und denkt und bedarf und will, wird ausgesprodien, und das ist der Stoff der modernen Literatur.

2. Der Geist der Behandlung ist nidit mehr roman- tisdi, sondern klassisdi. Durdi das Wiederaufleben der alten Literatur verbreitete sidi über ganz Europa eine freudige Begeisterung für die griediisdien und römisdien Sdiriftsteller, und die Gelehrten, die einzigen, weldie damals sdirieben, suditen den Geist des klassisdien Altertums sidi anzueignen, oder wenigstens in ihren Sdiriften die klassisdien Kunstformen nadizubilden. Konnten sie nidit, gleidi den Griedien, eine Harmonie der Form und der Idee erreidien, so hielten sie sidi dodi desto strenger an das Äußere der griediisdien Behandlung/ sie sdiieden, nadi griediisdier Vorsdirift,


I


Erstes Buch 243

die Gattungen, enthielten sidi jeder romantisdien Extra- vaganz, und in dieser Beziehung nennen wir sie klas- sisdi,

3. Der allgemeine Charakter der modernen Literatur besteht darin, daß jetzt die Individualität und die Skep- sis vorherrsdien. Die Autoritäten sind niedergebrodien/ nur die Vernunft ist jetzt des Mensdien einzige Lampe, und sein Gewissen ist sein einziger Stab in den dunkeln Irrgängen dieses Lebens. Der Mensdi steht jetzt allein seinem Sdiöpfer gegenüber, und singt ihm sein Lied. Daher beginnt diese Literatur mit geistlidien Gesängen. Aber audi später, wo sie weltlidi wird, herrsdit darin das innigste Selbstbewußtsein, das Gefühl der Per- sönlidikeit. Die Poesie ist jetzt nidit mehr objektiv, episdi und naiv, sondern subjektiv, lyrisdi und reflek- tierend.


Zweites Buch


Im vorigen Buche haben wir von der großen religiösen Revolution gehandelt, die von Martin Luther in Deutsdiland repräsentiert ward. Jetzt haben wir von der philosophisdien Revolution zu sprcdien, die aus jener hervorging, ja, die eben nidits anderes ist, wie die letzte Konsequenz des Protestantismus.

Ehe wir aber erzählen, wie diese Revolution durdi Immanuel Kant zum Ausbrudi kam, müssen die phi* losophischen Vorgänge im Auslande, die Bedeutung des Spinoza, die Schicksale der Leibnitzischen Philo- sophie, die Wcchselverhältnisse dieser Philosophie und der Religion, die Reibungen derselben, ihr Zerwürfnis u. dgl. mehr erwähnt werden. Beständig aber halten wir im Auge diejenigen von den Fragen der Philo- sophie, denen wir eine soziale Bedeutung beimessen, und zu deren Lösung sie mit der Religion konkurriert.

Dieses ist nun die Frage von der Natur Gottes. Gott ist Anfang und Ende aller Weisheit! sagen die Gläubigen in ihrer Demut, und der Philosoph, in allem Stolze seines Wissens, muß diesem frommen Spruche beistimmen.

Nicht Baco, wie man zu lehren pflegt, sondern Rene Descartes ist der Vater der neuern Philosophie, und in welchem Grade die deutsche Philosophie von ihm ab- stammt, werden wir ganz deutlich zeigen.

Rene Descartes ist ein Franzose, und dem großen Frankreich gebührt auch hier der Ruhm der Initiative. Aber das große Frankreich, das geräuschvolle, bewegte, vielschwatzende Land der Franzosen, war nie ein ge- eigneter Boden für Philosophie, diese wird vielleicht niemals darauf gedeihen, und das fühlte Rene Des- cartes, und er ging nach Holland, dem stillen, schwei- genden Lande der Trekschuiten und Holländer, und


Zweites Buch 245

dort sdirieb er seine philosophisdien Werke. Nur dort konnte er seinen Geist von dem traditionellen For=^ malismus befreien und eine ganze Philosophie aus reinen Gedanken emporbauen, die weder dem Glauben nodi der Empirie abgeborgt sind, wie es seitdem von jeder wahren Philosophie verlangt wird. Nur dort konnte er so tief in des Denkens Abgründe sich versenken, daß er es in den letzten Gründen des Selbstbewußt-»^ seins ertappte, und er eben durdi den Gedanken das Selbstbewußtsein konstatieren konnte, in dem weltbe» rühmten Satze: cogito ergo sum.

Aber audi vielleidit nirgends anders als in Holland konnte Descartes es wagen, eine Philosophie zu lehren, die mit allen Traditionen der Vergangenheit in den offenbarsten Kampf geriet. Ihm gebührt die Ehre, die Autonomie der Philosophie gestiftet zu haben/ diese braudite nidit mehr die Erlaubnis zum Denken von der Theologie zu erbetteln und durfte sidi jetzt als selb- ständige Wissensdiaft neben dieselbe hinstellen, Idi sage nidit: derselben entgegensetzen, denn es galt damals der Grundsatz: die Wahrheiten, wozu wir durdi die Philo- sophie gelangen, sind am Ende dieselben, weldie uns audi die Religion überliefert. Die Sdiolastiker, wie idi sdion früher bemerkt, hatten hingegen der Religion nidit bloß die Suprematie über die Philosophie eingeräumt, sondern audi diese letztere für ein niditiges Spiel, für eitel Wortfediterei erklärt, sobald sie mit den Dogmen der Religion in Widersprudi geriet. Den Sdiolastikern war es nur darum zu tun, ihre Gedanken auszuspredicn, gleidiviel unter weldier Bedingung. Sie sagten Ein mal Ein ist Eins, und bewiesen es/ aber sie setzten lädielnd hinzu, das ist wieder ein Irrtum der mensdilidien Ver- nunft, die immer irrt, wenn sie mit den Besdilüssen der ökumenisdien Konzilien in Widersprudi gerät/ Ein mal


246 Religion und Philosophie in Deutschland

Eins ist Drei, und das ist die wahre Wahrheit, wie uns längst offenbart worden, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Die Scholastiker biU deten, im Geheim, eine philosophisdie Opposition gegen die Kirdie. Aber öffentlidi heudielten sie die größte Unterwürfigkeit, kämpften sogar in mandien Fällen für die Kirche, und bei Aufzügen paradierten sie im Ge^- folge derselben, ungefähr wie die französischen Oppo- sitionsdeputierten bei den Feierlichkeiten der Restau- ration. Die Komödie der Scholastiker dauerte mehr als sechs Jahrhunderte und sie wurde immer trivialer. Indem Dcscartes den Scholastizismus zerstörte, zerstörte er auch die verjährte Opposition des Mittelalters. Die alten Besen waren durch das lange Fegen stumpf ge- worden, es klebte daran allzuviel Kehricht, und die neue Zeit verlangte neue Besen. Nach jeder Revolution muß die bisherige Opposition abdanken,- es geschehen sonst große Dummheiten. Wir habens erlebt. Weniger war CS nun die katholische Kirche, als vielmehr die alten Gegner derselben, der Nachtrab der Scholastiker, welche sich zuerst gegen die Cartesianische Philosophie er- hoben. Erst 1663 verbot sie der Papst.

Ich darf bei Franzosen eine zulängliche, süffisante Bekanntschaft mit der Philosophie ihres großen Lands- mannes voraussetzen, und ich brauche hier nicht erst zu zeigen, wie die entgegengesetztesten Doktrinen aus ihr das nötige Material entlehnen konnten. Ich spreche hier vom Idealismus und vom Materialismus.

Da man, besonders in Frankreich, diese zwei Dok- trinen mit den Namen Spiritualismus und Sensualismus bezeichnet, und da ich mich dieser beiden Benennungen in anderer Weise bediene, so muß ich, um Begriffs- verwirrungen vorzubeugen, die obigen Ausdrücke näher besprechen.


Zweites Buch 247

Seit den ältesten Zeiten gibt es zwei entgegen^ gesetzte Ansichten über die Natur des mensAIidicn Denkens, d. h. über die letzten Gründe der geistigen Erkenntnis, über die Entstehung der Ideen. Die Einen behaupten, wir erlangen unsere Ideen nur von außen, unser Geist sei nur ein leeres Behältnis, worin die von den Sinnen eingeschludtten Ansdiauungen sidi verar- beiten, ungefähr wie die genossenen Speisen in unserem Magen, Um ein besseres Bild zu gebrauchen, diese Leute betrachten unseren Geist wie eine Tabula rasa, worauf später die Erfahrung täglich etwas Neues schreibt, nach bestimmten Schreibregeln.

Die Anderen, die entgegengesetzter Ansicht, be- haupten : die Ideen sind dem Menschen angeboren, der menschliche Geist ist der Ursitz der Ideen, und die Außenwelt, die Erfahrung, und die vermittelnden Sinne bringen uns nur zur Erkenntnis dessen^ was schon vor- her in unserem Geiste war, sie wecken dort nur die schlafenden Ideen.

Die erstcre Ansicht hat man nun den Sensualismus, manchmal auch den Empirismus genannt/ die andere nannte man den Spiritualismus, manchmal auch den Rationalismus. Dadurch können jedoch leicht Miß- verständnisse entstehen, da wir mit diesen zwei Na- men, wie ich schon im vorigen Buche erwähnt, seit einiger Zeit auch jene zwei soziale Systeme, die sich in allen Manifestationen des Lebens geltend machen, bezeichnen. Den Namen Spiritualismus überlassen wir daher jener frevelhaften Anmaßung des Geistes, der nach alleiniger Verherrlichung strebend, die Materie zu zertreten, wenigstens zu fletrieren sucht: und den Na- men Sensualismus überlassen wir jener Opposition, die, dagegen eifernd, ein Rehabilitieren der Materie bezweckt und den Sinnen ihre Rechte vindiziert, ohne die Rechte


248 Religion und Philosophie in Deutschland

des Geistes, ja nidit einmal ohne die Supremacie des Geistes zu leugnen. Hingegen den philosophischen Meinungen über die Natur unserer Erkenntnisse, gebe \d\ lieber die Namen Idealismus und Materialismus,- und idi bezeidine mit dem ersteren die Lehre von den angeborenen Ideen, von den Ideen a priori, und mit dem anderen Namen bezeidme idi die Lehre von der Geisteserkenntnis durdi die Erfahrung, durdi die Sinne, die Lehre von den Ideen a posteriori.

Bedeutungsvoll ist der Umstand, daß die idealistisdie Seite der Cartesianisdien Philosophie niemals in Frank- fcidi Glüd( madien wollte. Mehre berühmte Janse«' nisten verfolgten einige Zeit diese Riditung, aber sie verloren sidi bald in den diristlidien Spiritualismus. Vielleidit war es dieser Umstand, weldjer den Idealis- mus in Frankreidi diskreditierte. Die Völker ahnen instinktmäßig, wessen sie bedürfen, um ihre Mission zu erfüllen. Die Franzosen waren sdion auf dem Wege zu jener politisdien Revolution, die erst am Ende des aditzehnten Jahrhunderts ausbrad), und wozu sie eines Beils und einer eben so kaltsdiarfen, materialisti«  sdien Philosophie bedurften. Der diristlid^e Spiritualismus stand als Mitkämpfer in den Reihen ihrer Feinde, und der Sensualismus wurde daher ihr natürlidier Bundes- genosse. Da die französisdien Sensualisten gewöhnlidi Materialisten waren, so entstand der Irrtum, daß der Sensualismus nur aus dem Materialismus hervorgehe. Nein, jener kann sidi eben so gut als ein Resultat des Pan- theismus geltend madien, und da ist seine ErsAeinung sdiön und herrlidi. Wir wollen jedodi dem französisdien Materialismus keineswegs seine Verdienste abspredien. Der französisdie Materialismus war ein gutes Gegen- gift gegen das Übel der Vergangenheit, ein verzwei- feltes Heilmittel in einer verzweifelten Krankheit, Mer-


Zweites Buch 249

kur für ein infiziertes Volk. Die französisdien Philo^ sophen wählten John Locke zu ihrem Meister. Das war der Heiland, dessen sie bedurften. Sein »Essay on human understanding« war ihr Evangeüum,- dar= auf sdiworen sie. John Lodte war bei Descartes in die Sdiule gegangen, und hatte alles von ihm gelernt, was ein Engländer lernen kann: Medianik, Sdieidekunst, Kombinieren, Konstruieren, Redinen. Nur eins hat er nidit begreifen können, nämlidi die angeborenen Ideen. Er vervollkommnete daher die Doktrin, daß wir unsere Erkenntnisse von außen, durdi die Erfahr rung, erlangen. Er madite den mensdilidien Geist zu einer Art Redienkasten, der ganze Mensdi wurde eine englisdie Masdiine, Dieses gilt audi von dem Mensdien, wie ihn die Sdiuler Lodtes konstruierten, obgleidi sie sidi durdi versdiiedene Benennungen von einander unter* sdieiden wollen. Sie haben alle Angst vor den letzten Folgerungen ihres obersten Grundsatzes, und der An- hänger Condillacs ersdiridct, wenn man ihn mit einem Helvetius, oder gar mit einem Holbadi, oder viellcidit nodi am Ende mit einem La Mettrie in eine Klasse setzt, und dodi muß es gesdiehen, und idi darf daher die fran- zösisdien Philosophen des aditzehnten Jahrhunderts und ihre heutigen Nadifolger samt und sonders als Mate- rialisten bezeidinen. »L'homme madiine« ist das konse- quenteste Budi der französisdien Philosophie, und der Ti- tel sdion verrät das letzte Wort ihrer ganzen Weltansidit, Diese Materialisten waren meistens audi Anhänger des Deismus, denn eine Masdiine setzt einen Media» nikus voraus, und es gehört zu der hödisten Voll- kommenheit dieser crsteren, daß sie die tedinisdicn Kenntnisse eines soldien Künstlers, teils an ihrer eige- nen Konstruktion, teils an seinen übrigen Werken, zu erkennen und zu sdiätzen weiß.


250 Religion und Phtlosophte in Deutschland

Der Materialismus hat in FrankreiA seine Mission erfüllt. Er vollbringt jetzt vielleicht dasselbe Werk in England, und auf Lod<e fußen dort die revolutionären Parteien, namentlidi die Benthamisten, die Prädikanten der Utilität. Diese sind gewaltige Geister, die den rechten Hebel ergriffen, womit man John Bull in Be- wegung setzen kann. John Bull ist ein geborener Ma- terialist und sein christlicher Spiritualismus ist meistens eine traditionelle Heuchelei oder doch nur materielle Borniertheit — sein Fleisch resigniert sich, weil ihm der Geist nicht zu Hülfe kommt. Anders ist es in Deutsch- land und die deutschen Revolutionäre irren sich, wenn sie wähnen, daß eine materialistische Philosophie ihren Zwecken günstig sei. Ja, es ist dort gar keine all- gemeine Revolution möglich, solange ihre Prinzipien nicht aus einer volkstümlicheren, religiöseren und deut- scheren Philosophie deduziert und durch die Gewalt derselben herrschend geworden. Welche Philosophie ist dieses? Wir werden sie späterhin unumwunden besprechen. Ich sage: unumwunden, denn ich rechne darauf, daß auch Deutsche diese Blätter lesen.

Deutschland hat von jeher eine Abneigung gegen den Materialismus bekundet und wurde deshalb, wäh- rend anderthalb Jahrhunderte, der eigentliche Schauplatz des Idealismus. Auch die Deutschen begaben sich in die Schule des Desc:artes, und der große Schüler des- selben hieß Gottfried Wilhelm Leibnitz. Wie Lx)cke die materialistische Richtung, so verfolgte Leibnitz die idealistische Richtung des Meisters. Hier finden wir am determiniertesten die Lehre von den angeborenen Ideen. Er bekämpfte Locke in seinen »nouveaux es- sais sur l'entendement humain«. Mit Leibnitz erblühte ein großer Eifer für philosophisches Studium bei den Deutschen. Er weckte die Geister und lenkte sie in


ZAjreites Buch 251

neue Bahnen. Ob der inwohnenden Milde, ob des religiösen Sinnes, der seine Sdiriften belebte, wurden auÄ die widerstrebenden Geister mit der Kühnheit derselben einigermaßen ausgesöhnt, und die Wirkung war ungeheuer. Die Kühnheit dieses Denkers zeigt siA namentlidi in seiner Monadenlehre, eine der merk- würdigsten Hypothesen, die je aus dem Haupte eines Philosophen hervorgegangen. Diese ist audi zugleidi das Beste, was er geliefert,- denn es dämmert darin sdion die Erkenntnis der widitigsten Gesetze, die un- sere heutige Philosophie erkannt hat. Die Lehre von den Monaden war vielleidit nur eine unbehülf lidie For- mulierung dieser Gesetze, die jetzt von den Natur- philosophen in bessern Formeln ausgesprodien worden. Idi sollte hier eigentlich statt des Wortes »Gesetz« eben nur »Formel« sagen/ denn Newton hat ganz Recht, wenn er bemerkt, daß dasjenige, was wir Gesetze in der Natur nennen, eigentlidi nidit existiert, und daß es nur Formeln sind, die unserer Fassungskraft zu Hülfe kommen, um eine Reihe von Ersdieinungen in der Natur zu erklären. Die »Theodizee« ist in Deutsdi- land von allen Leibnitzisdien Sdiriften am meisten be- sprodien worden. Es ist jedodi sein sdiwädistes Werk, Dieses Budi, wie nodi einige andere Sdiriften, worin sidi der religiöse Geist des Leibnitz ausspridit, hat ihm mandien bösen Leumund, mandie bittere Verkennung zugezogen. Seine Feinde haben ihn der gemütlidisten Sdiwadiköpfigkeit besdiuldigt,- seine Freunde, die ihn verteidigten, maditen ihn dagegen zu einem pfiffigen Heudiler. Der Charakter des Leibnitz blieb lange bei uns ein Gegenstand der Kontroverse, Die Billig- sten haben ihn von dem Vorwurf der Zweideutigkeit«  nidit freispredien können. Am meisten sdimähten ihn die Freidenker und Aufklärer. Wie konnten sie einem


(. Z52 Religion und Philosophie in Deutschland

Philosophen verzeihen, die Dreieinigkeit, die ewigen Höllenstrafen, und gar die Gottheit Christi verteidigt zu haben! So weit erstreckte sidi nidit ihre Toleranz. Aber Leibnitz war weder ein Tor nodi ein Sdiuft, und i von seiner hamionisdien Höhe konnte er sehr gut das '■ ganze Christentum verteidigen. Idi sage, das ganze Christentum, denn er verteidigte es gegen das halbe Christentum. Er zeigte die Konsequenz der Ortho- doxen im Gegensatze zur Halbheit ihrer Gegner. Mehr hat er nie gewollt. Und dann stand er auf jenem Indifferenzpunkte, wo die verschiedensten Systeme nur versdiiedcne Seiten derselben Wahrheit sind. Diesen Indifferenzpunkt hat späterhin audi Herr Sdielling er- kannt, und Hegel hat ihn wissensdiaftlidi begründet, als ein System der Systeme. In gleidier Weise be- sAäftigte sidi Leibnitz mit einer Harmonie zwisdien Plato und Aristoteles. Audi in der späteren Zeit ist diese Aufgabe oft genug bei uns vorgekommen. Ist sie gelöst worden?

Nein, wahrhaftig nein! Denn diese Aufgabe ist eben nichts anders als eine Schlichtung des Kampfes zwischen Idealismus und Materialismus, Plato ist durchaus Idealist und kennt nur angeborene oder vielmehr mitgeborene Ideen : der Mensch bringt die Ideen mit zur Welt, und wenn er derselben bewußt wird, so kommen sie ihm vor wie Erinnerungen aus einem früheren Dasein. Daher auch das Vage und Mystische des Plato, er erinnert sich mehr oder minder klar. Bei Aristoteles hingegen ist Alles klar. Alles deutlich. Alles sicher,- denn seine Erkenntnisse offenbaren sidi nicht in ihm mit vorweltlichen Beziehungen, sondern er schöpft Alles aus der Erfahrung, und weiß Alles aufs Bestimmteste zu klassifizieren. Er bleibt daher auch ein Muster für alle Empiriker, und diese wissen nicht genug Gott zu


zweites Buch 253

preisen, daß er ihn zum Lehrer des Alexander ge^ madit, daß er durdi dessen Eroberungen so viele Ge- legenheiten fand zur Beförderung der Wissenschaft, und daß sein siegender Sdiüler ihm so viele Tausend Talente gegeben zu zoologisdien Zwecken. Dieses Geld hat der alte Magister gewissenhaft verwendet, und er hat dafür eine ehrhdie Anzahl von Säugetieren seziert und Vögel ausgestopft, und dabei die widitigsten Be- obaditungen angestellt: aber die große Bestie, die er am nädisten vor Augen hatte, die er selber auferzogen, und die weit merkwürdiger war, als die ganze da* malige Weltmenagerie, hat er leider übersehen und unerforsdit gelassen. In der Tat, er ließ uns ganz ohne Kunde über die Natur jenes Jünglingkönigs, dessen Leben und Taten wir nodi immer als Wunder und Rätsel anstaunen. Wer war Alexander? Was wollte er? War er ein Wahnsinniger oder ein Gott? Nodi jetzt wissen wir es nidit. Desto bessere Auskunft gibt uns Aristoteles über babylonische Meerkatzen, indische Papageien und griediisdie Tragödien, welche er eben- falls seziert hat.

Plato und Aristoteles! Das sind nicht bloß die zwei Systeme, sondern auch die Typen zweier verschiedenen Menschennaturen, die sich, seit undenklicher Zeit, unter allen Kostümen, mehr oder minder feindselig entgegen- stehen. Vorzüglich das ganze Mittelalter hindurch, bis auf den heutigen Tag, wurde solchermaßen gekämpft, und dieser Kampf ist der wesentlichste Inhalt der christ- licheri Kirchengeschichte. Von Plato und Aristoteles ist immer die Rede, wenn auch unter anderem Namen. Schwärmerische, mystische, platonische Naturen offen* baren aus den Abgründen ihres Gemütes die christ- lichen Ideen und die entsprechenden Symbole. Prak- tische, ordnende, aristotelische Naturen bauen aus diesen


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Ideen und Symbolen ein festes System, eine Dogmatik und einen Kultus. Die Kirdie umsdiließt endlidi beide Naturen, wovon die einen sidi meistens im Klerus, und die anderen im Möndistum versdianzen, aber sidi unablässig befehden. In der protestantischen Kirdie zeigt sidi derselbe Kampf, und das ist der Zwiespalt zwisdien Pietisten und Orthodoxen, die den katholi«  sdien Mystikern und Dogmatikem in einer gewissen Weise entspredien. Die protestantisdien Pietisten sind Mystiker ohne Phantasie, und die protestantischen Orthcxioxen sind Dogmatikcr ohne Geist.

Diese beiden protestantischen Parteien finden wir in einem erbitterten Kampfe zur Zeit des Leibnitz, und die Philosophie desselben intervenierte späterhin, als Christian Wolf sich derselben bemächtigte, sie den Zeitbedürfnissen anpaßte, und sie, was die Hauptsache war, in deutscher Sprache vortrug. Ehe wir aber von diesem Schüler des Leibnitz, von den Wirkungen sei- nes Strcbens und von den späteren Schicksalen des Luthertums ein Weiteres berichten, müssen wir des providentiellen Mannes erwähnen, der gleichzeitig mit Locke und Leibnitz sich in der Scfiule des Descartes gebildet hatte, lange Zeit nur mit Hohn und Haß be- trachtet worden, und dennoch in unseren heutigen Tagen zur alleinigen Geisterherrschaft emporsteigt.

Ich spreche von Benedikt Spinoza,

Ein großer Genius bildet sich durch einen anderen großen Genius, weniger durch Assimilierung als durch Reibung. Ein Diamant schleift den andern. So hat die Philosophie des Descartes keineswegs die des Spinoza hervorgebracht, sondern nur befördert. Daher zunächst finden wir bei dem Schüler die Methode des Meisters/ dieses ist ein großer Gewinn. Dann finden wir bei Spinoza, wie bei Descartes, die der Mathematik ab-


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geborgte Beweisführung, Dieses ist dn großes Ge-^ bredhen. Die mathematisdie Form gibt dem Spinoza ein herbes Äußere. Aber dieses ist wie die herbe Sdiale der Mandel/ der Kern ist um so erfreulidier. Bei der Lektüre des Spinoza ergreift uns ein Gefühl wie beim Anblick der großen Natur in ihrer lebendigsten Ruhe. Ein Wald von himmelhohen Gedanken, deren blühende Wipfel in wogender Bewegung sind, während die un* ersdiütterlidien Baumstämme in der ewigen Erde wur* zeln. Es ist ein gewisser Haudi in den Sdiriften des Spinoza, der unerklärlidi. Man wird angeweht wie von den Lüften der Zukunft. Der Geist der hebräisdien Propheten ruhte vielleidit nodi auf ihrem späten Enkel. Dabei ist ein Ernst in ihm, ein selbstbewußter Stolz, eine Gedankengrandezza, die ebenfalls ein Erbteil zu sein sdieint/ denn Spinoza gehörte zu jenen Märtyrer- familien, die damals von den allerkatholisdisten Köni- gen aus Spanien vertrieben worden. Dazu kommt nodi die Geduld des Holländers, die sidi ebenfalls, wie im Leben, so audi in den Sdiriften des Mannes, niemals verleugnet hat.

Konstatiert ist es, daß der Lebenswandel des Spinoza frei von allem Tadel war, und rein und makellos wie das Leben seines göttlidien Vetters, Jesu Christi. Audi wie dieser litt er für seine Lehre, wie dieser trug er die Dornenkrone. Überall, wo ein großer Geist seine Gedanken ausspridit, ist Golgatha.

Teurer Leser, wenn du mal nadi Amsterdam kömmst, so laß dir dort von dem Lohnlakaien die spanisdie Synagoge zeigen. Diese ist ein sdiönes Gebäude, und das Dadi ruht auf vier kolossalen Pfeilern, und in der Mitte steht die Kanzel, wo einst der Bannfludi aus- gesprodien wurde über den Veräditer des mosaisdien Gesetzes, den Hidalgo Don Benedikt de Spinoza. Bei


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dieser Gelegenheit wurde auf einem Bockshorne gc^ blasen, weldies Schofar heißt. Es muß eine furditbarc Bewandtnis haben mit diesem Hörne. Denn wie idi mal in dem Leben des Salomon Maimon gelesen, sud^te einst der Rabbi von Altona ihn, den Sdiüler Kants, wieder zum alten Glauben zurückzuführen, und ali derselbe bei seinen philosophisdien Ketzereien hals- starrig bcharrte, wurde er drohend und zeigte ihm den Sdiofar, mit den finstern Worten: »weißt du, was das ist?« Als aber der Sdiüler Kants sehr gelassen ant«  wortctc: »es ist das Hörn eines Bockes!« da fiel der Rabbi rücklings zu Boden vor Entsetzen.

Mit diesem Home wurde die Exkommunikation des Spinoza akkompagniert, er wurde feierlidi ausgestoßen aus der Gemeinsdiaft Israels und unwürdig erklärt hin- furo den Namen Jude zu tragen. Seine diristlidien Feinde waren großmütig genug, ihm diesen Namen zu lassen. Die Juden aber, die Sdiweizergarde des Deismus, waren unerbittlidi, und man zeigt den Platz vor der spanisdien Synagoge zu Amsterdam, wo sie einst mit ihren langen Doldien naA dem Spinoza gestoAcn haben.

Idi konnte nidit umhin, auf soldie persönlidie Miß- gesdiicke des Mannes besonders aufmerksam zu madien. Ihn bildete nidit bloß die Sdiule, sondern audi das Lc* ben. Das untersdieidet ihn von den meisten Philo- sophen, und in seinen Sdiriften erkennen wir die mittel- baren Einwirkungen des Lebens. Die Theologie war für ihn nidit bloß eine Wissensdiaft. Eben so die Po- litik. Audi diese lernte er in der Praxis kennen. Der Vater seiner Geliebten wurde wegen politisdier Ver- gehen in den Niederlanden gehenkt. Und nirgends in der Welt wird man sdilediter gehenkt wie in den Niederlanden. Ihr habt keinen Begriff davon, wie un-


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Zweites Buch 257

endliA viele Vorbereitungen und Zeremonien dabei stattfinden. Der Delinquent stirbt zugleidi vor langer Weile, und der Zusdiauer hat dabei hinlänglidie Muße zum Nadidenken, Idi bin daher überzeugt, daß Bene^ dikt Spinoza über die Hinriditung des alten van Ende sehr viel nadigedadit hat, und so wie er früher die Religion mit ihren Doldien begriffen, so begriff er audi jetzt die Politik mit ihren Stricken, Kunde davon gibt sein »Tractatus politicus«.

Idi habe nur die Art und Weise hervorzuheben, wie die Philosophen mehr oder minder mit einander ver- wandt sind, und idi zeige nur die Verwandtsdiafts- grade und die Erbfolge. Diese Philosophie desSpinoza,[ des dritten Sohnes des Rene Descartes, wie er sie in' seinem Hauptwerk, in der »Ethik«, doziert, ist von dem Materialismus seines Bruders Locke eben so sehr entfernt wie von dem Idealismus seines Bruders Leib- nitz, Spinoza quält sidi nidit analytisdi mit der Frage über die letzten Gründe unserer Erkenntnisse. Er gibt » uns seine große Synthese, seine Erklärung von der' Gottheit,

Benedikt Spinoza lehrt; Es gibt nur eine Substanz,'^ das ist Gott, Diese eine Substanz ist unendlidi, sie ist absolut. Alle endlidie Substanzen derivieren von ihr, sind in ihr enthalten, taudien in ihr auf, taudien in ihr unter, sie haben nur relative, vorübergehende, acci- dentielle Existenz, Die absolute Substanz offenbart sidi uns sowohl unter der Form des unendlidien Denkens, als audi unter der Form der unendlidien Ausdehnung, Beides, das unendlidie Denken und die unendlidie Aus- dehnung sind die zwei Attribute der absoluten Sub- stanz. Wir erkennen nur diese zwei Attribute/ Gott, die absolute Substanz, hat aber vielleidit nodi mehr Attribute, die wir nidit kennen. »Non dico, me deum

VII, 17


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omnino cognosccre, sed me quaedam ejus attributa, non autem omnia, neque maximam intelligere partem.« 

Nur Unverstand und Böswilligkeit konnten dieser Lehre das Beiwort »atheistisdi« beilegen. Keiner hat sidi jemals erhabener über die Gottheit ausgesprodien wie Spinoza. Statt zu sagen, er leugne Gott, könnte man sagen, er leugne den Mensdien. Alle endlidie Dinge sind ihm nur Modi der unendlidien Substanz. Alle endlidie Dinge sind in Gott enthalten, der mensdi* lidie Geist ist nur ein Liditstrahl des unendlidien Den* kcns, der mensdilidie Leib ist nur ein Atom der unend- lidien Ausdehnung,- Gott ist die unendlidie Ursadie beider, der Geister und der Leiber, natura, naturans.

In einem Briefe an Madame Du DefFand zeigt Vol- taire sidi ganz entzückt über einen Einfall dieser Dame, die sid) geäußert hatte, daß alle Dinge, die der Mensdi durdiaus nidit wissen könne, sidier von der Art sind, daß ein Wissen derselben ihm nidits nützen würde. Diese Bemerkung mödite idi auf jenen Satz des Spi- noza anwenden, den idi oben mit seinen eignen Worten mitgeteilt, und wonadi der Gottheit nidit bloß die zwei erkennbaren Attribute, Denken und Ausdehnung, son^ dem vielleicht audi andere für uns unerkennbare At- tribute gebühren. Was wir nidit erkennen können, hat für uns keinen Wert, wenigstens keinen Wert auf dem sozialen Standpunkte, wo es gilt, das im Geiste er- kannte zur leiblidien Ersdieinung zu bringen. In un- serer Erklärung des Wesens Gottes nehmen wir daher Bezug nur auf jene zwei erkennbare Attribute. Und dann ist ja dodi am Ende Alles, was wir Attribute Gottes nennen, nur eine versdiiedene Form unserer Ansdiauung, und diese versdiiedenen Formen sind identisdi in der absoluten Substanz. Der Gedanke ist am Ende nur die unsiditbare Ausdehnung und die


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Ausdehnung ist nur der siditbare Gedanke. Hier ge* raten wir in den Hauptsatz der deutsdien Identitäts- philosophie, die in ihrem Wesen durdiaus nidit von der Lehre des Spinoza versdiieden ist. Mag immerhin Herr Sdielling dagegen eifern, daß seine Philosophie von dem Spinozismus versdiieden sei, daß sie mehr »eine lebendige Durdidringung des Idealen und Re- alen« sei, daß sie sidi von dem Spinozismus unter- sdieide »wie die ausgebildeten griediisdien Statuen von den starregyptisdien Originalen« : dennodi muß idi aufe bestimmteste erklären, daß sidi Herr Sdielling, in sei- ner früheren Periode, wo er nodi ein Philosoph war, nidit im Geringsten von Spinoza untersdiied. Nur auf einem andern Wege ist er zu derselben Philosophie gelangt, und das habe idi späterhin zu erläutern, wenn idi erzähle, wie Kant eine neue Bahn betritt, Fidite ihm nadifolgt, Herr Sdielling wieder in Fidites Fuß- stapfen weitersdireitet, und durdi das Walddunkel der Naturphilosophie umherirrend, endlidi dem großen Standbilde Spinozas, Angesidit zu Angesidit, gegen- übersteht.

Die neuere Naturphilosophie hat bloß das Verdienst, daß sie den ewigen Parallelismus, der zwisdien dem Geiste und der Materie herrsdit, aufs sdiarfsinnigste nadigewiesen, Idi sage Geist und Materie, und diese Ausdrücke braudie idi als gleidibedeutend für das, was Spinoza Gedanken und Ausdehnung nennt. Gewisser- maßen gleidibedeutend ist audi das, was unsere Natur- philosophen Geist und Natur, oder das Ideale und das Reale, nennen.

Idi werde in der Folge weniger das System als viel- mehr die Ansdiauungsweise des Spinoza mit dem Namen Pantheismus bezeidinen. Bei letzterem wird, eben so gut wie bei dem Deismus, die Einheit Gottes


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angenommen. Aber der Gott des Pantheisten ist in der Welt selbst, nidit indem er sie mit seiner Göttlidi- keit durdidringt, in der Weise, die einst der heilige Augustin zu veransdiaulidien sudite, als er Gott mit einem großen See und die Welt mit einem großen Sdiwamm verglidi, der in der Mitte läge und die Gott- heit einsauge : nein, die Welt ist nidit bloß gottgetränkt, gottgesdi wängert , sondern sie ist identisdi mit Gott. »Gott«, weldier von Spinoza die eine Substanz und von den deutsdien Philosophen das Absolute genannt wird, *ist alles was da ist«, er ist sowohl Materie wie Geist, beides ist gicidi göttlidi, und wer die heilige Materie beleidigt, ist eben so sündhaft, wie der, weldier sündigt gegen den heiligen Geist,

Der Gott des Pantheisten untersdieidet sidi also von dem Gotte des Deisten dadurdi, daß er in der Welt selbst ist, während letzterer ganz außer, oder was dasselbe ist, über der Welt ist. Der Gott des Deisten regiert die Welt von oben herab, als ein von ihm abgeson- dertes Etablissement. Nur in Betreff der Art dieses Regierens differenzieren unter einander die Deisten. Die Hebräer denken sidi Gott als einen donnernden Tyrannen,- die Christen als einen liebenden Vater/ die Sdiüler Rousseaus, die ganze Genfer Sdiule, denken sidi ihn als einen weisen Künstler, der die Welt ver- fertigt hat, ungefähr wie ihr Papa seine Uhren ver- fertigt, und als Kunstverständige bewundem sie das Werk und preisen den Meister dort oben.

Dem Deisten, weldier also einen außerweltlidien oder überweltlidien Gott annimmt, ist nur der Geist heilig, indem er letzteren gleidisam als den göttlidien Atem betraditet, den der Weltsdiöpfer dem mensdi- lidien Leibe, dem aus Lehm gekneteten Werk seiner Hände einge^asen hat. Die Juden aditeten daher den


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Leib als etwas Geringes, als eine armselige Hülle des Ruadi hakodasdi, des heiligen Haudis, des Geistes, und nur diesem widmeten sie ihre Sorgfalt, ihre Ehr- furdit, ihren Kultus, Sie wurden daher ganz eigent^ lidi das Volk das Geistes, keusdi, genügsam, ernst, abstrakt, halsstarrig, geeignet zum Martyrtum, und ihre sublimste Blüte ist Jesus Christus. Dieser ist im wahren Sinne des Wortes der inkarnierte Geist, und tiefsinnig bedeutungsvoll ist die sdiöne Legende, daß ihn eine leiblidi unberührte, immakulierte Jungfrau, nur durdi geistige Empfängnis, zur Welt gebracht habe.

Hatten aber die Juden den Leib nur mit Gring* sdiätzung betraditet, so sind die Christen auf dieser Bahn nodi weiter gegangen, und betraditeten ihn als etwas Verwerfliches, als etwas Schlechtes, als das Übel selbst. Da sehen wir nun, einige Jahrhunderte nach Christi Geburt, eine Religion emporsteigen, welche ewig die Menschheit in Erstaunen setzen, und den spätesten Gesdilechtern die schauerlichste Bewunderung abtrotzen wird. Ja, es ist eine große, heilige, mit un- endlicher Süßigkeit erfüllte Religion, die dem Geiste auf dieser Erde die unbedingteste Herrschaft erobern wollte — Aber diese Religion war eben allzuerhaben, allzu- rein, allzugut für diese Erde, wo ihre Idee nur in der Theorie proklamiert, aber niemals in der Praxis aus- geführt werden konnte. Der Versuch einer Ausführung dieser Idee hat in der Geschichte unendlich viel herr- liche Erscheinungen hervorgebracht, und die Poeten aller Zeiten werden noch lange davon singen und sa- gen. Der Versuch, die Idee des Christentums zur Ausführung zu bringen, ist jedodi, wie wir endlidi sehen, aufs kläglichste verunglückt, und dieser unglück- liche Versuch hat der Menschheit Opfer gekostet, die


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unberechenbar sind, und trübselige Folge derselben ist unser jetziges soziales Unwohlsein in ganz Europa. Wenn wir nodi, wie viele glauben, im Jugendalter der Mcnsdiheit leben, so gehörte das Christentum gleidi= sam zu ihren überspanntesten Studentenideen, die weit mehr ihrem Herzen als ihrem Verstände Ehre madien. Die Materie, das Weltliche, überließ das Christentum den Händen Cäsars und seiner jüdischen Kammer- knechte, und begnügte sich damit, ersterem die Supre^ matie abzusprechen und letztere in der öffentlichen Meinung zu fletrieren — aber siehe! das gehaßte Schwert und das verachtete Geld erringen dennoch am Ende die Obergewalt und die Repräsentanten des Geistes müssen sich mit ihnen verständigen. Ja, aus diesem Verständnis ist sogar eine solidarische Allianz geworden. Nicht bloß die römischen, sondern auch die englischen, die preußischen, kurz alle privilegierten Priester haben sich verbündet mit Cäsar und Konsorten zur Untere drückung der Völker. Aber durch diese Verbindung geht die Religion des Spiritualismus desto schneller zu Grunde. Zu dieser Einsicht gelangen schon einige Priester, und um die Religion zu retten, geben sie sich das Ansehen, als entsagten sie jener verderblichen Allianz, und sie laufen über in unsere Reihen, sie setzen die rote Mütze auf, sie schwören Tod und Haß allen Königen, den sieben Blutsäufern, sie verlangen die ir- dische Gütergleichheit, sie fluchen, trotz Marat und Robespierre. — Unter uns gesagt, wenn Ihr sie genau betrachtet, so findet Ihr: sie lesen Messe in der Sprache des Jakobinismus, und wie sie einst dem Cäsar das Gift beigebracht, versteckt in der Hostie, so suchen sie jetzt dem Volke ihre Hostien beizubringen, indem sie solche in revolutionärem Gifte verstecken/ denn sie wissen, wir lieben dieses Gift.


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Vergebens jedodi ist all Euer Bemühen ! Die Mensdi^ heit ist aller Hostien überdrüssig, und ledizt nadi nähr* hafterer Speise, nacfi editem Brot und sdiönem Fleisdi. Die Mensdiheit lädielt mitleidig über jene Jugendideale, die sie trotz aller Anstrengung nidit verwirklidien konnte, und sie wird männlidi praktisdi. Die Mensdi* heit huldigt jetzt dem irdisdien Nützlidikeitssystem, sie denkt ernsthaft an eine bürgerlidi wohlhabende Ein» riditung, an vernünftigen Haushalt, und an Bequem- lidikeit für ihr späteres Alter, Da ist wahrlidi nidit mehr die Rede davon, das Sdiwert in den Händen des Cäsars, und gar den Säckel in den Händen seiner Knedite zu lassen. Dem Fürstendienst wird die pri- vilegierte Ehre entrissen und die Industrie wird der al- ten Sdimadi entlastet. Die nädiste Aufgabe ist: gesund zu werden/ denn wir fühlen uns nodi sehr sdiwadi in den Gliedern. Die heiligen Vampire des Mittelalters haben uns so viel Lebensblut ausgesaugt. Und dann müssen der Materie nodi große Sühnopfer gesdiladitet werden, damit sie die alten Beleidigungen verzeihe. Es wäre sogar ratsam, wenn wir Festspiele anordneten, und der Materie nodi mehr außerordentlidie Entsdiä- digungs-Ehren erwiesen. Denn das Christentum, un- fähig die Materie zu verniditen, hat sie überall fletriert, es hat die edelsten Genüsse herabgewürdigt, und die Sinne mußten heudieln und es entstand Lüge und Sünde. Wir müssen unseren Weibern neue Hemden und neue Gedanken anziehen, und alle unsere Gefühle müssen wir durdiräudiern, wie nadi einer überstan- denen Pest.

Der nädiste Zweck aller unserer neuen Institutionen ist soldiermaßen die Rehabilitation der Materie, die Wiedereinsetzung derselben in ihre Würde, ihre mora- lisdie Anerkennung, ihre religiöse Heiligung, ihre Ver-


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söhnung mit dem Geiste. Purusa wird wieder ver- mählt mit Prakriti. Durdi ihre gewaltsame Trennung, wie in der indischen Mythe so sinnreidi dargestellt wird, entstand die große Weltzerrissenheit, das Übel.

Wißt Ihr nun, was in der Welt das Übel ist? Die Spiritualisten haben uns immer vorgeworfen, daß bei der pantheistisdien Ansicht der Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen aufhöre. Das Böse ist aber einesteils nur ein Wahnbegriff ihrer eignen Welt- anschauung, anderenteils ist es ein reelles Ergebnis ihrer eigenen Welteinrichtung. Nach ihrer Weltan*- schauung ist die Materie an und für sich böse, was doch wahrlich eine Verleumdung ist, eine entsetzliche Gotteslästerung. Die Materie wird nur alsdann böse, wenn sie heimlich konspirieren muß gegen die Usur- pationen des Geistes, wenn der Geist sie fletricrt hat und sie sich aus Selbstverachtung prostituiert, oder wenn sie gar mit Verzweiflungshaß sich an dem Geiste rächt/ und somit wird das Übel nur ein Resultat der Spiritualistischen Welteinrichtung.

Gott ist identisch mit der Welt. Er manifestiert sich in den Pflanzen, die ohne Bewußtsein ein kosmisch* magnetisches Leben führen. Er manifestiert sich in den Tieren, die in ihrem sinnlichen Traumleben eine mehr oder minder dumpfe Existenz empfinden. Aber am herrlichsten manifestiert er sich in dem Menschen, der zugleich fühlt und denkt, der sich selbst individuell zu unterscheiden weiß von der objektiven Natur, und schon in seiner Vernunft die Ideen trägt, die sich ihm in der Erscheinungswelt kund geben. Im Menschen kommt die Gottheit zum Selbstbewußtsein, und solches Selbstbewußtsein offenbart sie wieder durch den Men* sehen. Aber dieses geschieht nicht in dem einzelnen und durch den einzelnen Menschen, sondern in und


Zweites Buch 265

durdi die Gesamtheit der Mensdien: so daß jeder Mensdi nur einen Teil des Gott^Welt^AIIs auffaßt und darstellt, alle Mensdien zusammen aber das ganze Gott^Welt^AlI in der Idee und in der Realität auf* fassen und darstellen werden. Jedes Volk vielleidit hat die Sendung, einen bestimmten Teil jenes Gott* Welt* Alls zu erkennen und kund zu geben, eine Reihe von Ersdieinungen zu begreifen und eine Reihe von Ideen zur Ersdieinung zu bringen, und das Resultat den nadifolgenden Völkern, denen eine ähnlidie Sendung obliegt, zu überliefern. Gott ist daher der eigentlidie Held der Weltgesdiidite, diese ist sein beständiges Denken, sein beständiges Handeln, sein Wort, seine Tat/ und von der ganzen Mensdiheit kann man mit Redit sagen, sie ist eine Inkarnation Gottes!

Es ist eine irrige Meinung, daß diese Religion, der Pantheismus, die Mensdien zum Indifferentismus führe. Im Gegenteil, das Bewußtsein seiner Göttlidikeit wird den Mensdien audi zur Kundgebung derselben begei- stern, und jetzt erst werden die wahren Großtaten des wahren Heroentums diese Erde verherrlidien.

Die politisdie Revolution, die sidi auf die Prinzipien des französisdien Materialismus stützt, wird in den Pantheisten keine Gegner finden, sondern Gehülfen, aber Gehülfen, die ihre Überzeugungen aus einer tie- feren Quelle, aus einer religiösen Synthese, gesdiöpft haben. Wir befördern das Wohlsein der Materie, das materielle Glüd< der Völker, nidit weil wir gleidi den Materialisten den Geist mißaditen, sondern weil wir wissen, daß die Göttlidikeit des Mensdien sidi audi in seiner leiblidien Ersdieinung kund gibt, und das Elend den Leib, das Bild Gottes, zerstört oder aviliert, und der Geist dadurdi ebenfalls zu Grunde geht. Das große Wort der Revolution, das Saint -Just ausgesprodien :


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Ic pain est Ic droit du peuple, lautet bei uns: le pain est Ic droit divin de rhomme. Wir kämpfen nidit für die Mensdien rechte des Volks, sondern für die Gottes- rcd)te des Mensdien. Hierin, und in nodi manchen andern Dingen, unterscheiden wir uns von den Män- nern der Revolution. Wir wollen keine Sanskülotten sein, keine frugale Bürger, keine wohlfeile Präsidenten : wir stiften eine Demokratie gleichherrlicher, gleichheili» ger, gleichbeseligter Götter. Ihr verlangt einfache Trach- ten, enthaltsame Sitten und ungewürzte Genüsse,- wir hingegen verlangen Nektar und Ambrosia, Purpur- mäntel, kostbare Wohlgerüche, Wollust und Pracht, lachenden Nymphentanz, Musik und Komödien — Seid deshalb nicht ungehalten, Ihr tugendhaften Repu- blikaner ! Auf Eure zensorische Vorwürfe entgegnen wir Euch, was schon ein Narr des Shakespear sagte: meinst du, weil du tugendhaft bist, solle es auf dieser Erde keine angenehmen Torten und keinen süßen Sekt mehr geben?

Die Saint-Simonisten haben etwas der Art begriffen und gewollt. Aber sie standen auf ungünstigem Bo- den, und der umgebende Materialismus hat sie nieder- gedrückt, wenigstens für einige Zeit. In Deutschland hat man sie besser gewürdigt. Denn Deutschland ist der gedeihlichste Boden des Pantheismus ,• dieser ist die Religion unserer größten Denker, unserer besten Künst- ler, und der Deismus, wie ich späterhin erzählen werde, ist dort längst in der Theorie gestürzt. Er erhält sich dort nur noch in der gedankenlosen Masse, ohne ver- nünftige Berechtigung, wie so manches andere. Man sagt es nicht, aber jeder weiß es/ der Pantheismus ist das öffentliche Geheimnis in Deutschland. In der Tat, wir sind dem Deismus entwachsen. Wir sind frei und wollen keines donnernden Tyrannen, Wir sind mündig


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und bedürfen keiner väterlidien Vorsorge. Audi sind wir keine Madiwerke eines großen Medianikus, Der Deismus ist eine Religion für Knedite, für Kinder, für* Genfer, für Uhrmadier.

Der Pantheismus ist die verborgene Religion Deutsdi* lands, und daß es dahin kommen würde, haben die= jenigen deutsdien Sdiriftsteller vorausgesehen, die sdion vor fünfzig Jahren so sehr gegen Spinoza eiferten. Der wütendste dieser Gegner Spinozas war Fr. Heinr. Ja- cobi, dem man zuweilen die Ehre erzeigt, ihn unter den deutsdien Philosophen zu nennen. Er war nidits als ein zänkisdier Sdileidier, der sidi in dem Mantel der Philosophie vermummt, und sidi bei den Philoso- phen einsdilidi, ihnen erst viel von seiner Liebe und weidiem Gemüte vorwimmerte und dann auf die Ver- nunft lossdimähte. Sein Refrain war immer: die Phi- losophie, die Erkenntnis durdi Vernunft, sei eitel Wahn, die Vernunft wisse selbst nidit, wohin sie führe, sie bringe den ivlensdien in ein dunkles Labyrinth von Irr- rum und Widersprudi, und nur der Glaube könne ihn sidier leiten. Der Maulwurf! er sah nidit, daß die Vernunft der ewigen Sonne gleidit, die, während sie droben sidier einherwandelt, sidi selber mit ihrem eig- nen Lidite ihren Pfad beleuditet. Nidits gleidit dem frommen, gemütlidien Hasse des kleinen Jacobi gegen den großen Spinoza.

Merkwürdig ist es, wie die versdiiedensten Parteien gegen Spinoza gekämpft. Sie bilden eine Armee, de- ren bunte Zusammensetzung den spaßhaftesten An- h\i(k gewährt. Neben einem Sdiwarm sdiwarzer und weißer Kapuzen, mit Kreuzen und dampfenden Weih- raudifässern , marsdiiert die Phalanx der Enzyklopä- disten, die ebenfalls gegen diesen penseur temeraire eifern. Neben dem Rabbiner der Amsterdamer Syn-


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agoge, der mit dem Bockshorn des Glaubens zum Angriff bläst, wandelt Arouet de Voltaire, der mit der Pidtelflöte der Persiflage zum Besten des Deismus musiziert. Dazwisdien greint das alte Weib Jacobi, die Marketenderin dieser Glaubensarmee. —

Wir entrinnen so sdinell als möglidi soldiem Cha* rivari. Zurüdtkchrend von unserem pantheistisdien Ausflug, gelangen wir wieder zur Leibnitzisdien Philo^ Sophie, und haben ihre weitem Sdiid<sale zu erzählen.

Leibnitz hatte seine Werke, die Ihr kennt, teils in lateinisdier, teils in französisdier Spradic gesdirieben. Christian Wolf heißt der vortrefflidie Mann, der die Ideen des Leibnitz nidit bloß systematisierte, sondern audi in deutsdier Spradic vortrug. Sein eigentlidies Ver^ dienst besteht nidit darin, daß er die Ideen des Leibnitz in ein festes System einsdiloß, nodi weniger darin, daß er sie durdi die deutsdie Spradie dem größeren Publikum zugänglidi madite: sein Verdienst besteht darin, daß er uns anregte, audi in unserer Mutterspradie zu philoso-^ phiercn. Wie wir bis Luther die Theologie, so haben wir bis Wolf die Philosophie nur in lateinisdier Spradie zu behandeln gewußt. Das Beispiel einiger wenigen, die sdion vorher dergleidicn auf deutsdi vortrugen, blieb ohne Erfolg,' aber der Literarhistoriker muß ihrer mit besonderem Lobe gedenken. Hier erwähnen wir da- her namentlidi des Johannes Tauler, eines Dominika=^ nermöndis, der zu Anfang des viefzehnten Jahrhun^ derts am Rheine geboren, und 1361 eben daselbst, idi glaube zu Straßburg, gestorben ist. Er war ein from- mer Mann und gehörte zu jenen Mystikern, die idi als die platonisdie Partei des Mittelalters bezeidinet habe. In den letzten Jahren seines Lebens entsagte dieser Mann allem gelehrten Dünkel, sdiämte sidi nidit in der demütigen Volksspradie zu predigen, und diese


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Predigten, die er aufgezeidinet, sowie auch die deut= sdien Übersetzungen, die er von einigen seiner frühe- ren lateinisdien Predigten mitgeteilt, gehören zu den merkwürdigsten Denkmälern der deutsdien Spradie. Denn hier zeigt sie sdion, daß sie zu metaphysisdien Untersudiungen nidit bloß tauglidi, sondern weit ge^ eigneter ist als die lateinisdie. Diese letztere, die Spradie der Römer, kann nie ihren Ursprung ver- leugnen, Sie ist eine Kommandospradie für Feldher* ren, eine Dekretalspradie für Administratoren, eine Justizspradie für Wudierer, eine Lapidarspradie für das steinharte Römervolk, Sie wurde die geeignete Spradie für den Materialismus, Obgleidi das Chri* stentum, mit wahrhaft diristlidier Geduld, länger als ein Jahrtausend sidi damit abgequält diese Spradie zu spiritualisieren, so ist es ihm doch nicht gelungen/ und als Johannes Tauler sich ganz versenken wollte in die schauerlichsten Abgründe des Gedankens, und als sein Herz am heiligsten schwoll, da mußte er deutsch spre- chen. Seine Sprache ist wie ein Bergcjuell, der aus harten Felsen hervorbricht, wunderbar geschwängert von unbekanntem Kräuterduft und geheimnisvollen Steinkräften. Aber erst in neuerer Zeit ward die Bc- nutzbarkeit der deutschen Sprache für die Philosophie recht bemerklich. In keiner anderen Sprache hätte die Natur ihr geheimstes Wort offenbaren können, wie in unserer lieben deutschen Muttersprache, Nur auf der starken Eiche konnte die heilige Mistel gedeihen.

Hier wäre wohl der Ort zur Besprechung des Pa- racelsus, oder wie er sich nannte, des Theophrastus Paracelsus Bombastus von Hohenheim, Denn auch er schrieb meistens deutsch. Aber ich habe später in einer noch bedeutungsvolleren Beziehung von ihm zu reden. Seine Philosophie war nämlich das, was wir heut zu


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Tage Natuq)hilosophie nennen, und eine solche Lehre von der ideenbelebten Natur, wie sie dem deutsdien Geiste so geheimnisvoll zusagt, hätte sidi sdion damals bei uns ausgebildet, wenn nidit, durdi zufälligen Ein= fluß, die leblose, medianistisdie Physik der Cartesianer allgemein herrsdiend geworden wäre. Paracelsus war ein großer Charlatan, und trug immer einen Scharladi^ rodt, eine Sdiarladihosc, rote Strümpfe und einen tO" ten Hut, und behauptete homunculi, kleine Mensdien, madien zu können, wenigstens stand er in vertrauter Bekanntsdiaft mit verborgenen Wesen, die in den ver- sd^iedenen Elementen hausen — aber er war zugleidi einer der tiefsinnigsten Naturkundigen, die mit deut* sdiem Forsdierherzen den vordiristlidien Volksglauben, den germanisdien Pantheismus begriffen, und was sie nidit wußten, ganz riditig geahnt haben.

Von Jakob Böhm sollte eigentlidi audi hier die Rede sein. Denn er hat ebenfalls die deutsdie Spradie zu philosophisdien Darstellungen benutzt und wird in diesem Betradit sehr gelobt. Aber idi habe midi nodi nie entsdiließen können ihn zu lesen. Idi laß midi nidit gern zum Narren halten. Idi habe nämlidi die Ivob- redner dieses Mystikers in Verdadit, daß sie das Pu- blikum mystifizieren wollen. Was den Inhalt seiner Werke betrifft, so hat Eudi ja Saint -Martin einiges davon in französisdier Spradie mitgeteilt. Audi die Engländer haben ihn übersetzt. Karl I. hatte von die- sem theosophisdien Sdiuster eine so große Idee, daß er eigens einen Gelehrten zu ihm nadi Görlitz sdiidtte, um ihn zu studieren. Dieser Gelehrte war glüd<lidier als sein königlidier Herr. Denn während dieser zu Whitehall den Kopf verlor durdi Cromwells Beil, hat jener zu Görlitz, durdi Jakob Böhms Theosophie, nur den Verstand verloren.


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Wie idi bereits gesagt, erst Christian Wolf hat mit ^ Erfolg die deutsche Spradie in die Philosophie einge^ führt. Sein geringeres Verdienst war sein Systematik sieren und sein Popularisieren der Leibnitzisdien Ideen. Beides unterHegt sogar dem größten Tadel und wir müssen beiläufig dessen erwähnen. Sein Systemati* sieren war nur eitel Sdiein und das widitigste der Leibnitzisdien Philosophie war diesem Sdieine geopfert, z. B. der beste Teil der Monadenlehre. Leibnitz hatte freilidi kein systematisdies Lehrgebäude hinterlassen, sondern nur die dazu nötigen Ideen. Eines Riesen be- durfte es, um die kolossalen Quadern und Säulen zu- sammenzusetzen, die ein Riese aus den tiefsten Mar- morbrüdien hervorgeholt und zierlidi ausgemeißelt hatte. Das war ein sdiöner Tempel geworden. Chri- stian Wolf jedodi war von sehr untersetzter Statur und konnte nur einen Teil soldier Baumaterialien bemeistern, und er verarbeitete sie zu einer kümmerlidien Stifts- hütte des Deismus. Wolf war mehr ein enzyklo- pädischer Kopf als ein systematisier, und die Einheit einer Lehre begriff er nur unter der Form der Voll- ständigkeit, Er war zufrieden mit einem gewissen Fadiwerk, wo die Fädier sdiönstens geordnet, bestens gefüllt und mit deutlidien Etiketten versehen sind. So gab er uns eine »Enzyklopädie der philosophisdien Wissensdiaften«, Daß er, der Enkel des Descartes, die großväterlidie Form der mathematisdien Beweis- führung geerbt hat, versteht sidi von selbst. Diese mathematisdie Form habe idi bereits bei Spinoza ge- rügt. Durdi Wolf stiftete sie großes Unheil. Sie de- generierte bei seinen Sdiülcrn zum unleidlidisten Sdie- matismus und zur lädierlidien Manie alles in mathe- matisdier Weise zu demonstrieren. Es entstand der sogenannte Wolfsdie Dogmatismus. Alles tiefere For-


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sdien hörte auf, und ein langweiliger Eifer nadi Deut- lichkeit trat an dessen Stelle. Die Wolfsdie Philosophie wurde immer wäßrigter und übersdiwemmte endlidi ganz Deutsdiland. Die Spuren dieser Sündflut sind noch heut zu Tage bemerkbar, und hie und da, auf unseren hödisten Musensitzen, findet man nodi alte Fossilien aus der Wolfsdien Sdiule.

Christian Wolf wurde geboren 1679 zu Breslau und starb 1754 zu Halle. Über ein halbes Jahrhundert dauerte seine Geistesherrsdia ft in Deutsdiland. Sein Verhältnis zu den Theologen jener Tage müssen wir besonders erwähnen, und wir ergänzen damit unsere Mitteilungen über die Sdiidtsale des Luthertums.

In der ganzen Kirdiengesdiidite gibt es keine ver* widteltere Partie, als die Streitigkeiten der protestan* tisdien Theologen, seit dem dreißigjährigen Krieg. Nur das spitzfündige Gezanke der Byzantiner ist damit zu vergleidicn ,• jedod) war dieses nidit so langweilig, da große, staatsinteressante Hofintrigen sidi dahinter ver- stedtten, statt daß die protestantisdie Klopffediterei meistens in dem Pedantismus enger Magisterköpfe und Sdiulfüdise ihren Grund hatte. Die Universitäten, be- sonders Tübingen, Wittenberg, Leipzig und Halle, sind die Sdiauplätze jener theologisdien Kämpfe. Die zwei Parteien, die wir, im katholisdien Gewände, wäh«  rend dem ganzen Mittelalter kämpfen sahen, die pla» tonisdie und die aristotelisdie, haben nur Kostüme gewediselt, und befehden sidi nadi wie vor. Das sind die Pietisten und die Orthodoxen, deren idi sdion oben erwähnt, und die idi als Mystiker ohne Phantasie und Dogmatikcr ohne Geist bezeidinet habe. Johannes Spener war der Scotus Erigena des Protestantismus, und wie dieser durdi seine Übersetzung des fabelhaften Dionysius Areopagita den katholisdien Mystizismus


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begründet, so begründete jener den protestantischen Pietismus, durdi seine Erbauungsversammlungen, collo«  quia pietatis, woher vieileidit der Namen Pietisten seinen Anhängern geblieben ist. Er war ein frommer Mann, Ehre seinem Andenken, Ein berliner Pietist, Herr Franz Hörn, hat eine gute Biographie von ihm geliefert. Das Leben Speners ist ein beständiges Martyr* tum für die diristlidie Idee. Er war in diesem Betradit seinen Zeitgenossen überlegen. Er drang auf gute Werke und Frömmigkeit, er war vielmehr ein Prediger des Geistes als des Wortes. Sein homiletisdies Wesen war damals löblidi. Denn die ganze Theologie, wie sie auf den erwähnten Universitäten gelehrt wurde, be- stand nur in engbrüstiger Dogmatik und wortklaubender Polemik, Exegese und Kirdiengesdiidite wurden ganz bei Seite gesetzt.

Ein Sdiüler jenes Speners, Hermann Frandte, begann in Leipzig Vorlesungen zu halten nadi dem Beispiele und im Sinne seines Lehrers, Er hielt sie auf deutsdi, ein Verdienst, weldies wir immer gern mit Anerkennung erwähnen. Der Beifall, den er dabei erwarb, erregte den Neid seiner Kollegen, die deshalb unserem armen Pietisten das Leben sehr sauer maditen. Er mußte das Feld räumen, und er begab sidi nadi Halle, wo er mit Wort und Tat das Christentum lehrte. Sein Andenken ist dort unverwelklidi, denn er ist der Stifter des halle* sdien Waisenhauses. Die Universität Halle ward nun bevölkert von Pietisten, und man nannte sie die »Waisen* hauspartei«. Nebenbei gesagt, diese hat sidi dort bis auf heutigen Tag erhalten/ Halle ist nodi bis jetzt die Taupiniere der Pietisten, und ihre Streitigkeiten mit den protestantisdien Rationalisten haben nodi vor einigen Jahren einen Skandal erregt, der durdi ganz Deutsdi* land seinen Mißduft verbreitete, Glüdtlidie Franzosen,

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die Ihr nichts davon gehört habt! Sogar die Existenz jener evangelisdien Klatschblätter, worin die frommen Fischweiber der protestantischen Kirche sich weidlich ausgeschimpft, ist Euch unbekannt geblieben. Glückliche Franzosen, die Ihr keinen Begriff davon habt, wie hä«  misch, wie kleinlich, wie widerwärtig unsre evangeli^ sehen Priester einander begeifern können. Ihr wißt, ich Wn kein Anhänger des Katholizismus. In meinen jetzigen religiösen Überzeugungen lebt zwar nicht mehr die Dogmatik, aber doch immer der Geist des Protestantis* mus. Ich bin also für die protestantische Kirche noch immer parteiisch. Und doch muß ich, der Wahrheit wegen, eingestehen, daß ich nie in den Annalen des Papismus solche Miserabilitäten gefunden habe, wie in der berliner »evangelischen Kirchenzeitung« bei dem erwähnten Skandal zum Vorschein kamen. Die feig* sten Mönchstücken, die kleinlichsten Klosterränke sind noch immer noble Gutmütigkeiten in Vergleichung mit den christlichen Heldentaten die unsere protestantischen Orthodoxen und Pietisten gegen die verhaßten Ratio* naiisten ausübten. Von dem Haß, der bei solchen Ge* Icgenheiten zum Vorschein kommt, habt Ihr Franzosen keinen Begriff. Die Deutschen sind aber überhaupt vindikativer als die romanischen Völker.

Das kommt daher, sie sind Idealisten auch im Haß. Wir hassen uns nicht um Außendinge, wie Ihr, etwa wegen be- leidigter Eitelkeit, wegen eines Epigramms, wegen einer nicht erwiderten Visitenkarte, nein, wir hassen bei unsern Feinden das Tiefste, das Wesentlichste, das in ihnen ist, den Gedanken, Ihr Franzosen seid leichtfertig und ober- ■ flächlich, wie in der Liebe, so auch im Haß. Wir Deutschen hassen gründlich, dauernd/ da wir zu ehrlich, auch zu unbeholfen sind, um uns mit schneller Perfidie zu rächen, so hassen wir bis zu unserem letzten Atemzug.


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Idi kenne, mein Herr, diese deutsdhe Ruhe, sagte jüngst eine Dame, indem sie midi mit großgeöffneten Augen ungläubig und beängstigt ansah,- idi weiß, Ihr Deutsdien gebraudit dasselbe Wort für Verzeihen und Vergiften. Und in der Tat sie hat Redit, das Wort Vergeben bedeutet beides.

Es waren nun, wenn idi nidit irre, die hallesdien Orthodoxen, weldie, in ihrem Kampfe mit den ein= gesiedelten Pietisten, die Wolfsdie Philosophie zu Hülfe riefen. Denn die Religion, wenn sie uns nidit mehr verbrennen kann, kommt sie bei uns betteln. Aber alle unsere Gaben bringen ihr sdilediten Gewinn. Das mathematisdie, demonstrative Gewand, womit Wolf die arme Religion redit liebevoll eingekleidet hatte, paßte ihr so sdiledit, daß sie sidi nodi beengter fühlte und in dieser Beengnis sehr lädierlidi madite. Überall platzten die sdiwadien Nähte. Besonders der ver- sdiämte Teil, die Erbsünde, trat hervor in seiner grell- sten Blöße. Hier half kein logisdies Feigenblatt. Christ- lidi lutherisdie Erbsünde und Leibnitz-Wolfsdier Op- timismus sind unverträglid». Die französisdie Persiflage des Optimismus mißfiel daher am wenigsten unseren Theologen, Voltaires Witz kam der nackten Erbsünde zu Gute. Der deutsdie Pangloß hat aber, durdi dieVer- niditung des Optimismus, sehr viel verloren und sudite lange nadi einer ähnlidien Trostlehre, bis das Hegel- sdie Wort »alles was ist, ist vernünftig!« ihm einigen Ersatz bot.

Von dem Augenblick an, wo eine Religion bei der Philosophie Hülfe begehrt, ist ihr Untergang unab- wendliÄ. Sic sudit sidi zu verteidigen und sdiwatzt sidi immer riefer ins Verderben hinein. Die Religion, wie jeder Absolutismus, darf sidi nidit justifizieren. Prometheus wird an den Felsen gefesselt von der


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schweigenden Gewalt. Ja, Äsdiylus läßt die personifi- zierte Gewalt kein einziges Wort reden. Sie muß stumm sein. Sobald die Religion einen räsonierenden Kate- diismus drucken läßt, sobald der politisdie Absolutis- mus eine offizielle Staatszeitung herausgibt, haben beide ein Ende. Aber das ist eben unser Triumph, wir haben unsere Gegner zum Spredien gebradit und sie müssen uns Rede stehn.

Es ist freilidi nidit zu leugnen, daß der religiöse Absolutismus, eben so wie der politisdie, sehr gewaltige Organe seines Wortes gefunden hat. Dodi laßt uns darob nidit bange sein. Lebt das Wort, so wird es von Zwergen getragen,- ist das Wort tot, so können es keine Riesen aufredit erhalten.

Seitdem nun, wie idi oben erzählt, die Religion Hülfe suditc bei der Philosophie, wurden von dtn deutsdien Gelehrten, außer der neuen Einkleidung, nodi unzählige Experimente mit ihr angestellt. Man wollte ihr eine neue Jugend bereiten, und man benahm sidi dabei ungefähr wie Medea bei der Verjüngung des Königs Ason. Zuerst wurde ihr zur Ader ge- lassen, alles abergläubisdie Blut wurde ihr langsam abgezapft/ um midi bildlos auszudrücken: es wurde der Versudi gemadit, allen historisdien Inhalt aus dem Christentume herauszunehmen und nur den moralisdien Teil zu bewahren. Hierdurdi ward nun das Christen- tum zu einem reinen Deismus. Christus hörte auf Mit- regent Gottes zu sein, er wurde gleidisam mediatisiert, und nur nodi als Privatperson fand er anerkennende Verehrung. Seinen moralisdien Charakter lobte man über alle Maßen. Man konnte nidit genug rühmen, weldi ein braver Mensdi er gewesen sei. Was die Wunder betrifft, die er verriditet, so erklärte man sie physikalisdi, oder man sudite so wenig Aufhebens als


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möglidi davon zu machen. Wunder, sagten Einige, waren nötig in jenen Zeiten des Aberglaubens, und ein vernünftiger Mann, der irgend eine Wahrheit zu verkündigen hatte, bediente sidi ihrer gleidisam als Annonce. Diese Theologen, die alles Historisdie aus dem Christentume s<hieden, heißen Rationalisten, und gegen diese wendete sidi sowohl die Wut der Pietisten als audi der Orthodoxen, die sidi seitdem minder heftig befehdeten und nidit selten verbündeten. Was die Liebe nidit vermodite, das vermodite der gemeinsdiaftlidie Haß, der Haß gegen die Rationalisten.

Diese Riditung in der protestantisdien Theologie be* ginnt mit dem ruhigen Semler, den Ihr nidit kennt, er- stieg sdion eine besorglidie Höhe mit dem klaren Teller, den Ihr audi nidit kennt, und erreidite ihren Gipfel mit dem seiditen Bahrdt, an dessen Bekanntsdiaft Ihr nidits verliert. Die stärksten Anregungen kamen von Berlin, wo Friedridi der Große und der Budihändler Nicolai regierten.

Über ersteren, den gekrönten Materialismus, seid Ihr hinlänglidi unterriditet, Ihr wißt, daß er französisdie Verse madite, sehr gut die Flöte blies, die Sdiladit bei Roßbach gewann, viel Tabak sdinupfte und nur an Kanonen glaubte. Einige von Eudi haben gewiß auch Sanssouci besudit, und der alte Invalide, der dort Sdiloßwart, hat Eudi in der Bibliothek die französisdien Romane gezeigt, die Friedridi als Kronprinz in der Kirdie las, und die er in sdiwarzen Maroquin einbin- den lassen, damit sein gestrenger Vater glaubte, er läse in einem lutherisdien Gesangbudie. Ihr kennt ihn, den königlidien Weltweisen, den Ihr den Salomo des Nordens genannt habt. Frankreidi war das Ophir dieses nordischen Salomons, und von dorther erhielt er seine Poeten und Philosophen, für die er eine große


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Vorliebe hegte, gleich dem Salomo des Südens, weither wie Ihr im Budie der Könige Kapitel X. lesen könnt, durdi seinen Freund Hiram ganze SdiifFsIadungen von Gold, Elfenbein, Poeten und Philosophen aus Ophir kommen Heß. Wegen soldier Vorliebe für ausländisdie Talente, konnte nun freilidi Friedridi der Große keinen allzugroßen Einfluß auf den deutschen Geist gewinnen. Er beleidigte vielmehr, er kränkte das deutsche Na* tionalgefühl. Die Verachtung, die Friedrich der Große unserer Literatur angedeihcn ließ, muß sogar uns Enkel noch verdrießen. Außer dem alten Geliert hatte keiner derselben sich seiner allergnädigsten Huld zu erfreuen. Die Unterredung, die er mit demselben führte, ist merkwürdig.

Hat aber Friedrich der Große uns verhöhnt ohne uns zu unterstützen, so unterstützte uns desto mehr der Buchhändler Nicolai, ohne daß wir deshalb Be^' denken trugen, ihn zu verhöhnen. Dieser Mann war sein ganzes Leben lang unablässig tätig für das Wohl des Vaterlandes, er scheute weder Mühe noch Geld, wo er etwas Gutes zu befördern hoftte, und doch ist noch nie in Deutschland ein Mann so grausam, so un«  erbittlich, so zernichtend verspottet worden, wie eben dieser Mann. Obgleich wir, die Spätergeborenen, recht wohl wissen, daß der alte Nicolai, der Freund der Aufklärung, sich in der Hauptsache durchaus nicht irrte/ obgleich wir wissen, daß es meistens unsere eignen Feinde, die Obskuranten, gewesen, die ihn zu Grunde persifliert: so können wir doch nicht mit ganz ernst- haftem Gesichte an ihn denken. Der alte Nicolai suchte in Deutschland dasselbe zu tun, was die französischen Philosophen in Frankreich getan: er suchte die Ver= gangenheit im Geiste des Volks zu vernichten/ eine lob* liehe Vorarbeit, ohne welche keine radikale Revolution


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stattfinden kann. Aber vergebens, er war soldier Arbeit nicht gewachsen. Die alten Ruinen standen noch zu fest, und die Gespenster stiegen daraus hervor und verhöhnten ihn,- dann aber wurde er sehr unwirsch, und schlug blind drein, und die Zuschauer lachten, wenn ihm die Fledermäuse um die Ohren zischten und sich in seiner wohlgepuderten Perücke verfingen. Auch geschah es wohl zuweilen, daß er Windmühlen für Riesen ansah und dagegen focht. Noch schlimmer aber bekam es ihm, wenn er manchmal wirkliche Riesen für bloße Windmühlen ansah, z. B. einen Wolfgang Goethe. Er schrieb eine Satire gegen dessen »Werther«, worin er alle Intentionen des Autors aufs plumpste verkannte. Indessen in der Hauptsache hatte er immer Recht/ wenn er auch nicht begriffen, was Goethe mit seinem »Wer* ther« eigentlich sagen wollte, so begriff er doch ganz gut dessen Wirkung, die weichliche Schwärmerei, die unfruchtbare Sentimentalität, die durch diesen Roman aufkam und mit jeder vernünftigen Gesinnung, die uns Not tat, in feindlichem Widersprudi war. Hier stimmte Nicolai ganz überein mit Lessing, der an einen Freund folgendes Urteil über den »Werther« schrieb:

»Wenn ein so warmes Produkt nicht mehr Unheil als Gutes stiften soll: meinen Sie nicht, daß es noch eine kleine kalte Schlußrede haben müßte? Ein paar Winke hinterher, wie Werther zu einem so aben- teuerlichen Charakter gekommen/ wie ein anderer Jüngling, dem die Natur eine ähnliche Anlage gegeben, sich davor zu bewahren habe, Glauben Sie wohl, daß je ein römischer oder griechischer Jüngling sich so, und darum, das Leben genommen? Gewiß nicht. Die wußten sich vor der Schwärmerei der Liebe ganz an- ders zu sichern/ und zu Sokrates' Zeiten würde man eine solche £( igüjzog xazoxr], welche ti xoX^av naQn


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<pv<Hv antreibt, nur kaum einem MädelAen verziehen haben. Soldie kleingroße, verächtlich schätzbare Ori- ginale hervorzubringen, war nur der christlichen Er* Ziehung vorbehalten, die ein körperliches Bedürfiiis so schön in eine geistige Vollkommenheit zu verwandeln weiß. Also, lieber Goethe, noch ein Kapitelchen zum Scfilusse,- und je zynischer, je besser!« 

Freund Nicolai hat nun wirklich, nach solcher An- gabe, einen veränderten »Werther« herausgegeben. Nach dieser Version hat sich der Held nicht totge- schossen, sondern nur mit Hühnerblut besudelt,- denn statt mit Blei war die Pistole nur mit letzterem geladen. Werther wird lächerlich, bleibt leben, heiratet Char- lotte, kurz endet ncxh tragischer als im Goetheschen Original.

»Die allgemeine deutsche Bibliothek« hieß die Zeit- schrift, die Nicolai gegründet, und worin er und seine Freunde gegen Aberglauben, Jesuiten, Hoflakaien u. dgl. kämpften. Es ist nicht zu leugnen, daß man- cher Hieb, der dem Aberglauben galt, unglücklicher- weise die Poesie selbst traf. So stritt Nicolai z. B, gegen die aufkommende Vorliebe für altdeutsche Volks- lieder. Aber im Grunde hatte er wieder Recht,- bei aller möglichen Vorzüglichkeit enthielten doch jene Lie- der mancherlei Erinnerungen, die eben nicht zeitgemäß waren, die alten Klänge der Kuhreigen des MitteU alters, konnten die Gemüter des Volks wieder in den Glaubensstall der Vergangenheit zurücklocken. Er suchte, wie Odysseus, die Ohren seiner Gefährten zu verstopfen, damit sie den Gesang der Sirenen nicht hörten, unbekümmert, daß sie alsdann auch taub wur^ den für die unschuldigen Töne der Nachtigall. Damit das Feld der Gegenwart nur radikal von allem Un- kraut gesäubert werde, trug der praktische Mann wenig


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Bedenken, audi die Blumen mit auszureuten. Dagegen erhob sidi nun feindlidist die Partei der Blumen und Naditigallen , und alles was zu dieser Partei gehört, Sdiönheit, Grazie, Witz und Sdierz, und der arme Nicolai unterlag.

In dem heutigen Deutsdiland haben sidi die LIm= stände geändert, und die Partei der Blumen und der Naditigallen ist eng verbunden mit der Revolution. Uns gehört die Zukunft, und es dämmert sdion her- auf die Morgenröte des Sieges. Wenn einst sein sdiöner Tag sein Lidit über unser ganzes Vaterland ergießt, dann gedenken wir audi der Toten,- dann ge- denken wir gewiß audi deiner, alter Nicolai, armer Märtyrer der Vernunft! wir werden deine Asdie nadi dem deutsdien Pantheon tragen, der Sarkophag um- geben vom jubelnden Triumphzug und begleitet vom Chor der Musikanten, unter deren Blasinstrumenten bei Leibe keine Querpfeife sein wird/ wir werden auf deinem Sarg die anständigste Lorbeerkrone legen, und wir werden uns alle möglidie Mühe geben, nidit dabei zu ladien.

Da idi von den philosophisdien und religiösen Zu- ständen jener Zeit einen Begriff geben mödite, muß idi hier audi derjenigen Denker erwähnen, die mehr oder minder in Gemeinsdiaft mit Nicolai zu Berlin tätig waren und gleidisam ein Justemilieu zwisdien Philo- sophen und Belletristik bildeten, Sie hatten kein be- stimmtes System, sondern nur eine bestimmte Ten- denz. Sie gleidien den englisdien Moralisten in ihrem Stil und in ihren letzten Gründen. Sie sdireiben ohne wissensdiaftlidi strenge Form und das sittlidic Bewußt- sein ist die einzige Quelle ihrer Erkenntnis. Ihre Ten- denz ist ganz dieselbe, die wir bei den französisdien Philanthropen finden. In der Religion sind sie Ratio-


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naiistcn. In der Politik sind sie Weltbürger. In der Moral sind sie Menschen, edle, tugendhafte Mensdien, streng gegen sich selbst, milde gegen andere. Was Talent betrifft, so mögen wohl Mendelssohn, Sulzer, AJ)bt, Moritz, Garve, Engel und Biester als die aus- gezeichnetsten genannt werden. Moritz ist mir der liebste. Er leistete viel in der Erfahrungsseelenkunde. Er war von einer köstlichen Naivität, wenig verstanden von seinen Freunden. Seine Lebensgeschichte ist eins der wichtigsten Denkmäler jener Zeit. Mendelssohn hat jedoch vor allen übrigen eine große soziale Be- deutung. Er war der Reformator der deutschen Is- 'raeliten, seiner Glaubensgenossen, er stürzte das An- sehen des Talmudismus, er begründete den reinen Mosaismus. Dieser Mann, den seine Zeitgenossen den deutschen Sokratcs nannten und wegen seines Seelen- adels und seiner Geisteskraft so ehrfurchtsvoll bewun- derten, war der Sohn eines armen Küsters der Syn- agoge von Dessau. Außer diesem Geburtsübel hatte ihn die Vorsehung auch noch mit einem Buckel be- lastet, gleichsam um dem Pöbel in recht greller Weise die Lehre zu geben, daß man den Menschen nicht nach seiner äußern Erscheinung, sondern nach seinem in- nern Werte schätzen solle. Oder hat ihm die Vor- sehung, eben aus gütiger Vorsicht, einen Buckel zu- geteilt, damit er manche Unbill des Pöbels einem Übel zuschreibe, worüber ein Weiser sich leicht trösten kann? Wie Luther das Papsttum, so stürzte Mendelssohn den Talmud, und zwar in derselben Weise, indem er nämlich die Tradition verwarf, die Bibel für die Quelle der Religion erklärte und den wichtigsten Teil derselben übersetzte. Er zerstörte hierdurch den jüdischen, wie Luther den christlichen Katholizismus, In der Tat, der Talmud ist der Katholizismus der Juden, Er ist


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ein gotisdier Dom, der zwar mit kindisdien Sdinörke^ leien überladen, aber dodi durdi seine himmelkühne Riesenhaftigkeit uns in Erstaunen setzt. Er ist eine Hierardiie von Religionsgesetzen, die oft die putzig* sten, lädierlidisten Subtilitäten betreffen, aber so sinn«  reidi einander über* und untergeordnet sind, einander stützen und tragen, und so furditbar konsequent zu* sammenwirken, daß sie ein grauenhaft trotziges, ko* lossales Ganze bilden.

Nadi dem Untergang des diristlidien Katholizismus mußte audi der jüdisdie, der Talmud, untergehen. Denn i der Talmud hatte alsdann seine Bedeutung verloren /| er diente nämlidi nur als Sdiutzwerk gegen Rom, undf ihm verdanken es die Juden, daß sie dem diristlidien i Rom eben so heldenmütig wie einst dem heidnisdienj Rom widerstehen konnten. Und sie haben nidit bloß widerstanden, sondern audi gesiegt. Der arme Rabbi von Nazareth, über dessen sterbendes Haupt der heid* nisdie Römer die hämisdien Worte sdirieb: »König der Juden« — eben dieser dornengekröntc, mit dem ironisdien Purpur behängte Spottkönig der Juden wurde am Ende der Gott der Römer, und sie mußten vor ihm niederknien! Wie das heidnisdie Rom wurde audi das diristlidie Rom besiegt, und dieses wurde so- gar tributär. Wenn du, teurer Leser, didi in den er* sten Tagen des Trimesters nadi der Straße Lafitte ver* fügen willst, und zwar nadi dem Hotel Numero fünf- zehn, so siehst du dort vor einem hohen Portal eine sdiwerfäliige Kutsdie, aus weldicr ein dicker Mann hervorsteigt. Dieser begibt sidi die Treppe hinauf nadi einem kleinen Zimmer, wo ein blonder junger Mensdi sitzt, der dennodi älter ist als er wohl aussieht, und in dessen vornehmer grandseigneurlidier Nondialance dennodi etwas so Solides liegt, etwas so Positives, et-


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was so Absolutes, als habe er alles Geld dieser Welt in seiner Tasche. Und wirklich, er hat alles Geld dieser Welt in seiner Tasche, und er heißt Monsieur James de Rothsdiild, und der dicke Mann ist Monsignor Grim= baldi, Abgesandter Seiner Heiligkeit des Papstes, und er bringt in dessen Namen die Zinsen der römisdien An* leihe, den Tribut von Rom.

Wozu jetzt nodi der Talmud?

Moses Mendelssohn verdient daher großes Lob, daß er diesen jüdisAen Katholizismus, wenigstens in Deutsdi- land, gestürzt hat. Denn was überflüssig ist, ist sdiäd* lidi. Die Tradition verwerfend, sudite er jedodi das mosaisdie Zeremonialgesetz als religiöse Verpfliditung aufiredit zu erhalten. War es Feigheit oder Klugheit? War es eine wehmütige Nadiliebe, die ihn abhielt, die zerstörende Hand an Gegenstände zu legen, die seinen Vorvätern am heiligsten waren, und wofür so viel Mär^^ tyrerblut und Märtyrertränen geflossen? Idi glaube nidit. Wie die Könige der Materie, so müssen audi die Könige des Geistes unerbittlidi sein gegen Familiengefühle/ audi auf dem Throne des Gedankens darf man keinen sanften Gemütlidikeiten nadigebcn. Idi bin deshalb vielmehr der Meinung, daß Moses Mendelssohn in dem reinen Mosaismus eine Institution sah, die dem Deismus gleidi* sam als eine letzte Versdianzung dienen konnte. Denn der Deismus war sein innerster Glaube und seine tiefste Überzeugung. Als sein Freund Lessing starb, und man denselben des Spinozismus anklagte, verteidigte er ihn mit dem ängstlidisten Eifer, und er ärgerte sidi bei dieser Gelegenheit zu Tode.

Idi habe hier sdion zum zweitenmale den Namen genannt, den kein Deutsdier ausspredien kann, ohne daß in seiner Brust ein mehr oder minder starkes Edio laut wird. Aber seit Luther hat Deutsdiland keinen


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größeren und besseren Mann hervorgebracht, als Gotr= hold Ephraim Lessing. Diese beiden sind unser Stolz und unsere Wonne. In der Trübnis der Gegenwart sdiauen wir hinauf nadi ihren tröstenden Standbildern und sie nidten eine glänzende Verheißung. Ja, kommen wird audi der dritte Mann, der da vollbringt was Lu= ther begonnen, was Lessing fortgesetzt, und dessen das deutsdie Vaterland so sehr bedarf, — der dritte Be= freier! — Idi sehe sdion seine goldne Rüstung, die aus dem purpurnen Kaisermantel hervorstrahlt, »wie die Sonne aus dem Morgenrot!« 

Gleidi dem Luther wirkte Lessing nidit nur indem er etwas Bestimmtes tat, sondern indem er das deutsdie Volk bis in seine Tiefen aufregte, und indem er eine heilsame Geisterbewegung hervorbradite , durdi seine Kritik, durdi seine Polemik, Er war die lebendige Kritik seiner Zeit und sein ganzes Leben war Polemik. Diese Kritik madite sidi geltend im weitesten Bereidic des Gedankens und des Gefühls, in der Religion, in der Wissensdiaft, in der Kunst. Diese Polemik über- wand jeden Gegner und erstarkte nadi jedem Siege. Lessing, wie er selbst eingestand, bedurfte eben des Kampfes zu der eignen Geistesentwid^elung. Er glidi ganz jenem fabelhaften Normann, der die Talente, Kenntnisse und Kräfte derjenigen Männer erbte, die er im Zweikampf ersdilug, und in dieser Weise end- lidi mit allen möglidien Vorzügen und Vortreff lidikeiten begabt war. Begreiflidi ist es, daß soldi ein streitlusti- ger Kämpe nidit geringen Lärm in Deutsdiland ver- ursadite, in dem stillen Deutsdiland, das damals nodi sabbathlidi stiller war als heute. Verblüfft wurden die meisten ob seiner literarisdien Kühnheit. Aber eben diese kam ihm hülfreidi zu statten/ denn »Oser!« ist das Geheimnis des Gelingens in der Litteratur, eben so wie


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in der Revolution — und in der Liebe. Vor dem Lessingsdien Sdiwerte zitterten alle. Kein Kopf war vor ihm sidier. Ja, mandien Sdiädel hat er sogar aus Übermut heruntergesdilagen , und dann war er dabei nodi so boshaft, ihn vom Boden aufzuheben, und dem Publikum zu zeigen, daß er inwendig hohl war. Wen sein Sdiwert nidit erreidien konnte, den tötete er mit den Pfeilen seines Witzes. Die Freunde bewunderten die bunten Sdiwungfedern dieser Pfeile,- die Feinde fiQhlten die Spitze in ihren Herzen. Der Lessingsdie Witz gleidit nidit jenem Enjouement, jener Gaite, je- nen springenden Saillies, wie man hier zu Land derglei- dien kennt. Sein Witz war kein kleines französisdies Windhünddien, das seinem eigenen Sdiatten nadiläuft,- sein Witz war vielmehr ein großer deutsdier Kater, der mit der Maus spielt, che er sie würgt.

Ja, Polemik war die Lust unseres Lessings, und da- her überlegte er nie lange, ob audi der Gegner seiner würdig war. So hat er, eben durdi seine Polemik, mandien Namen der wohlverdientesten Vergessenheit entrissen. Mehre winzige Sdiriftstellerlein hat er mit dem geistreichsten Spott, mit dem köstlidisten Humor gleidisam umsponnen, und in den Lessingsdien Werken erhalten sie sidi nun für ewige Zeiten wie Insekten, die sidi in einem Stück Bernstein verfangen. Indem er seine Gegner tötete, madite er sie zugleidi unsterblidi. Wer von uns hätte jemals etwas von jenem Klotz erfahren, an weldien Lessing so viel Hohn und Sdiarfsinn ver- sdi wendet! Die Felsenblödie, die er auf diesen armen Antiquar gesdileudert und womit er ihn zersdimettert, sind jetzt dessen unverwüstlidies Denkmal.

Merkwürdig ist es, daß jener witzigste Mensdi in Deutsdiland, audi zugleidi der ehrlidiste war. Nidits gleidit seiner Wahrheitsliebe. Lessing madite der Lüge


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nidit die mindeste Konzession, selbst wenn er dadurdi, in der gewöhnlidien Weise der Weltklugen, den Sieg der Wahrheit befördern konnte. Er konnte alles für die Wahrheit tun, nur nidit lügen. Wer darauf denkt, sagte er einst, die Wahrheit unter allerlei Larven und Sdimin^ ken an den Mann zu bringen, der mödite wohl gern ihr Kuppler sein, aber ihr Liebhaber ist er nie gewesen.

Das sdiöne Wort Buffons »der Stil ist der Mensdi selber!« ist' auf niemand anwendbarer als auf Les= sing. Seine Sdireibart ist ganz wie sein Charakter, wahr, fest, sdimucklos, sdiön und imposant durdi die inwohnende Stärke. Sein Stil ist ganz der Stil der römisdien Bauwerke: hödiste Solidität bei der hödi- sten Einfadiheit/ gleidi Quadersteinen ruhen die Sätze auf einander, und wie bei jenen das Gesetz der Sdiwere, so ist bei diesen die logisdie Sdilußfolge das unsidit- bare Bindemittel. Daher in der Lessingsdien Prosa so wenig von jenen Füllwörtern und Wendungskünsten, die wir bei unserem Periodenbau gleidisam als Mörtel gebraudien. Nodi viel weniger finden wir da jene Gedankenkaryatiden, weldie Ihr la belle phrase nennt.

Daß ein Mann wie Lessing niemals glüd^lidi sein konnte, werdet Ihr leidit begreifen. Und wenn er audi nidit die Wahrheit geliebt hätte, und wenn er sie audi nidit selbstwillig überall verfoditen hätte, so mußte er dodi unglüdtlidi sein/ denn er war ein Genie. Alles wird man dir verzeihen, sagte jüngst ein seufzender Diditer, man verzeiht dir deinen Reiditum, man ver* zeiht dir die hohe Geburt, man verzeiht dir deine Wohlgestalt, man läßt dir sogar Talent hingehen, aber man ist unerbitllidi gtgen das Genie. Adi! und be- gegnet ihm audi nidit der böse Wille von außen, so fände das Genie dodi sdion in sidi selber den Feind, der ihm Elend bereitet. Deshalb ist die Gesdiidite


288 Religion und Philosophie in Deutschland

der großen Männer immer eine Märtyrerlegende/ wenn sie audi nidit litten für die große Mensdiheit, so litten sie dodi für ihre eigene Größe, für die große Art ihres Seins, das Unphilisterlidie, für ihr Mißbehagen an der prun- kenden Gemeinheit, der lädielnden Schlechtigkeit ihrer Umgebung, ein Mißbehagen, welches sie natürlich zu Extravaganzen bringt, z. B. zum Schauspielhaus oder gar zum Spielhaus — wie es dem armen Lessing begegnete.

Mehr als dieses hat ihm aber der böse Leumund nicht nachsagen können, und aus seiner Biographie er- fahren wir nur, daß ihm schöne Komödiantinnen amü- santer dünkten als hamburgische Pastöre, und daß stumme Karten ihm bessere Unterhaltung gewährten als schwatzende Wolfianer.

Es ist herzzerreißend, wenn wir in dieser Biographie lesen, wie das Schicksal auch jede Freude diesem Manne versagt hat, und wie es ihm nicht einmal vergönnte in der Umfriedung der Familie sich von seinen täglichen Kämpfen zu erholen. Einmal nur schien Fortuna ihn be- günstigen zu wollen, sie gab ihm ein geliebtes Weib, ein Kind — aber dieses Glück war wie der Sonnenstrahl, der den Fittich eines vorüberfliegenden Vogels vergoldet, es schwand eben so schnell, das Weib starb infolge des Wochenbetts, das Kind schon bald nach der Geburt, und über letzteres schrieb er einem Freunde die gräß- lich witzigen Worte:

»Meine Freude war nur kurz. Und ich verlor ihn ungern diesen Sohn! Denn er hatte so viel Verstand! soviel Verstand! — Glauben Sie nicht, daß die wenigen Stunden meiner Vaterschaft mich schon zu so einem Affen von Vater gemacht haben! Ich weiß, was ich sage. — War es nicht Verstand, daß man ihn mit eisernen Zangen auf die Welt ziehen mußte? daß er so bald Unrat merkte? — War es nicht Verstand, daß


Zweites Buch 289

er die erste Gelegenheit ergriff, sidi wieder davon zu madien? — Idi wollte es audi einmal so gut haben wie andere Mensdien. Aber es ist mir sdiledit bekommen.« 

Ein Unglück gab es, worüber sidi Lessing nie gegen seine Freunde ausgesprodien : dieses war seine sdiau- rige Einsamkeit, sein geistiges Alleinstehn. Einige sei* ner Zeitgenossen liebten ihn, keiner verstand ihn. Mendelssohn, sein bester Freund, verteidigte ihn mit Eifer, als man ihn des Spinozismus besdiuldigte. Ver-^ teidigung und Eifer waren eben so lädierlidi wie über* flüssig. Beruhige didi im Grabe, alter Moses,- dein Lessing war zwar auf dem Wege zu diesem entsetz* lidien Irrtum, zu diesem jammervollen Unglück, näm* lidi zum Spinozismus — aber der Allerhödiste, der Vater im Himmel, hat ihn nod» zur rediten Zeit durdi den Tod gerettet. Beruhige didi, dein Lessing war kein Spinozist, wie die Verleumdung behauptete/ er starb als guter Deist, wie du und Nicolai und Teller und die »allgemeine deutsdie Bibliothek«!

Lessing war nur der Prophet, der aus dem zweiten Testamente ins dritte hinüberdeutete, Idi habe ihn den Fortsetzer des Luther genannt und eigentlidi in dieser Eigensdiaft habe idi ihn hier zu bespredien. Von sei* ner Bedeutung für die deutsdie Kunst kann idi erst später reden. In dieser hat er nidit bloß durdi seine Kritik, sondern audi durdi sein Beispiel eine heilsame Reform bewirkt, und diese Seite seiner Tätigkeit wird gewöhnlidi zumeist hervorgehoben und beleuditet. Wir jedodi betraditen ihn von einem anderen Standpunkte aus, und seine philosophisdien und theologisdien Kämpfe sind uns widitiger als seine Dramaturgie und seine Dramata. Letztere jedodi, wie alle seine Sdiriften, haben eine soziale Bedeutung, und »Nathan der Weise« ist im Grunde nidit bloß eine gute Komödie, sondern audi

VII, 19


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eine philosophisch theologische Abhandlung zu Gunsten des reinen Deismus. Die Kunst war für Lessing eben- falls eine Tribüne, und wenn man ihn von der Kanzel oder vom Katheder herabstieß, dann sprang er aufe Theater, und sprach dort noch viel deutlicher, und ge- wann ein noch zahlreicheres Publikum.

Ich sage, Lessing hat den Luther fortgesetzt. Nach- dem Luther uns von der Tradition befreit, und die Bibel zur alleinigen Quelle des Christentums erhoben hatte, da entstand, wie ich schon oben erzählt, ein starrer Wortdienst, und der Buchstabe der Bibel herrschte eben so tyrannisch wie einst die Tradition. Zur Befreiung von diesem tyrannischen Buchstaben hat nun Lessing am meisten beigetragen. Wie Luther ebenfalls nicht der einzige war, der die Tradition bekämpft, so kämpfte Lessing zwar nicht allein, aber doch am gewaltigsten gegen den Buchstaben. Hier erschallt am lautesten seine Schlachtstimme. Hier schwingt er sein Schwert am freu- digsten, und es leuchtet und tötet. Hier aber auch wird Lessing am stärksten bedrängt von der schwarzen Schar, und in solcher Bedrängnis rief er einst aus :

^0 sancta simplicitas! — Aber noch bin ich nicht da, wo der gute Mann, der dieses ausrief, nur noch dieses ausrufen konnte. <Huß rief dieses auf dem Sd>eiterhaufen.> Erst soll uns hören, erst soll über uns urteilen, wer hören und urteilen kann und will!

»O daß Er es könnte. Er, den ich am liebsten zu meinem Richter haben möchte! — Luther, du! — Gro- ßer, verkannter Mann! Und von niemanden mehr ver- kannt, als von den kurzsichtigen Starrköpfen, die, deine Pantoffeln in der Hand, den von dir gebahnten Weg, schreiend aber gleichgültig, daherschlendern! — Du hast uns von dem Joche der Tradition erlöst : wer erlöset uns von dem unerträglicheren Joche des Buchstabens! Wer


Zweites Buch 291

bringt uns endlich ein Christentum, wie du es itzt lehren würdest,- wie es Christus selbst lehren würde!« 

Ja, der Budistabe, sagte Lessing, sei die letzte Hülle des Christentums, und erst nadi Verniditung dieser Hülle trete hervor der Geist. Dieser Geist ist aber nidits anders, als das, was die Wolfsdien Philosophen zu demonstrieren gedadit, was die Philanthropen in ihrem Gemüte gefühlt, was Mendelssohn im Mosais* mus gefunden, was die Freimaurer gesungen, was die Poeten gepfiffen, was sidi damals in Deutsdiland unter allen Formen geltend madite: der reine Deismus.

Lessing starb zu Braunsdiweig, im Jahr 1781, ver* kannt, gehaßt und versdirien. In demselben Jahre er- sdiien zu Königsberg die »Kritik der reinen Vernunft«  von Immanuel Kant, Mit diesem Budie, weldies durdi sonderbare Verzögerung erst am Ende der achtziger Jahre allgemein bekannt wurde, beginnt eine geistige Revolution in Deutschland, die mit der materiellen Revolution in Frankreich die sonderbarsten Analogien bietet, und dem tieferen Denker eben so wichtig dünken muß wie jene. Sie entwickelt sich mit denselben Phasen, und zwischen beiden herrscht der merkwürdigste Paral- lelismus, Auf beiden Seiten des Rheines sehen wir denselben Bruch mit der Vergangenheit, der Tradition wird alle Erfurcht aufgekündigt/ wie hier in Frankreich jedes Recht, so muß dort in Deutschland jeder Gedanke sich justifizieren, und wie hier das Königtum, der Schluß- stein der alten sozialen Ordnung, so stürzt dort der Deismus, der Schlußstein des geistigen alten Regimes,

Von dieser Katastrophe, von dem 21, Januar des Deismus, sprechen wir im folgenden Stücke. Ein eigen- tümliches Grauen, eine geheimnisvolle Pietät erlaubt uns heute nicht, weiter zu schreiben. Unsere Brust ist voll von entsetzlichem Mitleid — es ist der alte


292 Religion und Philosophie in Deutschland

Jehova selber, der sidi zum Tode bereitet. Wir haben ihn so gut gekannt, von seiner Wiege an, in Egypten, als er unter göttlidien Kälbern, Krokodilen, heiligen Zwiebeln, Ibissen und Katzen erzogen wurde — Wir haben ihn gesehen, wie er diesen Gespielen seiner Kindheit und den Obelisken und Sphinxen seines heimatlidien Niltals Ade sagte und in Palästina, bei einem armen Hirtenvölkchen, ein kleiner Gott-König wurde, und in einem eigenen Tempelpalast wohnte — Wir sahen ihn späterhin, wie er mit der assyrisdi-ba* bylonischen Zivilisation in Berührung kam, und seine allzumensdilidie LcidensAaften ablegte, nidit mehr lauter Zorn und Radie spie, wenigstens nidit mehr wegen jeder Lumperei gleidi donnerte — Wir sahen ihn auswandern nadi Rom, der Hauptstadt, wo er aller Nationalvorurteile entsagte, und die himmlisdie Gleidi» heit aller Völker proklamierte, und mit soldien sdiönen Phrasen gegen den alten Jupiter Opposition bildete, und so lange intrigierte bis er zur Herrsdiaft gelangte und vom Kapitole herab die Stadt und die Welt, urbem et orbcm, regierte — Wir sahen, wie er sidi nodi mehr vergeistigte, wie er sanftselig wimmerte, wie er ein liebevoller Vater wurde, ein allgemeiner Mensdien- freund, ein Weltbeglüdter, ein Philanthrop — es konnte ihm alles nichts helfen —

Hört Ihr das Glödcdien klingeln? Kniet nieder — Man bringt die Sakramente einem sterbenden Gotte.


Drittes Budi


Es geht die Sage, daß ein englisdier Medianikus, der sdion die künstlidisten Masdiinen erdadit, endlich audi auf den Einfall geraten, einen Mensdien zu fabrizieren,- dieses sei ihm audi endlidi gelungen, das Werk seiner Hände konnte sidi ganz wie ein Mensdi gebärden und betragen, es trug in der ledernen Brust sogar eine Art mensdilidien Gefühls, das von den gewöhnlidien Gefühlen der Engländer nidit gar zu sehr versdiieden war, es konnte in artikulierten Tönen seine Empfindungen mitteilen, und eben das Geräusdi der inneren Räder, Raspeln und Sdirauben, das man dann vernahm, gab diesen Tönen eine edit- englisdie Ausspradie/ kurz dieses Automat war ein vollendeter Gentleman, und zu einem editen Mensdien fehlte ihm gar nichts als eine Seele. Diese aber hat ihm der englische Mechanikus nicht geben können, und das arme Geschöpf, das sich solchen Mangels bewußt worden, cjuälte nun Tag und Nacht seinen Sdiöpfer mit der Bitte, ihm eine Seele zu geben. Solche Bitte, die sich immer dringender wiederholte, wurde jenem Künstler endlich so unerträglich, daß er vor seinem eignen Kunstwerk die Flucht ergriff. Das Automat aber nahm gleich Extrapost, verfolgte ihn nach dem Kontinente, reist beständig hinter ihm her, erwischt ihn manchmal, und schnarrt und grunzt ihm dann entgegen: Givc mc a soul! Diesen beiden Gestalten begegnen wir nun in allen Ländern, und nur wer ihr besonderes Verhältnis kennt, begreift ihre sonderbare Hast und ihren ängstlichen Mißmut. Wenn man aber dieses be* sondere Verhältnis kennt, so sieht man darin wieder etwas Allgemeines, man sieht, wie ein Teil des eng- . lischen Volks seines mechanischen Daseins überdrüssig I


294 Religion und Philosophie in Deutschland

ist und eine Seele verlangt, der andere Teil aber aus Angst vor soldierlei Begehrnis in die Kreuz und die Quer getrieben wird, beide aber es daheim nidit mehr aushalten können.

Dieses ist eine grauenhafte Geschidite. Es ist ent- setzlidi, wenn die Körper, die wir gesdiaffen haben, von uns eine Seele verlangen. Weit grauenhafter, ent- setzlidier, unheimlicher ist es jedodi, wenn wir eine Seele gesdiaffen und diese von uns ihren Leib ver* langt und uns mit diesem Verlangen verfolgt. Der Gedanke, den wir gedadit, ist eine soldie Seele, und er läßt uns keine Ruhe bis wir ihm seinen Leib ge* geben, bis wir ihn zur sinnlidien Ersdieinung gefördert. Der Gedanke will Tat, das Wort will Fleisdi werden. Und wunderbar! der Mensdi, wie der Gott der Bibel, braudit nur seinen Gedanken auszuspredien , und es gestaltet sid\ die Welt, es wird Lidit oder es wird Finsternis, die Wasser sondern sid» von dem Festland, oder gar wilde Bestien kommen zum Vorsdiein. Die Welt ist die Signatur des Wortes.

Dieses merkt EuA, Ihr stolzen Männer der Tat. Ihr seid nidits als unbewußte Handlanger der Gedanken- männer, die oft in demütigster Stille Eudi all Eur Tun aufs Bestimmteste vorgczeidinet haben. Maximilian Robespierre war nidits als die Hand von Jean Jacques Rousseau, die blutige Hand, die aus dem Sdioße der Zeit den Leib hervorzog, dessen Seele Rousseau ge- sdiaffen. Die unstete Angst, die dem Jean Jacques das Leben verkümmerte, rührte sie vielleidit daher, daß er sdion im Geiste ahnte, weldi eines Geburtshelfers seine Gedanken bedurften, um leiblidi zur Welt zu kommen?

Der alte Fontenelle hatte vielleidit Redit als er sagte: wenn idi alle Gedanken dieser Welt in meiner Hand trüge, so würde idi midi hüten sie zu öffnen, Idi


Drittes Buch 295

meinesteils, idi denke anders. Wenn idi alle Gedanken dieser Welt in meiner Hand hätte — idi würde Eudi vielleidit bitten, mir die Hand gleidi abzuhauen,- auf keinen Fall hielte idi sie so lange versdilossen. Idi bin nidit dazu geeignet ein Kerkermeister der Gedanken zu sein. Bei Gott! idi laß sie los. Mögen sie sidi immerhin zu den bedenklidisten Ersdieinungen ver- körpern, mögen sie immerhin, wie ein toller Bacdianten- zug, alle Lande durdistürmen , mögen sie mit ihren Thyrsusstäben unsere unsdiuldigsten Blumen zer- sdilagen, mögen sie immerhin in unsere Hospitäler hereinbredien, und die kranke alte Welt aus ihren Betten jagen — es wird freilidi mein Herz sehr bekümmern und idi selber werde dabei zu Sdiaden kommen! Denn adi! idi gehöre ja selber zu dieser kranken alten Welt, und mit Redit sagt der Diditer: wenn man audi seiner Krücken spottet, so kann man darum dodi nidit besser gehen, Idi bin der Kränkste von Eudi allen und um so bedauernswürdiger, da idi weiß was Gesundheit ist, Ihr aber, Ihr wißt es nidit, Ihr Beneidenswerten! Ihr seid kapabel zu sterben, ohne es selbst zu merken. Ja, viele von Eudi sind längst tot und behaupten, jetzt erst beginne ihr wahres Leben, Wenn idi soldiem Wahnsinn widerspredie, dann wird man mir gram und sdimäht midi •— und entsetzlidi! die Leidien springen an midi heran, und sdiimpfen, und mehr nodi als ihre

Sdimähworte belästigt midi ihr Moderduft

Fort, Ihr Gespenster! idi spredie jetzt von einem Manne, dessen Name sdion eine exorzierende Madit ausübt, idi sprcdie von Immanuel Kant!

Man sagt, die Naditgeister ersdirecken, wenn sie das Sdiwert eines Sdiarfriditers erblicken — Wie müssen sie erst ersdirecken, wenn man ihnen Kants »Kritik der reinen Vernunft« entgegenhält! Dieses


296 Religion und Philosophie in Deutschland

Buch ist das Schwert, womit der Deismus hingerichtet worden in Deutschland.

Ehrlich gestanden, Ihr Franzosen, in Vergleichung mit uns Deutschen seid Ihr zahm und modcrant. Ihr habt höchstens einen König töten können, und dieser hatte schon den Kopf verloren, ehe Ihr köpftet. Und dabei mußtet Ihr so viel trommeln und schreien und mit den Füßen trampeln, daß es den ganzen Erdkreis erschütterte. Man erzeigt wirklich dem Maximilian Robespierre zu viel Ehre, wenn man ihn mit dem Im- manuel Kant vergleicht. Maximilian Robespierre, der große Spiel^bürger von der Rue Saint-Honor^, bekam freilich seine Anfälle von Zerstörungswut, wenn es das Königtum galt, und er zuckte dann furchtbar genug in seiner regiziden Epilepsie/ aber sobald vom höchsten Wesen die Rede war, wusch er sich den weißen Schaum wieder vom Munde und das Blut von den Händen, und zog seinen blauen Sonntagsrock an, mit den Spiegel- knöpfen, und steckte noch obendrein einen Blumen- strauß vor seinen' breiten Brustlatz.

Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben. Denn er hatte weder Leben noch Ge- schichte. Er lebte ein mechanisch geordnetes, fast ab- straktes Hagestolzenleben, in einem stillen, abgelegenen Gäßchen zu Königsberg, einer alten Stadt an der nord- östlichen Grenze Deutschlands. Ich glaube nicht, daß die große Uhr der dortigen Kathedrale leidenschafts«^ loser und regelmäßiger ihr äußeres Tagewerk voll- brachte, wie ihr- Landsmann Immanuel Kant. Auf- stehn, Kaffeetrinken, Schreiben, KoIIegienlesen, Essen, Spazierengehn, alles hatte seine bestimmte Zeit, und die Nachbaren wußten ganz genau, daß die Glocke halb vier sei, wenn Immanuel Kant in seinem grauen Leibrock, das spanische Röhrchen in der Hand, aus


Drittes Buch 297

seiner Haustüre trat, und nadi der kleinen Lindenallee wandelte, die man seinetwegen nodi jetzt den Philo* sophengang nennt. Aditmal spazierte er dort auf und ab, in jeder Jahreszeit, und wenn das Wetter trübe war oder die grauen Wolken einen Regen verkün^ digten, sah man seinen Diener, den alten Lampe, ängstlidi besorgt hinter ihm drein wandeln, mit einem langen Regensdiirm unter dem Arm, wie ein Bild der Vorsehung.

Sonderbarer Kontrast zwisdien dem äußeren Leben des Mannes und seinen zerstörenden, weltzermalmenden Gedanken! Wahrlidi, hätten die Bürger von Königs- berg die ganze Bedeutung dieses Gedankens geahnt, sie würden vor jenem Manne eine weit grauenhaftere Sdieu empftinden haben als vor einem Sdiarft-iditer, vor einem Sdiarfi-iditer, der nur Mensdien hinriditet — aber die guten Leute sahen in ihm nidits anderes als einen Professor der Philosophie, und wenn er zur be- stimmten Stunde vorbeiwandelte, grüßten sie freundlidi, und riditeten etwa nadi ihm ihre Tasdienuhr.

Wenn aber Immanuel Kant, dieser große Zerstörer im Reidie der Gedanken, an Terrorismus den Maxi- milian Robespierre weit übertraf, so hat er dodi mit diesem mandie Ahnlidikeiten, die zu einer Vergleidiung beider Männer auffordern. Zunädist finden wir in beiden dieselbe unerbittlidie, sdineidende, poesielose, nüditerne Ehrlidikeit, Dann finden wir in beiden das- selbe Talent des Mißtrauens, nur daß es der eine ge- gen Gedanken ausübt und Kritik nennt, während der andere es gegen Mensdien anwendet und republika- nisdie Tugend betitelt. Im hödisten Grade jedodi zeigt sidi in beiden der Typus des Spießbürgertums — die Natur hatte sie bestimmt, Kaffee und Zucker zu wie- gen, aber das Sdiicksal wollte, daß sie andere Dinge


298 Religion und Philosophie in Deutschfand

abwögen, und legte dem Einen einen König und dem Anderen einen Gott auf die Wagsdiale

Und sie gaben das riditige Gewidit!

Die »Kritik der reinen Vernunft« ist das Hauptwerk von Kant, und wir müssen uns vorzugsweise damit besdiäftigen. Keine von allen Sdiriften Kants hat größere Widitigkeit. Dieses Budi, wie sdion erwähnt, ersdiien 1781, und wurde erst 1789 allgemein bekannt. Es wurde anfangs ganz übersehen, nur zwei unbe- deutende Anzeigen sind damals darüber ersdiienen, und erst spät wurde durdi Artikel von Sdiütz, Sdiultz und Rcinhold die Aufmerksamkeit des Publikums auf dieses große Budi geleitet. Die Ursadie dieser ver- zögerten Anerkenntnis liegt wohl in der ungewöhn- lidien Form und sdilediten Sdireibart. In Betreff der letztem verdient Kant größeren Tadel, als irgend ein anderer Philosoph,- um so mehr, wenn wir seinen vor- hergehenden besseren Stil erwägen. Die kürzlidi er- sdiienene Sammlung seiner kleinen SAriften enthält die ersten Versudie, und wir wundern uns da über die gute, mandimal sehr witzige Sdireibart. Während Kant im Kopfe sdion sein großes Werk ausarbeitete, hat er diese kleinen Aufsätze vor sidi hingcträllert. Er lädielt da wie ein Soldat, der sidi ruhig wafFnet, um in eine Sdiladit zu gehen, wo er gewiß zu siegen denkt. Unter jenen kleinen Sdiriften sind besonders merkwürdig: »Allgemeine Naturgesdiidite und Theorie des Himmels«, gesdirieben sdion 1755,- »Beobaditungen über das Gefühl des Sdiönen und Erhabenen«, ge- sdirieben zehn Jahre später, so wie audi »Träufne eines Geistersehers«, voll guter Laune in der Art der fran- zösisdien Essais. Der Witz eines Kant, wie er sidi in diesen Sdiriftdien äußert, hat etwas hödist Eigen^ tümlidies. Der Witz rankt da an dem Gedanken, und


Drittes Buch 299

trotz seiner Sdiwädie erreidit er dadurch eine erquick* lidie Höhe. Ohne soldie Stütze freilidi kann der reidiste Witz nidit gedeihen,- gleich der Weinrebe, die eines Stabes entbehrt, muß er alsdann kümmerlich am Boden hinkriechen und mit seinen kostbarsten Früchten vermodern.

Warum aber hat Kant seine »Kritik der reinen Ver- nunft« in einem so grauen, trocknen Packpapierstil ge= schrieben? Ich glaube, weil er die mathematische Form der Descartes*Leibnitz=WoIfianer verwarf, fürchtete er, die Wissenschaft möchte €twas von ihrer Würde einbüßen, wenn sie sich in einem leichten, zuvorkom- mend heiteren Tone ausspräche. Er verlieh ihr daher eine steife, abstrakte Form, die alle Vertraulichkeit der niederen Geistesklassen kalt ablehnte. Er wollte sich von den damaligen Popularphilosophen, die nach bürger- lichster Deutlichkeit strebten, vornehm absondern und er kleidete seine Gedanken in eine hofmännisch ab- gekältete Kanzleisprache. Hier zeigt sich ganz der Phi- lister. Aber vielleicht bedurfte Kant zu seinem sorg- fältig gemessenen Ideengang auch einer Sprache, die sorgfältig gemessener, und er war nicht im Stande, eine bessere zu schaffen. Nur das Genie hat für den neuen Gedanken auch das neue Wort. Immanuel Kant war aber kein Genie. Im Gefühl dieses Mangels, eben so wie der gute Maximilian, war Kant um so mißtrau- ischer gegen das Genie, und in seiner »Kritik der Ur- teilskraft« behauptete er sogar, das Genie habe nichts in der Wissenschaft zu schaffen, seine Wirksamkeit ge- höre in das Gebiet der Kunst.

Kant hat durch den schwerfälligen, steifleinenen Stil seines Hauptwerks sehr vielen Schaden gestiftet. Denn die geistlosen Nachahmer äfften ihn nach in dieser Äußerlichkeit, und es entstand bei uns der Aberglaube,


300 Religion und Philosophie in Deutschland

daß man kein Philosoph sei, wenn man gut schriebe. Die mathematische Form jedoch konnte, seit Kant, in der Philosophie nicht mehr aufkommen. Dieser Form hat er in der »Kritik der reinen Vernunft« ganz un- barmherzig den Stab gebrochen. Die mathematische Form in der Philosophie, sagte er, bringe nidits als Kartengebäude hervor, so wie die philosophisd^e Form in der Mathematik nur eitel Geschwätz hervorbringt. Denn in der Philosophie könne es keine Definitionen geben, wie in der Mathematik, wo die Definitionen nicht diskursiv, sondern intuitiv sind, d. h. in der An- schauung nachgewiesen werden können/ was man De- finitionen in der Philosophie nenne, werde nur ver- suciisweise, hypothetisch; vorangestellt,- die eigentlich richtige Definition ersdieinc nur am Ende als Resultat. Wie kommt es, daß die Philosophen so viel Vorliebe für die mathematisciie Form zeigen? Diese Vorliebe beginnt schon mit Pythagoras, der die Prinzipien der Dinge durch Zahlen bezeichnete. Dieses war ein ge- nialer Gedanke. In einer Zahl ist alles Sinnliche und Bndliche abgestreift, und dennoch bezeichnet sie etwas Bestimmtes und dessen Verhältnis zu etwas Bestimm- tem, welches letztere, wenn es ebenfalls durch eine Zahl bezeichnet wird, denselben Charakter des Entsinnlichten und Unendlichen angenommen. Hierin gleicht die Zahl den Ideen, die denselben Charakter und dasselbe Ver- hältnis zu einander haben. Man kann die Ideen, wie

$ic in unserem Geiste und in der Natur sich kund

geben, sehr treffend durch Zahlen bezeichnen,- aber die Zahl bleibt doch immer das Zeichen der Idee, nicht die Idee selber. Der Meister bleibt dieses Unterschieds nodi bewußt, der Scfiüler aber vergißt dessen, und über- liefert seinen Nadischülern nur eine Zahlenhieroglyphik, bloße Chiffern, deren lebendige Bedeutung niemand


Drittes Buch 301

mehr kennt, und die man mit Sdiulstolz nadiplappert. Dasselbe gilt von den übrigen Elementen der mathe* matisdien Form. Das Geistige in seiner ewigen Bewe* gung erlaubt kein Fixieren,- eben so wenig wie durdi die Zahl läßt es sidi fixieren durdi Linie, Dreieck, Viereck und Kreis. Der Gedanke kann weder gezählt werden, nodi gemessen.

Da es mir hauptsädilidi darum zu tun ist, das Stu- dium der deutsdien Philosophie in Frankreidi zu er- leiditern, so bespredie idi immer zumeist diejenigen Äüßerlidikeiten, die den Fremden leidit absdirecken, wenn man ihn nidit vorher darüber in Kenntnis ge- setzt hat. Literatoren, die den Kant für das franzö- sisdie Publikum bearbeiten wollen, madie idi besonders darauf aufmerksam, daß sie denjenigen Teil seiner Phi- losophie aussdieiden können, der bloß dazu dient, die Absurditäten der Wolfsdien Philosophie zu bekämpfen. Diese Polemik, die sidi überall durdidrängt, kann bei den Franzosen nur Verwirrung und gar keinen Nutzen hervorbringen, — Wie idi höre, besdiäftigt sidi der Herr Doktor Sdiön, ein deutsdier Gelehrter in Paris, mit einer französisdien Herausgabe des Kant. Idi hege eine zu günstige Meinung von den philosophisdien Einsiditen des Obgenannten, als daß idi es für nötig eraditete obi- gen Wink audi an ihn zu riditen, und idi erwarte viel- mehr von ihm ein eben so nützlidies wie widitiges Budi.

Die »Kritik der reinen Vernunft« ist, wie idi bereits gesagt, das Hauptbudi von Kant, und seine übrigen Sdiriften sind einigermaßen als entbehrlidi, oder allen- falls als Kommentare zu bctraditen. Weldie soziale Bedeutung jenem Hauptbudie innewohnt, wird sidi aus Folgendem ergeben.

Die Philosophen vor Kant haben zwar über den Ur- sprung unserer Erkenntnisse nadigedadit, und sind.


302 Religion und Philosophie in Deutschland

wie wir bereits gezeigt, in zwei verschiedene Wege ge^ raten, je nachdem sie Ideen a priori oder Ideen a poste^^ riori annahmen,- über das Erkenntnisvermögen selber, über den Umfang unseres Erkenntnisvermögens, oder über die Grenzen unseres Erkenntnisvermögens ist we^ niger nachgedacht worden. Dieses ward nun die Auf* gäbe von Kant, er unterwarf unser Erkenntnisvermö- gen einer schonungslosen Untersuchung, er sondierte die ganze Tiefe dieses Vermögens und konstatierte alle seine Grenzen. Da fand er nun freilich, daß wir gar nichts wissen können von sehr vielen Dingen, mit denen wir früher in vertrautester Bekanntschaft zu stehen ver«  meinten. Das war sehr verdrießlich. Aber es war doch immer nützlich, zu wissen, von welchen Dingen wir nichts wissen können. Wer uns vor nutzlosen Wegen warnt, leistet uns einen eben so guten Dienst, wie der- jenige, der uns den rechten Weg anzeigt. Kant bewies uns, daß wir von den Dingen, wie sie an und für sich selber sind, nichts wissen, sondern daß wir nur in so fern etwas von ihnen wissen, als sie sich in unserem Geiste reflektieren. Da sind wir nun ganz wie die Gefangenen, wovon Plato, im siebenten Buche vom »Staate«, so Betrübsames erzählt: Diese Unglücklichen, gefesselt an Hals und Schenkeln, so daß sie sich mit dem Kopfe nicht herumdrehen können, sitzen in einem Kerker, der oben offen ist und von obenher erhalten sie einiges Licht. Dieses Licht aber kömmt von einem Feuer, welches hinter ihnen oben brennt, und zwar noch getrennt von ihnen durch eine kleine Mauer, Längs dieser Mauer wandeln Menschen, welche allerlei Statuen, Holz- und Steinbilder vorübertragen und mit einander sprechen. Die armen Gefangenen können nun von diesen Menschen, welche nicht so hoch wie die Mauer, gar nichts sehen, und von den vorbeigetragenen Sta*


Drittes Buch 303

tuen, die über die Mauer hervorragen, sehen sie nur die Sdiatten, weldie sidi an der ihnen gegenüberstehen* den Wand dahin bewegen,- und sie halten nun diese Sdiatten für die wirklidien Dinge und getäusdit durdi das Edio ihres Kerkers, glauben sie, es seien diese Sdiatten, weldie mit einander spredien.

Die bisherige Philosophie, die sdinüffelnd an den Dingen herumÜef, und sidi Merkmale derselben ein* sammelte und sie klassifizierte, hörte auf, als Kam er* sdiien, und dieser lenkte die Forsdiung zurück^ in den mensdilidien Geist und untersudite, was sidi da kund gab. Nidit mit Unredit vergleidit er daher seine Philosophie mit dem Verfahren des Kopernikus. Früher, als man die Welt stillstehen und die Sonne um dieselbe herum- wandeln ließ, wollten die Himmelsberedinungen nidit sonderlidi übereinstimmen ,• da ließ Kopernikus die Sonne still stehen und die Erde um sie herum wandeln, und siehe! Alles ging nun vortrefFlidi, Früher lief die Ver- nunft, gleidi der Sonne, um die Brsdieinungswelt herum und sudite sie zu beleuditen/ Kant aber läßt die Ver- nunft, die Sonne, stillstehen, und die Brsdieinungswelt dreht sidi um sie herum und wird beleuditet, je nadi- dcm sie in den Bereidi dieser Sonne kömmt,

Nadi diesen wenigen Worten, womit idi die Auf- gabe Kants angedeutet, ist jedem begreiflidi, daß idi) denjenigen Absdinitt seines Budies, worin er die so-' genannten Phänomena und Noumena abhandelt, für den widitigsten Teil, für den Mittelpunkt seiner Philo- sophie halte. Kant madit nämlidi einen Untersdiiedi zwisdien den Ersdieinungen der Dinge und den Dingen an sidi. Da wir von den Dingen nur in so weit etwas wissen können, als sie sidi uns durdi Ersdicinung kund geben, und da also die Dinge nidit, wie sie an und für sidi selbst sind, sidi uns zeigen: so hat Kant die


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i Dinge, in so fern sie erscheinen, Phänomena, und die [ Dinge an und für sidi : Noumena genannt. Nur von den Dingen als Phänomena können wir etwas wissen, nidits aber können wir von den Dingen wissen als Noumena, Letztere sind nur problematisdi, wir können weder sagen, sie existieren, nodi: sie existieren nidit. Ja, das Wort Noumen ist nur dem Wort Phänomen nebengesetzt, um von Dingen, in so weit sie uns erkenn* bar, sprechen zu können, ohne in unserem Urteil die Dinge, die uns nicht erkennbar, zu berühren.

Kant hat also nicht, wie manche Lehrer, die ich nicht nennen will, die Dinge unterschieden in Phänomena und Noumena, in Dinge, welche für uns existieren, und in Dinge, welche für uns nicht existieren. Dieses wäre ein irländischer Bull in der Philosophie. Er hat nur einen Grenzbegriff geben wollen.

Gott ist, nach Kant, ein Noumen. Infolge seiner Argumentation ist jenes transcendentalc Idealwesen, welches wir bisher Gott genannt, nichts anders als eine Erdichtung. Es ist durch eine natürliche Illusion ent- standen. Ja, Kant zeigt, wie wir von jenem Noumen, von Gott, gar nichts wissen können, und wie sogar jede künftige Beweisführung seiner Existenz unmöglich sei. Die Danteschen Worte: >Laßt die Hoffnung zu* ruck!« schreiben wir über diese Abteilung der »Kritik der reinen Vernunft«.

Ich glaube, man erläßt mir gern die populäre Er* örterung dieser Partie, wo »von den Beweisgründen der spekulativen Vernunft, auf das Dasein eines hoch* sten Wesens zu schließen«, gehandelt wird. Obwohl die eigentliche Widerlegung dieser Beweisgründe nicht viel Raum einnimmt und erst in der zweiten Hälfte des Buches zum Vorschein kommt, so ist sie doch schon von vom herein aufs absichtlichste eingeleitet, und sie


Drittes Buch 305

gehört zu dessen Pointen, Es knüpft sidi daran die »Kritik aller spekulativen Theologie«, und verniditet werden die übrigen Luftgebilde der Deisten. Bemerken muß idi, daß Kant, indem er die drei Hauptbeweis^ arten für das Dasein Gottes, nämlidi den ontologischen, den kosmologisdien und den physikotheologisdien Beweis angreift, nadi meiner Meinung die zwei letzte^ ren, aber nidit den ersteren zu Grunde riditen kann. Idi weiß nidit, ob die obigen Ausdrüd^e hier bekannt sind, und idi gebe daher die Stelle aus der »Kritik der reinen Vernunft«, wo Kant ihre Untersdieidungen for* muliert:

»Es sind nur drei Beweisarten vom Dasein Gottes aus spekulativer Vernunft möglidi. Alle Wege, die man in dieser Absidit einsdilagen mag, fangen ent- weder von der bestimmten Erfahrung und der dadurch erkannten besonderen BesdiafFenheit unserer Sinnen- welt an, und steigen von ihr nadi Gesetzen der Kau- salität bis zur hödisten Ursadie außer der Welt hinauf/ oder sie legen nur unbestimmte Erfahrung, das ist ir- gend ein Dasein zum Grunde, oder sie abstrahieren endlidi von aller Erfahrung und schließen gänzlidi a priori aus bloßen Begriffen auf das Dasein einer hödi- sten Ursadie, Der erste Beweis ist der physikotheo- logisdie, der zweite der kosmologisdie, der dritte ist der ontologisdie Beweis, Mehr gibt es ihrer nidit, und mehr kann es ihrer audi nidit geben,« 

Nadi mehrmaligem Durdistudieren des Kantsdien Hauptbudis glaubte idi zu erkennen, daß die Polemik gegen jene bestehenden Beweise für das Dasein Gottes überall hervorlausdit, und idi würde sie weitläuftiger bespredien, wenn midi nidit ein religiöses Gefühl davon abhielte, Sdion daß idi jemanden das Dasein Gottes diskutieren sehe, erregt in mir eine so sonderbare Angst,

VII, 20


306 Religion und Philosophie in Deutschland

eine so unheimliche Beklemmung, wie ich sie einst in London zu New«Bedlam empfand, als ich, umgeben von lauter Wahnsinnigen, meinen Führer aus den Augen verlor. »Gott ist alles, was da ist«, und Zweifel an ihm ist Zweifel an das Leben selbst, es ist der Tod. So verwerflich auch jede Diskussion über das Dasein Gottes ist, desto preislicher ist das Nachdenken über die Natur Gottes. Dieses Nachdenken ist ein wahr- hafter Gottesdienst, unser Gemüt wird dadurch abge- zogen vom Vergänglichen und Endlichen, und gelangt zum Bewußtsein der Urgüte und der ewigen Harmonie. Dieses Bewußtsein durchschauert den Gefühlsmenschen im Gebet oder bei der Betrachtung kirchlicher Sym- bole/ der Denker findet diese heilige Stimmung in der Ausübung jener erhabenen Geisteskraft, welche wir j Vernunft nennen, und deren höchste Aufgabe es ist, (die Natur Gottes zu erforschen. Ganz besonders re- ligiöse Menschen beschäftigen sich mit dieser Aufgabe von Kind auf, geheimnisvoll sind sie davon schon be- drängt, durch die erste Regung der Vernunft. Der Verfasser dieser Blätter ist sich einer solchen frühen, ursprünglichen Religiosität, aufs Freudigste bewußt, und I sie hat ihn nie verlassen. Gott war immer der Anfang ' und das Ende aller meiner Gedanken. Wenn ich jetzt frage: was ist Gott? was ist seine Natur? so frug ich schon als kleines Kind: wie ist Gott? wie sieht er aus? Und damals konnte ich ganze Tage in den Himmel hinaufsehen, und war des Abends sehr betrübt, daß ich niemals das allerheiligste Angesicht Gottes, sondern immer nur graue, blöde Wolkenfratzen erblickt hatte. Ganz konfus machten mich die Mitteilungen aus der Astronomie, womit man damals, in der Aufklärungs- periode, sogar die kleinsten Kinder nicht verschonte, und ich konnte mich nicht genug wundern, daß alle


Drittes Buch 307

diese tausend Millionen Sterne, eben so große, sdiöne Erdkugeln seien, wie die unsrige, und über all dieses leuditende Weltengewimmel ein einziger Gott waltete. Einst im Traume, erinnere idi midi, sah idi Gott, ganz oben in der weitesten Feme. Er sdiaute vergnüglidi zu einem kleinen Himmelsfenster hinaus, ein frommes Greisengesidit mit einem kleinen Judenbärtdien, und er streute eine Menge Saatkörner herab, die, während sie vom Himmel niederfielen, im unendlidien Raum gleidi- sam aufgingen, eine ungeheure Ausdehnung gewannen, bis sie lauter strahlende, blühende, bevölkerte Welten wurden, jede so groß, wie unsere eigene Erdkugel. Idi habe dieses Gesidit nie vergessen können, nodi oft im Traume sah idi den heiteren Alten aus seinem kleinen Himmelfenster die Weltensaat herabsdiütten/ idi sah ihn einst sogar mit den Lippen sdinalzen, wie unsere Magd, wenn sie den Hühnern ihr Gerstenfuttcr zuwarf. Idi konnte nur sehen wie die fallenden Saat«  körner sidi immer zu großen leuditenden Weltkugeln ausdehnten: aber die etwanigen großen Hühner, die vielleidit irgendwo mit aufgesperrten Sdinäbeln lauer* ten, um mit den hingestreuten Weltkugeln gefüttert zu werden, konnte idi nidit sehen.

Du lädielst, lieber Leser, über die großen Hühner. Diese kindisdie Ansidit ist aber nidit allzusehr entfernt von der Ansidit der reifsten Deisten. Um von dem außerweltlidien Gott einen Begriff zu geben, haben sidi der Orient und der Occident in kindisdien Hyperbeln ersdiöpft. Mit der Unendlidikeit des Raumes und der Zeit hat sidi aber die Phantasie der Deisten vergeblidi abgequält. Hier zeigt sidi ganz ihre Ohnmadit, diel Haltlosigkeit ihrer Weltansidit, ihrer Idee von der Natur Gottes, Es betrübt uns daher wenig, wenn diese Idee zu Grunde geriditet wird. Dieses Leid aber


308 Religion und Philosophie in Deutschland

hat ihnen Kant wirklich angetan, indem er ihre Be» weisftihrungen von der Existenz Gottes zerstörte.

Die Rettung des ontologisdhen Beweises käme dem Deismus gar nicht besonders heilsam zu statten, denn dieser Beweis ist ebenfalls für den Pantheismus zu ge* brauchen. Zu näherem Verständnis bemerke ich, daß der ontologische Beweis derjenige ist, den Descartes aufstellt, und der schon lange vorher im Mittelalter, durch Anscim von Cantcrbury, in einer ruhenden Ge- betform, ausgesprodien worden. Ja, man kann sagen, daß der heilige Augustin schon im zweiten Buche »De libero arbitrio« den ontologischen Beweis aufgestellt hat.

Ich enthalte mich, wie gesagt, aller popularisierenden Erörterung der Kantschen Polemik gegen jene Beweise. Ich begnüge mich zu versichern, daß der Deismus seit* dem im Reiche der spekulativen VernunfT erblichen ist. Diese betrübende Todesnachricht bedarf vielleicht einiger Jahrhunderte, ehe sie sich allgemein verbreitet hat — wir aber haben längst Trauer angelegt. De profundis!

Ihr meint, wir könnten jet2t nach Hause gehn? Bei Leibe! es wird noch ein Stück aufgeführt. Nach der Tragödie kommt die Farce, Immanuel Kant hat bis hier den unerbittlichen Philosophen traziert, er hat den Himmel gestürmt, er hat die ganze Besatzung über die Klinge springen lassen, der Oberherr der Welt schwimmt unbewiesen in seinem Blute, es gibt jetzt keine Allbarm- hcrzigkeit mehr, keine Vatergüte, keine jenseitige Be- lohnung für diesseitige Enthaltsamkeit, die Unsterb- lichkeit der Seele liegt in den letzten Zügen ~ das röchelt, das stöhnt — und der alte Lampe steht dabei mit seinem Regenschirm unterm Arm, als betrübter Zuschauer, und Angstschweiß und Tränen rinnen ihm vom Gesichte. Da erbarmt sich Immanuel Kant und zeigt, daß er nicht bloß ein großer Philosoph, sondern


Drittes Buch 309

audi ein guter Mensdi ist, und er überlegt, und halb gutmütig und halb ironisch spricht er: »der alte Lampe muß einen Gott haben, sonst kann der arme Mensch ; nidit glücklidi sein — - der Mensdi soll aber auf der Welt glücklidi sein — das sagt die praktisdie Vernunft ;' — meinetwegen — so mag audi die praktisdie Vernunft | die Existenz Gottes verbürgen«. In Folge dieses Argu* ments untersdieidet Kant zwisdien der theoretisdien Vernunft und der praktisdien Vernunft, und mit dieser, wie mit einem Zauberstäbdien , belebte er wieder den Leidinam des Deismus, den die theoretisdie Vernunft getötet.

Hat vielleidit Kant die Resurrektion nidit bloß des alten Lampe wegen, sondern audi der Polizei wegen unternommen? Oder hat er wirklidi aus Überzeugung gehandelt? Hat er eben dadurdi, daß er alle Beweise für das Dasein Gottes zerstörte, uns redit zeigen wollen, wie mißlidi es ist, wenn wir nidits von der Existenz Gottes wissen können? Er handelte da fast eben so weise, wie mein westfälisdier Freund, weldier alle La- ternen auf der Grohnderstraße zu Göttingen zersdilagcn hatte, und uns nun dort, im Dunkeln stehend, eine lange Rede hielt über die praktisdie Notwendigkeit der Later- nen, weldie er nur deshalb theoretisdi zersdilagen habe, um uns zu zeigen, wie wir ohne dieselben nidits sehen können.

Idi habe sdion früher erwähnt, daß die »Kritik der reinen Vernunft«, bei ihrem Ersdieinen, nidit die ge- ringste Sensation gemadit. Erst mehre Jahre später, als einige sdiarfsinnige Philosophen Erläuterungen über dieses Budi gesdirieben, erregte es die Aufmerksamkeit des Publikums, und im Jahre 1789 war in Dcutsdiland von nidits mehr die Rede als von Kantscher Philosophie, und sie hatte sdion in Hülle und Fülle ihre Kommen-


310 Religion und Philosophie in Deutschland

tare, Chrestomathien, Erklärungen, Beurteilungen, Apo- logien usw. Man braucht nur einen Blick auf den ersten besten philosophischen Katalog zu werfen, und die Un- zahl von Schriften, die damals über Kant erschienen, zeugt hinreichend von der geistigen Bewegung, die von diesem einzigen Manne ausging. Bei dem Einen zeigte sich ein schäumender Enthusiasmus, bei dem Andern eine bittere Verdrießlichkeit, bei vielen eine glotzende Erwartung über den Ausgang diesgLÄCistigen Revo-

(^ution. Wir hatten Erneuten in der geistigen Welt ^en \sö gut wie Ihr in der materiellen Welt, und bei dem

/Niederreißen des alten Dogmatismus echauffierten wir uns eben so sehr wie Ihr beim Sturm der Bastille. Es waren freilich ebenfalls nur ein paar alte Invaliden, welche den Dogmatismus, das ist die Wölfische Philo- sophie, verteidigten. Es war eine Revolution, und es

'fehlte nicht an Greuel. Unter der Partei der Vergangen- heit waren die eigentlichen guten Christen über jene Greuel am wenigsten ungehalten. Ja, sie wünschten noch schlimmere Greuel, damit sich das Maß fülle und die Contrerevolution desto schneller als notwendige

• Reaktion stattfinde. Es gab bei uns Pessimisten in der Philosophie wie bei Euch in der Politik. Manche unserer Pessimisten gingen in der Selbstverblendung so weit, daß sie sich einbildeten, Kant sei mit ihnen in einem geheimen Einverständnis und habe die bisherigen Be- weise für das Dasein Gottes nur deshalb zerstört, da- mit die Welt einsehe, daß man durch die Vernunft nimmermehr zur Erkenntnis Gottes gelange, und daß man sich also hier an der geoffenbarten Religion halten müsse.

I Diese große Geisterbewegung hat Kant nicht sowohl

/ durch den Inhalt seiner Sdiriften hervorgebracht, als viel-

/ mehr durch den kritisdien Geist, der darin waltete, und


Drittes Buch 311

der sidi jetzt in alle Wissenschaften eindrängte. Alle Disziplinen wurden davon ergriffen. Ja, sogar die Poesie blieb nidit versdiont von ihrem Einfluß. Sdiiller z. B. war ein gewaltsamer Kantianer und seine Kunstansiditen sind gesdiwängert von dem Geist der Kantsdien Pliilo- Sophie. Der sdiönen Literatur und den sdiönen Künsten! wurde diese Kantsdie Philosophie, wegen ihrer abstrak-l ten Trockenheit, sehr sdiädlidi. Zum Glück misdite sici sidi nidit in die Kodikunst.

Das deutsdie Volk läßt sidi nidit leidit bewegen, ist 1 es aber einmal in irgend eine Bahn hineinbewegt, so^' wird es dieselbe mit beharrlidister Ausdauer bis ans! Ende verfolgen. So zeigten wir uns in den Angelegen-! heiten der Religion, So zeigten wir uns nun audh in dcrj Philosophie. Werden wir uns eben so konsequent wcitcr-(| bewegen in der Politik?

Deutsdiland war durdi Kant in die philosophisdie Bahn hineingezogen, und die Philosophie ward eine Nationalsadie. Eine sdiöne Sdiar großer Denker sproßte plötzlidi aus dem deutschen Boden wie hervorgezaubert. Wenn einst, gleich der französischen Revolution, auch die deutsche Philosophie ihren Thiers und ihren Mignet findet, so wird die Geschichte derselben eine eben so merkwürdige Lektüre bieten, und der Deutsche wird sie mit Stolz und der Franzose wird sie mit Bewunde- rung lesen.

Unter den Schülern Kants ragte schon früher hervor Johann Gottlieb Fichte .

Ich verzweifle fast, von der Bedeutung dieses Mannes einen richtigen Begriff geben zu können. Bei Kant hatten wir nur ein Buch zu betrachten. Hier aber kommt außer dem Buche auch ein Mann in Betrachtung/ in diesem Manne sind Gedanke und Gesinnung eins, und in solcher großartigen Einheit, wirken sie auf die Mitwelt. Wir


312 Religion und Philosophie in Deutschland

haben daher nicht bloß eine Philosophie zu erörtern, sondern audi einen Charakter, durdi den sie gleidisam bedingt wird, und um beider Einfluß zu begreifen, be- dürfte es audi wohl einer Darstellung der damaligen i Zeitverhältnisse. Weldieweitreidiende Aufgabe! Voll* auf sind wir gewiß entsdiuldigt, wenn wir hier nur dürftige Mitteilungen bieten.

Sdion über den Fiditesthen Gedanken ist sehr sdiwcr zu beriditen. Audi hier stoßen wir auf eigentümlidie Sdiwierigkciten, Sie betreffen nidit bloß den Inhalt, sondern audi die Form und die Methode,- beides Dinge, womit wir den Ausländer gern zunädist bekannt madien. Zuerst also über die Fiditesdie Methode. Diese ist an- fänglidi ganz dem Kant entlehnt. Bald aber ändert sidi diese Methode durdi die Natur des Gegenstandes. Kant hatte nämlidi nur eine Kritik, also etwas Negatives, FiAte aber hatte späterhin ein System, folglidi etwas Positives aufzustellen. Wegen jenes Mangels an einem festen System, hat man der Kantsdien Philosophie mandi- mal den Titel »Philosophie« abspredien wollen. In Bc* Ziehung auf Immanuel Kant selber hatte man Redit, keineswegs aber in Beziehung auf die Kantianer, die aus Kants Sätzen eine hinlänglidie Anzahl von festen Sy- stemen zusammengebaut. In seinen früheren Sdiriften bleibt Fidite, wie gesagt, der Kantschen Methode ganz treu, so daß man seine erste Abhandlung als sie anonym ersdiien, für ein Werk von Kant halten konnte. Da Fidite aber später ein System aufstellt, so gerät er in ein eifriges, gar eigensinniges Konstruieren, und wenn er die ganze Welt konstruiert hat, so beginnt er eben so eifrig und eigensinnig von oben bis unten herab seine Konstruktionen zu demonstrieren. In diesem Kon- struieren und Demonstrieren bekundet Fidite eine so zu sagen abstrakte Leidensdiaft, Wie in seinem System


Drittes Buch 313

selbst, so herrsdit bald die Subjektivität audi in seinem Vortrag. Kant hingegen legt den Gedanken vor sidi hin, und seziert ihn, und zerlegt ihn in seine feinsten Fasern, und seine »Kritik der reinen Vernunft« ist gleidisam das anatomisdie Theater des Geistes. Er selber bleibt dabei kalt, gefühllos, wie ein editer Wundarzt.

Wie die Methode so audi die Form der Fiditesdien Sdiriften. Sie ist lebendig, aber sie hat audi alle Fehler des Lebens: sie ist unruhig und verwirrsam. Um redit lebendig zu bleiben, versdimäht Fidite die gewöhnlidie Terminologie der Philosophen, die ihm etwas Totes dünkt/ aber wir geraten dadurdi nodi viel weniger zum Verständnis. Er hat überhaupt über Verständnis ganz eigene Grillen. Als Reinhold mit ihm gleidier Meinung war, erklärte Fidite, daß ihn niemand besser verstehe wie Reinhold. Als dieser aber später von ihm abwidi, erklärte Fidite: er habe ihn nie verstanden. Als er mit Kant differenzierte, ließ er drucken : JCant verstehe sidi selber nidit, Idi berühre hier überhaupt die komisdie Seite unserer Philosophen. Sie klagen beständig über Niditverstanden werden. Als Hegel auf dem Todbette lag, sagte er: »nur Einer hat midi verstanden«, aber gleidi darauf fügte er verdrießlidi hinzu: »und der hat midi audi nidit verstanden«.

In Betreff ihres Inhalts an und für sidi hat die Fidite* sdie Philosophie keine große Bedeutung. Sie hat der Gesellsdiaft keine Resultate geliefert. Nur in so fem sie eine der merkwürdigsten Phasen der deutsdien Philo- sophie überhaupt ist, nur in so fern sie die Unfrudit* barkeit des Idealismus in seiner letzten Konsequenz be- urkundet, und nur in so fern sie den notwendigen Übergang zur heutigen Naturphilosophie bildet, ist der Inhalt der Fiditesdien Lehre von einigem Interesse. Da dieser Inhalt also mehr historisdi und wissensdiaftlidi


314 Religion und Philosophie in Deutschfand

als sozial wichtig ist, will ich ihn nur mit den kürzesten Worten andeuten.

Die Aufgabe, welche sich Fichte stellt, ist: welche Gründe haben wir, anzunehmen, daß unseren Vor- stellungen von Dingen auch Dinge außer uns entspre- chen? Und dieser Frage gibt er die Lösung: alle Dinge haben Realität nur in unserem Geiste.

Wie die »Kritik der reinen Vernunft« das Haupt«  buch von Kant, so ist die »Wissenschaftslehre« das Hauptbuch von Fichte. Dieses Buch ist gleichsam eine Fortsetzung des ersteren. Die Wissenschaftslehre ver- weist den Geist ebenfalls in sich selbst. Aber wo Kant analysiert, da konstruiert Fichte. Die Wissenschafts- ichre beginnt mit einer abstrakten Formel <Ich = Ich), sie erschafft die Welt hervor aus der Tiefe des Geistes, sie fügt die zersetzten Teile wieder zusammen, sie macht den Weg der Abstraktion zurück, bis sie zur Erscheinungs- ) weit gelangt. Diese Erscheinungswelt kann alsdann der Geist für notwendige Handlungen der Intelligenz er- klären. I Bei Fichte ist noch die besondere Schwierigkeit, daß l er dem Geiste zumutet, sich selber zu beobachten, wäh- rend er tätig ist. Das Ich soll über seine intellektuellen Handlungen Betrachtungen anstellen während es sie ausfährt. Der Gedanke soll sich selber belauschen, während er denkt, während er allmählig warm und wärmer und endlich gar wird. Diese Operation mahnt uns an den Affen, der am Feuerherde vor einem kup- fernen Kessel sitzt und seinen eigenen Schwanz kocht. Denn er meinte: die wahre Kochkunst besteht nicht darin, daß man bloß objektiv kocht, sondern auch sub- jektiv des Kochens bewußt wird.

Es ist ein eigener Umstand, daß die Fichtesche Philo- sophie immer viel von der Satire auszustehen hatte.


Drittes Buch 315

Ich sah mal eine Karikatur, die eine Fichtesdie Gans vorstellt. Sie hat eine so große Leber, daß sie nidit mehr weiß, ob sie die Gans oder ob sie die Leber ist. Auf ihrem Baudi steht: Idi = Idi. Jean Paul hat die Fichtesdie Philosophie aufs heilloseste persifliert in einem Budie, betitelt »Clavis Fiditeana«. Daß der Idealismus \ in seiner konsequenten Durdiführung am Ende gar die Realität der Materie leugnete, das ersdiien dem großen Publikum als ein Spaß, der zu weit getrieben. Wir mokierten uns nidit übel über das Fiditesche Idi, wel- ches die ganze Erscheinungswelt durch sein bloßes Den- ken produzierte. Unseren Spöttern kam dabei ein Miß- verständnis zu statten, das zu populär geworden, als daß ich es unerwähnt lassen dürfte. Der große Haufe meinte nämlich, das Fichtesche Ich, das sei das Ich von Johann Gottlieb Fichte, und dieses individuelle Ich leugne alle anderen Existenzen. Welche Unverschämtheit! riefen die guten Leute, dieser Mensch glaubt nidit, daß wir existieren, wir die wir weit korpulenter als er und als Bürgermeister und Amtsaktuare sogar seine Vor- gesetzten sind! Die Damen fragten: glaubt er nicht wenigstens an die Existenz seiner Frau? Nein? Und das läßt Madame Fichte so hingehn?

Das Fichtesche Ich ist aber kein individuelles Ich, sondern das zum Bewußtsein gekommene allgemeine Welt-Ich. Das Fichtesche Denken ist nicht das Denken eines Individuums, eines bestimmten Menschen, der Johann Gottlieb Fichte heißt/ es ist vielmehr ein all- gemeines Denken, das sich in einem Individuum mani- festiert. So wie man sagt: es regnet, es blitzt usw., so sollte audi Fichte nicht sagen: »ich denke«, sondern: »es denkt«, »das allgemeine Weltdenken denkt in mir«.i

Bei einer Vergleichung der französischen Revolution mit der deutschen Philosophie, habe ich einst, mehr aus


316 Religion und Philosophie in Deutschland

Scherz als im Ernste, den Fidhte mit Napoleon ver- glichen. Aber, in der Tat, es bieten sich hier bedeute» same Ähnlichkeiten. Nachdem die Kantianer ihr terro- ristisches Zerstörungswerk vollbracht, erscheint Fichte, wie Napoleon erschienen, nachdem die Konvention [ebenfalls mit einer reinen Vernunftkritik die ganze Vcr- Igangenheit niedergerissen hatte. Napoleon und Fichte

repräsentieren das große unerbittlidie Ich, bei welchem

'Gedanke und Tat eins sind, und die kolossalen Ge- bäude, welche beide zu konstruieren wissen, zeugen von einem kolossalen Willen. Aber durch die Schranken- losigkeit dieses Willens gehen jene Gebäude gleich wieder zu Grunde, und die Wissenschaftslehre, wie das Kaiserreich, zerfallen und verschwinden eben so schnell, wie sie entstanden.

Das Kaiserreich gehört nur noch der Geschichte, aber die Bewegung, welche der Kaiser in der Welt hervor- gebracht, ist noch immer nicht gestillt und von dieser Bewegung lebt noch unsere Gegenwart. So ist es auch mit der Fichteschen Philosophie. Sie ist ganz unter- gegangen, aber die Geister sind noch aufgeregt von den Gedanken, die durch Fichte laut geworden, und unberechenbar ist die Nachwirkung seines Wortes. Wenn auch der ganze Transzendental-Idealismus ein Irrtum war, so lebte docn in den Fichteschen Schriften dne stolze Unabhängigkeit, eine Freiheitsliebe, eine Manneswürde, die besonders auf die Jugend einen heil- samen Einfluß übte. Fichtes Ich war ganz überein- stimmend mit seinem unbeugsamen, hartnäckigen, ei- sernen Charakter. Die Lehre von einem solchen all- mächtigen Ich konnte vielleicht nur einem solchen Cha- rakter entsprießen, und ein solcher Charakter mußte, zurückwurzelnd in eine solche Lehre, noch unbeugsamer werden, noch hartnäckiger, noch eiserner.


Drittes Buch 317

Wie mußte dieser Mann den gesinnungslosen Skep^»^ tikern, den frivolen Eklektikern und den Moderanten von allen Farben ein Greul sein! Sein ganzes Leben war ein beständiger Kampf, Seine Jugendgesdiidite ist eine Reihe von Kümmernissen, wie bei fast allen un- seren ausgezeidineten Männern. Armut sitzt an ihrer Wiege und sdiaukelt sie groß, und diese magere Amme bleibt ihre treue Lebensgefährtin.

Nidits ist rührender als den willenstolzen Fidite zu sehen, wie er sidi durdi Hofmeisterei in der Welt durdi- zuquälen sudit. Soldies kläglidie Dienstbrot kann er nidit einmal in der Heimat finden, und er muß nach Warsdiau wandern. Dort die alte Gesdiidite. Der Hofmeister mißfällt der gnädigen Frau, oder vielleidit gar der ungnädigen Kammerjungfer. Seine Kratzfüße sind nidit fein genug, nidit französisdi genug, und er wird n\d\t mehr würdig befunden, die Erziehung eines kleinen polnisdien Junkers zu leiten. Johann Gottlieb Fidite wird abgesdiafft wie ein Lakai, erhält von der mißvergnügten Herrsdiaft kaum einen dürftigen Zehr- pfennig, verläßt Warsdiau und wandert nadi Königs- berg, in jugendlidiem Enthusiasmus, um Kant kennen zu lernen. Das Zusammentreffen dieser beiden Männer ist in jeder Hinsidit interessant, und idi glaube beider Weise und Zustände nidit besser veransdiaulidien zu können, als indem idi ein Fragment aus Fidites Tagc- budi mitteile, das in einer Biographie desselben, die sein Sohn unlängst herausgegeben, enthalten ist:

»Am fünfundzwanzigsten Juni ging idi nadi Königs- berg ab mit einem Fuhrmann von dorther, und traf ohne besondere Fährlidikeiten am ersten Juli daselbst ein. — Den vierten, Kant besudit, der midi indes nidit sonderlidi aufnahm: idi hospitierte bei ihm, und fand audi da meine Erwartungen nidit befriedigt. Sein


318 Religion und Philosophie in Deutschland

Vortrag ist schläfrig. Unterdes schrieb ich dies Tage- buch. — « 

^ — Schon lange wollte ich Kant ernsthafter besuchen, fand aber kein Mittel. Endlich fiel ich darauf, eine »Kritik aller Offenbarungen« zu schreiben, und sie ihm statt einer Empfehlung zu überreichen. Ich fing un- gefähr den dreizehnten damit an, und arbeitete seitdem ununterbrochen fort. — Am achtzehnten August über- schickte ich endlich die nun fertig gewordene Arbeit an Kant, und ging den dreiundzwanzigsten hin, um sein Urteil darüber zu hören. Er empfing mich mit aus- gezeichneter Güte, und schien sehr wohl mit der Ab- handlung zufrieden. Zu einem näheren wissenschaft- lichen Gespräche kam es nicht/ wegen meiner philo- sophischen Zweifel verwies er mich an seine »Kritik der reinen Vernunft«, und an den Hofprediger Schultz, den ich sofort aufsuchen werde. — Am sechsundzwanzigsten speiste ich bei Kant, in Gesellschaft des Professor Sommer/ und fand einen sehr angenehmen, geistreichen Mann an Kant/ erst jetzt erkannte ich Züge in ihm, die des großen in seinen Schriften niedergelegten Geistes würdig sind.« 

»Den siebenundzwanzigsten endigte ich dies Tage- buch, nachdem ich vorfier schon die Exzerpte aus den Kantschen Vorlesungen über Anthropologie, welche mir Herr v. S. geliehen, beendigt hatte. Zugleich beschließe ich, jenes hinfüro ordentlich alle Abende vor Schlafen- gehn fortzusetzen, und alles Interessante was mir be- gegnet, besonders aber Charakterzüge und Bemerkungen einzutragen.« 

»Den achtundzwanzigsten, Abends. Noch gestern fing ich an, meine Kritik zu revidieren, und kam auf recht gute tiefe Gedanken, die mich aber leider über- zeugten, daß die erste Bearbeitung von Grund aus


Drittes Buch 319

oberflädilidi ist. Heute wollte ich die neuen Unter- suchungen fortsetzen, fand midi aber von meiner Phan- tasie so fortgerissen, daß ich den ganzen Tag Nichts habe tun können. In meiner jetzigen Lage ist dies nun leider kein Wunder! Ich habe berechnet, daß ich von heute an nur noch vierzehn Tage hier subsistieren kann. — Freilich bin ich sdion in solchen Verlegenheiten gewesen, aber es war in meinem Vaterlande, und dann wird es bei zunehmenden Jahren und dringenderem Ehrgefühl immer härter, — Ich habe keinen Entsdiluß, kann keinen fassen. — Dem Pastor Borowski, zu wel* chem Kant midi gehen ließ, werde ich mich nicht ent- decken,- soll idi mich ja entdecken, so gesdiieht es an niemand, als Kant selbst.« 

»Am neunundzwanzigsten ging ich zu Borowski und fand an ihm einen recht guten, ehrlidien Mann. Er schlug mir eine Kondition vor, die aber noch nicht völlig gewiß ist, und die mich auch gar nicht sehr freut/ zu- gleich nötigte er mir durch seine Offenheit das Geständ- nis ab, daß ich pressiert sei, eine Versorgung zu wün- schen. Er riet mir, zu Professor W, zu gehn, Arbeiten habe ich nidit gekonnt, — Am folgenden Tage ging idi in der Tat zu W., und nachher zum Hofprediger Schultz. Die Aussichten bei ersterem sind sehr mißlich/ doch sprach er von Hauslehrerstellen im Kurländischen, die midi ebenfalls nur die hödiste Not anzunehmen be- wegen wird! Nachher zum Hofprediger, wo anfangs mich seine Gattin empfing. Auch er erschien, aber in mathematische Zirkel vertieft/ nachher, als er meinen Namen genauer hörte, wurde er durdi die Empfehlung Kants desto freundlicher. Es ist ein ec^ciges preußisches Gesicht, dodi leuchtet die Ehrlichkeit und Gutherzigkeit selbst aus seinen Zügen hervor. Ferner lernte idi da noch kennen Herrn Bräunlich und dessen Pflegbefohl-


320 Religion und Philosophie in Deutschland

ncn, den Grafen Dönhof, Herrn Büttner, Nevcu des Hofjprcdigers, und einen jungen Gelehrten aus Nürn- berg, Herrn Ehrhard, einen guten, treflFIidien Kopf, dodi ohne Lebensart und Weltkenntnis.« 

»Am ersten September stand ein Entsdiluß in mir fest, den idi Kant entded<en wollte,- eine Hauslehrer- stelle, so ungern idi dieselbe audi angenommen hätte, findet sidi nidit, und die Ungewißheit meiner Lage hindert miA hier, mit freiem Geiste zu arbeiten, und des bildenden Umgangs meiner Freunde zu genießen: also fort, in mein Vaterland zurüdt! Das kleine Dar- lehen, weldies idi dazu bedarf, wird mir vielleidit durdi Kants Vermittlung vcrsdiafft werden. Aber indem idi zu ihm gehn, und meinen Vorsdilag ihm madien wollte, entfiel mir der Mut. Idi besdiloß zu sdireiben. Abends wurde \d\ zu Hofpredigers gebeten, wo idi einen sehr angenehmen Abend verlebte. — Am zweiten voll- endete idi den Brief an Kant und sdiidtte ihn ab.« 

Trotz seiner Merkwürdigkeit kann idi midi dodi nidit entsdiließen , diesen Brief hier in französisdier Spradie mitzuteilen. Idi glaube, es steigt mir eine Röte in die Wangen, und mir ist, als sollte idi die versdiämtesten Kümmernisse der eignen Familie vor fremden Leuten erzählen. Trotz meinem Streben nadi französisdiem Weltsinn, trotz meinem philosophisdien Kosmopolitis- mus, sitzt dodi immer das alte Deutsdiland mit allen seinen Spießbürgergcfiihlen in meiner Brust. — Genug, idi kann jenen Brief nidit mitteilen, und idi beridite hier nur: Immanuel Kant war so arm, daß er trotz der herzzerreißend rührenden Spradie jenes Briefes, dem Johann Gottlieb Fidite kein Geld borgen konnte. Letz- terer ward aber darob nidit im mindesten unmutig, wie wir aus den Worten des Tagebudis, die idi nodi hier- hersetzen will, sdiließen können:


Drittes Buch 321

»Am dritten September wurde idi zu Kant ein«  geladen. Er empfing midi mit seiner gewöhnlidien Offenheit/ sagte aber, er habe sidi über meinen Vor* sdifag nodi nidit resolviert,- jetzt bis in vierzehn Tagen sei er außer Stande. Weldie liebenswürdige Offenheit! Übrigens madite er Sdiwierigkeiten über meine Des* seins, weldie verrieten, daß er unsere Lage in Sadisen

nidit genug kennt. Alle diese Tage habe idi Nidits

gemadit: idi will aber wieder arbeiten und das Übrige sdiledithin Gott überlassen. — Am sedisten. — Idi war zu Kant gebeten, der mir vorsdilug, mein Manu- skript über die »Kritik aller Offenbarungen« durdi Ver- mittlung des Herrn Pfarrer Borowski an Budihändler Härtung zu verkaufen. Es sei gut gesdirieben, meinte er, da idi von Umarbeitung spradi. — - Ist dies wahr? Und dodi sagt es Kant! — Übrigens sdilug er mir meine erste Bitte ab. — Am zehnten war idi zu Mittag bei Kant, Nidits von unserer Affairc/ Magister Gen- sidien war zugegen, und nur allgemeine, zum Teil sehr interessante Gesprädie: audi ist Kant ganz unverändert gegen midi derselbe. — — Am dreizehnten, heute, wollte idi arbeiten, und tue Nidits, Mein Mißmut über- fällt midi. Wie wird dies ablaufen? Wie wird es heut über adit Tage um midi stehen? Da ist mein Geld rein aufgezehrt!« 

Nadi vielem Umherirren, nadi einem langen Aufent- halt in der Sdiweiz findet Fidite endlidi eine feste Stelle in Jena, und von hier aus datiert sidi seine Glanzperiode, Jena und Weimar, zwei sädisisdie Städtdicn, die nur wenige Stunden von einander entfernt liegen, waren da- mals der Mittelpunkt des deutsdien Geisterlebens, In Weimar war der Hof und die Poesie, in Jena war die Universität und die Philosophie. Dort sahen wir die größten Diditer, hier die größten Gelehrten Deutsdi-

vn, ZI


322 Religion und Philosophie in Deutschland

lands. Anno 1794 begann Fichte seine Vorlesungen in Jena. Die Jahrzahl ist bedeutsam und erklärt sowohl den Geist seiner damaligen Schriften, als audi die Tri- bulationen, denen er seitdem ausgesetzt stand, und denen er vier Jahre später endlidi unterlag. Anno 1798 nän\* lidi erheben sidi gegen ihn die Anklagen wegen Atheis- mus, die ihm unleidlidie Verfolgungen zuziehen und audi seinen Abgang von Jena bewirken. Diese Be* gebenheit, die merkwürdigste in Fidites Leben, hat zu- gleidi eine allgemeine Bedeutung, und wir dürfen nidit davon sdiweigen. Hier kommt audi Fidites Ansidit von der Natur Gottes ganz eigentlidi zur Spradie.

In der Zeitsdirift »Philosophisdies Journal«, weldie Fidite damals herausgab, drud<te er einen Aufsatz, betitelt >Entwidtelung des Begriffs Religion«, der ihm von einem gewissen Forberg, weldier Sdiullehrer zu Saalfeld, eingesendet worden. Diesem Aufsatz fügte er nodi eine kleine erläuternde Abhandlung hinzu, unter dem Titel: »Über den Grund unseres Glaubens an eine göttlidie Weltregierung«.

Die beiden Stüdte nun wurden von der kursädisisdien Regierung konfisziert, unter dem Vorgeben, sie enthielten Atheismus, und zugleidi ging von Dresden aus ein Re- quisitionssdireiben an den weimarsdien Hof, worin der- selbe aufgefordert wurde, den Professor Fidite ernstlidi zu bestrafen. Der weimarsdie Hof hatte nun freilidi von dergleidien Ansinnen sidi keineswegs irre leiten lassen/ aber da Fidite bei diesem Vorfalle die größten Fehlgriffe beging, da er nämlidi eine Appellation ans Publikum sdirieb, ohne seine offizielle Behörde zu be- rüdtsiditigen : so hat diese, die weimarsdie Regierung, verstimmt und von außen gedrängt, dennodi nidit ver- meiden können, den in seinen Ausdrücken unvorsidi- tigen Professor mit einer gelinden Rüge zu erquicken.


Drittes Buch 323

Fidite aber, der sid\ in seinem Redite glaubte, wollte soldie Rüge nidit geduldig hinnehmen und verließ Jena. Nadi seinen damaligen Briefen zu sdiließen, wurmte ihn ganz besonders das Verhalten zweier Männer, die, durdi ihre amtlidie Stellung, in seiner Sadie besonders widitige Stimmen hatten, und dieses waren S. Ehr- würden der Oberkonsistorialrat v. Herder und S. Ex* zellenz der Geheime Rat v. Goethe. Aber beide sind hinreidiend zu entsAuIdigen. Es ist rührend, wenn man in Herders hinterlassenen Briefen liest, wie der arme Herder seine liebe Not hatte mit den Kandidaten der Theologie, die, nadidem sie in Jena studiert, zu ihm nadi Weimar kamen, um als protestantisdie Prediger exami- niert zu werden. Über Christus, den Sohn, wagte er im Examen sie gar nidit mehr zu befragen/ er war froh genug, wenn man ihm nur die Existenz des Vaters zu- gestand. Was Goethe betrifft, so hat er sidi in seinen Me- moiren über obiges Ereignis folgendermaßen geäußert:

»Nadi Reinholds Abgang von Jena, der mit Redit als ein großer Verlust für die Akademie ersdiicn, war mit Kühnheit, ja Verwegenheit an seine Stelle Fidite berufen worden, der in seinen Sdiriften sidi mit Groß- heit, aber vielleidit nidit ganz gehörig über die widi- tigsten Sitten-' und Staatsgegenstände erklärt hatte. Es war eine der tüditigsten Persönlidikeiten, die man je gesehen, und an seinen Gesinnungen im höheren Be- traft nidits auszusetzen/ aber wie hätte er mit der Welt, die er als seinen ersdiaffenen Besitz betraditete, gleiten Sdiritt halten sollen?

»Da man ihm die Stunden, die er zu öffentlidicn Vorlesungen benutzen wollte, an Werktagen verküm- mert hatte, so unternahm er Sonntags Vorlesungen, deren Einleitung Hindernisse fand. Kleine und größere daraus entspringende Widerwärtigkeiten waren kaum,


324 Religion und Philosophie in Deutschland

nidjt ohne Unbequemiidikeit der oberen Behörden, gC" tusdit und gesdiliditet, als uns dessen Äußerungen über Gott und göttlidie Dinge, über die man freilidi besser ein tiefes Stillschweigen bcobaAtet, von außen besdiwerende Anregungen zuzogen.

»Fidite hatte in seinem philosophisdien Journal über Gott und göttlidie Dinge auf eine Weise sid) zu äußern gewagt, weldie den hergebraditen Ausdrüdten über soldie Geheimnisse zu widerspredien sdiien. Er ward in Ansprudi genommen/ seine Verteidigung besserte die Sadie nidit, weil er leidensdiaftlidi zu Werke ging, ohne Ahnung, wie gut man diesseits für ihn gesinnt sei, wie wohl man seine Gedanken, seine Worte aus- zulegen wisse, weldies man freilidi ihm nidit gerade mit dürren Worten zu erkennen geben konnte, und eben so wenig wie man ihm auf das Gelindeste heraus- zuhelfen gedadite. Das Hin- und Widerreden, das Vermuten und Behaupten, das Bestärken und Ent- sdiließen wogte in viclfadien unsidieren Reden auf der Akademie in einander/ man spradi von einem mini- steriellen Vorhalt, von nidits Geringerem als einer Art Verweis, dessen Fiditc sidi zu gewärtigen hätte. Hier- über ganz außer Fassung, hielt er sidi für bereditigt, ein heftiges Sdireiben beim Ministerium einzureidien, worin er jene Maßregel als gewiß voraussetzend, mit Ungestüm und Trotz erklärte, er werde derglcidien niemals dulden, er werde lieber ohne weiteres von der Akademie abziehen, und in soldiem Falle nidit allein, indem mehrere bedeutende Lehrer, mit ihm einstimmig, den Ort zu verlassen gedäditen.

»Hierdurdi war nun auf einmal aller gegen ihn ge- hegte gute Wille gehemmt, ja paralysiert: hier blieb kein Ausweg, keine Vermittlung übrig, und das Ge- lindeste war, ihm ohne weiteres seine Entlassung zu


Drittes Buch 325

erteilen. Nun erst, nachdem die Sadie sidh nidit mehr ändern ließ, vernahm er die "Wendung, die man ihr zu geben im Sinne gehabt, und er mußte seinen über-^ eilten Sdiritt bereuen, wie wir ihn bedauern.« 

Ist das nidit, wie er leibt und lebt, der ministerielle, schliditende, vertuschende Goethe? Er rügt im Grunde nur, daß Fidite das gesprochen, was er dachte, und daß er es nidit in den hergebrachten verhüllenden Ausdrücken gesprochen. Er tadelt nicht den Gedanken, sondern das Wort. Daß der Deismus in der deutsdien Denkerwelt seit Kant vernichtet sei, war, wie ich schon einmal ge- sagt, ein Geheimnis, das jeder wußte, das man aber nidit laut auf dem Markte ausschreien sollte. Goethe war so wenig Deist wie Fichte,- denn er war Pantheist. Aber eben von der Höhe des Pantheismus konnte Goethe, mit seinem scharfen Auge, die Haltlosigkeit der Fichte* sehen Philosophie am besten durchsdiauen und seine mil- den Lippen mußten darob lächeln. Den Juden, was doch die Deisten am Ende alle sind, mußte Fichte ein Grcul sein/ dem großen Heiden war er bloß eine Torheit, »Der große Heide« ist nämlich der Name, den man in Deutschland dem Goethe beilegt. Doch ist dieser Name nicht ganz passend. Das Heidentum des Goethe ist wun- derbar modernisiert. Seine starke Heidennatur bekun- det sich in dem klaren, scharfen Auffassen aller äußeren Erscheinungen, aller Farben und Gestalten/ aber das Christentum hat ihn zu gleicher Zeit mit einem tieferen Verständnis begabt, trotz seines sträubenden Wider- willens hat das Christentum ihn eingeweiht in die Ge- ' heimnisse der Geisterwelt, er hat vom Blute Christi genossen, und dadurch verstand er die verborgensten Stimmen der Natur, gleich Siegfried, dem Nibelungen- held, der plötzlich die Sprache der Vögel verstand, als ein Tropfen Blut des erschlagenen Drachen seine Lippen


326 Religion und Philosophie in Deutschland

benetzte. Es ist merkwürdig, wie bei Goethe jene Heidennatur von unserer heutigsten Sentimentalität durchdrungen war, wie der antike Marmor so modern pulsierte, und wie er die Leiden eines jungen Werthers eben so stark mitempfand, wie die Freuden eines alten Griediengottes. Der Pantheismus des Goethe ist also von dem heidnisdien sehr untersdiieden. Um midi kurz auszudrücken: Goethe war der Spinoza der Poesie. Alle Gedidite Goethes sind durdidrungen von dem- selben Geiste, der uns audi in den Sdiriften des Spinoza anweht. Daß Goethe gänzlidi der Lehre des Spinoza huldigte, ist keinem Zweifel unterworfen. Wenigstens besdiäftigte er sidi damit während seiner ganzen Lebens-- zeit/ in dem Anfang seiner Memoiren, so wie audi in dem kürzlidi ersdiienenen letzten Bande derselben, hat er soldies freimütig bekannt. Idi weiß nidit mehr, wo idi es gelesen, daß Herder über diese beständige Be- sdiäftigung mit Spinoza, einst übellaunig ausrief; wenn dodi der Goethe einmal ein anderes lateinisdies Budi als den Spinoza in die Hand nähme! Aber dieses gilt nidit bloß von Goethe/ nodi eine Menge seiner Freunde, die später mehr oder minder als Diditer bekannt wur- den, huldigten frühzeit dem Pantheismus, und dieser blühte praktisdi in der deutsdien Kunst, ehe er nodi als philosophisdie Theorie bei uns zur Herrsdiaft ge- langte. Eben zur Zeit Fidites, als der Idealismus im Reiche der Philosophie seine erhabenste Blütezeit feierte, ward er im Reiche der Kunst gewaltsam zerstört, und CS entstand hier jene berühmte Kunstrevolution, die noch heute nidit beendigt ist, und die mit dem Kampfe der Romantiker gegen das altklassische Regime, mit den Schlegelschen Emeuten, anfängt.

In der Tat, unsere ersten Romantiker handelten aus einem pantheistischen Instinkt, den sie selbst nicht be-


Drittes Buch 327

griffen. Das Gefühl, das sie für Heimweh nach derjf kathoIisdienMutterkirdie hielten, war tieferen Ursprungs als sie selbst ahnten, und ihre Verehrung und Vorliebe für die Überlieferungen des Mittelalters, für dessen Volksglauben, Teufeltum, Zauberwesen, Hexerei . . . alles das war eine bei ihnen plötzlidi erwadite aber unbegriffene Zurückneigung nadi dem Pantheismus der alten Germanen, und in der sdinöde besdimutzten und boshaft verstümmelten Gestalt liebten sie eigentlidi nur die vordiristlidie Religion ihrer Väter. Hier muß idi erinnern an das erste Budi, wo idi gezeigt wie das Christentum die Elemente der altgermanisdien Religion in sidi aufgenommen, wie diese nadi sdimählidister Um- wandlung sidi im Volksglauben des Mittelalters erhalten haben, so daß der alte Naturdienst als lauter böse Zau- berei, die alten Götter als lauter häßlidie Teufel und ihre keuschen Priesterinnen als lauter rudilose Hexen betraditet wurden. Die Verirrungen unserer ersten Ro- mantiker lassen sidi von diesem Gesiditspunkte aus etwas milder beurteilen als es sonst gesdiieht. Sie woll- ten das katholisdie Wesen des Mittelalters restaurieren, weil sie fühlten, daß von den Heiligtümern ihrer ältesten Väter, von den Herrlidikeiten ihrer frühesten Nationa- lität, sidi nodi mandies darin erhalten hat/ es waren diese verstümmelten und gesdiändeten Reliquien, die ihr Gemüt so sympathetisdi anzogen, und sie haßten den Protestantismus und den Liberalismus, die dergleidicn mitsamt der ganzen katholisdien Vergangenheit zu ver- tilgen streben.

Dodi darüber werde idi später spredien. Hier gilt I es nur zu erwähnen, daß der Pantheismus sdion zur/ Zeit Fidites in die deutsdie Kunst eindrang, daß sogar die katholisdien Romantiker unbewußt dieser Riditungi folgten, und daß Goethe sie am bestimmtesten aus-'


328 Religion und Philosophie in Deutschland

sprach. Dieses geschieht schon im »Werther«, wo er nach einer liebeseligen Identifizierung mit der Natur

/ schmachtet. Im »Faust« sucht er ein Verhältnis mit der Natur anzuknüpfen auf einem trotzig mystischen, un*

1 mittelbaren Wege : er beschwört die geheimen Erd- kräfte, durch die Zauberformeln des Hödenzwangs. Aber am reinsten und lieblichsten beurkundet sich dieser Gocthesche Pantheismus in seinen kleinen Liedern. Die Lehre des Spinoza hat sich aus der mathematischen Hülle entpuppt und umflattert uns als Goethesches Lied. Daher die Wut unserer Orthodoxen und Pietisten gegen das Gocthesche Lied. Mit ihren frommen Bärentatzen tappen sie nach diesem Schmetterling, der ihnen be- ständig entflattert. Das ist so zart ätherisch, so duftig beflügelt. Ihr Franzosen könnt Euch keinen Begriff da- von machen, wenn Ihr die Sprache nicht kennt. Diese Goetheschen Lieder haben einen neckischen Zauber, der unbeschreibbar. Die harmonischen Verse um- schlingen dein Herz wie eine zärtliche Geliebte/ das \^ Wort umarmt dich, während der Gedanke dich küßt. In Goethes Betragen gegen Fichte, sehen wir also keineswegs die häßlichen Motive, die von manchen Zeit- genossen mit noch häßlicheren Worten bezeichnet wor- den. Sie hatten die verschiedene Natur beider Männer nicht begrifl^en. Die Mildesten mißdeuteten die Passivität Goethes, als später Fichte stark bedrängt und verfolgt wurde. Sie berücksichtigten nicht Goethes Lage. Dieser Riese war Minister in einem deutschen Zwergstaate. Er konnte sich nie natürlich bewegen. Man sagte von dem sitzenden Jupiter des Phidias zu Olympia, daß er das Dachgewölbe des Tempels zersprengen würde, wenn er einmal plötzlich aufstünde. Dies war ganz die Lage Goethes zu Weimar/ wenn er aus seiner stillsitzenden Ruhe einmal plötzlich in die Höhe gefahren wäre, er hätte


Drittes Buch 329

den Staatsgiebel durdibrodien, oder, was noch wahr^ sdieinlidier, er hätte sidi daran den Kopf zerstoßen. Und dieses sollte er riskieren für eine Lehre, die nidit bloß irrig, sondern auch lädierHdi? Der deutsdie Jupiter blieb ruhig sitzen, und Heß sidi ruhig anbeten undberäudiern.

Es würde midi von meinem Thema zu sehr ent* fernen, wollte idi, vom Standpunkte damaliger Kunst- interessen aus, das Betragen Goethes bei Gelegenheit der Anklage Fidites nodi gründlidier reditfertigen. Für Fidite spridit nur, daß die Anklage eigentlidi ein Vor- / wand war und daß sidi politisdie Verhetzungen da- Ü^m.t^ hinter verbargen. Denn wegen Atheismus kann wohl U ein Theolog angeklagt werden, weil er sidi verpfliditet f\ hat bestimmte Doktrinen zu lehren. Ein Philosoph hat aber keine soldie Verpfliditung eingegangen, kann sie nidit eingehn, und sein Gedanke ist frei wie der Vogel in der Luft. — Es ist vielleidit Unredit, daß idi, teils um meine eigenen, teils um Anderer Gefühle zu sdionen, nidit alles, was jene Anklage selbst be- gründete und reditfertigte, hier mitteile. Nur eine von den mißlidien Stellen will idi aus dem inkulpierten Auf- satze hier hersetzen ; » Die lebendige und wirkende /Am-

moralisdie Ordnung ist selbst Gott/ wir bedürfen keines -^»^ anderen Gottes und können keinen anderen fassen. - Es liegt kein Grund in der Vernunft aus jener mora- f lisdien Weltordnung herauszugehen und vermittelst y«*-/^ eines Sdilusses vom Begründeten auf den Grund nodi ein besonderes Wesen, als die Ursadie desselben, an- zunehmen/ der ursprünglidic Verstand madit sonadi diesen Sdiluß sidier nidit, und kennt kein soldies be- sonderes Wesen/ nur eine sidi selbst mißverstehende. Philosophie madit ihn. « '

Wie es halsstarrigen Mensdien eigentümlidi, so hat sidi Fidite in seiner »Appellation an das Publikum« 


330 Religion und Philosophi« in Deutschland

und seiner gerichtlichen Verantwortung noch derber und greller ausgesprochen, und zwar mit Ausdrücken, die unser tiefstes Gemüt verletzen. Wir, die wir an einen wirklichen Gott glauben, der unseren Sinnen in der un- endlichen Ausdehnung, und unserem Geiste in dem unendlichen Gedanken sich offenbart, wir, die wir einen sichtbaren Gott verehren in der Natur und seine un- sichtbare Stimme in unserer eigenen Seele vernehmen: I wir werden widerwärtig berührt von den grellen Wor- ten, womit Fichte unseren Gott für ein bloßes Hirn- gespinst erklärt und sogar ironisiert. Es ist zweifelhaft, in der Tat, ob es Ironie oder bloßer Wahnsinn ist, wenn Fichte den lieben Gott von allem sinnlichen Zu- sätze so rein befreit, daß er ihm sogar die Existenz abspricht, weil Existieren ein sinnlicher Begriff und nur als sinnlicher möglich ist! Die Wissenschaftslehre, sagt ^ er, kennt kein anderes Sein als das sinnliche, und da nur den Gegenständen der Erfahrung ein Sein zu- geschrieben werden kann, so ist dieses Prädikat bei Gott nicht zu gebrauchen. Demnach hat der Fichtesche Gott keine Existenz, er ist nicht, er manifestiert sich nur als reines Handeln, als eine Ordnung von Begeben- ' Seiten, als ordo ordinans, als das Weltgesetz.

Solchermaßen hat der Idealismus die Gottheit durch alle möglichen Abstraktionen so lange durchfiltriert, bis am Ende gar nichts mehr von ihr übrig blieb. Jetzt, wie bei Euch an der Stelle eines Königs, so bei uns an der Stelle eines Gottes, herrschte das Gesetz,

Was ist aber unsinniger, eine loi athee, ein Gesetz, welches keinen Gott hat, oder ein Dieu-^loi, ein Gott, der nur ein Gesetz ist?

Der Fichtesche Idealismus gehört zu den kolossalsten Irrtümern, die jemals der menschliche Geist ausgeheckt. Er ist gottloser und verdammlicher als der plumpste


Drittes Buch 331

Materialismus. Was man Atheismus der Materialisten hier in Frankreidi nennt, wäre, wie lA leidit zeigen könnte, noch immer etwas Erbauliches, etwas Fromm- gläubiges, in Vergleichung mit den Resultaten des Fichte* ) sehen Transzendental^Idealismus. So viel weiß ich, beide ^ sind mir zuwider. Beide Ansichten sind auch antipoetisch. Die französischen Materialisten haben eben so sciilechtc Verse gemadit, wie die deutschen TranszendentaUIdeali* sten. Aber staatsgefährlich ist die Lehre Fichtes keines- wegs gewesen, und noch weniger verdiente sie als Staats- gefährlicii verfolgt zu werden. Um von dieser Irrlehre mißleitet werden zu können, dazu bedurfte man eines spekulativen Scharfeinns, wie er nur bei wenigen Men- sdien gefunden wird. Dem großen Haufen mit seinen tausend dicken Köpfen war diese Irrlehre ganz unzu- gänglich. Die Fichtesche Ansicht von Gott hätte also auf rationellem, aber nicht auf polizeilichem Wege wider- legt werden müssen. Wegen Atheismus in der Philo- sophie angeklagt zu werden, war auch in Deutschland so etwas Befremdliciies, daß Fidite wirklich im Anfang gar nicht wußte, was man begehre. Ganz richtig sagte er, die Frage, ob eine Philosophie atheistisch sei oder nicht? klinge einem Philosophen eben so wunderlich, wie etwa einem Mathematiker die Frage: ob ein Dreieck grün oder rot sei?

Jene Anklage hatte also ihre verborgenen Gründe, / und diese hat Fidite bald begriffen. Da er der ehrlidiste Mensch von der Welt war, so dürfen wir einem Briefe, worin er sidi gegen Reinhold über jene verborgenen Gründe ausspricht, völligen Glauben schenken, und da dieser Brief, datiert vom zweiundzwanzigsten Mai 1799, die ganze Zeit schildert und die ganze Bedrängnis des Mannes veranschaulichen kann, so wollen wir einen Teil desselben hier hersetzen:


332 Religion und Philosophie in Deutschland

»Ermattung und Ekel bestimmen mich zu dem Dir schon mitgeteilten Entschlüsse, für einige Jahre ganz zu verschwinden. Ich war, meiner damaligen Ansicht der Sache nach, sogar überzeugt, daß diesen Entschluß die Pflicht fordere, indem bei der gegenwärtigen Gärung ich ohnedies nicht gehört werden, und die Gärung nur ärger machen würde, nach ein paar Jahren aber, wenn die erste Befremdung sich gelegt, ich mit desto größe- rem Nachdruck sprechen würde. — Ich denke jetzt an- ders. Ich darf jetzt nicht verstummen,- schweige ich jetzt, so dürfte ich wohl nie wieder ans Reden kommen. — Es war mir, seit der Verbindung Rußlands mit Ostreich, schon längst wahrscheinlich, was mir nunmehr durch die neuesten Begebenheiten, und besonders seit dem gräßlichen Gesandtenmord <über den man hier jubelt, und über welchen S. und G. ausrufen: so ists recht, diese Hunde muß man tot schlagen) völlig gewiß ist, daß der Despotismus sich von nun an mit Verzweif- lung verteidigen wird, daß er durch Paul und Pitt konse- quent wird, daß die Basis seines Plans die ist, die Geistesfreiheit auszurotten, und daß die Deutschen ihm die Erreichung dieses Zwecks nicht erschweren werden.

»Glaube z. B. nicht, daß der weimarsche Hof ge- glaubt hat, der Frecjuenz der Universität werde durch meine Gegenwart geschadet werden/ er weiß zu wohl das Gegenteil. Er hat zufolge des allgemeinen, be- sonders von Kursachsen kräftigst ergriffenen Plans mich entfernen müssen. Burscher in Leipzig, ein Ein- geweihter dieser Geheimnisse, ist schon gegen Ende des vorigen Jahrs eine ansehnliche Wette eingegangen, daß ich zu Ende dieses Jahrs Exulant sein würde. Voigt ist durch Burgsdorf schon längst gegen mich gewonnen worden. Vom Departement der Wissenschaften zu Dresden ist bekannt gemacht worden, daß keiner, der


Drittes Buch 333

sich auf die neuere Philosophie lege, befördert werden, oder, wenn er es sdion ist, weiter rücken solle. In der Freisdiule zu Leipzig ist sogar die Rosenmüllersdie Auf- klärung bedenklidi gefunden,- Luthers Katediismus ist neuerlidi dort wieder eingeführt, und die Lehrer sind von neuem auf die symbolisdien Büdier konfirmiert worden. Das wird weiter gehn und sich verbreiten.

In Summa: es ist mir gewisser, als das Ge« 

wisseste, daß, wenn nidit die Franzosen die ungeheuerste Übermadit erringen und in Deutsdiland, wenigstens einem beträditlidien Teile desselben, eine Veränderung durdisetzen, in einigen Jahren in Deutsdiland kein Mensdi mehr, der dafür bekannt ist, in seinem Leben einen freien Gedanken gedadit zu haben, eine Ruhe- stätte finden wird. — Es ist mir also gewisser als das Gewisseste, daß finde idi audi jetzt irgendwo ein Win- keldien, idi dodi in einem, hödistens in zwei Jahren wieder fortgejagt werden würde/ und es ist gefährlidi, sidi an mehreren Orten fortjagen zu lassen,- dies lehrt historisdi Rousseaus Beispiel.

»Gesetzt, idi sdiweige ganz, sdireibe nidit das Ge- ringste mehr: wird man midi unter dieser Bedingung ruhig lassen? Idi glaube dies nidit, und gesetzt, id\ könnte es von den Höfen hoffen, wird nidit die Geist- lidikeit, wohin idi midi audi wende, den Pöbel gegen midi aufhetzen, midi von ihm steinigen lassen, und nun — die Regierungen bitten, midi als einen Mensdien, der Unruhen erregt, zu entfernen? Aber darf idi danni sdiweigen? Nein, das darf idi wahrlidi nidit/ denn idii habe Grund zu glauben, daß, wenn nodi etwas ge-| rettet werden kann des deutsdien Geistes, es durdi mein Reden gerettet werden kann, und durdi mein Still- sdiweigen die Philosophie ganz und zu frühe zu Grunde gehen würde. Denen idi nidit zutraue, daß sie midi


334 Religion und Philosophie in Deutschfand

schweigend würden existieren lassen, traue idi noch weniger zu, daß sie mich werden reden lassen.

»Aber ich werde sie von der Unschädlichkeit meiner Lehre überzeugen. — Lieber Reinhold, wie Du mir so gut von diesen Menschen denken kannst! Je klarer ich werde, je unschuldiger ich erscheine, desto schwärzer werden sie und desto größer wird überhaupt mein wahres Vergehen. Ich habe nie geglaubt, daß sie mei- nen vorgeblichen Atheismus verfolgen,- sie verfolgen in mir einen Freidenker, der anfängt sich verstand* lieh zu machen, < Kants Glück war seine Obskurität) und einen verschrieenen Demokraten,- es erschreckt sie, wie ein Gespenst, die Selbständigkeit, die, wie sie dunkel ahnen, meine Philosophie weckt.« 

Ich bemerke nochmals, daß dieser Brief nicht von gestern ist, sondern das Datum des 22. Mai 1799 trägt. Die politischen Verhältnisse jener Zeit haben eine gar betrübende Ähnlichkeit mit den neuesten Zu- ständen in Deutschland/ nur daß damals der Freiheits» sinn mehr unter Gelehrten, Dichtern und sonstigen Literaten blühete, heutigen Tags aber unter diesen viel minder, sondern weit mehr in der großen aktiven Masse, unter Handwerkern und Gewcrbsleuten sich ausspricht. Während zur Zeit der ersten Revolution die bleiern deutscheste Schlafsucht auf dem Volke lastete, und gleichsam eine brutale Ruhe in ganz Germanien herrschte, offenbarte sich in unserer Schriftwelt das wildeste Gären und Wallen. Der einsamste Autor, der in irgend einem abgelegenen Winkelchen Deutsch- lands lebte, nahm Teil an dieser Bewegung/ fast sym- pathetisch, ohne von den politischen Vorgängen genau unterrichtet zu sein, fühlte er ihre soziale Bedeutung, und sprach sie aus in seinen Schriften. Dieses Phäno- men mahnt mich an die großen Seemuschcln, welche


Drittes Buch 335

wir zuweilen als Zierat auf unsere Kamine stellen,' und die, wenn sie audi nodi so weit vom Meere ent^ fernt sind, dennodi plötzlidi zu rausdien beginnen, so* bald dort die Flutzeit eintritt und die Wellen gegen die Küste heranbredien. Als hier in Paris, in dem großen Mensdien^Ozean, die Revolution losflutete, als es hier brandete und stürmte, da rausditen und brau* sten jenseits des Rheins die deutsdien Herzen . . . Aber sie waren so isoliert, sie standen unter lauter fühllosem Porzellan, Teetassen und Kaffeekannen und diinesisdien Pagoden, die medianisdi mit dem Kopfe nickten, als wüßten sie, wovon die Rede sei. Adi! unsere armen Vorgänger in Deutsdiland mußten für jene Revolutions- sympathie sehr arg büßen. Junker und Pfäffdien übten an ihnen ihre plumpsten und gemeinsten Tücken. Ei- nige von ihnen flüchteten nadi Paris und sind hier in Armut und Elend verkommen und versdiollen, Idi habe jüngst einen blinden Landsmann gesehen, der nodi seit jener Zeit in Paris ist/ idi sah ihn im Palais- Royal wo er sidi ein bißdien an der Sonne gewärmt hatte. Es war sAmerzlidi anzusehen, wie er blaß und mager war und sidi seinen Weg an den Häusern weiter fühlte. Man sagte mir, es sei der alte dänisdie Diditer Heiberg. Audi die Dadistube habe idi jüngst gesehen, wo der Bürger Georg Forster gestorben. Den Frei- heitsfreunden, die in Deutsdiland blieben, wäre es aber nodi weit sdilimmer ergangen, wenn nidit bald Napo* leon und seine Franzosen uns besiegt hätten. Napo* leon hat gewiß nie geahnt, daß er selber der Retter der Ideologie gewesen. Ohne ihn wären unsere Philo- sophen mitsamt ihren Ideen durdi Galgen und Rad ausgerottet worden. Die deutsdien Freiheitsfreundc jedodi, zu republikanisdi gesinnt, um dem Napoleon zu huldigen, audi zu großmütig, um sidi der Fremd-


336 Religion und Philosophie in Deutschland

Herrschaft anzusAließcn , hüllten siA seitdem in ein tiefes Schweigen. Sie gingen traurig herum mit ge* brochencn Herzen, mit geschlossenen Lippen. Als Na* poleon fiel, da lächelten sie, aber wehmütig, und schwie«  gen/ sie nahmen fast gar keinen Teil an dem patrio* tischen Enthusiasmus, der damals, mit allerhöchster Bewilligung, in Deutschland emporjubelte. Sie wußten, was sie wußten, und schwiegen. Da diese Republi- kaner eine sehr keusche, einfache Lebensart führen, so werden sie gewöhnlich sehr alt, und als die Juliusrevo- lution ausbrach, waren noch viele von ihnen am Leben, und nicht wenig wunderten wir uns, als die alten Käuze, die wir sonst immer so gebeugt und fast blödsinnig schweigend umherwandeln gesehen, jetzt plötzlich das Haupt erhoben, und uns Jungen freundlich entgegen lachten, und die Hände drückten, und lustige Geschich- ten erzählten. Einen von ihnen hörte ich sogar singen/ denn im KafFeehause sang er uns die Marseiller Hymne vor, und wir lernten da die Melodie und die schönen Worte, und es dauerte nicht lange, so sangen wir sie besser als der Alte selbst/ denn der hat manchmal in der besten Strophe wie ein Narr gelacht, oder geweint wie ein Kind. Es ist immer gut, wenn so alte Leute leben bleiben, um den Jungen die Lieder zu lehren. Wir Jungen werden sie nicht vergessen, und einige von uns werden sie einst jenen Enkeln einstudieren, die jetzt noch nicht geboren sind. Viele von uns werden aber unterdessen verfault sein, daheim im Gefängnisse, oder auf einer Dachstube in der Fremde.

Laßt uns wieder von Philosophie reden! Ich habe oben gezeigt, wie die Fichtesche Philosophie aus den dünnsten Abstraktionen aufgebaut, dennoch eine eiserne Unbeugsamkeit in ihren Folgerungen, die bis zur ver- wegensten Spitze emporstiegen, kund gab. Aber eines


Drittes Buch 337

frühen Morgens erblicken wir in ihr eine große Ver* änderung. Das fängt an zu blümein und zu flennen und wird weidi und besdieiden. Aus dem idealistisdien Titanen, der auf der Gedankenleiter den Himmel er- klettert und mit kecker Hand in dessen leere Gemädier herumgetastet: der wird jetzt etwas gebückt Christ* lidies, das viel von Liebe seufzt. Soldies ist nun die / zweite Periode von Fidite, die uns hier wenig angeht. Sein ganzes System erleidet die befremdlidisten Modi* fikationen. In jener Zeit sdirieb er ein Budi, weldies Ihr jüngst übersetzt: »die Bestimmung des Mensdien«. Ein ähnlidies Budi: »Anweisung zum seligen Leben«  gehört ebenfalls in jene Periode.

Fiditc, der starrsinnige Mann, wie sidi von selbst versteht, wollte dieser eignen großen Umwandlung nie* mals eingeständig sein. Er behauptete, seine Philo* Sophie sei nodi immer dieselbe, nur die Ausdrücke seien verändert, verbessert,- man habe ihn nie ver* standen. Er behauptete audi, die Naturphilosophie, die damals in Deutsdiland aufkam und den Idealismus verdrängte, sei im Grunde ganz und gar sein eignes System, und sein Sdiüler, Herr Joseph Sdielling, weldier sidi von ihm losgesagt und jene neue Philosophie ein* geleitet, habe bloß die Ausdrücke umgesdiaffen und seine alte Lehre nur durdi unerquicklidie Zutat erweitert.

Wir gelangen hier zu einer neuen Phase des deut* sdien Gedankens. Wir erwähnten die Namen Joseph Sdielling und Naturphilosophie/ da nun ersterer hier fast ganz unbekannt ist, und da audi der Ausdruck Naturphilosophie nidit allgemein verstanden wird, so habe idi beider Bedeutung zu erklären. Ersdiöpfend können wir soldies nun freilidi nidit in diesen Blättern/ ein späteres Budi werden wir einer soldien Aufgabe widmen. Nur einige eindringende Irrti^ner wollen wir

VII, 22


336 Religion und Philosophie in Deutschtand

! hier abweisen, und nur der sozialen Widitigkeit der erwähnten Philosophie einige Aufmerksamkeit leihen,

, Zuerst ist zu erwähnen, daß Fidite nidit so ganz / Unredit hat, wenn er eiferte, des Herrn Joseph Sdiel- lings Lehre sei cigentlidi die seinige, nur anders for- muliert und erweitert. Eben so wie Herr Joseph Sdiel- ling lehrte audi Fidite: es gibt nur ein Wesen, das Idi, das Absolute/ er lehrte Identität des Idealen und des Realen. In der »Wissensdiaftslehre«, wie idi ge- zeigt, hat Fi Ate durdi intellektuelle Konstruktion aus (dem Idealen das Reale konstruieren wollen. Herr Jo- seph Sdielling hat aber die Sadie umgekehrt: er sudite aus dem Realen das Ideale herauszudeuten. Um midi nodi klarer auszudrücken: von dem Grundsatze aus- gehend, daß der Gedanke und die Natur eins und das- selbe seien, gelangt Fidite durdi Geistesoperation zur Ersdieinungswelt , aus dem Gedanken sdiafft er die Natur, aus dem Idealen das Reale/ dem Herrn Sdiel- ling hingegen, während er von demselben Grundsatz ausgeht, wird die Ersdieinungswelt zu lauter Ideen, die Natur wird ihm zum Gedanken, das Reale zum Idealen. Beide Riditungcn, die von Fidite und die von Herrn Sdielling, ergänzen sidi daher gewissermaßen. Denn nadi jenem erwähnten obersten Grundsatze konnte die Philosophie in zwei Teile zerfallen, und in dem einen Teile würde man zeigen: wie aus der Idee die Natur zur Ersdieinung kommt/ in dem andern Teil würde man zeigen : wie die Natur sidi in lauter Ideen auflöst. Die Philosophie konnte daher zerfallen in transzendentalen Idealismus und in Naturphilosophie. Diese beiden Riditungen hat nun audi Herr Sdielling wirklidi anerkannt, und die letztere verfolgte er in seinen »Ideen zu einer Philosophie der Natur« und erstere in seinem »Sy«tem des transzendentalen Idealismus«. \


Drittes Buch 339

Diese Werke, wovon das eine 1797 und das andere 1800 ersdiienen, erwähne idi nur deshalb, weil jene er- gänzende Riditungen sdion in ihrem Titel ausge«  sprodien sind, nidit weil etwa ein vollständiges System in ihnen enthalten sei. Nein, dieses findet sidi in keinem von Herrn Sdiellings Büdiern. Bei ihm gibt es nidit, \ wie bei Kant und bei Fidite, ein Hauptbudi, weldics als Mittelpunkt seiner Philosophie betraditet werden | kann. Es wäre eine Ungereditigkeit, wenn man Herrn Sdielling nadi dem Umfange eines Budies und nadi der Strenge des Budistabens beurteilen wollte. Man mußl vielmehr seine Büdier dironologisdi lesen, die allmählige Ausbildung seines Gedankens darin verfolgen, und sidi | dann an seiner Grundidee festhalten. Ja, es sdieint mir? auA nötig, daß man bei ihm nidit selten unterscheide,/ wo der Gedanke aufhört und die Poesie anfängt. Denn Herr Sdielling ist eines von jenen Gesdiöpfen, denen die Natur mehr Neigung zur Poesie als poetisdie Potenz ver- liehen hat, und die, unfähig den Töditern des Parnassus zu genügen, sidi in die Wälder der Philosophie geflüditct und dort mit abstrakten Hamadryaden die unfruditbarste Ehe führen. Ihr Gefühl ist poetisdi, aber das Werkzeug,! das Wort, ist sdiwadi,- sie ringen vergebens nadi einer Kunstform, worin sie ihre Gedanken und Erkenntnisse/ mitteilen können. Die Poesie ist Herrn Sdiellings Force, und Sdiwädie. Sie ist es, wodurch er sidi von Fidite untersdieidet, sowohl zu seinem Vorteil als audi zu sei- nem Naditeil. Fidite ist nur Philosoph und seine Madit' besteht in Dialektik und seine Stärke besteht im Demon-, strieren. Dieses aber ist die sdiwadie Seite des Herren Sdielling, er lebt mehr in Ansdiauungen, er fühlt sidi nidit! heimisdi in den kalten Höhen der Lx)gik, er sdinappt gern über in die Blumentäler der Symbolik, und seine philo- 1 sophisdie Stärke besteht im Konstruieren. Letzteres aber


340 Religion und Philosophie in Deutschland

ist eine Geistesfähigkeit, die bei den mittelmäßigen Poeten eben so oft gefunden, wie bei den besten Philosophen. Nadi dieser letzteren Andeutung wird begreiflidi, daß Herr Sdielling in demjenigen Teile der Philosophie, der bloß transzendentaler Idealismus ist, nur ein Nadi- beter von Fidite geblieben und bleiben mußte, daß er aber in der Philosophie der Natur, wo er unter Blumen und Sternen zu wirtsdiaften hatte, gar gewaltig blühen und strahlen mußte. Diese Riditung ist daher nidit bloß von ihm, sondern audi von den gleidigestimmten Freun- den vorzugsweise verfolgt worden, und der Ungestüm, der dabei zum Vorsdiein kam, war glcidisam nur eine diditerlingsdie Reaktion gegen die frühere abstrakte Geistesphilosophie. Wie freigelassene Sdiulknaben, die den ganzen Tag in engen Sälen unter der Last der Vokabeln und ChifFern geseufzt, so stürmten die Sdiüler des Herrn Sdielling hinaus in die Natur, in das duftende, sonnige Reale, und jaudizten, und sdilugen Burzelbäume,

und maditen einen großen Spektakel.

Der Ausdruck »die Sdiüler des Herren Sdielling« darf hier ebenfalls nidit in seinem gewöhnlidicn Sinne ge- nommen werden. Herr Sdielling selber sagt, nur in der Art der alten Diditer habe er eine Sdiule bilden wollen, eine Diditersdiule, wo keiner an eine bestimmte Doktrin und durch eine bestimmte Disziplin gebunden ist, son- dern wo jeder dem Geiste gehordit und jeder ihn in seiner Weise offenbart. Er hätte audi sagen können, er stifte eine Prophetensdiule, wo die Begeisterten zu prophezeien anfangen, nadi Lust und Laune, und in beliebiger Sprediart. Dies taten audi wirklidi die Jünger, die des Meisters Geist angeregt, die besdiränktesten Köpfe fingen an zu prophezeien, jeder in einer andern

i Zunge, und es entstand ein großes Pfingstfest in der Philosophie.


i;


Drittes Buch 341

Wie das Bedeutendste und Herrlidiste zu lauter Mummensdianz und Narretei verwendet werden kann, wie eine Rotte von feigen Sdiälken und melandiolisdien Hanswürsten im Stande ist, eine große Idee zu kom- promittieren, das sehen wir hier bei Gelegenheit der Naturphilosophie. Aber das Ridikül, das ihr die Pro- phetensdiule oder die Diditersdiule des Herrn Sdielling bereitet, kommt wahrlidi nidit auf ihre eigne Redi* nung. Denn die Idee der Naturphilosophie ist ja im Grunde nidits anders, als die Idee des Spinoza, der Pantheismus.

Die Lehre des Spinoza und die Naturphilosophie, 'A wie sie Sdielling in seiner besseren Periode aufstellte, sind wesentlidi eins und dasselbe. Die Deutsdien, nadi- dem sie den LxDckesdicn Materialismus versdimäht und den Leibnitzsdien Idealismus bis auf die Spitze getrieben und diesen ebenfalls unfruditbar erfunden, gelangten endlidi zu dem dritten Sohne des Descartes, zu Spinoza. Die Philosophie hat wieder einen großen Kreislauf voIU J endet, und man kann sagen, es sei derselbe, den sie / sdion vor zweitausend Jahren in Griedienland durdi-/ laufen. Aber bei näherer Vergleidiung dieser beiden Kreisläufe zeigt sidi eine wesentlidie Versdiiedenheit. Die Griedien hatten eben so kühne Skeptiker, wie wir, die Eleaten haben die Realität der Außenwelt eben so bestimmt geleugnet, wie unsere neueren Transzendental* Idealisten, Plato hat eben so gut wie Herr Sdielling in der Ersdicinungswelt die Geisteswelt wiedergefunden. Aber wir haben etwas voraus vor den Griedien, sowie ) audi vor den Cartesianisdien Sdiulen, wir haben etwas vor ihnen voraus, nämlidi:

Wir begannen unseren philosophisdien Kreislauf mit einer Prüfung der mensdilidien Brkenntnisquellen, mit der Kritik der reinen Vernunft unseres Immanuel Kant.


342 Religion und Philosophie in Deutschland

Bei Erwähnung Kants kann idi obigen Betraditungcn

hinzufugen, daß der Beweis für das Dasein Gottes, den

derselbe nodi bestehen lassen, nämlidi der sogenannte

moralisdie Beweis, von Herrn Sdielling mit großem

Eklat umgestoßen worden. Idi habe aber oben sdion

bemerkt, daß dieser Beweis nidit von sonderlidier Stärke

war, und daß Kant ihn vielleidit nur aus Gutmütigkeit

^ bestehen lassen. Der Gott des Herrn Sdielling ist das

\ Gott-Welt'AII des Spinoza. ^X^enigstens war er es im

Xtt ^J*'^'" 1801, im zweiten Bande der »Zeitsdirift für speku-

^. lative Physik«. Hier ist Gott die absolute Identität der

^' iNatur und des Denkens, der Materie und des Geistes,

/^ ^ [und die absolute Identität ist nidit Ursadie des Welt-

/Alls, sondern sie ist das Welt'AII selbst, sie ist also das Gott- Welt' All. In diesem gibt es audi keine Gegen- sätze und Teilungen. Die absolute Identität ist audi die absolute Totalität. Ein Jahr später hat Herr Sdielling seinen Gott noch mehr entwickelt, nämlidi in einer Sdirift, betitelt: »Bruno, oder über das göttlidie oder natürlidie Prinzip der Dinge«. Dieser Titel erinnert an den edelsten Märtyrer unserer Doktrin, Jordano Bruno von Noia, glorrcidicn Andenkens. Die Italiener be- haupten, Herr Sdielling habe dem alten Bruno seine besten Gedanken entlehnt, und sie besdiuldigen ihn des Plagiats. Sie haben Unredit, denn es gibt kein Plagiat in der Philosophie. Anno 1804 ersdiien der Gott des Herren Sdielling endlidi ganz fertig in einer Sdirift, be- I titelt: »Philosophie und Religion«. Hier finden wir in I ihrer Vollständigkeit die Lehre vom Absoluten. Hier wird das Absolute in drei Formeln ausgedrückt. Die erste ist die kategorisdie: das Absolute ist weder das Ideale nodi das Reale (weder Geist nodi Materie), I sondern es ist die Identität beider. Die zweite Formel ' ist die hypothetisdie : wenn ein Subjekt und ein Ob-


Drittes Buch 343

jekt vorhanden ist, so ist das Absolute die wesentlidic j Gleidiheit dieser beiden. Die dritte Formel ist die dis*l junktive: es ist nur Ein Sein, aber dies Eine kann zu' gleidier Zeit, oder abwediselnd, als ganz ideal oder als ganz real betraditet werden. Die erste Formel ist ganz negativ, die zweite setzt eine Bedingung voraus, die nodi sdiwerer zu begreifen ist, als das Bedingte selbst, und die dritte Formel ist ganz die des Spinoza: die absolute Substanz ist erkennbar entweder als Denken oder als Ausdehnung, Auf philosophisdiem Wege, konnte also Herr Sdielling nidit weiter kommen alsj Spinoza, da nur unter der Form dieser beiden Attri4 bute. Denken und Ausdehnung, das Absolute zu be^ greifen ist. Aber Herr Sdielling verläßt jetzt den philo- sophisdien Weg, und sudit durdi eine Art mystisdier Intuition zur Ansdiauung des Absoluten selbst zu ge* langen, er sudit es anzusdiauen in seinem Mittelpunkt,! in seiner Wesenheit, wo es weder etwas Ideales ist noA etwas Reales, weder Gedanken nodi Ausdehnung, weder/ Subjekt nodi Objekt, weder Geist nodi Materie, sondern! . . . was weiß idi!

Hier hört die Philosophie auf bei Herrn Sdielling, und die Poesie, idi will sagen, die Narrheit, beginnt. Hier aber audi findet er den meisten Anklang bei einer Menge von Faselhänsen, denen es eben recht ist, das ruhige Denken aufzugeben, und gleidisam jene Derwisdi Tourneurs nadizuahmen, die, wie unser Freund Jules David erzählt, sidi so lange im Kreise herumdrehen, bis sowohl objektive wie subjektive Welt ihnen ent* sdi windet, bis beides zusammenfließt in ein weißes Nidits, das weder real nodi ideal ist, bis sie etwas sehen, was nidit siditbar, hören, was nidit hörbar, bis sie Farben hören und Töne sehen, bis sidi das Abso* lute ihnen veransdiaulidit.


344 Religion und Philosophie in Deutschland

Ich glaube, mit dem Versudi, das Absolute intellek- tuell anzusdiauen, ist die philosophisdie Laufbahn des Herrn Sdielling besdilossen. Ein gröi3erer Denker tritt jetzt auf, der die Naturphilosophie zu einem vollendeten System ausbildet, aus ihrer Synthese die ganze Welt der Ersdieinungen erklärt, die großen Ideen seiner Vor- gänger durdi größere Ideen ergänzt, sie durdi alle Dis- ziplinen durdiftihrt und also wissensdiaftlidi begründet. Er ist ein Sdiüler des Herrn Sdielling, aber ein Sdiüler, der allmählidi im Reidie der Philosophie aller Madit seines Meisters sidi bemeisterte, diesem herrsthsüditig über den Kopf wudis und ihn endlidi in die Dunkel- heit verstieß. Es ist der große Hegel, der größte Philo- soph, den DeutsAland seit Leibnitz erzeugt hat. Es ist keine Frage, daß er Kant und Fidite weit überragt, i Er ist sdiarf wie jener und kräftig wie dieser, und hat dabei nodi einen konstituierenden Seelenfrieden, eine Gedankenharmonie, die wir bei Kant und Fidite nidit finden, da in diesen mehr der revolutionäre Geist waltet. Diesen Mann mit Herrn Joseph Sdielling zu vergleidien, ist gar nidit möglidi/ denn Hegel war ein Mann von Charakter. Und wenn er audi, gleidi Herrn Sdielling, dem Bestehenden in Staat und Kirdie einige allzubedenklidie Reditfertigungen verlieh, so gesdiah dieses dodi für einen Staat, der dem Prinzip des Fortsdirittes wenigstens in der Theorie huldigt, und für eine Kirdie, die das Prinzip der freien Forsdiung als ihr Lebenselement betraditet/ und er madite daraus kein Hehl, er war aller seiner Ab- siditen eingeständig. Herr Sdielling hingegen windet sidi ^wurmhaft in den Vorzimmern eines sowohl prak- tisdien wie theoretisdien Absolutismus, und er band- langert in der Jesuitenhöhle, wo Geistesfesseln gesdimie- det werden,- und dabei will er uns weis madien, er sei nodi immer unverändert derselbe Liditmensdi, der er


Drittes Buch 345

einst war, er verleugnet seine Verleugnung, und zu der Sdimadi des Abfalls fügt er nodi die Feigheit der Lüge!

Wir dürfen es nidit verhehlen, weder aus Pietät, nodi aus Klugheit, wir wollen es nidit versdiweigen : der Mann, weldier einst am kühnsten in Deutsdiland die Religion des Pantheismus ausgesprodien, weldier die Heiligung der Natur und die Wiedereinsetzung des; Mensdien in seine Gottesredite am lautesten verkündet, dieser Mann ist abtrünnig geworden von seiner eigenen Lehre, er hat den Altar verlassen, den er selber ein* geweiht, er ist zurückgesdilidien in den Glaubensstall » der Vergangenheit, er ist jetzt gut katholisdi und pre- ' digt einen außerweltlidien, persönlidien Gott, »der die Torheit begangen habe, die Welt zu ersdiaffen«. Mögen immerhin die Altgläubigen ihre Glocken läuten und Kyrie eleison singen, ob soldier Bekehrung — es be- weist aber nidits für ihre Meinung, es beweist nur, daß der Mensdi sidi dem Katholizismus zuneigt, wenn er müde und alt wird, wenn er seine physisdien und geistigen Kräfte verloren, wenn er nidit mehr genießen und denken kann. Auf dem Totenbette sind so viele Freidenker bekehrt worden — aber madit nur kein Rühmens davon! Diese Bekehrungsgesdiiditen gehören hödistens zur Pathologie und würden nur sdiledites Zeugnis geben für Eure Sadie. Sie bewiesen am Ende nur, daß es Eudi nidit möglidi war, jene Freidenker zu bekehren, so lange sie mit gesunden Sinnen unter Gottes freiem Himmel umherwandelten und ihrer Ver» nunft völlig mäditig waren,

Idi glaube, Ballandie sagt: es sei ein Naturgesetz, daß die Initiatoren gleidi sterben müssen, sobald sie das Werk der Initiation vollbradit haben. Adi! guter Ballandie, das ist nur zum Teil wahr, und idi möditc eher behaupten: wenn das Werk der Initiation voll-


346 Relij^ion und Philosophie in Deutschland

bradit ist, stirbt der Initiator — oder er wird abtrünnig. Und so können wir vielleidit das strenge Urteil, weldies das denkende Deutsdiland über Herrn Sdielling fällt, einigermaßen mildern,- wir können vielleidit diesdiwere, dicke Veraditung, die auf ihm lastet, in stilles Mitleid verwandeln, und seinen Abfall von der eigenen Lehre erklären wir nur als eine Folge jenes Naturgesetzes, daß derjenige, der an das Ausspredien oder an die Aus* Führung eines Gedankens alle seine Kräfte hingegeben, nadiher, wenn er diesen Gedanken ausgesprodien oder ausgeführt hat, ersdiöpft dahinsinkt, dahinsinkt entweder in die Arme des Todes oder in die Arme seiner ehe- maligen Gegner.

Nad) soldier Erklärung begreifen wir viclleidit nodi grellere Phänomene des Tages, die uns so tief betrüben. Wir begreifen dadurdi vielleidit, warum Männer, die für ihre Meinung alles geopfert, die dafür gekämpft und gelitten, endlidi wenn sie gesiegt hat, die Meinung verlassen und ins fcindlidie Lager hinübertreten! Nadi soldier Erklärung darf \d\ audi darauf aufmerksam madien, daß nidit bloß Herr Joseph Sdielling, sondern gewissermaßen audi Fiditc und Kant des Abfalls zu besdiuldigen sind. Fidite ist nodi zeitig genug gestor- ben, ehe sein Abfall von der eigenen Philosophie allzu eklatant werden konnte. Und Kant ist der »Kritik der reinen Vernunft« sdion gleidi untreu geworden, indem er die »Kritik der praktisdien Vernunft« sdirieb. Der Initiator stirbt — oder wird abtrünnig.

Idi weiß nidit, wie es kommt, dieser letzte Satz wirkt so melandiolisdi zähmend auf mein Gemüt, daß idi in diesem Augenblick nidit im Stande bin, die übrigen herben Wahrheiten, die den heutigen Herrn Sdieliing betreffen, hier mitzuteilen. Laßt uns lieber jenen ehe- maligen Sdielling preisen, dessen Andenken unvergeß-


Drittes Buch 347

lieh blüht in den Annalen des deutsdien Gedankens,- denn der ehemalige Schelling repräsentiert, eben so wie Kant und Fichte, eine der großen Phasen unserer philo* sophisdien Revolution, die idi in diesen Blättern mit den Phasen der politisdien Revolution Frankreidis ver* glidien habe. In der Tat, wenn man in Kant die terro- ristische Konvention und in Fidite das Napoleonisdic Kaiserreidi sieht, so sieht man in Herrn Sdielling die restaurierende Reaktion, weldie hierauf folgte. Aber es war zunädist ein Restaurieren im besseren Sinne. Herr Sdielling setzte die Natur wieder ein in ihre le- gitimen Redite, er strebte nadi einer Versöhnung von Geist und Natur, er wollte beide wieder vereinigen in der ewigen Weltseele. Er restaurierte jene große Natur- philosophie, die wir bei den altgriediisdien Philosophen finden, die erst durdi Sokrates mehr ins mensdilichc Gemüt selbst hineingeleitet wird, und die nadiher ins Ideelle verfließt. Er restaurierte jene große Naturphilo- sophie, die, aus der alten, pantheistisdien Religion der Deutsdien heimlidi emporkeimend, zur Zeit des Para- celsus die sdiönsten Blüten verkündete, aber durdi den eingeführten Cartesianismus erdrückt wurde. Adi! und am Ende restaurierte er Dinge, wodurdi er audi im sdilediten Sinne mit der französisdien Restauration vcr- glidien werden kann. Dodi da hat ihn die öffcntlidic Vernunft nidit länger geduldet, er wurde sdimähliA herabgestoßen vom Throne des Gedankens, Hegel, sein Majordomus, nahm ihm die Krone vom Haupt, und sdior ihn, und der entsetzte Sdielling lebte seitdem wie ein armseliges Möndilein zu Mündicn, einer Stadt, weldie ihren pfäffisdien Charakter sdion im Namen trägt und auf Latein Monadiomonadiorum heißt. Dort sah idi ihn gespenstisdi hcrumsdiwanken mit seinen großen blassen Augen und seinem niedergedrückten, ab-


348 Religion und Philosophie in Deutschland

gestumpften Gcsidite, ein jammervolles Bild herunter- gekommener Herrlichkeit. Hegel aber ließ sidi krönen zu Berlin, leider auch ein bißchen salben, und beherrschte seitdem die deutsche Philosophie.

/ Unsere philosophische Revolution ist beendigt, Hegel hat ihren großen Kreis geschlossen. Wir sehen seit- dem nur Entwicklung und Ausbildung der naturphilo*

j sophischen Lehre. Diese ist, wie ich schon gesagt, in alle Wissenschaften eingedrungen und hat da das Außer- ordentlichste und Großartigste hervorgebracht. Viel Unerfreuliches, wie ich ebenfalls angedeutet, mußte zu- gleich ans Licht treten. Diese Erscheinungen sind so vielfältig, daß schon zu ihrer Aufzählung ein ganzes Buch nötig wäre. Hier ist die eigentlich interessante und farbenreiche Partie unserer Philosophiegeschichte. Ich bin jedoch überzeugt, daß es den Franzosen nütz- licher ist von dieser Partie gar nichts zu erfahren. Denn dergleichen Mitteilungen könnten dazu beitragen, die Köpfe in Frankreich noch mehr zu verwirren/ manche Sätze der Naturphilosophie, aus ihrem Zusammenhang gerissen, könnten bei Euch großes Unheil anrichten. So

Ivicl weiß ich, wäret Ihr vor vier Jahren mit der deutschen Naturphilosophie bekannt gewesen, so hättet Ihr nimmer- mehr die Juliusrevolution machen können. Zu dieser Tat gehörte ein Konzentrieren von Gedanken und Kräften, eine edle Einseitigkeit, ein süffisanter Leicht- sinn, wie dessen nur Eure alte Schule gestattet. Philo- sophische Verkehrtheiten, womit man die Legitimität und die katholische Inkarnationslehre allenfalls vertreten konnte, hätten Eure Begeisterung gedämpft. Euren Mut gelähmt. Ich halte es daher für welthistorisch wichtig, daß Euer großer Eklektiker, der Euch damals die deutsche Philosophie lehren wollte, auch nicht das mindeste da- von verstanden hat. Seine providenzielle Unwissen-


Drittes Buch 349

heit war heilsam für Frankreidi und für die ganze Mensdiheit,

Adi, die Naturphilosophie, die in mandien Regionen I des Wissens, namentlidi in den eigentlidien Natur-) wissensdiaften, die herrlidisten Früdite hervorgebradit, hat in anderen Regionen das verderblidiste Unkraut erzeugt. Während Oken, der genialste Denker und einer der größten Bürger Deutsdilands , seine neuen Ideenwelten entdeckte und die deutsdie Jugend für die Urredite der Mensdiheit, für Freiheit und Gleidiheit, begeisterte : adi ! zu derselben Zeit dozierte Adam Müller die Stallfütterung der Völker nadi naturphilosophisdien Prinzipien/ zu derselben Zeit predigte HerrGörres den Obskurantismus des Mittelalters, nadi der naturwissen^ sdiaftlidien Ansidit, daß der Staat nur ein Baum sei und in seiner organisdien Gliederung audi einen Stamm, Zweige und Blätter haben müsse, weldies alles so hübsdi in der Korporations-Hierardiie des Mittelalters zu finden sei/ zu derselben Zeit proklamierte Herr Steffens das philosophisdie Gesetz, wonadi der Bauernstand sidi von dem Adelstand dadurdi untersdieidet, daß der Bauer von der Natur bestimmt sei zu arbeiten ohne zu ge- nießen, der Adelige aber bereditigt sei zu genießen ohne zu arbeiten/ — ja, vor einigen Monaten, wie man mir sagt, hat ein Krautjunker in Westfalen, ein Hans Narr, idi glaube mit dem Zunamen Haxthauscn, eine Sdirift herausgegeben, worin er die königlidi preußisdie Regie- rung angeht, den konsequenten Parallelismus, den die Philosophie im ganzen Weltorganismus nadi weist, zu berücksiditigen, und die politisdien Stände strenger ab- zusdieiden, denn wie es in der Natur vier Elemente gebe, Feuer, Luft, Wasser und Erde, so gebe es audi ' vier analoge Elemente in der Gesellsdiaft, nämlidi Adel, i Geistlidikeit, Bürger und Bauern.


350 Religion und Philosophie in Deutschland

Wenn man solche betrübende Torheiten aus der Philosophie emporsprossen und zu sdiädlidister Blüte gedeihen sah,- wenn man überhaupt bemerkte, daß die deutsdie Jugend, versenkt in metaphysisAen Abstrak- tionen, der nädisten Zeitinteressen vergaß und untaug- lidi wurde für das praktisdie Leben: so mußten wohl die Patrioten und Freiheitsfreunde einen geredeten Un- mut gegen die Philosophie empfinden, und Einige gingen so weit, ihr, als einer müßigen, nutzlosen Luftfediterei, ganz den Stab zu bredien.

i Wir werden nidit so törigt sein, diese Malkontenten 'ernsthaft zu widerlegen. Die deutsche Philosophie ist eine wichtige das ganze Menschengeschlecht betreffende Angelegenheit, und erst die spätesten Enkel werden darüber entscheiden können, ob wir dafür zu tadeln oder zu loben sind, daß wir erst unsere Philosophie und hernach unsere Revolution ausarbeiteten. Mich dünkt^ ein methodisches Volk wie wir, mußte mit der Reformation beginnen, konnte erst hierauf sich mit der Philosophie beschäftigen, und durfte nur nach deren Vollendung zur politischen Revolution übergehen. Diese ' Ordnung finde ich ganz vernünftig. Die Köpfe, welche die Philosophie zum Nachdenken benutzt hat, kann die Revolution nachher zu beliebigen Zwecken abschlagen. Die Philosophie hätte aber nimmermehr die Köpfe ge- brauchen können, die von der Revolution, wenn diese ihr vorherging, abgeschlagen worden wären. Laßt Euch aber nicht bange sein, Ihr deutschen Republikaner/ die deutsche Revolution wird darum nicht milder und sanfter ausfallen, weil Ihr die Kantsche Kritik, der Fichtesche Transzendental -Idealismus und gar die Naturphilo- sophie vorausging. Durch diese Doktrinen haben sich revolutionäre Kräfte entwickelt, die nur des Tages harren, wo sie hervorbrechen und die Welt mit Ent-


Drittes Buch 351

setzen und Bewunderung erfüllen können. Es werden Kantianer zum Vorsdiein kommen, die audi in der Er* sdieinungswelt von keiner Pietät etwas wissen wollen, und erbarmungslos, mit Sdiwert und Beil, den Boden unseres europäisdien Lebens durdiwühlen, um audi die letzten Wurzeln der Vergangenheit auszurotten. Es werden bewaffnete Fiditeaner auf den Sdiauplatz treten, die in ihrem Willens^Fanatismus, weder durdi Furdit nodi durdi Eigennutz zu bändigen sind,- denn sie leben im Geist, sie trotzen der Materie, gleich den ersten Christen, die man ebenfalls weder durdi leiblidie Qua- len noch durdi leibliche Genüsse bezwingen konnte/ ja, solche TranszendentaUIdealisten wären bei einer ge- sellschaftlichen Umwälzung sogar noch unbeugsamer als die ersten Christen, da diese die irdische Marter er- trugen, um dadurch zur himmlischen Seligkeit zu ge- langen, der Transzendental -Idealist aber die Marter selbst für eitel Schein hält und unerreichbar ist in der Verschanzung des eigenen Gedankens. Doch noch schrecklicher als Alles wären Naturphilosophen, die handelnd eingriffen in eine deutsche Revolution und sich mit dem Zerstörungswerk selbst identifizieren wür- den. Denn wenn die Hand des Kantianers stark und sicher zuschlägt, weil sein Herz von keiner traditionellen Ehrfurcht bewegt wird/ wenn der Fichteaner mutvoll jeder Gefahr trotzt, weil sie für ihn in der Realität gar nicht existiert:' so wird der Naturphilosoph dadurch furchtbar sein, daß er mit den ursprünglichen Gewalten der Natur in Verbindung tritt, daß er die dämonischen Kräfte des altgermanischen Pantheismus beschwören kann, und daß in ihm jene Kampflust erwacht, die wir bei den alten Deutschen finden, und die nicht kämpft, um zu zerstören, noch um zu siegen, sondern bloß um zu kämpfend Das Christentum — und das ist sein


352 Religion und Philosophie in Deutschland

schönstes Verdienst — hat jene brutale, germanische Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nidit zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserker- wut, wovon die nordischen Dichter so viel singen und sagen. Jener Talisman ist morsch, und kommen wird der Tag, wo er kläglidi zusammenbricht. Die alten steinernen Götter erheben sidi dann aus dem verschol- lenen Sdjutt, und reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die gotischen Dome. Wenn Ihr dann das Gepolter und Geklirre hört, hütet Euch, Ihr Nachbarskinder, Ihr Franzosen, und mischt Eudi nicht in die Gesdiäftc, die wir zu Hause in Deutsch- land vollbringen. Es könnte Euch schlecht bekommen. Hütet Euch, das Feuer anzufadien, hütet Euch, es zu lösdicn. Ihr könntet Euch leicht an den Flammen die Finger verbrennen. Lächelt nicht über meinen Rat, den Rat eines Träumers, der Euch vor Kantianern, Fichte- anern und Naturphilosophen warnt. Lächelt nicht über den Phantasten, der im Reiche der Ersdieinungen die- selbe Revolution erwartet, die im Gebiete des Geistes stattgefunden. Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist frei- lich auch ein Deutsdier und ist nicht sehr gelenkig, und kommt etwas langsam herangerollt ,• aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es nodi niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donny hat endlich sein Ziel erreicht,- Bei diesem Geräuscha^erden die Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen, und sich in ihren königlichen Höhlen verkriedjen. Es wird ein


Drittes Buch 353

Stück aufgeführt werden in Deutsdiland, wogegen die französisdie Revolution nur wie eine harmlose Idylle ersdieinen mödite/jetzt ist es freilidi ziemlidi still : und gebärdet sidi aud\ dort der Eine oder der Andere etwas lebhaft, so glaubt nur nidit, diese würden einst als wirklidie Akteure auftreten. Es sind nur die kleinen Hunde, die in der leeren Arena herumlaufen und ein* ander anbellen und beißen, ehe die Stunde ersdieint, wo dort die Sdiar der Gladiatoren anlangt, die auf Tod und Leben kämpfen sollen.

Und die Stunde wird kommen. Wie auf den Stufen eines Amphitheaters werden die Völker sidi um Deutsdi» land herumgruppieren, um die großen Kampfspiele zu betraditen. Idi rate Eudi, Ihr Franzosen, verhaltet Eudi alsdann sehr stille, und bei Leibe! hütet Eudi, zu applau- dieren. Wir könnten EuA leidit mißverstehen und Eudi, in unserer unhöflidien Art, etwas barsdi zur Ruhe ver* weisen/ denn wenn wir früherhin, in unserem servil verdrossenen Zustande, Eudi mandimal überwältigen konnten, so vermöditen wir es nodi weit eher im Über* mute des Freiheitsrausdies. Ihr wißt ja selber, was man in einem soldien Zustande vermag, — und Ihr seid nidit mehr in einem soldien Zustande. Nehmt Eudi in adit! Idi meine es gut mit Eudi, und deshalb sage idi Eudi die bittere Wahrheit. Ihr habt von dem befreiten Deutsdiland mehr zu befürditen, als von der ganzen heiligen Allianz mitsamt allen Kroaten und Kosaken. Denn erstens liebt man Eudi nidit in Deutsdiland, weldies fast unbegreiflidi ist, da Ihr dodi so liebenswür- dig seid, und Eudi bei Eurer Anwesenheit in Deutsdi- land so viel Mühe gegeben habt, wenigstens der bessern und sdiönern Hälfte des deutsdien Volks zu gefallen. Und wenn diese Hälfte Eudi audi liebte, so ist es dodi eben diejenige Hälfte, die keine Waffen trägt, und deren

VII, 21


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354 Religion und Philosophie in Deutschland

Freundschaft Euch also wenig frommt. Was man eigent- lich gegen Euch vorbringt, habe ich nie begreifen können. Einst, im Bierkeller zu Göttingen, äußerte ein junger Altdeutscher, daß man Rache an den Franzosen nehmen müsse für Konradin von Staufen, den sie zu Neapel geköpft. Ihr habt das gewiß längst vergessen. Wir aber vergessen nichts. Ihr seht, wenn wir mal Lust be- kommen, mit Euch anzubinden, so wird es uns nicht an triftigen Gründen fehlen. Jedenfalls rate ich Euch, daher auf Eurer Hut zu sein. Es mag in Deutschland vor- gehen, was da wolle, es mag der Kronprinz von Preußen oder der Doktor Wirth zur Herrschaft gelangen, haltet Euch immer gerüstet, bleibt ruhig auf Eurem Posten stehen, das Gewehr im Arm. Ich meine es gut mit Euch, und es hat mich schier erschreckt, als ich jüngst vernahm. Eure Minister beabsichtigten, Frankreich zu entwaffnen. —

Da Ihr, trotz Eurer jetzigen Romantik, geborne Klas- siker seid, so kennt Ihr den Olymp. Unter den nackten Göttern und Göttinnen, die sidb dort, bei Nektar und Ambrosia, erlustigen, seht Ihr eine Göttin, die, obgleich umgeben von solcher Freude und Kurzweil, dennoch immer einen Panzer trägt und den Helm auf dem Kopf und den Speer in der Hand behält.

Es ist die Göttin der Weisheit.





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