Geschichte der Renaissance in Italien  

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Geschichte der Renaissance in Italien (1897 The History of the Renaissance in Italy) is a work by Burckhardt.

Full text

GESCHICHTE


DER


NEUEREN BAUKUNST


VON


JACOB BURCKHARDT


UND


WILHELM LÜBKE.




Zweite durchgesehene und vermehrte Auflage.


Mit zahlreichen Illustrationen in Holzschnitt.


Erster Band.


STUTTGART.

VERLAG VON EBNER & SEUBERT.

1878.




GESCHICHTE


DER


ENAISSANCE


JACOB BURCKHARDT.

Zweite vom Verfasser selbst durcligeseliene und vermehrte Auflage.

9

Mit 221 Illustrationen in Holzschnitt.


STUTTGART.

VERLAG VON EBNER & SEUBERT.

1878 .


IN


VON




Vorwort.


Das Werk, welches im Jahre 1867 als Theil und Fortsetzung von Franz K u g 1 e r*s Geschichte der Baukunst erschien , tritt hier mannigfach berichtigt und mit einem sehr viel grösseren Reichthum von Illustrationen an’s Licht. Der Verfasser glaubte, es sei wünschbar, dass neben die erzählende Kunstgeschichte auch eine Darstellung nach Sachen und Gattungen trete, gleichsam ein zweiter systematischer Theil, wie diess seit Winckelmann mit der Kunst des classischen Alterthums geschehen. Es ergeben sich bei einer solchen parallelen Behandlung des Zusammengehörenden manche Resultate, welche die nach Künstlern erzählende Geschichte nicht zu betonen pflegt. Die Triebkräfte, welche das Ganze der Kunst beherrschten, die Präcedentien, von welchen der einzelne Meister bei seinem Schaffen bedingt war, treten hier in den Vordergrund, während die Künstlergeschichte den grossen Vorzug behaupten wird, die Individualitäten in ihrer Macht und Fülle schildern zu dürfen. Vielleicht liesse sich die hier vorlie- gende Arbeit auch durch ihre Kürze rechtfertigen, indem sie den wesentlichen Kunstgehalt einer Periode in einen kleinern Umtang zu- sammendrängt als diess die Künstlergeschichte vermag. Dem Verfasser hat sich übrigens sehr klar die Wahrheit aufgedrängt, dass wer in der Kunst nicht einmal Dilettant ist, diese Art von paralleler Forschung und Darstellung immer nur bis zu einem mässigen Ziele führen kann, und dass Forscher, welche zugleich mit der Ausübung der Kunst ver- traut sind, dieselbe mit ganz anderm Erfolge fördern würden.




I i


Inhaltsverzeichniss.


ERSTES BUCH.

AECHITECTUK.


I. Kapitel.

Der moimmentale Sinn der italienischen Architectur.


1. Der Ruhmsinn und die Stif- tungen der Frömmigkeit . .

2 . Die Baugesinnung der Floren- tiner

3. Die Baugesinnung der Sienesen

4. Baugesinnung anderer Städte

5. Denkweise der Gewaltherrscher


Seite


§. 6. Romagna, Mark und Umbrien

§. 7. Monumentaler Sinn Papst Ni-

colaus Y. .......

§. 8. Die übrigen Päpste bis auf

Julius II

§. 9. Gesinnung des Privatbaues .

§. 10. Die Gegenreformation . . .


Seite

8

9


II. Kapitel.

Bauherrn, Dilettanten und Baumeister.


§. 11. Kunstgelehrte Bauherrn des

XV. Jahrhunderts .... 14

§. 12. Baudilettanten des XYI. Jahr- hunderts . .... . . 16


§. 13. Berathungen und Behörden . §. 14. Vielseitigkeit der Architecten §. 15. Leben der Architecten . .


III. Kapitel.

Die Protorenaissance und das Gothische.


§. 16. Die Protorenaissance in Tos- cana und Rom ..... §. 17. San Miniato und das Bapti- sterium

§. 18. Eindringen und Machtumfang des Gothischen ..... §. 19. Character der italienischen Gothik ........


20


§. 20. Verhältniss zu den andern

Künsten 25

§. 21. Der italienisch-gothische Pro- fanbau . 26

§. 22. Der spätere Hass gegen das

Gothische 28

§. 23. Das Gothische zur Zeit der

Renaissance ...... 29



VIII


Inhaltsverzeichnisse


IV. Kapitel.

Studium der antiken Bauten und des Vitruv.


Seite

§. 24. Allgemeiner Character der

Neuerung 31

§. 25. Vernachlässigung der griechi- schen Baureste 33

§. 26. Studien des XV. Jahrhunderts

nach den römischen Bauresten 34


Seite

j. 27. Studien des XVI. Jahrhun- derts 35

j. 28. Einfluss des Vitruv ... 37 j. 29. Die spätem Vitruvianer . . 39


V. Kapitel.

Die Theoretiker.


§. 80. Leon Battista Alberti ... 40

§. 31. Die Nachfolger bis auf Serlio 41


i. 32. Polifilo 42


VI. Kapitel.

Die Formenbehandlung* der Friilirenaissance.


§. 33. Unvermeidlichkeit des römi- schen Details 44

§. 34. Das Verhältnis zu den Zier- formen 45

§. 35. Die Säule, der Bogen und das

gerade Gebälk

§. 36. Die antiken Ordnungen im XV. Jahrhundert ....

§. 37. Die Halbsäulen und vortreten- den Säulen

8. 38. Der Pilaster und das Kranz-


46

49

51

52


gesimse

39. Die Rusticafassade von Florenz und Siena . 54


§. 40. Die Rustica mit Pilasterord- nungen ........ 58

§. 41. Die R.ustica ausserhalb Tos-

cana’s . 59

§. 42. Venedig und die Incrustation 60 §. 43. Verhältnis der Incrustation

zu den Formen 64

§. 44. Oberitalien u. der Backsteinbau 65 §. 45. Die Backsteinfassade ... 68

§. 46. Backsteinhöfe und Kirchen- fassaden 70

§. 47. Die Formen des Innern . . 71

§. 48. Die Gewölbe der Frührenais- sance ........ 78


VII. Kapitel.

Die Formenbehandlung 1 des XVI. Jahrhunderts.


§. 49. Vereinfachung des Details . 75

§. 50. Detailproben und Einwirkung

der Festdecoration . . . . 76

§. 51. Verstärkung der Formen . . 77

§. 52. Die dorische und falsch-etrus- kische Ordnung 81


§. 53. Das Dorische bei Bramante

und Sansovino 81

§. 54. Vermehrung der Contraste . 85

§. 55. Die Gewölbe der Hochrenais- sance 87

§. 56. Die Formen der Nachblüthe 89 §. 57. Die Verhältnisse 90


VIII. Kapitel. Das Baumodell.


58. Die Modelle der gothischen Zeit 91


§. 59. Die Modelle der Frührenaissance 93 §. 60. Die Modelle derHochrenaissance 94


Inhaltsverzeichniss.


IX


IX. Kapitel.

Die Composition der Kirchen.


Seite

§, 61. Mangel eines besondern kirch- lichen Formensystems ♦ ♦ . 96

§. 62, Wesen des Centralbaues . . 97

§. 68. Die frühesten Centralbauten

der Renaissance ♦ .... 99

§. 64. Spätere Centralbauten des XV.

Jahrhunderts 101

§. 65. Bramante und seine ersten

Centralbauten 102

§. 66. Bramante und S. Peter in Rom 106 §„ 67. Andere Centralbauten des XVI.

Jahrhunderts . . , . . .111

§« 68. Sieg des Langbaues zu Gun- sten der Fassaden . . . «115

§. 69. Fassaden des L. B. Alberti . 116 §, 70. Andere Fassaden der Früh- renaissance * 118

§, 71. Fassade der Certosa bei Pavia 120


Seite

§. 72. Fassaden der Hochrenaissance 122 § 73. Fassaden der Nachblüthe . . 123

§. 74. Innere Anlagen der Lang- kirchen; Basiliken . . . ♦ 125

§. 75. Flachgedeckte einschiffige

Kirchen ........ 120

§. 76. Einschiffige Gewölbekirchen . 139 §. 77, Dreischiffige Gewölbekirchen 134 §, 78. Der Glockenthurm der Früh- renaissance 138

§. 79. Der Glockenthurm des XVI.

Jahrhunderts 142

§. 80. Einzelne Capellen und Sacri-

steien 144

§. 8L Das Aeussere der Langkirchen 151 §, 82. Allgemeine Ansicht vom Kir- chenbau 152

§. 83. Die Symmetrie des Anblickes 153


X, Kapitel.

Klöster und Bruderscliaftsgebände.

\ m 84, Die Klöster im Norden und | §. 86. Bischofshöfe und Universitäten 159

im Süden 155 j §, 87. Bauten der geistlichen Bruder-

L 88. Uebersicht des Klosterbaues 156 j schäften . 161


XL Kapitel.

l)ie Composition des Palastbaues.


§. 88. Der frühere italienische Palast- bau , . . , 164

§. 89. Entstehung gesetzmässiger

cubischer Proportionen . .165

§, 90. Wesen und Anfang des Pa- lastes der Renaissance . .167

§. 91. Der toscanische Typus . . 168

§, 92. Einfluss des toscanischen Pa- lastbaues 172

§. 93. Der Palast von Urbino und

die Bauten der Romagna . 173 §. 94, Der venezianische Typus , . 176

§. 95. Rom und seine Bauherrn . 180 §. 96. Die römischen Fassadentypen 181 §. 97, Römische Palasthöfe ♦ . .184


§. 98. Die unregelmässigen Grund-

pläne ; die Zwischenstock- werke * .187

§. 99. Die römischen Treppen ♦ . 190

§. 100, Die Paläste bei Serlio . . 191

§. 101. Oeffentliche Paläste; ihre Säle 193 §. 102. Der Hallenbau öffentlicher

Paläste . 194

§, 103. Sansovino und Palladio . . 197

§. 104. Die Familienloggien . . ,198

§. 105. Palastbau der Nachblüthe;

das Aeussere 199

§. 106. Palastbau der Nachblüthe;

das Innere 202



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X


Inhaltsverzeichnis.


XII. Kapitel.

Spitäler, Festungsbauten und Brücken.

Seite


§. 107. Spitäler, Gasthöfe und Ver- gnügungsbauten . . . .204

§. 108. Der Festungshau .... 205


Seite


§. 109. Die Thore der Renaissance 206 §. 110. Die Brücken 209


XIII. Kapitel.

Correctionen und neue Stadtanlagen.


. 111. Nivellirung und Pflasterung 210 . 112. Die Strassencorrectionen . 213 . 113. Schicksal der Gassenhalle . 214


§. 114. Der Platz im monumentalen

Sinne 215

§. 115. Neue Städte und Quartiere 217


XIV. Kapitel.

Die Villen.


. 116. Gattungen der Villen . .219

. 117. Weitere Theorie des Villen- baues 220

. US. Villen der Frührenaissance 223


§. 119. Villen der Hochrenaissance 224 §. 120. Villen der Nachblüthe . . 229 §. 121. Villen der Barockzeit ' . . 232 §. 122. Bäder 235


XV. Kapitel.

Die Gärten.


. 123. Gärten unter der Herrschaft

des Botanischen .... 237 . 124. Eindringen des Architectoni-

schen 238

§. 125. Antike Sculpturen und Rui- nen 239


§. 126. Volle Herrschaft der Arcbi-

tectur 241

§. 127. Mitwirkung der mächtigem

Vegetation 242

§. 128. Gärten von Venedig . . . 243

§. 129. Gärten der Barockzeit . . 244


ZWEITES BÜCH.

DECORATION.

I. Kapitel.

Wesen der Decoration der Renaissance.

§. 130. Verhältnis zum Alterthum | §, 132. Uebersicht der Ausdrucks- und zur gothischen Decoration 245 j weisen . 248

§. 131. Das architectonische Element

und die Flächenverzierung . 247



Inhaltsverzeichnis.


XI


§. 133. Bedeutung des weissen Mar- mors ........ 249

§. 134. Die Arabeske 250

§♦ 135. Siena und Florenz . . . 253

§. 136. Das übrige Italien .... 256 §♦ 137. Decorativer Geist des XVI.

Jahrhunderts 260

§, 138. Das Grabmal und der Ruhm 265 §. 139. Die Grabmäler der Reichen

und Vornehmen .... 267


II. Kapitel.

Decorative Sculptur in Stein.

Seite


Seite

§. 140. Die wichtigsten Gräbertypen 269 §. 141. Nebentypen der Grabmäler 270 §. 142. Grabmäler des XVI. Jahr- hunderts 282

§. 143, Der isolirte Altar .... 284

§. 144. Der Wandaltar 285

§. 145. Der Altar des XVI. Jahr- hunderts ....... 287

§. 146. Lettner , Kanzeln , Weih- becken, Kamine etc. . . . 289


III. Kapitel. Becoration in Erz.


§. 147. Die Technik und die grössten

Güsse 292

§, 148. Pforten und Gitter . . . 295


§. 149. Leuchter und verschiedene

Gegenstände 298


IV. Kapitel.

Arbeiten in Holz.


§. 150. Abnahme der Bemalung seit

dem XIV. Jahrhundert . . 301

§. 151. Stellung der Intarsia . . . 302

§. 152. Die Intarsia nach Gegen- ständen 304

§. 153. Das Schnitzwerk der Ghor-

stühle ........ 307


§. 154. Hölzerne Pforten und Wand- bekleidungen ..... 309 §. 155. Altareinfassungen . . .313

§. 156. Die Möbeln 314

§. 157. Das Prachtbett und die Truhe 316 §. 158. Die geschnitzte Flachdecke 319 §. 159. Die Flachdecke mit Malerei 324


V. Kapitel.

a t

Fussböden; Kalligraphie.

§. 160. Der Fussboden in harten j §. 161. Die Inscriptionen und die

Steinen, Marmor und Back- Schönschreiber ..... 328

stein ........ 326


VI. K a p i t e 1.

Die* Fassadenmalerei.


§. 162. Ursprung und Ausdehnung 330

§. 163. Die Besteller 331

§. 164. Darstellungsweisen der Fas- sadenmalerei 332

§. 165. Aussagen der Schriftsteller 339


§. 166. Die Gegenstände der Fassa- denmalerei ...... 340

§. 167. Ausgang der Fassadenmalerei 342 §. 168. Sculp*tur und Malerei der

Wappen 343


XII


Inhaltsverzeichnis.


VII. Kapitel.

Malerei und Stucchirung des Innern.


Seite

§ # 169. Friese und Wanddecoratio-

nen 345

§. 170. Decorative Bemalung von

Bautheilen 347

§. 171. Gewölbemalerei der Früh- renaissance 348

§. 172, Gewölbemalerei der perugi-

nischen Schule 350

§. 173. Die ersten Stuccaturen ♦ . 354


Seite


, 174, Einwirkung der antiken Grot-

tesken . . 355

. 175. Rafael und Giovanni da Udine 356 , 176. Giulio Romano und Perin

del Vaga 361

. 177. Der weisse Stucco ♦ , . .365

, 178. Spätere Decorationsmalerei

und Stuccatur . . ♦ . .366

. 179. Verfall der Gattung . ♦ . 369


VIII. Kapitel.

Goldsclimiedearbeit und Gefässe.


. 180. Allgemeine Stellung dieser

Kunst 371

i. 181. Kirchliche Arbeiten der Früh- renaissance . ♦ ♦ . . .372

i. 182. Weltliche Arbeiten der Früh- renaissance 374


§. 183. Goldschmiedekunst der Hoch- renaissance . . . ♦ ♦ .376

§. 184, Gefässe aus Stein und Crystall 377 §. 185, Schmuck, Waffen und Siegel 379 §. 186. Majoliken und andere irdene

Gefässe 380


IX. Kapitel.

Decorationen des Augenblickes.


. 187. Feste und Festkünstler ♦ . 388

. 188. Festdecoration der Früh- renaissance ...... 384

. 189. Feste des XVI. Jahrhunderts 386 i. 190. Der Triumphbogen . . . 387

i. 191. Die Festsculptur .... 388


. 192. Der Theaterbau .... 390

. 193. Die Seena 393

. 194. Künstlerische Absicht der

Seena 394

». 195. Feuerwerk und Tischaufsätze 395



Verzeichnis der Abbildungen.


1. Kuppel aus Polifilo.

2. Halle an S. Maria bei Arezzo.

3. Hof in S. Groce zu Florenz.

4. Basilica zu Vicenza.

5. Vom Pal. Sauli zu Genua. (Nach Gauthier gez. v. Baidinger

6. Details aus den Servi zu Siena.

7. Details aus der Badia bei Fiesoie.

8. Florentinisches Capital. (J. Stadler.)

9. Pal. Riccardi zu Florenz. (Herdtle gez.)

10. Pal. Spannocchi zu Siena.

11. Pal. di Venezia zu Rom.

12. Pal. Ruccellai zu Florenz.

13. Von der Fassade der Cancelleria. (Nach Letarouilly.)

14. Pal. Corner-Spinelli zu Venedig.

15. S. Zaccaria in Venedig.

16. S. M. de’ Miracoli in Venedig.

17. Scuola di S. Marco zu Venedig.

18. Pal. Fava in Bologna, Fassade. (Nohl.)

19. Palast zu Bologna. (Nohl.)

20. Aus dem Hofe der Certosa bei Pavia.

21. Hof im Pal. Fava zu Bologna. (Nohl.)

22. Hof im Pal. Bevilacqua zu Bologna. (Nohl.)

23. S. Maria delle Grazie zu Mailand.

24. Capella Pazzi zu Florenz. (J. Stadler.)

25. S. Bernardino zu Perugia. (Nohl.)

26. Pal. Bartolini zu Florenz.

27. Rom. Tempietto bei S. Pietro in Montorio.

28. Biblioteca di S. Marco. (Herdtle gez.)

29. Pal. Uguccioni zu Florenz.

30. Zecca in Venedig.

31. Dom-Modell zu Pavia. (Lübke.)

32. Gap. de’ Pazzi zu Florenz. (Nohl.)

33. Madonna delle Carceri zu Prato. (J. Stadler.)

34. Madonna di S. Biagio zu Montepulciano. (Lübke.)

35 u. 36. S. Giov. Crisostomo zu Venedig.

37 — 39. s. M. de’ miracoli zu Brescia. (Nach Herdtle.)

40 u. 41. Canepanova zu Pavia. (Lübke.)

42. Madonna di Gampagna zu Piacenza. (Lübke.)

43 u. 44. Madonna delk Urniltä zu Pistoja. (J. Stadler.)

45 u. 46. Gonsolazione zu Todi.

I


Verzeichniss der Abbildungen.


XIV


Fig.

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47. Rom. Tempietto bei S. Pietro in Montorio.

48. S. Peter. Bramante’s erster Grundriss.

49. S. Peter. RafaePs Grundriss.

50. S. Peter. Peruzzi’s Grundriss.

51. S. Peter. Michelangelo’s Grundriss.

52 u. 53. Gap. in S. Bernardino zu Verona.

54 u. 55. Madonna di Campagna bei Verona. (Lübke,)

56. S. Maria deila Passione zu Mailand. (Lübke.)

57 u. 58. S. Groee in Riva.

59 u. 60. Madonna di Garignano in Genua,

61. S. Francesco zu Rimini.

62. S. Andrea zu Mantua.

63. S. M. Novella zu Florenz.

64. Madonna di Galliera in Bologna, (Nobl.)

65. Fassade von S. Marco in Rom.

66. Vorhalle der Navicella zu Rom, (Nach Letarouilly,)

67. 'S. Maria de’ Monti. Fassade, (Nach Letarouilly.)

68. S. Lorenzo zu Florenz. Grundriss.

69. S. Spirito zu Florenz.

70. S. Lorenzo zu Florenz. Längendurchschnitt.

71. S. Zaccaria in Venedig. (Nohl.)

72 u. 73. Servi zu Siena. (Lübke.)

74. S. Francesco al Monte bei Florenz. (Nach Schill gez. von Riess.)

75. S. Andrea in Mantua.

76. S. Maurizio (monastero maggiore) zu Mailand. (Lasius.) *

77 u. 78. Padua. Garmine. (Lübke.)

79 u, 80. S. Maria cle ; Monti. Grundriss u. Durchschnitt. (Nach Letarouilly,)

81. Octogon des Doms zu Pavia, (Nohl,)

82, Dom zu Pavia, Grundriss,

83 u. 84. S. Giovanni in Parma. (Lübke.)

85. Dom zu Pienza, (Lübke.)

86. Rom, S. Lorenzo in Damaso, (Nohl.)

87 u. 88. S. Giustina zu Padua. (Lübke.)

89 u. 90. S, Salvatore zu Venedig.

91. Thurm an S. Spirito.

92. Montepulciano, Mad. di S. Biagio. (Nohl.)

93. Alte Sacristei von S. Lorenzo zu Florenz. (Becker.)

94. Gapelle an S. Eustorgio zu Mailand, (Nach Paravicini.)

95. Sacristei von S. Satiro zu Mailand. (Lasius.)

96. Gap. Ghigi in S. M. dei Popolo, (Nohl.)

97. Mediceische Gapelle bei S, Lorenzo,

98. Dom von Siena. Gap. S. Giovanni. (Nohl.)

99. Hof an S, M. della Pace. (Nach Letarouilly.)

100. S. M. della Pace, Grundriss. (Nach Letarouilly,)

101. Sacristei des Gronaca bei S. Spirito zu Florenz. (Nach Peyer-Imhof.)

102. Hof der Sapienza zu Rom. (Nohl.)

103. Hof der Universität zu Genua.

104. Scuola di S. Rocco zu Venedig.

o

105 u. 106. Pal. Riccardi zu Florenz.

107. Pal. Piccolomini zu Pienza. (Lübke,)

105. Hof von Pal. Gondi zu Florenz.

109. Pal. Serristori zu Florenz. (Nohl,)

110. Hof im Pal. zu Urbino.

111. Haus zu Bologna neben Pal. Pepoli. (Lübke.)

112. Pal. Pizzardi zu Bologna. (Lübke.)

113. Pal. Fantuzzi zu Bologna. (Lübke.)

114. Pal. Scrofa zu Ferrara. (Lübke.)

115. Pal. Bevilacqua zu Verona. (Baidinger.)


Verzeichniss der Abbildungen.


XV


Fig.

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116. Pal. Pompei zu Verona.

117. Pal. Farnese zu Rom.

118. Pal* Sciarra zu Rom.

119. Pal. Spada zu Rom. (Baidinger, nach Letarouilly.)

120. Hof im Pal. Farnese zu Rom. (Nohl.)

121. Hof der Cancelleria. (Nohl.)

122. Kleiner Pal. di Venezia zu Rom. Hof. (Nohl.)

123. Pal. Linotte zu Rom.

124. Querdurchschnitt durch den grossen Hof des Vaticans in seinem ursprüng-

lichen Zustande; oben der Giardino della Pigna.

125. Hof des Pal. Massimi zu Rom. (Nohl.)

126—129. Fassaden nach Serlio.

130. Pal. Gommunale zu Brescia. (Nohl.)

131. Loggia del Gonsiglio zu Verona. (Baidinger nach Phot.)

132. Pal. Chieregati zu Vicenza.

133. Pal. Malvezzi-Medici zu Bologna. (Nohl.)

134. Pal. Fantuzzi zu Bologna. (Nohl.)

135. Ehemaliger Hof von Pal. Sauli in Genua.

136. Ospedale zu Pistoja. (Nohl.)

137. Triumphbogen des Alfons zu Neapel.

138. Porta S. Zenone zu Verona.

139. Ponte S. Trintä zu Florenz. (Nach A. Schill.)

140. Situationsplan zu Pienza. (Lübke.)

141. Villa Pia.

142. Cortile ottagono di Belvedere. (Nohl.)

143 u. 144. Villa Madama zu Rom.

145. Villa bei Florenz. (J. Stadler.)

146. Vigna bei Florenz. (J. Stadler.)

147. Villa Govacchia hei Gastello. (J. Stadler.)

148 — 151. Monte Imperiale bei Pesaro. (Aus dem Archiv des Municipio von Pesaro, mitgetheilt durch H. Herdtle.)

152. Runder Hallenhof in der Vigna di Papa Giulio (III.) bei Rom.

153 A. La Rotonda bei Vicenza.

153 B, Villa d’Este bei Tivoli.

154. Villa Medici zu Rom.

155. Weihwasserbecken im Dom zu Siena. (Nohl.)

156. Marmor-Ornament an der Gathedrale zu Lugano.

157. Marmorfries in S. M. del Popolo zu Rom. (Sues.)

158. Taufbecken im Dom zu Orvieto. (Nohl.)

159. Balustrade am Casino de’ Nobili zu Siena.

160. Kanzel in S. Croce zu Florenz. (Nohl.)

161. Schule der Robbia; Relief im Museo nazionale (Bargello) zu Florenz,

(Herdtle.)

162. Kamin im Pal. von Urbino.

163. Ospedale maggiore zu Mailand.

164. Fenster der Certosa bei Pavia.

165. Capital am Pal. Gommunale zu Brescia.

166. Pilaster von S. Satiro zu Mailand. (Lasius.)

167. Römisches Prälatengrab in S. M. del Popolo.

168. Grabmal des Cardinais von Portugal in S. Miniato.

169. Theil des Sarcophages am Grabmal Marzuppini in S. Croce zu Florenz,

170. Grabmal Ponzetti in S, M, della Pace zu Rom, (Letarouilly.)

171. Grabmal des Dogen A. Vendramin im Chor von S. Giovanni e Paolo zu

Venedig, (Riess nach Photogr.)

172. Grab des Dogen Mocenigo in S. Giovanni e Paolo zu Venedig, (Riess

nach Photogr.)

173. Grabmal in S. Maria del Popolo zu Rom, (Nohl.)

174. Altar der Cap. Zeno in S. Marco zu Venedig,


XVI


Verzeichniss der Abbildungen,


Fig. 175. Hauptaltar in Fontegiusta zu Siena.

» 176. Lettner in der Sixtinischen Capelle zu R.om.

» 177. Capellenschranke aus S. Petronio zu Bologna.

» 178, Kanzel am Dom zu Perugia.

» 179, Weihbecken im Dom zu Orvieto. (Baidinger nach Photogr,)

» 180. Kamin im Dogenpalast zu Venedig. (Baidinger nach Photogr,)

» 181. Von Ghiberti’s zweiter Thür in Florenz,

» 182, Fackelhalter am Pal. Strozzi. (Nohi.)

» 183, Candelaber zu Venedig.

» 184, Fahnenhalter zu Venedig. (Nohl.)

» 185. Wahlurne zu Padua. (Herdtle.)

» 186. Ciborium des Domes zu Siena.

» 187. Fahnen- oder Fackelhalter zu Siena.

» 188. Thürklopfer von Bologna. (Nohl,)

» 189, Chorstuhl von Orvieto. (Nohl.)

» 190, Ghorstuhl aus S. Maria delf organo zu Verona. (Ohne die Decke.)

» 191, Chorstuhl im Dom zu Pisa. (Nohl.)

» 192. Chorstühle aus S. Giovanni in Parma. (Nohl.)

» 193. Chorstuhl in S. Maria maggiore zu Bergamo. (Lasius.)

» 194. Chorstuhl aus S, Martino bei Palermo. (Nohl.)

» 195. Orgellettner aus S. Maria della Scala zu Siena. (Herdtle.)

» 196. Orgel in der Minerva zu Rom, (Nohl.)

» 197. Truhe aus Siena.

» 198, Truhe im deutschen Gewerbemuseum zu Berlin. Die Füsse modern. (Sues


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nach Photogr.)

199. Harfe aus den Uffizien zu Florenz. (Herdtle.)

200. Decke aus Pal. Massimi zu Rom,

201 u. 202. Decken nach Serlio.

203. Vom Fussboden des Domes zu Siena. (Herdtle.)

204 u. 205. Sgraffitofassaden zu Florenz, (Herdtle.)

206. Sgraffitofassade an Via S. Lucia in Rom. (Nach Letarouilly.)

207. Bemalte Fassade an Via Giulia in Rom. (Nach Letarouilly.)

208. Päpstliches Wappen am Pal. der Gancelleria.

209. Pfeiler vom Monastero maggiore zu Mailand. (Lasius.)

210. Stanza della Segnatura, (Nohl.)

211. Loggie im Vatican zu Rom.

212. Aus den Loggien des Vaticans in Rom,


» 213. Farnesina zu Rom,

» 214. Aus Pal. Doria zu Genua. (Nach Gauthier.)

» 215. Aus der Capelle der Gancelleria. (Nohl.)

» 216, Capelle der Cancelleria. Details. (Nohl.)

» 217. Ampel aus S. Marco in Venedig. (Nohl.)

» 218. Onyxgefäss zu Neapel. (Herdtle.)

» 219 u. 220. Majolica-Schalen. (Herdtle.)

» 221, Palladio’s Teatro olimpico zu Vicenza; Seena. (Balclinger.)


ERSTES BUCH.


ARCHITECTUR.


I. Kapitel.

Der monumentale Sinn der italienischen Architectur.


Der Ruhmsinn und die Stiftungen der Frömmigkeit.

Die italienische Baukunst wird seit dem Erwachen der hohem Cultur wesentlich bedingt durch den hier viel früher als anderswo entwickelten individuellen Geist der Bauherrn wie der Künstler. Im Zusammenhang mit demselben erstarkt der moderne Ruhmsinn, welcher nicht nur mit seinesgleichen wetteifern, sondern sich unterscheiden will und von einer früh beginnenden Reihe von Aufzeichnungen begleitet ist, welche im Norden fehlen.

Der Norden hat beinahe nur einzelne Rechnungen und Indulgenzbriefe, während in Italien Inschriften, Chronikangaben und Urkunden reich an tendenziösen Ausdrücken sowohl die Thatsachen als die Gesinnungen überliefern.

Diese monumentale Baugesinnung , bald mehr auf das Mächtige, bald mehr auf das Schöne oder Zierliche gerichtet, bleibt eine der ersten, bewusstesten Lebensregungen der ganzen Zeit vom XI. bis in’s XVI. Jahrhundert, und begleitet den Versuch der Wiedererweckung der antiken Baukunst im XII., die Aufnahme des Gothischen seit dem XIII. und die Renaissance seit dem XV. Jahrhundert fast gleichmässig, als höchste Triebkraft.

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl.


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Erstes Buch. Architectur.


Beim Kirchenbau natürlich nicht genau auszuscheiden vom Bedürfniss der Frömmigkeit. Der sichtbare Ausdruck der letztem, Ablass, Gollecten und Almosen auch für Cathedralen nicht entbehrlich und für Bauten von Ordenskirchen die wichtigste Geldquelle. Doch hatte der Ablass in Italien politische Grenzen ; wenn die nordischen Cathedralen während ihres Baues jede auch im Gebiet der andern collectiren Hessen, so wären Pisaner, Bolognesen, Sienesen, Florentiner, Venezianer einander wohl sonderbar vorgekommen, wenn eine dieser Städte Aehnliches versucht hätte.

Ablass Bonifaz IX. für den Dombau zu Mailand 1391, den Besuch der dortigen 5 Hauptkirchen dem der römischen Patriarchalkirchen gleich- stellend, höchst einträglich, Gorio, storia di Milano, fol. 269. Ebenso die jährliche Oblation am Fronleichnamsfest ; Petri Gandidi Decembrii vita Phil. Mariae Vicecom., bei Muratori XX, Gol. 998.

Ungeheure Gollecten an einzelnen Wallfahrtsstätten, Gaben einer bunt gemischten Pilgerschaft; die alljährliche am Grab des h. Antonius zu Padua warf oft bis 400 Goldstücke ab; Mich. Savonarola, de laudibus Patavii, bei Murat. XXIV, Gol. 1148. (Geschrieben nach 1445.)

In Venedig S. Maria de’ miracoli 1480 aus einer bloss örtlichen raschen Gollecte von 30,000 Ducaten erbaut; S. Giovanni Crisostomo 1497 meist aus Ablassgeldern ; Malipiero, ann. veneti, archiv. stör. VII, II, p. 705.

Besonders zahlreiche Stiftungen und Herstellungen von Kirchen und Klöstern in Schreckenszeiten, z. B. zu Ende des XV. Jahrh. in Perugia; Matarazzo, cronaca, archiv. stör. XVI, II, p. 6.

Doch die Oblationen bisweilen nur scheinbar freiwillig ; Diario Ferra- rese, bei Murat. XXIV, Col. 197, die für den Domthurm von Ferrara seit 1451, thatsächlich vorgeschrieben.

§. 2 .

Die Baugesinnung der Florentiner,

In den freien Städten will vor Allem der municipale Stolz in einem mächtigen Dombau sich selber ein Genüge thun und die Nach- barn übertreffen. Die blosse Devotion, dem Anschwellen und Abneh- men unterworfen, tritt zurück neben Staatsbeschlüssen und Steuern.

Von Venedig und Pisa im XI. Jahrh. ist das Nähere hierüber nicht bekannt. Aber 1153 werden die Kosten für das Baptisterium zu Pisa durch eine städtische Auflage gedeckt und dann, der Sage nach, Säulen, Pfeiler und Bogen binnen 15 Tagen aufgesetzt; Vasari I, p. 210, im Proemio, c. 14. — Arezzo, welches das für den Dombau bestimmte Legat Gregor’s X (st. 1276) mit Kriegen ausgegeben, beschloss eine Abgabe seines ganzen Gebietes auf alle Zukunft ; Vasari I, p. 305, s. vita di Mar- garitone.


I. Kapitel. Der monumentale Sinn der italienischen Architectur. 3

Insbesondere ergreift der florentinische Staat sowohl als jede ein- zelne Behörde desselben jeden Anlass, um ihren monumentalen Ruhm- sinn auch schriftlich auszusprechen, sogar durch Lob der Künstler.

Der Auftrag Arnolfo’s zum Dombau 1298 lautet : »auf solche höchste \ und kostbarste Pracht, dass menschliches Streben und Vermögen nichts Grösseres noch Schöneres hervorbringen könne.« Del Migliore, bei Libri, hist, des Sciences mathem. II, p. 164. Vasari I, p. 252, s. vita di Arnolfo. Man verstand sich dafür zu einer Abgabe vom Verkehr und zu einer alljährlichen Kopfsteuer. Bei der Wiederaufnahme des Baues nach längerer Unterbrechung, in dem Glücksjahr 1331 wurde zu der Steuer eine Quote von den verpachteten Zöllen und Steuern hinzugefügt und in jeder Bude ein Kästchen für »das Gottesgeld« aufgestellt; Gio. Villani X, cap. 194.

Weil der Dom seit vielen Generationen als Höchstes galt, konnte und musste sich das mächtige Verlangen und Vermögen zu seiner Vollendung in einem Florentiner concentriren: in Brunellesco. »Zwei grosse Dinge trug Er von Anfang an in sich: die Wiedererweckung der guten Bau- kunst und den Kuppelbau von S* Maria del fiore.« Vasari III, p. 202.

Giotto’s Ernennung zum Dom- und Stadtbaumeister 1334 mit feuriger Anerkennung desselben als ersten Künstlers der damaligen Welt; Gaye, carteggio I, p. 481.

Dass ein bisheriges Gebäude durch Unschönheit eine Schmach für die Stadt sei, ein künftiges ihr zur Ehre und Zierde gereichen solle, wird gesagt u. a. bei Anlass des Neubaues von Orsanmichele 1336; Gaye, carteggio I, p. 47, 5. Gio. Villani XI, cap. 66 und 93. Die Nischen der einzelnen Pfeiler wurden den Zünften auszuschmücken übergeben. Die Gold- und Silbermünzen, die man in den Grundstein legte, hatten die Inschrift: ut magnificentia populi florent. artium et artihcum ostendatur.

Der Neubau einer Ordenskirche wird durch einen besonders verehrten Fastenprediger den Vornehmen und Reichen des betreffenden Stadtquar- tiers in’s Gewissen geschoben. Vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 207, bei Anlass von S. Spirito 1428.

In welchen Händen auch der Staat sich befinden mochte, immer blieb die höchste Ambition die Seele des öffentlichen Bauwesens, nur dass mit der Zeit weniger Worte davon gemacht werden, weil sich die Sache von selbst verstand.

Der florentinische Theoretiker Leon Battista Alberti um 1450 leitet Grösse und Macht des alten Roms grossentheils von dessen Bauten her und citirt Thucydides, welcher die Athener mit Recht darob rühme, dass sie durch Befestigungen viel mächtiger schienen , als sie waren. Arte edificatoria, Introd. (Opere volgari, vol. IV, p. 198).


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Erstes Buch. Architectur.


Die grossen Medici, als sie ihre Personen der Staatsgewalt substi- tuirten, wussten, dass sie damit eine allgemeine Baupflicht übernahmen. Gosimo (st. 1464) wollte vielen Leuten zu verdienen geben, zahlte genau und reichlich, freute sich dass das Geld in der Stadt blieb, und bereute nur dass er nicht 10 Jahre früher zu bauen an gefangen. Sein gesammter Aufwand an Bauten, Almosen und Steuern 400,000 Goldgulden, laut der authentischen Rechnung bei Fabroni, Laurent. Med. magnif. vita, Adnol. 2 & 25. Höhere, aber übertriebene Schätzungen in Gampani vita Pii II, bei Murat. III, II, Col. 976, und bei Vespasiano Fiorentino, p. 332 bis 338; hier auch Cosimo’s Weissagung: in 50 Jahren werde von Besitz und Herrlichkeit des Hauses Medici nur übrig sein was er gebaut habe. Vgl. auch Jovian. Pontan. de magnificentia. — Das Wort seines Sohnes Pietro über die Badia von Fiesoie : so viel Geld wir hier verbauen , ist extra petulantiam ludumque fortunae gesichert; vgl. Matteo Bossi, bei Roscoe, vita di Lorenzo d. M. vol. IV, Beilage 5. — Lorenzo magnifico, Pietro’s Sohn, freute sich beim Ueberschlag der gewaltigen Kosten, dass das Geld so gut ausgegeben sei; vgl. Gultur der Renaissance, III. Aufl. S. 78 und 139. Dass die 3 Genannten die Bauten von Kirchen und Klöstern vielleicht auch für ein politisch sichreres Capital denn Geld gehalten, deutet Ales- sandro de’ Pazzi an, Archiv, stör. I, p. 422. Der Ruhm der medicei- schen Bauten unter Lorenzo, Matteo Bossi, 1. c. /

Die Venezianer wussten wohl, wesshalb sie dem bei ihnen im Exil (1433) weilenden Gosimo verboten, die Fassade von S. Giorgio maggiore zu bauen. Sansovino, Venezia, fol. 81.

In welchen Ausdrücken sich der fiorentinische Staat auch für andere seiner Künstler , z. B. für einen Bildhauer im J. 1461 nach aussen ver- wendet, s. bei Gaye, carteggio I, p. 196.

§• 3.

Die B au ge sin nun g der Sienesen.

Der Bau-Ehrgeiz Siena 7 s nimmt in den officiellen Aeusserungen oft eine wahre Heftigkeit an und blickt unruhig nach aussen. Eine eigene Verschönerungsbehörde wacht namentlich über den Strassen- correctionen. Petitionen von Bürgern in Bau- und Kunstsachen sind nichts seltenes.

Vgl. Milanesi, documenti per la storia dell’ arte Senese, bes. I, p. 161 bis 164, 180 u. f., 188, 193. II, S. 39, 183, 301, 337, 339, 345, 353. III, S. 100 u. f., 139, 273, 275, 280, 310 u. a. a. O. Allegretto, Diari Sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 770, ss.

Das Stillestehen des Dombaues heisst eine Schande ; — 1298 Weiter- bau aus städtischen Mitteln; — der sog. neue Dom 1321 wird decretirt



I. Kapitel. Der monumentale Sinn der italienischen Arehitectur. i 5

als ecclesia pulcra, magna et magnifica. — Die bisherige Domsacristei »für eine Dorfkirche passend« wird 1407 für eine Schmach der Stadt erklärt. Bürgerpetition von 1389 um Vollendung des Domes und Bei-

fügung eines Campo santo in der Art des pisanischen, welches eine der vornehmsten geweihten Bauten der ganzen Christenheit sei.

Schon 1286 verlangen die Minoriten fast trotzig städtische Beihülfe für eine Fassade, weil es der Gemeinde von Siena nicht zur Ehre ge- reiche, wenn vornehme fremde Geistliche und Städteboten kämen und die provisorische, »das Ding von Backstein und Mörtel«, sähen. — Im J. 1329 Staatsbeitrag an die Carmeliter für eine Tafel des Lorenzetti, welcher dabei urkundlich gerühmt wird.

Der Staat befiehlt 1288 der Dombaubehörde, dem Sculptor Ramo di Paganello einen grossen und schönen Auftrag zu geben, woran er könne suum magisterium ostendere et industrium suum opus. — Nach 1527 braucht die eifrige Bürgerpetition um Anstellung des von dem ver- wüsteten Rom hergeflüchteten Baldassar Peruzzi u. a. den Ausdruck: dass Ehre und Name der Stadt dadurch in andern Städten zunehmen würden; ausserdem hofft man, dass Siena durch ihn eine Kunstschule werde.

Die Ufficiali dell’ Ornato begutachten u. a. 1469 eine Expropriation zur Bildung eines Platzes mit der Erwägung: Platz und Stadt müssten davon solche Würde gewinnen, dass jeder Bürger täglich mehr davon erbaut sein werde.

Einer Landstadt des sienesischen Gebietes, Grosseto, wird 1540 für den Bau ihrer Gathedrale ein bestimmter Baumeister und ein approbirter Plan desselben vorgeschrieben.

Bürgerbeschwerden gegen eine ungenügende Frescomadonna an Porta nuova; — gegen das Feueranmachen in dem neu und herrlich gemalten grossen Saal im Pal. del Podestä, zum Theil aus betonter Rücksicht auf die Fremden (1316).

Die verzögerte Vollendung der Fonte gaja heisst 1419 amtlich eine Schande der Stadt; Gaye, carteggio I, p. 94.

Um Beiträge zum Ausbau des Oratoriums der Ortsheiligen Catharina wird 1469 der Staat angegangen im Hinblick auf die Ehre der Stadt, auf die Meinung der andächtigen Fremden, auf die Verdienste der Patronin, auf den Ruhm Siena’s durch sie, auf die gegenwärtige Friedenszeit, end- lich »weil wir eine der wenigen Städte der Welt sind, welche noch die Himmelsgabe der süssen Freiheit geniessen«.

Ein wahrer Inbegriff des sienesischen Pathos ist die schöne Beschrei- bung der Ceremonie, mit welcher Duccio’s Altarwerk 1310 in den Dom geführt wurde, Milanesi 1, p. 169.


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Erstes Buch. Architectur.


§• 4.

Baugesinnung anderer Städte.

Auch in halbfreien und fürstlichen Städten, sobald sie eigene städtische Bauentschlüsse fassen können, äussert sich ein ähnliches Gefühl in klaren Worten. Venedig schweigt beinahe völlig; wo es spricht, tönen seine W orte am stolzesten.


Ometo nennt 1420 seinen Dom eine herrliche Kirche ohne Gleichen

m der Welt; — 1380 die Ambition, die grösste Orgel der Welt bauen

zu lassen; Deila Valle, storia del Duomo di Orvieto, p. 118 und docum 50 und 63.

In Perugia ist es 1426 der päpstliche Governator, welcher die Bürger beredet, eine so vornehme Stadt brauche einen viel mächtigem und schö- nem Dom als der bisherige sei ; die Kosten zwischen Papst, Bürgerschaft und Domcapitel getheilt. — Einem Neubau von S. Domenico zu Liebe

wur e eine Verkehrssteuer beschlossen; Graziani, cronaca, im Archiv, stör. XVI, I, p. 318, 418, 575, 620.

, + 0 A 'f T d f m herabgekommenen Piacenza lastete aus besseren Zeiten, seit 200 Jahren , das Gelübde eine Madonnenkirche zu bauen ; die merk- würdige Berathung 1467, mit besorglicher Einrede, der Herzog Galeazzo Sforza mochte die Stadt plagen, wenn sie Geldmittel sehen lasse- die Ausführung hauptsächlich durch Gollecte mit Hülfe eines grossen Predigers

Fra Giovanni da Lugo, begleitet von Wundern und Zeichen; Annales Placentim, bei Murat. XX, Col. 921, ss.

In Venedig bekam Sanmicheli (gegen 1540) den Auftrag zum Bau der prächtigen Wasserveste S. Andrea am Lido mit der Bemerkung- da er m weiter Feme die Festungen der Republik (auf Gorfu, Gandia, Cypern) neu gebaut habe, möge er nunmehr wohl erwägen, was seine neue grosse Verpflichtung mit sich bringe bei einem Bau, welcher ewig vor den

ugen des Senates und so vieler Herren dastehen müsse. Vasari XI p. 115, v. di Sanmicheli. y


§. 5.

Denkweise der Gewaltherrscher.

Die Herrscher, fast alle illegitim und gewaltsam, waren kraft psychologischer Nothwendigkeit meist so baulustig als ihre Mittel es zuliessen. Bauten waren ein dauerndes Sinnbild der Macht und konnten

für die Fortdauer einer Dynastie und für ihre Wiederkehr, wenn sie vertrieben war, von hohem Werthe sein.

Ueber das Verhältniss des usurpirten Fürstenthums zum Ruhm und zur Intelligenz vgl. Cultur d. Renaiss., III. Aufl. S. 8, 161 u. f. ; das Ver-


I. Kapitel. Der monumentale Sinn der italienischen Architectur. 7

hältniss zur Kunst, bes. zum Bauwesen, umfasste Beides. Vgl. d. Verf.

Zeit Constantin’s d. Gr., S. 464. — Die Baupolitik der Medici s. §. 2.

Gleich der Anfang der ital. Tyrannis ist bezeichnet durch den Bau- geist des schrecklichen Ezzelino da Romano (st. 1259), der Paläste über Paläste baute um nie darin zu wohnen, und Bergschlösser und Stadt- burgen, als erwartete er täglich eine Belagerung; alles um Schrecken und Bewunderung einzuflössen und den Ruhm seines Namens jedem Gemüth so einzuprägen, dass für ihn keine Vergessenheit mehr möglich wäre; Monachus Paduanus, in fine L. II, u. a. in der Sammlung des Urstisius.

Bald nehmen die Herrscher von Mailand, die Visconti wie die Sforza, mit Bewusstsein die erste Stelle unter den bauenden Fürsten ein.

Giangaleazzo Visconti (st. 1402), mit seinem specifischen Sinn für das Colossale, gründet »das wunderbarste aller Klöster« , die Certosa bei Pavia, und »die grösste und prächtigste Kirche der Christenheit«, den Dom von Mailand, »der gegen das ganze Alterthum in die Schranken treten kann« (Urkunde v. 1490, bei Milan esi II, p. 488) und baute weiter an dem schon von seinem Oheim Bernabo begonnenen Castell von Pavia (§. 21), der herrlichsten Residenz der damaligen Welt. — Filippo Maria Visconti (st. 1447) baute Lustschlösser und richtete das Castell von Mai- land zu einer prachtvollen Wohnung ein.

Von den Sforza ist Lodovico Moro (gestürzt 1500) berathen von Bramante und Lionardo, der Wichtigste. Grosse Gorrectionen von Mailand und Pavia ; Neubau von Vigevano mit Gärten, Aquaeducten und zierlicher I Piazza. Gagnola, im Archiv, stör. III, p. 188; über Vigevano auch De- cembrio (vgl. §. 1) Gol. 998. Der Moro ernannte 1490 (Milanesi II, p. 431, s.) die Meister für Errichtung einer Domkuppel, »welche schön, würdig und ewig sein soll, wenn sich auf dieser Welt etwas Ewiges her- vorbringen lässt.« 

Auch die Gonzagen von Mantua geben ihren Baugeist deutlich kund, ausserdem etwa noch ein geldreicher Condottiere.

Für Mantua besonders wichtig erst die Regierung des Herzogs Fede- rigo; Umbau von ganzen Quartieren 1526 bis 1546, Bau des Pal. del Te u. s. w. Vasari X, p. 109, ss. v. di Giulio Romano.

Bei Gaye, carteggio II, p. 326, ss. die merkwürdigen Actenstücke über den Bau eines neuen Domes zu Mantua (1545), welcher von der Herrscher- familie wesentlich als weltliche Ehrensache betrieben und den Unter- thanen auf höchst glimpfliche Weise zu einer nur mässigen Beihülfe empfohlen wird.

Der Feldherr Golleoni (st. 1475), im Bewusstsein dass ihn die Re- / publik Venedig erben werde, baute drei Kirchen nebst seiner prachtvollen


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Erstes Buch. Architectur.


Grabcapelle in Bergamo (§. 80) und das schöne Landschloss Malpaga; Paul. Jovii elogia , sub Bartol. Colleonio. — Vergl. Gultur d. Renaiss. III. Aufl. S. 126, oben.

§. 6 .

Romagna, Mark und Umbrien.

Südlich vom Po in der Eomagna und Mark Ancona und weiter in Umbrien entwickelte sich in der relativ langen Friedenszeit von 1465 bis nach 1480 der fürstliche und zugleich der städtische Bausinn vorzüglich stark, offenbar durch Wetteifer.

Um diese Zeit mögen in Oberitalien die Riegelwände verschwunden sein, von welchen Lomazzo (trattato dell’ arte, ed. Milan. 1585, p. 649) als von einer dort früher allgemeinen Bauweise spricht.

In Faenza baute nach Kräften Fürst Carlo Manfreddi, in Ravenna die venezian. Regierung, in Forli Fürst Pino Ordelaffo, der auch den bauenden Privatleuten mit Hülfe, Rath und Gunst beistand und sein neues Palatium 1472 durch einen feierlichen Ritterschlag einweihte; Ann. Foro- liviens. bei Murat. XXII, Col. 227, 230.

In Bologna (Annalen des Mönches Bursellis, bei Murat. XXIII) bauten damals, besonders seit 1460, um die Wette die Geistlichen, der päpstliche Legat, das halbfürstliche Haus der Bentivogli, die Stadtbehörde, die Zünfte, die Privatleute und namentlich die reichen Professoren; Privatpaläste »eines Fürsten würdig« ; der Palast der Bentivogli »königlich« ; die grossen und theuern Strassencorrectionen s. §. 112.

In Pesaro that Fürst Gostanzo Sforza (Vetter des Moro) das Mögliche für Gorrection und Ausbau der Stadt und schuf die zierliche Veste daselbst per sua fantasia.

Der Ruhmsinn verbunden mit einer entsetzlichen Gemüthsart in Sigismondo Malatesta, Fürsten von Rimini (st. 1467), dem Zerstörer dessen was Andere gebaut, um das Material neu zu vernutzen und kein Andenken als das eigene am Leben zu lassen. Für sein S. Francesco (seit 1447), das er eigentlich sich selbst und der schönen Isotta zu Ehren baute, wurde der Hafen und viele andere Gebäude, Grabmäler, ein Stifts- haus und ein Glockenthurm zu Rimini zerstört und zu Ravenna der Mar- mor aus 3 alten Kirchen (S. Severo, S. Apollinare in Glasse und Galla Placidia) geraubt. Vasari IV, p. 56, Nota, v. di Alberti. Vgl. Gultur d. Renaiss. S. 271. — Unten §. 63.

Auch die Kleinsten strengten sich an. Simonetto Baglione, der das Städtchen Diruta verwaltete, liess wenigstens die Piazza pflastern und wollte auf kühnem Bogen von Fels zu Fels Wasser herleiten, lauter Dinge »zu ewigem Andenken«, als ihn (1500) sein Schicksal ereilte. Mata-


I. Kapitel. Der monumentale Sinn der italienischen Architectur. ‘ 9

razzo , cronaca, arehiv. stör. XVI, II, p. 107. Vgl. Cultur d. Renaiss. III. Aufl. S. 30.

Bei den Herzogen vom Haus Este zu Ferrara, Borso (st. 1471) und Ercole I. (st. 1505) sind die eigenen Bauten zahlreich, massig und zweckmässig , das letzte Ziel weniger monumental als politisch : eine reiche, feste, starkbevölkerte grosse Stadt zu schaffen. Sie bauten gerade so viel selbst und regierten dabei so, dass Andere, auch ein- gewanderte Fremde, veranlasst (und wohl auch genöthigt) wurden, ebenfalls und zwar nach der vorgeschriebenen Richtung zu bauen.

Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, und Annales Estenses, bei Murat. XX, passim. — Einmal schaut bei Borso eine babylonische Denkart her- vor, als er frohndweise in seiner Po-Ebene den grossen künstlichen Monte santo aufschütten liess. — Die Gorrectionen und Quartieranlagen §. 112. — Um den herzogl. Palast Schifanoja herum entstand ein Palastquartier u. a. durch eingewanderte florentinische Verbannte. Für bestimmte Zwecke wurde bisweilen a furia, über Hals und Kopf gebaut und die Expropriation sehr theuer bezahlt.

Der grosse Federigo von Montefeltro, Herzog von Urbino (st. 1482), Kenner der Architectur, baute ausser vielen Festungen seinen be- rühmten Palast, welcher als einer der vollkommensten seiner Zeit galt.

Vespasiano fiorentino, p. 121, s. p. 146. Vgl. Cultur d. Renaiss. S. 45, 269. — An dem Palast (§. 93) könnte er leicht selber das Meiste gethan haben.

§♦ 7 .

Monumentaler Sinn Papst Nicolaus V.

In dem zerrütteten Rom erhoben sich die ersten Päpste nach dem Schisma kaum über Reparaturen. In Nicolaus V. (1447 bis 1455) aber war Bauen und Büchersammeln zu Einer übermächtigen Leiden- schaft gediehen, zu deren Gunsten der Papst selber erhabene sowohl als practische Gesichtspuncte geltend machte.

Vitae Paparum, bei Murat. III, II, Gol. 925, ss., bes. 949. — Platina, in vita Nicol. V. — Ausser vielen Bauten in Landstädten die fünf grossen, nur geringstentheils ausgeführten Projecte für Rom: Herstellung der Stadt- mauern und der 40 Stationskirchen, Umbau des Borgo zur Wohnung für die gesämmte Curie, Neubau des Vaticans und der Peterskirche.

Die Motive nach den Biographen: Ehre und Glanz des apostolischen Stuhles, Förderung der Devotion der Christenheit und Sorge für den eigenen Ruhm durch unvergängliche Bauten.


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Erstes Buch. Architectur.


Laut der eigenen Rede des Papstes an die um sein Sterbebette ver- sammelten Cardinäle: das monumentale Bedürfniss der Kirche, nicht in Betreff der Gelehrten, welche Entwicklung und Nothwendigkeit der Kirche auch ohne Bauten verständen, wohl aber gegenüber den turbae populorum, welche nur durch Grösse dessen was sie sähen in ihrem schwachen und bedrohten Glauben bestärkt werden könnten. Dazu dienten besonders ewige Denkmäler, die von Gott selbst erbaut schienen. Die Festungen im ganzen Staat habe er errichtet gegen Feinde von aussen und gefähr- liche Neuerer im Innern. (Vgl. Gultur d. Renaiss. S. 99, 227, 284.) »Hätten Wir Alles, Kirchen und andere Bauten, vollenden können, wahr- »heh Unsere Nachfolger würden mit grösserer Verehrung aller Christen- »völker angebetet werden und sicherer vor innern und äussern Feinden »m Rom wohnen. Also nicht aus Ehrgeiz, aus Prachtliebe, aus leerer »Ruhmsucht und Begier Unsern Namen zu verewigen haben Wir dieses »grosse Ganze von Gebäuden angefangen, sondern zu Erhöhung des An- »sehens des apostolischen Stuhles bei der ganzen Christenheit, und damit »künftig die Päpste nicht mehr vertrieben, gefangen genommen, belagert »und sonst bedrängt werden möchten.« Die letzte (vergebliche) Bitte an

die Cardinäle , man möge fortfahren und vollenden , prosetjui , perficere, absolvere !

§. 8 .

Die übrigen Päpste bis auf Julius II.

Von den nächstfolgenden Päpsten Calixt III. (bis 1458), Pius II. (bis 1464), Paul II. (bis 1471), Sixtus IV. (bis 1484), Innocenz VIII. (bis 1492) und Alexander VI. (bis 1503) verräth keiner mehr diesen hohen Eifer für das Allgemeine. Wohl aber offenbart sich der Pracht- sinn weltlicher Fürsten und die Rücksicht auf Rom als Residenz. Seit Pius II. beginnen die reichern Cardinäle um die Wette Paläste zu bauen, und Sixtus IV. fordert sie sogar dazu auf; auch ihre Titular- kirchen zu schmücken wird für sie Ehrensache.

Pius II. hatte Bausinn und edeln Geschmack aber nicht so sehr für Rom als für seinen Geburtort Corsignano, den er zur Stadt, zum Bischofs- sitz, Amtsort und Festort erhob und nach seinem Namen Pientia nannte,

wie Alexander, die Diadochen und die Imperatoren so manche Städte nach ihrem Namen benannt hatten.

Sixtus IV. mit vorherrschend profanem Bausinn errichtete die längst

schwer entbehrte mittlere Tiberbrücke, den Ponte Sisto mit der naiven

Inschrift, und gewann die Aqua virgo (Acqua di Trevi) wieder für Rom.

Doch stellte er, zumal bei Anlass des Jubileums 1475, auch mehrere Kirchen her. '


I . Kapitel. Der monumentale Sinn der italienischen Architectur.


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Ueber die Bauten der Päpste und Gardinäle : Pii II. Comment. L. VIII, p. 366, vgl. L. VI, p. 308. Vitae Papar. bei Murat. III, II , Gol. 1018, 1031, 1034 ss., 1046, 1064 s., 1098. Ferner Platinae continuator (Onuphr. Panvinius), passim. Albertini, de mirabilibus Romae, im III. Buch. Die Gardinäle und Prälaten bauten wohl auch (vgl. §. 95) weil sie wussten, die Curie würde ihre bewegliche Habe gewaltsam erben. Mit ihren Pracht- gräbern (§. 138) verhält es sich wohl ebenso.

Der gewaltige Julius II. (1503 bis 1513), schon als Cardinal baulustig bis zur höchsten Anstrengung seiner Kräfte, unternahm den Neubau von S. Peter (§. 66) und dem Vatican in einem freien und grossen Sinne wie ihn kaum je ein Bauherr gehabt hat.

Onuphrius Panvinius, de vaticana basilica, bei Mai, spicileg. romanum, Tom. IX, p. 365, ss. Vgl. Ranke, Päpste, I, S. 69. Folgendes der Inhalt: Hohen Muthes, in Kampf und Krieg gegen die Feinde der Kirche unerschütterlich und hartnäckig, pflegte Julius von allen Dingen die ihn einmal ergriffen , dergestalt entflammt zu werden , dass er das kaum Er- dachte auch gleich durchgeführt zu sehen erwartete. Unter andern grossen Gaben besass er nun auch eine wunderbare Begeisterung des Bauens, mochte sie auch die Schuld sein an mehr als einem Unterbau, der nicht weiter geführt wurde. (Anspielung auf das angefangene Gerichtsgebäude an der Via Giulia.) Ueberdiess hatte er Männer um sich wie Bramante, Rafael, Baldassar Peruzzi, Antonio Sangallo, Michelangelo und Andere. Bramante, damals als der grösste von allen geltend, hatte endlich an ihm einen Papst gefunden wie er ihn wünschte; beredt wie er war, gewann er ihn für einen Neubau von S. Peter, welcher der Grösse des päpstlichen Namens und der Majestät des Apostels würdig wäre; er liess den Papst bald Ansichten bald andere Zeichnungen für die künftige Kirche sehen, kam immer von Neuem darauf zurück, und schwur dem Papst, dass dieser Bau ihm einen ewigen Ruhm sichern werde. Julius II. in seinem hohen und weiten Sinn , wo für kleine Dinge keine Stelle war , stets auf das Golossale gerichtet — magnarum semper molium avidus — liess sich von dem Meister gewinnen und beschloss die Zerstörung der alten und den Aufbau einer gewaltigen neuen Peterskirche. Dabei hatte er gegen sich die Leute fast aller Stände, zumal die Gardinäle, welche auch gerne eine prachtvolle neue Kirche gehabt hätten, aber den Untergang der alten, für den ganzen Erdkreis ehrwürdigen Basilica mit ihrer Menge von Heiligen- gräbern und grossen Erinnerungen bejammerten. Der Papst aber blieb beharrlich, warf die Hälfte der alten Kirche nieder und legte die Funda- mente der neuen (15. April 1507).

Mit diesem Bau, so schwankend dessen Schicksale einstweilen waren, stellte sich das Papstthum auf lange Zeit an die Spitze alles




12 Erstes Buch* Architectur.

Monumentalen im ganzen Abendlande. Zur Zeit der Gegenreformation hatte diess nicht bloss formale, sondern auch weltgeschichtliche Folgen.

Wogegen kaum in Betracht kommt, dass unter Leo X. der Bau Einiges zum Ausbruch der Reformation mit beigetragen hatte.

Alt S. Peter war schon um 1450 fast 6 Fuss aus dem Loth gewichen und hielt schon nur noch durch die Verankerungen des Daches zusammen; Alberti, arte edificatoria, L. I (opere volgari, vol. IV, p. 242). Das nächste Erdbeben hätte die Kirche umgeworfen.

§. 9 .

Gesinnung des Privatbaues.

Auch bei Privatleuten zeigt sich in Italien frühe eine begeisterte Baugesinnung. Schöne und grosse Bauwerke sind eine natürliche Aeusserung des veredelten italienischen Lebens , bei einigen Bauherrn wohl auch eine Vorstufe zur fürstlichen Macht. Venedig ist wiederum schweigsam, Florenz beinahe gesprächig.

Der Venezianer, welcher Ambition an den Tag 'legte, war ein solcher der kein gutes Ende nahm (1457), der Doge Francesco Foscari. Auf den Palast der fortan seinen Namen trug, baute er das obere Stockwerk, damit man denselben nicht mehr wie früher Gasa Giustiniana nenne; Sansovino, Venezia, fol. 149.

Für Florenz ein frühes, lautes Bekenntniss in den Briefen des Nic- colö Acciajuoli, der aus einem Kaufmann Grossseneschal von Neapel ge- worden und aus der Ferne seinen Bruder mit dem Bau der mächtigen Carthause bei Florenz beauftragt, im J. 1356. Gaye, carteggio, I, p. 61, 64. Vgl. Matteo Villani III, c. 9. » . . . Was mir Gott sonst gegeben,

»geht an meine Nachkommen über und ich weiss nicht an wen, nur »diess Kloster mit seinem Schmuck gehört mein auf alle Zeiten und wird »meinen Namen in der Heimath grünen und dauern machen. Und wenn »die Seele unsterblich ist, wie Monsignor der Kanzler sagt, so wird meine »Seele, wohin ihr auch befohlen werde zu gehen, sich dieses Baues »freuen.« 

Frömmer war der in Kaiser Sigismund’s Dienst als Rath und Feldherr gegen die Türken viel geltende Filippo Scolari oder Pippo Spano. Er baute in Ungarn etc. angeblich 180 Gapellen, in Florenz aber stiftete er eine Vergabung für die Polygonkirche bei S. Maria degli angeli, damit ein Denkmal und eine Erinnerung an ihn bei den Nachkommen in der Heimath vorhanden sei. Vita di Fil. Scolari, archiv. stör. IV, p. 181. Der fiorentinische Staat vergeudete das Geld und von Brunellesco’s Plan

  • blieb nur eine kleine Abbildung übrig. (§. 63.)


I. Kapitel* Der monumentale Sinn der italienischen Architectur.


13


Die höchste Ambition, die der Privatbau auf Erden an den Tag gelegt hat : Palazzo Pitti, für Luca Pitti gebaut.

Ueber Palazzo Strozzi, gegründet 1489 von Filippo Strozzi, einer der glänzenden Gestalten des damaligen Florenz, eine zum Theil apocryphe, zum Theil aber sehr bezeichnende Erzählung, Gaye, carteggio I, p. 354, s. Ygl. II, p. 497. Strozzi, bauverständig und mehr auf Ruhm als auf Besitz gerichtet, nachdem er für die Seinen reichlich gesorgt, will durch einen Bau sich und seinem Geschlecht einen Namen machen auch über Italien hinaus. Der thatsächliche Staatsherrscher, Lorenzo magnifico, der ein gar zu majestätisches Auftreten der grossen Geschlechter nicht liebte, aber doch ein prachtvolles Florenz haben wollte, liess sich die Pläne vorlegen, nöthigte Jenen angeblich zu einer »allzuvornehmen« Rusticafassade und verbot ihm die Buden im Erdgeschoss. (Strozzi hätte dem Lorenzo gar nie glaubhaft machen können, dass er die Rustica fürchte, per non esser cosa civile, während so viele andere Florentiner sie anwandten, und vollends nicht, dass er unten Buden anbringen wolle.) Der Bau sollte ohne Eingriff in das Capital, aus den blossen Einkünften bestritten werden, was auch, trotz anderer Bauten und Uebertheurung beim Platzankauf, gelungen wäre, wenn nicht Strozzi’s Tod 1491 eine Stockung herbei- geführt hätte. Sein Testament verpflichtete die Söhne zum Ausbau, unter Bedrohung, dass sonst der Palast an Lorenzo magnifico und eventuell an die Zunft der Kaufleute oder an das Spital S. Maria nuova fallen solle. Sie liessen sich es gesagt sein und der berühmte Filippo Strozzi der Jüngere (Varchi, stör, fiorent. L. IY, p. 321) vollendete den Bau 1533.

An einem anmuthigen Privatbau zu Mailand (Gasa Frigerio bei San Sepolcro) steht geschrieben: elegantiae publicae, commoditati privatae.

Die Sinnesweise des vornehmen Privatbaues wird gegen 1500 auch theoretisch besprochen und auf bestimmte Grundlagen und Ziele zurückgeführt.

Die Schrift des Neapolitaners Jovianus Pontanus de magnificentia definirt den Prachtliebenden, den magnificus besonders auch in Bezug auf das Bauen, mit Belegen aus Neapel und Sicilien. Vier Sachen be- dingen die höhere Würde eines Baues, der Schmuck den man eher über- treiben, die Grösse in der man sich eher mässigen soll, die Trefflichkeit des Materials als Beweis dass keine Kosten gescheut worden, und die ewige Dauer welche allein den von Jedem ersehnten unvergänglichen Ruhm sichert. Anecdote von einem Gatanesen welcher sich an enormen Fundamenten arm baute, und sich damit tröstete, schon daraus werde wenigstens die Nachwelt schliessen, dass er ein grosser Herr gewesen.

Das Geld muss nicht bloss thatsächlich ausgegeben, sondern sichtbarlich gerne und mit der wahren Verachtung ausgegeben worden sein. Nur


14 Erstes Buch, Architectur.

von vollkommenen Gebäuden geht die Bewunderung auch auf die Erbauer über, man kommt aus fernen Ländern um sie zu bestaunen und Dichter und Geschichtschreiber müssen deren Ruhm verbreiten.

§• 10 .

Die Gegenreformation.

Dem Kirchenbau kommt um die Mitte des XVI. Jahrh. als neue Triebkraft die Gegenreformation zu »Statten, welche nicht viel Worte von sich macht, aber gleich mit bedeutenden Bauten auftritt.

Noch kurz vorher (um 1540) die Klage des Serlio über das Erlöschen des kirchlichen Baueifers, im V. Buche.

Ein besonders auffallendes Steigen desselben seit 1563, d. h. seit der Publication der Beschlüsse des tridentinischen Goncils ; Armenini , de veri precetti della pittura, Ravenna 1587, p. 19: in der ganzen Christenheit wetteifere man seither im Bau von schönen und kostbaren Tempeln, Capellen und Klöstern, wobei nichts zu wünschen übrig bleibe als eine ebenso grosse und lebendige Malerei und Sculptur; d. h. die Schwester- künste unter der Herrschaft des Manierismus erschienen der Baukunst nicht ebenbürtig.


II. Kapitel.

Bauherrn, Dilettanten und Baumeister.


§. ii.

Kunstgelehrte Bauherrn des XV« J ahrhunderts.

Bei dem so ganz persönlichen Verhältniss vieler Bauherrn zu ihren Bauten, welche bisweilen als Hauptlebenszwecke und als Garan- tien des Nachruhms behandelt werden, musste sich eine eigene Kenner- schaft oder ein Dilettantismus entwickeln, welcher hie und da die

wahre Urheberschaft zweifelhaft macht. Der Bauherr wird stellenweise zum Baumeister.

Nicolaus V. (§. 7) wird beim projectirten Neubau von S. Peter geradezu selbst der Architect genannt und desshalb nicht mit Salomo, sondern mit Hiram Abif verglichen, als wäre Bernardo Rossellino nur sein Executant gewesen ; Vitae Papar., bei Murat. III, II, Col. 938.


II. Kapitel. Bauherrn, Dilettanten und Baumeister.


15


Pius II. verräth bei der Schilderung seiner Bauten in Pienza (§. 8) eine solche Detailkenntniss, dass anzunehmen ist, es möchte Manches daran nicht von Bernardo Bosellino, sondern vom Papste selbst angegeben sein; Pii II. comment., besonders L. IX, p. 425, ss.; über Rosellino, p. 432.

Federigo von Urbino (§. 6) erschien, wenn man ihn hörte, als Bau- meister von Hause aus und nicht nur kein anderer Fürst , sondern auch kein Privatmann war ihm darin gleich. Nicht nur für seine Festungen, sondern auch für seinen Palast »gab er die Masse und Alles (übrige) an« ; Vespasiano fiorent. p. 121. Dagegen spricht er in der Urkunde von 1468 bei Gaye , caiteggio, I, p. 214 zwar als Verehrer und stolzer^ Kenner der Architectur, ernennt aber doch für den Palastbau zu seinem Alter ego den Luciano da Lauranna, einen Illyrier, da er in Toscana, der Quelle der Architecten, keinen geeigneten Mann gefunden habe. Der schöne Hallenhof gilt als das Werk des Baccio Pintelli, ebenda, p. 276.

Wie gross mag der Antheil des Ghorherrn Timoteo Maffei an der Badia zu Fiesoie gewesen sein, welche Gosimo durch Brunellesco bauen liess? Nach Vespas. fiorent. p. 265 wäre die Hauptsache von Timoteo gewesen.

Lorenzo magnifico (st. 1492) mischte sich in das ganze florentinische Bauwesen (§. 9), führte so scharfe Urtheile über die Architecten von Toscana wie Federigo (sein Brief an den Kronprinzen Alfonso von Neapel, Gaye I, p. 300), verschaffte denselben dann wieder Aufträge in der Ferne (ebenda, p. 301), präsidirte und entschied die Berathung über eine neue Domfassade 1491 (Vasari VII, p. 238, ss., im Comment. zur v. di Giul. Sangallo) , scheint aber selber nicht gezeichnet zu haben. (Es ist be- denklich, die Worte bei Vasari VIII, p. 267, v. di A. del Sarto, in Betreff der Scheinfassade des Domes beim Einzug Leo’s X. 1515, auf eine hinter- lassene Zeichnung Lorenzo s zu beziehen.) Dass er es sehr liebte und beförderte, wenn junge Adliche Künstler oder Kunstdilettanten wurden, kam wohl schwerlich daher, dass er dem edeln Geblüt eine höhere Be- gabung zutraute (Vasari VII, p. 203, s., v. di Torrigiano); eher mochte er wünschen dass die Adlichen den Einfluss im Staat vergässen, die Stadt verschönerten und sich gelegentlich dabei verbluteten.

In Siena beweisen mehrere schon einer frühen Zeit angehörende auffallend genaue Contracte für Palastbauten eine genaue Kennerschaft der Betreffenden; Milanesi I, p. 232 (für Pal. Sansedoni, schon 1389)

II, p. 303, ss. (für Pal. Marsigli, 1459). ’

Für Arezzo ebenda I, p. 200 der Gontract zum Bau der Pieve 1332.

Für Pistoja ebenda I, p. 229 der Gontract zum Bau des Baptiste- riums 1339.


16


Erstes Buch. Architectur.


§. 12 .

Baudilettanten des XVI. Jahrhunderts.

Im XYI. Jahrhundert wird die Baukunst von manchen vornehmen Dilettanten fortwährend mit Ernst und Eifer betrieben. Publicationen von Abbildungen erleichtern bald auch Unberufenen die Theilnahme. Unter den weltlichen Fürsten zeigt Cosimo I. (1537 bis 1574), Herzog, dann Grossherzog von Toscana, am meisten Absicht und Verständniss, wenn auch einseitiges; bei den Päpsten ist viel Baugeist, eigener Dilet- tantismus aber wohl nur bei Julius III.

Luigi Cornaro, der Verfasser des vita sobria (Gultur d. Renaiss. I. Aufl. S. 335, vgl. 319) nahm emsig an allen baulichen Studien Theil, hatte den berühmten Falconetto 21 Jahre bis zu dessen Tode bei sich im Hause und nahm ihn auch nach Rom mit. Die Frucht hievon waren die beiden Ziergebäude im Hof des jetzigen Pal. Giustiniani beim Santo zu Padua, datirt 1524. Vasari IX, p. 205, 208, v. di Fra Giocondo; — Anonimo di Morelli; — vgl. auch die Dedication zum vierten Buche des Serlio (1544), wo dem Cornaro an seiner Stadtwohnung sowohl als an seinen Villen ein eigener Antheil vindicirt wird.

Patriarch Giovanni Grimani von Venedig liess seinen Palast bei S. M. formosa durch Sanmicheli bauen, half aber »als trefflicher Architect«  durch »Anweisung« nach; Anonimo di Morelli.

Francesco Zeno machte selbst das »Modello« für den Palast seiner Familie; — Anonimo di Mor., und: Sansovino, Venezia, fol. 143.

Der Dichter Trissino , Verfasser der Italia liberata da’ Goti (Gultur d. Renaiss. I. Aufl. S. 323 und 306, Anm.) baute seine Villa zu Gricoli (§.119) selber. Seine Studienzeit in Mailand muss mit dem Aufenthalt Bramante’s und Lionardo’s zusammengefallen sein. Roscoe, Leone X, ed. Bossi, VII, p. 341.

Er sowohl als Gornaro schrieben auch über die Architectur.

Serlio’s Werk (seit 1540): veramente ha fatto piü mazzacani archi- tetti che non haveva egli peli in barba, sagt Lomazzo, trattato dell’ arte, p. 407, vgl. p. 410. Auch die sich rasch drängenden Ausgaben des Vitruv (s. unten) weckten ohne Zweifel den Dilettantismus. Als ein Opfer des- selben erscheint jener ferraresische Krämer, welcher sich in Bücher von Bausachen vertiefte, zu pfuschen anfmg und sich als den nächsten, den »dritten« nach Bramante und Ant. Sangallo betrachtete; man nannte ihn daher Messer Terzo; — vgl. Benv. Gellini, Trattato secondo, Schlusscapitel.

Michelangelo’s Hohn gegen einen vornehmen römischen Dilettanten, Vasari XII, p. 280, v. di Michelangelo.

Von den Vitruvianern ist weiter unten die Rede, ebenso vom Kunst- sinn des Herzogs Cosimo I.


II. Kapitel ♦ Bauherrn, Dilettanten und Baumeister,


17


Die Baugrillen Julius III., der bei Anlass seiner Villa täglich die Ent- schlüsse wechselte, Vasari I, p. 40 in seinem eigenen Leben, ausserdem in der vita di Taddeo Zucchero.

§♦ 13 .

Berathungen und Behörden.

Unsere Kunde von der Sinnesweise der damaligen Architectur wird auch vermehrt durch Berathungen und Abstimmungen von Be- hörden sowohl als von Versammlungen der Fachleute, von welchen eine mehr oder weniger genaue Rechenschaft auf uns gekommen ist, während im Norden ähnliche Aufzeichnungen fehlen.

Der Gongress der fremden Architecten wegen der Domkuppel in Florenz 1419 ist, so wie ihn Vasari III, p. 206, ss. schildert, nichts als eine Allegorie vom Siege des Genius über die Besserwisser. In der vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 164, ss. nimmt sich die Sache viel einfacher aus.

Berathungen ohne nähere Angabe der Behörden: Vasari VII, p. 130, v. di Bramante: resoluzione, consiglio, deliberazione, bei Anlass der Can- celleria in Rom und zweier Kirchen.

Abstimmungen der Fachleute über Baufragen, nach der Kopfzahl, u. a. in Florenz 1486, Gaye, carteggio II, p. 450. — Protocolle von Sitzungen und Beschlüssen verschiedener Art bei Milanesi. Ein besonders instructives über einen Goncurs zu einer neuen Domfassade in Florenz 1490, Vasari VII, p. 243, s. im Gommentar zu v. di Giul. Sangallo ; unter den 46 Goncurrenten, fast lauter Florentiner, finden sich Maler, Goldschmiede, Holzschnitzer, Schmiede, ein Herold und ein Stadtpfeifer.

§. 14 ,

Vielseitigkeit der Architecten.

Die Vielseitigkeit der meisten damaligen Künstler, welche unserm Jahrhundert der Arbeitstheilung wie ein Räthsel vorkommt, war für die Baukunst von besonderm Werthe.

Ghiberti sagt bei Anlass Giotto’s (Gomment. p. XVIII): quando la natura vuole concedere alcuna cosa, la concede senza veruna avarizia.

Die schöne frische Erscheinung der Renaissancebauten hängt wesent- lich davon ab, dass die Meister nicht bloss die Reissfeder führten, sondern als Bildhauer, Maler und Holzarbeiter jeden Stoff und jede Art von Formen in ihrer Wirkung kannten. Sie vermochten einen ganzen Bau und dessen

ganzen Schmuck zusammen zu empfinden und zu berechnen. Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 2


Erstes Buch. Architectur.


Im Mittelalter war die Vielseitigkeit um so viel leichter zu erreichen als die Aufgaben in allen Künsten homogener und einfacher, und beson- ders in Sculptur und Malerei conventionelle Ausdrucksweisen herrschend waren. Das Ausserordentliche beginnt, sobald ein Meister mehrere in gewaltigem Aufschwung begriffene, auf neue Probleme gerichtete Künste umfasst, d. h. mit den berühmten Toscanern des XIV. Jahrh. , welche eine neue Welt der malerischen Darstellung, eine Sculptur von zartester Vollendung, einen ganz eigenen Styl des grossartigsten Kirchenbaues und dann noch eine bisher unerhörte Entwicklung des Nutzbaues, der Hydraulik und Mechanik in ihrer Person vereinigten. Diess gilt mehr oder weniger von Giotto, von Agostino und Agnolo (Vasari II, p. 8), Taddeo Gaddi (Vasari II, 113, s.), Maestro Lando (Milanesi I, p. 228 bis 232). Mit dem XV. Jahrh. tritt dann ein Brunellesco auf, zuerst als Goldschmied , dann als Mechaniker, Bildhauer, Architect, Perspectiviker , Meister colossaler Kriegsbauten und Danteausleger. (Er rechnete dem Dichter die Räume seines Jenseits geometrisch nach.) Neben ihm Leon Battista Alberti, vgl. Gultur d. Renaiss. III. Aufl., S. 168.

Merkwürdig bleibt, dass noch spät sich Niemand von Anfang an speciell der Baukunst widmete. Vasari sagt von seiner eigenen Zeit (IX, p. 223, v. di Baccio d’ Agnolo): meist von der Bildhauerei, Malerei oder Holzarbeit aus gelange man jetzt zur Architectur, und zwar löblicher als gewisse frühere Künstler, welche vom Ornamentmeissein oder von der Peispectivik aus^zu Architecten wurden. (Dies im Ganzen der Sinn.)

Giulio Romano bildete sich zum Architecten über der Ausführung der baulichen Hintergründe in Rafaels vaticanischen Fresken. Vasari X, p. 89, v. di Giulio. Ueber die gewaltige Lücke, welche durch Giulio’s Tod 1546 im mantuanischen Kunstleben entstand, s. den schönen Brief des Gardinals Ercole Gonzaga, bei Gaye, carteggio II, p. 501. — Ein ganz besonders glänzendes Beispiel von Vielseitigkeit bietet bei Vasari XI, p. 86, ss. das Leben des Girol. Genga dar, welcher von der Malerei beginnend, sich aller wesentlichen Zweige der Kunst bemächtigte.

Dass Bildhauer »müde von den Schwierigkeiten ihrer Kunst« , oft Baumeister wurden, sagt Doni, Disegno, fol. 14, vgl. folio 34, wahr- scheinlich nicht ohne Spott. Vielleicht zogen die Bildhauer, wenn sie älter wurden, einfach das solidere Geschäft vor, wie z. B. Tribolo.

Besonders nahe war die Verwandtschaft des Architecten mit dem legnaiuolo in den beiden Bedeutungen dieses Namens: Zimmermeister sowohl, als: Holzschnitzer und Meister in eingelegter Arbeit (Intarsia); beides letztere konnte auch wieder in einer Person vereinigt sein. Die beiden da Majano z. B. begannen als Holzdecoratoren , Vasari IV, p. 1 und V, p. 128. Ebenso Gronaca; Vasari VIII, p. 116, v. di Gronaca. — Ein trefflicher dorischer Klosterhof bei S. Pietro in Cremona ist oder war


II. Kapitel. Bauherrn, Dilettanten und Baumeister. 19

von dem Intarsiator Filippo del Sacca erbaut; Anonimo di Morelli. Es gab jedoch auch Unberufene dieser Art.

Eine ganze Anzahl von berühmten Meistern jedes Faches (vgl. §. 180) begannen als Goldschmiede, z. B. Brunellesco.

In Venedig , wo es sich oft um kostbare , schwer zu bearbeitende Steinarten handelte, blieb während des ganzen XV. Jahrh. der Name Stein- hauer, tagiapiera (tagliapietra) genügend ehrenvoll für die Architecten; Malipiero, annali veneti, arch. stör. VII, II, p. 674, 689.

Endlich empfahlen sich die Architecten den Mächtigen oft vorzüglich als Festungsbaumeister und Ingenieurs (§. 108, ff.) mehr denn als Künstler.

Bei Rafael und Michelangelo war die Baukunst das Späteste ; Lionardo (§. 198) aber war von Anfang an ein Tausendkünstler und seine Bestim- mung mag ihm selber ein Räthsel geblieben sein. — In auffallendem Gegensatz: Tizian und Goreggio nur Maler.

Während die Macht des künstlerischen Individuums seit Nicolb Pisano und schon vor ihm alle Schranken zwischen den Künsten nieder- reisst , hält die zünftische Einrichtung sie auf ihre Weise wieder auf- recht, doch nicht ohne Zugeständnisse.

Bei Milanesi I, p. 122 das merkwürdige Abkommen zwischen den sienesischen Architecten und Holzarbeitern 1447, worin sie einander gegen- seitige Eingriffe erlauben.

§• 15.

Leben der Architecten.

Oertliche Schranken hatte es für die Architectur nie gegeben; lombardische Maurer, zumal Comasken, wanderten seit unvordenklichen Zeiten durch ganz Italien und verwandelten sich später oft in berühmte Baumeister; die grossen Florentiner des XV. Jahrh., die unentbehr- lichen Träger des neuen Styles, arbeiteten in ganz Italien und sandten auch Zeichnungen in die Ferne.

Michelozzo arbeitete u. a. in Mailand und übersandte Zeichnungen zu Kirchenfenstern nach Rom (Vasari III, p. 281); Filarete in Mailand; Alberti in Rimini; Agostino di Guccio in Perugia; Pintelli in Rom, Turin und Urbino; die drei Sangallo in Rom; Giuliano da Majano in Neapel; Mormandi ebenda; um nur einige der bekanntesten Beispiele zu wählen.

Die Comasken und Tessiner treten im XVI. Jahrh. in den Vorder- grund und herrschen vollends zur Zeit des Barockstyles.

Mit den wärmsten Ausdrücken der Anerkennung und Bewunderung empfahlen einander Regierungen und Behörden einzelne Architecten ; Milanesi II, 430, 431, 439, 443, bei Anlass des Francesco di Giorgio.


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Erstes Buch* Architectur.


Als liebenswürdigste Ergänzung zu dem cosmopolitischen Leben der Baumeister mögen die Häuser gelten, welche sie in spätem Jahren für sieh selbst in der Heimath bauen.

Es würde der Mühe lohnen, alle Reste und Nachrichten von sämmt- lichen Künstlerhäusern in Italien überhaupt zu sammeln.

Vasari V, 167, Nota und 179, Nota, v. di Mantegna, über dessen von ihm selbst gebautes und ausgemaltes Haus zu Mantua und über seine Capelle.

Vasari VIII, p. 171, v. di Andrea Sansovino, welcher in seinem Alter zu Monte Sansovino sein eigenes Haus baute und den Landsleuten sonst gefällig war.

Vasari I, p. 33 in seinem eigenen Leben: sein ziemlich wohl erhal- tenes Haus zu Arezzo, jetzt Casa Montauti; der Saal mit reichem Kamin enthält mythologische und allegorische Gemälde; in andern Zimmern u. a. die Porträts der mit ihm bekannten Künstler, auch weibliche Genrefiguren, welche besser sind als alle idealen, die V. malte. Ferner: IV, p. 71, s. v. di Lazzaro Vasari: die Familiencapelle und das Familiengrab.

Das noch vorhandene Haus des Giulio Romano in Mantua, Vasari X, p. 109, v. di Giulio. Aussen und innen stucchirt und bemalt und (ehe- mals) voll von Alterthümern.

Das Haus des Bildhauers Leone Leoni in Mailand, von ihm erbaut, aussen mit Hermen (den sog. Omenoni), innen damals mit schön ange- ordneten Abgüssen nach Antiken; Vasari XIII, p. 115.


III. Kapitel.

Die Protorenaissance und das Gothische.


§. 16.

Die Protorenaissance in Toscana und Rom.

Die italienischen Städte, welche sich im XII. Jahrh. beinahe als Republiken fühlen, sind frühe überschattet von dem Bilde des alten Rom. Ihr stark geweckter Ortsstolz sucht nach monumentaler Aeusse- rung. Allein zur sofortigen Nachbildung der römischen Formenwelt war in den meisten Gregenden Italiens theils die eben überwundene Barbarei noch zu nahe, theils der eigene Formentrieb zu stark.


III. Kapitel. Die Protorenaissance und das Gothische. r 21

Oberitalien schliesst sich dem mitteleuropäischen romanischen Styl an ; Venedig und Unteritalien beharren wesentlich auf dem byzantinischen.

Vereinzelte Nachahmungen antiker Gebäude kommen hie und da vor;

S. Fedele in Como z. B. wäre nicht denkbar ohne S. Loren zo in Mai- land (§. 62).

In Rom und in Toscana dagegen zeigen sich denkwürdige frühe Versuche zur Wiedererweckung der Bauformen des alten Rom, nur immer mit derjenigen Selbständigkeit, welche dem modernen italieni- schen Geiste dann bei seinem Bündniss mit dem Alterthum stets eigen geblieben ist.

Das Wort rinascita vielleicht zum erstenmal bei Vasari (III, p. 10) im Proemio des zweiten Theiles, und zwar in einem chronologisch schwer zu bestimmenden Sinne und zufällig nur bei Anlass der Sculptur; doch ist ohne Zweifel die grosse Kunstbewegung seit dem XII. Jahrh. im All- ^ gemeinen darunter verstanden.

Der Ausdruck ist seither über alle Gebiete des Lebens ausgedehnt worden, bleibt aber in sich einseitig, weil er nur die eine Hälfte der Thatsache betont. Die freie Originalität , womit das wiedergewonnene Alterthum aufgenommen und verarbeitet wird, die Fülle ganz eigenthüm- lichen modernen Geistes, welche bei der grossen Bewegung sich mit offenbart, kommen dabei nicht zu ihrem Rechte.

Rom und Toscana bleiben zunächst der altchristlichen flachgedeckten Säulenkirche, der Basilica, treu ; sie vernutzen viel mehr antike Bautheile oder müssen dieselben, wo sie fehlen, genauer nachbilden. So stirbt be- sonders die Begeisterung für die Säule nie aus; die Fassaden der toscani- schen Kirchen bedecken sich mit mehrern Säulenreihen über einander oder mit deren Nachahmung als Blindgalerien von Halbsäulen. Am Thurm von Pisa die schönste Verklärung, deren seine cylindrische Form fähig war: 6 lichte Säulenhallen über einander.

Die römischen Basiliken des XII. Jahrh. nehmen statt des Bogens wieder das gerade Gebälke an ; andere Bauten und kleinere Zier- arbeiten zeigen eine wahre Renaissance bis ins Einzelnste.

Die Kirchen: S. Maria in Trastevere, S. Crisogono, das neue Lang- haus von S. Lorenzo fuori.

An den Bauten der Cosmaten um 1200: den Klosterhöfen beim La- teran und bei S. Paul und der Vorhalle des Domes von Civita castellana das Detail theilweise ganz getreu nach dem Alterthum, anderes stark ab- weichend. Der Hof von S. Paul der anmuthigste Zusammenhang von Strenge und Phantastik.



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Erstes Buch. Architectur.


§. 17.

San Miniato und das Baptisterium.

t

Für die Florentiner, welche sich hätten der allgemeinen romani- schen Formenwelt anschliessen können, war es Sache eines sehr be- wussten, von einem geschichtlichen Yorurtheil getragenen Entschlusses, als sie sich den altrömischen Formen zuwandten.

Sie glaubten sich als ehemalige stets getreue Golonie dem alten Rom besonders verpflichtet. Ygl. Gultur d. Renaiss. S. 327.

Die betreffenden Denkmäler sind:

Die Säulenstellungen und Bogen in S. Apostoli (gegen 1200);

Die Fassade der Badia bei Fiesole;

Die Kirche S. Miniato (1207), wo die Form der Basilica eine letzte | und höchste Weihe erhält durch melodische Raumeintheilung und Pro- portionen; die mit Mass angewandten antiken Einzelformen geben sich j wie von selbst zur Ausdeutung dieses schönen Baues her.

Ihre Cathedrale bauten sie um 1150 formell abhängig, con- structiv unabhängig vom Pantheon zu Rom und erklärten damit den Centralbau (§. 62, f.) zu ihrem Ideal.

Es ist das jetzige Baptisterium S. Giovanni, ein Achteck welches mit seinem innern Durchmesser von 78 (n. a. 84) Fuss alle Kuppelbauten der nächstvorhergegangenen Jahrhunderte weit hinter sich lässt, und auch von seinem Vorbild wesentlich abweicht; im Pantheon ruht eine halb- sphärische Kuppel auf einer enorm dicken Stockmauer mit gefahrlosen Nischen ; im Baptisterium eine stark zugespitzte Kuppel auf einer viel massigem und überdies durch untere und obere Galerien verringerten Mauermasse. Diese Galerien sind wesentlich nur für das Auge da, ein Zugeständnis an den schönen Schein, wie es sonst nur der spätantike und der moderne Styl kennen. (Die Triforien nordisch-gothischer Kirchen haben ihre practische Bedeutung.)

Später, als man das wahre Datum dieser Bauten vergessen hatte und doch das Weiterleben der antiken Formen daran bemerkte, bildete sich die Ansicht: das Baptisterium sei ein antiker Tempel (Vasari I, p. 206, ss. Proemio ; — ib. p. 282, v. di Tafi) und sogar einst oben offen gewesen wie das Pantheon (Gio. Villani I, 60); S. Apostoli habe Carl der Grosse, der mythische Neugründer von Florenz erbaut; S. Miniato sei von 1013. Die Vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 160 meint: als Carl Italien reinigte von den Langobarden und von den Gollegien (d. h. wohl den Zünften lombardischer Maurer) und sich mit den Päpsten und dem Rest römischer Republik ins Einvernehmen setzte, habe er Architecten von Rom mitgebracht, welche zwar keine grossen Meister aber an den antiken



III. Kapitel. Die Protorenaissance und das Gothische.


23


Formen gebildet gewesen, und daher sehe man einen Abglanz des alten Rom an S. Apostoli und (dem seither zerstörten) S. Piero Scheraggio.

§. 18,

Eindringen und Machtunifang des Gothischen.

Mit dem XIII. Jahrh. drang der neue, in Frankreich entstandene Baustyl, welchen man den gothischen nennt, auch in Italien ein. Sein Erfolg beruhte nirgends und auch hier nicht auf den Vorzügen seiner decorativen Erscheinung ; er siegte als gewaltigste Form des gewölbten Hochbaues mit möglichst wenig Material.

Das Decorative war Anfangs in Frankreich selbst wenig entwickelt und die frühsten Boten brachten nicht einmal diess Wenige nach dem Ausland. (Vgl. die ältesten gothischen Theile des Freiburger Münsters, mit beinahe gar keinem oder noch romanischem Detail.) Italien hätte für die blosse Pracht ohnehin schon Mosaiken und Marmor voraus gehabt.

Dass nicht Franzosen sondern Deutsche das Gothische nach Italien brachten, mochte daher kommen, dass in Frankreich, beim gleichzeitigen Bau so vieler Gathedralen, kein Fachmann entbehrlich war. Wesshalb lassen die Editoren Vasari’s (I, p. 247, Nota, v. di Arnolfo) den Jacopo Tedesco, welcher S. Francesco in Assisi und den Dom von Arezzo baute, aus Veltlin oder von, den oberitalienischen Seen stammen?

Die Herrschaft des Gothischen in Italien traf zusammen mit der höchsten monumentalen Begeisterung, als nicht nur Gathedralen, son- dern auch Bettelordenskirchen im Begriff waren, den grössten Massstab anzunehmen; da aber jede Stadt und jeder Ar chitect etwas Besonderes, Eigenthümliches wollte und Niemand sich principiell an den neuen Styl gebunden fühlte, so nahm derselbe hier viele einzelne Gestalten an, welche allen Zusammenhang mit der ebenfalls aus dem Norden über- lieferten Sprache der Detailformen verloren. Es wird eine gährende, nirgends ganz harmonische Uebergangsepoche.

S. Franz und S. Dominicus hatten es noch erlebt, dass trotz ihres Protestes ihre Orden von dem allgemeinen Bausinn mitgerissen wurden. Hierüber die fast neidische Klage eines Benedictiners, Matth. Paris ad a. 1243.

Jetzt erst beginnt in Italien die Zeit der grossen Probestücke; man nimmt dem Jacopo Tedesco und den Uebrigen die neuen constructiven Principien aus den Händen, um etwas ganz Anderes damit anzufangen.

Das gothische Detail wird ohne Respect vor seinem eigentlichen Sinn gemissbraucht oder weggelassen; es muss sich mit seinem Todfeind, der Incrustation , vertragen. (Die ergötzliche Geschichte, wie die Peruginer


(


24 Erstes Buch. Architectur,

bei einer Fehde 1385 den Aretinern die für deren Dom fertig liegenden Incrustationsplatten raubten und auf festlich geschmückten Wagen mit nach Hause nahmen, ja dieselben angeblich für die Incrustation ihres eigenen Domes verwandten, Archiv, stör. XVI, I, p. 618; — Mariotti, lettere pittoriche perugine, p. 107, Nota.) Was von gothischem Detail in Italien schön ist (Werke Giotto’s und Orcagna’s) ist es aus andern Grün- den als im Norden. Die Ausdrücke für dasselbe sind italienisch oder lateinisch, höchstens mit Ausnahme von gargolle, d. h. gargouilles, Wasser- speier, bei Milanesi I, p. 209, Urk. v. 1336. Die übrige Terminologie z. B. ebenda p. 223, 227, 232, 253, 263, s., II, p. 235.

Nicolö Pisano und Arnolfo bauten nach Belieben im frühem wie im neuen Styl. Wenn es die Architecten so hielten, so wurden die Bauherrn vollends unsicher in ihrem Urtheil ; die Capelle am Pal. pubblico zu Siena wurde viermal niedergerissen, bis sie 1376 befriedigend ausfiel; Milanesi I, p. 268. Beim Andringen der Renaissance verlauten dann wahrhaft komische Klagen, sogar bei Anlass ganz untergeordneter Bauten ; Milanesi II, p. 105, vom J. 1421: una die initiatur et fit una opera, et alio die | destruitur, et quolibet die datur nova forma . . . quod quis eorum vellet sequi uno modo, alter alia forma, et nullam concordiam habent ... et | etiam cives variis modis loquantur . . . ; schliesslich wird eine Bürgercom-

I

mission von 15 Mann ad hoc vorgeschlagen.

§. 19.

Gharacter der italienischen Gothik.

Ohne genauer scheiden zu wollen, was durch das Gfothische und was trotz desselben in die Kunst hineinkam, darf demselben doch wohl der neue Sieg des Longitudinalbaues an den Kirchen zugeschrieben werden.

Er erneuerte jenes Abkommen mit dem Gentralbau, welches schon beim Dom von Pisa geschlossen worden war: die Kuppel über der Vierung.

Im Longitudinalbau aber wird das eben übernommene construc- tive Programm sofort nach allen Seiten hin verändert, ja völlig ge- sprengt, und weite Spannungen, geringe Zahl der Stützen, oblonge Eintheilung der Nebenschiffe, geringe Höhe der Obermauern des Mittel- schiffes treten an die Stelle des unbedingten Hochbaues, der Vielheit der Stützen, des hohen Mittelschiffes und der quadratischen Eintheilung der Nebenschiffe. Statt der Entwicklung der Form nach oben wird die Schönheit der Räume, Flächen und Massen das Ziel der italienischen Gothik und dann der italienischen Architectur überhaupt.


III. Kapitel. Die Protorenaissance und das Gothische. 25

Schon Jacopo tedesco stellt mit dem Dom von Arezzo die Grund- züge fest.

Das sichtbare Gerüstwesen der nordischen Gothik, Strebepfeiler und Strebebogen etc. wird hier kaum angedeutet, ja eher versteckt und damit ein Hauptanlass zur Entwicklung des Details abgeschnitten. Ueber den breiten Mauertheilen hätten die Spitzgiebel, über den kaum vortretenden Strebepfeilern die Pyramiden keinen Sinn mehr; statt ersterer starke hori- zontale Kranzgesimse, statt letzterer Statuen, auch Thiere. Auf den Dom von Florenz sollten gigantische Heilige zu stehen kommen (s. die Urkunden Gaye, carteggio , II, p. 454, s., 466) ; auf die Ecken des Signorenpalastes kamen vergoldete Löwen (Yasari II, p. 135, v. di Orcagna). Freilich auch auf Spitzthürmchen an vorherrschend nordischgothischen Bauten, z. B. am Dom von Mailand,, war man der Statuen statt der Kreuzblumen gewohnt. Im Innern wurde der nordische Bündelpfeiler und das ganze Gurtwesen der Gewölbe völlig umgestaltet.

Der Kuppelbau als stärkster Ausdruck politisch-monumentalen Hochgefühls versuchte sich in riesigen Dimensionen und machte eine grosse Vorschule durch, allerdings jetzt in Verbindung mit dem Fang- schiff, nicht für sich allein. Als höchste Potenz, welche die Architectur kennt, machte er die Mitherrschaft des Thurmbaues unmöglich, sodass die Fassaden frei und für jede Art von Schmuck zur Verfügung blieben.

Arnolfo muss sich über den Ausbau der Kuppel des neuen Domes von Florenz genaue Rechenschaft gegeben haben, da er 1310 ein Modell hinterliess. Brunellesco (s. dessen vita anon., ed. Moreni, 167) hatte an demselben nur zu tadeln, dass es ein vom Boden auf zu errichtendes Gerüst voraussetze, was er bei seinem Project bekanntlich vermied. Vgl. §. 58.

Der Thurm bleibt getrennt oder wird bloss an die Kirche angelehnt. Eine so ernste Concurrenz wie am florentiner Dom wird ihm sonst nirgends mehr gegönnt.

Die Fassade, wegen hoher Ansprüche (Siena, Orvieto) nur zu häufig im Rohbau gelassen, hat wie in der vorhergehenden Epoche den Gharacter einer Vorgesetzten Prachtdecoration.

§. 20 .

Yerhältniss zu den andern Künsten.

Die italienische Gothik wird von Anfang an genöthigt, den beiden Schwesterkünsten eine viel freiere und grössere Mitwirkung zu ge- statten als die nordische, weniger wegen eines hohem Stylwerthes der


italienischen Malerei und Sculptur als weil deren Sachinhalt deutlich und bequem zu Worte kommen sollte.

Vgl. die Sculpturen und Mosaiken der Fassaden. Dass das Innere auch jetzt wieder der historischen und sinnbildlichen Wandmalerei ge- hören solle, entschied sich vielleicht wesentlich bei Anlass von S. Fran- cesco zu Assisi (seit 1228); auch der neue Dom von Florenz war ohne Zweifel auf Fresken von Anfang an berechnet. Auf mühsam erzählende Glasgemälde wollte man sich durchaus nicht verlassen. Die Zugabe von Gapellenreihen neben dem Langhaus, mit dem strengen nordisch gothi- schen System unverträglich, wird hier zu einer wahren baulichen Schön- heit (z. B. an S. Petronio in Bologna) und zugleich zu einer Heimaths- stätte für Sculptur und Malerei.

Auch an kleinern decorativen Bauten, Grabmälern, Altären, Kanzeln, darf in Italien das Architectonische sich nicht so einseitig geltend machen und das Bildliche auf einen Noththeil beschränken wie im Norden.


Der itali eni sch-g ot hisch e Profanbau.

Dem gothischen Profanbau in Italien fehlt das liebliche phan- tastische Formenspiel einiger nordischen Bauten.

Den Dachzierrathen, Erkern, Wendeltreppen etc. deutscher und nieder- ländischer Rathhäuser und französischer Schlösser wird man kaum hie und da etwas entgegenzustellen haben, wie etwa die Porta della Garta am Dogenpalast von Venedig (1439 von Mastro Bartolommeo) , wo der im Verduften begriffene Styl seine volle Freiheit und weltliche Munterkeit offenbart.

Dafür ist er auch frei von der partiellen Einschleppung kirch- licher Formen und steht im vollen Gegensatz zum Norden durch die rationelle Anlage. Am italienischen Palast entwickeln sich am frühe- sten aus und mit der Eegelmässigkeit die Schönheit und Bequemlich- keit. Vgl. §. 88.

Das XIII. und XIV. Jahrh. bereits eine Zeit der herrlichsten Stadt- paläste (Piacenza 1281) mitten in den Parteifehden, und zugleich sehr ansehnlicher fürstlicher und Privatpaläste. Schlösser Friedrich’s II. in Unteritalien; Palast in Orvieto.

Arnolfo empfand es schmerzlich, dass er den Signorenpalast in Flo- renz nicht so symmetrisch anlegen konnte wie *“ das von seinem Vater (richtiger: Collegen) Lapo erbaute Schloss der Grafen von Poppi; Vasari I, p. 254, v. di Arnolfo.




III. Kapitel. Die Protorenaissance und das Gothische.


27

In Florenz der äussere Character trotzig und burgartig; die Höhe der Gemächer als leitendes Princip zugestanden von Acciajuoli (§. 9) in Betreff seiner eigenen Wohnung in der Certosa: »die Gewölbe können nicht hoch und räumig genug sein, denn eins der herrlichsten Dinge im Bauwesen ist die Höhe der Stockwerke«.

In dem vor Ueberfall und Bürgerzwist gesicherten Venedig die ersten Häuserfassaden im höhern Sinn, mit wohlgefälliger Abstufung der Stock- werke und schöner Gruppirung der hohen Rosettenfenster, in der Mitte als weite Loggia, auf den Flanken .einzeln oder zu zweien. (Dass in den | Loggien eine Säule statt eines Intervalls auf die Mitte kommt, wird dann J noch spät in der Renaissance von Daniele Barbaro, ad^Vitruv IV, 2, als vulgaris error getadelt.) Vgl. §. 42, 43, 94.

Das Castell der Visconti zu Pavia, begonnen 1360 (§. 5), nie vollendet und übel entstellt, eine völlig symmetrische Anlage von gleichmässiger, nicht übergrosser Pracht : domus cui nulla in Italia par est, sagt Decembrio (vgl. §. 1) bei Murat. XX, Col. 1006 ; il primo dell’ universo, sa gt Corio, fol. 237* Und doch soll Francesco Sforza das Schloss Ezzelin’s in Padua (vgl. §. 5) noch vorgezogen haben; Savonarola, bei Murat. XXIV, Col. 1176; ebenda Col. 1174 eine weitläufige Beschreibung der Residenz der Fürsten- familie Carrara zu Padua.

Die viscontinische Residenz in Mailand bei S. Giovanni in Conca, mit weiten Hallenhöfen zu Turnieren, ist nicht mehr vorhanden. Corio, fol. 235. Die Säulen bestanden zum Theil aus schwarzen und weissen Marmorschichten, Decembrio (vgl. §. 1) Col. 998.

Den Palast der avignonesischen Päpste zu Montefiascone rühmt Pius II. (comment. L. IV, p. 204)*

Auch Bauten des öffentlichen Nutzens erhalten in Italien frühe eine rationelle Anlage.

Der erste Casernenbau in Florenz 1394, nachdem bisher das Aufgebot in den Kirchen einquartirt worden war; Gaye, carteggio I, p. 537.

Unter den Spitälern galt das von Siena als unvergleichlich ; reisende Fürsten besuchten es und Kaiser Sigismond erbat sich eine genaue Auf- nahme; Uberti, il Dittamondo L. III, c. 8; — Gaye, I, p. 92; — Mila- nesi II, p. 63; — Dian sanesi bei Murat. XXIII, Col. 798. — Das Spital von Fabriano bei d’Agincourt, Archit., Taf. 72.

Ob bereits am ital. gothischen Civilbau der Symmetrie wegen falsche Fenster und Thüren Vorkommen? Das frühste mir bekannte Beispiel ist doch erst aus der Zeit der Renaissance, um 1460. Vgl. Pii II. comment. L. IX, p. 426.


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Erstes Buch. Architectur.


)


§• 22.

Der spätere Hass gegen das Gothische.

Das spätere Bewusstsein der Italiener von dieser ihrer gothischen Bauperiode wurde von allen Seiten verwirrt und getrübt und die mangelhafte historische Kenntniss des wahren Herganges verband sich mi t, den stärksten Yorurtheilen.

Noch Aeneas Sylvius spricht 1444 bewundernd von der Baukunst in Deutschland (Aeneas Sylvii opera, ed. Basil. 1551, p. 740, vgl. p. 718; ein Brief des Fra Ambrogio über den Palast von Ofen, p. 830), und rü hm t, das saubere und neue Ansehen der deutschen Städte (Apol. ad Martinum Mayer, p. 696). Das deutsche Element an der Kirche von Pienza, §. 77.

Sonst war es der Renaissance ein lästiger Gedanke, dass dieser Styl aus Deutschland gekommen sei, sie kehrte daher an den gothischen Bauten der eigenen Landsleute immer die Seiten hervor, welche sich der »guten«  nämlich der antiken Architectur genähert hätten. Vgl. Vasari II, p. 16, v. di Stefano, u. a. a. 0.

Am Bau und an der Ausschmückung des Domes von Orvieto (Deila Valle, storia del duomo di Orv. p. 118, ss., Documm. 54, 55, 59, 61) waren noch zu Anfang des XV. Jahrh. eine Anzahl Deutscher beschäftigt, und es ergingen noch Briefe durch das ganze Abendland, dass treffliche Künstler sich hier für Arbeit melden könnten. Nach dem Siege des neuen Styles dagegen heisst es 1446 (Doc. 70, 71) bei der Anstellung eines Franzosen bereits: »es fehle an Inländern nicht«, und ein zu Ausbesse- rungen verurtheilter Glasmaler, Gasparre da Volterra, appellirt schon nur noch ad quemcunque magistrum ytalicum expertum in dicta arte. — Ein Deutscher in der zweiten Generation wie Vito di Marco Tedesco, Mila- nesi II, p. 271, 429, mochte schon als Italiener gelten.

Um 1460 in Filarete’s Baulehre die feierliche Verwünschung: »ver- flucht der diese Pfuscherei (praticuccia) erfand ! ich glaube, nur Barbaren- volk konnte sie nach Italien bringen«. Gaye, carteggio I, p. 204. — S. jedoch unten §. 44.

Umständliche Erörterungen, auf sehr wunderliche Ansichten gebaut, doch noch immer unter der Voraussetzung dass man es mit einem deut- schen Styl zu thun habe, finden sich in der vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 159, ss. und in dem berühmten Briefe (angeblich) von Castiglione oder Rafael an Leo X., 1514 oder 1515. Abgedruckt u. a. bei Quatremere, storia di Raffaello, trad. Longhena, p. 531, ss.) In Mai- land, wo der Dom notorisch von einem Deutschen erbaut war und ein beständiger Verkehr deutscher Meister Statt fand, bekam der »Anonymus des Morelli« die in §. 23 zu erwähnenden Notizen; ein feiner Kenner,



III. Kapitel. Die Protorenaissance und das Gothische. 29

der u. a. nordischen und italienischen Spitzbogenstyl unterscheidet und erstem ponentino nennt. (Bei Anlass des Hintergrundes eines flandrischen Madonnenbildchens.)

Die Confusion stieg auf das Höchste, als auf einem weitern Gre- inet, dem der Cultur überhaupt, sich der Ausdruck „gothisch“ festsetzte und von da aus auch in die Baugeschichte eindrang.

Die vielleicht älteste Aussage bei Hector Boethius, Scotorum Historia (die Dedication datirt 1526), fol. 382: . . . meliores literae quae Gothorum immanitate simul cum romano imperio perierant, per totum paene terra- rum orbem (seil, saeculo XV.) revixerunt . . .

Die Gothen als Zerstörer der edeln Literatur, ihre Zeiten Jahrhunderte des Unglücks : Rabelais, Pantagruel II, c. 8 und im Prolog des V. Buches ; — dieselbe Ansicht masslos erweitert um 1550 bei Scardeonius, de urbis Patav. antiquitate, in Graevii thesaur. VI, III, p. 259, 295 ; — unverzeih- lich wenn man erwägt dass schon 1533 Cassiodor’s Briefsammlung ge- druckt war, aus welcher man den grossen Ostgothen Theodorich anders kennen lernen konnte.

Das Entscheidende für Uebertragung des Ausdruckes auf das Kunst- gebiet that dann Vasari in den heftigen Stellen I, p. 121, s., 201, 203, ss. Proemio und Introduzione, und III, p. 194, v. di Brunellesco. Nach einer langen und höhnischen Schilderung des Styles des XIV. Jahrh. heisst es: Diese Manier wurde von den Gothen erfunden etc.

Sein Hass war gross. Das Schlimmste was er von Bauten gewisser Zeitgenossen sagt, ist: »schlechter als die Deutschen«. (Womit zu vergl. X, p. 1 7, v. di Ant. Sangallo, wo dessen Modell von S. Peter critisirt wird.)

Wie Vasari schon frühe (1544) mit einem spitzbogigen Klosterrefec- torium umging, s. I, p. 23 in seiner Selbstbiographie.

Ihm redete nach Francesco Sansovino (Venezia, bes. fol. 140, vgl. fol. 17, 144), der das Eindringen des vermeintlichen Gothenstyles in Venedig bejammert und nur zaghaft entschuldigt.

Mit der Zeit bestärkte dann Einer den Andern in der Erbitterung gegen die gestürzte Grösse.

§• 23.

Das Gothische zur Zeit der Renaissance.

Der gothische Styl arbeitete eine Zeitlang in gewissen Gegenden noch neben der Renaissance freiwillig weiter, obwohl müde und im Ganzen ohne die heitere decorative Ausartung der späten nordischen Gothik. (Vgl. §. 130.)

In Venedig 1457 der Ghorbau von S. Zaccaria; — in Bologna 1440 S. Giovanni in monte neu gebaut »nach dem Vorbild von S. Petronio«,


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Erstes Buch. Architectur.


vgl. Bursellis, ann. Bonon. bei Murat. XXIII, Gol. 894; — die Annunziata ebenda, nach 1480, vielleicht der späteste freiwillig gothische Bau Italiens ; — in Mailand: die Incoronata, unter Franc. Sforza erbaut; — in Siena 1459 zwischen den herrlichen Palästen der Frührenaissance ein gothischer neu verdungen, vielleicht durch Wunderlichkeit des Bauherrn Nanni Mar- sigli, der eine Fassade mit Details haben wollte genau wie an einem bestimmten ältern Gebäude; Milanesi II, p. 303, ss.

Ausserdem wurde unfreiwillig gothisch weitergebaut an unvoll- endeten Kirchen ; und Architeeten ersten Ranges versetzten sich so ob- jectiv als sie es vermochten, in einen für sie widrigen Styl zurück.

In Frankreich, welches von den gothischen Durchschnittstypen einen gewaltigen Yorrath besass, war es 1601 bis 1790 viel leichter die Cathe- drale von Orleans gothisch zu bauen (Kugler, Gesell, d. Baukunst III, S. 114 ff.), da man nicht innerhalb des Gothischen selbst anarchisch herumgeworfen wurde, wie in Italien.

Für S. Petronio zu Bologna verzichtete man zwar auf die riesige Anlage von Querschiff, Kuppel und Chor, allein die gothisch angefangene Fassade war ein Gegenstand täglicher Parteiung. Der hart angegriffene Baumeister Ariguzzi klagt 1514: »Leute von jeder Art, Priester, Mönche, Handwerker , Bauern , Schulmeister , W eibel , Geschirrmacher , Spindel- u macher, Facchine und selbst Wasserträger thun sich als Baukünstler auf

und sagen ihre Meinung ... Aber noch ist keiner auf den Kampfplatz getreten mit Modellen oder Zeichnungen, deren ich mit Sehnsucht ge- wärtig bin.« Gaye, carteggio II, p. 140, s. (Vgl. §. 18, über Siena.)

In der Folge blieb die Fassade unvollendet, vielleicht weniger wegen mangelnder Mittel als weil man zwischen einer wachsenden Menge von Entwürfen (allmälig bei 30 , jetzt im Bauarchiv der Kirche) in der That nicht mehr zu einem Entschluss kommen konnte; darunter zwei gothische Projecte von Baldassar Peruzzi (der auch noch Zeichnungen für den Kuppelausbau lieferte) und von Giulio Romano. Vgl. Gaye, carteggio II, p. 152; Milanesi III, p. 311; Vasari VIII, p. 225, Nota, v. di Peruzzi.

Die wichtigste Leistung dieser Art ist die Kuppel des Domes von Mailand, ein Weihegeschenk des Renaissance-Humors am Grabe der verblichenen Gothik, welche einer solchen Lösung von sich aus kaum fähig gewesen wäre.

Nach vielen vergeblichen Entwürfen, und nach Bauanfängen die man wieder abreissen musste, erbaut seit 1490. zufolge dem Plan des eigens nach Mailand berufenen Francesco di Giorgio mit Hülfe des Omodeo und des Dolcebuono (Gaye, carteggio I, p. 289; Lettere Sanesi III, p. 85; Milanesi II, p. 429 bis 439). Wir nehmen an, dass auch die geistreiche


IV. Kapitel. Studium der antiken Bauten und des Vitruv.


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und prächtige äussere Bekrönung der Kuppel in der Folge nach Fran- cesco’s Entwurf ausgeführt sei.- Der Anonymus des Morelli (§. 22) sah sie um 1525 noch unvollendet, als sie sogar von einer Umgestaltung im modernen Styl bedroht war; der »Deutsche« aber, dem man wunderlicher Weise das schon dazu gefertigte Modell übergab, »verlor« dasselbe (zum Glück). An den obern Theilen sehr munteres Detail, z. B. Genien welche an dem gothischen Masswerk herumklettern , ähnlich wie an der Porta della Garta (§. 21).

An der Fassade sind die Renaissancebestandtheile von Pellegrino Tibaldi (Pellegrini) das älteste und alles Gothische neuer, wie ein Bild im Palazzo Litta beweist, wo die Fassade als Rohbau bloss mit den Anfängen von Pellegrino’s Prachtbekleidung dargestellt ist.

Gothisches Masswerk um 1500 in eigenthümlich genialer Verwilde- rung, goldfarbig auf dunkelblau gemalt, am Gewölbe von Monastero mag- giore zu Mailand (von Dolcebuono, vgl. §. 48, 76).

Eine italienische Renaissance-Idee in französisch-gothischen Formen, der unter Ludwig XII. (nach 1504?) erbaute Are de Gailion (Ecole des beaux arts, Paris) soll von Fra Giocondo herrühren; Vasari IX, p. 160, Nota, v. di Giocondo. Das Gegentheil der bald darauf beginnenden fran- zösischen Renaissance, welche wieder gothische Ideen, aber mit Renais- sancedetail verwirklicht.


IV. Kapitel.

Studium der antiken Bauten und des Vitruv.


§• 24.

Allgemeiner Character der Neuerung.

In Italien geht die Cultur der bildenden Kunst zeitlich voran. Letztere besinnt und rüstet sich lange ehe sie dasjenige zum Ausdruck bringt was Bildung und Poesie schon vorher auf ihre Weise an’s Licht getragen. So war auch das Alterthum längst ein Ideal alles Daseins bevor man es in der Baukunst ernstlich und durchgreifend ergründete und reproducirte. :

Vgl. Cultur d. Renaiss. III. Aufl., S. 224, ff. Vor einer blossen Be- wunderung der antiken Bauten (woran es nie gefehlt hatte), vor einer bloss ästhetischen Opposition wäre überdiess der gothische Styl nicht



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Erstes Buch. Architectur.


gewichen; es bedurfte dazu einer ausserordentlichen Stadt und eines ge- waltigen Menschen, welche das Neue thatsächlich einführten.

Zu Florenz, in einer Zeit hohen Gedeihens, wird zuerst das Ge- fühl lebendig, dass die grosse Kunst des XIII. und XIV. Jahrh. ihre Lebenskräfte aufgebraucht habe und dass etwas Neues kommen musste.

Florenz am Anfang d. XV. Jahrh., Macchiavelli, storie fiorent., Ein- gang d. IV. Buches; — Poggius, Hist. flor. populi, L. V, ad a. 1422.

Jenes Gefühl sehr deutlich 1435 ausgesprochen bei Leon Battista Alberti (geh. 1404) in der Schrift della pittura, opere volgari, ed. Bonucci, vol. IV.; es sei ihm früher vorgekommen, »als ob die Natur alt und müde geworden wäre und keine grossen Geister wie keine Biesen mehr hervor- bringen möchte« ; jetzt aus langer Verbannung nach Florenz zurückgekehrt, ist er froh erstaunt, in Brunellesco, dem er diese Schrift widmet, in Dona- tello, Ghiberti, Luca della Robbia, Masaccio eine neue Kraft zu finden, die den erlauchtesten alten Meistern nichts nachgebe. — (Um 1460, als der Styl der Renaissance das Gothische bereits aus seinen letzten Zu- fluchtsorten vertrieb, durfte Filarete sagen : wenn unser Styl nicht schöner und zweckmässiger wäre, so würde man ihn in Florenz nicht brauchen, a Firenze non s’usaria.)

Die neue Kunst tritt gleich auf mit dem Bewusstsein, dass sie mit der Tradition breche und dass ausser der Freiheit die höchste An- spannung aller Kräfte, aber auch der höchste Ruhm ihre Bestimmung sei.

Alberti fährt an obiger Stelle fort: »Ich sehe nun auch, dass alles Grosse nicht bloss Gabe der Natur und der Zeiten ist, sondern von unserm Streben, unserer Unermüdlichkeit abhängt. Die Alten hatten es leichter, gross zu werden , da eine Schultradition sie erzog zu jenen höchsten Künsten, die uns jetzt so grosse Mühe kosten, aber um so viel grösser soll auch unser Name werden, da wir ohne Lehrer, ohne Vorbild Künste und Wissenschaften finden, von denen man früher nichts gehört noch gesehen hatte.« — Ueber die Vielseitigkeit s. §. 14.

Die Entscheidung zu Gunsten des Neuen konnte nur kommen durch eine grosse That eines ausserordentlichen Mannes, welcher mit dieser That auch für sein und seiner Genossen sonstiges Streben die Bahn öffnete.

Filippo Brunellesco von Florenz (1377 bis 1446) und die Domkuppel, seine von Jugend auf erkannte Aufgabe (§. 2). Mit dieser wesentlich constructiven Leistung und mit seiner sonstigen Meisterschaft in aller Mechanik siegt zugleich die grosse formale, stylistische Neuerung, zu welcher ihn die vor 1407 in Rom begonnenen Studien befähigten. Dazu noch sein Ruhm als Bildhauer und Decorator.


IV, Kapitel. Studium der antiken Bauten und des Vitruv.


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§• 25.

Vernachlässigung der griechischen Baureste.

Griechenland existirte im XY. Jahrh. nur für Sammler, nicht für die Architecten. Auffallender erscheint es, dass auch die griechischen Tempel auf italischem Boden, in Pästum, Selinunt, Agrigent etc. ignorirt wurden.

Der paduanische Maler Squarcione brachte von seiner griechischen Reise viel Merkwürdiges tum mente, tum chartis mit, aber wahrscheinlich nur Sculptursachen ; Scardeonius, ap. Graev. thes. VI, III, p. 442. — Ob Polifilo (§. 32) in Griechenland zeichnete?

Später schickte Rafael, laut Vasari, VIII, 41, v. di Rafaelle, Zeichner bis nach Griechenland, mit welchem Erfolg, wird nicht gesagt.

Der Hundertsäulenbau »aus Griechenland« im III. Buche des Serlio (fol. 96) ist wohl reine Fabel. — Eine ägyptische Pyramide und eine palästinensische Grotte, nach Aufnahmen des Patriarchen Grimani, ibid. (fol. 93, s.).

Ob die Renaissance Etwas mit den echten dorischen Formen Gross- griechenlands, wo ja kein Gewölbe vorkam, hätte anfangen können? Immerhin wären die Griechenbauten, wenn sie schon kein Gewölbe lehrten, des Studiums würdig gewesen so gut wie Vitruv, der es auch nicht lehrt. Die Vernachlässigung derselben kam aber überhaupt nicht von einem ästhetischen Bedenken her.

Das viel stärkere Vorurtheil redete zu Gunsten von Rom, als geschichtlicher Macht, als alter Mutter der italischen Städte, als grösster Erinnerung der Nation, welche man durch die Kunst erneuern musste.

Auch diesseits der Alpen wurde das wahre Verhältniss der griechischen Kunst und Gultur zur römischen erst seit Winckelmann erkannt.

Merkwürdiger Weise war doch Serlio (Architettura, ed. Venez. 1584, p. 69) um 1540 durch einen blossen historischen Schluss zu der Annahme gelangt, dass die Griechenbauten die römischen weit übertroffen haben müssten.

1 *

Rom, welches selber kaum Einen grossen Künstler liefert, wird seit Beginn des XY. Jahrh. von allen namhaften Architecten einst- weilen des Studiums wegen besucht; unter den Päpsten von Nicolaus V. an (§. 7) wird es dann eine Hauptstätte der ausübenden Baukunst.

Dass Rom auf allen geistigen Gebieten beinahe keine einheimischen Gelebritäten aufzuweisen hat, liegt zum Theil an der Malaria und an den

starken Schwankungen der Bevölkerung gerade in den entscheidenden Bnrekhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 3


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Erstes Buch. Architectur.


Kunstzeiten, zum grössten Theile aber an dem von Jugend auf gewohnten Anblick des häufigen Parvenirens durch Protection. Florenz hatte eine ge- | sunde, nicht einschläfernde Luft und eine grosse Stätigkeit gerade in den- jenigen Familien, welche die grossen Künstler erzeugten; auch war man von Jugend auf gewohnt, den Genius und die Willenskraft siegen zu sehen.

Ausserdem kommt, wenn man billig sein will, in Betracht, dass das kräftige XIV. Jh. , welches im übrigen Italien den Grund zu der ganzen seitherigen Gultur legte, für Rom nicht vorhanden war. Ohne das avignonesische Exil würde Rom damals eine ganz andere Stelle im Geistesleben der Nation eingenommen haben, und zwar dauernd. Von Urban IV. bis auf Bonifaz VIII. war in Rom eine sehr bedeutende künst- lerische Thätigkeit gewesen; merkwürdiger Weise liessen dann auch die avignonesischen Päpste, obwohl Franzosen, italienische Künstler und Kunst- werke kommen; Vasari II, p. 131, v. di Orcagna, u. a. a. 0.

§. 26 .

Studien des XV. Jahrhunderts nach den römischen Bauresten.

Gleichzeitig mit den gelehrten Antiquaren Poggio, Blondus, Aeneas Sylvius u. a. und wohl nicht ohne Berührung mit denselben beginnen die Aufnahmen der Architecten in Rom und der Umgegend.

Der allgemeine Ruinencultus, vgl. Gultur d. Renaiss., S. 224, ff.

Brunellesco’s Vermessungen in Gesellschaft Donatello’s, schon vor 1407, wobei sie als Schatzgräber galten und als Goldschmiede sich durch- brachten; sein zweiter und dritter Aufenthalt, letzterer bis 1420. Sein Hauptstudium die römische Bautechnik, der structive Organismus, zumal der Gewölbe; doch auch »die musicalischen Proportionen« der antiken Bauten, und, wie der Erfolg zeigt, die ganze Formensprache, die er gross und frei auffasste. Vasari schöpft hier wesentlich aus der vita anonima di Br., ed. Moreni, p. 152 (wenn diese älter ist).

L. B. Alberti’s Aufenthalt in Rom, de re aedificatoria , L. III, c. 5. Auch er grub bis zu Fundamenten hinab.

Filarete in Rom unter Eugen IV. (1431 bis 1447); seine Baulehre (vgl. Gaye, carteggio I, p. 200 bis 206) möchte in ihren Abbildungen ausser den eigenen Phantasien auch Aufnahmen enthalten.

Nicolaus V. beschäftigte vorzüglich den Bernardo Rosellino, dessen Thätigkeit ohne Aufnahmen nicht zu denken ist.

Francesco di Giorgio rühmt sich bereits, die meisten antiken Reste in ganz Italien untersucht und mit Vitruv verglichen zu haben. Bei Deila Valle, lettere sanesi, III, p. 108.

Domenico Ghirlandajo (geb. 1449) zeichnete in Rom nur von Auge,


IY. Kapitel. Studium der antiken Bauten und des Yitruv.


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aber so richtig, dass beim Nachmessen nichts fehlte; Vasari V, p. 81. Treffliche bauliche Hintergründe in seinen Gemälden.

Gronaca (geb. 1457) mass genau und kehrte nach Florenz heim als lebendige »Chronik« der Wunder von Rom; Vasari VIII, p. 116.

Venezianische Miniatoren machten au« solchen frühen Aufnahmen, die ihnen in die für Alles geübten Hände geriethen, zierliche Zeichnungen in Silberstift. Sammlungen solcher in venez. Cabineten, s. den Anonymus des Morelli, bei Anlass des Cabinets Vendramin.

Im übrigen Italien bilden besonders die Ruinen von Verona eine Art von Schule um sich her.

Auffallende Ausnahme: das Zeichnungsbuch Bramantino’s , welches auch romanische Bauten (aus Mailand und Pavia) enthielt; Vasari XI, p. 269, v. di Garofalo.

Die Reste von Verona, Theater, Amphitheater, Prachtthore etc. zwar herausgegeben von Giov. Garotto (Holzschnittwerk von 1540, mit Text Saraina’s, vgl. Vasari IX, p. 179, Nota, v. di Giocondo), aber nach den Zeichnungen des berühmten Gio. Maria Falconetto (geb. 1458, starb 1534, vgl. Vasari 1. c. 203, 206, 207). Dieser hatte ausserdem die Reste von Pola aufgenommen und zuerst das Princip der römischen Schaubauten ergründet; er hatte 12 Jahre lang in Rom die Alterthümer studirt, indem er je die halbe Woche bei Malern arbeitete, um seinen Unterhalt zu ge- winnen; auch die Gampagna, das Neapolitanische und Umbrien hatte er durchsucht. Ihm zuerst gelangen überzeugende Restaurationen. Später besuchte er Rom noch oft, auch in Gesellschaft Gornaro’s (§. 12). Seine Praxis betraf nur kleinere Bauten, er machte sich aber Luft durch das Entwerfen colossaler Phantasiepläne, welche seinen römischen Eindrücken entsprachen.

Fra Giocondo von Verona (geb. 1433?) ging ebenfalls von den dor- tigen Resten zu denjenigen von Rom über. Sein Jammer über die hier noch immer fortlaufende Zerstörung, selbst zum Behuf des Kalkbrennens, in einem Brief an Lorenzo magnifico, Fabroni, Laur. Med. vita, Adnot. 146.

§• 27.

Studien des XVI. Jahrhunderts.

Mit dem XVI. Jahrh. steigt der Eifer auf das Höchste; es ge- schieht ein Versuch zur vollständigen idealen Restauration des alten Rom ; in Verbindung mit Aufnahmen in allen Gegenden. Die Abnahme dieses Strebens trifft zusammen mit dem neuen activen Bautrieb der Gegenreformation (§. 10). Keinem Architecten war das eigene Messen


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Erstes Buch. Architectur.


erspart ; was auf ihre Kunstübung den grössten Einfluss hatte; spät und unvollständig melden sich die Abbildungswerke.

Bramante in Rom (vgl. §. 49) unter Alexander VI. (um 1501), schon bejahrt, »einsam und gedankenvoll«; seine Studien bis Neapel; Vasari VII, p. 129, 134, Nota, v. di Bramante; in Florenz Aufnahmen von ihm einiges mit genauer Massangabe. Nach Lomazzo, tratt. dell 5 arte, p. 410 wies er besonders die verschiedenen Behandlungsweisen an den römischen Gebäuden, d. h. die wahre Freiheit innerhalb des Normalen durch genaue Vermessung nach, und der ihm ebenbürtige Peruzzi theilte diess Streben.

Auch Rafael erweist sich als wahren Menschen der Renaissance, indem er von der kostbaren Zeit seiner letzten Jahre einen Theil dem alten Rom widmet. Hiebei ist zu unterscheiden wie folgt:

a. In den ersten Jahren Leo’s X. sollten Aufgrabungen und Auf- nahmen zu einer officiellen Sache werden. Der berühmte Brief von 1514 oder 1515, mag er von Gastiglione, Rafael oder sonst einem Beauftragten herrühren (§. 22), beklagt die Zerstörungen , schreibt sie nicht bloss den Barbaren sondern auch den Päpsten zu, beschwört Leo um Schutz für das noch Vorhandene, mahnt ihn zu eigenen, römerwürdigen Bauten, und stellt dann als Ziel die Restauration auf »nach den Resten, die man heute noch sieht , mit den Gebäuden , von welchen noch so viel erhalten ist, dass man sie infallibilmente so restauriren kann, wie sie gewesen sein müssen«. Es folgt eine Andeutung über einen hiefür wichtigen spätantiken Autor (wahrscheinlich ein Regionenbuch) ; endlich wird die Methode des Aufnehmens festgestellt und zum erstenmal Plan, Aufriss und Durchschnitt gesondert verlangt. Es ist möglich, dass Rafael an diesem Brief und damals noch an der ganzen Sache gar keinen Theil hatte, obwohl er sich bereits mit Vitruv beschäftigte (§. 28).

b. Wahrscheinlich war die Angelegenheit ins Stocken gerathen, ob- wohl das Ernennungsbreve Rafaels zum Director der Alterthümer und Ausgrabungen bereits vom 27. August 1516 datirt ist; sie wurde abei nach einigen Jahren auf einmal rasch unter Rafaels Leitung gefördert; schon waren sehr bedeutende Ausgrabungen gemacht und grosse Theile der gezeichneten Restauration fertig (Goelii Galcagnini opera, ed. Basil. 1544, p. 101), als Rafael mitten im Vermessen und Restauriren 1520 starb (Paul. Jov. elogium Raphaelis, bei Tiraboschi, Stör, della letteratura ital., ed. Venez. 1796, Tom. VII, Parte IV, p. 1643; — und bei Quatremere, trad. Longhena, p. 551). Fulvius behauptet, Rafaels Zeichnungsstift ge- leitet zu haben (s. dessen Antiquitates urbis); grössere Ansprüche besass jedenfalls Fabio Galvi von Ravenna (Cultur d. Renaiss., III. Aufl. S. 318).

c. Rafael schickte Zeichner durch ganz Italien. Winckelmann (An- merkungen üb. d. Baukunst d. Alten, S. 35, f.) kannte Aufnahmen des Tempels von Cork, die er dem R. selber zuschrieb und wusste von einem


IV. Kapitel. Studium der antiken Bauten und des Vitruv. 37

Band ähnlicher Zeichnungen bei Lord Leicester. Wahrscheinlich waren

auch die Aufnahmen aus Rom, Neapel, Pozzuoli und der Campagna, welche Giulio Romano 1544 dem Vasari (X, p. 112, v. di Giulio) in Mantua vorwies, in Rafaels Auftrag »von Giulio und Andern« gemacht worden; die Zeichner werden sich in die Aufgabe getheilt und dann Copien unter einander ausgetauscht haben.

Mit Serlio’s Werk beginnen um 1540 Publicationen von dauernder Bedeutung; in der Widmung des III. Buches behält er sich auch die Ver- öffentlichung der ihm noch unbekannten Ueberreste in Südfrankreich vor.

In den Aufnahmen des jüngern Ant. Sangallo, die sich noch in der florentinischen Sammlung vorfmden, bemerkt man bereits Projecte zur Verbesserung einzelner Fehler der Alten, z. B. des Bogens der Schluss- nische im Pantheon (Vasari X, p. 46, im Gommentar zur v. di Ant. da Sangallo). Das zu Durchschnittsregeln durchgedrungene Studium übt seine Kritik an den Denkmälern selbst.

Gegen die Mitte des Jahrhunderts wandten namhafte Architecten noch immer eine Reihe von Jahren auf die römischen Ruinen, so Bartol. Genga (Vasari XI, p. 96, v. di Genga) und Andrea Palladio.

§• 28 .

Einfluss des Vitruv.

Mit dem XVI. Jahrh. erreicht auch der Einfluss des Baulehrers der goldenen augusteischen Zeit M. Yitruvius Pollio seinen Höhepunct. Fortan glaubte man vor Allem das Alterthum nach seinen eigenen Aussagen richten zu können; Vitruv nahm in der Baukunst bald eine ähnliche Stelle ein wie schon vorher Cicero in der Latinität, und es bildete sich eine höchst eifrige Partei in seinem Namen.

Vitruv war nie ganz vergessen, aber zur Zeit der Frührenaissance schadete ihm vor der Hand die schlechte Beschaffenheit des Textes, die schwierige Auslegung und die innere Mangelhaftigkeit, da er z. B. keine Lehre vom Gewölbebau (oder nur vom falschen, VII, 3) enthält. Alberti, de re aedificatoria benutzt ihn ohne ihm irgend eine Ehre anzuthun und überbietet ihn sehr an Vielseitigkeit.

Francesco di Giorgio, der (um 1480?) zuerst die Ruinen mit Vitruv verglich (§. 26) und in seinem Tractat die Säulenordnungen nach Vitruv behandelte, fügte doch ein Wort bei, welches für die ganze Renaissance gilt : seine Regeln seien mühsam aus den Alten gezogen, die Gompositionen aber, welche er mittheilt, sein Eigenthum. Die Renaissance hat das Alter- thum nie anders denn als Ausdrucksmittel für ihre eigenen Bauideen

  • behandelt.


38


Erstes Buch, Architectur.


Francesco und sein damaliger Herr, Federigo von Urbino, beriethen alle Gelehrten über die Erklärung Vitruv’s.

Die erste Ausgabe 1511 die des Fra Giocondo, welcher damit bis in sein hohes Alter gewartet hatte; Vasari IX, p. 158, s. und Nota, v. di Giocondo, wo auch seine übrigen archäologischen Arbeiten verzeichnet sind,

Rafael schrieb 1514 oder 1515 in einem unbezweifelten Briefe: »ich möchte gerne die schönen Formen der antiken Gebäude wieder finden, weiss aber nicht, ob mein Flug nicht ein Icarus-Flug sein wird; Vitruv giebt mir viel Licht, aber nicht so viel als genug wäre«. Lettere pitto- riche I, 52; II, 5. *

In seiner letzten Zeit hatte er eine freie Ansicht gewonnen und ver- theidigte und widerlegte den Vitruv mit Gründen , im liebenswürdigsten Eifer. Goel. Calcagnini opera, ed. BasiL 1544, p. 101.

Baldassar Peruzzi entwarf den Dom von Carpi »nach Vitruv’s Regeln«  und zeichnete nach 1527 fortlaufende Illustrationen zu diesem Autor. Vasari VIII, p. 226, vgl. 231, v. di Peruzzi.

Höchst fanatisch redet Serlio in seiner Architettura (ed. Venez. in 4., 1584, p. 69, 99, 112, 159, b, wozu aus der venez. Folioausgabe 1544 die Stelle S. 155 nachzutragen ist). Das hochheilige und unantastbare Buch hat immer Recht, auch gegen Römerbauten; diese sind nach Vitruv zu beurtheilen; die ihm Zuwiderhandelnden sind Ketzer etc. Am Schluss des III. Buches die Aufzählung aller eifrigen Vitruvianer.


Die sich allgemach ansammelnde Vitruvliteratur musste sich der italienischen Sprache bedienen, weil lateinische Erklärungen die Sache nur noch mehr erschwert hätten.


Uebersetzungen des Vitruv mit Erklärungen und meist auch mit Ab- bildungen:

Cesariani 1521, Vasari VII, p. 126 v. di Bramante, mit der stark be- richtigenden Nota;

Fabio Calvi, Manuscript in München, Vasari VIII, p. 56, Nota;

Caporali 1536, Vasari VI, p. 5 7 Nota, 58 Nota, v. diPerugino; ebenda p. 145 Nota, v. di Signorelli;

Daniele Barbaro 1567, unter den spätem die berühmteste; manche richtige und geistreiche Idee findet sich hier zuerst, vgl. ad Vitr. III, 2 und IV, 2, wo von der Säulenschwellung und von den Gonsolen in den Giebelschrägen die Rede ist.

Ueber einzelne schwierige Partien schrieb Gio. Batt. Bertano 1558, der sich auch z. B. um die Theorie der ionischen Volute bemühte; Va- sari XI, p. 148, Nota, v. di Garofalo.

Batista da Sangallo, Bruder des im §. 27 genannten, hinterliess Er- läuterungen, deren Herausgabe unterblieb; Vasari X, p. 21, v. di Ant.


IV. Kapitel. Studium dei’ antiken Bauten und des Vitruv, 39

Sangallo. lieber die Bemühungen des florentin. Ghorherrn Gio. Norchiati s. Vasari XII, p. 234 Nota, v. di Michelangelo.

. §. 29.

Die spätem Vitruvianer.

Im Jahr 1542 trat in Rom die vitruvianische Academie zusammen, welche es indess nicht weit über ein colossales Programm hinaus brachte. Die in dieser Richtung eifrigsten Bauherrn waren damals reiche Vene- zianer. Zu der Abnahme dieses Fanatismus trugen die Werke und auch die Worte Michelangelo’s nicht Weniges bei.

Der Verein und das Programm: Lettere di Claudio Tolomei, ed. Venez.

, 1589, fol. 103, ss.; — Lettere pittoriche II, 1 sammt Bottari’s Anmerkung. — Ueber Cardinal Marcello Cervini, spätem Papst Marcellus II., ein Haupt- mitglied, vgl. Ranke, Päpste I, S. 281, 502; Vasari XII, p. 132, v. di T. Zucchero, und X, p. 81, im Commentar zu v. di Antonio Sangallo, welcher ein Bad im antiken Styl für den Cardinal entwarf, s. unten.

Den besten Gewinn mag der damals noch junge Vignola gehabt haben, der im Dienst der Academie noch einmal die Ruinen von Rom vermass.

In Venedig beseitigte Jacopo Sansovino die Frührenaissance als an- geblicher Vertreter der strengem vitruvischen Richtung; diese wurde gerühmt sowohl an seinen Privatpalästen als an seiner Biblioteca. Bei Anlass der Ecke des Gebälkes (vgl. §. 53) der untern dorischen Ordnung der letztem gerieth aber das ganze antiquarische Italien in Bewegung; Cardinal Bembo schickte die Lösungen verschiedener Baukenner ein, und auch Tolomei, der Secretär der vitruvianischen Academie, gab im Namen derselben eine Meinung ab ; allein Sansovino hatte schon eine Lösung bereit, durch welche er Alles zufrieden stellte. Vasari XIII, p. 84, v. di Jac. Sansovino ; — Franc. Sansovino (Sohn des Meisters), Venezia, fol. 44 und 113, wo die Geschichte nicht ohne Uebertreibung erzählt wird.

Michelangelo’s Bestreben, »die Ketten und Schlingen wieder zu zer- reissen«, welche die Baukunst sich anlegen Hess; man wurde inne, dass er sich überhaupt »weder auf ein antikes noch auf ein modernes archi- tectonisches Gesetz verpflichtet halte«. Bei Anlass seines schönsten Ent- wurfes von fünfen für S. Giovanni de’ Fiorentini in Rom sagte er selbst: »Weder Römer noch Griechen haben in ihren Tempeln etwas Aehnliches erreicht.« Vasari XII, p. 205, 239, 265, v. di Michelangelo; sein Hohn über einen vornehmen Vitruvianer, p. 280.

Er befreite die Kunst mehr als gut war. Sie hatte vielleicht keine einzige wahrhaft grosse Combination eingebüsst gehabt aus Rücksicht aur ein Buch, das keinen Bogen wölben lehrte und selbst für das ini XVI. Jahrh.



40


Erstes Buch. Architectur.


Alltägliche keine Vorschrift enthielt, wohl' aber vor Verwilderung der Einzelformen warnte.

Ein verspätetes Bedauern, dass nicht auch für die Malerei ein solches antikes Regelbuch erhalten geblieben, bei Armenini, de’ veri precetti della pittura, p. 22.


V. Kapitel.

Die Theoretiker.


§. 30.

Leon Battista Albert i.

Da nach einem allgemeinen Gesetz jener Zeiten die Bildung der Kunst vorangeht (§. 24), so befremdet es nicht, wenn ihre Botin, die literarische Darstellung, auch schon an der Wiege der neugeborenen Architectur zu finden ist. Schon erhebt sie sich von der Beobachtung zur Regel und zur Theorie bei dem grossen Leon Battista Alberti.

Vgl. §. 24 und : Gultur d. Renaiss., III. Aufl. S. 168. Auf jene Jugendschrift über die Malerei folgte sein Hauptwerk über das Bauwesen. Die noch eigenhändig vorhandene ital. Bearbeitung, arte edificatoria (in den opere volgari di L. B. Alberti, ed. Bonucci., Tom. IV) reicht bis ins III. Buch, und so weit glaube ich diese citiren zu müssen ; von da an aber den ebenfalls von ihm redigirten latein. Text de re aedificatoria ; das fertige; Werk überreichte er 1452 dem Papst Nicolaus V. Vgl. Vasari IV, p. 54 Nota. Die italien. Ausgaben seit dem XVI. Jahrh. sind Uebersetzungen Späterer.

Die betreffenden Hauptstellen : arte edificatoria p. 229, 238, 240 (im I. Buche) und de re* aedificatoria, L. VI, cap. 2 und 5, L. IX, c. 3 und 5.

Die gothische Baukunst war lauter Rhythmus der Bewegung, die der Renaissance ist Rhythmus der Massen ; dort sprach sich der Kunst- gehalt im Organismus aus, hier liegt er wesentlich in den geometrischen und kubischen Verhältnissen. Alberti beruft sich daher nicht auf Trieb- kräfte die im Einzelnen ausgedrückt sein müssten, sondern auf das Bild welches der Bau gewährt und auf das Auge das dieses Bild be- trachtet und geniesst.



Y. Kapitel. Die Theoretiker. 41

In der genannten Jugendschrift della pittura (op'. volgari IV, p. 41) leitet er sogar die Baukunst von einer präexistirenden Malerei ab: Der Baumeister habe erst von dem Maler seine Säulen und Gebälke gelernt; — die stärkste Aussage für den malerischen Standpunkt der Frührenais- sance gegenüber den Bauformen.

Im Hauptwerk: das Gesetz der Abwechselung, des anmuthigen Con- trastes (vgl. §. 286) in Verbindung mit der Symmetrie (varietä und parilitä delle cose); in Betracht der Abwechselung geht er sehr weit, vielleicht im Hinblick auf römische Kaiserthermen, Paläste etc. Es soll z. B. nicht Eine Linie das Ganze beherrschen, da gewisse Theile schöner erscheinen, wenn sie gross, andere wenn sie klein gebildet sind, die einen wenn sie in geraden, die andern wenn sie in geschwungenen Linien laufen u. s. w. Von der Schönheit der Säule ist A. wie die spätem Theoretiker (z. B. Serlio, p. 98) bis zum lauten Enthusiasmus durchdrungen.

Die Hauptschilderung einer trefflichen Gomposition im VI. Buche, vorwiegend eher negativ; am Ende: omnia ad certos angulos paribus lineis adaequanda, was verschiedene Deutungen zulässt. Sehr bedeutend ist seine ästhetische Festsetzung der kubischen Verhältnisse der Innen- räume. Vgl. §. 89.

Sein Versuch einer allgem. Bauästhetik im IX. Buch, getrübt durch Einmischung älterer Definitionen, doch nicht unwichtig. Sein höchster Ausdruck: concinnitas, d. h. wohl das völlig Harmonische. Das Grund- gefühl, welches das Schlussurtheil über einen Bau spricht, will er nicht genauer untersuchen, er nennt es ein unergründliches Etwas, »Quippiam«, quod quäle ipsum sit, non requiro. Doch hatte er sich (VI, c. 4) sehr gegen die Ignoranten verwahrt, die da meinten, das Urtheil über Bau- schönheit beruhe nur auf einer soluta et vaga opinio und die Bauformen seien gesetzlos und wandelbar wie es Jedem beliebe.

§. 31.

Die Nachfolger bis auf Serlio.

Die nächsten Theoretiker nach Alberti scheinen, so weit sich urtheilen lässt, ihn benützt zu haben. Aufzeichnungen über Mechanik und Construction, über Wasserbauten und den mathematischen Theil der Kunst überhaupt mehren sich gegen Ende des XV. Jahrh. Später absorbirt eine Zeitlang die Bearbeitung des Vitruv (§. 28) diese Kräfte, worauf wiederum grosse neue Sammelwerke sowohl als Bauencyclopädien entstehen.

Das reichillustrirte Manuscript der Baulehre des Antonio Averulino, genannt Filarete, verfasst 1460, auf der Marcusbibliothek zu Venedig; die Textproben bei Gaye, carteggio I, p. 200 bis 206 enthalten ausser jenem


i




42 Erstes Buch, Architectur.

Fluch über das Gothisehe (§. 22) einen Segensspruch über die Renais- sance, sodann ein merkwürdiges Verzeichniss aller damaligen berühmten Künstler der neuen Richtung. Vgl. §. 91.

Aus dem um 1480 verfassten Trattato des Francesco di Giorgio (§. 28) Auszüge bei Deila Valle, Lettere sanesi, III, p. 108; die etwas vorgerücktere Zeit erkennbar durch das seitherige Erwachen verschiedener Richtungen, wovon nur das Wenigste die Billigung des Autors hat; er findet lauter »Irrthümer, schlechte Proportionen und Fehler gegen die Symmetrie«.

In Lionardo’s Papieren Vieles über Mechanik; sein Mühlenbuch etc.

Ueber Fra Giocondo, seinen Wasser- und Brückenbau und seine theo- retische und allseitige Gelehrsamkeit vgl. Vasari, IX, p. 156, 160, 162, 166, v. di Fra Giocondo, Text und Noten.

Piäcise Geister achteten an der Baukunst überhaupt mehr die mathe- matische als die künstlerische Seite. Federigo von Urbino (§. 11) schreibt 1468: »die Architectur ist gegründet auf Arithmetik und Geometrie, welche zu den \oinehmsten unter den sieben freien Künsten gehören, weil sie

den höchsten Grad von Gewissheit in sich haben« (Gaye, cartesmo I, p. 214, vgl. 276).

Sebastiano Serlio von Bologna und sein Sammelwerk dell’ architettura (mit verschiedenen Titeln der einzelnen Bücher) ; die erste Ausgabe in Folio, Venedig seit 1540; wir citiren die verbreitetere Quartausgabe, Venedig 1584. Nicht in theoretischer , sondern mehr in zufälliger Ord- nung Aufnahmen aus dem Alterthum und eine grosse Anzahl Von Bauten und Entwürfen der Renaissance, zum Theil von der Erfindung des Autors, zum Theil nach Zeichnungen des Baldassar Peruzzi, den er mehrmals dankbar nennt. Die Wirkung des Buches nach der ungünstigen Seite §. 12.

§. 32 .

P o 1 i f i 1 o.

Neben der Theorie und der mathematischen Begründung hat auch

der Gegenpol; die bauliche Phantastik; in der Literatur ein Denkmal hinterlassen.

Der architectonisch-allegorische Roman Hypnerotomachia des Polifilo, d. h. des im Orient gereisten Dominicaners Fra Francesco Colonna von Venedig, geb. um 1433, gestorben erst 1527. Die Abfassung des Werkes nach 1485, der erste Druck 1499; seither mehrere Ausgaben, mit den Oi iginalholzstöcken gedruckt, ohne Seitenzahlen; Auszüge bei Temanza, vite de piü .celebri architetti e scultori veneziani. Vgl. Cultur d. Renaiss., III. Aufl. S. 233. Es ist eine Liebesgeschichte in mythologischem und märchenhaftem Gostüm, welche wesentlich als Anlass dient zur Beschreibung und Abbildung idealer Gebäude und Räumlichkeiten. Vgl. §. 25, 64 (Fig. 1).




V. Kapitel. Die Theoretiker.


43


Indess werden weder Theoretiker noch Poeten so klar, als wir es wünschen möchten, von dem grossen Uebergang reden, der sich unter ihren Augen und. zum Theil durch sie selber vollzieht. Theils


Fig\ 1. Kuppel aus Polifilo.


sind sie sich der Dinge nicht bewusst, theils verstehen sich diese für sie von selbst. Eine spätere Zeit erst konnte die Renaissance als den Styl der Verhältnisse in Raum und Flächen im Gegensatz zu allem früheren erkennen.



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Erstes Buch. Architectur.


Der Raumstyl, der das neue Weltalter in der Baukunst mit sich führt, ist ein excludirender Gegensatz der organischen Style, was ihn nicht hindert, die von diesen hervorgebrachten Formen auf seine Weise aufzu- brauchen.

Die organischen Style haben immer nur Einen Haupttypus, der grie- chische den oblongen rechtwinkligen Tempel, der gothische die mehr- schiffige Gathedrale mit Frontthürmen. Sobald sie zur abgeleiteten An- wendung, namentlich zu combinirten Grundplänen übergehen, bereiten sie sich vor,, in Raumstyle umzuschlagen. Der spätrömische Styl ist schon nahe an diesem Uebergang und entwickelt eine bedeutende Raumschön- heit, die dann im byzantinischen, romanischen und italienisch-gothischen Styl (§. 19) in ungleichem Grade weiter lebt, in der Renaissance aber ihre volle Höhe erreicht.


VI. Kapitel.

Die Formenbehandlung der Frührenaissance.


§. 33.

Unvermeidlichkeit des römischen Details.

Die Composition nach Verhältnissen und für das Auge, welche die Seele der Renaissance (§. 30, 32) ist, hatte schon im XII. Jahrh. und dann in der gothischen Zeit sich geregt. Sie wurde damals ganz besonders hart betroffen durch das gothische Detail, welches einer entgegengesetzten Gedankenwelt entstammte; dagegen hätte sie sich von der Formensprache der Römer schon desshalb angezogen finden müssen, weil diese ihr Detail bereits als freies decoratives Gewand gehandhabt hatten. Mit aller Anstrengung suchte man sich nun von jenem schweren formalen Widerspruch zu befreien.

Dazu kam aber noch das stärkste allgemeine Vorurtheil für das alte Rom. Es ist ganz unnütz zu fragen, ob die Italiener ein neues eigen- thümliches Detail hätten schaffen sollen oder können. Ihre ganze Bildung, die Vorgängerin der Kunst , drängte längst auf den allgemeinen Sieg des Antiken hin; die Sache war im Grossen völlig entschieden, ehe man die Baukunst irgend um ihre Beistimmung fragte.




(


VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance. 45

Für Mittelitalien handelte es sich zugleich um einen Sieg der Form über den Stoff: eine bunte Incrustation von Marmor aller Farben und von Mosaik an den wichtigsten Kirchenfassaden musste weichen vor der ernsten Plastik des römischen Details, mochte auch letzteres thatsächlich ebenfalls nur äusserlich einem Kernbau aus anderem Stoffe angefügt werden, wie schon bei den alten Römern selbst.

Ausserdem adoptirte man nach Kräften auch die Gesetze der römischen Construction. Dabei wusste man jedoch nichts Anderes, als dass Anlage, Hauptformen und Verhältnisse gemäss dem jedes- maligen Zweck und der Schönheit erfunden werden müssten.

Die Renaissance kennt beinahe gar keine Nachahmungen bestimmter einzelner Römerbauten. Sie hat z. B. trotz aller Bewunderung keinen einzigen Tempel repetirt und überhaupt das Antike nur im Sinn der freisten Gombination verwerthet. Vgl. §. 28 das Wort des Franc, di Giorgio. Die Proportionen sind vollends ohne Ausnahme frei gewählt und der Einfluss der antiken Ordnungen auf sie nur ein scheinbarer. In That und Wahrheit hängt die Behandlung der Ordnungen eher von den Proportionen ab.

§. 34.

Das Verhältniss zu den Zierformen.

Anfangs schied man nicht, was der guten oder der gesunkenen Römerzeit, was Gebäuden höchsten Ranges oder blossen Verkehrs- hauten etc. angehörte; auch vergrösserte und verkleinerte man nach Belieben das für einen bestimmten Massstab Geschaffene.

Ein in Fiesoie gefundenes wunderliches ionisches Capital wird von Giuliano Sangallo zum durchgehenden Muster genommen für die Colon- nade des Hofes von S. M. Maddalena de’ Pazzi in Florenz; Vasari VII, p. 211, v. di Giul. Sangallo. Vieles dergleichen namentlich in den Kranz- gesimsen, s. unten. Formen des römischen Decorationsstyles, von Altären, Sarcophagen, Gandelabern etc. wurden Anfangs in die Architectur ver- schleppt.

Eine grössere Gefahr lag in der plötzlichen und sehr hohen Werthschätzung der classischen Zierformen. Dass dieselben nicht die Architectur überwucherten, verdankt man einzig den grossartigen Bau- absichten und der hohen Mässigung der Florentiner.

Man erwäge die allgemeine Zierlust und Prachtliebe des XV. Jahrh., die rasch wachsende Zahl behender Decoratoren und die Hingebung der



46


Erstes Buch. Architectur.


grossen Florentiner selbst an die Decoration, sobald es ihnen die strenge

Michelozzo meisselte selber Capitäle, wenn ihn der Eifer ergriff; so z. B. für eine Thür im Signorenpalast zu Florenz; Yasari III, p. 275, v. di Michelozzo. Schön gearbeitete Capitäle führten bisweilen zu grossem Aufträgen; Andrea Sansovino bekam darauf hin die Durchgangshalle zwischen Sacristei und Kirche in S. Spirito zu bauen; Vasari VIII, p. 121, v. di Cronaca, und p. 162, v. di A. Sansovino.

In der Theorie weist z. B. um 1500 der Neapolitaner Gioviano Pon- tano (§. 9) dem Ornament die erste Stelle an und gestattet selbst dessen Uebei treib ung : et in ornatu quidem, cum hic maxime opus commendet, modum excessisse etiam laudabile est ; — der Florentiner Alberti dagegen, der es in seinen Bauten liebte, weist ihm doch in seinem Lehrbuch schon 50 Jahre früher einen nur secundären Rang an. L. YI, c. 2 : Die Schön- heit liege in einer solchen Harmonie aller Theile , die bei jedem Hinzu- fugen oder Weglassen verlieren würde; weil es aber thatsächlich noch immer scheine, als müsse etwas hinzugefügt oder weggelassen werden, und doch das Vollkommnere schwer anzugeben sei, so habe man die Zierformen eingeführt, als eine subsidiaria lux, als complementum der Schönheit. Letztere müsse dem Ganzen eingeboren sein und es durch- strömen, während das Ornament die Natur von etwas äusserlich Ange- heftetem behalte. L. IX, c. 8, s. nochmalige Ermahnung, den Schmuck zu mässigen und weise abzustufen.


§, 35.

Die Säule, der Bogen und das gerade Gebälk.

Die Säule war in Italien niemals ernstlich durch den gegliederten Pfeiler verdrängt worden ; jetzt wurde sie ihrer echten Bildung zurück- gegeben und wieder mit ihrer alten Zubehör von Basen und Oebälken in Verbindung gebracht.

Die Begeisterung für die Säule als solche §. 30. Von den Gesetzen ihrer optischen Erscheinung weiss Alberti u. a. : Dass Säulen, wenn sie sich von der Luft abheben, schlanker erscheinen als vor einer Wand und dass schon desshalb die Ecksäule entweder dicker gebildet werden oder mehr Ganneluren erhalten müsse , was optisch denselben Dienst thue. (Letzteres aus Vitruv IV, 4, aber in neuer Anwendung.)

Gegen das Ganneliren überhaupt zeigt die Renaissance eher Wider- willen (§. 134). Entscheidendes Beispiel: die 4 glatten Portalsäulen an der prächtigen Fassade der Certosa bei Pavia. (Dagegen cannelirte später die nordische Renaissance ihre Säulen und Pilaster wieder.) -


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} ' '

VI# Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance.

Glücklicher Weise liess sich Italien seine Bogen auf Säulen nicht mehr nehmen, obwohl es an Einwendungen dagegen nicht fehlte. Am Innenbau sowohl als an der fortlaufenden Halle des Klosterhofes, wie des städtischen Platzes, wird der Bogen ohne Vergleich häufiger angewandt als das gerade Gebälk

(Fi g. 2).

Schon Brunellesco gab be- kanntlich dem Bogen seine antike Archivolte wieder, glaubte sich indess doch an feierlichem Bauten (S. Lorenzo, S. Spirito in Florenz) zu einer Art von Gebälkstück zwischen Capital und Bogenansatz verpflichtet. (Vgl. schon in der gothischen Zeit die Ueberhöhung der Bogen der Loggia de’ Lanzi durch eine Art Aufsatz über den Pfeilercapitälen.)

Alberti verlangt für den Bogen eine Ueberhöhung bis ZU l \z des Fi g. 2. Halle an S. Maria bei Arezzo.

Radius, damit er schlanker und

belebter aussehemnd weil für die Untensicht (durch Simse, Deckplatten) etwas davon verloren gehe.

Allein L. VI, c. 15 verlangt er für die Säule immer das gerade Ge- bälk, indem der Bogen nur auf Pfeiler passe. Auch das Einschieben eines Gebälkstückes über dem Säulencapitäl versöhnt den Mann nicht, welcher im Stande war, italienische Hexameter und Pentameter zu con- struiren. Von seinen eigenen Bauten haben die Halle am Pal. Stiozzi und die Capelle des h. Grabes an S. Pancrazio gerades Gebälk. Seine schlaue Insinuation L. IX, c. 4: für Loggien sehr vornehmer Bürger (§. 104) gezieme sich gerades Gebälk, für die von mittelmässigen Familien Bogen.

Es half nichts ; Bogen auf Säulen sind bei richtiger Behandlung vollkommen entsündigt und werden herrschen bis an’s Ende der Tage. Sobald man die Halle wölbte (wie Alberti a. a. 0. doch auch verlangt), hatte das gerade Gebälk keinen Werth mehr; es* machte das Gewölbe nur dunkel und war dabei nicht tragfähig. Denn auf die Weite der In- tervalle konnte man doch nicht verzichten. Es blieb beschränkt auf oberste Stockwerke von Hallen, wo es dann meist von Holz construirt wurde und eine hölzerne Flachdecke trug (Fig. 3).


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Erstes Buch. Architectur.


In der hohem Kunst wird das gerade Gebälke bisweilen ange- wandt zur Erzweckung eines Contrastes mit den Bogen.

Brunellesco unterbricht an der Vorhalle der Capella de’ Pazzi bei S. Groce in Florenz, Giuliano Sangallo am Klosterhof von S. M. Madda- lena de’ Pazzi höchst wirkungsreich das gerade Gebälk durch Einen grossen Bogen in der Mitte.

Sehr im Grossen und majestätisch wirksam: an Vasari’s Uffizien das Versparen des Bogens auf den hintern Durchgang.


Bramante’s (nicht ausgeführtes) drittes Stockwerk um den grossen vaticanischen Hof, eine offene Säulenhalle mit geradem Gebälk und ob- longen Mauerflächen darüber, als Gontrast gedacht zu den Bogen und Pfeilermassen der zwei unteren Stockwerke. d’Agincourt, Archit. T. 57.

In kleinen Dimensionen, wo die antiken Intervalle leicht zu behaupten waren, findet sich bisweilen eine anmuthige und strenge Anwendung des geraden Gebälkes; Hof des Pal. Massimi in Rom, von Peruzzi; das Tonnen- gewölbe erhellt durch Oeffnungen, welche nach der Lichtseite durchge-

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brochen sind.

Dass halbrunde Hallen ein gerades Gebälk forderten, versteht sich von selbst; vgl. den Hof der Vigna di Papa Giulio.

Michelangelo’s Conservatorenpalast auf dem Capitol: die Hallen mit



VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance. 49

geradem Gebälk auf Pfeilern , welche zur Versüssung des Eindruckes Säulen hart neben sich haben; ein wunderliches Gompromiss verschiedener Elemente.

Neue Herrschaft des geraden Gebälkes in der Schule Palladio’s. Man vergesse nicht, dass bis nach 1585 in Rom noch das Septizonium des Severus vorhanden war: drei offene Hallen über einander, alle corinthisch und mit geradem Gebälk. Palladio’s Pal. Ghieregati in Vicenza ist sichtbar davon inspirirt. — Unter den Werken der Nachfolger das riesigste Bei- spiel : die zwei Höfe des Gollegio elvetico (jetzige Gontabilitä) zu Mailand, nach 1600 von Fabio Mangone.


Fig\ 4. Basilica zu Vicenza.

Um die Mitte des XVL Jahrh. werden zwei schöne Motive häufiger: zwei gerade Gebälkstücke, auf Säulen ruhend, nehmen einen Bogen in die Mitte (schon an Bauten der diocletianischen Zeit; jetzt an Palladio’s Basilica zu Vicenza, Fig. 4); — oder: gerade Gebälkstücke auf zwei Säulen wechseln mit Bogen ab (Lieblingsform des Galeazzo Alessi und seiner Schule ; über den Gebälkstücken verzierte runde oder ovale Vertiefungen mit Büsten, Fig. 5).

§. 36.

Die antiken Ordnungen im XV. Jahrhundert.

Unter den Säulenordnungen der Römer nahm die häufigste, in

ihrer Art freiste und reichste, die corinthische ; auch jetzt die erste Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 4


50


Erstes Buch. Architectur.


Stelle ein. Doch wurde sie nur ausnahmsweise den feierlichem Mustern nachgebildet. Seltener erscheint einstweilen die ionische und die Com-


Fig. 5. Vom Pal. Sauli zu Genua. (Nach Gauthier gez. v. Baidinger.)


posita (Fig. 6 und 7); erst im XVI. Jahrh. wird die dorische ernst- lich angewandt , unter beständiger Concurrenz einer vermeintlichen toscanischen.

Von Alberti, ausser de re aedificatoria L. VII, c. 6 bis 10 und 15, eine frühere Schrift I cinque ordini (opere volgari, Tom. IV). Vgl. auch Vasari IV, p. 54, 58, v. di Alberti. — Unabhängig von Vitruv gibt er das Resultat selbständiger Vermessungen und eigenen Nachdenkens.

Der dorische Echinus istbhm eine lanx (Schüssel); die ionische Vo-


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VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance. 51

lute erscheint ihm wie eine Rolle von Baumbast, welche über eine solche lanx herabhängt. (Gewiss dem wahren Ursprung gemässer als Yitruv’s Vergleichung mit Weiberlocken.) Das Stylobat oder Piedestal heisst bei ihm (z. B. L. IX, c. 4) arula, Altärchen ; ein falsches Bild, das sich auch wohl formal, durch falsche Ausbildung des betreffenden Stückes rächen

konnte, und doch hätte jede andere Ableitung vielleicht noch mehr irre geführt.



Fig. 6. Details aus den Servi zu Siena.

Die Composita zuerst im Hof von Pal. Medici in Florenz ? Dann in Pal. Gondi. Alberti nennt sie die italische, »damit wir nicht gar Alles als Anleihe von aussen gelten lassen.« 


Fig. 7. Details aus der Badia bei Fiesoie.


Die schönsten corinthischen Gapitäle sind in der Regel die florentini- schen einblättrigen, mit Delphinen u. a. Phantasieformen (Fig. 8).

In den Hallenhöfen wird durchaus nicht immer abgewechselt, sondern eher dieselbe Ordnung durch 2, 3 Stockwerke beibehalten.

§. 37.

Die Halbsäulen und vortretenden Säulen.

Halbsäulenordnungen auf Stylobaten, als Einfassung von Pfeilern mit Bogen, hauptsächlich in grossem Palasthöfen, auch im Innern von



52


Erstes Buch, Architectur.


Kirchen, hatten ihr Vorbild an den untern Stockwerken der römischen Schaubauten ; hauptsächlich des Colosseums und des Marcellustheaters. Vortretende Säulen, mit vorgekröpften Gebälken, wie man sie an den Triumphbogen vorfand, wurden vor der Hand nur an Portalen angebracht.


Fig. 8. Florentinisches Capital. (J. Stadler.)


Eine der frühsten Halbsäulen- ordnungen diejenige an Alberti’s Fassade von S. Francesco zu Rimini (1447); dann die ziemlich schlanke im Hofe des Pal. di Venezia zu Rom (seit 1455), von Francesco di Rorgo San Sepolcro; Vasari IV, p. 9, im Comment. zu v. di Giul. da Majano. Das berühmteste Reispiel, Pal. Far- nese, s. unten.

Von den Kirchen des Floren- tiners Raccio Pinteili: S. Agostino und S. Maria del Popolo zu Rom, das Innere.

Selten wurde die Halbsäulen- ordnung auch für Fassaden ange- wendet; erst mit Rafael und dann besonders um 1550 mit Alessi und Palladio mehren sich die Beispiele. Vgl. 8. 54.


Die erste Kirchenfassade mit frei vortretenden Säulen wäre (erst 1514) diejenige von S. Lorenzo in Florenz nach dem Plane Michelangelo s ge worden; die schon sehr weit gediehenen Vorbereitungen dazu Vasari I, p. 106, Introduzione. — Die vortretenden Säulen neben oberitalischen Kirchenportalen zählen nicht, weil sie nur Umdeutung eines mittelalter- lichen Motives sind und keine Ordnung bilden.


§. 38.

Der Pilaster und das Kranzgesimse.

Wie für die Pfeilerhöfe die untern Stockwerke der römischen Schauhauten, so wurde für die Fassaden das oberste Stockwerk jener zum einflussreichen Vorbild. Vom Obergeschoss des Colosseums haupt- sächlich stammen die Pilasterordnungen.

Der römische Pilaster, eine in Flachdarstellung übertragene Säule (was die griechische Ante nicht war) , hatte vortretende Säulen accom- pagniren helfen , sich zu jedem Mauerabschluss , zur Ecke hergegeben,.




VL Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance.


53


auch wohl die Halbsäule oder vortretende Säule schlechthin ersetzt (z. B. an Prachtthoren). Reihenweise hatten ihn die Römer an jenen Schau- bauten angewandt, um, nach Abschluss der untern Hallenstockwerke mit Halbsäulen, das Auge über die geschlossene Wandmasse des obersten Stockwerkes aufwärts zu leiten und letzterer ihre Schwere zu benehmen.

Amphitheater in der Provinz (Pola, Nimes) hatten auch wohl bloss Pilaster von unten auf.

Ausser dem Colosseum kommt auch das Amphitheatrum castrense in Betracht, dessen obere Ordnung damals laut alten Abbildungen viel besser erhalten war.

Endlich hatte auch das Mittelalter (und nicht 'bloss in Italien) die Gewöhnung an jede Art verticaler Wandgliederung durch Mauerstreifen wach erhalten.

Die Renaissance verwandte nun den Pilaster im Innern wie am Aeussern der Gebäude ohne alles Bedenken und massenhaft; sie schätzte ihn schon als Repräsentanten ihrer geliebten Säule. — (Wenn Palladio bisweilen auch Schwellung und Verjüngung von der Säule auf den Pilaster übertrug, so gab es auch dafür Vorbilder; Propyläen von Baalbek etc.)

Der Pilaster wird der Ausdruck des Strebenden und Ueberleitenden. Sein Einfluss auf die Stockwerkhöhen ist viel geringer als der der letztem auf ihn. Ueber Kirchen- und Palastfassaden wird er bald einzeln, bald zu zweien gruppirt vertheilt, und diese können sich näher oder ferner stehen. — Alberti erwähnt (L. VI, c. 12) den Pilaster, aber nicht die Pilasterordnung, die er doch anwandte.

Der Pilaster tritt in verschiedene Verhältnisse zu der toscanischen Rustica, der venezianischen Incrustation und dem oberitalienischen Backsteinbau, sowohl an Kirchen- als an Palastfassaden. In jeder der drei Richtungen verlangt dann insbesondere die Frage der Gesimse, zumal des obersten Kranzgesimses, eine eigene Lösung.

Es ist eine Sache des feinsten Tactes, die Gesimse, welche sich nicht in Flachdarstellung umsetzen lassen, wie die zum Pilaster umgedeutete Säule, richtig zu den Pilastern und zugleich zum Ganzen zu stimmen.

Für das Kranzgesimse tritt die Frage ein: ob es mehr ein Gesimse des obersten Stockwerkes oder des ganzen Gebäudes sei? Ferner kommt eine allgemeine Voraussetzung in Betracht , welche während der ganzen guten Bauperiode herrschte: dass das Kranzgesimse eins sein müsse und keine Unterbrechung vertrage. Principielle Aussage hierüber bei Serlio L. IV, fol. 178, und zwar mit Berufung auf Bramante.

Ausserdem verlangen in die allgemeine Harmonie verschmolzen zu werden: die Wucht des Sockels, die Massigkeit des Erdgeschosses, die Nuancirung der Fenster nach Stockwerken u. A. m.; namentlich bedingen


54


Erstes Bach. Architectur.


sich Fenster und Pilaster in hohem Grade. Aus diesen und andern Ele- menten entsteht ein Scheinorganismus, der im Detail aus dem Alterthum entlehnt, in der Gombination völlig neu ist und höchst wahrscheinlich als der bestmögliche Ausdruck für den Rhythmus der Massen, für die Architectur der Proportionen betrachtet werden darf. Gemäss dem Cha- racter der Zeit, welche das Individuelle auf das Höchste entwickelte, offen- bart sich auch hier eine freie Vielgestaltigkeit, aber eine gesetzliche, von aller Phantastik entfernte.

Ueber die Formen der Fenster und Pforten vgl. unten §. 81.



Die Rusticafassade von Florenz und Siena,


Der florentinische Burgenbau aus Quadern wird von jeher die Vorderseite der letztem in der Regel roh gelassen haben; es genügte die genaue und scharfe Arbeit an den Kanten. Als die Burgen zu Palästen wurden, behielt man diese sog. Rustica bei, und das Gebäude war damit als ein adliches oder öffentliches bezeichnet (Fig. 9). Mit der Zeit gesellte sich hiezu Absicht und künstlerisches Bewusstsein, und so wurde der florentinische Palast ein gewaltiges Steinhaus, dessen Eindruck auf Wenigkeit und Mächtigkeit der einzelnen Elemente beruht.


Die stolze Festigkeit dieser Fassaden und ihre Wirkung auf die Phan- tasie. Ihre Vornehmheit: non esser cosa civile, vgl. §. 9, bei Anlass des Pal. Strozzi.

Nach einer Rechtfertigung aus unfertigen, irrig für vollendet gehal- tenen Römerbauten (Porta maggiore in Rom, Amphitheater von Pola und Verona etc.) sah sich erst das XVI. Jahrh. um; die Frührenaissance behandelte die Rustica ohne alle kümmerliche Rücksicht auf Rom als Hauptausdrucksmittel des mächtigsten monumentalen Willens und machte damit erst recht einen wahrhaft römischen Eindruck.


Die wichtigsten florentinischen und sienesischen Paläste sind die- jenigen mit Rustica ohne Pilaster. Die Rustica in ihren verschiedenen Abstufungen, je nach den Stockwerken und auf andere Weise, ist hier ein freies, nach Belieben verwendbares Element der Kunst geworden. Den einzigen grossen Gegensatz bildet das Kranzgesimse, neben welchem jedoch ein weit vortretendes Sparrendach sich noch lange behauptet.

Vgl. §. 91.

Ein Verzeichniss von 30 zwischen, 1450 und 1478 erbauten Palästen bei Varchi III, p. 107, worauf noch ein Nachtrag folgt, beweist die allge- meine Verbreitung des Baugeistes. — Von Michelozzo : der jetzige Pal.








VI. Kapitel. Die F ormenbeh andlung der Frührenaissance.


57


Riccardi, ehemals Medici, mit unsymmetrischer Fassade, abgestufter Rustica und prachtvoll schwerem Kranzgesimse (Fig. 9).

Brunellesco : Pal. Pitti, eine völlig regelmässige Anlage, deren einziges besonderes Prädicat die geringere Ausdehnung des obersten Stockwerkes ist; höchst majestätische Wirkung; ein Bild der höchsten Willenskraft bei Verzichtung auf allen Schmuck.

Giuliano da Majano undCronaca: Pal. Strozzi, leichter und schwung- voller mit schönstem Verhältniss der Stockwerke und einem glatten Fries unter dem berühmten Kranzgesimse.

Giuliano da Sangallo: Pal. Gondi und vielleicht Pal. Antinori u. a. m.


Fig. 10. Pal. Spannocclii zu Siena.


In Siena: angeblich von Bern. Rosellino: Pal. Nerucci.

Angeblich von Gecco di Giorgio : Pal. Piccolomini und Pal. Span- nocchi (Fig. 10).

Siena hatte bis jetzt sehr am Backstein gehangen ; diese Bauten sind die ersten grossen Steinpaläste. Anderes, wie z. B. der niedliche Pal. Bandini-Piccolomini und die kleinen Kirchen dieser Zeit, zeigt am Back- steinbau steinerne Gliederungen.

Nuancen der Rustica: Das Weglassen der verticalen Fugen ; das Glatt- bleiben des obersten Stockwerkes ; Cronaca gibt gerne bloss den Ecken die volle Rustica, den Flächen aber eine gedämpfte, oder überhaupt nur Rustica an den Ecken.

Das florentinische Kranzgesimse hatte zum Vorgänger gehabt einen



58


Erstes Buch. Architectur*


Zinnenkranz über weit vorragenden Gonsolen (so noch im XV. Jahrh. am Pal. di Venezia zu Rom Fig. 11); daher war das Auge schon an eine mächtige Bildung und starke Schattenwirkung gewöhnt. Vollendet und unübertrefflich dasjenige an Pal. Strozzi; Gronaca ahmte ein in Rom befindliches Gesimsstück in richtiger Vergrösserung nach; Vasari VIII, p. 117, s., v. di Gronaca, wo er desshalb auf das Höchste gerühmt, Baccio

d’ Agnolo aber , wegen seines


Kranzgesimses an Pal. Bartolini bitter getadelt wird ; letzteres war ebenfalls aus Rom, aber in un- richtiger Proportion entlehnt.

Neben diesen vorherrschend corinthischen, sehr kostspieligen Steinkränzen behauptet sich das vorragende Dach auf hölzernen, oft reich und schön gebildeten Sparren. Dieselben setzen fast unmittelbar über dem Mauer- abschluss, etwa über einem Eier- stab an (Pal. Antinori etc.)* Merkwürdige Nachwirkung in Stein: Die Vorhalle von S. Maria delle Grazie bei Arezzo , mit hängenden verzierten Steinplat- ten, die drei Braccien weit vor- treten; Vasari V, p. 136, s. v. di Ben. da Majano, s. o. Fig. 2, S. 46.

Durch diesen Zwiespalt kam in die Bildung aller Kranzgesimse überhaupt ein starkes Schwan- ken. Der edelzierlichen Porta S. Pietro in Perugia (§. 109) fehlen die Theile von Zahnschnitt und Eier- stab aufwärts, wahrscheinlich weil 1481 die Behörde plötzlich andere Details verlangte als die, welche der Meister, Agostino von Florenz, wollte; (Mariotti) Lettere pittoriche perugine, p* 98.


Fig. 11. Pal. di Venezia zu Rom.


§. 40.

. 3

Die R u s t i c a mit Pilasterordnungen.

Von Florenz ging dann auch der erste Versuch aus ; die Rustica- fassade durch Pilasterordnungen ; und zwar mehrere über einander, sammt ihren Gesimsen und Sockeln, auf neue Weise zu beleben. Zu völliger Reife gedieh das Motiv erst durch Rramante.


VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance. 59


Ob diess die frühsten Pilasterordnungen überhaupt sind? oder ob es etwa noch frühere an Palästen mit glatten Mauern gab?

Bern. Rosellino oder eher Bernardo di Lorenzo: Palast Pius II. in Pienza (1462), wo Rustica und Pilaster auf einen Kernbau incrustirt sein sollen; Campani vita Pii II., bei Murat. III, II, Col. 985. (In den Com- ment. Pii II., L. IX, p. 425 wird man darüber im Ungewissen gelassen.)

L. B. Alberti: Pal. Ruccellai in Florenz (etwa 1460 bis 1466); die Rustica sehr gemässigt, um die Pilaster nicht zu übertönen (Fig. 12). Der Versuch fand zunächst keine Nachfolge. §. 58.

Bram ante. von seiner oberitalischen Zeit her sehr an die Anwendung


Fig, 12. Pal. Ruccellai zu Florenz.


der Pilaster gewöhnt, gab nach 1500 in Rom an den Fassaden der Can- cellaria (Fig. 13) und des Pal. Giraud das Yollendete: Das Erdgeschoss blosse Rustica ; an den Obergeschossen die Pilaster zu zweien gruppirt und zur Rustica und zu den Fenstern auf das Feinste gestimmt; das Kranzgesimse das des ganzen Gebäudes, und doch mit den Pilastern des obersten Geschosses in völliger Harmonie ; ein Problem zu dessen Lösung einstweilen nur Bramante befähigt war.


§. 41.

Die Rustica ausserhalb Toscana’ s.

Im XY. Jahrh. tritt die Rustica ausserhalb Toscana’ s unsicher und nur wie eine florentinische Mode auf und mischt sich gerne mit fremdartigen Elementen.


Erstes Buch. Architectur.


Neapel : Pal. Golobrano 1466, mit zaghafter Zierlichkeit des Gebälkes und des Portals.

Bologna: Erdgeschoss des Pal. del Podestä 1485 mit geblümter Rustica in modum rosarum und Halbsäulen dazwischen; Bursellis, bei Murat. XXIII, Gol. 906; — Erdgeschoss des Pah Bevilacqua, mit diaman- tirter Rustica.

Ferrara: noch preciöser, Pal. de’ Diamanti 1493.

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Rom: einzelne gute und auch schon mit Pilastern versehene vorbra- mantische Bauten wie z. B. Einiges an der via del governo vecchio.

Venedig 
die

’ unglückliche Fassade von S. Michele 1466 ; das Erdgeschoss des edeln Palazzo Corner- Spinelli (Fig. 14).


Fig\ 14. Pal. Corner-Spinelli zu Venedig 1 .


!§• 42.

Venedig und die Incrustation.

So wie Florenz die Stadt der Rustica, so ist das sichere und ruhige, auf enge Pracht und daher auf kostbares Material angewiesene, selbst an Mosaik ge- wöhnte V enedig die Stadt der Incrustation.

Nachdem sich der Kirchenbau derselben


lange Zeit massig und der Profanbau (mit Ausnahme des marmornen Teppichmusters am Dogenpalast) gar nicht bedient, sondern den Backstein gezeigt batte, brachen mit einer letzten und höchsten Steigerung des Luxus alle Schleusen der Stoffverschwendung auf.

Pii II. comment. L. III, p. 148, etwa 1460: Urbs tota latericia pul- cherrimis aedificiis exornata; verum si stabit imperiurn, brevi marmorea fiet; etiam nobilium patriciorum aedes marmore undique incrustatae plurimo fulgent auro. — Die Vergoldung des Helmes am Marcusthurm hatte schon viele Tausend Ducaten gekostet.

Sabellico’s Besuch in der Bauhütte der Certosa S. Andrea, wo die Steine wahrscheinlich für die F assade fertig lagen , um 1490 : lauter in- ländische Arten aus verschiedenen Gruben am Fuss der Alpen, wetteifernd



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VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance.


63


mit dem laconischen, synnadischen, thasischen, numidischen, augusteischen Stein, auch mit demOphit; Sabellicus, de situ venetae urbis, L. III, fol. 92 (ed. Venez. 1502). Ueber diese Namen, deren richtige Anwendung der Autor verantworten mag, vgl. Ottfr. Müller, Archäologie, §. 268. Ausser- dem aber bezog man noch immer vielen Marmor von Paros und Steine verschiedener Art von andern Inseln des Archipels; Sabellicus, 1. c. fol. 86, 87 ; Sansovino, Venezia, fol. 141.

Auch Lieferungen von Incrustationen für andere Städte gingen über Venedig; so Gaye, carteggio, I, p. 176 für S. Petronio in Bologna im Jahre 1456.

Es bildete sich bei den vornehmen Venezianern eine Steinkennerschaft aus. Die sonst so kunstsinnigen venezianischen Gesandten bei Hadrian VI. (1528) kommen doch in die grösste Ecstase beim Anblick von Porphyr, Serpentin u. a. römischen Prachtsteinen ; Tommaso Gar, relazioni etc. I, p. 104, 's.

An Kenner dieser Art dachte vielleicht Serlio bei seinem Project einer mit bunten Incrustationsfragmenten zu verzierenden Loggia; L. VII, p. 106.

Im damaligen Rom ist die Incrustation an Bauten, zumal profanen, schon eine fast unerhörte Ausnahme und nur bei einem nahen päpstlichen Verwandten möglich; Lettere pittoriche I, 33 über einen incrustirten Palast- hof des Lorenzo Medici. Die Fundstücke von Porphyr, Serpentin, Giallo, Paonazetto, Breccien etc. aus den Ruinen wurden sonst bereits für den Schmuck von Altären u. dgl. aufgehoben, und Peruzzi brauchte 1532 eine Specialerlaubniss , um nur 4 Saumthierlasten von dergleichen nach Siena bringen zu dürfen, für den Hochaltar des Domes ; Milanesi III, p. 114.

Florenz hatte die Incrustation gehabt und sie überwunden; Alberti, welcher L. VI, c. 10, vgl. c. 5, die Technik angibt, hatte sie an der Fassade von S. M. novella angewandt, nur weil schon das XIII. Jahrh. unten damit begonnen hatte:

In Venedig wollte sich sogar die Vergoldung, im Innern der Paläste viel gebraucht, auch der Fassaden bemächtigen; nur ein Staatsverbot ver- hinderte es; Sabellicus, 1. c. L. II, fol. 90. Gomines fand 1494 am Dogen- palast wenigstens den Rand der Steine zollbreit vergoldet (L. VII, chap. 15, oder n. a. Zählung Charles VIII, chap. 21). Vgl. §. 162. — Flüchtige Vergoldung einzelner Bautheile bei Festen kommt auch sonst vor, z. B. an Fenstern, Consolen und Oberschwellen bei einer fürstlichen Hochzeit zu Bologna, Ende des XV. Jahrh.; Beroaldi orationes fol. 27, Nuptiae Bentivolorum; an Säulen, Simsen und Pforten des Pal. Medici in Florenz 1536 beim Empfang Carls V.; Lettere pittoriche III, 12. (Das schönste Privathaus von Ferrara war 1452 tutta mettuda, d. h. messa ad oro di ducato, doch wohl nur im Innern. Diario ferrar. , bei Murat. XXIV, Col. 199.)


64


Erstes Buch. Architectur,


An und für sich war manche Incrustation so theuer als eine ganz solide Vergoldung, und das Verbot der letztem hatte wohl nur den Zweck, den Neid gegen Venedig nicht zu steigern.

§• 48.

Verhältniss der Incrustation zu den Formen.

Die Incrustation neigt sich unvermeidlich dem Decorativen zu auf Kosten des Architectonischen. Der Styl der Frührenaissance in Venedig verdient sogar kaum noch den Namen eines Baustyles.

Es fehlte an eigentlichen Architecten, oder wenn sie vorhanden waren, so konnten sie nicht aufkommen. Auch bei der höchsten Stoffpracht hätte man edler uud kräftiger componiren können. Die Architecturen auf den Bildern Mantegna’s und seiner Schule, auch auf den Legenden- bildchen Pisanello’s in der Sacristei von S. Francesco zu Perugia stellen öfter Incrustationsbauten dar, wie sie Venedig nicht hat. — Die richtige Anwendung der Incrustation an der Certosa bei Pavia, §. 71.

Alles geht aus von der schönen, polirten Erscheinung der ein- zelnen Platte von Marmor irgend einer Farbe, von Porphyr, Serpentin etc. Sie werden symmetrisch gruppirt und mit Streifen contrastirender Farben umgeben. Der Pilaster als Ordnung fände hier keine Gunst; er dient nur als Abschluss der verzierten Massen, als Ecke, und wenn man die horizontalen Gesimse und Sockel dazurechnet, als Einrahmung. Die prachtvollen Arabesken, womit man ihn häufig anfüllt, sind dess- halb auch oft identisch mit denjenigen der Friese, das verticale Zier- motiv mit dem horizontalen. Immer erhält der Pilaster ein eigenes Rahmenprofil und oft in seiner Mitte eine runde Scheibe aus irgend einem farbigen Steine, deren Stelle auch wohl ein Relief einnimmt.

Der Ruhm der Gebäude hängt mehr von diesen Arabesken ab als von dem baulichen Gehalt; ihre Urheber werden gerne genannt, z. B. Sansovino, Venezia, fol. 86 bei Anlass der Pforte von S. Michele, deren Zierrathen von Ambrogio da Urbino hei rührten.

Als Tullio Lombardo seine Friese (für welchen Bau wird nicht ge- sagt) in Treviso vollendet hatte, wurden sie im Triumph durch die Stadt geführt; Pompon. Gauricus de sculptura, bei Jac. Gronov. thesaur. graecc. antiqq. Tom. IX, Gol. 773.

Der Styl dieser Arabesken ist von der Decoration höchsten Ranges entlehnt. Oft geht unter dem Fries noch ein zweites, ebenfalls verziertes

Band hin. V




65


VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance.

Die eigentliche Gesimsbildung bleibt vernachlässigt, wie Alles, was nicht zur Pracht gehört. Zwischen Pilastern oberer und unterer Stock- werke ist kein Unterschied.

Die einzelnen Gebäude: S. Zaccaria (Fig. 15), S. M. de’ Miracoli (Fig. 16), S. Giovanni Grisostomo u. a. Kirchen desselben Typus; die Paläste Trevisan, Malipiero, Manzoni-Angarani , Dario, Corner-Spinelli (Fig. 14), Grimani a San Polo u. a. ; die altern Scuole. Die Paläste werden gerettet durch die Schönheit des aus der gothischen Zeit ererbten Compositions- motives (§. 21, 94). Wo dieses nicht vorhält, wie z. B. im Hof des Dogen- palastes, zeigt sich der Prachtsinn in seiner vollen Rathlosigkeit. Der einzige Palast mit ernsterer Durchführung der antiken Ordnungen, und zwar zum Theil in Halbsäulen , lässt bei allem Luxus und Geschmack die florentinische Schule schmerzlich ent- behren: Pal. Vendramin-Calergi , 1481 von Pietro Lombardo.

An den Fronten der Kirchen (S. Zac- caria) und der Scuole (bes. Scuola di S. Marco, Fig. 17) wird unbedenklich der ganze Vorrath von Incrustationen,

Pilastern u. a. Zierformen im Dienst von kindlich spielenden Gompositionen aufgebraucht ; halbrunde oder sonst ge- schwungene Mauerabschlüsse, bisweilen prächtig durchbrochen als Freibogen.

An der Scuola di S. Rocco (1517) wurde das neue Motiv freivortretender Säulen aufgegriffen (§. 37) und dieselben gleich mit Blumen umwunden. (Vgl. Abbildung zu §. 87.)

Wo wäre die moderne Baukunst geblieben, wenn sie dem veneziani- schen Kunstschreinergeist und Juweliergeist dauernd in die Hände gefallen wäre? Wie sehr würde man in Venedig selbst die Bauten des Floren- tiners Jacopo Sansovino und seiner Schule vermissen, durch welche erst die ausgebildete Hochrenaissance sich hier Bahn brach.

§• 44 .

Oberitalien und der Backsteinbau.

Der Backstein hat seit Anbeginn aller Kunst wohl nie selbständig seine eigenen Formen geschaffen. Seit Aegypten fiii Steinbalken über Steinpfeilern eine bestimmte Ausdrucksweise hervorbi achte ^ gab der

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Anti. o



Fig. 15. S. Zaccaria in Venedig.




66 Erstes Buch, Architectur.

Steinbau im Ganzen überhaupt die Formen an. Der Backstein, durch jene uralten Präcedentien befangen und Jahrtausende hindurch als


blosser Ersatz des Steines gebraucht und nach Kräften verhehlt, spricht auch in den wenigen römischen Beispielen, wo er zu Tage tritt, die Formen des Steines nach.





VI, Kapitel, Die Formenbehandlung der Frührenaissance.


67


Rom wendet den Backstein bei seinen riesigsten Bauten wie bei seinen Pi ivathäusern (Pompeji) an, aber dort mit einer marmornen , hier mit einer Stucco-Hülle. Monumental behandelt und offen zugestanden findet man ihn fast nur am Amphitheatrum Gastrense (§. 38), an dem Denkmal beim Tavolato und am sog. Tempio del Dio ridicolo bei Rom. An diesen beiden Grabmälern sind die reichern classischen Formen auf eine so kost- spielige Weise hervorgebracht, dass man annehmen darf, der Backstein sei vorgezogen worden, nur um künftige Grabschänder ' durch Un werth des Stoffes abzuhalten. Die bei Vitruv und Pausamas erwähnten Back- steinbauten waren theils erweislich, theils wahrscheinlich mit Mörtel oder mit Incrustation bedeckt, und selbst am Philippeion (Pausan. V, 20, s.) möchten wenigstens die Gliederungen von Stein gewesen sein.


Vielleicht den höchsten Grad von relativer Unabhängigkeit erreichte zur gothischen Zeit der Backsteinbau in Oberitalien, sowohl südlich vom Po (Via Aemilia von Piacenza bis Ancona), als auch im Mailändischen und Vene- zianischen, obwohl hier mit stärkerer Zuthat steinerner Gliederungen.


Man begann wohl anfänglich mit Backstein, weil der Stein theuer war, fuhr aber dann mit eigener Lust und in hoher Vollendung der Technik fort.

Der Verpflichtung auf Spitzthürmchen,

Giebel und Strebebogen so viel als ledig, gestaltete man Fenster , Gesimse und Fig. 17. Scuola di s. Marco zu Venedig. Portale im Geist des Stoffes auf das

Prachtvollste um. Der Steinbau entlehnte jetzt sogar Formen vom Back- steinbau (so einige Details an der Marmorfassade des Domes von Monza).

Das stolze Vorurtheil für diese Prachtformen war stark genug, um das Eindringen der Renaissance zu verzögern und selbst einen Filarete (§. 22, 31), trotz seinem Fluch über das Gothische, am Ospedal maggiore zu Mailand zu spitzbogigen Fenstern zu nöthigen; er füllte wenigstens das Detail desselben mit seinem geschmackvollen Renaissancezierrath an. Dasselbe that er oder ein ungenannter Nachfolger an einem höchst zier- lichen Privatpalast, der im vorigen Jahrhundert demolirt wurde, aber in einer Abbildung bei Verri, Storia di Milano, weiterlebt.




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Erstes Buch. Architectur.


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§. 45 .

Die Backsteinfassade.

Allein auch die Renaissance wird in diesen Gegenden und in diesem Stoffe mit einem freien Sinn auf höchst eigentümliche Weise gehandhabt, so dass das Auge von dem, was sie hier nicht gibt, nichts vermisst. Dem grossen Reichthum an Compositionsgedanken entspricht

ein feiner und heiterer Schön- heitssinn im Einzelnen.

Man muss sich hier immer von Neuem sagen, dass ohne die grossen Florentiner auch die Bolognesen und Lombarden doch nicht aus ihrer zwar reichen, aber schon zweifelhaft gewordenen Gothik herausge- kommen wären.

An den Palastfassaden war eine Einschränkung der antiken Formen schon vorgeschrieben durch die notwendig zarte, aus kleinen Theilen bestehende Ge- simsbildung. Auf Pilaster, deren Grösse sich doch hätte nach der Höhe der Stockwerke richten müssen, verzichtete man gerne (Fig. 18).

Ueberhaupt wäre jede strengere antiquarische Logik hier vom Uebel gewesen.

Bei den Palästen von Bo- logna gehören die Erdgeschosse zu den fortlaufenden Strassenhallen ; für ihre backsteinernen Säulen mit den reichen, fröhlichen Sandsteincapitälen irgend eine bestimmte dorische oder corinthische Proportion zu verlangen, wäre Thorheit, schon das Auge würde bei der Grösse der Intervalle durch eine zu schlanke Bildung nur beunruhigt werden.

(Man musste ohnehin solche Backsteinsäulen später oft zu Pfeilern verstärken; Serlio L. VII, p. 156 beschreibt das Verfahren. Wo die Mittel reichten , ersetzte man sie auch wohl im Laufe der Zeit durch Marmor-


Fig. 18 . Pal. Fava in Bologna, Fassade. (Nohl.)



VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance.


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Säulen, so 1495 in einem Klosterhof zu Ferrara; Diario ferrar. bei Murat. XXIV, Gol. 314.)

Die Archivolten der Bogen sind reich, aber nicht sonderlich antik pro- filirt (Fig. 19) ; über einem Sims folgen die (im Backstein sehr vorherrschend) rundbogigen Prachtfenster mit ihrem Palmettenschmuck oben und auf den Seiten; über einem zweiten Sims in der Regel ein Fries mit kleinen Fenstern und dann das Kranzgesimse aus lauter kleinen und dichtstehen- den Gonsolen.

So ist über eine meist glücklich eingetheilte Fassade an den gehörigen Stellen und mit weiser Oeconomie ein gleichartiger Reichthum von Zier-


Fig 1 . 19 . Palast zu Bologna. (Nohl.)


formen ausgebreitet, alles innerhalb Eines liebevoll behandelten monumen- talen Stoffes.

Pilasterordnungen würden hier einen unerträglichen Zwiespalt zwischen den untern Hallen und dem Kranzgesims hervorgerufen haben. Wo sie, unter besondern Umständen, doch Vorkommen, da meint der Stadtchronist zum Jahre 1496 (Murat. XXIII, Gol. 913), das sei more romano gebaut.

Graziös und reich, aber sehr unharmonisch durch Pilaster und andern Schmuck: Pal. Roverella in Ferrara.


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Erstes Buch. Architectur.


§. 46.

Backstein höfe und Kirchenfassaden.

In den Höfen der Paläste und Klöster sind die Formen meist architectonisch reicher, auch wohl mit eigentlicher Decöration gemischt, die Säulen fast immer von Stein.

Die zwei berühmten Back- steinhöfe der Certosa bei Pavia (Fig. 20) mit Medaillons und vor- tretenden Statuen und kräftigstem Reichthum aller Zierformen.

In Mailand nicht sowohl die Höfe der öffentlichen Gebäude (Broletto, ältere Höfe des Ospedal maggiore) und der Klöster des XY. Jahrh. wichtig als vielmehr diejenigen einiger Privatpaläste, z. B. Casa Frigerio bei S. Sepolcro; über der Säulenhalle die Backstein- bogen mit Medaillons dazwischen; die Fenster, obwohl Backstein, doch bisweilen schon geradlinig geschlossen ; Simse und Kranz- gesimse sehr schön zum Ganzen componirt.

In Pavia: ein herrlicher, nur theilweise erhaltener Palasthof gegenüber vom Garmine.

In Bologna: über der Hof- halle statt des geschlossenen Stock- werkes gerne eine Oberhalle von doppelter Säulenzahl (Fig. 21 und 22).

Das edelste • und zierlichste Beispiel : der Hof von Pal. Bevilacqua (§. 41), nach meiner Vermuthung von Gaspero 'Nadi, welcher 1483 das Motiv des Erdgeschosses fast genau wiederholte an der Halle bei S. Gia- como. Von Klosterhöfen : der bei S. Martino maggiore.

In Ferrara: Fragment des Hofbaues an Pal. della Scrofa.

Die Pilasterordnungen wurden einstweilen für die Kirchen ver- spart, hier aber nicht selten von Stein aufgesetzt.


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Fig. 20. Aus dem Hofe der Certosa bei Pavia.


VI. Kapitel Die Formenbehandlung der Frührenaissance.


71


Ueber die Composition der Kirchenfassaden §. 70. Bramante in den ihm zugeschriebenen mailändischen Bauten schwankt: am Aeussern von S. Satiro die schöne und ziemlich strenge corintjiische Pilasterordnung rein in Back- stein (?) ; am Chorbau alle Grazie (Fig. 23) sind Pilaster,

Wandcandelaber , Gesimse und Medaillons von Stein aufgesetzt ; am Vorhof von S. Maria presso S. Celso, einer classisch reinen Back- steinhalle, die Halbsäulen doch von Stein, ihre Gapitäle von , Erz.

Durchgeführte ganze Kir- chenbauten in reichern Back- steinformen : die Karthause S.Cristoforo zuFerrara(Lübke,

Gesch. der Architectur, V. Aufl.

Bd. II, S. 696, f.), die phan- tastisch zierliche Rundkirche S. Maria della Groce zu Grema (ibid. S. 690 bis 692) etc.


§. 47.

Die Formen des Innern.


Fig*. 21. Hof im Pal. Fava zu Bologna. (Nohl.)


Von dem Innern antiker Gebäude war ; als die Studien der Florentiner begannen, zwar sehr viel mehr als jetzt, doch ausser dem Pantheon kaum mehr ein unverletztes Beispiel erhalten, und ohnehin war die antike Innenbaukunst wesentlich eine nach innen gewandte Aussen- baukunst gewesen. Den einzigen sehr wesent- lichen Einfluss mussten jetzt die antiken Gewölbe üben.

Vgl. Cultur d. Renaiss. III. Aufl. S. 225 und f.*

236 über die Erhaltung der Thermen.

Für Gesims- und Pilasterbildung des Innern, für Wandeintheilung u. dd. war das Pantheon in seinem damaligen Bestände bei Weitem die




Architectur.


Haupturkunde. Für die Tonnengewölbe kam die bessere Erhaltung des Venus- und Romatempels in Betracht,

Die grösste constructive Aufgabe nimmt Brunellesco mit seiner floren- tinischen Domkuppel gleich vorweg ; neben dieser scheint alles Andere leicht und kommt nur als theurere oder wohlfeilere, dauerhaftere oder flüchtigere Praxis in Frage. (Ueber den Bau der Kuppel ist ausser Vasari



Fig. 23. S. Maria delle Grazie zu Mailand.

zu beachten die vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 151 bis 182, vielleicht ein modernes Werk, aber stellenweise auf altern Quellen beruhend; laut p. 162 und 164 war das Zwischenstockwerk mit den Rundfenstern schon vor B.’s Anstellung vorhanden.)

Frühste schriftliche Theorie des Wölbens überhaupt bei L. B. Alberti, de re aedificatoria, L. III, c. 14, vgl. V, c. 18 und VII, c. 11, nach den Categorien: fornix (Tonnengewölbe), camera (Kreuzgewölbe) und recta



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VI. Kapitel. Die Formenbehandlung der Frührenaissance. 73

sphaerica, seil, testudo (Kuppel) ; er verlangt das Wölben für die Kirchen wegen der dignitas und Dauer, und auch für die Erdgeschosse der Paläste.

§. 48 .

Die Gewölbe der Frührenaissance.

Das Erste und Bezeichnendste ist der Widerwille der Renaissance gegen das Kreuzgewölbe, dessen wesentlichster Yortheil jetzt allerdings wegfiel, da oblonge Räume, für deren harmonische Bedeckung es so wesentlich ist, entweder nicht mehr gebildet oder mit andern Gewölben bedeckt wurden.

Das Gothische des Nordens hatte seine eigenthümlichste Schönheit in oblongen Raum-Eintheilungen entwickelt. Vielleicht ist das oblonge Kreuzgewölbe an sich schöner als das quadratische.

Nun braucht man das Kreuzgewölbe fortwährend, aber verhehlt. Der einzige Florentiner, der es in seinen meisten Kirchen offen anwendet, Baccio Pintelli (§. 76, 77), geräth damit in Nachtheil gegen die Gothik, schon weil er das kräftig sprechende Gurtwerk entbehrt.

Der letzte, welcher mit Gurtwerk und mit oblongen quer über ein Kirchenschiff laufenden Kreuzgewölben eine leichte und edle Wirkung erzielt, ist Dolcebuono, in Monastero maggiore zu Mailand, um 1500, vgl. §. 23, 76.

Echte Kreuzgewölbe derselben Zeit (?) auch noch in Appartamento Borgia, Vatican.

Der eigentliche Lebensausdruck des gothiseben Gewölbes waren die aus den Pfeilern emporsteigenden Gurte und Rippen, zwischen welchen die Kappen nur als leichte Füllungen eingespannt wurden. Für die Renaissance dagegen, welche über den Stützen ein antikes Gebälk herrschen lässt und überhaupt alle schwebenden Theile durch starke Horizontalen von ihren Trägern trennt, ist das Gewölbe eine deckende Masse. Der strengere Detail- Ausdruck derselben ist die römische Cassette; den reichern Ausdruck übernimmt eine rasch und hoch entwickelte decorative Kunst (§. 171).

Letztere ist eine besondere Todfeindin des Kreuzgewölbes in seiner strengem F orm ; dagegen kann sie sich in das verhehlte , in der Mitte zur sphärischen Fläche ausgebildete, sehr gut schicken.

Die Gassetten jeder Art, auch die sich concentrisch verjüngenden, rechnete Alberti (1. c. L. VII, c. 11) auf dem Papier aus, selbst für sechs- seitige und achtseitige Räume, und ermittelte deren Ausführung in Ziegeln und Stucco. — Vgl. §. 173.


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Erstes Buch. Architectur.


Seine Cassetten in der Bogenleibung der Thür von S. M. novella vielleicht die frühsten der modernen Kunst? — Die Darstellung der Cas- setten in Stucco scheint dann Bramante besonders vervollkommnet zu haben; Yasari VII, p. 136, 139, v. di Bramante. — Statt aller Gurten und Rippen jetzt bald nur Ränder, oft abgestumpft und mit Festons bemalt.


Fig. 24. Capella Pazzi zu Florenz. (J. Stadler.)


Indess hat die Frührenaissance, die Kreuzgewölbe abgerechnet, noch durchgängig die constructive Form des Gewölbes zu Tage treten lassen.

Vorherrschende Formen: Das Tonnengewölbe von halbrundem oder elliptischem Durchschnitt, hie und da bereits mit einschneidenden Kappen ' von beiden Seiten ;

Das kuppelichte, sog. böhmische Gewölbe, ebenfalls wohl mit ein- schneidenden Kappen ;

Die Reihenfolge von flächern oder hohem Kuppeln oder kuppelichten Gewölben ;


Vlh Kapitel. Die Formenbehandlung des XVf. Jahrhunderts. 75

Das Tonnengewölbe, in seiner Mitte durch Eine Kuppel unterbrochen; ungemein schön im Kleinen, z. B. (Fig. 24) an den Vorhallen der Gap. de Pazzi in Florenz (Brunellesco) und der Umiltä in Pistoja (Vitoni) ; grösser im Hauptschiff einzelner oberitalischer Kirchen (§. 74).

(Das Tonnengewölbe in Oberitalien schon zur romanischen Zeit heimisch: S. Babila, S. Gelso, d. h. die alte Kirche, S. Sepolcro, sämmt- lich zu Mailand, Anderes a. a. 0.)

Cupoletten verschiedener Art, auch backofen förmige sog. Klostergewölbe.

Eigentümlich eine Anzahl kleinerer Kuppeln des XV. Jahrh. in der Art stark aufgewehter Begenschirme , oder an die Muschelgewölbe goti- scher Chöre erinnernd, mit kleinen Rundfenstern ringsum.

Die wesentlichen Detailformen des modernen Kuppelbaues (Pfeiler- gesimse, Profile der Hauptbogen, Pendentifs, Kranzgesimse über den Haupt- bogen, Einteilung oder Gliederung des Gylinders, oberes Gesimse desselben, Gliederung der Kuppel) schon jetzt bei den Toscanern ausgebildet, vgl. Madonna delle Carceri in Prato ; für die Lanterna war bereits auf der Domkuppel von Florenz im XV. Jahrh. ein Vorbild aufgestellt.

Dagegen bleiben die übrigen Aussenformen der Kuppel noch sehr inconstant, vgl. §. 63 bis 65.


VII. Kapitel.

Die F ormenbehandlung des XVI. Jahrhunderts.


§• 49.

Vereinfachung des Details.

Mit dem Eintritt des XVI. Jahrh. vereinfacht und verstärkt sich das bauliche Detail. Es war ein. neuer Sieg des florentinischen Kunst- geistes über das übrige Italien.

Das aussertoscanische Italien der Frührenaissance war mehr von den ornamentalen Arbeiten der Florentiner als von der einfachen Grösse ihrer Bauten berührt worden ; jetzt erst siegt , nicht die Einzelform , sondern der Geist , eines Pal. Pitti, Pal. Gondi, Pal. Strozzi (§. 39) überall. Bra- mante (1444 bis 1514), von welchem nun das Meiste abhing, war aller- dings ein Urbinate und die grosse Veränderung, die um 1500 in ihm


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Erstes Bach, Arehitectur.


vorging, wird bei Vasari mit seinen Vermessungen in Rom (§.27) u. a. a. 0. in Verbindung gebracht, allein diess schliesst die unvermeidliche Einwir- kung der florentinischen Bauten auf ihn nicht aus.

Das gesteigerte Studium des Vitruv (§. 28) ist von dieser neuen Richtung theils Wirkung theils Ursache, je nach dem einzelnen Fall.

Die Vereinfachung der Form wurde theils aus bestimmten Römer- bauten ; theils aus allgemeinen Gesicht spuncten gerechtfertigt. Damit war untrennbar verbunden ein stärkeres plastisches Hervortreten, um sich an den zum Theil gewaltigen neuen Bauten vernehmbar zu machen, vermöge des stärkern Schattenschlages.

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Serlio , architettura , L. III, fol. 104, vgl. L. VII, fol. 120, 126. Er beruft sich auf das Colosseum, auf den Bogen von Ancona und selbst auf das Pantheon, dessen corinthische Ordnung nur sehr weniges, aber wohlvertheiltes Detail habe, und polemisirt gegen die »dem Geschmack der Menge huldigenden« Baumeister, welche die ornamentalen Glieder vollständig nach den reichern Beispielen gäben. Durch das viele »Ge- meisselte« (intagli) würden die Fassaden nur verwirrt und affectirt.

In der That gab man die vegetabilische Ausdeutung, welche die reichere antike Baukunst ihren Profilen verliehen (Blattreihen, Perlstab etc.) und welche schon die Frührenaissance nur sehr ungleich (und vielleicht nur am Triumphbogen des Alfons im Castello nuovo zu Neapel, §. 109, vollständig) angewandt hatte, jetzt völlig Preis und beschränkte auch die Capitälformen auf das Nothwendige. (Das Canneliren, vgl. §. 35.) Ja man fand den Reichthum, auch wo man ihn ausdrücklich suchte (haupt- sächlich im Innern), doch nicht in den reichern römischen Formen, son- dern in gemalten Füllungen, stucchirten Pilastern, am Aeussern in Guir- landen , Masken, Bandwerk u. dgl. an Fenstern und Thüren. Selbst an kleinern Zierarbeiten (Grabmälern, Altären) mochte man dann nicht mehr auf die entsprechenden vollständigen römischen Prachtformen zurückgehen. Der Barockstyl fand endlich jenen Rückweg vollends nicht mehr und ver- vielfachte lieber seine Gliederungen, als dass er sie in jener ganz erlaubten Weise bereichert hätte.

§. 50 .

Detailproben und Einwirkung der Festdecoration.

Auf jede Weise suchte man sich des wahrhaft Wirksamen zu versichern. .Ausser den Rrobemodellen einzelner Bautheile m wnklicher oder nicht viel geringerer Grösse war auch die bauliche Decoiation bei Festen jetzt eine sehr wichtige Quelle der Belehrung.


VII, Kapitel. Die Formenbehandlung des XVI. Jahrhunderts, 77

Michelangelo’s 6 Braccien hohes Modell einer Ecke des Kranzgesimses für Pal. Farnese; Vasari XII, p. 231, v. di Michelangelo. Auch Fenster, Säulen, Bogen etc. modellirte er seinen Bauführern und Steinmetzen gerne aus Thon vor, ohne Zweifel in einiger Grösse; Lettere pittoriche I, 15, Benv. Cellini al Varchi 1546. Seine Gebäude scheinen dieses Verfahren durch eigenen Formenausdruck zu verrathen.

Die wichtigste Seite der Festdecoration lag darin , dass man sich in Holz, Gyps und Carton rasche Rechenschaft von dem gab, was auch in Stein und in demselben Massstab wirken könne. Vgl. §. 189.

Sichtbar ist aus derselben in die Architectur herübergenommen u. a. der sog. Gartoccio , ein versteinertes geschwungenes , auch wohl ver- schlungenes Band oder Blatt von Garton. Vgl. Serlio, L, VII, p. 78, s. und Lomazzo, trattato dell’ arte, L. VI, p. 421, wo die namhaften Arbeiter des XVI. Jahrh. für Gartocci, Guirlanden, Masken etc. aufgezählt sind.

Mit dem Werth der Festdecoration als Bauprobe hängt dann auch zu- sammen, dass man sie bald mit mehr als gebührlicher Strenge architecto- nisirte und ihre Freiheit nicht auf die wahre Weise achtete, vgl. §. 56 u. 190.

§. 51.

Verstärkung der Formen.

Zu den neuen Wirkungsmitteln des XVI. Jahrh. gehört die Nische an den Fassaden sowohl als an Pfeilern und Mauermassen des Innern, und die kräftigere Einfassung von Fenstern und Thüren mit Pilastern, Halbsäulen, vortretenden Säulen und Giebeln, letztere im stumpfen Winkel oder im Kreissegment.

Hier ist nicht von der Nische als wesentlichem Theil eines Grund- plans die Rede, also nicht von Apsiden, auch nicht von jenen Nischen- oder Gapellenreihen, in welche bisweilen die ganze Langwand einer Kirche aufgelöst wird (§. 74, 76), sondern von der Nische für das Auge. Sie wechselt fortan gerne an Palastfassaden mit den Fenstern ab, gleichviel ob ihr eine Statue gegönnt sei oder nicht. Wie die stärkere Plastik der vortretenden Theile, so wirkt sie zurücktretend; ihr Schatten ist wie der aller Rundflächen der schönste.

An den Kirchenfassaden des XV. Jahrh. standen die Statuen auf Gonsolen vor den sehr flachen Nischen (Certosa von Pavia, §. 71), oder unter Tabernakeln mit Flachnischen (S. Bernardino zu Perugia Fig. 25); im XVI. Jahrh. erhalten sie die halbcylindrische, vollständige Nische.

Im Innern der Kirchen, an geraden wie an cylindrischen Mauerflächen, ergab sich die Anlage von Nischen von selbst, um der Erweiterung des Raumes und der Materialersparniss willen wie zur Aufnahme von Statuen und Altären. Wo die Pfeiler des Schiffes mit zwei Pilastern bekleidet


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Erstes Buch. Architectur.


werden, kommen zwischen die letztem eine oder auch zwei Nischen über- einander. Die frühste vollständige Durchführung des Nischenwesens bei Bramanlc (Tempietto von S. Pietro in Montorio, Plan von S. Peter) und bei Rafael (Langhausplan von S. Peter; vgl. §. 66)


Fig. 25. S. Bernardino zu Perugia. (Nohl.)


Die Fenster des XV. Jahrh. (über deren Verhältnisse nach Alberti’s Lehre vgl. §. 89), meist rundbogig, hatten nur ihr ringsumgehendes Profil, welches z. B. im Backsteinbau sehr reich sein konnte ; dazu als Schmuck die Palmetten (§. 45).

Die rechtwinkligen Fenster, im XV. Jahrhundert noch Ausnahmen, bekamen mehrmals noch Steinkreuze (Hof im Palast Pius II. in Pienza;



VII. Kapitel. Die Formenbehandlung des XVI. Jahrhunderts. 79

Palazzo di Venezia zu Rom); in solchen Fällen hatte sich dann zaghaft und wenig bemerklich an den Pfosten der Pilaster gemeldet, hie und da mit Arabesken ausgefüllt.

Dagegen waren die wichtigem Thören an Kirchen und weltlichen Gebäuden, nach innen sowohl als nach aussen, an ihren Pfosten schon regelmässig mit Pilastern bekleidet worden, welchen man reiche Füllungen mit Arabesken, auch wohl sehr sorgfältige Canneluren und bisweilen ein kostbares Material (Paonazetto u. dgl.) gönnte.

Ueber die Ordnungen solcher Pilaster: Alberti de arte aedif., L. IX, c. 3: fenestras ornabis opere corinthio, primarium ostium ionico, fores tricliniorum et cellarum et eiusmodi dorico , was im XV. Jahrh. nur von

Pilastern zu verstehen ist. (Nach der Vorschrift richtete sich kaum Je- mand.)

Die schönsten damaligen Pforten von Rom: an der Kirche S. Marco beim Pal. di Venezia, und vor Allem am Hospital S. Spirito, mit canne- lirten Pilastern.

Ausser aller Linie stehen die 4 höchst prachtvollen Fenster der Fassade der Certosa von Pavia; eigentlich als Pforten gedacht; ihre Pfosten und Oberschwellen antiken Thüreinfassungen nachgebildet; über dem reichen Fries und Gesims die Giebel in Gestalt von Voluten mit Figuren u. a. Schmuck; innerhalb der Pfosten, als Stützen der eingesetzten je 2 Bogen die berühmten marmornen Gandelaber.

(Die frei und ziemlich weit vortretenden Säulen neben dem Haupt- portal der Certosa, neben demjenigen von S. Maria delle Grazie zu Mai- land etc. sind eine oberitalische Tradition des Mittelalters, §. 37.)

Ueber der Oberschwelle der Thür folgte die altgewohnte Lünette, wie sie sich aus dem Entlastungsbogen schon seit Römerzeiten entwickelt hatte, ausgefüllt durch Sculptur oder Malerei; bereits nicht immer ein volles Halbrund, sondern gedrückt, mit Palmetten an den Enden und über der Mitte.

Und indem man dem gothischen Spitzgiebel eilig den Abschied gab, trat an Kirchen und andern geistlichen Gebäuden des XV. Jahrh. auch schon der niedrige antike Giebel an die Stelle der Lünette. (Als frühster Thürgiebel der Renaissance gilt derjenige im Noviziat von S. Groce in Florenz; Vasari III, p. 279, v. di Michelozzo; — Flachgiebel über Fenstern oder Fassadennischen z. B. an der Fassade des Domes von Pienza.)

Diesem Allem gegenüber sind Folgendes die Neuerungen der Hoch- renaissance : .

Das Rundbogenfenster weicht im Ganzen dem rechtwinkligen, und wo es sich behauptet , erhält es doch eine rechtwinklige Einfassung (Bramante, Cancelleria).

Aus dem rechtwinkligen Fenster verschwindet das Steinkreuz; unter



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Erstes Buch. Architectur.


dem kenntlichen Einfluss der Altartabernakel im Innern des Pantheon wird das Fenster zu einer ernsten, mächtigen Erscheinung; die Pfosten erhalten regelmässig Pilaster oder Halbsäulen, ja vortretende Säulen ; jetzt erst wird auch die Fensterbank ausgebildet; in den Fensterfriesen be- haupten sich die (schon früher vorgekommenen) Inschriften.

An den Thürpfosten der Kirchen sowohl als der Paläste weicht die reiche Decoration einer Ausdrucksweise, welche auf das Einfach-Mächtige


Fig. 26 . Pal. Bartolini zu Florenz.


gerichtet ist; statt der Zierrathen sind jetzt die Profile das Sprechende; häufig vortretende Säulen oder Halbsäulen namentlich dorischer Ordnung; als classisch geltende Beispiele: Vasari VIII, p. 171, v. di A. Sansovino; — ib. p. 224, v. di Peruzzi; — IX, p. 205, v. di Fra Giocondo. (Dem angeblichen Entwurf Bramante’s für die Pforte seiner Cancellaria, bei Letarouilly III, Tab. 351, kann ich nicht recht trauen.)

Sodann wird jetzt der Giebel nicht mehr den geistlichen Gebäuden Vorbehalten, sondern auch auf Fenstern und Thüren der Paläste ange- bracht. Als Baccio d’Agnolo diess an Pal. Bartolini in Florenz (Fig. 26)





VII. Kapitel. Die Formenbehandlung des XVI. Jahrhunderts. 81

bald nach 1500 zum erstenmal versuchte, gab es Spottsonnette und man hängte Laubgewinde daran wie an Kirchenpforten bei hohen Festen; Vasari IX, p. 225, v. di Baccio d’Agnolo. Bald aber wurde es allgemeine Sitte, wobei man zwischen dem stumpfen Winkel und dem Kreissegmente ab wechselte. Auf das mittlere Fenster von dreien oder fünfen kommt bald der stumpfe Winkel, bald das Kreissegment; für Beides stehen sich die Autoritäten ziemlich gleich.

§. 52 .

Die dorische und falschetruskische Ordnung.

Mit der jetzt herrschenden Neigung zur Vereinfachung der Formen kam endlich auch die dorische Ordnung zu ihrem Rechte ; allerdings in nachtheiliger Vermischung sowohl als Concurrenz mit einer ver- meintlichen toscanischen.

Die echte griechisch-dorische kannte man nicht und hätte sie schwer- lich zu brauchen verstanden, §. 25.

Schon die Römer hatten eine Umgestaltung derselben nicht entbehren können, zumal als sie das Dorische als Bekleidungsordnung ihrer grossen Bogenbauten brauchten. Hauptbeispiel: das Erdgeschoss des Marcellus- theaters.

» ...

Schon ihnen war dabei auch das Vorhandensein einer etruskischen

Ordnung verhängnisvoll geworden, welche einst wohl unter Einfluss der griechisch-dorischen entstanden war, und nun die römisch-dorische mit ihrem unschönen Gebälk und Säulenhals, uncannelirtem Schaft und eigener Basis gleichsam ansteckte, daneben auch selber noch für sacrale Zwecke fortdauerte.

Das XVI. Jahrh. nahm nicht nur die römisch-dorische wieder an, sondern restaurirte auch (z. B. Serlio) nach dem Recept Vitruv’s (IV, 7) die etruskische als ordine toscano, was den Florentinern angenehm klingen mochte. Das hölzerne Gebälk mit seinen peinlichen primitiven Formen blieb weg ; vielmehr sieht der ordine toscano dem römisch-dorischen ähnlich; nur schwerer und ohne Triglyphen, Metopen und Mutuli; beliebt an rusticirten Erd- und Sockelgeschossen, Festungsbauten u. dgl. ; im Bewusstsein der Künstler selbst nie rein vom Dorischen ausgeschieden.

§. 53.

Das Dorische bei Bramante und Sansovino.

Vereinzelte frühere Anwendungen abgerechnet; hat vor Allen Bramante die dorische Ordnung als Werkzeug der hohen Strenge

B u r c k h a r d t, Italien. Renaissance. Zweite Aufi. 0


Erstes Buch. Architectur,


seiner letzten Jahre mit Vorliebe gebraucht und die grössten seiner Kunstgenossen mit sich gezogen.

Die dorische Pilasterordnung am Erdgeschoss von Alberti’s Pal. Ruc- cellai zu Florenz, seit 1460, §. 40.

Giuliano und der ältere Antonio Sangallo, welchen Yasari VII, p. 228 besondere Verdienste um die dorische Ordnung zuschreibt, mögen bei

ihren Festungsbauten sich damit befreundet haben. Antonio’s Kirche zu Monte- pulciano aber, mit sehr ei- gentümlicher Behandlung des Dorischen, ist erst 1518 begonnen, ibid. p. 226, Nota.

Bramante : die dori-

schen Pilaster des Erdge- schosses im grossen vati- canischen Hauptbau (seit 1503); —

die beiden untern Säulen Ordnungen um den Hof der Cancelleria (§. 97); darüber ein geschlossenes Obergeschoss mit corinthi- schen Pilastern ; —

der runde Tempietto bei S. Pietro in Montorio (§. 66), der eleganteste Zier- bau ohne ein Laub von Vegetation, die Rosetten in den Gassetten des Umgangs ausgenommen (Fig. 27); — in der Gonsolazione zu Todi (§. 66) sind die vier mächtigen Hauptpfeiler unter der Kuppel als dorische Pilaster gestaltet, als Ausdruck der Stärke, wahrscheinlich aber noch mehr, weil Bramante zuerst die Unschön- heit corinthischer Pilaster capitäle des betreffenden grossen Massstabes fühlte. (Man vergleiche S. Giustina in Padua, S. M. di Carignano in Genua, ja schon das Pantheon; die grosse Blätterfläche durchlöchert gleichsam jede Gomposition.) Oder ahnte er sogar, dass bei einer gewissen Grösse jede ursprüngliche Verpflichtung des Pilasters auf bestimmte Ord- nungen erlischt? war er auf dem Wege zu einer ächten und zwar auf


Fig. 27. Rom. Tempietto bei S. Pietro in Montorio.










VII. Kapitel. Die Formenbehandlung des XVI. Jahrhunderts. 35

den Gewölbebau berechneten Ante? Jedenfalls wird durch ihn das Dorische auf längere Zeit die Pilasterordnung im vorzugsweisen Sinne.

Peruzzi’s dorische Pilaster 1509 an beiden Stockwerken der Farnesina.

Giulio Romano bringt über einem Hauptstockwerk mit dorischen Pilastern bereits ein Obergeschoss, welches in einfach umrahmte quadra- j tische Flächen getheilt ist.

Bei der §. 51 erwähnten Ausstattung der Portale wurde die dorische Ordnung jetzt mit Vorliebe angewandt.

Seit 1536 erbaute Jacopo Sansovino zu Venedig die Biblioteca, das prächtigste profane Werk des modernen Europa (Fig. 28), als wahre Exhibition der ionischen und besonders der dorischen Ordnung.

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Das Motiv ist bekanntlich eine Doppelhalle von Bogenpfeilern mit Halbsäulen; in der obern Halle ruht der Bogen auf einer besondern kleinern cannelirten ionischen Ordnung. Die Venezianer wollten sich endlich an der echten römischen Formenbildung ersättigen, nachdem sie bis dahin eine Renaissance mehr auf Hörensagen gehabt.

Die Wirkung ist so schön , dass Sansovino auch für gewisse Frei- heiten Recht behält, z. B. für die Vergrösserung der Metopen auf Kosten des Durchmessers der Triglyphen und des Architravs.

Der berühmte Streit über die Ecke §. 29. Sansovino traf das einzig Richtige. Die feinem Freiheiten des echten Griechisch-Dorischen — gleich- viel ob sie optischen oder constructiven Ursprunges seien — wozu auch das Vorrücken der letzten Triglyphe auf die Ecke gehört, finden auf eine blosse Bekleidungsordnung, die ihrer Pfeilerhalle gehorchen muss, gar keine Anwendung; hier gehört die Triglyphe auf die Mitte ihrer Stütze, ob sie die letzte sei oder nicht und ob Vitruv etwas von Halbmetopen berichte oder nicht. Sansovino brauchte mindestens den Raum einer halben Metope, wegen der unvermeidlichen Stärke seines mit Pilastern bekleideten Eckpfeilers, und bog also seine Metope in der Mitte um die Ecke. Vitruv hatte wohl mit seinen Semimetopia nur irgend ein* Segment einer Metope überhaupt gemeint, die fanatischen Vitruvianer aber, welche Sansovino umringten, gaben sich glücklicher Weise mit seiner buchstäb- lichen Deutung zufrieden.

§. 54.

Vermehrung der Contraste.

In dieser Periode geschieht es häufiger, dass man statt der Pilaster- ordnungen Halbsäulen und zwar stark vortretend, ja verdoppelt an- wendet, und zwar über einem Erdgeschoss in Rustica.


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Erstes Buch. Architectur.


Rafael s Pal. Vidoni-Caffarelli in Rom , Pal. Uguccioni in Florenz

(Fig. 29). (Vgl. Michelangelo’s Entwurf für die Fassade von S. Lorenzo, §. 37 .) v.

t * :

An einigen Palastfronten wird schon eine ganze Fülle von Con- trasten um des hohem Reizes willen zusammengestellt. Die dazwischen befindlichen J lachen beginnen der einfachen Uebermörtelung anheim- zufallen (§. 56).



S. unten §. 96 bei Anlass der Paläste. Schon Rafael gibt zu den kräftigsten Fensterformen (§. 51) und den doppelten Halbsäulen gerne das eben erwähnte Erdgeschoss von derber Rustica, lässt auch schon Fenster mit Nischen (§. 51) und mit eigentümlich eingerahmten quadra- tischen Feldern ab wechseln u. s. w.

Die Rustica jetzt überhaupt mit sehr geschärftem Bewusstsein ihrer Wirkung angewandt, häufig vermischt mit den Formen der dorischen und der toscanischen Ordnung.



VII. Kapitel. Die Formenbehandlung des XVI, Jahrhunderts.


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Vorzüglich in Rom wird mit der Rustica an Erdgeschossen, welche Kaufladen enthalten und daher des eigentlichen Schmuckes ledig sein sollten,, mehr als Eine Neuerung versucht : quadratische Fenster, horizon- tale Keilstein Wölbung, verschiedene Nuancirung der Rustica u. s. w., Alles aus Travertinblöcken.

Anderswo: Beschränkung der Rustica auf die Ecken, Weglassung der Verticalfugen etc.

Aus einem Missverständniss, das sich an den Namen hängte, brauchte man sie in Gartenarchitecturen (§. 125), wo das Zierlichste und Schmuck- reichste eher hingepasst hätte. Serlio, L. IV.

Ihre berechtigte Anwendung an den Festungsarchitecturen (§. 108, f.) und an Bauten ernsten Characters überhaupt, z. B. an Sansovino’s Zecca (Münzgebäude) in Venedig (Fig. 80), wo die Rustica beinahe .etwas Neues war, Vasari XIII, p. 86, v. di Jacopo Sansovino; — Franc. Sansovino, Venezia, fol. 115. Der Gegensatz von rustica ist (ebenda) gentile.

Der Mörtel tritt an wichtigen Bauten des XV. Jahrh. wohl nur mit decorativer Bemalung auf. Im XVI. Jahrh. dagegen überlässt man ihm oft Alles, was Fläche bleibt (§. 96), ohne ihn zu bemalen.

§• 55.

Die Gewölbe der Hochrenaissance.

Die vielleicht grösste Neuerung, welche das Detail des Innern erleidet, liegt in den schönen Scheinformen der Gewölbe, welche mit Hülfe der Stuccatur und zum Zweck derselben sowie der Bemalung

eingeführt werden. Die Renaissance gibt jetzt das Gewölbe rein in den Dienst des Schönen.

Das Nähere s. unten bei Anlass der Decoration. ■ — - Erst mit der Vervollkommnung des Stucco (§. 174) werden die grossen, reich casset- tirten Gewölbe mit voller altrömischer Pracht der Profilirung möglich.

Das Tonnengewölbe mit vollem Radius, ja überhöht (§. 48), wird

zugestanden und als solches decorirt besonders in Mittelschiffen von Lang- kirchen (§. 76, 77).

Das niedrigere, halbelliptische dagegen, wie es zumal in Sälen und Galerien vorkommt, wird jetzt oft einer Scheinform unterthan: es erhält in der Mitte eine Fläche (Specchio) oder eine Aufeinanderfolge von Flächen; die Enden der von beiden Seiten her einschneidenden Kappen berühren den Rahmen derselben.

In der sixtin. Capelle, einem Bau des XV. Jahrh., ist die constructive Form des Tonnengewölbes noch völlig sichtbar, und die scheinbaren

Specchi gehören wie die ganze übrige Einteilung dem Maler (Michel- angelo) an.



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Erstes Buch. Architectur.


Ebendiess gilt von der berühmten Halle im Erdgeschoss der Farnesina (1509) mit den Malereien Rafaels und seiner Schule.

Mit der Zeit aber wird der Specchio gerne zur Fläche ausgeebnet, während seine Ränder sowohl als die der Kappen durch Stuccatur ein (oft sehr starkes) Relief erhalten.

Am schönsten wirkt der Specchio natürlich als Mitte des Gewölbes von Räumen gleichseitigen Quadrates, w r o er zugleich den Abschluss einer gemaltem oder stucchirten Decoration bildet (Rafaels Loggien).

Ueber die Formen des Innern der Kuppeln s. §. 65 u. ff.


Ausserdem aber beginnen bereits verschalte Gewölbe, deren Con- struction überhaupt nur Schein ist und über welchen eine Balkendecke hingeht. Sie kommen vor entweder in breiten Räumen, in welchen die Ansätze echter Gewölbe zu weit hätten herabgerückt werden müssen, oder wenn Oeconomie und Bequemlichkeit es vorschrieben, oder wenn eine grosse mittlere Fläche verlangt wurde, um welche die Gewölbe - ansätze dann nur als Zierde herumgehen.

Diese Ansätze sind in Holz construirt und mit aufgenageltem Rohr zum Halten des Stucco versehen. Serlio (L. VII, p. 98) rühmt sie bereits;


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VII. Kapitel. Die Formenbehandlung des XVI. Jahrhunderts.

Vasari (I, p. 41 in seinem eigenen Leben) entschuldigt sie noch. Aehn- liches schon bei Vitruv VII, 3.

Manche dieser Gewölbe sind schwer von den echten zu unterscheiden, s. die Decken in Pal. Doria zu Genua, von Perino del Vaga und seiner Schule, meist nur verschalt.

Endlich wird jetzt erst im Innern der Paläste das System der Pilaster und Gesimse vollständiger durchgeführt.

Das XV. Jahrh. hatte sich noch gerne mit blossen Wandconsolen begnügt, auf welchen die Gewölbekappen ruhten. Jetzt erhalten namentlich Corridore und Treppen eine strengere Gliederung durch Pilaster. Pracht- beispiel: Rafaels Loggien.


§. 56.

Die Formen der Nachblüthe.

/

Das Detail der Zeit von 1540 bis 1580 ist im Ganzen wieder um einen merklichen Grad derber, aber schon ohne Liehe, wesentlich nur auf die Wirkung im Grossen hin gebildet.


Michelangelo’s verhängnissvolle Freiheiten, worunter das Vorrücken der Mauermassen zwischen den Säulen in der Vorhalle der Laurenziana zu Florenz, so dass die Säulen, zu zweien gruppirt, in hasten zu stehen scheinen ; ein offener Hohn gegen die Formen. — Vasari meint von M. s neuerfundenen Formen freilich, sie seien nicht nur schön, sondern mara-

vigliose ; I, p. 120, Introduzione. Vgl. §. 29. .

Das bekannte Werk des Vignola verbreitete überall diejenige Redaction der antiken Ordnungen, welche fortan die conventionelle wurde; daneben

Palladio und später Scamozzi u. A. .

Späte vereinzelte Eiferer für die echten Formen des Ionischen : Gio.

Rattista Rertano, Vasari XI, p. 248, v. di Garofalo, — und Giuseppe Porta, Vasari XII, p. 83, Nota, v. di Salviati. Die spätem Vitruvianer §. .

Die Allgemeinheit und Gleichgültigkeit der Formen stand im Zusam- menhang mit der Nothwendigkeit , rasch , viel und monumental mit be-


schränkten Mitteln zu bauen. . ... . v .

Der Backstein, noch in Bramante’s spätem Bauten herrlic wir .

auch wo die Gliederungen von Stein sind (Seitenfronte der Cancellaria,

ursprüngliche Gestalt des Obergeschosses um den vaticamschen Giar mo

della Pigna) und ebenso noch in Baldassar Peruzzi’s kleinern Bauten zu

Siena wird jetzt als vermeintlich unedlerer Stoff m der Regel ubermorte .

Palladio fügt sich sogar in bemörtelte Backsteinsäulen. (Anderswo m er

S ab« lässt man den Backstein noch bis in's XVII. Jahrh. an etmgen


trefflichen Bauten offen sehen.)


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Erstes Buch. Architectur.


Vasan darf in seiner Introduction, wo er das Baumaterial bespricht den Backstein schon völlig beschweigen.

Der Character freudloser Grossartigkeit, welcher dieser Bauzeit im

Vergleich mit der frühem eigen ist, kam zum Tlieil auch von der Sinnes- weise einzelner Fürsten her.


. Der Herz °g (spätere Grossherzog) Cosimo I. (1537 bis 1574) zog die dorische Ordnung vor, »weil sie sicherer und fester sei als die andern«  wesshalb Vasari sie an den Uffizien (1560) anwenden musste; AmmanatS

aber bekam die dreiseitige, dreistöckige Hof halle des Pal. Pitti mit lauter Rusticaordnungen zu verzieren.

Gosimo’s Einmischung in alles Bauwesen, z. B. Gaye, carteggio II p. 498 und zahlreiche andere Aussagen und Correspondenzen

Sein Sinn «, Regelmässigkeit g . 83. Selbst die Gieandola entsagt untei ihm den phantastischen Spielformen und lernte einen classischen achteckigen Ten^pel in Feuerwerk darstellen; Vasari X, p. 275, v. di Tri-


me nusuca galt jetzt als Ausdruck des hohem Ernstes überhaupt, ersuche, ihr ein freies, sprechendes eigenes Detail zu schaffen, im Hol

es erzbischöfl. Palastes zu Mailand, von Pellegrini; zaghafter an den Pngiom zu Venedig.

Die schönen neuen Motive des Säulenbaues' durch Abwechselung von Bogen und geraden Gebälken, .§. 35.

Ferner jetzt häufiger die Kuppelung (enge Zusammenstellung) von , ™’ sobaId Verstärkung (etwa wegen Weite der Bogen) nöthig und doch der Pfeiler nicht erwünscht ist. So zumal in der genuesischen


§• 57.

Die Verhältnisse.

Mit Anwendung der bisher betrachteten Formen sammt den eigentlichen Zierformen componirt die Renaissance ihre Bauten nach einem geheimen Gesetz, dem der Verhältnisse (§. 30, 33, 38). Die- selben sind von allen, auch den römischen Vorbildern unabhängig und ein wesentlicher Besitz des modernen Weltalters, welches nie mehr ungestraft sich denselben entziehen wird.

Auf rem mathematischem W ege kann man nie zu durchgreifenden ege n ge angen , weil ausser den Proportionen auch die stärkere oder schwächere Plastik der Formen die Wirkung entscheiden hilft, sodass bei denselben Verhältnissen ein Bau schlanker oder schwerer erscheinen kann.

s wäre zu wünschen, dass ein Wort existirte, welches ausdrücklich die Verhaltmsse (worunter man gewöhnlich bloss Höhe, Breite und Tiefe ver- steht) und die Plastik zugleich umfasste.


VIII. Kapitel. Das Baumodell.


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L. B. Alberti braucht bei Anlass seiner Fassade an S. Francesco zu Rimini für die geheimnisvolle Harmonie der Theile zum Ganzen bereits das Wort »tutta quella musica«. (Lettera sulla cupola etc., opere volgari,

Tom. IV.) Die »musicalischen Proportionen« (§. 26) auch bei dem Bio- graphen Brunellesco’s.

Verhältnissangaben für bestimmte einzelne Fälle theilt z. B. Serlio häufig mit, lässt sich aber auf keine principiellen Erörterungen ein.

Schon damals fehlte es nicht an Leuten, welche der Sache auf spe- culativem Wege beizukommen suchten. Dem Jac. Sansovino corrigirte 1534 ein Mönch Francesco Giorgi die Proportionen seiner Kirche S. Fran- cesco della Vigna zu Venedig nach einer platonischen Zahlentheorie, wo- von ein kleines Muster Vasari XIII, p. 85, Nota, v. di Jac. Sansovino.

Die Anwendung der antiken Ordnungen hat vielleicht an keinem r u einzigen Renaissancebau über die Verhältnisse entschieden. Der Bogenbau (: war von vorn herein an nichts gebunden und die Wandpilasterordnung hatte schon bei den Römern völlige Freiheit der Intervalle. Dazu die Sockel und Attiken nach Gutbefinden.

Die Verhältnisse in ihrer Beziehung zu den Formen und diese zu jenen bleiben daher Sache des höchsten und feinsten künstlerischen Ver- mögens. Es handelt sich um einen Styl, bei welchem das wirkliche Leben nicht in der (wenn auch an sich sehr schönen) Einzelbildung der Formen, sondern in ihrer Proportionalität zum Ganzen liegt. Wer dieses Gesetz nicht wenigstens nachempfinden kann , der wende sich vom Styl der x ? ( Renaissance ab und suche sein Ergötzen anderswo.


VIII. Kapitel.

Das Baumodell.


§. 48.

Die Modelle der gothischen Zeit,

Während im übrigen Europa der Bauriss (oft in kühner Ab- wechselung von rein geometrischer und perspectivischer Darstellung) genügt, tritt in der italienischen Baukunst das Modell in deh Vorder-



92 Erstes Buch. Architectur.

Im Alterthum müssen complicirte Anlagen wie z. B. die Thermen wohl schon zu Modellen Anlass gegeben haben. — Die silbernen Tem- pelchen der ephesinischen Artemis? vgl. Acta Apost. XIX, v. 24, ss. — Im Mittelalter häufig das flüchtige Modell einer Kirche in der linken Hand der Statue eines Stifters. — Das silberne Modell einer ganzen Stadt als Votivstück, ohne Zweifel mit deutlicher Angabe der Hauptgebäude : Parma 1248 (Raumer, Hohenstaufen, IV, S. 182); Ferrara vor 1441 (Diario ferra- rese, bei Murat. XXIV, Gol. 451).

Modello bedeutet freilich oft auch Zeichnung, und wir dürfen nur Aussagen benützen, welche deutlich in anderem Sinne gemeint sind. Andererseits kann disegno auch wohl ein wahres Modell bedeuten, wie z. B. Milanesi II, p. 272 disegno de la cera, für einen Prachtaltar.

Der nordisch-gothische Aufriss auf Pergament gibt die Entwick- lung in die Höhe und auch der dazu gehörende Grundriss zeigt steno- graphisch zusammengedrängt ; wie sich bei wachsender Höhe die ein- zelnen Theile vom Kern ablösen werden. Das Modell der Italiener dagegen zeigt cubisch ; wie die Räume sich innen und aussen gestalten, theilen und folgen sollen und welches ihre grosse plastische Gesammt- erscheinung in Luft und Licht sein wird.

Es ist eine Rechenschaft, die der Künstler nicht sich selber, sondern dem Bauherrn gibt, um der Phantasie desselben nachzuhelfen in einer Zeit, da bei jedem grossen Bau nach dem Originellen, Abweichenden und selbst nach dem Ungeheuern gestrebt wird ; unentbehrlich zumal bei Kuppelbauten und beim Centralbau überhaupt.

In Italien zur gothischen Zeit genügt für einfachere Kirchen und für Paläste einstweilen die blosse Zeichnung ; Milanesi I, p. 227, s., 282, 246 und selbst z. B. beim neuen Dom von Siena werden nur Pergamentzeich- nungen erwähnt.

Für den florentinischen Domkuppelbau dagegen (1298) war nur durch ein Modell die nöthige Ueberzeugung und Begeisterung hervorzubringen. Ueber Arnolfo’s Modell und die davon vorhandenen Reste Vasari I, p. 256, 257 Nota, v. di Arnolfo; — vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 167. Vgl. §. 19'. — Nach diesem Modell wohl die Abbildung in dem Fresco der rechten Wand in der Cap. degli Spagnuoli, bei S. M. novella vom Jahre 1322.

Ausser aller Linie steht, was in Bologna um 1390 für S. Petronio geschah, weil man sich der Ausführbarkeit und des Effectes vorher ver- sichern wollte; im Palast des Giacomo Pepoli wurde ein Modell in */ 12 der wirklichen Grösse, also 53 Fuss lang aus Stein und Gyps errichtet, und dieses 1406 wieder abgebrochen, nachdem ein anderes von 10 Fuss aus Holz und Papier verfertigt worden war; erst auf letzteres, welches



VIII. Kapitel. Das Baumodell.


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ebenfalls zu Grunde ging, folgte 1514 das jetzt noch im Bauarchiv (§* 23) vorhandene, von Arduino Ariguzzi. Vgl. (Bianconi) Guida per la citta di

Bologna 1845, p. 91, 104.

Ganz spät, zu Anfang des XVI. Jahrh., gibt es auch im Norden hie und da Modelle, wie z. B. im Stadthaus zu Löwen dasjenige für den

Thurmbau von S. Pierre.

\ '

§. 59.

Die Modelle der Frührenaissance.

Im XV. Jahrh. gleich mit Brunellesco wird das Modell zur all- gemeinen Regel, weil der neue Styl seine ungewohnte Erscheinung rechtfertigen muss und kraft seiner innern Gesetze sich zu einer Dar- stellung dieser Art vorzugsweise eignet. Es kam hinzu, dass viele Architecten (§. 14) als Holzdecoratoren begonnen hatten und leicht Modelle arbeiteten. Für Festungsbauten wurden wohl von jeher Mo- delle verlangt.

Brunellesco modellirt beständig im Grossen wie im Kleinen und schneidet seinen Steinmetzen die Muster für die schwierig zu messenden Quader der Domkuppel nöthigenfalls aus Rüben zurecht.

Für die ganze Domkuppel machte er mehrere Modelle, von dem kleinen das er unter dem Mantel tragen konnte, bis zu dem grössten in Backstein und Reste von verschiedenen sind noch erhalten; Vasari III, p ?8 “’di Nanni; p. 208, 214, 218, 219 bis 222, V. di BruneHesoo; -

Vita anonima, ed. Moreni, p. 174. .

Bei S Lorenzo genügten seine Aufsicht und seine Zeichnungen;

dagegen machte er Modelle für die Gap. de’ Pazzi, für S. Spirito (welche Kirche 24 Jahre nach seinem Tode ohne das mahnende Modell vielleicht Sum wäre begonnen worden), für das Polygon bei den Angeli für den Palast des Cosimo Medici (welches er selbst in Stucke schlug, als Gosimo aus Furcht vor dem Bürgerneid von dem Bau abstand); endlich grosse Entwürfe in Thon und Holz für Festungsbauten. Vita anonima, p. 1 ,

202, 204. Vasari III, p. 224, 225, 229, v. di Brunellesco. Für die Halle bei den Innocenti machte er laut der vita anon. kein Modell; dasjenige, welches Vasari sah, mochte die Arbeit eines Spätem sein.

Seine Modelle gaben alles Wesentliche, aber keine Zierformen an, »damit ihm Unberufene dieselben nicht vorweg nähmen«, eher wohl um nicht durch die Niedlichkeit, die man solchen Arbeiten geben kann, die

Augen zu bestechen.

So dachte wenigstens Alberti (arte edificatoria L. II, opere volgan IV, p. 261), welcher Jedermann vor Modellen warnt, welche mit Malerei, Flittergold und andern Zierlichkeiten aufgeputzt seien , eine Sache eitler


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Erstes Buch» Architectur»


nSlf ger ^ Ign ° rant i n - WdChe aUf andere I g n0ranten rechneten; nur A i n 1 i 6 S6mp 1C1 gaben den Beweis von dem Genius des Erfinders Audi bei blossen Zeichnungen verbittet er sich alles Malen und sogar

weisen habe 60 ? mdem S1Ch der Archltect durch de n Grundplan auszu-

auch^Ikhe ^^i f g6Wiesen werden soIlte ^ so gab es doch e Decoratoren, welche grosse, wenigstens geachtete Baumeister

wurden und dann ihre Modellfertigkeit nach Kräften anwandten.

P i / U ^ n ° ^ angallo ’ s Mod elle für die Villa Poggio a Cajano , für ein Moro ? ü deS ^ Kronprinzen von Neapel, für einen Palast des Lodovico

Palast i'n Sw 6 ” "i “ S ‘ Pietr0 m vincoli zu Rom und für einen in IV, “ fr 5 T m reich °mamentirter Ausarbeitung musste er p . n^ nach Lyon zu Carl VIII. bringen, dem es der Besteller (Cardinal

und Ma°i 1 b r ere> Später Julius n *) geschenkt hatte; auch nach Neapel und Mailand hatte er jene Modelle selber begleitet. - Antonio Sangallo’s

• • Modelle für die Madonnenkirche in Gortona (nicht ausgeführt) und m Montepulciano. Vasari VII, p. 209, ss. v, di Giuliano Sangallo.

ecchietta nahm 1460 ein hölzernes Modell für die Loggia del Pana p On 30 S 8 iena nach Rom mit > erhielt aber die Bestellung nicht; Milanesi II,

• Prancione »lignarius«, Architect und Lehrer des Baccio Pintelli, heferte beim Goncurs von 1491 für eine neue Domfassade in Florenz.

!r ™ a , e 45 andern nur Zeichnungen brachten, ein Modell; ebenso für die Kuppel der Sacnstei bei S. Spirito 1493 , welche jedoch einfiel a s man dm Baustutzen wegnahm; Gaye, carteggio I, p. 276; Vasari VIIl’

P ’ io,’ Nota ’ v - dl Gronaca. — Ein Kirchenmodell Pintelli’s, Vasari IV, ’ p. lo6, y. di Paolo Romano.

„ , l Ür die Domku PPel in Mailand (§. 23) lieferten um 1490 viele Meister °de 6 e m , Milanesi II, p. 430, und auch Francesco di Giorgio wird kaum ohne em solches aufgetreten sein. Er hatte bereits 1484 bei der Madonnenkirche zu Gortona mit einem Modell gesiegt; Lettere sanesi III, p. 88.

M ,i n n ! ° M V T ? n PaVia daS W ° hl erhaltene un d restaurirte grosse hölzerne Modell dieser Kirche, wahrscheinlich von Gristoforo Rocchi 1486 (Fig. 31).


§. 60 .

Die Modelle der Hochrenaissance.

Im XVI. Jahrh. scheint sich das Modelliren mehr auf grosse und comphcirte Bauten, auf wichtige Neuerungen und Concurse be- schrankt zu haben, indem für die gewöhnlichen Durchschnittsformen der Renaissance jetzt schon die Zeichnungen genügten. Festungsbauten wurden, wie gesagt, immer modellirt.


VIII. Kapitel. Das Baumodell.


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Julius II. der Sage nach umdrängt von Holzarbeitern mit lauter Modellen für S. Peter, die wie Scheunen anzusehen waren , antwortet lachend: Wir habend nit mehr dann ein Kirchen zu bawen, darzu ist Uns ein Model genugsam, ein sollichen habend wir zum volkomnesten, was wolt ihr dann mit disen ewern Hiittlen machen? (So die alte Ueber- setzung von Bernardini Ochini Apologen, Buch 1,'Apol. 23; das ital. Ori- ginal ist kaum mehr aufzufmden.)

Auf das unvollendete Modell für S. Peter , welches Bramante lrinter- liess, folgten diejenigen des Rafael, Peruzzi, Ant. Sangallo d. j. und Michel- angelo; Vasari X, p. 17, ss. v. di Ant. Sangallo; XII, p. 227, 252, v. di Michelangelo.

Bramante hatte auch für den vaticanischen

fr

Hauptbau ein »wunder- bares« Modell geliefert;

Vasari VII, p. 133, v. di Bramante; Panvinio 1. c.

(§. 8) p. 365 , s. — Ra- fael’s hölzernes Modell für den Hof der Loggien;

Vasari VIII, p. 41, v. di Raffaello.

Vitoni’s Holzmodell für die Kirche dell’ Urniltä, womit er die Pistojesen hinriss (1509); Vasari VII, p. 139, v. di Bramante.

Unter Leo X. con- currirten die Künstler für die Fassaden des Domes

und der Kirche S. Lorenzo in Florenz mit Modellen und Zeichnungen; Vasari XII, p. 201, v. di Michelangelo; XIII, p. 77, s. v. di Jacopo San- sovino.

Michelangelo’s beständiges Modelliren §. 50. Das Modell des reichsten seiner 5 Entwürfe für S. Giovanni de’ Fiorentini in Rom binnen 10 Tagen von Tib. Galcagni unter Aufsicht des 85jährigen Meisters in Thon modellirt; verloren sammt der Holzcopie danach und den übrigen Entwürfen; Va- sari XII, p. 265, v. di Michelangelo.

Sein Modell der Treppe für die Laurenziana 1559 kam »in einem Schächtelchen« von Rom nach Florenz; Gaye, carteggio III, p. 12,

Vasari musste ein hölzernes Modell seiner Umbauten am Signoren- palast auf Befehl des präcisen Cosimo I. nach Rom mit sieh nehmen,


Fig. 31 . Dom-Modell zu Pavia. (L.)



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Erstes Buch. Architectur.


damit Michelangelo darüber urtheilen konnte; Yasari I, p. 44 sein eigenes Leben; III, p. 277 v. di Michelozzo; XII, p. 261 v. di Michelangelo.

Die Festungsmodelle des Sanmicheli; Vasari XI, p. 128, v. di San- micheli.

Das grosse Korkmodell von ganz Florenz, vielleicht das frühste in seiner Art; Varchi, stör. fior. III, p. 56, ss. ; Vasari, X, p. 249, v. di Tribolo.


IX. Kapitel.

Die Composition der Kirchen.


§• 61.

Mangel eines besondern kirchlich en Formensystems.

Die Renaissance konnte keinen eigenen organischen und auch keinen eigenen sacralen- Styl ausbilden im Sinne des griechischen Tempelstyls und des nordisch-gothischen Kirchenstyls. Sie wendet im Kirchenhau die antiken Formen und Anlagen an aus Bewunderung, weil sie dieselben für das Vollkommenste hält, braucht sie dann aber ohne Bedenken auch im Profanhau.

Die Schöpfung eines organischen Styles hängt von hoher Anlage und hohem Glück ab, namentlich von einem bestimmten Grade unbefangener Naivetät und \ frischer Naturnähe , und es hat seine Gründe , dass das Phänomen nur zweimal in der Kunstgeschichte vor gekommen ist.

Einen blossen sacralen Baustyl aber haben auch die rohern Urvölker und es ist ein Aberglaube, dass ein solcher einem Volke oder einer Cultur- epoche grössere Ehre bringe als ein abgeleiteter Styl, welcher ja im Dienst einer nicht minder starken religiösen Absicht stehen und in entlehnten Einzelformen eigene und neue Gesammtgedanken ausdriicken kann. So hatte die altchristliche Baukunst nicht bloss die Einzelformen, sondern sogar die Baustücke von profanen wie von heiligen Römerbauten entlehnt und damit ihr grosses Neues geschaffen.

Nun hat aber der abgeleitete Styl seine eigenen und grossen Auf- gaben, welche ein organischer Styl gar nicht würde innerhalb seiner Ge- setze lösen können.



IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


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Er hat zunächst als Raum styl (§. 30, 32) ein Recht auf die Formen der vor ihm dagewesenen organischen u. a. Style und soll sie nach seinem innern Bedürfniss aufbrauchen, wobei ihn sein Genius führen wird. Er kann vielleicht einzelne dieser Formen noch für specifisch sacral halten , und auch die Renaissance hat einige Fenster- und Thürformen anfangs wirklich dafür angesehen , bis der Palastbau dem Kirchenbau diese Formen und sogar (mit Palladio) den Frontgiebel abnahm. Gharacter und Bestimmung des Baues sind hier nur in der Gesammtform ausge- drückt; das Detail ist dem Heiligen und dem Profanen gemeinsam.

Sehr bedenklich aber ist es, sich auf die geringere Religiosität des damaligen Italiens im Vergleich mit der gothischen Blüthezeit des Nordens zu berufen, ganz als ob man Religiosität und kirchliche Rechtgläubigkeit unserer nordischen Baumeister des XIII. und XIV. Jahrh. genau messen könnte. Auf der andern Seite haben auch die sehr frommen Italiener der Renaissance nicht heiliger gebaut als ihre Zeit- und Kunstgenossen.

Im Süden ist das Grosse und Schöne von selber heilig. Jeder mag entscheiden, ob dabei der Begriff des Heiligen niedrig oder der der Kunst hoch genommen sei. (Vgl. das Wort Michelangelo’s in der Relation des Francesco d’Olanda 1549, bei Raczynski, les arts en Portugal, p. 14: »Die wahre Malerei ist edel und fromm von selbst, denn schon das Ringen j nach der Vollkommenheit erhebt die Seele zur Andacht, indem es sich j Gott nähert und vereinigt« — im Sinne des Sprechenden gewiss für die \ Kunst überhaupt geltend.)

Wenn dann irgend etwas die religiöse Unsicherheit unserer Zeit be- ; weist, so ist es die ungemeine Empfindlichkeit gegen angeblich nicht heilige Formen.

§. 62 .

Wesen des Gentralbaues.

Wohl aber hat die Renaissance die höchste , allem Gothischen wesentlich überlegene kirchliche Bauform, den Centralbau, bis nahe an die absolute Vollendung ausgebildet und einer künftigen Religiosität zum Vermächtniss hinterlassen.

Der Centralbau ist das letzte im Reich der absoluten Bauformen wie der griechische Tempel das erste. Seine Möglichkeiten sind noch lange nicht erschöpft; es mag Zwischenperioden geben wie unser XIX. Jahr- hundert, welches das Pensum des XIII. noch einmal aufsagen muss — immer von Neuem wird jene grosse Aufgabe auftauchen, wobei die Ver- suche der Renaissance als unentbehrliche Vorstufen glänzend in ihr Recht eintreten werden.

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl.


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Erstes Buch. Architectur.


Im Norden schuf die spätromanische Phantasie in denselben Jahren (bald nach 1200) das Zehneck von S. Gereon zu Köln und das Idealbild des Graltempels und bald folgte der fast einzige grossartige gothische Versuch, die Liebfrauenkirche zu Trier. — Ein reines Achteck, die Karls- hofer Kirche zu Prag, s. bei Lübke, Gesch. d. Architectur, V. Aufl. S. 588.

Für Italien ist wichtig die Bewunderung und der mythische Ruhm, welche das Pantheon genoss (s. die Mirabilia Romae in den verschiedenen Redactionen) und noch mehr die hohe Stellung, welche man S. Lorenzo in Mailand anwies. Benzo von Alba im XI. Jahrh. sagt (ad Heinr. IV, ap. Pertz XIII, p. 680) von dem im Verfall begriffenen Urbau: numquid est in toto mundo aula tarn mirabilis? — Arnulf von Mailand (gesta archiepp. Med. III, 24, ap. Pertz X) bei Anlass des grossen Brandes: templum cui nullum in mundo simile. — Fazio degli Uberti um 1860 (Dittamondo, L. III, c. 4) glaubt sich in dem »grossen und schönen Bau«  nach Rom versetzt. Auch der wahrste Beweis der Bewunderung, die Nachahmung, fehlt nicht (§. 16). Der Eindruck beruhte auf der geist- vollen und imposanten Anordnung des obern und untern Umganges um den Kuppelraum. (S. Lorenzo erscheint mir noch immer dem Grundplan nach, welcher hier entscheidet, als ein Palast- oder Thermenraum Maxi- mian’s des Herculischen, um 300; unter Galla Placidia im V. Jahrh. nur umgeweiht zur Kirche. Die Gründe muss ich hier schuldig bleiben.)

Die Baptisterien, zum Theil mit Umgängen, hielten die Uebung des Centralbaues wach; in Florenz erhielt sogar die Gathedrale diese Form (§. 17, 19). Vgl. den »alten Dom« zu Brescia. Erst das Gothische gab dem Langbau wieder das Uebergewicht.

Im Centralbau herrscht der Mittelraum, womöglich in Gestalt einer hohen Kuppel, gleichmässig über alles Uehrige, mögen es vier gleiche Kreuzarme oder ein Kranz von Capellen oder von Umgängen sein. Er soll innen schön über dem lichten Unterbau schweben, aussen mächtig darüber ragen.

Bei der Anordnung von vier gleichen Kreuzarmen, welche mit der Zeit die vorherrschende wurde, fiel auch jedes Bedenken weg in Betreff des Hochaltars, dem man auf diese Weise einen verschliessbaren, besonders geweihten Raum ersten Ranges, den hintern Kreuzarm geben konnte. In der Mitte des Baues wollte man ihn nämlich niemals anbringen, und eine Stelle innerhalb eines blossen Umganges von Hallen u. dgl. war nicht ehrenvoll genug. Bei achteckigen Kirchen widmete man ihm daher einen besondern Ausbau, opferte aber die Einheit des Planes, die man beim griechischen Kreuz retten konnte.

Mit dem Centralbau ist das Wölben wesentlich und unvermeidlich verbunden.


IX, Kapitel. Die Composition der Kirchen.


Alle runden und polygonen Räume verlangen einen obern Abschluss der ihrem Grundplan analog ist. Die oft überaus zusammengesetzten Centralbauten enthalten bisweilen alle möglichen echten und gemischten Wölbungsarten, ^ welche in der Hauptkuppel gleichsam ihre Herrin finden.

Doch erhält diese erst spät den hohen lichtbringenden Gylinder und im Aeussern die Calottenform.

Diese Bauweise in ihrer Vollkommenheit verwirklicht alle Ideale der Renaissance: absolute Einheit und Symmetrie, vollendet schöne Gliederung und Steigerung des Raumes, harmonische Durchbildung

im Innern und Aeussern ohne müssige Fassaden und die herrlichste Anordnung des Lichtes.

Wir nehmen bei unserer Betrachtung auch solche Bauten mit, welche zwar den Ghorbau einer Langkirche bilden, aber offenbar eher im Sinne von Centralanlagen und mit dem Wunsche danach componirt sind. Letztere waren und blieben die höchste Angelegenheit dieser grossen Bauepoche, welche alle ihre Kräfte dafür aufwandte , sobald sie irgend durfte. Ihre

schwachen Seiten beginnen erst da, wo ihr diess hohe Ziel aus äussern Gründen versagt wird.

§. 68 .

Die frühsten Gentralbauten der Renaissance.

Die Phantasie des XV. Jahrh. war schon mit Rund- und Polygon- bauten erfüllt , als Brunellesco an zwei nur untergeordneten Kirchen den Centralbau in ganz neuer Gestalt zur Erscheinung brachte.

Bauten dieser Art auf Hintergründen der Altargemälde und Reliefs; Vasari III, p. 117, v. di Ghiberti; IV, p. 147, v. di Castagno. Dann be- sonders in peruginischen Bildern, in Intarsien an Chorstühlen (§. 151) etc.

Oft wiederkehrend zumal ein achteckiger Kuppelbau, einfache Remi- niscenz der schlichtem Baptisterien des Mittelalters,

Ein solcher wirklich im XV. Jahrh. ausgeführt : S. Giacomo in Vico- varo oberhalb Tivoli, mit dem bekannten, noch überwiegend gothischen Prachtportal. (Vgl. Vasari III, p. 241 u. Nota, vita di Brunellesco.)

Dann die neuen Motive: Brunellesco’s nur an gefangenes Polygon bei den Angeli in Florenz, §. 9. Die Abbildung bei D’Agincourt, Archit., T. 50; Vasaii III, p. 229, s., 242, v. di Brunellesco; — vita anonima p. 187: Achtseitiger Kuppelraum mit ebenso vielen hochgeöffneten Capellen, wovon 6 der Verehrung der 12 Apostel geweiht sein sollten; reines Ober- licht durch 8 Fenster; in den Mauerdicken die ersten Nischen der modernen Baukunst, gewiss nicht bloss zur Stoffersparniss, sondern damit das Princip des Kuppelbaues auch im Einzelraum ausklinge.



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Erstes Buch. Architectur.


Wirklich ausgeführt: die Capella de’ Pazzi im ersten Klosterhof bei S. Groce (Fig. 32), wo eine leichte niedrige Kuppel auf zwei Seitenbogen ruht. Die Yorhalle vgl. §. 35.


Alberti fördert die wahre Aufgabe einer über lichtem Unterbau schwebenden Kuppel nicht; seine zwei Kuppeln, wesentlich als Denk- mäler eines Gewaltherrschers und eines Condottiere entworfen, sollten in römischer Weise auf heruntergehenden Stockmauern ruhen.

Die für S. Francesco in Rimini (1447), den Bau des Sigismondo Malatesta (§. 6), ist nur aus einer Denkmünze (bei D’Agincourt, T. 51)

und aus der Lettera sulla cupola (opere volgari, Tom. IV) bekannt, aber nicht ausgeführt. A. musste einen Vorderbau




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und zwar einen gothischen mit Capellen beibehalten und neu decoriren; auf die- sen wäre eine Kuppel von den Propor- tionen des Pantheon oder der Thermen rundsäle gefolgt; umsonst stellte A.’s Bauführer Manetti die Theorie auf, eine Kuppel sollte doppelt so hoch als breit sein.

Der Kuppelbau an der Annunziata zu Florenz , gestiftet 1451 von dem Feldherrn des Staates, Lodovico Gonzaga von Mantua, welcher darin Beute, Waffen und Fahnen seiner Kriegszüge anbringen wollte; eine Nische oder Capelle sollte wahrscheinlich sein Grab enthalten. Es Fig. 32. Cap. de’ Pazzi zu Florenz. (Nohi.) ist eine Nachbildung des Thermenraumes

Minerva medica zu Rom, rings oben mit Fenstern, unten mit Nischen, gegen die Kirche mit einem grossen Bogen geöffnet, aussen Rohbau, innen modernisirt. Vasari IV, p. 59, Nota, v. di Alberti, und Gaye, carteggio I, p. 225, ss. Im Nachlass Manetti’s, welcher auch hier Bauführer war, kommt das Modell eines »Rundtempels« vor, Gaye, 1. c. I, p. 171, ohne Zweifel von einem dieser beiden Bauten. — Auch im Lehrbuch de re aedificatoria L. VII , c. 10 vgl. 15 , übergeht Alberti den wahren Centralbau; höchstens dass er von runden Basiliken, d. h. Bauten wie S. Stefano rotondo redet. Er vermischt absichtlich christliche und heidnische Rundbauten und gibt die Proportionen der Höhe zum Durchmesser nach seinen Vermessungen an.






IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen.


101


§. 64.

Spätere Centralbauten des XV. Jahrhunderts.

Tn der zweiten Hälfte des XV. JahiTi. kommen V ersuche, Nach- richten und Idealpläne, doch auch bedeutende noch vorhandene Lösungen des Problems vor.

Bei Poliflilo (§. 32) der Durchschnitt eines runden, innen auf einem Kreis von Pfeilern mit vortretenden Säulen ruhenden Kuppelbaues mit Umgang ; aussen Pfeiler mit Halbsäulen und von diesen gegen die Kuppel hinauf reiche Strebebögen. S. oben Fig. 1. — Eine zweite Beschreibung gilt einer Ruine in der Art der Minerva medica.

Was ist aus der berühmten Rotunde Mantegna’s geworden? Vasari V, p. 231 im Commentar zur v. di Mantegna.

Francesco di Giorgio in seinem Tractat (§. 31), Lettere sanesi III, p. 117: »Es gibt 3 Hauptgestalten der Kirchen, auf welche man die unzählig vielen vorhandenen zurückführen kann: Die vollkommenste ist die runde, die zweite ist die viereckige oder mit einzelnen Fassaden, die dritte ist aus beiden zusammengesetzt.« Jedenfalls gilt der Centralbau auch hier als das Höchste.

Das ältere Brüderpaar Sangallo reicht in der Form des griechi- schen Kreuzes hei kleinerem Massstabe bereits nahe an die Vollkom- menheit.

Madonna delle carceri zu Prato (Fig. 33) , 1485 begonnen von Giu- — liano ; über den kurzen Kreuzarmen mit geraden Abschlüssen schwebt auf niedrigem Gylinder die leichte Kuppel mit 12 kleinen Rundfenstern-, höchster Zauber des Raumes und edelgemässigte Decoration.

Madonna zu Montepulciano (Fig. 34), 1518 erbaut von Antonio, ein ähnlicher Grundplan, aber stark in die Höhe getrieben und mit der derben Plastik des XVI. Jahrhunderts. Vgl. §. 79.

Andere Florentiner : Gronaca’s achteckige, mit 4 Ecknischen versehene Sacristei bei S. Spirito 1493 voll Adel und Zierlichkeit;

Pintelli’s (?) Octogon in S. Maria della Pace zu Rom, auf alle Weise misslungen.

Venedig hilft wenigstens die Erinnerung an den lichtbringenden Oylinder und an die Calottenform der Kuppel wach halten, bis sich die grosse Baubewegung dieses byzantinischen Elementes bemächtigt.

Es sind die vielen kleinen Kirchen quadratischer Anlage mit einer Kuppel über den vier Mittelpfeilern gemeint, deren Haupttypus (Fig. 35 und 36) S. Giovanni Crisostomo ist (1483, von Tullio Lombardo). Für


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Erstes Buch. Architectur.


die constructiven Fragen eines grossen centralen Hochbaues war hier nichts zu lernen und für’ die formalen nicht viel, aber das einzige Ver- mächtniss des Byzantinismus an die Renaissance, welches über Venedig kommt, ist an sich höchst wichtig.

Von einem der betreffenden venez. Baumeister (Pietro Lombardo? oder Scarpagnino ?) rührt auch das tolle Prachtstück S. M. de’ Miracoli

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Fig. 33. Madonna delle Carceri zu Prato. (J. Stadler.)

zu Brescia her (Fig. 37 39), welches man scherzweise einen Centrifugal-

bau nennen könnte, indem die Kuppeln (zwei unter sich ungleiche grössere und zwei kleinere) der Mitte des Baues förmlich ausweichen.

§• 65.

Bramante und seine ersten Gentralbauten.

Für Bramante wird der Centralbau schon in seiner frühem Zeit die wesentlichste Lebensaufgabe. Er hatte das erhabene Glück, die



IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


höchste Bauidee seiner Zeit zuerst (in Oheritalien) in reichen und heitern Formen und später in majestätischer Würde und Grösse zu verwirklichen.


Fig. 34. Madonna di S. Biagio zu Montepulciano. (L.)


Fig. 35 und 36.

S. Giov. Crisostomo zu Venedig.


Yasari VII, p. 128, Nota, v. di Bramante. Sein frühster bekannter Bau (1474) war ein rundes Madonnenkirchlein am Fluss Metaurus, dann


Fig. 37—39. S. M. de’ miracoli zu Brescia. (Nach Herdtle.)


folgen, in Mailand und Umgebung, theils sicher theils nur nach der Tra- dition (die ihn zu einem Gattungsbegriff macht) ihm zugeschrieben: Octogon als Chorbau der Kirche zu Ganobbio am Lago maggiore;


104


Erstes Buch, Architectur.


S. Maria in Piazza zu Busto Arsizio unweit Mailand, Octogon mit Kuppel, aussen im Erdgeschoss zum Quadrat gestaltet, während im Innern Nischen in die vier Ecken hinaustreten;

Incoronata zu Lodi , Achteck mit eigentümlich schräg vertieften Nischen und oberm Umgang, prächtig decorirt, Chor und Vorhalle als besondere Anbauten;

Kirche Ganepanova zu Pavia (Fig. 40 und 41), fast dasselbe Motiv, veredelt und gereinigt;

achteckige Sacristei bei S. Satiro in Mailand, §. 80; — ^ 7P


Fig. 41. Canepanova zu Pavia. (L.)


endlich der Kuppelbau von S. M. delle Grazie, aussen von originell schönem Aufbau und reicher Ausführung (§. 46), innen von hohem Zauber des Raumes; die Kuppel auf einem quadratischen Unterbau ruhend, von welchem auf beiden Seiten Nischen, im Hintergrund ein Ghorbau vor- treten.

Michelozzo’s Schlusscapelle an S. Eustorgio (§. 80) blieb wohl nicht ohne Einfluss auf Bramante.

Die genannten Bauten zum Th eil klein und versteckt; wo das Aeussere ausgebildet ist: ein Zeltdach über einer offenen polygonen Halle, aus welcher durch Rundfenster Licht in die Kuppel dringt.


IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


105


Diese polygone Halle mit Zeltdach wurde dann auch auf Kuppeln von Langkirchen angewandt, z. B. an S. M. presso S. Gelso, angeblich


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Fig. 43. Madonna dell’ Umilta zu Pistoja. (J. Stadler.)


(doch schwerlich) ebenfalls von Bramante, und an der Kirche von Saronno, einem in seinen altern Theilen werthvollen Bau, zum Theil aus Backstein.

An der Kuppel der Certosa bei Pavia (von Borgognone?) eine Abstufung von o Galerien, dagegen nirgends eine Galotte.

Gleichzeitig mit Bramante (1490) der Beginn von S. Maria della Groce bei Grema, innen acht- eckig, aussen rund mit Ausbauten in sehr wirk- samen Backsteinformen, von Giov. Batt. Battagli.

Eine Anlage aus nicht viel späterer Zeit :

Madonna di Gampagna zu Piacenza (Fig. 42), mit achteckiger Kuppel über griechischem Kreuz, über den 4 Eckräumen kleinere achteckige Kuppeln.

Auf Bramante’s lombardischen Octogonen beruht die Form von S. M. dell’ Umilta zu Pistoja (Fig. 43 u. 44) ; von Vitoni, der dem Meister doch angeblich erst in Rom zusah. Unvergleich-

lieh das Innere der Vorhalle (§. 48) ; die Kirche selbst etwas befangen,

ihre Kuppel, der man die Unlust ansieht, von Vasari. .

Der schöne Polygontempel auf Rafaels Sposalizio (1504) ist hier

wenigstens zu erwähnen.


Fig. 44. Madonna dell’ Umilta zu Pistoja,




Erstes Buch. Architectur,


§♦ 66 .

Bramante und S. Peter in Rom.

Mit dem Wechsel des Jahrhunderts offenbarte Bramante in Rom nicht nur eine Wandlung seines Styles (§. 27, 49), sondern er that auch in der Anlage seiner Kirchen die grossen Schritte, deren Folgen sich bis in die späteste Zukunft der Kunst erstrecken werden. Vom


Achteck geht er über zu der Kuppel mit Cylinder, über griechischem Kreuz mit halbrunden Abschlüssen.

Beim Achteck mit Nischen und Umgängen geräth die Kuppel bald sehr breit und ist dabei unmöglich hoch in die Luft zu bringen. Schon die Kuppel alle Grazie zu Mailand ruht thatsächlich auf 4 Bogen.

Madonna della Consolazione zu Todi (Fig. 45 u. 46) ; d 1 Agincourt, Archit., T. 58; über den vier Hauptbogen ein bedeutender lichtbringender



IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


107


Cylinder und eine echte Calottenkuppel mit Lanterna, auch die hier noch polygonen Kreuzarme mit halbkuppelartiger Bedeckung; innen von grossartigster Wirkung durch Höhe, Einheit des Raumes und Oberlicht; unten rings Nischen für Altäre. Fassaden bedarf diese Kirche keine. Vgl. §. 53. Die Ausführung zum Theil beträcht- lich später.

Der Tempietto bei S. Pietro in Montorio zu Rom (§. 53) sammt der (nicht ausgeführten, aber bei d’Agincourt a. a. 0. nach Serlio,

L. III abgebildeten) Hofhalle (Fig. 47), Alles in Rundformen; die Mauermasse durchgängig mit Nischen belebt, deren Einschneiden in die grossem cylin drisch en Wandflächen dem ß. gar keine Sorge machte. Der Aufriss, Fig. 27.

Der Bau von S. Peter (§. 8). Neuere Fig\ 46. Consolazione zu Todi. Literatur :

Grosse Publication von H. v. Geymüller: Die ursprünglichen Entwürfe für S. Peter in Rom (einstweilen mit bloss vorläufigem Text, Wien und Paris, seit 1875). — G. A. Jova- novits: Forschungen über den Bau der St. Peterskirche zu Rom, Wien 1877. — Mehrere Aufsätze von R. Redtenbacher. — Ueber Michel- angelo’s Antheil u. a. Garnier, in dem Jubiläumsheft der Gazette des beaux arts 1874.

Bei der Unmöglichkeit, eine sehr schwierig und streitig ge- wordene Untersuchung hier auch nur im kürzesten Abriss wieder- zugeben , begnügen wir uns mit Folgendem.

Ausser allem Zweifel steht, dass Bramante einen Gentralbau gewollt hat und dass der herr- liche Grundriss (Geym. T. 4 und hier Fig. 48) sein Werk ist: Die vier Arme des griechischen Kreuzes innen mit Apsiden ,!laussen mit geraden Abschlüssen; der Grundriss des Innern aus lauter Rundformen bestehend, mit Nischen durch und durch belebt; die vier Ecken mit mächtigen Capellen und Thürmen ausgefüllt. Diesen Entwurf stellt auch eine Schaumünze Julius II. (mit der Umschrift.


Fig. 47. Kam, Tempietto Ibei S. Pietro in Montorio.


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Erstes Buch. Architectur.


Templi Petri Instauracio, sammt ihren Repetitionen abgebildet bei Geym. T. 2) sicher vor; er möchte demnach wenigstens einige Zeit als der an- genommene gegolten haben. — Dann scheint ebenfalls von Bramante derjenige umgearbeitete Plan herzurühren, welcher die vier Kreuzarme abgerundet und von mächtigen Umgängen umgeben darstellt, ohne Zweifel mit Erd- und Obergeschoss (Geym. T. 12); vielleicht eine Erinnerung an S. Lorenzo in Mailand, vielleicht auch eine als nothwendig erkannte Ver- stärkung der vier grossen Kuppelpfeiler und ihrer Bogen. — Für einen dieser Entwürfe erfand Bramante diejenige Gestalt der Kuppel, welche



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Fig. 48. S. Peter. Bramante’s erster Grundriss.


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Serlio (L. III) mittheilt: der Cylinder aussen mit einer prachtvollen freien Säulenhalle umgeben. • — Wirklich ausgeführt wurden noch von Bramante selbst die vier Kuppelpfeiler und die sie verbindenden Bogen, welche noch jetzt modificirt vorhanden sind.

Dass sich Michelangelo später »esecutore« von Bramante’s Plan nannte (Vasari VII, p. 137, v. di Bramante), bezieht sich am ungezwungen- sten auf die Centralanlage, die ihm mit Bramante gemeinsam war.

Allein Bramante hat zunächst den unter Nicolaus V. von Bernardo Rossellino begonnenen Chor, der zu keinem dieser Entwürfe stimmt, aus- gebaut — ob als einen provisorischen? — oder (Ansicht von Jovanovits) indem er sich definitiv darein fügte?


IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


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Sodann gibt es eine alte Aussage (bei Panvinio §. 8), wonach Bra- mante doch auch ein Langhaus entwarf; erst Peruzzi »eiusdem exemplar decurtavit , ex oblongo quadratum fecit«. Wir dürfen vermuthen, dass Bramante in diesem Falle sehr wider Willen gehorcht habe. — Dieses Langhaus scheint dann Rafael, als er 1515 die Oberleitung des Baues erhielt, im Wesentlichen angenommen zu haben. (Plan bei Serlio, und hier Fig. 49).


Pfeilern und tiefen Seiten- capellen ; alle Flächen mit Nischen ; endlich eine Vorhalle mit dreifacher Säulenreihe.

Nach aussen erscheint die An- lage des Ganzen sehr verein- facht ; gewaltige gerade Mauern mit Pilastern würden dasselbe (mit Ausnahme der drei Apsiden) abgeschlossen haben. — Leo X. in seinem Ernennungsbreve an Rafael vom 1. August 1515 (bei Quatremere, ed. Longhena, p. 529 , — s. auch Lettere pittoriche VI, 2) appellirt : alla propria stima e al vostro buon nome . . . e finalmente alla dignitä e alla fama di questo tempio.

Von diesem Langbau ist vielleicht auch der Plan des Giuliano da Sangallo nur ein missverstandenes Echo ; statt des Chores mit Umgängen wollte er den Chor Nicolaus V. beibehalten, der


Fig. 49. S. Peter. Rafaels Grundriss.


zu der ganzen übrigen


Masse so wenig stimmen würde.

Der angebliche Plan des Fra Giocondo (Geym. T. 41) erscheint mir als ein Hohn des jüngern Antonio da Sangallo, als Caricatur oberitalieni- scher Eigenthümlichkeiten, welche dem Frate ankleben mochten. Antonio mag es verantworten, dass er auf diesen Plan schrieb : opinione e disegmo di Fra Jocondo etc. — Den echten Plan des Frate gibt vielleicht die


Zeichnung bei Geym. T. 37.

Zum Gentralbau kehrte dann Peruzzi (nach anfänglichem Zögern, worüber bes. Jovanovits S. 76, ff.) zurück; sein wunderschöner Grundriss


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Erstes Buch. Architectur.


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ill y . - //> . ( bei Serho L. III, und hier Fig. 50), wesentlich eine Umarbeitung von Bra-

7 ■ ' mante s zweitem Entwurf, mit Hinzunahme von Rafaels Gestaltung der halb-

<//*/* randen Abschlüsse mit Umgängen; die Pfeiler sehr verstärkt, die Neben- f pw ^/aume weiter und mächtiger. Ausgeführt wurde nichts nach diesem Plan. ” l l L 4 ' , , ;/ / . D Gleichzeitig mit Peruzzi und vollends nach ihm waltete über dem

^ Bau Antonio da Sangallo (bis 1546), welcher die Kirche nach vorn mit

U //* ** ' emem enormen Prunkbau verlängern wollte. Fast die Hälfte des Raumes

. r e nun , lmt völIi o abgetrennten Vor- und Nebenräumen vergeudet wor-


den, wo sich, wie Michelangelo (Lettere pittoriche VI, 9) scherzte, sogar


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Fig. 50. S. Peter. Peruzzi’s Grundriss.


Falschmünzer hätten festsetzen können. Das erhaltene hölzerne Modell und ein grosser Kupferstich der Vorderansicht beweisen ausserdem eine Vorliebe für Eintheilung in viele kleine Theile und für ein schon sehr zweifelhaftes Detail. Nur Weniges ist von Antonio ausgeführt.

Endlich übernahm Michelangelo 1547 in seinem 72. Lebensjahre den Bau, weil ihn Gott dazu bestellt hatte (Lettere pittor. VI, 10), aus Liebe zu Gott und Andacht zum Fürsten der Apostel (Breve Pauls III.), und behielt, denselben bis an sein Ende (1564), damit nicht durch seinen Rücktritt einigen Schurken ein Gefallen geschehe, ja der Bau völlig liegen bleibe (Lett. pittor. I, 6). Nur ein bereits errungener höchster und alter Ruhm des Meisters machte es möglich, dass Paul III. ihm eine absolute




IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


Vollmacht gab und dass die folgenden Päpste bei Michelangelo’s Lebzeiten sowohl als nach seinem Tode seinen Plan (Fig. 51) schützten und weiter- führten, bis Sixtus V. 1590 die Kuppel vollenden konnte. Die Anlage des Ganzen zeigt die schönste und wirkungsvollste Vereinfachung der Centralpläne des Bramante und Peruzzi; die Fassade mit prachtvoller freier Säulenstellung würde sich der Kuppel völlig untergeordnet haben. (Abgebildet, so wie sie werden sollte, u. a. auf den Kupferstichen des Jubiläums von 1600.) Die äussere Bekleidung der ganzen übrigen Kirche nicht durchaus glücklich, übrigens jetzt auch da- durchbeeinträchtigt, dass die so wesentlich dazu gehörende abschliessende Balustrade nur an weni- gen Stellen ausgeführt ist. Ueber diesem Allem ragt die in ihrer nun- mehrigen Gestalt dem Meister allein gehörende Kuppel. Die welthisto- rische Stellung Michel- angelo’s beruht auf den verschieden sten Thätig- keiten, sein Grösstes aber ist doch wohl, dass er die Sehnsucht der gan- zen Renaissance erfüllte durch den Bau dieser voll- endet herrlichen Riesen- kuppel mit dem licht- strömenden Cylinder.

So war durch den Genius und die Willenskraft der grössten Meister die Kirche als Centralbau nahezu vollendet und wirkte als solcher 40 Jahre lang auf das Abendland. Erst Paul V. liess seit 1606 das jetzige unglückliche Langhaus davor bauen.


Fig. 51. S. Peter. Michelangeio’s Grundriss.


§• 67.

Andere Centralbauten des XVI. Jahrhunderts.

Während dieses Baues entstanden überall in Italien vorherrschend centrale Kirchenanlagen im grössten wie im kleinen Massstabe, einige



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Erstes Buch. Architectur.


in ihrer Art sehr vollkommen, andere merkwürdig als Zeugnisse einer starken künstlerischen Gährung.

Der jüngere Ant. Sangallo pflegte bei seinen zahlreichen Kirchen- bauten nur die centrale Form: S. M. di Loreto in Rom (schon 1507) als Achteck, die beiden Tempietti im Bolsener See, zwei Projecte für S. Gia- como degli Incurabili zu Rom, Kirchen in Foligno und Montefiascone etc. Vasari X, p. 3, 7, 35, 44, 64, 66, v. di Ant. Sangallo, sammt Commentar.

Jacopo Sansovino, der 60 Kir- chenentwürfe fertig liegen hatte, konnte doch nur eine ovale und eine quadratische Kirche (S. Martino in Venedig) mit centraler Anlage ausführen; Vasari XIII, p. 88, v. di Jac. Sansovino; — Francesco Sansovino, Venezia, foL 97. Sein Plan für S. Giovanni de’ Fiorentini zu Rom, mit einer grossen Mittel- kuppel und vier halben (oder gan- zen?) Kuppeln auf den Armen des griechischen Kreuzes, wurde von Leo X. ausdrücklich um dieser Form willen den Plänen der Mitbewerber vorgezogen, aber nicht ausgeführt; Vasari 1. c. p. 80. Seine ausgeführ- ten Kirchen sind sonst lauter Lang- bauten. (Von den fünf Plänen, welche Michelangelo für die eben genannte Kirche entwarf, vgl. §. 60, glaubt Letarouilly, edifices de Rome moderne, Texte p. 541, einen er- mittelt zu haben, und zwar einen grossen Kuppelbau.)

Bernardino Zaccagni 1521 : la Steccata in Parma, griechisches Kreuz mit runden Abschlüssen, Kuppel und niedrigen Eckcapellen, als Masse von schöner Wirkung.

Sanmicheli: die runde Capelle an S. Bernardino zu Verona (Fig. 52 und 5 8) , innen die antiken F ormen geistvoll und prächtig durchgeführt bis in die Cassetten der sphärischen Kuppel; —

Madonna di Campagna, vor Verona gelegen (Fig. 54 und 55), erst nach S.’s Tode (1559) und ungenau ausgeführt, grosse Rundkirche von sehr eigenthümlicher Anordnung; Vasari XI, p. 121, v. di Sanmicheli. Vgl. p. 123, Nota, die achteckige Hauscapelle einer Villa.




IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen. H3

Gristoforo Solari, gen. il Gobbo: S. M. della Passione zu Mailand 1530, gewaltiges Octogon mit untern Ausbauten und Zeltdachkuppel, bis 1692 reiner Centralbau (Fig. 56); die untern Theile so edel und einfach, dass sie einem frühem Bauanfang von 1483 angehören könnten; —

von demselben Solari der zierliche achteckige Hochbau bei Riva (Tessin), aussen unvollendet (Fig. 57 und 58).

(Girol. Genga: S. Giovanni Battista in Pesaro, von Vasari XI, p. 91, v. di Genga, höchlich gerühmt, ebenfalls Gentralbau?)


Fig. 53. Cap. in S. Bernardino zu Verona.



Fig. 55. Madonna di Campagna bei Verona. (L.)


Fig. 56. S. Maria della Passione zu Mailand. (L.)


Galeazzo Alessi: S. M. di Garignano zu Genua 1552, von hoher j Raumschönheit des Innern; das Motiv von S. Peter in völlig freier und neuer Anwendung (Fig. 59 und 60).

Im V. Buche des Serlio 13 Idealpläne von Kirchen, darunter 11 Central- bauten, meist weihelose Phantasien seiner Reissfeder und seines Zirkels, profan und wunderlich, z. B. ein Fünfeck und (zum erstenmale?) zwei Ovale. Der Cylinder gering oder ganz weggelassen, doch fast lauter Ober- licht, das Serlio auch sonst (z. B. L. III, fol. 50) hoch zu schätzen wusste; die Kuppelhöhe kaum gleich dem Halbdurchmesser , wie fast überall vor der wundervollen, mehr parabolischen St. Peterskuppel. Serlio s Klage

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Auü. 8



114


Erstes Buch. Architectur.


über die unfromme Zeit, um 1540 (§. 10); er selber war andächtig; Gaye, carteggio II, p. 170*).

Campanella, gegen Ende des Jahrh., beschreibt in seiner Sonnenstadt einen prächtigen auf Säulen ruhenden Rundtempel; der einzige Altar, mit Erd- und Himmelsglobus, steht in der Mitte*

Der Barockstyl hielt nicht nur das griechische Kreuz, oft mit Eck-


Fig. 57. S. Croce in Riva.

capellen, sondern auch die Rundkirche mit Nischen, leider auch die Oval- kirche durch ziemlich häufige Anwendung am Leben, und noch aus seinen spätesten Centralbauten würde sich Manches lernen lassen, wenn m an lernen wollte.

Erst der Barockstyl drang hier zu übereinkömmlichen Durchschnitts-


  • ) Die Ovale des Serlio sind nicht etwa rechtwinklige Tonnengewölbe mit

halbrunden Abschlüssen, sondern wirkliche Ellipsen.



IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


115


formen durch, wobei nur die grossem oder geringem Baumittel über das Einzelne entschieden. (Aeussere und innere Ausstattung des Cylinders £öit Pilastern, Säulen etc.; Ueberhöhung durch eine Attica; Vorzug der Rundform vor dem Polygon, der Galotte vor dem Zeltdach; geistvolle Behandlung der untern Hauptstützen, zumal in Gestalt von Schrägpfeilern mit Pilastern oder vortretenden Säulen; das Ganze womöglich ein Hoch- bau auf relativ geringer Grundfläche, mit reinem Oberlicht aus Kuppel, Kreuzarmen und Fenstern des Chorgewölbes. — Reihe von kühnen Com- binationen des Centralbaues beim Pater Guarini im XVII. Jahrh.)


Fig. 58. S. Croce in Riva. Fig. 59. Madonna di Carignano in Genua.


§• 68 .

Sieg des Langbaues zu Gunsten der Fassaden.

Die Macht der Gewohnheit seit dem Mittelalter und der Wunsch im Anbau von Capellen und Nebenräumen nicht genirt zu sein, sicher- ten, trotz aller Sehnsucht der wahren Kunst, dem Langbau doch das Uebergewicht über den Centralbau, dessen Aeusseres gegen jede Störung höchst empfindlich ist. Man benützte fortwährend das System des Centralbaues für Chorbau und Kuppel, befreite aber die Fassade von jeder Rücksicht auf das Ganze.

Die Einbusse war grösser als es beim ersten Anblick scheint. Im Bewusstsein, dass eine Harmonie zwischen einem solchen Chorbau und der Fassade unmöglich sei, gab man die Durchbildung des Aeussern am Langhaus überhaupt preis ; Kunst und Mittel concentriren sich auf zwei von einander entfernte, disparate Stücke, Kuppel und Fassade. Der Central-




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116 Erstes Buch. Architectur.

bau hatte entweder die Fassaden zu entbehren (durch halbrunde Ab- schlüsse) oder vermöge der Kuppel die sämmtlichen Fronten so zu beherr- schen gewusst, dass deren fassadenartige Ausbildung sich von selbst ergab und von aller müssigen Formenschaustellung und isolirten Verherrlichung frei blieb.



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Fig. 60 . Madonna di Carignano. Durchschnitt.


Fassaden des L. B. Albert i.

Wie in der gothischen Zeit, so blieben auch im XV. Jahrh. die Fassaden der wichtigsten Kirchen vor lauter grossen Absichten pro- visorischer Kohbau.

Mit Ausnahme Venedigs, dessen Fassaden (§. 43) nicht massgebend sind. Es gibt keine bedeutende Fassade von Brgnellesco, Michelozzo,




IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen


117


Rosellino, beiden altern Sangallo, Cronaca etc. — Dass die Fassade, wesentlich jetzt nur eine Umdeutung der mittelalterlichen, so wenig wie diese dem wirklichen Durchschnitt des Langhauses entsprach, sondern beliebig über die Dächer emporragte, versteht sich von selbst.

Durch L. B. Alberti stellt sich der Typus im Allgemeinen fest: eine oder zwei Ordnungen, in Halbsäulen oder Pilastern, dazwischen die Thüren und Fenster; bisweilen ein Griebel nach antikem Tempel- vorbild; die Vermittlung des schmälern obern Stookwerkes mit dem untern öfter durch grosse Seitenvoluten statt durch einfachen Ansatz der Pultdächer.


Fig. 61 . S. Francesco zu Rimini.


Alberti fasst a. a. 0. (§. 57) bei Anlass von S. Francesco (1447) die Fassade schon principiell als besonderes, maskirendes Prachtstück (Fig. 61) ; wer ihm an den Ordnungen etwas ändern wollte, würde tutta quella musica verstimmen. Ausgeführt ist jene Fassade nur bis etwas über das Erdgeschoss, welches eine prächtige corinthische Halbsäulenord- nung, dem nahen Augustusbogen nachgeahmt, enthält.

S. Andrea zu Mantua (Fig. 62), erstes Beispiel einer erzwungenen scheinbaren Tempelfronte; vier Pilaster fassen eine mächtige Thürnische und auf den Seiten rundbogige Fenster und kleinere Nischen ein ; darüber ein Giebel. (Ueber die Proportionen solcher Giebel: de re aedificatoria L. VII, c. 11.)




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Erstes Buch. Architectur.


An S. M. novella in Florenz (Fig. 63) incrustirte A. über dem mittel- alterlichen Erdgeschoss den obern Theil der Fassade und gab das erste Beispiel der vielleicht nur im Styl der Incrustation erlaubten Seitenvoluten.

Unten ist die schöne Einfassung der Haupt- thüre (vgl. §. 48) von ih m.

Eine Vorschrift, welcher A. selber nie nachgelebt hat: de re aedif. L. VII, c. 4, wo er einen vor der ganzen Fronte hin- laufenden Porticus mit einem grossem und irgendwie auszuzeichnenden mittlern Inter- vall verlangt.


§. 70 .

Andere Fassaden der Früh- , renaissance.


Fi g. 62. S. Andrea zu Mantua.


ff



Die Gesammtb eh andlung dieser Fassaden des XY. Jahrh. hat meist etwas Zaghaftes und Spielendes, da man sich noch auf den vermeint- lichen absoluten Werth der antiken Einzelformen verliess und sie

noch nicht auf die Wirkung hin gestaltete und combinirte. Die kleinsten sind in der Regel die besten.

Bisweilen hilft der Stoff und das schöne Detail. In Rom hat der ernste Travertin immer Würde; Baccio Pintelli: S. M. del popolo, S. Agostino (berüch- tigt durch Hässlichkeit der Vo- luten, die auch Pintelli’s gering- sten Bau , die Gathedrale von Turin, verunzieren).

Die Fassade des Domes von Pienza, um 1460 von dem Flo- rentiner Bernardo di Lorenzo (?), einem Langhaus von 3 gleich hohen Schiffen entsprechend, in sehr massigen Formen kräftig gegliedert; hier zum erstenmal gehen durch den Giebel zwei Pilaster hindurch, welche eine Fortsetzung der untern Wand- pilaster sind.

In Venedig geben Incrustation und verzierte Friese und Pilaster immer


Fig. 68. S. M. Novella zu Florenz.




IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


HD


eine festiva et hilaris facies; vgl. Sabellicus, de situ ven. urbis, fol. 84,

87; selbst vom Lazareth heisst es fol. 92: usus tristis, sed frons loci laetissima.

In den Backsteingegenden (§. 44, f.) bald mehr originelle und freie Umdeutung der classischen Formen (S. Pietro in Modena, Madonna di


Fig. 64. Madonna di Galliera in Bologna. (NohL)


Galliera in Bologna Fig. 64), bald liebevolle und solide Uebertragung der- selben (Fassade von S. Satiro in Mailand, §. 46).

Kleine Fassaden werden geradezu zu Prachtpforten: die originelle Misericordia zu Arezzo; die Gonfraternita di S. Bernardino zu Perugia, 1456 oder 1461 von Agostino di Guccio; S. Spirito in Bologna.

Anspruchslos anmuthig: die kleinen Fassaden des Francesco di Giorgio .zu Siena, S. Gaterina, S. M. delle nevi.



120


Erstes Buch. Architectur.


Grössere Fassaden haben immer etwas Mageres und Schwächliches, z. B. an den Kirchen aus jener Zeit in Neapel, Ferrara etc., selbst an S, M. dell’ Anima zu Rom (1500, angeblich von Giul. da Sangallo), ob- gleich hier die Backsteinflächen, die steinernen Pilaster und andere Gliede- rungen und die schöne mittlere Pforte fein zusammen gestimmt sind.

Von dem Goncurs (1491) für eine neue Domfassade in Florenz (§. 59) ist nur das Protocoll erhalten; Vasari VII, p. 238, ss., im Commentar zu v. di Giul. Sangallo. Florenz hielt es mit diesem Bau wie mit seinen Verfassungen; im XIV. Jahrh. hatte Arnolfo’s Entwurf wegen zu grosser Einfachheit der Fassade des Giotto weichen müssen; jetzt, zu Ende des XV. Jahrh., hiess letztere »regelwidrig«, sine aliqua ratione aut iure archi- tecturae, doch riss man, was davon vollendet war, noch nicht ab, wie diess 1586 bei einem ähnlichen Goncurs geschah.

Theils das Vorbild altchristlicher Basiliken, theils wohl eigene Rathlosigkeit , theils Albertus Vorschrift (§. 69) mag gewisse Archi- tecten vermocht haben, Vorhallen vor die Kirchen zu legen. Doch benehmen dieselben, zumal wenn sie ein Obergeschoss erhalten, dem Gebäude leicht den kirchlichen Character.

S. Pietro in Vincoli und SS. Apostoli zu Rom, von Pintelli; — S. Marco zu Rom (Fig. 65), vielleicht von Francesco di Borgo S. Sepolcro ; — S. Bartolommeo a Porta ravegnana zu Bologna, von Formigine.

An der kleinen Garmeliterkirche S. Maria bei Arezzo tritt die Vor- halle, ein schöner Bau des Benedetto da Majano (?), auf beiden Seiten zwei Bogen weit über die Fassade vor. (S. oben Fig. 2 zu §. 35.)

Bei Verdoppelung der Halle wird die Fassade leicht zur profanen Loggia, was das Mittelalter (an S. Ambrogio zu Mailand) und später sogar der Barockstyl (an S. M. maggiore und an S. M. in via lata zu Rom) recht wohl zu vermeiden wussten, während die Doppelhalle am Querbau des Laterans, sonst ein schöner Bau des beginnenden Barockstyls, gegen den Obelisken hin, etwas Profaneres hat.

Auch ältere Kirchen erhielten überhaupt jetzt neue Vorhallen: der Dom von Narni 1497, der Dom von Spoleto (diese von edler Pracht, angeblich von Bramante) und etwas später S. M. in navicella zu Rom (Fig. 66, einfach schön, von Rafael).

§* 71.

Die Fassade der Certosa bei Pavia,

Ausser aller Analogie steht die Fassade der Certosa von Paviä, weltberühmt durch ihren überreichen Schmuck (§. 51 und §. 136), und abgesehen von demselben vielleicht die bestgedachte des XV. Jahr-


IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen. 121

hunderts. Ihr Motiv, unabhängig von den antiken Ordnungen, ist das der romanisch-lombardischen, abgestuften Kirchenfronten mit vortreten- den Pfeilern und querdurchlaufenden Bogengalerien; innerhalb dieser festgeschlossenen Formen beherbergt sie allen erdenklichen Reichthum in weiser Abstufung des Ausdruckes.

Verf. bekennt , diesem Gebäude früher Unrecht gethan und nach mehrmaligem Besuch seine Meinung geändert zu haben.


Figv65, Fassade von S. Marco in Rom.


Urheber war nach allgemeiner Annahme der Maler Ambrogio Bor- gognone 1473. Die Pfeiler lösen sich wie schon in der lombardischen Gothik z. B. am Dom von Como, in lauter Nischen mit Statuen (§. 51) auf. Die Abstufung des Schmuckes ist folgende: am Erdgeschoss, dem Auge am nächsten, Sculptur und gemeisselte Decoration in weissem Mar- mor; im mittlern (jetzt obersten) Stockwerk Flächen und Einfassungen mi t Marmor verschiedener Farben incrustirt, hier ganz am rechten Orte; ein oberster Aufsatz sollte consequenter Weise ein colossales Mosaikbild in einer kräftigen, giebelgekrönten Einfassung enthalten, wie man aus



122


Erstes Buch* Architectur.


einer . alten Abbildung sieht. (Palazzi diversi nell’ alma cittä di Roma, ed. Gio. Batt. de’ Rossi 1655, auf einem der letzten Blätter.)

Eine ähnliche, nur viel bescheidenere Umdeutung des romanischen Princips: die Marmorfassade der Cathedrale von Lugano, wahrscheinlich von Tommaso Rodari.


Fig. 66. Vorhalle der Navicella zu Rom. (Nach Letarouilly.)

§• 72.

Fassaden der Hochrenaissance.


ü


1


Jahrh. ist die Kirchenfassade ein Hauptgegenstand der verstärkten, wirksam gemachten Formensprache (§. 49). Kur wurden die besten Kräfte zunächst wiederum ausgegeben an Entwürfe, welche nicht zu Stande kamen und an Decorationsfassaden bei Festen (§. 50).

Goncurs v. 1514 im Aufträge Leo’s X. für die Fassade von S. Lorenzo in Florenz; unter den Entwürfen des Rafael, des einen Sangallo, der beiden Sansovino und des Michelangelo muss der des letztem einige Zeit sicher als der auszuführende gegolten haben ; die frühste Fassade mit vor- tretenden Säulen wenigstens im Erdgeschoss (§. 37, vgl. 43) und mit bisher unerhört starker Mitwirkung von Reliefs und Statuen (laut der



IX, Kapitel. Die Composition der Kirchen.


123


unvollständigen Skizze im Pal. Buonarroti). Vgl. Vasari XII, p. 201, Nota, v. di Michelangelo ; XIII, p. 77, s., v. di Jac. Sansovino. — Beide Motive, vortretende Säulen und Zuthat von Sculpturen, längst vorbereitet z. B. in den Architecturen paduanischer und ferraresischer Gemälde und in den Festbauten, zumal Triumphbogen.

Eine analoge, noch viel grössere Pracht muss gewaltet haben in der Decorationsfassade am Dom, bei demselben Besuch Leo’s X. 1514, einem riesigen Triumphbogen mit einer Masse von Scheinreliefs und Statuen.

Als die herrlichste Arbeit dieser Zeit bezeichnet Vasari anderswo den nicht ausgeführten Entwurf des Girol. Genga für den Dom von Man tua (XI, p. 91, v. di Genga; vgl. oben §. 5, 67).

Ueber die Fassaden, welche die verschiedenen Meister für S. Peter in Born ausgedacht hatten, ist auf das Werk v. Geymüller’s zu verweisen.

Serlio’s damalige Theorie über die Ordnungen an Fassaden (L. IV) : s die dorische für Kirchen heldenmüthiger und ritterlicher Heiligen, die j corinthische für Kirchen der Madonna und heiliger Jungfrauen, die ionische I für Heilige fra il robusto et il tenero, z. B. für heil. Matronen. j

Serlio gibt den Gliederungen gerne ein starkes Relief, wie z. B. der

Aufriss L. VII, p. 110 mit Dreiviertelsäulen und vorgekröpften Gebälken beweist.

Die Obelisken, Candelaber, Statuen u. s. w., welche Ecken und Mitte der Fassaden krönen und gleichsam eine überschüssige Kraft derselben in die Luft ausklingen lassen, werden besonders reichlich in dieser Zeit angewandt ; s. die mit Obelisken beladene Fassade von S. M. dell’ Orto zu Rom (Giulio Romano?) und des jüngern Sangallo’s Project für S. Peter, wo man freilich in den vielen »aguglie« ein gothisches Element erkannte; Vasari X, p. 17, v. di Ant. Sangallo. In der That hatte schon die Früh- renaissance solchen Schmuck, zum Theil als Erbstück aus dem Gothischen, hie und da gebraucht (§. 19).

§. 73.

Fassaden der Nachblüthe.

In der Periode von 1540 bis 1580 (vgl. §. 56) stellt sich haupt- sächlich in Rom derjenige Durchschnittstypus der Fassaden fest, welcher dann auf den Flügeln der Gegenreformation in alle Welt getragen wurde. In all seinen verschiedenen Schattirungen strebt derselbe jedes- mal nach einer conventionellen Harmonie, welche für jene Zeit eine vollkommene Wirklichkeit hatte.

Die wahrste Aufgabe der Renaissance, der Centralbau konnte, wie hier absichtlich wiederholt werden muss, entweder die Fassaden entbehren



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Erstes Bach. Architectur.


oder er ordnete sie dem Ganzen, zumal der Kuppel, unter. Die einseitige Ausbildung der hievon emancipirten Fassade war ein Unglück. Allein sie bildet nun einmal, wie Alberti ominöser Weise schon 1447 gesagt hatte, eine musica, und man wird dereinst wieder von ihr lernen, wenn gewisse Täuschungen aus der Architectur unseres Jahrhunderts geschwun- den sein werden.

Die Fassade Einer Ordnung, wie sie jetzt besonders Palladio liebte, ist von der Bauwahrheit um einen Schritt weiter entfernt als die von zwei Ordnungen, weil sie auf den Breitenunterschied von Oberbau (Mittel- schiff) und Unterbau (Nebenschiffe oder Gapellenreihen) keine Rücksicht nimmt; dazu ist sie schweren Disharmonien des Einzelnen unterworfen.

Die nunmehrigen Elemente der Fassade von zwei Ordnungen, wie sie sich damals festsetzen und bis tief in die Barockzeit behaupten, sind folgende :

Die Ordnungen, unten meist corinthisch oder dorisch, oben Composita, sind ausgedrückt vorzugsweise in blossen Pilastern, seltener in Halb- oder Dreiviertelssäulen oder isolirten Säulen mit Begleitung von Pilastern; — ihre Gruppirung dient dazu, die Fassade zu gliedern ; — Friese und Archi- trave schmucklos; — leises Vortreten des mittlern Theiles der Fassaden- fläche und folgerichtig auch [des Giebels; — kräftige Bildung der Haupt- pforte, etwa mit vortretenden Säulen, wenn sonst die Wandordnungen nur aus Pilastern bestehen; — Nischen, — vertiefte quadratische Felder, welche als Andeutung von Reliqfs gelten mögen; — mächtige Bildung des Hauptfensters ; — - Schmuck von Laubwerk und Gartouchen , etwa von Gapitäl zu Gapitäl gehend; — hie und da der Dachrand mit Balu- straden, Statuen und Akroterien geschmückt; — die Voluten derb gebildet; — diess Alles proportional zusammengestimmt sowohl in Beziehung auf die Grösse als auf die stärkere oder massigere Plastik der sämmtlichen Theile.

Besonders einflussreich: die Fassaden von S. Spirito in Rom (von Ant. Sangallo d. J.); — jsya-

/tiCd-S. Gaterina de’ Funari und S. M. de’ Monti (Fig. 67, von Giacomo della Porta, der unter Michelangelo’s Einfluss stand); —

S. M. traspontina (von Salustio Peruzzi, dem Sohn des Baldassar); —

lauter mittlere und selbst kleine Bauten, und desto brauchbarer als Vorbilder.

Häufig hat, zumal an kleinern Kirchen, das Obergeschoss der Fassade die volle Breite des untern, sodass grosse Theile davon in der Luft stehen.

Das XVII. Jahrh. vervielfachte dann die Glieder, betonte sie stärker und begann sie endlich zu brechen und zu schwingen.


IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen.


125


§. 74.

J

InnereAnlage der Langkirchen; Basiliken.

Unter den longitudinalen Anlagen schien zu Anfang der Renais- sance die Basilica oder flachgedeckte Säulenkirche die erste Stelle einnehmen zu wollen. Sie trat indess bald zurück, weil sie sich nur


schwer an einen Chorhau mit Kuppel, die begünstigte Form, an- sehliessen liess.

Italien besass damals noch die gewaltigen Basiliken der christlichen Urzeit, alt S. Peter und S. Paul in Rom, den Dom von Ravenna etc. Man erkannte auch den Werth dieser Bauweise wohl. Die venez. Ge- sandten von 1523 (§. 42) nennen S. M. maggiore in Rom die schönste der 7 Patriarchalkirchen, chiesa molto allegra. Julius II., der als Cardinal die Kirche SS. Apostoli zu Rom herstellte, fand einen Stolz darin, die Tribuna riesig gross neu zu bauen ; Vitae Papar., bei Murat. III, II, Col. 1064


126


Erstes Buch. Architectur.


Alte Basiliken erhielten jetzt bisweilen herrliche Cassettendecken so

S. Marco zu Rom (durch Giuliano da Majano?), S. M. maggiore (durch Giul. Sangallo). Vgl. §. 158.

Auf Brunellesco machten notorisch die florentinischen Basiliken der Protorenaissance (§. 17) grossen Eindruck. Offenbar hielt er die Basilica für die angemessenste Gestalt der Langkirche.


S. Lorenzo in Florenz (Fig. 68 u. 70) unter seiner Aufsicht, S. Spirito (kig. 69) später nach seinem Modell (§. 59) gebaut. Vorzüglich an S. Lorenzo entwickelt er die ganze Macht und Bedeutung seines Säulen- baues mit Bogen (§. 85) und die volle Reife des Raumgefühls. (Das Intervall von Säule zu Säule == dem von der Säule zum entsprechenden Wandpfeiler und = der Hälfte des Mittelschiffes.) In den rechteckig ge- stalteten Nischen der Langwände sollten Malereien die ganze Tiefe aus- füllen; Vasari I, p. 38, in seinem eigenen Leben. Die Kreuzungskuppeln in beiden Kirchen anspruchslos und nicht B.’s Werk. Der Chor in

S. Lorenzo einfach quadratisch nach Art mancher Bettelordenskirchen;


IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen. 127

in S. Spirito die Säulenhalle um Querschiff und Chor herumgeführt, mit reichem Durchblick aber profan wirkenden zweitheiligen Abschlüssen; die sämmtlichen Wände hier in halbrunde Nischen aufgelöst. Aussen hat S. Lorenzo römisches Gebälk über der glatten Mauer; sonst beide Kirchen ganz schlicht, die Fassaden Rohbau.

In Toscana sonst aus dem XV. Jahrh. nur noch: der Dom von Gor- tona mit (falschem oder echtem?) Tonnengewölbe.

Alberti (L. VII), der auch hier Heidnisches und Christliches vermengt, rühmt doch deutlich an der Basilica (gegenüber der gewölbten Bauweise) die bessere Akustik, gestattet gegen sein sonstiges Yorurtheil (§. 35) hier Bogen über den Säulen, redet sogar von Basiliken mit Obergeschoss und


Fig*. 70. S. Lorenzo zu Florenz.


grossen Fenstern in der Mauer darüber , verlangt für letztere metallenes Gitterwerk, und beschreibt Profilirung und Zierrath der Deckencassetten und deren wohlthätige Abwechselung mit Rundfeldern. Doch zieht er das Wölben vor wegen grösserer dignitas und Sicherheit gegen Brände.

In Oberitalien gibt es eine bedeutende Gruppe von Säulenkirchen mit Tonnengewölben ; welche von niedrigen Kuppeln unterbrochen werden oder damit beginnen und schliessen.

Vgl. hierüber Lübke, Gesch. der Architectur, V. Auf!., S. 693, f.

S. Francesco in Ferrara, 1494, von Pietro Benvenuti; —

S. Benedetto ebenda, um 1500, von Gio. Battista und Alberto Tri- stani ; —


Erstes Buch. Architectur.


S. Sisto in Piacenza, gegen 1500, vermuthlich von Bern. Zaccagni. (Vgl. §. 80.)

Die Nebenschiffe, mit lauter Gupoletten bedeckt, öffnen sich gegen Reihen von tiefen Capellen; reiche Rundschlüsse des Chores und der Querarme, üppige Decoration, aber fast gänzlicher Mangel an Oberlicht.

Einfachere Basiliken mit Tonnengewölbe: S. M. in Organo zu Verona, 1481, — und S. Bartolommeo a Porta ravegnana zu Bologna.


Flachgedeckte Basiliken: S. M. in vado zu Ferrara, 1475 von Biagio Rossetti und Bart. Tristani, — S. Michele zu Venedig, 1466 von Moro Lombardo (§. 41, 43), — SS. Piero e Paolo auf Murano, 1509.

S. Zaccaria in Venedig, 1457 von Martino Lombardo (Fig. 71), noch halbgothische Parallele zu den nordischen Hallenkirchen mit Kreuzgewölben auf Rundsäulen.

Servi (oder Concezione) in Siena (Fig. 72 u. 73), Säulenkirche mit Kreuzgewölben, in den Seitenschiffen sogar noch spitzbogig, angeblich von Baldassar Peruzzi. (Vgl. die Details §. 36, Fig 5.)




IX. Capitel. Die Composition der Kirchen.


129


Später nahm sich (in Genua und Neapel) der beginnende Barockstyl wieder der Basilica an. Die in ihrer Art grossartige Annunziata zu Genua, von Giacomo della Porta; S. Filippo in Neapel etc.)

§. 75 .

Flachgedeckte einschiffige Kirchen.

Viel häufiger tritt die flachgedeckte einschiffige Kirche mit Capellen- reihen zu beiden Seiten auf. Es wird diess die wesentliche Form der meisten Ordenskirchen ; welche in Italien von jeher einschiffig und


Fig. 72. Servi zu Siena. (L.) Fig. 73. Servi zu Siena. Querschnitt. (L.)


Anfangs wie es der Zufall brachte, in der Folge aber symmetrisch mit angebauten Seitencapellen versehen wurden.

So S. Francesco und S. Domenico in Siena etc. Jetzt öffnete man die Maner regelmässig in lauter Capellen, verstärkte aber die Pfeiler da- zwischen zu seitwärts hinauslaufenden Mauern, welche die Balkendreiecke des Daches mit Sicherheit trugen. Man erreichte dabei ein Hauptziel der Renaissance: die freie Breite des Mittelschiffes, und gewöhnte das Auge so daran, dass es dieselbe dann auch in den Gewölbekirchen verlangte.

Das künstlerische Problem liegt wesentlich in dem Verhältnis der Breite des Schiffes zur Höhe und Länge und in der Gestalt der Gapellen- eingänge. (Alberti’s Annahmen de re aedific. L. VII, c. 4, die Capellen müssten in ungerader Zahl und von dieser und jener bestimmten Oeffnungs-

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 9



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Erstes Buch. Architectur.


weite sein, sind ganz willkürlich.) Letztere von einfachster Pilasterord- nung bis zu triumphbogenartigem Reichthum. Die Capellen selbst können kleiner und zahlreicher oder grösser und weniger sein, — grössere oder geringere Tiefe besitzen; — der Altar kann jedesmal an der Ostwand stehen und dann das volle Licht eines Seitenfensters geniessen, — oder die Mitte der Capelle, sei es eine flache Hinterwand oder eine halbrunde Nische einnehmen, wobei er kein eigenes Licht oder das von zwei Seiten- fenstern hat. Die Capellen sind bisweilen Schatzkammern der Malerei und Sculptur, während sich hier die Baukunst auf ein Noththeil be- schränkt, wenn ihr nicht besondere Ausbauten, Capellen mit eigenen Kuppeln u. dgl. bewilligt werden.

Die Obermauern erhalten eine zweite Pilasterordnung oder decorative


Malereien. Der Eingang zum Chor geschieht gerne durch einen grossen , Bo gen. Den Fassaden ist diese Anlage günstiger als die Basilica, wegen Breite des Mittelschiffes.

Einige grosse Baumeister haben auch diesem bescheidenen Typus einen unvergänglichen Werth verliehen.

Giul. da Sangallo: S. M. Maddalena de’ Pazzi in Florenz, etwa 1470 bis 1480.

Cronaca um 1500: S. Francesco al monte ebenda, »la bella villanella«  (Fig. 74). — Heisst auch S. Salvatore del monte.

Jacopo Sansovino: S. Marcello in Rom und später, vielleicht unter dem Einfluss eines Pedanten (§. 57), S. Francesco della Vigna in Venedig, 1534.

Ant. Sangallo d. j. : S. Spirito in Rom (§. 73).

In Neapel ist diess die vorherrschende Kirchenform der guten Zeit: Kirche Monteoliveto etc. ; — in S. M. delle Grazie, von Desanctis um 1530, triumphbogenartige Gapelleneingänge. — In Neapel die Gassetten der Flachdecke durchgängig durch grössere Felder mit Malereien auf Tuch- flächen verdrängt.


Einschiffige Gewölbekirchen mit Capellenreihen erreichen im XV. Jahrh. selten eine genügende Ausbildung ; werden aber um die Mitte des XVI. Jahrh. in einer glücklichen Umgestaltung zum vor- herrschenden und bald in den ganzen catholischen Welt gültigen Typus.

Alles hing hier von den Schicksalen des Gewölbes ab. Das reine Tonnengewölbe, welches eigentlich nur dann schön ist, wenn es als I dunkler Durchgang zwischen zwei lichten Räumen wirkt (s. die Halle in


. 76.


Einschiffige Gewölbekirchen.




IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen.


Rafaels Schule von Athen), bleibt entweder zu dunkel, oder es erhält ein fatales Untei licht. Brunellesco s Badia bei Fiesoie, mit Tonnengewölbe über Haupt - und Querschiff und kuppehchtem Gewölbe über der Kreuzung






B



Fig. 74. S. Francesco al Monte bei Florenz. (Nacli Schill gez, von Riess.)

gibt als Bau der höchsten Einfachheit keinen Massstab ; selbst die Capellen öffnen sich einzeln gegen das Schiff, ohne einfassende Ordnung. Vgl. §.81.

Alberti’s Langhaus von S. Andrea in Mantua (Fig. 75), d’Agincourt, T. 52, mit cassettirtem Tonnengewölbe von 53 Fuss Diameter und 95 Fuss


! 1




132


Erstes Buch. Architectur,


Höhe, über je 3 durch Mauermassen geschiedenen Gapellen, die durch reiche Pilaster eingefasst sind. Die bemalte Cassettirung scheint gleich- zeitig ; das Hauptschiff zwar dunkel ; aber mächtig wirkend der Lichtein- fall durch die (neuere) Kuppel.

S. Giorgio in Verona, von Sanmicheli.

Kreuzgewölbe , welche Oberfenster gestatteten (§. 48), bei Pintelli, welcher in S. Pietro in Montorio zu Rom (1500) auf je eine Abtheilung

derselben unten je 2 Rundnischen hinaustreten lässt, — im Langhaus von S. M. della Pace, wenn dasselbe von ihm ist, nur je eine (1484).

Der geistreichste Bau : Monastero maggiore zu Mailand (Fig. 76), von Dolcebuono (§. 23, 48), für lauter Fresken und Decoration gebaut und doch schon ohne Rücksicht darauf schön. Ueber den Nischen des Erd- geschosses läuft ein oberer Gang ringsum, der nach aussen durch die Fensterwand, nach innen durch eine graziöse Säulen Stellung eingefasst ist; darüber die leicht gespannten, ob- longen, bemalten (§. 23) Kreuzgewölbe.

Der Umbau von S. Giacomo maggiore zu Bologna 1497 : zwischen die nach innen vortretenden Wand- pfeiler wurden je 3 zierliche Gapellen- nischen gelegt und das Schiff mit einer Folge von kuppelichten Gewöl- ben bedeckt.

™"' - Der wesentlichste Schritt zu

einer Normalform war, dass man zwar das Tonnengewölbe wieder vorzog, dasselbe aber mit Fenstern durchschnitt und die so entstehenden irrationellen Formen durch 'reiche Stuccaturen in Harmonie brachte.


Fig. 75. S. Andrea in Mantua,


Noch aus dem XV. Jahrh. : il Carmine zu Padua, Tonnengewölbe mit Reihen von Stichkappen und Halbrundfenstern (Fig. 77 und 78).

Mit dem Beginn der Gegenreformation vollendet sich jener höchst jeinflussreiche Bautypus, welcher ein nur mässig langes, aber möglichst 1 breites und hohes Mittelschiff (erhellt durch Fenster im Tonnengewölbe, j begleitet von grossen, aber nicht tiefen Gapellen) in die innigste Verbindung




IX. Kapitel, Die Gomposition der Kirchen.


133


setzt mit derjenigen Kuppelanlage, welche oben (§. 67) als die des Central- baues der Barockzeit geschildert worden ist. Die Kreuzarme treten im Grundriss kaum oder gar nicht über die Capellen des Hauptschiffs vor.

Der entscheidende Bau als Vorbild für grössere Kirchen: il Gesü in Rom, von Vignola.

Für kleinere Kirchen: S. Maria de’ Monti (Fig. 79 u. 80, vgl. 67), von Giac. della Porta, mit besonders schön stucchirtem Tonnengewölbe.


Fig. 76. S. Maurizio (monastero maggiore) zu Mailand. (Lasius.)

Die Einschnitte der Fenster bilden auf der cylindrischen Fläche des Gewölbes sog. Ohren. Auch die Halbkuppel des Chores erhält jetzt gerne Fenster. Sämmtliche Gewölbe jetzt nur noch selten rein construirt und gleichartig cassettirt, vielmehr einer freiem Construction und Decoration anheim gegeben.

(Palladio’s Redentore zu Venedig, ohne Gewölbedeeoration.)

Daneben dauern auch in einzelnen einschiffigen Kirchen die Reihen von kuppelichten Gewölben fort; S. Fedele zu Mailand, von Pellegrini, und dessen genaue Nachahmung: das Langhaus von S. Gaudenzio zu Novara.


134


Erstes Buch. Architectur.


§. 77.

Dreischiffige Gewölbekirchen.

Die dreischiffigen gewölbten Kirchen zeigen alle möglichen For- men; Ausschmückungs- und Beleuchtungsweisen. Die schönsten dar- unter sind solche, die aus relativ wenigen ; den Formen des Centralbaues sich nähernden Th'eilen bestehen.

t

Der Neubau von S. Peter, wie ihn Nicolaus V. haben wollte (um 1450), wäre eine riesige drei-, oder mit den Capellenreihen fünfschiffige



Fig-. 79 . S. Maria de’ Monti. (Nach Letarouilly.)


Kirche geworden, mit Kreuzgewölben und Rundfenstern an den Ober- mauern. Vitae Papar., bei Murat. III, II, Col. 933, ss.

Unter dem gewiss nicht glücklichen Eindruck dieses Entwurfes scheint Pintelli S. M. del Popolo in Rom (1471) und S. Agostino (1488) com- ponirt zu haben; Kreuzgewölbe; Oberlicht; die Pfeiler mit Halbsäulen. Vgl. §. 48. Ausserdem Einwirkung des Friedenstempels? — Von Serlio’s Entwürfen im V. Buch gehört der 11. hieher, der 12. zum vorigen §.

Der mächtigste Bau dieser Art, der 1486 von Cristoforo Rocchi (vgl. Milanesi II, 435, n. A. von Bramante) entworfene Dom von Pavia (Fig. 81 und 82) dreischiffig mit Kreuzgewölben und einem achteckigen Kuppelraum vom Durchmesser des ganzen Langhauses, blieb Fragment




IX. Kapitel* Die Gomposition der Kirchen. 135


und ist in seiner Vollständigkeit nur durch das erhaltene Modell (§. 59) bekannt.

S. Giovanni in Parma (Fig. 83 u. 84), dreischiffig mit Kreuzgewölben, von Bernardino Zaccagni, mit polygonen Capellen am Langhaus; reiche Bemalung der Bauglieder.


Drei Schiffe von gleicher Höhe mit Kreuzgewölben gab Pius II. seiner Kirche zu Pienza (Fig. 85), weil er diese Anordnung in einer östreichi- schen Kirche gesehen und schöner und der Beleuchtung günstiger ge- funden hatte; Pii II. Comment., L. IX, p. 430. Vgl. §. 8, 22, 83.

(Damals war auch der gothische Dom von Perugia noch im Bau?) S. M. dellh Anima zu Born 1500, das Innere von einem nordischen



136


Erstes Buch. Architectur.


Baumeister; auch hier gleiche Schiff höhen, Kreuzgewölbe — und hohe missgeschaffene Wandnischen.

Unter den Kirchen mit Tonnengewölben ist die Annunziata zu Arezzo vom altern Ant. Sangallo sehr schön; er wagte es, zwischen die Pfeiler- ■' Stellungen und das Gewölbe eine Mauer mit Fenstern zu setzen. Dazu die geistvoll angeordnete Vorhalle, die zierliche niedrige Kuppel, die Eleganz und weise Oeconomie des Schmuckes.


Dagegen verliert jedes Tonnengewölbe, das bloss aus den Nebenschiffen Licht empfängt, die kirchliche Weihe, so edel die Formen gebildet sein mögen: S. M. presso S. Gelso zu Mailand, angeblich von Bramante, dem n. A.

bloss die Vorhalle (§. 46), n. A. auch diese nicht gehört (die Fassade von Gal. Alessi); — auch Rafael mit seinem Tonnengewölbe über dem Mittelschiff von S. Peter (§. 66) würde diesem Uebelstand nicht entgangen sein; der jüngere Ant. Sangallo critisirte diess Schiff als lang, eng, hoch und überaus dunkel; Vasari X, p. 25, im Gomment. zu v. di Ant. da Sangallo. Auch würden Rafael’s Pfeiler, als Stützen eines so hohen Tonnen- gewölbes, schon ziemlich tiefe Goulissen ge- bildet, d. h. kaum mehr einen Schrägeinblick in die Seitenschiffe gestattet haben.

Die glücklichen Lösungen beginnen da ; wo die Longitudinalbewegung des Gewölbes (die Aufgabe des Gothischen) im Wesentlichen aufgegeben wird und das Langhaus sich in lauter einzelne kuppelartige Räume gliedert.


Fig. 81 . Octogon des Doms zu Pavia. (Nohl.)


Zuerst ein Unicum des Bramante: die in seine Cancelleria zu Rom eingeschlossene Kirche S. Lorenzo in Damaso (Fig. 86) ; ein länglicher Mittelraum, an beiden Enden mit Tonnengewölben, in der Mitte mit einer runden Hachkuppel bedeckt, welcher links das einzige Hauptlicht (ein grosses Halbrundfenster) entspricht; unten auf 3 Seiten Hallen; der Schluss eine Apsis.

S. Giustina in Padua, 1516 vollendet von Andrea Riccio (Fig. 87 und 88); Vasari IV, p. 113, Nota, v. di Vellano. Das Langhaus: die von Gapellenreihen begleiteten Seitenschiffe tragen Tonnengewölbe, diese aber die drei Flachkuppeln des Mittelschiffes ; — Querbau und Chor: in reichster Anordnung, mit runden Abschlüssen aller Räume und vier Hochkuppeln. Grossartigste Raum- und Lichtwirkung. (Die Gapitäle §. 53.)


IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.


137


S. Salvatore zu Venedig um 1534 von Giorgio Spavento (Fig. 89 u. 90), ausserordentlich schön, ohne eine solche pomphafte Chorpartie; das Motiv von S. Marco , die Kuppeln (hier drei nach einander) auf je vier breiten


Fig. 82 . Dom zu Pavia.


Bogen ruhend, die Eckräume als freie Durchgänge auf schlanken Pfeilern; die Kuppeln mit selbständigem Licht durch Lanternen.

(Dasselbe Hauptmotiv , aber mit drei Kreuzgewölben statt Kuppeln, schon um 1500 an S. Fantino.) ^ v , A

(Aehnlich an S. Sepolcro zu Piacenza.) fe j ^ ^

Der Dom von Padua, um 1550 von Righetto und della Valle, beruht


138


Erstes Buch . Architectur.


auf Inspirationen von diesen Gebäuden, von den §. 74 genannten ober- italischen Säulenkirchen und von Michelangelo her.

(Dreischiffige Benedictinerkirchen von verschiedener Anlage aus dieser und etwas späterer Zeit: S. Benedetto zu Mantua, — S. Giorgio maggiore zu Venedig, von Palladio, — la Badia de’ Gassinensi zu Arezzo, von Vasari, eine originelle, aber profane Anlage.)

(Als colossaler Wallfahrtsdom für die wieder catholisch werdende Welt: Madonna degli Angeli bei Assisi, dreischiffig mit Tonnengewölbe und mit mächtiger Kuppel über der Steinhütte des h. Franz ; von Vignola.)


Fi g. 83. S. Giovanni in Parma. (L.)


§■ 78.

Der Glockenthurm der Frührenaissance.

Der Glockenthurm, im Mittelalter meist getrennt von der Kirche, aber bisweilen als mächtiges Prachtstück behandelt, ist für die Re- naissance im Ganzen nur ein nothwendiges Uebel.

Giotto’s Campanile zu Florenz und der Thurm von Pisa genossen dauernder Bewunderung. — Der in mythischer Zeit begonnene Torrazzo



IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen


139


von Cremona, der höchste Thurm Italiens ; auf einer obern Galerie waren im XVI. Jahrh. Linien angegeben, welche nach allen Ortschaften in der Runde zielten (Anonimo di Morelli).

Der Marcusthurm zu Venedig, fast formlos, kostete 1498 schon über 50,000 Ducaten (Malipiero). Sein vergoldeter Helm strahlte dem heim- kehrenden Venezianer viele Meilen weit über das Meer entgegen velut saluberrimum sidus; Sabellicus, de situ Ven. urbis, fol. 89.


Fig. 84. S. Giovanni in Parma, Quer- und Längenschnitt. (L.)


Doch gab es Fälle, wo der Kirchthurm zugleich als Stadtthurm eine edlere Gestalt verlangte, und jedenfalls durfte er mit der Kirche nicht in allzugrosser Disharmonie stehen. Die Renaissance suchte auch ihn mit antiken Ordnungen, und zwar mit mehrern über einander zu bekleiden, bewies aber grosse Rathlosigkeit, zumal in Betreff des obern Abschlusses.

Hier erscheint das nordisch Gothische, dessen Thurm lauter organi- sches Leben und das Vorbild der ganzen Formen weit ist, im unvergleich- lichen Vortheil. Die antiken Ordnungen, schön abgestuft und mit wirk- samer Abwechselung von Pilastern, Halbsäulen und Freisäulen, können


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Erstes Buch. Architectur.


zwar einen relativ schönen Thurm hervorbringen helfen, obwohl man immer fühlen wird, dass der Thurmbau nicht auf diese Weise entstanden ist. Aber auch dieses massige Ziel wurde kaum erreicht.

Alberti’s Thurmtheorie, de re aedificatoria, L. VIII, c. 5, ein neutrales Product seiner Phantasie; viereckige Thürme sollen 6, runde 4 Diameter Höhe haben , oder jene mindestens 4, diese 3 ; der schönste Thurm aber


(turris decentissima) ist aus beiden Formen so zu mischen, dass über einem quadratischen Sockel und Erdgeschoss 3 Rundgeschosse, dann ein Quadrat von 4 lichten Bogen und endlich ein runder Monopteros mit


sphärischem Kuppelchen folgt; für Alles werden Proportionen und Details angegeben.

Natürlich folgte ihm Niemand. Die runden oder polygonen Formen kamen höchstens am obern Abschluss vor, so an zwei profanen Thürmen zu Bologna; Bursellis, anal. Bonon. bei Murat. XXIII, Col. 909, 911. (Ebenda, Col. 888, die Nachricht, wie 1455 ein Kirchthurm 4 Klafter von der Stelle gerückt wurde.)



IX. Kapitel. Die Gomposition der Kirchen*


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Phantasieformen thurmartiger Prachtbauten in den Fresken des Be- nozzo (Gampo Santo von Pisa) u. dgl. m.

Der bestausgestattete Thurm des XV. Jahrh. (Halbsäulenordnungen


mit Bogen, kräftige Eckpilaster, alles Marmor von Schichten verschiedener Farbe) derjenige am Dom von Ferrara.

Ganz armselig diejenigen Thürme, welche nur magere Eckpilaster zur Einrahmung der Stockwerke haben.

Das Beste war , wenn man die Pilaster entweder ganz aufgab und Wandbänder ohne Verpflichtung auf anderswoher gebotene Proportionen


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Erstes Buch. Architectur.


anwandte, z. B. an mehrern Thürmen von Venedig (deren lothrechte Stellung Sabellico, a. a. 0., L. II, fol. 86 etwas zu früh rühmt); —

oder wenn man die Pilaster frei behandelte, sodass sie z. B, zweien Stockwerken entsprechen und also eine mächtigere Bildung erhalten.

So an dem Backsteinthurm von S. Spirito in Rom (von Pintelli ?), welcher in seiner kräftigen Einfachheit vielleicht der edelste Thurm der Frührenaissance ist (Fig. 91).

§• 79.

Der Glockenthurm des XVI. Jahrhunderts.

Das XVI. J ahrhundert gab den Thürmen seine kräftigere Formen- spiache, und nahm sie bisweilen zu zweien oder zu vieren in die


Composition des Kirchenbaues auf, mit dessen Ordnungen nunmehr die ihrigen in strengerer Harmonie stehen.

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Einzelne damals bewunderte Thürme: Vasari IX, p. 226, Nota, v. di Baccio d’Agnolo ; — XI, p. 122, s., v. di Sanmicheli.

Bisweilen scheute man sich doch vor den Thürmen, die man m die Composition aufnahm, wie vor fremden Gästen. An der Kirche zu Monte- pulciano (§. 64), wo sie in den vordem Ecken des griechischen Kreuzes stehen (Fig. 92) und den Ordnungen des Hauptbaues völlig gehorchen, bleiben sie doch durch Gässchen von demselben getrennt. (Nur der eine ist ausgeführt, s. den Plan oben Fig. 34).

Bei Geymüller, T. 42, der Entwurf einer Fassade für S. Peter (jetzt in der Albertina zu Wien) angeblich von Rafael, eher von Perm delVaga; die Thürme würden zu den geistreichem der Renaissance gehören.






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Erstes Buch. Architectur.


Dagegen der Entwurf des jüngern Ant. Sangallo (§. 66) für S. Peter (im speculum romanae magnificentiae) mit Thürmen, an welchen Säulen, Halbsäulen und Obelisken auf das Thörichteste gehäuft sind.

Von Serlio’s Kirchenplänen im V. Buche gehören hieher der 11. und 12. (Vgl. §. 67.)

Der obere Abschluss gehört bisweilen einer ganz anarchischen Phantasie an, welche sich auch jeder Beschreibung entzieht. Ist aber das oberste Stockwerk viereckig , so folgt doch meist nur ein vierseitiges ziemlich flaches Dach wie auf den Thürmen römi- scher Basiliken; und so auch an S. Spirito, §. 78, — oder ein Spitzhelm von Stein, oder von Zimmerwerk mit bleierner Bedachung. Dan. Barbaro, der seinen Marcusthurm vor Augen hatte, verlangt (ad Vitruv. L. IV, c. 8) für die Höhe solcher Helme das Anderthalb- fache der Basis.

Wie an der Fassade, so weiss dann auch am Thurm der Barockstyl seine guten und schlechten Mittel viel wirksamer zu brauchen. Mächtige Fenster, Rustica an den Ecken, derbe Gonsolen unter den Gängen, starke plastische Zuthaten (Guirlanden, Löwen- köpfe etc.) , gebrochene und geschmückte Giebel, Abwechselung von Stein und Back- stein etc.

Der unvollendete, einfach tüchtige Thurm neben S. Ghiara in Neapel, früher als Werk des XIV. Jahrh. für die Priorität Neapels in der Renaissance geltend gemacht, ist noto- risch erst nach 1600 erbaut. D’Agincourt T. 54.


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Fig. 91. Thurm an S. Spirito.


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§. 80 .

Einzelne Capellen und Sacristeien.

Die einzelnen an Kirchen angebauten Capellen und Sacristeien gehören zum Theil zu den besten Leistungen der Renaissance, schon weil dieselbe hier innerhalb ihres wahrsten Elementes arbeitet, indem es nämlich grösstentheils centrale Anlagen sind. Im XV. Jahrhundert


IX # Kapitel. Die. Composition der Kirchen. 145

herrscht besonders ein von Florenz ausgehender Typus: ein grösserer viereckiger Raum mit Kuppel, dahinter ein kleinerer mit Cupolette; daneben kommt auch das Achteck vor.

Die Sacristei ist thatsächlich zugleich Capelle durch ihren Altar.

Von berühmtem Capellen ist nur die des hl. Antonius im Santo zu Padua ein Langbau, und zwar an der einen Langseite geöffnet.

Der florentinische Typus am einfachsten in Michelozzo’s Sacristei von S. Marco 1437, wo der Hauptraum sogar nur ein Kreuzgewölbe, —

und in der Sacristei von S. Felicita, wo er ein kuppelichtes, sog. böhmisches Gewölbe hat (zierliche Pilaster und Gesimse); —

reicher und grossartiger, mit eigentlicher, sogar lichtbringender Kuppel: in Biunellesco s alter Sacristei bei S. Lorenzo (Fig. 93) und Gap. de* Pazzi bei S. Groce (§. 63) , sowie an Michelozzo’s Schlusscapelle hinter S. Eu- storgio zu Mailand (§. 65), wo der kleinere Ausbau mit Cupolette den Prachtsarg des S. Pietro martire enthält; das Aeussere ein beachtenswerther Backsteinbau (Fig. 94).

Gradation der ausserdem üblichsten Formen: einfache viereckige Gapelle mit kuppelichtem Gewölbe (so die des Car- dinais von Portugal an S. Miniato bei Florenz, seit 1459 erbaut von Rossellino, geschmückt von den Robbia und Ant.

Pollajuolo); —

oder mit einer flachen Kuppel; — oder derselbe Raum mit einem lichtbringenden Ausbau, welcher dann

ein Kuppelchen trägt (so einige Gapellen an bolognesischen Kirchen) ; —

oder man vermag dem Hauptraum selber halbrunde, sog. Lunetten- fenster zu geben ; —

oder der Kuppel desselben einen Kreis kleiner Rundfenster; — oder sogar einen Cylinder mit Fenstern (so die Gap. S. Biagio in SS. Nazaro e Gelso zu Verona); —

oder es entsteht, indem man die Wände hinausrückt, ein griechisches Kreuz; so ruht in der graziösen Johannescapelle des Domes von Genua der Cylinder auf 3 Tonnengewölben und einem vordem, triumphbogen- ähnlichen, noch halbgothischen Eingang.

Das Zierlichste in Venedig: der Ghorbau von S. M. de’ miracoli, 1480 von Pietro Lombardo ; — die Gapellchen des Guglielmo Bergamasco, sowohl das viereckige mit Ecksäulen und Kuppel an SS. Apostoli, als

das sechseckige bei S. Michele 1530, ein geistlicher Pavillon.

Burekhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. JO


Fig. 92. Montepulciano. Mad. di S. Biagio. (Nohl.)


Erstes Buch, Architectur.


Die Cap. Colleoni zu Bergamo (§. 5) aussen reich incrustirt, innen stark verändert.

In den 2 Eingangscapellen in S. Sisto zu Piacenza (§. 74) ist eine


Fig. 93. Alte Sacristei von S. Lorenzo zu Florenz. (Becker.) ,

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grosse Gentralcomposition auf einem Raum zusammengepresst , der min

destens dreimal so gross sein müsste.

Achtecke: die Sacristei Cronaca’s (§. 64, Fig. 101), — und die des Bra- mante bei S. Satiro zu Mailand (Fig. 95), auf engem, rings eingeschlossenem






Raum, mit Nischen unten, einem herrlichen Fries in der Mitte, einem zierlichen obern Umgang und dem schönsten Oberlicht. »E perche veniva ad essere oscura, come quella che era triplicata, escogitö luminarla d’alto.«  Anonimo di Morelli (§. 136).

Im XVI. Jahrhundert wird das griechische Kreuz oder wenigstens ein System von 4 Bogen mit Hochkuppel die beliebteste Form für Pracht-


Fig. 95. Sacristei von S. Satiro zu Mailand. (Lasius.)


Fig. 96. Cap. Chigi in S. M. del Popolo. (Nohl.)


capellen. Rafael gab ihr die höchste Vollendung in der Gap. Chigi (Fig. 96) an S. M. del popolo zu Rom (die schräglaufenden Pfeiler mit ihren Nischen und den trapezoidischen Pendentifs sind bereits ein S. Peter im Kleinen). Auch der Raroekstyl offenbart an solchen Bauten seinen besten Schön- heitssinn: Capellen Sixtus V. und Paul’s V. an S. M. maggiore, Cap. Corsini am Lateran.

Michelangelo’s Sagrestia nuova (oder mediceische Capelle) an S. Lo-




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Erstes Buch. Architectur.


Fig. 97. Mediceisclie Capelle bei S. Lorenzo.


IX. Kapitel* Die Composition der Kirchen. 151

renzo in Florenz (Fig. 97) schliesst sich dagegen in der Anlage wieder an das Motiv Brunellesco’s und Michelozzo’s an, erreicht aber in den cubischen Verhältnissen und in der allgemeinen Wirkung (trotz schwerer Willkür des Details) die allergrösste Schönheit. Architectur und Sculptuc sind so zusammengedacht als hätte der Meister aus einem und demselben Thon Sarcophage, Statuen, Pilaster, Simse, Nischen, Thüren und Fenster vormodellirt. Höchste Einheit von Raum, Licht und Formen. (Doch sind eine ganze Anzahl von Nischen, für Statuen bestimmt, leer geblieben ; Vasari XII, p. 214, Nota, v. di Michelangelo, und die Madonna und die beiden Heiligen waren ursprünglich für eine andere Stelle bestimmt.)

Ausserdem kommen auch einige Rundcapellen aus dem Anfang des XVI.

Jahrh. vor: Cap. S. Giovanni im Dom von Siena (Fig. 98), Cap. Caraccioli in S. Gio. a Carbonara zu Neapel (1516, sehr hübsch); dann die schon genannte Cap. Sanmicheli’s an S. Bernardino zu Verona, das Meisterwerk dieser Art, vgl.

§. 67, Fig. 52 und 53.


§• 81 .

Das Aeussere der Langkirchen.

Die Durchbildung des Aeussern an den Langkirchen, abgesehen von der Fassade und vom Chor- und Kuppelbau, der vom Centralbau entlehnt wird, blieb im Ganzen ziemlich vernachlässigt.

Neben dem in §. 68 erwähnten Grunde kam sehr in Betracht: die häufige Durchbrechung der Langseiten durch Anbau von Capellen; auch wirkte das Nichtvollenden der Fassaden übel auf die Langseiten zurück.

Brunellesco liess seine Basiliken (§. 74) aussen fast glatt, gab jedoch seiner Badia bei Fiesoie (§. 76) eine einfach schöne Bekleidung von Wandbändern und Consolen, vielleicht auf Anregung von S. Frediano in Lucca hin.

Die Bekleidung mit Pilasterordnungen an den Mauern der Neben- schiffe und auch wohl noch des Oberbaues ist nur in sehr wenigen Bei- spielen des XV. Jahrh. vorhanden : S. Severino zu Neapel (von Mormandi, 1490), das Kirchlein des Pontanus ebenda, einige oberitalienische Back- steinkirchen u. s. w. Selbst in Venedig hat nur S. M. de’ miracoli auch an den Seiten die volle Prachtincrustation mit Pilastern.


Fi g. 98. Dom von Siena. Cap. S. Giovanni. (Kohl.)


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Erstes Buch. Architectur.


Von hohem und einzigem Werthe : die weissmarmorne Cathedrale von Como. Die musterhaft vollständige Inschrift am äussern Ghorende: Gum hoc templum vetustate confectum esset, a populo Gomensi renovari coeptum est MGGGLXXXXVI. Huius vero posterioris partis iacta sunt fundamenta MDXIII, XXII. Decembris , frontis et laterum iam opere per- fecto. Thomas de Rodariis faciebat. — Gothisch begonnen und langsam von der Fassade her gebaut, bleibt das Langhaus im Innern gothisch, doch so, dass die anfangs engen Intervalle weiter und schönräumiger werden ; aussen Umdeutung in einen prachtvollen Renaissancebau ; die vortretenden Streben erhalten Sockel und Kranzgesimse in freier antiker Bildung, darüber statt der Spitzthürmchen candelaberartige Prachtzierden von sehr viel schönerer Form als alle ähnlichen französischen Ueber- setzungen aus dem Gothischen; die Wandflächen mit Rahmenprofilen umfasst. Querbau und Ghor, der Bau Rodari’s seit 1513, mit polygonen Abschlüssen, eines der schönsten Bauwerke Italiens, aussen mit den For- men des Langhauses in gereinigter und veredelter Gestalt (die Kuppel modern).

Im Verlauf des XVI. Jahrh. wird die Pilasterbekleidung der Lang- seiten zwar zur Regel, aber meist in kalter und gleichgiltiger Form. Seit Michelangelo s corinthischer Ordnung und oberer Attika am Aeussern von S. Peter (einem Motiv von streitigem Werthe) hatte der Barockstyl ein Vorbild für Eine Pilasterordnung, sowie seit S. Fedele in Mailand (von Pellegrini) für zwei Halbsäulen- oder Pilasterordnungen über einander.

Häufig jetzt statt der Pilaster etwas vortretende Streben, auf welche

dann vom Oberschiff ähnliche Voluten niederrollen wie die der Fassade (§. 69, 70).

Einzelne besonders reiche Anlagen haben am Dachrand eine durch- gehende Balustrade. An S. Peter war eine solche schon von Michel- angelo beabsichtigt, und die wenigen Stellen, wo sie wirklich ausgeführt ist, zeigen, wie sehr auf ihre Wirkung gerechnet war (§. 66).

§. 82 .

Allgemeine Ansicht vom Kirchenbau.

Die Renaissance verlässt sich, beim Kirchenbau darauf, dass durch Hoheit und Schönheit des architectonischen Eindruckes ein wahres Grefühl alles Höchsten hervorzubringen sei. Sie bedarf keines sacralen Styles (§. 61, 62); ihr souveränes Werk zumal, der Centralbau, wäre ein Heiligthum in ihrem Sinne auch abgesehen von allem Zweck und auch ohne Kirch weihe.

Alberti, de re aedificatoria L. VII, c. 3, 5, 10, 12, 13, 15, gibt diess Gefühl stärker heidnisch gefärbt als ein anderer. In den Tempel steigt


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IX. Kapitel. Die Composition der Kirchen.

das Göttliche (superi) nieder, um unsere Opfer und Gebete in Empfang zu nehmen. Sollte aber auch das Göttliche sich um der Menschen hin- fälliges Bauwesen nicht kümmern, so trägt es doch viel für die Frömmig- keit aus, dass die Tempel Etwas an sich haben, was das Gemüth erfreut und durch Bewunderung fesselt. Der Eintretende soll von Erstaunen und Schauer hingerissen sein, dass er laut ausrufen möchte: dieser Ort ist Gottes würdig ! — Die Wirkung soll eine solche sein, dass man ungewiss

bleibe, ob die Kunst oder der Verewigungssinn grösser gewesen. Die

Lage verlangt er kjALrt, in der Mitte eines Platzes oder breiter Strassen, auf hohem Unterbau. Im Innern redet er dem Einen Altar das Wort, sintemal das Sacrament von den Liebesmahlen der ersten Christen abstamme und erst die spätere Zeit »Alles mit Altären vollgepfropft« habe. Auch seine Lobrede auf nächtliche Beleuchtung ist vielleicht eine urchristliche Reminiscenz, obgleich er dabei von den Alten redet, welche »in den Schalen ihrer Candelaber grosse wohlduftende Flammen anzündeten«.

Höchst bezeichnend für die Herrschaft der Bauform ist seine Polemik gegen Fresken, welche höchstens in die Vorhalle gehören ; statt derselben verlangt er Tafelbilder und noch lieber Statuen für das Innere. Zweimal

empfiehlt er die Incrustation, vielleicht nur um den Fresken zu entgehen (vgl. §. 265).

Die Fenster verlangt er massig gross und in der Höhe, sodass man durch dieselben nur den Himmel erblicke. Ja der Schauer eines gewissen Dunkels vermehre die Andacht.

(Gleichzeitig, gegen 1450, spricht M. Savonarola sogar von einem Verhältniss der dunkeln Gassenhallen zur andächtigen Stimmung, und zwar bei Anlass von Padua; bei Murat. XXIV, Gol. 1179. Dagegen rühmt Pius II., Comment. L. IX, p. 431, an seiner Kirche zu Pienza die Helligkeit.)

§• 83.

Die Symmetrie des Anblickes.

■ Zu dem beabsichtigten Eindruck gehört vor Allem, dass die Symmetrie des Anblickes (§. 30) wenigstens im Innern nicht gestört werde. Das XV. und XVI. Jahrh. bringen derselben sowohl in schon bestehenden Kirchen als auch in Neubauten sehr namhafte Opfer. Die Schwesterkünste sollen sich zwar einfinden, aber der architectonischen Gesammtwirkung unterordnen.

Die bisherigen Kirchen waren voller Einbauten , z. B. vortretender Grabmäler und Altäre ; man »repurgirte« sie und stellte für die Neubauten strenge Gesetze auf.

Schon 1391 wurde im Dom von Florenz die Errichtung eines Pracht-


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Erstes Buch» Architectur.


altars am zweiten Pfeiler rechts nur gestattet, wenn der Altar nicht breiter werde als der Pfeiler und keine Wappen daneben aufgehängt würden; Gaye, carteggio I, p. 534.

Im XV. Jahrh. sind namentlich die Päpste streng hierin. Nicolaus V. (1447 — 1455) verfügte zum Voraus für seinen Neubau von S. Peter, dass keine Gräber, auch nicht von Päpsten und Prälaten, diesen Tempel be- flecken sollten; Vitae Papar., bei Murat. III, II, Gol. 935.

Pius II. (1458 — 1464) liess zwar den alten Bau stehen, demolirte aber die sehr ungleichen Capellen und baute sie nach der Schnur um, wodurch der Anblick des Innern augustior et patentior wurde. Als er für den Schädel des h. Andreas eine grosse Capelle anbaute, musste rings Alles weichen, auch Papst- und Cardinaisgräber , welche den Raum der Kirche »willkürlich in Beschlag genommen« hatten ; Platina, de vitis pon- tiff. p. 312; — Vitae Papar., 1. c. Col. 985.

In der Kirche seiner neuen Stadt Pienza (§. 8) sollte man gleich beim Eintritt den ganzen dreischiffigen Bau (§. 77) mit allen Capellen und Altären, wohl beleuchtet und trefflich ausgestattet wie er war, tiber- • blicken; Alles, mit Ausnahme der bunten Gewölbe, hatte entweder die Steinfarbe oder einen ganz hellen Ton; auch hier waren die Fresken ausgeschlossen (vgl. §. 82) und die Malerei auf die Tafeln der Altäre, Werke sienesischer Meister, beschränkt, und dabei hatten die ziemlich grossen Fenster nur weisses Glas. In Pienza selbst erliess Pius 14. Sep- tember 1462 eine Bulle im Zwölftafelstyl: Niemand solle hier, abgesehen von der Capitelsgruft , einen Todten begraben, Niemand die helle Farbe der Wände und der Pfeiler verletzen, Malereien anbringen, Tafeln auf- hängen, Capellen anbauen oder mehr Altäre errichten als die, welche da seien etc. Vgl. obige Stellen und: Pii II. Comment. L. IX, p. 430, ss.

Sixtus IV. (1471 — 1484) »reinigte« nochmals S. Peter und den Lateran und machte S. Peter heller durch Erneuerung der Fenster aus dünnen Marmorplatten und Glas; Vitae Papar., 1. c. Gol. 1064.

Dieser Geist der Regelmässigkeit wurde namentlich in Toscana zur Zeit des Herzogs Cosimo I. und zum Theil durch ihn vielen alten Kunstwerken verderblich (§. 56).

Der Dom von Pisa, bis 1540 voll alter Altarwerke verschiedener Herkunft und Grösse, erhielt jetzt lauter Altäre von gleichmässiger Marmor- einfassung, in deren Gemälden (von meist untergeordneten Leuten) nur dieselben Heiligen vorzukommen brauchten wie auf den entsprechenden frühem Bildern: Vasari IX, p. 45, v. di Sogliani.

Auf Gosimo’s Befehl mussten auch die neuen Altäre in S. M. novella zu Florenz den Pfeilerintervallen entsprechen. Er liess den Dom austün- chen. Vasari I, p. 54 in s. eigenen Leben ; — X, p. 299, v. di Bandinelli.


X. Kapitel. Klöster und Bruderschaftsgebäude.


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Bei diesem Anlass ist noch der schon früh vorkommenden Schein- erweiterung des Raumes durch perspectivisch einwärts vertiefte Verzierung der Wand zu gedenken. Bramante ging dieser Grille zweimal nach, in der Scheinhalle über dem Hochaltar von S. Satiro zu Mailand, und in den Nischen der Incoronata zu Lodi.


X. Kapitel.

Klöster und Bruderschaftsgebäude.


§. 84.

Die Klöster im Norden und im Süden.

In den Klosteranlagen hatte schon das Mittelalter eine ziemlich hohe Vollkommenheit erreicht. Auch haben dieselben im Norden nicht selten eine grössere monumentale Ausbildung aufzuweisen als irgendwo in Italien vor der Renaissance.

Die bekannte Gesammtheit von Räumen: Gapitelhaus, Dormitorium, Refectorium, Scriptorium, Wohnung des Abtes oder Priors, Kreuzgänge, Vorrathsgebäude, Kranken wohnung, Gastwohnung, Ställe u. s. w., — im Klosterplan von S. Gallen (830) noch über ein grosses Quadrat hin ver- zettelt; —

schon eine mehr geschlossene, von römischen Villen abgeleitete An- lage hatten vielleicht im IX. Jahrh. die stattlichsten Klöster Italiens : Farfa und Nonantula; Historia Farfens., bei Pertz, Monum. XIII, p. 580, 533, 546; —

im XII. Jahrh. dagegen war bereits der Norden im Vorsprung für die Grösse der Anlage sowohl als für die monumentale Durchführung. Vgl. Gaumont, Abecedaire und die Publicationen des Comite historique des arts et monuments. Eine belgische Abtei hatte z. B. schon gleiche Scheitelhöhen für den ganzen Hauptbau; Gesta abbatum Trudonens., bei Pertz, Monum. XII, beim Umbau seit 1160.

In Italien wird aus dem XII. bis XIV. Jahrh. kaum ein Klosterbau vom Rang der reichern nordischen Abteien nachzuweisen sein. Eine catonische Stimme für Einfachheit der Klöster und selbst ihrer Kirchen Matteo Villani L. VIII, c. 10.


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Erstes Buch. Architectur.


Indess besass der italienische Klosterbau ein Element, welches ihm mit der Zeit jede grosse und freie Combination sehr erleichterte, nämlich die Säulenhalle statt des geschlossenen; bloss mit Fenstern und Thüren nach aussen geöffneten Kreuzganges.

Auch bei geschlossenen Gängen mit Brustwehrmauern, wie z. B. den Klosterhöfen am Lateran und an S. Paul (§. 16 ), und sogar bei eigent- lichen Mauern mit Fenstern, z. B. dem Gamposanto zu Pisa bleibt der Einfall von Licht und Luft beträchtlich stärker als im Norden.

Weit das häufigste aber sind seit der Römerzeit die offenen Bogen- hallen; mit antiken Säulen z. B. die prächtigen Atrien der Dome von Capua und Salerno, welche wir wohl hier mit anführen dürfen (XI. Jh.).

Der Gharacter der offenen Halle , von Säulen oder Pfeilern , lag wesentlich darin, dass sie zum Erdgeschoss des Hauptbaues des Klosters gehörte (während der nordische Kreuzgang viel feierlicher abgeschlossen^ war), dass sie bei geringerem Aufwand eine sehr viel grössere Freiheit der Anordnung, namentlich der Intervalle gestattete und dass der Inhalt der Halle (Fresken, Grabmäler) auch vom Hofe aus sichtbar war.

Während ferner das nordische Kloster bloss Einen Kreuzgang hat, wird in Italien die Halle um alle Höfe herumgeführt und dient als Aus- druck auch für einzelne Gänge in allen Theilen und Stockwerken des Klosters. Hauptbeispiele der gothischen Zeit : die Höfe des Santo zu Padua; die Höfe und Aussengalerien etc. an S. Francesco zu Assisi. — Alla Quercia zu Viterbo über einem gothischen Erdgeschoss eine schöne obere Halle in Renaissance.

§. 85 .

Uebersicht des Klosterbaues,

Die Renaissance bekam in Italien wieder grössere und prächtigere Klöster zu bauen als die nordischen des XV. Jahrh. sind. Die treff- liche rationelle Anlage und die Schönheit und Vielgestaltigkeit ihres Hallenbaues geben denselben eine hohe Bedeutung. Einzelne Haupt- räume des Innern erreichten hie und da eine Ausbildung, welche schon damals als classisch galt.

Die damalige Zerrüttung des Benedictinerordens im Norden ist bekannt — Für Italien kommen ausser den grossen Carthausen, Camaldulenser- und Cassinenserklöstern wahrscheinlich auch in künstlerischer Beziehung Val- lombrosa und Alla Vernia in Betracht, die dem Yerf. nicht bekannt sind.

Der Hallenbau, auf Säulen oder Pfeilern, schafft aus dem Gontrast der Stockwerke — mag das Obergeschoss eine Mauer mit Fenstern oder


X. Kapitel. Klöster und Bruderschaftsgebäude.


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wieder eine Halle sein — , aus dem Längen- und Breitenverhältniss zur Höhe , aus den dichten oder weiten Intervallen, aus der Behandlung der Bogen , Simse und Füllungsmedaillons mit beständig neuer Begeisterung ein edles und zierliches Werk nach dem andern. — Viele einzelne Kloster- höfe aufgezähll, in des Verf. Cicerone, a. m. O.

Besondere Motive: §. 35 (Giul. Sangallo), §. 46 (Certosa von Pavia). Für ländliche Chorherrnresidenzen war Brunellesco’s Badia bei Fiesoie ein unübertreffliches Muster; für Dominicanerklöster dasjenige von S. Marco zu Florenz, 1437 bis 1443 erbaut von Michelozzo ; Vasari III, p. 277 und 279, Nota, v. di Michelozzo. (Die Lobsprüche sind relativ, als von einem Mendicantenkloster zu verstehen , denn die höhern Orden bauten viel prächtiger.)


Fig. 99. Hof an S. M. della Pace. (Nach Letarouilly.)


Unter Brunellesco’s Säulenhöfen der schönste : der zweite in S. Croce. — In Rom bei S. M. degli Angeli (Carthause) der einfache Hundert- säulenhof Michelangelo’s.

Von Pfeilerhöfen sind unübertrefflich schön und dabei sehr einfach: das Atrium von S. Maria presso S. Celso in Mailand (§. 46), vielleicht von Dolcebuono; — ferner der Hof des Bramante im Chorherrnstift bei S. M. della Pace zu Rom (Fig. 99 u. 100) ; zwischen die viel niedrigem Pfeiler des Obergeschosses kommt je eine Säule, also über die Mitte des untern Bogens (wie in einigen bolognesischen Palästen, §. 46). Pedanten verurtheilten das reizende Motiv, } und Serlio, L. IV, fol. 176, bringt es nur mit schüchternen Entschuldigungen wieder vor. An seinen früheren Säulenhöfen, wenigstens an zweien bei S. Ambrogio zu Mailand, hatte Bramante dem obern , geschlossenen Stockwerk eine Pilasterordnung



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Erstes Buch. Architectur.


gegeben, wo ebenfalls zwei Intervalle auf eines der untern Säulenhalle kommen.

Schöne Hofeisternen: der Pozzo von S. Pietro in Vincoli zu Rom; ehemals auch der des Jesuatenklosters bei Florenz.


Berühmte Bibliothekräume: die von Cosimo im Exil gestiftete Bibi, in S. Giorgio maggiore zu Venedig (1433) und die von S. Marco in Florenz (1437 bis 1443), beide von Michelozzo (letztere unverändert vorhanden). — Vgl. den Einblick in die vaticanische Bibi., und zwar den Bau Pin- telli’s unter Sixtus IV. (Vasari IV, p. 135, v. di Paolo Romano) als Hinter- grund des bekannten Fresco in der vaticanischen Gemäldesammlung, wo Platina kniend vor dem Papste dargestellt ist.



X. Kapitel. Klöster und Bruderschaftsgebäude.


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Ein berühmtes Refectorium : das von Eugen IV, 1442 in S. Salvatore zu Venedig gestiftete, sammt reichsculpirtem Kreuzgang; Sansovino, Venezia, fol. 48. (Jetzt nicht mehr vorhanden?)

Klöster höhern Ranges ; zumal auf dem Lande oder in bequemen Städten gelegene ; erhielten bisweilen eine gewaltige bauliche Ausdeh- nung nebst weiten Gartenanlagen.

S. Giustina in Padua , mib seinen 5 Höfen , hatte einst mit seinen Gärten, Wiesen und Fischereien eine Miglie Umfang; ganz von Mauern und Wasser umgeben, mehr castrum als claustrum zu nennen ; M. Savo- narola, bei Murat. XXIV, Gol. 1143. —

Gewaltig gross: S. Severino zu Neapel;] S. Ambrogio zu Mailand; Monte Gassino (mit imposantem Atrium) etc.

Sehr vollständig: die Certosen bei Pavia und bei Florenz, letztere mit Ausnahme der Kirche fast ganz Renaissance; der Grundriss bei Grand- jean und Famin, archit. toscane, willkürlich verändert.

Von den 1529 zerstörten Klöstern bei Florenz begeisterte Schilde- rungen bei Vasari VI, p. 33, ss. , v. di Perugino (das Kloster der kunst- liebenden Jesuaten, §. 269, mit einem Durchblick durch alle Hallen bis in den Garten), und bei Varchi, stör, fiorent. III, p. 86 (Kloster S. Gallo).

Bibliotheken, Refectorien und Haupttreppen sind nicht selten im XVII. Jahrh. dem Golossalgeschmack des Barockstyls zu Liebe umgebaut worden.


§. 86 .

Bischofshöfe und Universitäten.

Von bischöflichen Residenzen, die sich wohl einigermassen den klösterlichen Anlagen nähern mochten, ist aus dem XY. Jahrh. wenig, aus dem XVI. Einiges Treffliche erhalten.

Die von Padua, 1445 vom Bischof Pietro Donato erbaut, übertraf sogar die damaligen päpstlichen Wohnungen; sie enthielt 2 sehr grosse Säle, 2 Capellen, eine Menge reicher Zimmer, grosse Vorrathsräume, Ställe für 50 Pferde, einen prächtigen Garten; Savonarola, 1 . c. Col. 1171. Der Bischofshof zu Pienza vielleicht normal für jene Zeit?

Im erzbischöflichen Palast zu Pisa die Hofhalle in der Art von Bru- nellesco’s Klosterhallen, nur in grossem Verhältnissen und weissem Marmor.

(Ende XV. Jahrh.) Am Vescovato zu Vicenza eine zierliche Halle vom Jahre 1494.

Aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh. das einfach gute Vescovato zu Pavia.




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Erstes Buch. Architectur


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Fig\ 101. Sakristei des Cronaca bei S. Spirito zu Florenz. (Nach Peyer-Imhof.)

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Aus der Zeit von 1540 bis 1580 die Arcivescovati zu Mailand und Bologna, von Pellegrini, — und zu Florenz, von Gio. Ant. Dosio ; ersteres düster, imposant (§. 56), letzteres mit geistreicher Hofanlage.

Von den weltlichen Palästen unterscheiden sich solche Gebäude auch


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X, Kapitel. Klöster und Bruderschaftsgebäude.


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aussen durch eine kenntliche, aber schwer zu bestimmende Nuance. Die Bureaux um den Hof herum geben ihnen zum Theil einen Gharacter von Y er waltungsgebäuden .

Ebenso nähern sich dem Kloster die Baulichkeiten von Schulen und Universitäten, indem sowohl Gonvicte als Complexe von Hörsälen sich am besten um einen Hallenhof gruppirten.


Aus dem XV. Jahrh. der Hof der Universität Pisa, den Klosterhöfen Brunellesco’s entsprechend. — Vom Collegio del Cardinale zu Padua eine unklare Beschreibung bei Savonarola, 1. c. Gol. 1182. Spanien und Eng- land besitzen viel Prächtigeres.

Aus dem XVI. Jahrh. Sanso- vino’s schöner jetziger Hof der Uni- versität zu Padua 1552, Doppelhalle mit geradem Gebälk; — und der majestätische Hof der Sapienza zu Rom (Fig. 102), vielleicht nach einem Entwurf Michelangelo’s ; nach der Strasse zu ist das Gebäude charac- terisirt durch die geschlossene fenster- lose Mauer des Erdgeschosses.

In den Jesuitencollegien , und zwar schon in den frühsten, sind die Höfe wahre Schulhöfe, und ihre hohen Hallen führen deutlich in Glassen, nicht in Mönchszellen.

Der frühste grosse : im Gollegio romano, von Ammanati ; die schön- sten des XVII. Jahrh. die der Brera in Mailand und der Universität zu Genua (Fig. 103), beides ehemals Jesuitencollegien.


Fig. 102. Hof der Sapienza zu Rom. (Nohl.)


§. 87.

Bauten der geistlichen Bruderschaften.

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Die Confraternitäten oder Scuole, gestiftet für zünftische Gemein- schaft, für Pflege der Landsmannschaft in einer fremden Stadt, für

gemeinsame menschenfreundliche Thätigkeit oder für Zwecke der An- Burckliardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. H


162


Erstes Buch. Architectur.


dacht, oft sehr reich durch regelmässige Beiträge wie durch Vermächt- nisse/ zeigten sich nicht nur in prächtigen Aufzügen, sondern auch in monumentaler Gestaltung ihrer Vereinsgebäude.

Man bedurfte irgend einen grossen Hauptraum zur Versammlung, Berathung, Aufstellung von Processionen u. s. w., einen Altar in die- sem Raum oder in einer angebauten Capelle, eine Garderobe für Ge- wänder und Gonfaloni (Fahnen), — bei grösserem Reichthum auch Schreibstuben, Gassenstuben u. s. w.


Unter den Kunstformen für diese Requisite sind zu nennen:


Fig. 103 . Hof der Universität zu Genua.


Eine blosse Capelle, die zugleich als Versammlungsraum dient; über- schüssige Mittel z. B. auf eine edelprächtige Fassade verwendet an der Misericordia zu Arezzo , an der Confrat. di S. Bernardino zu Perugia (§. 70, vgl. §. 51).

Oder zwei Oratorien über einander, in reicher Ausstattung ; so S. Ber- nardino und S. Caterina in Siena ; — daneben kleine oder auch mittel- grosse Hallenhöfe; so Peruzzi’s einfach schönes Höfchen bei S. Caterina.

Durchschnittsform für Mittelitalien: ein Oratorium und ein Saulen- hof; recht schön in S.. Giovanni decollato zu Rom, und in mehreren Confraternitäten zu Florenz, besonders lo Scalzo, wo ausser A. del Sarto’s Fresken auch die geistreiche Anordnung des kleinen Säulenhofes Beach-



X. Kapitel. Klöster und Bruderschaftsgebäude


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Fig. 104. Scuola di S. Rocco zu Venedig



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Erstes Buch. Architectur.


tung verdient; — oder der Verein baut seine Capelle an einen schon vorhandenen Klosterhof, z. B. die Cap. de’ Pittori im Kloster der Annun- ziata daselbst.

In Venedig früher nur einfache grosse Säle, angefüllt mit den Tafel- bildern der altvenezian. Schule; Sabellicus, de situ venetae urbis, L. I, foL84; L. II, fol. 87. Später wird der Bau zum geschlossenen Palast, der abgesehen von Nebenräumen und Treppe aus einer grossen untern Halle und einem ebensogrossen obern Saal mit Altar besteht: Scuola di S. Marco 1485^ unten Säulenhalle mit Holzdecke; — Scuola di S. Rocco seit 1517 (Fig. 104) ? unten ein mächtiger Saal wie oben , höchste Pracht der Decoration, mit einer Fülle von Tuchbildern auch an den Decken ; — bei S. Giovanni Evangelista ein zierlicher Vorhof von 1481; die übrigen Scuole fast alle erst aus der Barockzeit. — In S. Rocco die schönste Treppe.

Die corporative Einrichtung und Bedeutung der venez. Scuole: San- sovino, Venezia, fol. 99, ss., eine Hauptstelle, die wir ungern übergehen. Vgl. fol. 57 die Confraternität der Lucchesen, welche ihr Local schon im XIV. Jahrh. bestmöglich ausgestattet hatte.

Ausserdem stifteten die Scuole noch oft Kunstwerke aller Art in die Stadtkirchen, ganz wie die Zünfte; etwa ein heiliges Grab in den Dom der betreffenden Stadt (Diario ferrarese, bei Murat. XXIV, Gol. 390, zum J, 1500); oder ein Gemälde oder Relief, auf welchem die oft zahlreichen Vorsteher der Brüderschaft knien unter dem von Engeln ausgespannten Mantel der Gnadenmutter (Vasari II, p. 189, v. di Spinello; IX, p. 75, v. di Rosso), oder vor einer thronenden Madonna mit Schutzheiligen, oder zu beiden Seiten eines leidenden Christus (Fresco des Luini in der Am- brosiana zu Mailand).


XI. Kapitel.

Die Composition des Palastbaues.

§. 88 .

Rückblick auf den frühem Palastbau Italiens.

Die Civilbaukunst der Renaissance, welche bis heute diejenige aller nichtbarbarischen Völker thatsächlich beherrscht, besass ihre wichtigste Eigenschaft, die regelmässige Anlage, als Erbschaft aus der italienisch-gothischen Zeit (§. 21).




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XI. Kapitel. Die Gomposition des Palastbaues.


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Das heutige Bauen regelmässiger Häuser und Paläste mit nordisch- gothischem Detail ist reiner Undank gegen die italienische Baukunst, ohne welche es gar keine symmetrische Anlage gäbe.

Verpflanzt man aber schon venezianische Gothik nach dem Norden, welche mit der Regelmässigkeit allerdings in Harmonie steht, so bleibt man damit nicht deutsch-nationaler als wenn man die reifere Gestaltung derselben Triebkraft, die Renaissance, wieder adoptirte.

In nordisch-gothischen Formen möge man unsymmetrisch bauen, wozu wir Glück, Geld und den wahren Humor wünschen, sowie gänz- liche Freiheit von englisch-gothischem Detail, da auf dem Gontinent die anmuthigere und flüssigere Ausdrucksweise für dieselben Gedanken an manchen spätgothischen Civilbauten, freilich zerstreut, zu finden ist.

Der italienisch-gothische Palastbau hatte von vornherein mit dem Bergschloss und seinem meist unvermeidlich unregelmässigen Grundplan nichts zu thun gehabt, da seit dem XI. Jalirh. die Hauptwohnungen des Adels immer in den Städten gewesen waren.

Er zuerst hatte die Fronten gerade gezogen und nicht beliebig ge- brochen; — er hatte für alle Räume eines Geschosses dasselbe Niveau festgehalten, sodass man nicht aus einem Zimmer über halsbrechende Stufen in das andere gelangen musste; — er hatte regelmässige Corri- dore an den Gemächern herumgeführt und sich nicht auf schmale wink- liche Gänge und auf beständiges Aushelfen mit Wendeltreppen verlassen. Bereits war die Einheit der Fronte und des Grundplans die Mutter aller andern Einheit und Baulogik.

Für den vornehmem Privatbau galt bereits ein gewisses Mass höherer Form und Ausstattung als unerlässlich, wenn auch im XIV. Jahrh. der

Name Palast noch ganz den fürstlichen und öffentlichen Gebäuden Vor- behalten ist.

(Ein fester für ganz Italien gültiger Sprachgebrauch existirte auch im XV. Jahrh. und später nicht, wohl aber für einzelne Städte. ImDiario ferrarese, bei Murat. XXIV, bes. Gol. 220, 337, 390 wird durchgängig- scharf unterschieden zwischen palazzi, palazzotti und case. In Venedig hiess officiell Alles mit Ausnahme des Dogenpalastes nur casa, thatsächlich aber nannte man sehr viele Privatgebäude palazzi ; Sansovino , Venezia fol. 139.)


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89.


Entstehung gesetz massiger cubischer Proportionen.

Der Theoretiker Alberti gibt statt des ästhetischen Gesetzes für den Palastbau nur ein Programm für den Inhalt desselben. Ausserdem aber stellt er nach eigenen Beobachtungen die ersten Gesetze für die cubischen Verhältnisse der einzelnen Binnenräume auf.


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Das Gemeingut der Palastanlage, das sich schon seit dem XIV. Jahrh. von selbst verstand, mochte ihm nicht des Mittheilens werth erscheinen. Er selber baute wenigstens Pal. Pmccellai. Vgl. §. 30, 40.

Die Hauptstellen: de re aedific. L. V, c. 2, 3, 18; L. IX, c. 2, 8, 4. Es scheint mehr ein Bauherr als ein Baumeister zu sprechen. (Vgl. Gultur d. Renaiss. S. 135, 140, 898 u. Anm.) Er verlangt mancherlei, sowohl Zweckmässiges als Schickliches, aber er gibt keine Lösung und möchte am liebsten Alles zu ebener Erde bauen , da die Treppen die Gebäude nur störten, scalas esse aedificiorum perturbatrices. Gegenüber der floren- tinischen Sitte und Nothwendigkeit des Hochbaues blieben diess natürlich blosse Wünsche.

Die cubischen Raumgesetze bespricht er nicht bei Anlass des Palastes, sondern bei der Vorstadtvilla (IX, 3), was für unsere Betrachtung keinen Unterschied macht. Wenn auch er und Andere sich thatsächlich kaum daran banden, ja wenn es sich um ein blosses Postulat oder Gedanken- bild handeln sollte, so wird sich doch hier die Renaissance zum erstenmal ganz deutlich bewusst als die Architectur des Raumes und der Massen. Aus einer Menge von Angaben mögen einige Proben folgen. Alberti gibt die Proportionen modificirt, je nachdem die Räume rund oder quadratisch, flachgedeckt oder gewölbt sind. Grössere oblonge rechtwinklige Räume erhalten, wenn gewölbt, 5 A Diam. Höhe, wenn flachgedeckt, 7 /s Diam. Höhe — beidemale unter Voraussetzung, dass die Breite zur Länge sei wie 1 zu 2, denn bei 1 zu 3 träten wieder andere Verhältnisse ein. Bei grossen Dimensionen gelten iiberdiess andere Proportionen als bei kleinen, weil der Gesichtswinkel ein anderer ist. Höfe sollen höchstens doppelt so lang als breit sein. Zimmer am besten 1 js schmaler als lang. Pro- portionen wie 3 oder 4 zu 1 geben schon nur noch Hallen (porticus) und auch da werde man das Verhältniss von 6 zu 1 kaum überschreiten dürfen. An die Schmalseite eines Raumes gehört Ein Fenster, welches entweder entschieden breiter als hoch oder entschieden höher als breit sein muss. (In der That blieb das gleichseitige viereckige Fenster aus den Hauptstockwerken verbannt und wurde nur als Luke im Fries oder als Gitterfenster eines absichtlich sehr strengen Erdgeschosses mit Rustica angewandt.) Ist das Fenster höher als breit, so soll seine Oeffnung 1 */* Mal so hoch als breit sein und nicht über 1 1 3 und nicht unter V 4 der ganzen innern Wandfläche betragen; sie soll beginnen zwischen 2 j 9 und 4 / § der Zimmerhöhe über dem Boden. Ist das Fenster breiter als hoch und also auf zwei Säulchen gestützt, so muss seine Oeffnung zwischen x / 2 und 2 /s der Breite der Wand betragen. An die Langwand gehört womöglich eine ungerade Zahl von Fenstern, etwa 3 wie bei den Alten: man theile die Wand in 5 oder 7 Theile und setze in 3 derselben die Fenster, deren Höhe 7 /i oder 9 /s der Breite betragen soll u. s. w.




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XL Kapitel, Die Gomposition des Palastbaues,

Verglichen mit den dürftigen ähnlichen Angaben bei Vitruv (L. VI, c. 4 bis 6), der weder Gewölbe noch Fenster mit in Rechnung zieht,, zeigt sich hier ein ungemein grosser Fortschritt.

§. 90,

Wesen und Anfang des Palastes der Renaissance.

Die ideale, allgemeine Aufgabe des CivilbauQS spricht sich weniger klar an Residenzen und öffentlichen Gebäuden aus, welche ihre be- sondern und verschiedenartigen Zwecke zu verwirklichen haben, als an den Privatpalästen, welche die Einheit des Willens und des Zweckes an der Stirne tragen und durch ihre Gleichartigkeit bestimmte Styl- gruppen bilden können.

Der Palazzo in diesem bestimmten Sinne ist ein monumentaler Bau, an welchem jede oder wenigstens die Hauptfronte nur Einen Gedanken, diesen aber mit der vollsten Kraft ausspricht, und dessen Grundplan in einer regelmässigen geometrischen Form beschlossen ist.

Dieser Einheit fügen sich auch die einzelnen Zwecke, die unter Einem Dache erreicht werden sollen, mindestens eben so gut als einer ver- zettelten Anlage; auch lohnte es bei der Gleichartigkeit der Aufgabe der Mühe, die günstigem Arten der innern Anordnung immer zweckmässiger und schöner auszubilden und zum Gemeingut zu machen.

Einen Organismus im strengem Sinne kann man von dem Palazzo nicht verlangen, da das Viele und Verschiedene, das er umfasst, sich eben nicht als Vieles, als Gongregat ausdrücken darf, sondern einer grossen künstlerischen Fiction unterthan wird.

Bald nach Anfang des XV. Jahrh. , noch unabhängig von dem Formalen der Renaissance, zeigt sich eine Bewegung im Palastbau, welche wesentlich auf einen Fortschritt im Zweckmässigen und Be- quemen hinstrehte.

Vgl. bei Milanesi II, p. 144 den wichtigen Brief des in Bologna weilenden Jacopo della Quercia 1*428 an die Behörden seiner Heimath Siena, welche sich bedeutender Bauten halber um einen Meister erkun- digte: der Betreffende, Giovanni da Siena, sei beim Marchese (Nicolö) von Este in Ferrara mit 300 Ducaten jährlich und freier Station für 8 Per- sonen zum Bau eines grossen und starken Schlosses in der Stadt ange- stellt, »kein Meister mit der Kelle in der Hand, sondern ein chonponitore e giengiero, d. h. Ingenieur«; in Bologna selbst sei der treffliche Fiora- vante, der den zierlichen Palast des Legaten und in Perugia das Schloss


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Erstes Buch. Architectur.


des Braccio da Montone gebaut habe; in der Form neige er sich mehr als der andere dem pelegrino zu, d. h. dem damals Fremden, Neuen, der Renaissance (wie es auch gebraucht wird Vita anon. di Brunellesco, ed. Moreni, p. 185); auch er greife weder Kelle noch eine andere Hand- arbeit an.

Sehr namhafte Paläste dieser Zeit : derjenige der Colonnesen in Gen- nazzano; vgl. Pii II. Gomment. L. VI, p. 308, — und besonders der des Patriarchen Vitelleschi (st. 1440) zu Gorneto, als Absteigquartier grosser Herrn, auch der Päpste errichtet, mit dicht schattigen und wasserreichen Gärten; Paul. Jovii elogia, sub Jo. Vitellio, — Jac. Volaterran., bei Murat. XXIII, Gol. 152. (Wie viel davon noch vorhanden?)

Es kommt für die Geschichte der Frührenaissance sehr in Betracht, j dass die Paläste der aragonesischen Könige verschwunden, die der Päpste ' und der Sforza’s umgebaut und alle übrigen Reste der damaligen Fürsten- bauten, mit Ausnahme von Urbino und Mantua, noch nicht im Zusammen- j hang untersucht sind.


§• 91.

Der toscanische Typus.

Unter den entschiedener ausgebildeten Palasttypen nimmt der florentinisch-sienesische, der frühste, zugleich für lange Zeit den ersten Rang ein und wird für ganz Italien zugleich mit der von Florenz

ausgehenden neuen Formensprache das wesentlich Massgebende.

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Die Ausbildung der Fassaden vgl. §. 39, 40, wo die Hauptnauten aufgezählt sind.

Der bestimmende Bau war der vielleicht erst um 1440 begonnene Palast des Gosimo Medici, jetzt Pal. Riccardi an der Via larga zu Florenz, von Michelozzo (Fig. 105 und 106); jetzt innen stark umgebaut, doch sind u. A. noch vorhanden die wohlangelegten Treppen neben dem vor- trefflichen Hallenhof.

(Francesco Sforza hatte dem Gosimo einen Palast in Mailand ge- schenkt; dieser sandte Michelozzo hin und liess einen neuen Bau, bloss Erdgeschoss und Obergeschoss errichten, der an geschickter Aufeinander- folge, richtiger Anlage und Schmuck der Räume als ein Wunder galt. Umständliche, aber nicht anschauliche Beschreibung aus dem XXI. Buch des Filarete (§. 31), abgedruckt in den Beilagen zum Anonimo di Morelli. Jetzt Gasa Vismara ; erhalten ist nur das Portal mit der spielenden Pracht seiner Sculpturen, und die untere Halle des ersten Hofes, Rundbogen auf achteckigen Pfeilern.)



XI. Kapitel. Die Gomposition des Palastbaues. 169

Das Lebensprincip der toscanischen Fassade ist die völlig gleicli- mässige Behandlung, das Verschmähen jeder besondern Characteristik der Mittelpartie oder der Ecken, des sog. Gruppirens.


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Fig. 105. Pal. Riccardi zu Florenz.

Beweis einer hohen Anlage der florentinischen Kunst, die in einem schmuckliebenden Zeitalter auf Alles , was irgend die Aufmerksamkeit


Fig. 106. Pal. Riccardi zu Florenz.


theilen konnte, auch auf Prachtpforten verzichtete, und die Mittel gleich- massig auf das Eine Ganze verwandte.



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Erstes Buch. Architectur.


Selbst wo etwa die Fenster prächtiger gestaltet sind, wie z. B. am Palast Pius II. zu Pienza, sind sie doch unter sich gleich.

Von der Anlage des Innern und den dabei waltenden Absichten gibt Pius II. bei Anlass seines Palastes zu Pienza (Fig. 107) die wichtigste Rechenschaft.

Pii II. Comment. L. IX, p. 425, ss. Andere Stellen über Pienza II, p. 78. IV, p. 200. VIII, p. 877, 394. IX, p. 396. Vgl. §. 8, 11, 40.

Säle jeder Bestimmung, darunter Speisesäle für drei verschiedene Jahreszeiten, liegen bequem um den Hallenhof, theils in dem gewölbten

Erdgeschoss, theils darüber. — Rechts an der Halle liegt (wie im Pal. Medici) die sachte Haupt- treppe; 20 breite Stufen jede aus Einem Stein führen zu einem Absatz mit eigenem Fenster, und 20 von da rückwärts in den obern Gorridor ; dasselbe gilt auch von der Treppe des zweiten Geschosses. (Wendel- treppen, damals ein Hauptanlass zur Pracht in nordischen Königs- burgen, galten den Toscanern nur noch für erlaubt in den Diensträumen, wie jene Schil- derung von Gasa Vismara an- deutet, und als geheime Hülfs- treppen.) — Der erste Stock hat nach dem Hof zu keine Halle mehr, sondern einen geschlosse- nen Gorridor mit viereckigen Fenstern und flacher Gassetten- decke; von ihm aus führen Thüren rechts in einen Saal, zu welchem 2 Zimmer und ein Gabinet gehören, links in den Sommerspeisesaal, an welchen die Gapelle stösst. An der hintern Seite, welche nach aussen der schönen Aussicht zu Liebe in 3 Hallen übereinander geöffnet*) ist,


  • ) Diese Oeffnung eines Palastes nach der Gartenseite hin ist noch bis in

die neuere Zeit an italienischen Palästen nicht selten gewesen, nur hat man hie und da das schon Geöffnete wieder zugemauert, um geschlossene Räume zu ge- winnen. Am Pal. Farnese in Rom enthielten alle 3 Geschosse der Gartenseite grosse offene Hallen, allein die des Mittelstockwerkes wurde zugemauert, als die



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XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.

findet sich jener grosse Saal mit mehrern (hier 6) symmetrischen Thören, welcher seither in den ital. Palästen gewöhnlich als Wartesaal, festlich mit Teppichen geschmückt aber als Ceremoniensaal dient; die Thören der Schmalseiten führten hier in 2 Prunkzimmer. Das oberste Geschoss hatte dieselbe Anlage wie das mittlere, nur in weniger reichen Formen. Der Bau voller Licht und Bequemlichkeit (nur für die Küchen ein be- sonderer Ausbau hinten); überall Gleichheit des Niveau’s und nirgends


Fig\ 108 . Hof von Pal. Gondi zu Florenz.


eine Stufe zu steigen. Der Blick der Hauptaxe geht durch Vestibül, Hallenhof, Hinterbau und Aussenhalle bis an’s Ende des Gartens. (Vgl. §. 97 .)

In den Höfen blieb die toscanische Schule im Ganzen der Säule


Galeria des Annibale Caracci an dieser Stelle entstand. Ein anderes recht schönes Beispiel: die Gartenseite des Pal. di Firenze in Rom, von Vignola.


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Erstes Buch. Architectur


getreu, bis tief in die Zeiten des Barockstyles ; ein Urbild besonnener Eleganz z. B. der Hof von Pal. Gondi in Florenz (von Giul. Sangallo).

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Der Character des Steines, pietra serena, passte trefflich zu der einfachen Zierlichkeit sämmtlicher Formen solcher Höfe (Fig. 108).


§. 92.

Einfluss des toscanischen Palastbaues.

Es bildete sich eine allgemeine Voraussetzung zu Gunsten tos- canischer Palastbaumeister. Gegen Ende des XV. Jahi’h. erhielt auch


das florentinische Haus durch Baccio d'Agnolo diejenige Weihe der Form, welche Grösse und Pracht des Palastes vergessen lässt.

Die Verbreitung der toscanischen Meister durch Italien §. 15. Die Ungenügsamkeit des Federigo von Urbino und Lorenzo magnifico §. 11. Giuliano Sangallo’s vielseitige Thätigkeit §. 59. Offenbar verlangte man weniger die toscanische Fassade als vielmehr die treffliche Anordnung des Innern.

Wer in Franc. Maria Grapaldus, de partibus aedium, über die Kunst- form des Hauses Belehrung erwartet, wird sich getäuscht finden.

Ueber Baccio d’Agnolo (1460 bis 1543), den Vater zweier nicht un-


XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


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würdiger Söhne, s. Yasari IX, p. 225, 227 und §. 152. Ueber seine seither zum Namen Palazzi emporgedrungenen Häuser : Bartolini , Serri- stori (Fig. 109), Levi, Roselli etc. vgl. den Cicerone d. Verf., S. 316, f. — In Siena eine besonders edle Hausfassade : Pal. della Ciaja, von Cecco di Giorgio, ebenda S. 184. — Im Ganzen ist wohl das Wegbleiben der Rustica (§. 9, 39) für das Haus im Gegensätze zum Palazzo bezeichnend, doch durchaus nicht immer. Die Beschränkung des Umfanges und der


Fig. 110. Hof im Pal. zu Urbino.


Formen zugleich war und blieb in jedem einzelnen Falle Sache des feinem künstlerischen Gefühls.


§. 93.

Der Palast von Urbino und die Bauten der Ro magna.

Neben Palazzo Medici galt im XV. Jahrh. besonders der Palast von Urbino als in seiner Art classisch; später gesellte sich als dritter hinzu der gewaltige Backsteinpalast der Bentivogli zu Bologna.



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Erstes Buch, Architectur.


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Ueber den Palast von Urbino Vasari IV, p.fl37, s., Nota, v. di Paolo Romano, und p. 205, Nota, v. di Franc, di Giorgio, sowie das Pracht- werk von Arnold. Der grosse Federigo von Montefeltro (§. 6) baute und

‘ /> / schmückte seit 1447 beständig daran, zuerst mit Hülfe des Illyriers Luciano x ä/1 ) Y tu* tvyb 0 ;

da Lauranna (§. 11); erst um 1480 kam Baccio Pintelh hinzu, von wel-

. /wf 6 fJ- chem wesentlich der schöne Hallenhof (Fig. 110) herrühren soll, ebenso

/ yyyi^ wie derjenige i n dem kleinen herzoglichen Palast zu Gubbio, »einem der

/ /UZ /f schönsten, die man sehen könne«, wie die im §. 42 erwähnten venezian.

7 ^ Y L ^ Gesandten urtheilten. — Der Pah von Urbino , auf schroffem und un-

^ ' [ ? J gleichem Grund und daher aussen unregelmässig, genoss den höchsten ~ j Ruhm durch seine vollkommen zweckmässige Anlage und fürstliche Pracht.

1 CA% Lorenzo magnifico erbat sich eine genaue Aufnahme davon; Gaye, car- ///^. //, Reggio I, p. 274. Die Haupttreppe, laut Vasari die trefflichste, die es bis

damals gab, ist doch auf eine Weise, die noch sehr das in Treppen be- scheidene XV. Jahrh. bezeichnet, dem Auge entzogen.

Neben dem Pal. von Urbino und dem Pal. di Venezia zu Rom rühmt Filippo de Lignamine (sehr. 1474, ab- gedr. bei Eccard, scriptores, I, Gol. 1312) noch insbesondere die Paläste des Grafen Tagliacozzo in Bracciano und des Gio. Orsini, Erzb. von Trani, in Vicovaro, welche an Pracht , . Garten - anlagen, Wasserleitungen, Hallen und Grösse der Säle mit einander wett- eiferten.

Der Palast der Bentivogli zu Bologna, schon 1506 zerstört, nicht Vorbild, aber vermuthlich höchste Blüthe des romagnolischen Backstein- baues ; Paul. Jovii elogia, sub Jo. Bentivolo ; vgl. Gultur d. Renaiss. S. 509. — Mehrere Mitglieder dieses halbfürstlichen Hauses hatten noch ihre besondern Paläste.

Ueber Bologna und die Romagna überhaupt §. 6, 45. Die bologne- sischen Fassaden bilden in ihrer Längenrichtung keine geschlossenen Compositionen , da ihre Erdgeschosse den fortlaufenden Strassenhallen gehören. In Ermanglung einer bestimmten Mitte kann dann auch die Pforte, ohnehin im Schatten der Halle und daher kein Gegenstand des Schmuckes, angebracht werden, wie es bequem ist. Höfe und Treppen, auch abgesehen von der oft grossen Schönheit der Formen, meist glück- lich auf nicht grossem Raum angeordnet, und zwar bis spät in die Barock- zeit hinein. (Die Höfe vgl. §. 46, Fig. 111, 112 und 113.)


Fig. 111. Haus zu Bologna neben Pal. Pepoli. (L.)


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Erstes Buch, Architectur.


§• 94.

Der venezianische Typus.

Venedig, welches in Betreff der Palastcomposition eine fertige gothische Erbschaft antrat, ist die Heimath des Gruppirens und auch in diesem Sinne Gegensatz und Ergänzung von Florenz.


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Fig. 114. Pal. Scrofa zu Ferrara. (L.)


Für das Folgende Sansovino, Venezia, fol. 139, ss. und Serlio, L. III, fol. 79, auch L. IV, passim. Sabellico ist nur für die Decoration, nicht für die Anlage ergiebig. Ueber die gothischen Paläste §. 21, über die Incrustation der Fassaden und deren Gonsequenzen §. 42, 43.

Ein grosser Raum mit 2 Reihen von Nebenräumen geht durch die





XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues. 179

üblichen 3 Stockwerke hindurch und öffnet sich ziemlich gleichartig nach einer Ganalseite und einer Gassen- oder Platzseite. Im Erdgeschoss eine Thür, resp. Wasserpforte und kleinere Fenster; die Nebenräume zum Theil als Keller dienend. In den 2 obern Geschossen ist der Hauptraum ein durchgehender Saal mit jenen grossen Loggien oder Fenstergruppen an beiden Enden und symmetrischen Thüren zu beiden Seiten; daneben auf beiden Seiten Zimmer mit je 2 Fenstern.

Die Fenster haben meist Balcone. (Die strengere Architectur ver- warf die auf Consolen schwebenden Balcone, vgl. §. 102, und Serlio gibt im IV. Buch desshalb eine schöne venez. Fassade, an welcher die Balcone durch das Zurücktreten der obern Mauer ganz sicher und fest auf die Mauer des Erdgeschosses zu ruhen kommen.)

Die Treppen, meist in den Nebenräumen, bedeuten hier nicht viel; um so mehr wurden einige nicht in Privatpalästen befindliche bewundert : die in der Scuola di S. Marco und die glücklich angelegte und würdevoll verzierte in der Scuola di S. Bocco (§. 87), sowie die Scala d’oro im Dogenpalast.

Höfe, wo sie vorhanden sind, gewinnen lange Zeit keine selbständige Bedeutung und dienen nur dazu, einiges Licht zu schaffen für das Ge- bäude sowohl als für die Gisterne, deren Wasser nur dann für gesund gilt, wenn Luft und Licht Zutritt haben.

Zu Anfang des XVI. Jahrh. seit der letzten grossen Steigerung des Bauaufwandes (§. 42) wurde auch der kostbare Raum weniger gespart, und Sansovino und Sanmicheli durften Höfe mit Pfeilerhallen anlegen und auch am Aeussern die classischen Formen im grössten Massstab auf das gegebene Compositionsmotiv anwenden.

Diese Höfe hiessen alla romana gebaut. — Jac. Sansovino baute »nach den Regeln Vitruv’s« Pal. Delfino, Pal. Gornaro etc.

Sanmicheli , noch freier , öffnete am Palazzo Grimani die Ober- geschosse zu Riesenfenstern gleich Triumphbogen. Auch an seinem Palast Bevilacqua zu Verona (Fig. 115) gab er dem Obergeschoss, über einem Rusticaerdgeschoss , den Gharacter hoher Festlichkeit; am Palast Pompei ebenda den Gharacter ernster Pracht (Fig. 116).

Mailand hat bei einer Fülle trefflicher Bauten doch keinen be- sondern Palasttypus und Genua erhält den seinigen erst später. Neapel ist auffallend arm an Palästen der guten Zeit.

Die mailändischen Backsteinhöfe etc. §• 46. Ueber Genua §. 105. — In Neapel ist schon im XV. Jahrh. die Vorliebe für grosse Einfahrten bemerklich; das einzige wahrhaft classische Gebäude, Pal. Gravina von


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Erstes Buch, Architectur.


Gabriele d’Agnolo, ist so umgebaut, dass es besser nicht mehr vorhan- den wäre.

§. 95.

Rom und seine Bauherrn.

Rom, welches sich die Kräfte von ganz Italien aneignet, hat nicht nur wegen verschiedener Herkunft der Künstler, sondern wegen sehr verschiedener Absichten der Bauherrn Anfangs keinen herrschen- den Palasttypus. Es ist in den Jahren 1500 bis 1540 die Stadt des


stets Neuen und Abweichenden, der grösste Tauschplatz architectoni- scher Ideen.

Letarouilly, edifices de Rome moderne, III Tomes.

Die Bauherrn: die vornehmen Häuser, welche sich früher mit dem Bauwesen von Landbaronen begnügt hatten; ihr Massstab steigt seit 1470, da z, B. ein Orsini den Palast zu Bracciano baute non tarn ad frugali- tatem romani proceris (Barons) quam ad romanor. pontificum dignitatem; Jac, Volaterran, bei Murat. XXIII, Gol. 147,

Die reichern Cardinäle und ihr wachsender Bauluxus seit Pius II., vgl. §. 8. — Unter Sixtus IV. dessen verschwenderischer Nepot Cardinal



XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


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Pietro Riario ; bei einem fürstlichen Empfang in dessen Palast die frühste bekannte Ventilation , freilich nur als Vorrichtung des Augenblicks , mit Blasebälgen (1473), vgl. Gorio, storia di Milano, fol. 417, ss. (Vgl. unten §. 158.)

Seit 1500: Palazzo della Cancelleria (erbaut für Cardinal Rafael Riario), — Pal. Giraud (für Card. Hadrian von Gorneto), — dann Pal. Farnese (für Paul III. als Cardinal), u. a. m.

Von Prälaten jedes Ranges, Schreibern der päpstlichen Curie u. s. w. sind mehrere der wichtigsten kleinern Paläste und Häuser gebaut. Zum Theil wohl, weil es keine sichere Anlage des Vermögens gab und weil man keine Leibeserben hatte. Dazu die Baulust und die Sorge für Un- vergänglichkeit des Namens, den man gerne in allen Friesen wiederholte.

Der Bauwetteifer weltlicher Familien sucht einen bestimmten Rang gleichartig auszudrücken; derjenige geistlicher Herrn ist frei der Origina- lität hingegeben.

Auch wer sein Erdgeschoss zu Buden vermietbete, wollte doch einen Palast haben, sodass die Miethe den grossem Bauaufwand decken half. So an Pal. Vidoni-Caffarelli und am Hause des Branconio d’Aquila (Ra- fael, s. unten), an Pal. Maccarani und Cicciaporci (Giulio Romano), an Pal. Niccolini (Jacopo Sansovino); meist Prälatenbauten.

Die bedeutenden Palastbauten der Päpste wirkten natürlich in man- chen Punkten auch auf den Styl der Privatpaläste ein.

§• 96 .

Die römischen Fassadentypen.

Rom besitzt zunächst die edelsten Rusticafassaden mit Pilastern

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an Palästen Bramante’s.

Pal. Giraud und die Cancelleria, §. 40, 56, 95. — Die vorbraman- tesken Fassaden §. 41.

Den geraden Gegensatz hiezu bilden eine Anzahl Passaden mit consequenter Scheidung von Stein und Mauerwerk, sodass Sockel, Fenster, Thüren, Simse und Ecken, sämmtlich aus Stein in kräftigster plastischer Bildung (§. 54), aus einer Mörtelfläche vortreten, die Ord- nungen von Pilastern und Halbsäulen aber wegbleiben.

Wenn man von einem römischen Palasttypus sprechen will, so ist

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es am ehesten dieser.

Das grösste und einflussreichste Beispiel, Pal. Farnese, vom jüngern Ant. Sangallo , begonnen vor 1534 (Fig. 117). Früher: Pal. di Venezia und Pal. Sora, mit Unrecht letzterer dem Bramante zugeschrieben. Später:


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182


Erstes Buch. Architectur



Pal. Sciarra u. A. (Fig. 118), Als man den Fenstern kräftige Einfassungen und selbst vortretende Säulen gab (§. 51), konnte das Auge die Pilaster- ordnungen sehr wohl entbehren*


XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


183


Rafael dagegen, welcher die stärkste und vielartigste plastische Ausdrucksweise vertritt, fügt gerne Halbsäulenordnungen, sogar ver- doppelte, und Nischen hinzu; Flächen werden als quadratische Mauer- f elder ein gerahmt .


Noch ohne solche Zuthaten, aber majestätisch kräftig in der Bildung der Fenster, Ecken, Simse etc.: Pal.

Pandolfini in Florenz.

Mit gedoppelten Halbsäulen im Obergeschoss über einem Rusticaerd- geschoss: Pal. Vidoni-Caffarelli in Rom, und Pal. Uguccioni in Florenz, letzterer mit doppeltem Obergeschoss (Fig. 29).

Ein Inbegriff aller Formen, welche Rafael nach den Gesetzen des Schönen in Eine Fassade zusammen zu drängen sich getraute: das im Jahr 1667 zer- störte, durch einen Kupferstich (sehr klein bei d’Agincourt, T. 57, grösser bei Letarouilly) bekannte Haus des Branconio d’Aquila, eines päpstlichen Gamerlengo, sonst fälschlich als Rafaels eigenes Haus bezeichnet ; Vasari VIII, p. 43, Nota, v. di Raffaello. Unten, in 5 grossen Bogen mit dorischen Halbsäulen, die Buden nebst den Fen- stern eines kleinen Halbstockwerkes darüber; im Mittelstockwerk 5 Fenster mit kräftigen Giebeln und Halbsäulen, dazwischen Nischen für Statuen ; über den Giebeln liefen prächtige Stucco- guirlanden hin, zwischen welchen sich die Luken eines zweiten Halbstock- werkes befanden ; endlich die 5 F enster des • Obergeschosses mit oblongen, be- sonders eingerahmten Mauerfeldern dazwischen.

Die äussere Fassade des Pal. Spada (Vasari XII, p. 102, v. di Dan. da Volterra), von Mazzoni (Fig. 119), ist trotz ihrem Effect nur eine missverstandene Nachahmung hievon; doch die Hoffassade beträchtlich besser. —


Fiff. 118. Pal. Sciarra zu Rom.


184


Erstes Buch, Architectur.


Im Gegensatz zu die- sem Allem zeigen die in §. 95 genannten Fassaden des Giulio und Sansovino eine kräftige und angenehme Wirkung durch die einfach- sten Mittel ; oben meist ein- gerahmte Mauerfelder.

Die möglichste Ein- heit des Kranzgesimses (§. 38) wird in Rom an den verschiedensten Fas- saden nach Kräften be- hauptet.

An der hintern Fronte des Pal. Farnese nimmt die grosse dreibogige Loggia des Giacomo della Porta die Mitte ein , ohne vor- oder zurückzutreten; sie er- hielt ein besonderes, leich- teres Kranzgesimse, dessen oberster Rand jedoch mit dem des ganzen Palastes (von Michelangelo, §. 50) in Einer Linie fortläuft.

Der Barockstyl hat erst um die Mitte des XVII. Jahr- hunderts diese Sitte völlig sprengen können.

§• 97.

Römische Palasthöfe.

Die Palasthöfe Roms umfassen alle innerhalb dieses Styles denkbaren Combinationen, den er- habensten Pfeilerbau mit Halbsäulen, die schönsten Säulenhallen, die geistvollsten Fictionen, welche grosse Motive in einen kleinen Raum zaubern, endlich die genialsten Hülfsmittel, um mit wenigem Stoff und


Fig. 119. Pal. Spada zu Rom. (Baidinger, nach Letarouilly).


XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


185


Raum einen noch immer monumentalen Eindruck hervorzubringen. Es sind zum Theil Triumphe des Proportional-Wohlthuenden und des Optisch-Schönen.


Fig. 120. Hof im Pal. Farnese zu Rom. (Nolil.)

Pfeilerhallen mit Halbsäulen : Pal. di Venezia (§. 37), und höchst vollkommen : der Hof von Pal.

Farnese (Fig. 120) von Michel- angelo; die 2 untern Stockwerke in nahem Anschluss an das Mar- cellustheater, das oberste geschlos- sen, mit Fenstern.

Der Säulenhof von Bramante’s Cancelleria (Fig. 121), von den besten Verhältnissen der Länge zur Breite und Höhe, mit zwei Bogen- hallen auf dorischen Säulen rings- um; darüber ein geschlossenes Ober- geschoss mit corinthischen Pilastern ; die Säulen wahrscheinlich aus der


Fig. 121. Hof der Cancelleria. (ISTolil.)


anstossenden Kirche S. Lorenzo in Damaso , welche dafür Pfeiler und eine neue Gestalt erhielt (§. 77).

Der achteckige Pfeiler, welcher im XV. Jahrh. zu Pintelli’s Zeiten öfter gebraucht wurde (Fig. 122), hatte seit Bramante sich nirgendwo mehr blicken lassen.

Andere gute Säulenhöfe der goldenen Zeit: in Pal. della Valle, in Pal. Lante etc.



186


Erstes Buch. Architectur.


In mehrern Höfen (Fig. 123), zum Theil von kaum bekannten Archi- tecten, ist die Pfeilerhalle mit Pilastern zwar bloss auf einer oder zwei Seiten wirklich geöffnet, auf den andern Seiten aber als Abbild wieder- holt, und mit Wänden ausgefüllt, welche Fenster (zum Theil nur falsche) enthalten ; auch das obere Stockwerk wird auf dieselbe Weise ringsum geführt; erst durch diese schönste und erlaubteste aller Täuschungen kommt eine strengere Harmonie in die ganze Anlage. (Hat Peruzzi durch den Hof von Pak Massimi die Anregung dazu gegeben?)


Auch in ganz kleinen Dimensionen wird bereits in dieser Zeit durch weise Be- nützung eines Durchblickes und Lichteinfalles, mit Hülfe weniger Säulen , eines Brun- nens oder Garfaneinganges ein höherer Eindruck hervorge- bracht.

Grosse, wenigstens beab- sichtigte Perspective : Laut Mi- chelangelo sollte man im Pal. Farnese durch die Einfahrts- halle mit ihren dorischen Säu- len, durch den Hof und die hintere Halle den farnesischen Stier als Brunnengruppe er- blicken ; in derselben Axe sollte eine Brücke über die Tiber in die Gärten der Farnesina füh- ren; Vasari XII, p. 232, v. di Michelangelo* Vgl. §*91 den Palast von Pienza.

Ausser aller Linie stehen die beiden Haupthöfe des Va- ticans: Cortile di S. Damaso von Rafael (Hof der Loggien, vgl. §. 60), und der ungeheure Haupthof (§. 35, begonnen 1503), leider nie ganz zur Ausführung gelangt; ein unterer Hof und ein oberer Zier- garten, Giardino della pigna, durch gewaltige doppelte Rampentreppen (§. 117, 126, Fig. 124) mit einander verbunden, an deren Stelle sich jetzt Biblioteca, Braccio nuovo etc. befinden ; den letzten Abschluss des Hallen- baues, welcher den Giardino della pigna umgibt, bildet eine colossale Apsis, bekrönt von einem halbkreisförmigen Säulengang.


Fi g. 122.


Kleiner Pal. di Venezia zu Rom. Hof. (Kohl.)


XI» Kapitel, Die Composition des Palastbaues.


187






Fig. 123. Pal. Linotte zu Rom.


i. 98.


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Die unregelmässigen Grundpiäne; die Zwischenstockwerke.

Rom ist ferner die Stätte ; wo die Architecten auf engem und unregelmässigem Grundplan edel und monumental bauen lernten.

Florenz hatte von jeher zu viele gerade Strassen, als dass werthvolle Bauten sich hätten in hoffnungslos schiefe und krumme Bauplätze schicken



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Erstes Buch. Architectur,


müssen. In Rom drängte sich unter Julius II. und Leo X, Alles auf das Marsfeld , Via Giulia , Umgegend des Pantheon , der Piazza navona etc.,

mit einem Worte, in das Strassenge wirr des verkümmerten mittelalter- lichen Roms.


Baldassar Peruzzi wandte alle Schätze des reifsten Studiums auf den in krummer enger Strasse gelegenen Pal. Massimi , gab die Fassade als Ganzes Preis, erhob aber deren Krümmung zu einem Motiv des höchsten


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XI. Kapitel» Die Composition des Palastbaues.


189


Reizes in der Halle des Erdgeschosses, und vertheilte Gorridore, Treppen, Säle und einen nur kleinen, aber einzig schönen Hof (§. 35) auf den unregelmässigen Grundplan in bewundernswerther Weise (Fig. 125). Alle Einzelformen sind vom Besten der goldenen Zeit.


In Pal. Linotte (Fig. 123) verstand er es, wenigstens auf geringer, wenn auch nicht unregelmässiger Grundfläche einen höchst edeln Bau mit zierlichster Anlage des Höfchens und der Treppe zu errichten.


Fig. 125. Hof des Pal. Massimi zu Rom. (Kohl.)

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Bei Serlio, L. VII, p. 128, die frühste Anweisung, wie man sich bei unregelmässigem Grundplan überhaupt zu helfen habe, wahrscheinlich nach Beispielen aus Rom.

Tri Rom kommen um diese Zeit die Zwischenstockwerke oder Mezzanine mehr in Gebrauch, ohne doch bei den bessern Architecten nach aussen den Character eines wirklichen Stockwerkes zu erhalten.


190


Erstes Buch. Architectur.


Oberste kleinere Geschosse für die Dienerschaft, mit kleinen Fenstern, welche dann gerne den obersten Fries einnehmen, sind längst und überall vorhanden.

Die römische Neuerung besteht darin, dass auch die Herrschaft in \ der Mitte des Hauses niedrigere Räume verlangt, und zwar für leichtere i Heizbarkeit im Winter, wie Serlio ausdrücklich bezeugt.

Wenn ferner irgend ein Stockwerk grosse und kleine Räume neben einander enthielt, so musste in letztem, oft weit unter der wahren Decke, eine falsche eingesetzt werden und es entstand ein leerer Raum (ein sog. Vano), den man sonst häufig den Mäusen und dem Dunkel überliess, nun- mehr aber gerne zu Zwischenwohnungen benützte. Serlio, L. VII, p. 28: Tutti li luoghi mediocri et piccoli si ammezzaranno per piü commoditä, d. h. sobald ein Raum zu klein ist für die allgemeine Stockwerkshöhe, halbirt man ihn.

Einstweilen aber werden die betreffenden Fenster nach aussen immer nur beiläufig angebracht, in einem Fries, oder im Sockel der nächstobern Ordnung, oder innerhalb derselben Ordnung mit dem darunter befind- lichen Hauptstockwerk (letzteres in den Fassaden Bramante’s) oder in der Füllung eines Bogens. Erst etwa seit 1540 proclamirt sich das Mez- zanin nach Aussen als besonderes Stockwerk, nicht zum Yortheil der Composition, welche in der guten Zeit möglichst wenige und grosse Ab- theilungen liebte.

(An Sanmicheli’s Palästen zu Venedig und Verona, §. 94, kommen sehr kühne Eintheilungen vor; doch hat er das Mezzanin einstweilen nur im Hof des Pal. Canossa zu Verona als besonderes Zwischengeschoss gegeben.)

§. 99.

Die römischen Treppen.

Auch die Treppen (vgl. §. 91) verdanken Rom einen bedeuten- den Fortschritt in das Bequeme und Imposante, wie dies in der Stadt der Ceremonien nicht anders sein konnte.

Alle Treppen des XV. Jahrh. kamen dem XVI. Jahrh. steil vor ; z. B. auch noch die des Gronaca im Pal. Strozzi und im Signorenpalast zu Florenz; Vasari VIII, p. 120, 124, v. di Gronaca.

Bramante in verschiedenen (jetzt meist veränderten) Räumen seines vatican. Baues soll sich mit Stiegen jeder Art recht wohl zu helfen ge- wusst haben: Vasari VII, p. 133, v. di Bramante, und doch sind die Treppen der Cancelleria noch relativ steil, ebenso die der Farnesina von

Peruzzi.


\


XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


191


Die erste ganz bequeme, breite und mit durchgeführter Pilasterbeklei- dung versehene Treppe ist die des Pal. Farnese, vom jungem Ant. San- gallo.

Von da an wird keine tadelhafte Treppe mehr gebaut, sobald nur irgend die Mittel reichen.

Auch die für die Bedienung, den Transport u. s. w. bestimmten Wendeltreppen, bisweilen ohne Stufen, für Maulthiere gangbar, erhielten jetzt eine monumentale Ausstattung; so die des Bramante im Vatican (d’Agincourt, T. 57), mit wechselnden Ordnungen der Säulen des innern Randes. Andere berühmte Wendeltreppen: die des Giulio im Palast von Mantua, die des Genga in Monte Imperiale bei Pesaro; Vasari XI, p. 106, v. di Giulio; XI, p. 90, v. di Genga.

Michelangelo’s in Rom componirte Treppe für die Vorhalle zur Biblio- teca Laurenziana in Florenz, welche so viel Aufsehen machte, ist wie die Vorhalle selbst (§. 56) ein unbegreiflicher Scherz des grossen Meisters. Näheres bei Vasari X, p. 273, v. di Tribolo; XII, p. 242, v. di Michel- angelo; — Gaye, carteggio III, p, 12; — Lettere pittoriche I, 5; — s. oben §. 60.


Rechenschaft über den ganzen damaligen Palastbau ; als vielmehr zahl- reiche theils eigene ; theils von Baldassar Peruzzi erhaltene Zeichnungen, oft von sehr hohem Werthe enthält.

Hauptsächlich zu Ende des III., sowie im IV. und VII. Buche. Die Wirkung dieser Publication §. 12, 81. Wir citiren nach der Quartausgabe.

Serlio wendet bereits jene stärkern Ausdrucksmittel an, welche hauptsächlich seit Rafael in Gebrauch gekommen, §. 51, 54, 96. Von Mezzaninen macht er reichlichen Gebrauch, doch ohne sie je aussen als eigenes Stockwerk anzuerkennen.

Einige Idealfassaden des VII. Buches (S. 120, ff.) sollen insbesondere den Unterschied lehren zwischen: un’architettura soda, semplice, schietta, dolce e morbida, und: una debole, gracile, delicata, affettata, cruda, anzi oscura e confusa.


fassaden etwa in bolognesischer Weise (Fig. 126) oder für die Umgebung von grossen Plätzen (L. IV); - — Säulen mit geradem Gebälk (Fig. 127); — je 2 Säulen mit geradem Gebälk die Bogen tragend (Fig. 128) ; —


. 100 .


Die Paläste bei Serlio.


Neben den ausgeführten Bauten kommt vorzüglich Serlio’s Sam- melwerk (§. 31) in Betracht, welches nicht sowohl eine vielseitige


Sehr schön und zum Theil wahrhaft endgültige Lösungen : die Hallen-


192


Erstes Buch» Architectur.


einfache Pfeiler mit Bogen; — Bogenpfeiler mit einer Halbsäulenordnung (Fig. 129); — Pfeilermassen mit je 2 Halbsäulen und einer Nische da- zwischen; — ja Gebäude, die zu schon vorhandenen allzu- kurzen oder allzuschlanken Säu- len eigens erfunden sind. Zu all diesem componirt er den Oberbau jedesmal neu, theils wiederum als (wahre oder schein- bare) Halle, theils als geschlos- senen Bau mit oder ohne Ord- nungen. — (Auch im VII. Buch einige Hallenfassaden.)

Unter den Fassaden vene- zianischer Art (L. IV) sind eben- falls einige treffliche.

Im VII. Buche ferner Auf- gaben auf unregelmässigem Grundplan (S. 128); — Palast- bau an Abhängen (S. 160, so ziemlich das genuesische Princip: der Palast vorn, der Hof gegen den Abhang, der hier eine Mauer- wand bildet ; über dieser der Wasserbehälter). — Wie un- gleiche Fensterintervalle durch symmetrische Wiederholung das Störende verlieren können gleich der discordia concordante eines mehrstimmigen Gesanges, lehrt er S. 168, ff. — Leider ist bei der Besprechung des Innern seine Definition von Sala, Salotto und Saletta (S. 148) durch Druck- fehler unrettbar entstellt.

Seinen französischen Patro- nen zu Ehren redet er auch von grossen prächtigen Dach-

schlöten und Dachfenstern, der- Fig. 127 . Fassade nach Serlio. glichen die französische Renais-

sance, d. h. die mit Renaissanceformen bekleidete Gothik, aus dem Mittel- alter übernommen hatte. In Italien hatte man allenfalls die flüchtig


Fig. 126 . Fassade nach Serlio.



XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


193


Fig. 128. Fassade nach Serlio.


verzierten venezianischen Schlote oder solche in Gestalt von bemalten Zinnenthürmchen, wie z. B. auf dem Palast von Pienza, aber ohne dass irgend ein Gewicht darauf ge-

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legt worden wäre. Ein Anblick wie Chambord, wo die wich- tigsten, characteristischen Bau- formen auf das Dach verlegt sind, hätte in Italien durchaus nur Heiterkeit erregt.

(Alberti, de re aedificato- ria, L. VI, c. 11; L. IX, c. 4 lässt als einzig wiinschens- werthe Dachzierden Obelisken,

Laubakroterien und Statuen

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gelten, und auch dazu ist es im XV. Jahrh. an weltlichen Gebäuden fast nie und im XVI. nur selten gekommen , zum Theil aus Ehrfurcht vor der Herrschaft des Kranzgesimses.)

§. 101 .

Oeffentliche Paläste; ihre Säle.

Paläste für öffentliche Zwecke werden besonders cha- racterisirt durch grosse Säle und hallenmässige Oeffnung nach aussen. Das Mittelalter mit seinem wirklichen politischen Leben hatte die Gestalt solcher Bauten bereits im Grossen fest- gestellt (§. 21).

Wir abstrahiren hier von den verschiedenen Namen und Bestimmungen : Palazzo del

comune, — della ragione, — del consiglio, — de’ tribunali,

— del podestä, — del pre- fetto etc. Die Bestimmungen haben ohnehin oft gewechselt.

Von den grossen Sälen ist kaum einer mehr in derjenigen Gestalt

erhalten, welche ihm die goldene Zeit gab; auch die Sala del gran con- B u r c k h a r d t, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 13


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Fig. 129. Fassade nach Serlio.



Erstes Buch, Architectur.

siglio im Dogenpalast und der obere Saal der Scuola di S. Rocco zu Venedig sind beherrscht von spätvenezianischen Malereien ; der grosse Saal im Signorenpalast zu Florenz war, so wie man ihn bis in unsere Zeiten sah, erst das Werk Vasari’s, der ihm indess doch einen reichen hintern Abschluss zu geben wusste. Von demjenigen im Pal. comunale zu Brescia, sowie von dem im Innern des Pal. del Podestä zu Bologna befindlichen (170 auf 74 Fuss, einst zum Gonclave Johanns XXIII., später zum Theater und zuletzt zum Ballspiel gebraucht) weiss Verf. nichts in Betreff des Innern anzugeben. — Die Decken, innen cassettirt oder be- malt, hängen am Dachgerüste.

Den Salone in Padua erreicht keines dieser Gebäude an Umfang. Das Verhältniss der Grösse zur Höhe und die Beleuchtung ist kaum irgendwo angenehm, so dass solche Säle neben den grossen Sälen nam- hafterer Privatpaläste (§. 91), sowie neben grossartigen Klosterrefectorien und Capitelhäusern mit Oberlicht, zumal gewölbten, zurückstehen müssen.

Der schönste grosse Saal der Renaissance, freilich schon auf der Neige des Styles, ist nach meinem Dafürhalten die Sala regia des Vaticans mit ihrem von Perino und Daniele da Volterra herrlich stucchirten Tonnen- gewölbe (§. 177), ihren 5 Pforten und ihrem einzigen, mächtigen, in der Höhe angebrachten Fenster.

Vasari zählt die grossen Säle auf bei Anlass des florentinischen, den er selber umbaute, VIII, p. 123, v. di Cronaca: einer im Pal. di Venezia zu Rom (?), ein von Pius II. und Innocenz VIII. erbauter im Vatican (verbaut), einer im Castell (nuovo) zu Neapel (?), dann die Säle des Palastes von Mailand (jedenfalls verbaut), der Pal. von Urbino (wo sich kein besonders grosser Saal befindet), nebst den bekannten von Venedig und Padua,


§. 102 .

Der Hallenbau öffentlicher Paläste.

Der offene Hallenbau ist der sprechende Ausdruck dafür, dass das betreffende Gebäude das Eigenthum Aller sei. Nicht nur wurde ihm das Erdgeschoss fortwährend fast ganz oder zum grossen Theile überlassen, sondern auch das Obergeschoss nahm, wenigstens dem Scheine nach, die Formen desselben an.

Selbst an schon vorhandene Amtsgebäude wurde wohl eine Halle hingebaut; Annales Placentini, bei Murat. XX, Gol. 958, 960, zum J. 1479.

Schon im Mittelalter bildet an den Palazzi pubblici, Pah della Ragione (d. h. Gerichtsgebäude), Broletti etc. von Oberitalien das Erdgeschoss unter dem grossen Saal geradezu einen öffentlichen Durchgang. — Ideal-


XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


195


bild eines solche» Palastes in den Fresken des Benozzo, Gampo Santo von Pisa, Geschichte Josephs, — Der Pal. del Podestä, früher unten ge- schlossen (Florenz, Pistoja), erhält nun hie und da ebenfalls eine offene Halle; seine allgemeinen Requisite bei M. Savonarola, ap. Murat. XXIV, Col. 1174: Säle, Capelle, Canzlei, Räume aller Art, Wohnungen der Beamten, Ställe etc. — Die wichtigem Gebäude sind folgende:

Pal. Communale zu Brescia (Fig. 130), erbaut 1508 von Formentone, mit mächtiger unterer Halle innen auf Säulen, aussen auf Pfeilern, und mit reich decorirtem Aeussern. (Das Dachgeschoss später.)


Der zierliche Pal. del Gonsiglio zu Verona (Fig. 131), erbaut vor 1500 von Fra Giocondo, unten wenigstens nach vorn völlig offen, mit einer Balustrade und 2 kleinen Treppen.

Die noch schöner componirte Loggia del Gonsiglio zu Padua , von Biagio Rossetti; im Erdgeschoss 7 Säulenintervalle, deren 3 mittlere sich gegen eine stattliche Treppe öffnen.

Der Pal. del Podestä zu Bologna, 1485 umgebaut von Fioravante, mächtige untere und obere Pfeilerhalle, dort mit Halbsäulen (§. 41), hier mit Pilastern. — Ueber den Saal vgl. §. 101.



Erstes Buch. Architectur.


196

Pal. Pretorio zu Lucca, mit geschlossenem oberem Stockwerk.

Das Zurücktreten der obern Stockwerke an den meisten dieser Ge- bäude hat seinen sehr guten Grund darin , dass man sich nicht auf schwebende Balcone über Gonsolen verlassen wollte, wenn die Behörden bei feierlichem Anlass sich oben zeigen mussten. Vgl. §. 94. (Auffallen-


Fig\ 131 . Loggia del Consiglio zu Verona. (Baidinger nacli Phot.)


des Zurücktreten des Obergeschosses ohne solchen Grund an Bafael’s Pal.

Pandolfini, §. 96.) &(jl4 C-Oirrvo . ( &)“)

Am Dogenpalast zu Venedig gehört noch das ganze Aeussere und die Anlage überhaupt der gothischen Zeit an, der Hof aber in den reich- c tAn Fnrmpn der Renaissance und in weissem Marmor ausgeführt (von


Bregno, Scarpagnino, Guglielmo Bergamasco) ist für den Gharacter eines öffentlichen Gebäudes von diesem Range nicht bezeichnend gestaltet und


i



XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


197


sein Werth liegt mehr in den glänzenden Einzelheiten (Riesen treppe, Scala d oro und einige wenige Räume des Innern, welche noch ihre Ausstattung aus dem XV. und beginnenden XVI. Jahrh. erhalten haben).

Die alten Procurazien in Venedig , für lauter Bureaux und Amts- wohnungen, das Erdgeschoss für Buden, nach der Platzseite ein fort- laufender Bau offener Hallen, wahrscheinlich weil die festliche Bedeutung des Marcusplatzes keine geschlossenen Fassaden geduldet hätte. (Die neuen Procurazien wiederholen dann das Motiv der Biblioteca, §. 103 mit Zuthat eines Obergeschosses. — Vgl. auch §. 114.)

Auch die Börsen, loggie de’ mercanti, nebst den Zunftgebäuden, schliessen sich, wenn auch in kleinerm Massstab, dem Motiv der Stadt- paläste an, indem auch hier eine untere Halle mit Treppe und Neben- räumen, und ein oberer Saal für Versammlungen vorgeschrieben waren. Vgl. das Project bei Serlio, L. VII, p. 116, und aus der gothischen Zeit die Loggia de mercanti zu Bologna. Bisweilen gehörte auch eine Capelle dazu, wo jeden Morgen ad devotionem et commodum mercatorum eine Messe gelesen wurde. So im Palazzo della Mercanzia zu Siena, welcher sammt der Capelle (Urk. v. 1416 bei Milanesi II, p. 82, vgl. p. 93) gegen die Piazza hin schaut; auf der Rückseite gegen eine höher liegende Strasse wurde diejenige Loggia angebaut, welche jetzt Casino de’ Nobili ist.

§. 103.

Sansovino und Palla di o.

Wie schon in einigen der genannten Paläste das Längenverhält- niss und die Zahl der Hallenbogen willkürlich ist, so wurde an zwei ganz exceptionellen Gebäuden, an Jacopo Sansovino’ s Biblioteca zu Venedig und an .Andrea Palladio s Basilica zu Vicenza der Hoppelballe als solcher, freilich in ihrer höchsten monumentalen Ausbildung, die Herrschaft völlig überlassen.

Die Biblioteca §. 53. Es war eine ungerechte Kritik, wenn man dem Gebäude vorwarf, es sei zu niedrig für seine Länge, da dasselbe als Hallenbau keine bestimmte Länge haben will. Der Architect aber gab bei seiner Verantwortung statt dieses wahren Grundes Scheingründe an, vorausgesetzt, dass die Aufzeichnung des Sohnes (Franc. Sansovino, Venezia, f°l. H5) das vom Vater Vorgebrachte genau wiedergebe. Derselbe gab z. B. ohne Noth zu, dass sein Bau im Vergleich mit dem Dogenpalast niedrig, aber ohne Rücksicht auf denselben entworfen sei ; denn der Dogen- palast, welcher die Majestät der Republik darstellte, verlangte eine solche Rücksicht allerdings, und zwar in Gestalt einer Unterordnung der Biblio- teca. Dass die geringe Höhe durch die geringe Tiefe entschuldigt wird,


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Erstes Buch. Architectur.


ist ebenfalls eine Ausrede; die geringe Tiefe hätte einen mächtig grup- pirten Hochbau nicht ausgeschlossen und die Schmalseite gegen die Riva hätte sich schon maskiren lassen. Venedig wollte ein Meisterwerk nicht der Gomposition, sondern der Durchführung.

Während des Baues publicirte 1544 Serlio (L. IV, fol. 154 oder 155), angeblich nur für ein raumsparendes venezianisches Wohnhaus mit Buden in der untern Halle, einen Entwurf, der Sansovino’s Idee sehr schön in das Einfache, Schlankere und Edlere umdeutet. (Vgl. Fig. 129.)

Palladio umbaute seit 1549 den alten Palazzo della Ragione seiner Vaterstadt Vicenza, ein nicht ganz regelmässiges Oblongum, rings mit einer untern dorischen und einer obern ionischen Halle ; beidemale ist zwischen den Halbsäulen der Hauptordnung ein Bogen auf freistehenden kleinern Säulen derselben Ordnung eingesetzt. So entstand die »Basilica«, das öffentliche Gebäude als solches, wie man es in ganz Italien gerne ! -gehabt hätte, ganz in Hallen aufgelöst, gleich dem Marmorthurm von \ Pisa. An den Ecken wurden die Ungleichheiten auf das Geschickteste

verdeckt.


§. 104.


Die Familienloggien.


j Endlich musste das XV. Jahrh. einer eigenthümlichen Sitte ge-

nügen, dem Bau dreibogiger offener Loggien, wo sich bei feieilichen Anlässen Corporationen oder bestimmte Familien versammelten odei Aufwartung annahm en.


Um 1450 erwähnt M. Savonarola (1. c. col. 1179) zu Padua die prächtige, verzierte, auf 4 Marmorsäulen gestützte »Lodia, welche der

Sitz der Rectoren und der Adlichen ist«.

Schon das XVI. Jahrh. verstand den Brauch offenbar nicht mehr; Vasari XI, p. 306, v. di Udine: »die Loggia Medici sei erbaut zur Bequem- lichkeit und zur Versammlung der Bürger, wie es die vornehmsten Bürger damals zu halten pflegten.« Laut Lettere sanesi III, p. t5 baute Pius II. die seinige, damit die Piccolomini sich daselbst versammeln könnten »per esercizi pubblici di lettere o di affari«. Lateinisch heisst sie urkundlich theatrum; Milanesi II, p. 322. Laut Vitae Papar., Murat. III, II, Gol. 985 hätte noch ein Palast daran gebaut werden sollen.

Florenz hatte 1478 schon 21 solcher Familien-Loggien , wobei noch


ein halbes Dutzend vergessen sein sollen; Varchi III, p. 107, ss.

Als formales Urbild mochte die gewaltige Loggia de’ Lanzi in Florenz gelten, wo die feierlichsten Acte der Republik vollzogen wurden; erbaut 1375 von Orcagna, nachdem man noch 1356 gemeint hatte, dass eine




% XL Kapitel. Die Gomposition des Palastbaues* 199

Loggia sich für einen Tyrannen und nicht für einen Freistaat schicke; Matteo Villani, L. VII, c. 41. ~

Doch mussten die Familien-Loggien des XV. Jahrh., meist gegenüber dem Palast des betreffenden Geschlechtes , sich mit dem Gharacter eines artigen Zierbaues begnügen.

Erhalten: die Loggia der Ruccellai in Florenz, bei deren Palast, und wie dieser von Alberti erbaut, und zwar trotz seinem Vorurtheil (§. 35) mit Bogen.

In Siena: die Loggia de’ nobili als Rückseite des Pal. della Mercanzia (§. 102), auf 4 Pfeilern mit einem Oberbau, einfach zierlich; —

ferner die eben erwähnte Loggia del Papa, 1460 von Gecco di Giorgio erbaut, mit dünnen weitgespannten Bogen auf Säulen , mit der Inschrift : Pius II. den Mitgliedern seines Geschlechtes, den Piccolomini.

Manches Hallenfragment in italien. Städten mag eine solche Loggia gewesen sein, die ihren Gharacter eingebüsst hat.

§. 105.

Palastbau der Nachblüthe; das Aeussere.

Seine definitive Ausbildung erhielt der Palastbau erst durch die Meister der Zeit von 1540 bis 1580, in einer Zeit der stillgestellten Politik, der Gegenreformation und der zunehmenden Vornehmheit auf spanische Weise.

Die Meister: Giulio Romano; Giacomo Barozzi, genannt Vignola; Giorgio Vasari; Bartolommeo Ammanati; Galeazzo Alessi; Pellegrino Ti- baldi, gen. Pellegrini; Andrea Palladio u. A. m.

Florenz unter Gosimo I., Genua seit Andrea Doria künstlich in Ruhe gehalten und wesentlich der spanischen Politik unterthan; Venedig durch- aus auf kluge Behauptung des Erworbenen angewiesen.

Gosimo I. beförderte systematisch den Müssiggang der Reichen, und auch dem Geist der Gegenreformation war es angenehm, wenn bisher thätige Classen sich in eine vornehme Ruhe begaben. In Rom vollendete sich diese Lebensweise, indem die ältern Häuser und die sich beständig neu bildenden Nepotenfamilien darin förmlich wetteiferten.

Die nächste bauliche Folge der Vornehmheit ist der zunehmende Weit- und Hochbau, mit noch weiterer Vereinfachung sowohl als Derbheit des Details, jetzt oft schon bis in’s Flüchtige und Rohe.

Galeazzo Alessi hält am längsten eine reiche und gediegene Einzel- durchführung fest.

Von den F assadentypen gewinnt der römische im engern Sinne (§. 96), wesentlich abgeleitet von Pal. Farnese, jetzt eine sehr grosse Ausdehnung.


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Erstes Buch. Architectur.


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Hieher gehört die Masse der spätem römischen Paläste; etwa von Amm anati's JPa l. Ruspo li an (jetzige Banca nazionale).

Diese freiste Form musste die beliebteste werden für den Barockstyl, welcher Fenster, Thüren, Ecken und Simse ganz nach Belieben phan- tastisch umbilden konnte. Sie ist und bleibt jedoch noch sehr empfind- lich in Betreff der Verhältnisse. (Vignola’s riesiger farnesischer Palast zu Piacenza, fast ohne Details, bloss durch die Proportionen existirend.)

Die quadratischen Fenster der Mezzanine werden ohne Scheu ziemlich gross über den Fenstern des betreffenden Hauptstockwerkes angebracht, sodass das Mezzanin formal schon als Zwischenstockwerk wirkt.

Der Typus ist leicht so auszubilden , dass er der mürrischen abge- schlossenen Grandezza zusagt.


Auch das.Motiv einer oder zweier Halbsäulenordnungen (seltener Pilaster) ; über einem Erd- oder Sockelgeschoss in Rustica, kommt mehrfach vor ; aber nur selten in ganz sorgfältiger und edler Ausführung.


Hauptsächlich von Rafael (§. 96) ging dieser Typus auf Giulio und dann auf Palladio über, welche beiden aber sich auch für Halbsäulen und Säulen meist mit stucchirtem Ziegelbau begnügen mussten. (Pal. del Te zu Mantua, §. 119.)

Eine völlig gediegene und reiche Durchführung in gehauenem Stein wird man auch hiefür hauptsächlich bei Galeazzo Alessi und seinen mailändischen Nachfolgern suchen müssen. (Pal. Marino zu Mailand, mit Hermen am Obergeschoss, einer damals nicht seltenen Form; vgl. die sog. Omenoni , d. h. Riesen am Hause des Bildhauers Lioni in Mailand.)

Einige reichere Paläste von Venedig behaupten auch noch die Oeffnung der Fassade, jetzt in Gestalt von grossartigen Hallen.

Pal. Contarini, von Scamozzi; wozu aus dem XVII. Jahrh. Longhena’s Prachtbauten Pal. Pesaro und Pal. Rezzonico.

Auch Palladio gab seinem Meisterwerk im Privatbau, dem Pal. Chie- regati (vgl. §. 35) zu Vicenza (Fig. 132), unten und oben fast lauter offene Hallen mit geradem Gebälke.

In dem Engbau Genua' s werden die Proportionen der Fassade im Allgemeinen preisgegeben und die letztere irgend einer gefälligen Decoration überlassen.

Letztere geht von der Rustica (auch in phantastischer Anwendung) bis zu der durchgeführten Bemalung. Mehrere Fassaden Alessi’s ver- zichten indess durchaus nicht auf die Schönheit der Proportionen.

In Bologna fügt sich der dort heimische Hallenbau ebenfalls in die Formen der florentinisch-römischen Schule. So an Pal. Malvezzi-Medici



XI. Kapitel. Die Composition des Palastbaues.


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von Bart. Triachini, von vortrefflicher Wirkung und tüchtigen Verhält- nissen (Fig. 133). Mit starker Hinneigung zum Barockstyl Pal. Fantuzzi von Formigine (Fig. 134).



Fig. 138. Pal. Malvezzi-Medici zu Bologna. (Kohl.)


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Fig. 134. Pal. Fantuzzi zu Bologna. (Nohl.)


Oeffentliche Gebäude mit Hallen im Erdgeschoss gelingen auch dieser Zeit bisweilen noch auf das Herrlichste.


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Erstes Buch* Architectur.


Palladio’s Basilica 1549, §. 103; — mit einfachen Mitteln höchst wirksam : Vasari’s Uffizien , §. 35 ; — reich und edel das Gollegio de’ Nobili u. a. Bauten um Piazza de’ Mercanti zu Mailand, von Vinc. Se- regno, nach dem Motiv der Höfe des Alessi, §. 35, 106.

§. 106 *

Palastbau der Nachblüthe; das Innere*

Im Innern gewinnt vor Allem das Vestibül, jetzt für eine zahl- reiche wartende Dienerschaft der Besuchenden, eine grosse Ausdehnung.

Schon die Pforte jetzt als Einfahrt gross und weit. Das Vestibül, bei den Florentinern und noch bei Bramante selten mehr als ein Gang mit Tonnengewölbe, wird ein grosser, hoher, gewölbter Raum, meist mit einschneidenden Lünetten. — Die Einfahrtshalle von Palazzo Farnese, mit ihrem Tonnengewölbe über dorischen Colonnaden wurde freilich nicht wieder erreicht.

Das Vestibül gedeiht zu einer der höchsten Aufgaben, indem der Treppenbau (§. 99), bisher nur erst stattlich und bequem, nunmehr als Element der Schönheit dem Auge und der Phantasie absichtlich dargeboten und an das Vestibül unmittelbar angeschlossen wird.

Hauptneuerung: die Verdoppelung der Treppen um der Symmetrie willen, nachdem man sich in Gärten und Höfen schon seit Bramante daran gewöhnt hatte (§. 126, vgl. Fig. 124). Entweder begann man gleich unten mit 2 verschiedenen Treppen, oder liess Eine Treppe sich vom ersten Absatz an in zwei theilen ; Absätze (Podeste), Geländer, Säulen- stellungen, Ueberwölbungen etc. erhielten jetzt erst ihr besonderes ästhe- tisches Gesetz; dazu die Poesie des Lichtes und der Durchblicke, welche nicht ruhte bis sie aller ihrer Mittel sicher war*

Ein begeistertes und gewiss einflussreiches Programm dieses veredelten Treppenbaues: Vasari I, p. 130, Introduzione. Das vorzüglichste Verdienst hat indess die steile Treppenstadt Genua, wo man von jeher darauf hatte denken müssen, dem vielen Steigen eine gute und schöne Seite abzu- gewinnen; die Treppe im dortigen Dogenpalast (nach 1550) und in allen folgenden Palästen.

Die Höfe haben nicht mehr die feine Eleganz der besten unter den frühem, dafür aber bisweilen eine ernste Grösse oder eine geist- volle Pracht.

Der Ernst der Pfeiler- und Säulenhallen Ammanati’s und Palladio’s.

Der originelle und prächtige Hof in Alessi’s Pal. Marino zu Mailand;


XL Kapitel. Die Gomposition des Palastbaues. 203


sein schönster Hof ehemals der in Pal. Sauli zu Genua (Fig. 135); das Motiv §. 35.

Geistvoll angeordnete Säulenhöfe namentlich auch in Bologna (§. 93; aus dieser spätem Zeit u. a. Pal. Zucchini), — in Florenz (Pal. non fmito); — in Genua: die meisten Paläste des sinkenden XVI. Jahrh., vorzugsweise mit gekuppelten Säulen an Höfen und Treppen.

Von Pfeilerhöfen der Paläste ist viel weniger Gutes zu sagen; der colossale Hof des Pal. Pitti in Florenz mit seiner Rusticahalle in 3 Stock- werken, von Ammanati, reicht als Kunstwerk bei Weitem nicht an Pelle- grini’s erzbischöflichen Palast in Mailand.

Mit der Zeit aber werden die Höfe gleichgültiger behandelt und der


Aufwand überhaupt mehr auf grosse Dimensionen als auf feinere künst- lerische Durchbildung gewandt.

Die Corridore, jetzt hoch, weit und durchgängig gewölbt, be- haupten ihre meist einfachen Pilasterordnungen. — Im Innern bleibt wesentlich die frühere Disposition herrschend, nur dem grossem Mass- stab angepasst.


Einige Veränderung brachte der Hoch- und Weitbau des Vestibüls mit sich. Von den neuen Räumen ist nur etwa die »Galeria« zu er- wähnen, ein langer und verhältnissmässig schmaler Saal, nach Scamozzi’s Aussage aus dem Norden importirt. ( ja //*ri*


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Erstes Buch, Architectur.


XII. Kapitel.

Spitäler, Festungsbauten und Brücken.


§. 107.

Spitäler, Gasthöfe und Vergnügensbauten.

Spitäler und andere Bauten öffentlicher Mildthätigkeit ; welches auch ihre, innere Einrichtung sei, öffnen sich nach aussen in einer grossen Halle, als Sinnbild des einladenden Empfanges und als Warte- ort, mit einem geschlossenen Oberbau.

Alberti de re aedific. L. V, c. 8 gibt nur die umständlichen Requisite, aber nicht die Kunstform der Spitäler.

Brunellesco’s schöne Halle der Innocenti in Florenz, welche auch die Kirche des Fin- delhauses verdeckt.

Seine Spitalhalle auf Piazza S. Maria novella.

Ospedale del Geppo zu Pistoja, mit dem Friese farbiger Reliefs über der Halle (Fig. 186). Porticus der Putte di Baracano zu Bologna.

Bei den Bädern von Viterbo liess Nicolaus V. (1447 — 1455) mehrere Curgebäude aufführen, von »fürstlicher« Bequemlichkeit und Schönheit. Vitae Paparum, bei Murat. III, II, Gol. 929. Von der Form wird nichts gemeldet.

Sehr bedeutend und noch in grossen Partien erhalten: das Hospital S. Spirito zu Rom, der Hauptbau aus der Zeit Sixtus IV., mit ehemals offener, erst in neuern Zeiten geschlossener Fassadenhalle ; Kuppel in der Mitte der zwei langen Hauptsäle; zwei von den vier Höfen ursprünglich.

Ospedale maggiore zu Mailand hat eine geschlossene, freilich nach Nordwesten gelegene Prachtfassade, §. 44. Innen nur die Nebenhöfe alt; der berühmte Haupthof erst von Richini.

Einzelne Gasthöfe uüd Wirthshäuser waren schön genug, um begeisterte Erwähnung zu veranlassen.

Der Gasthof zum Ochsen in Padua (um 1450) mit Hof, Sälen, zahl- losen Kammern und Ställen für 200 Pferde, vollkommen »herrenmässig«. Savonarola, bei Murat. XXIV, Gol. 1175.





Die schönste und grösste Osterie vor Porta S. Gallo zu Florenz, für die Feiertage der Gewerbsleute, zerstört 1529. Varchi, ed. Milan. III, p. 86.

Ein eigener Kreis von Malereien, der sich in und an solchen Ge- bäuden entwickelte, theils lustiger und leichtfertiger Art, theils Wappen von Fürsten. Lomazzo, trattato dell’arte, p. 349.


aussen wahrscheinlich noch keine ausgeprägte Kunstform, oder es waren blosse Kauten des .Augenblickes, oder sie sind, wenn sie schön waren, sonst untergegangen.


lieber das ganze Bau- und Decorationswesen des Theaters der Re- naissance s. unten §. 192 bis 194.

Herzog Galeazzo Maria Sforza von Mailand (1466 bis 1476) liess für das Ballspiel »weite grosse Säle bauen und ebenso für die Musik«. Gorio, storia di Milano, fol. 426.

Falconetto (vgl. §. 26) baute in Padua eine Rotunde für Musikauf- führungen, »klein, aber hübsch«. Eine Nachahmung dieses nicht mehr vorhandenen Gebäudes glaubt Milizia (memorie degli archit. I, p. 269) zu erkennen in Palladio’s Rotonda (eigentlich Villa Capra).

In dem Hause des musikliebenden Luigi Gornaro zu Padua (jetzt Pal. Giustiniani) , welcher den Falconetto viele Jahre hindurch bei sich hatte, enthält der zierliche Anbau im Hofe rechts ein Achteck mit Nischen,


der Eleganz wurde, musste auch der Festungshau, so viel als möglich war, in den Kreis des Schönen gezogen werden. Dazu kam, dass einzelne Fürsten und ganze Dynastien, auf langes Wohnen in festen


bisweilen mit Consolen, Rustica an den Flächen oder wenigstens an den Kanten werden die durchgehende Ausdrucksweise sowohl für die Mauern der Bastionen und Schanzen, als für die Thürme und andere Freibauten, sobald die Mittel ausreichen.


Die italienische Zinne, oben eingezackt, gibt zum letztenmal die durchgehende Bekrönung ab an den prachtvoll malerischen Festungswerken von Bellinzona, dem Werk des letzten Visconti (1412—1447).


206


Erstes Buch. Architectur.


Statt der »hohen« Festungen führte Federigo von Urbino (§. 6, 11) die »niedern« ein, welchen das Geschütz weniger anhaben konnte. Ves- pasiano fiorent. p. 121.

Die Rustica in zugespitzter (diamantirter) Gestalt an den zwei riesigen vordem Thürmen des Castells von Mailand; — mit aufgemeisselten Kugeln als mediceischem Emblem an der Fortezza da basso zu Florenz.

Grosse, neben dem kriegerischen Zweck auf den höchsten Phantasie- eindruck berechnete Festungsbauten der guten Zeit : die Burg von Givita castellana , von Antonio da Sangallo dem altern ; das Hafencastell von Civita vecchia, von Antonio da Sangallo dem jüngern, wenn nicht von Michelangelo.

Das Castell von Palo angeblich von Bramante. Schöne einzelne Festungspartien in Nepi und Grotta ferrata.

Fast alle namhaften Architecten waren zugleich Festungsbaumeister und Ingenieure, und empfahlen sich den Grossen als solche oft mehr denn durch ihre Kunst im engern Sinn (S. die Biographien der drei Sangallo, des Sanmicheli u. A. bei Vasari, und über Franc, di Giorgio sowohl Vasari als Milanesi II, p. 416 bis Ende). Der berühmte Brief, mit welchem sich Lionardo da Vinci bei Lodovico Moro einführt, zeigt diess klar. Lettere pittoriche I, Append. 1. — Doch machte Girolamo Genga (1476 — 1551) kein Hehl daraus, dass ihm die Festungsbaukunst, in der er Meister war, »ziemlich werth- und würdelos« erscheine. Vasari XI, p. 90, v. di Genga.

Die Festungsbauten der Päpste des XV. Jahrh.: Vitae Paparum, Murat. III, II, Gol. 929 (Nicolaus V.), 985 (Pius II.), 1018 (Paul II.) etc.


§. 109.

Die Thore der Renaissance.

Das Prachtstück des Festungsbaues ist das Thor an Aussen- werken* sowohl als im Innern. Das XV. J ahrh. hatte noch bisweilen den vollen Reichthum der korinthischen und Composita- Ordnung an den Pilastern und andern Gliederungen desselben walten lassen. Das naheliegende Vorbild ; der römische Triumphbogen, wurde doch nirgends ängstlich nachgeahmt.

Porta Gapuana in Neapel, um 1484, von dem Florentiner Giuliano da Majano ; zwischen zwei Thürmen der Bogen mit Composita-Säulen eingefasst, mit hohem Fries, die Attica neuer.

Vorzüglich schön: Porta S. Pietro zu Perugia, schon 1448 begonnen, aber 1475 neu verdungen an Agostino von Florenz, 1481 unterbrochen (§. 39) und daher ohne Kranzgesimse. Mariotti, lettere pittoriche perm


XII, Kapitel. Spitäler, Festungsbauten und Brücken,


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gine, p. 98. Graziani, cronaca di Perugia, archiv. stör. XVI, I, p. 605 und Matarazzo, ib. XVI, II, p. 8, Nota. Zu den Seiten des Thores vor- tretende Flügel mit Nischen; alle Ecken mit korinthischen Pilastern.



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208 Erstes Buch. Architectur.

Ein Bau von völlig einziger Art ist der prächtige marmorne Triumph- bogen des Alfons, ein weisser Hochbau zwischen zwei dunkeln Thürmen des Castello nuovo in Neapel (Fig. 137), wahrscheinlich von einem Mai- länder Pietro di Martino, fast das einzige Gebäude der Renaissance, welches die antiken Ordnungen im vollen Reichthum ihrer Formen prangen lässt.

Im XVI. Jahrh. wird dem Thor eine strengere, selbst düstere Haltung gegeben und die dorische und toscanische Ordnung in ihrer oben (§. 52) angedeuteten Verbindung mit der Rustica angewandt. Sanmicheli (1484 — 1559) vollendet die conventionelle Formensprache


des Festungsbaues. Der Thorthurm des Mittelalters verschwindet gänzlich.

Die Thore von Padua (1515 u. f.) bilden den Uebergang von der zierlichem in die strengere Art; von Falconetto sind Porta Savonarola und S. Giovanni (1528, nach dem Motiv eines einth origen Triumphbogens, aussen mit Halbsäulen, innen mit rohgelassenen Pilastern).

Sanmicheli, als Festungsbaumeister der Republik Venedig, errichtete dort das Fort S. Andrea di Lido mit der schönen Wasserpforte, und in Verona die Porta nuova, Porta S. Zeno (Fig. 138) und Porta stuppa oder del Palio. Die Composition jedesmal eigenthümlich , die Ausdrucksweise mit grosser Energie dazu gestimmt. Die Halbsäulen und Pilaster bisweilen



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XII. Kapitel. Spitäler, Festungsbauten und Brücken. 209

! ■ , . ' in echter Gestalt, meist aber nach dem unrichtig verstandenen Vorbilde unfertiger Römerbauten rusticirt, während Capital und Fuss sammt dem Gebälke regelrecht gebildet sind. Einmischung kräftiger plastischer Ele- mente, Masken, Löwenköpfe etc., zumal an den Schlusssteinen; mächtige Bildung der einzelnen Keilsteine der Bogen; hie und da horizontal ge- wölbte Oberschwellen.

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Eigentliche Missformen erst im IV. Buche des Serlio, z. B. Säulen, an welchen glatte und rusticirte Theile abwechseln.

Alessi’s Thor am Molo vecchio zu Genua auf der Stadtseite mit massigen Pilastern, nach aussen höchst derb.

Bisweilen wird dem Thor eine Decoration vorgesetzt, welche mit diesem Festungsstyl nichts gemein hat.

Porta S. Spirito zu Rom, im Grundriss ein Kreissegment (das frühste Beispiel dieses später so viel gebrauchten Reizmittels), vom jüngern Ant. da Sangallo, unvollendet ; — Porta del Popolo, angeblich von Vignola, triumphbogenartig; — Porta Pia, von Michelangelo, der um 1559 Ent- würfe für viele andere Thore von Rom machte (Vasari XII, p. 263); componirt in der Absicht, die plastisch höchst wirksam durchgeführte Thoröffnung durch Umgebung mit kleinen Nebenfenstern, Scheinzinnen etc. möglichst gewaltig erscheinen zu lassen. Die Bildung der Formen an sich völlig willkürlich und nur diesem Zwecke unterthan.

§• no.

Die Brücken.

Brücken von unabhängiger künstlerischer Bedeutung hat erst die Zeit von 1540 bis 1580 geschaffen.

Aus dem XV. Jahrh. : Ponte Sisto zu Rom, bereits mit Aneignung der Formen antiker Brücken.

Palladio’s prachtvolle Entwürfe für eine dreibogige Rialtobriicke zu Venedig. — Ammanati’s Ponte della Trinitä zu Florenz; die Formen der drei Bogen mit freister Genialität dem Ansteigen gegen die Mitte zu an- bequemt ; statt der Stichbogen Halbellipsen für das Auge ; die Brücke bildet Ein belebtes Ganzes (Fig. 139).

Bedeckte Brücken werden im XV. Jahrh. wenigstens verlangt von Alberti (de re aedif. L. VIII, c. 6), der auch über die Engelsbrücke zu Rom im Auftrag Nicolaus V. wirklich ein Dach soll erbaut haben. (Va- sari IV, p. 61, v. di Alberti). — Eine stattliche, ziemlich frühe Bedachung hat gegenwärtig noch die Brücke des Ticino zu Pavia.


Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl.


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Erstes Buch. Architectur.


XIII. Kapitel.

Correctionen und neue Stadtanlagen.


§. in.

Nivellirung und Pflasterung.

Die Renaissance ist die Zeit der Correctionen im weitesten Sinne, schon weil ihre ganze Richtung auf das Regelmässige geht, sodann weil ihre monumentale Architectur ein bestimmtes Mass freien Raumes und einige Harmonie mit den umgebenden Baulichkeiten verlangt.

Die nordische Gothik in Städten, deren Verteidigungsfähigkeit mit der Raumersparniss stieg, stellte auf enge, irrationelle Plätze selbst Kirchen ersten Ranges, deren organische Vollkommenheit sich um die Umgebung gar nicht zu kümmern scheint. Die italienische Theorie (z. B. Serlio, L. VII et passim) verlangt dagegen vor jeder Fassade womöglich einen Platz, dessen vier Seiten der Länge derselben entsprechen.

Da jede symmetrisch angelegte Fronte auch einen ebenen Raum vor sich voraussetzt, und da bereits im XIV. Jahrh. in Italien nicht bloss Paläste, sondern auch Häuser eine regelmässige Gestalt annehmen, so mussten die bessern Strassen nivellirt werden. Die Behauptung des Niveauos aber ist nur zu erreichen durch die Pflasterung, welche ausserdem nicht bloss dem Reinlichkeitssinn der damaligen Italiener, sondern womöglich durch Stoff und Anordnung auch ihrem Kunstsinn entsprach.

Zahlreiche Aussagen in allen Stadt- und Fürstengeschichten. Selciare oder salegare das Besetzen mit Flusskieseln , ammattonare mit stehenden Ziegeln; lastricare das Belegen mit Steinplatten. Florenz war am frühsten durchgängig mit stehenden Ziegeln und an allen bevorzugten Stellen mit Platten gepflastert. Sein Pflaster hat sogar eine mythische Urgeschichte: Gio. Villani I, 38. Das Belegen mit Platten schon vor 1250 in Strassen, wo man früher bereits Ziegel gebraucht, Vasari I, p. 249, v. di Arnolfo, eine ziemlich übertriebene Aussage. Der Platz am Baptisterium mit Ziegeln, Via nuova mit Platten 1289, Gaye, carteggio I, p. 418, s. Den Mönchen von S. Spirito wird 1297 gegen ein Geschenk ein Plattenweg längs ihrer Kirche auferlegt, p. 434. Plattenwege um alle öffentlichen Gebäude und









XIII. Kapitel. Correctionen und neue Stadtanlagen.


213


Thore beschlossen 1333, p. 478. Der Signorenplatz doch erst 1351 ganz gepflastert, und zwar mit Ziegeln, p. 502, mit urkundlicher Angabe der Zwecke: Schönheit, Verhütung des Schlammes und des Staubes. — In Siena erhielt der halbrunde mit Ziegeln gepflasterte Platz 1513 die con- centrisch zusammenlaufenden Linien von Travertinplatten, Lettere sanesi III, P- 12. In Piacenza wurde die Piazza 1469 gepflastert mit Marmor und Ziegeln in einer Zeichnung von Vierecken, Annal. Placent. ap. Murat. XX, Col, 927. — Die Pflasterung von Rom erst unter Nicolaus V., Pla- tina, vitae Pontiff,, p. 298 ; — gründlicher durchgeführt, und zwar mit Ziegeln, unter Sixtus IV., Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1897; Corio, fol. 416; Julius II. liess viele Strassen mit Ziegeln pflastern, Albertini, L. III, fol. 95. — In Venedig erhielt der Marcusplatz erst 1382 oder 1394 ein Ziegelpflaster; das jetzige Marmorpflaster jedenfalls nicht vor dem Ende des XVI. Jahrh., Sansovino, Venezia, fol. 105; die Strassen waren lange nicht gepflastert und sehr schmutzig, fol. 172. — Mailand bekam sein Pflaster seit 1412, Decembrio ap. Murat. XX, Col. 998, und wiederum seit 1469, Corio Historia di Milano, fol. 414. Lodovico Moro liess ganz Vigevano pflastern, Cagnola, archiv. stör. III, p. 188. — In Ferrara begann man 1417 mit der Piazza, welche, wie in der Folge die Strassen, ein Kieselpflaster erhielt, Diario ferrarese, ap. Murat. XXIV, Col. 183, 202, 245, s. Ebenso Bologna bei der grossen Correction von 1470, wo nur bevorzugte Stellen Ziegelpflaster bekamen, Bursellis ap. Murat. XXIII, Col. 897. — In Perugia wurde seit 1425 Ziegelpflaster gelegt, Graziani cronaca, archiv. stör. XVI, I, p. 318. — In Neapel führte erst der Vice- könig Pietro di Toledo seit 1532 die Pflasterung, und zwar mit Ziegeln, durch, vgl. dessen Leben, archiv. stör. IX, p. 22.

§• 112 .

Die Strassencorrectionen.

Schon vor dem Eintritt der Renaissance und noch mehr seither werden grosse Strassencorrectionen ; oft mit bedeutenden Opfern durch- geführt; theils um der Zweckmässigkeit; theils zugestandenermassen um der Schönheit willen ; als deren Vorbedingung bereits die Grad- linigkeit betont wird.

Sehr auffallende Ausnahme: L. B. Alberti, de re aedificatoria L. IV, c. 5, und L. VIII, c. 6, wo zwar für Hauptstrassen die Geradlinigkeit mit Häusern von gleicher Höhe und gleichen Portiken verlangt, sonst aber aus ästhetischen wie aus practischen Gründen der Schlangenwindung der Vorzug zuerkannt wird. (Die Stadt werde grösser scheinen, die Häuser sich allmälig und abwechselnd dem Auge darbieten, der Schatten nie ganz fehlen, der Wind gebrochen, die Vertheidigung gegen Feinde leichter sein.)


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Erstes Buch. Architectur.


In Florenz wird 1349 S. Romolo demolirt, damit ein freier Platz entstehe, für welchen gerade Fronten einbedungen werden, Gaye, carteg- gio I, p. 499. — Schon 1319 theure Häuser zum Abbruch wegen Ver- grösserung des Signorenpalastes angekauft, ib. p. 456.

Vorzüglich im XV. Jahrh. wetteifern die wichtigem Städte, ihre engen und krummen Strassen breit und gerade zu machen. Hemmende Vorbauten, Erker, Holzgerüste für das beliebte Arbeiten im Freien werden beinahe durchgängig abgeschafft.

In Siena eine eigene Verschönerungsbehörde, die ufficiali dell’ ornato, welche die betreffenden Correctionen und Expropriationen begutachten, Milan esi II, p. 337, s., 345. Vgl. 353.

In Bologna 1428 die Erweiterung und Verschönerung der Piazza, 1470 die Wegräumung der hölzernen Vorbauten ; 1496 wird eine Haupt- strasse, die der »Rompilger« (dergleichen es auch in andern Städten, z. B. in Piacenza gab), mit grossen Demolitionen gerade gelegt; 1497 eine andere ebenso, Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, zu den betreffen- den Jahren. Die Ode des Godrus Urceus (Opera, p. 303) de renovatione Bononiae.

In Ferrara etwa 1480 bis 90 gerade Strassen vom Palast zum alten Castell etc. durchgebrochen, Tito Strozza, Aeolosticha, p. 188, 199. In den neuen Theilen eine Menge gerader Strassen angelegt, eine schon mit Pappeln auf beiden Seiten 1457, Diario ferrarese, ap. Murat. XXIV, Gol. 202.

Wegnahme aller Vorbauten in Perugia 1426; — in Mailand und Pavia unter Lodovico Moro (um 1490, vgl. §. 163).

Für Städte der Gewaltherrscher wird dieselbe als unvermeidlich dar- gestellt von Alberti, de re aedificatoria L. V, c. 1, weil von Erkern u. dgl. aus die Gegenwehr gegen die Soldaten zu leicht wäre. — Hippias der Pisistratide nahm zwar den Athenern die Vorbauten weg, aber um ihnen dieselben wieder theuer zu verkaufen.

Der Umbau von ganzen Quartieren in Mantua 1526 bis 1546 unter Leitung des mit grösster Vollmacht ausgerüsteten Giulio Romano, Vasari X, p. 109, s„ v. di Giulio.

Beiläufig: ein frühes florentinisches Staatsverbot gegen Strohdächer in einem Landstädtchen 1367; Gaye, carteggio I, p. 518.

§. 113 .

Schicksal der Gassenhalle.

Den Gewaltherrschern, die in den Strassen bisweilen Kämpfe liefern mussten oder wenigstens häufig ihre Soldaten durchmarschiren


XIII. Kapitel. Correctionen und neue Stadtanlagen. 215

liessen ; waren ausser den Vorbauten aller Art besonders die Strassen- hallen zuwider, welche früher in mehrern Städten vorgeherrscht haben müssen, wo sie jetzt nicht mehr sind. Rom und Neapel haben aus politischem Grunde keinen Hallenbau.

Als König Ferrante von Neapel 1476 Sixtus IV. besuchte, machte er dem Papst begreiflich, er könne sich nie wahrhaft als Herrn von Rom fühlen, so lange die engen Strassen, die Erker und die Portiken vorhan- den seien. Zunächst unter dem Vorwand der Pflasterung begann 1480 deren Demolition. Infessura, bei Eccard, scriptores II, Gol. 1897, 1900. Sixtus widmete der Sache den grössten persönlichen Eifer, und sparte auch die Gewaltthaten nicht. Jac. Volaterran. bei Murat. XXIV, Gol. 166,, 185. Senarega, bei Murat. XXIV.

Frühere Correctionen von Rom unter Nicolaus V., der u. a. durch Demolitionen den Platz an der Engelsbrücke schuf, nachdem beim Jubi- leum von 1450 Hunderte von Menschen darauf erdrückt worden waren. Sixtus IV. baute Ponte Sisto u. a. , um bei Jubileen den Rückstrom der Pilger auf diesen Weg zu leiten, Vitae Paparum, bei Murat. III, II, Col. 924, 1064. — Pius II. benützte in Viterbo 1462 den Anlass seiner prächtigen Fronleichnamsfeier (§. 187), um in der Hauptstrasse alle Vor- bauten und Erker zu zerstören, »dem öffentlichen Besitz, was ihm ent- zogen war, zurückzuerstatten.« 

Später corrigirte Clemens VII. in Rom sehr rücksichtslos und ohne Vergütung an die Beeinträchtigten ; Varchi , stör, fiorent. I, p. 45. Paul. Jovii vita Pomp. Golumnae.

In Neapel waren auch nach Ferrante noch manche Portiken übrig, darunter antike, grottenähnliche ; wo sich Räuber und Mörder aufhielten. Dieses Alles, sammt den noch vorhandenen, ebenfalls polizeilich gefähr- lichen Vorbauten liess der Vicekönig Toledo seit 1532 zerstören. S. dessen Leben, archiv. stör. IX, p. 18. — Wie zur Schadloshaltung thürmt der neapolitanische Philosoph Campanella in seiner »Sonnenstadt« Hallen auf Hallen.

Landstädte mochten ihre Portiken behaupten, während Residenzen sie verloren.

§. 114 .

Der Platz im monumentalen Sinne.

Von grossem neuen Gesammtanlagen oder Umbauten kommen zunächst die Piazze in Betracht, welche vielleicht seit dem Alterthum die Stelle des Forums der betreffenden Stadt eingenommen und sowohl durch ihre Hallen als durch die anstossende Kirche (oder Hauptkirche)


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Erstes Buch. Architectur.


an dessen Portiken und Tempel erinnert hatten. Auch für Plätze zweiten Ranges und für Märkte wurde eine schöne und regelmässige Ausstattung wenigstens erstrebt. Das Vermiethen der Locale hinter den Hallen galt auch für den Staat, wenn er Eigenthümer war, nicht als etwas Unehrenhaftes.

In Venedig hatte der Marcusplatz um 1490 gegenüber den alten Procurazien ein ähnliches Hallengebäude und in beiden waren die Erd- geschosse als Buden vermiethet. An der Piazzetta ging, dem Dogenpalast gegenüber, ebenfalls eine Halle hin, welche das Erdgeschoss von Buden und Gasthöfen bildete. Schwerer zu entschuldigen ist, dass auch die obere Halle des Dogenpalastes dem Kram überlassen war; Sabellicus, de situ venetae urbis, fol. 89, s. Selbst um die beiden Säulen herum hatten sich Buden und Aergeres angenistet; erst 1529 wurde diess Alles entfernt und der Blick gegen das Wasser frei gemacht. Vasari XIII, p. 88, v. di Jac. Sansovino; — Sansovino, Venezia, fol. 116.

Das Project eines prachtvollen Hallenplatzes als Gentrum des grossen, systematisch neu anzulegenden Handelsquartiers am Rialto , Vasari IX, 162, ss. , v* di Fra Giocondo ; statt seines Plans später die einfachem Bauten des Scarpagnino und Sansovino.

Wie sehr die Piazza als Verkaufsort aufgefasst wird, zeigt Savonarola, bei Murat. XXIV, Gol. 1P79, welcher die Plätze von Padua nach der Zahl ihrer Buden classificirt.

In Florenz gestaltete sich der Annunciatenplatz erst im Lauf der Zeit symmetrisch, indem zu Brunellesco’s Halle der Innocenti ein Gegen- stück durch Antonio da Sangallo d. ä. erbaut wurde; die äussere Vorhalle der Kirche selbst, welche die Hauptfronte des Platzes bildet, ist erst seit 1600 hinzugefügt. Die Breite der einmündenden Strassen nöthigte hier zur Errichtung von lauter einzelnen Hallen.

Anders mag Michelangelo gedacht haben, als er Cosimo I. anrieth, das riesige Motiv der Loggia de’ Lanzi um den ganzen Signorenplatz herumzuführen. Vasari II, 130, Nota, v. di Orcagna. Man hätte damit alle Strassenzugänge ebenfalls überwölbt.

Die Anlage eines Platzes zu Gunsten des Anblickes eines Gebäudes wurde in Florenz wenigstens frühe erstrebt; Vasari III, p. 287, v. di Brunelleseo, welcher zwischen dem Chor von S. Spirito und dem Arno einen Platz verlangte. (Aehnliches vgl. bei Milanesi II, p. 225 für eine Gapelle zu Siena 1444.)

Der Florentiner Alberti nimmt (L. VIII, c. 6) das Recept zu seinem Forum aus Vitruv und verlangt für dessen Eingänge Triumphbogen.

Die von Nicolaus V. 1451 schön umgebaute Piazza von Fabriano, Vitae Papar., bei Murat. III, II, Gol. 929. — Die Piazza von Pienza, Fig. 140.


XIII. Kapitel. Correctionen und neue Stadtanlagen.


217


Die Piazza von Parma, wo in bürgerlichen Unruhen derjenige als Sieger galt, welcher sie inne hatte, wird desshalb 1478 von dem mai- ländischen Gouverneur von Neuem mit Mauern, Thoren und Wachen versehen. Diarium Parmense, bei Murat. XXII, Gol. 282, 296.

In Siena wollte man 1508 die halbrunde Piazza mit einer ringsum laufenden Halle versehen, Gaye II, p. 482. Milanesi III, p. 807.

Unter den Bauten des Lodovico moro wird die bella et ornata piazza zu Vigevano gerühmt, Gagnola, archiv. stör. III, p. 188.


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Fig. 140. Situationsplan zu Pienza. (L.)


a. Kathedrale, b. Pal. Piccolomini, c. Vescovato. d. Pal. Pubblico. e. Privatpalast.

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§. 115.

Neue Städte und Quartiere.

Neue Anlagen von Städten kamen zwar selten vor, beschäftigten aber doch als Gedankenbilder die berühmtesten Theoretiker.

Alberti, bes. de re aedificatoria, • L. IV, c. 5, ss. L. VIII, c. 6, ss. ; — Francesco di Giorgio, im Auszug bei Deila Valle, lettere sanesi III, P- 112. — Das sehr gesteigerte Phantasiebild einer Stadt: Fresken des Benozzo im Gampo Santo zu Pisa, Thurmbau zu Babel.

In den vielen Aufzeichnungen über den Umbau von Corsignano zur Stadt Pienza (Fig. 140), durch Pius II. (§. 8, 91) werden zwar die ein- zelnen Hauptgebäude genannt, doch bleibt die Anlage der. Stadt als solcher


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218


Erstes Buch. Architectur.


ohne Anschauung unklar. Der Neubau von Ostia durch Cardinal Estoute- ville unter Sixtus IV. ; »mit neuen Strassen und Häusern zu Zier und Nutzen«, vitae Papar., 1. c. Col. 1064.

In den sehr bedeutenden neuen Quartieren von Ferrara (§. 112), welche unter Herzog Ercole I. (st. 1505) entstanden, herrscht der gerad- linige Bau, wo möglich mit Schneidungen in rechten Winkeln. Zum Jahre 1497 wird angemerkt, dass die Bauten hinter dem Anwachsen der Be- völkerung zurückblieben, dass keine Häuser mehr zu vermiethen waren.

Die bedeutendste Gesammtanlage von künstlerischem Werth im XVI. Jahrh. war die Feste Castro, welche der Sohn Pauls III., Pierluigi Farnese, durch Ant. Sangallo d. j. (st. 1546) ausführen liess. Bei der Demolition des Ortes 1649 ging zwar Alles zu Grunde, allein die Zeich- nungen des Meisters sind noch in Florenz vorhanden. Deren Verzeichniss: Vasari X, p. 55, s. , v. di Sangallo, commentario; eine herzogliche Be- hausung (osteria), Wohnungen und Paläste für Gefolge und Hauptleute, wie es scheint meist mit Hallen; eine Kirche mit Kloster; ein Münz- gebäude etc. — Ob von damaligen Festungen irgendwo die ganze Anlage kenntlich erhalten? — Palma nuova ist erst von 1593.

Von dem gewaltigen Plan Nicolaus V., welcher in Rom den ganzen Borgo von der Engelsbrücke an sarnrnt S. Peter und dem Vatican völlig neu bauen wollte , ist nur eine gleichzeitige Beschreibung erhalten : Vitae Papar., bei Murat. III, II, Col. 931, ss. (Leben des Nicolaus, von Giannozzo Mannetti), wovon Vasari IV, p. 222, s., v. di Rossellino nur ein Auszug ist. Der neue Borgo, als Wohnung aller Derer, welche irgend zur Curie gehörten , sollte aus drei parallelen Hallengassen bestehen, sämmtlich auf einen grossen Platz vor S. Peter ausmündend; die mittlere sollte auf die Hauptpforte der Kirche gerichtet sein, diejenige links auf die Gegend des (damals noch seitwärts stehenden) Obelisken, diejenige rechts auf die Porta palatina des Vaticans. Letzterer, sowie die Vorbauten von S. Peter verrathen eine sich steigernde Pracht, von welcher hier Rechenschaft zu geben unmöglich ist. Für einen Architecten von Phan- tasie ein lohnendes Thema zum Restauriren. (Theatrum bedeutet hier eine Loggia oder offene Halle , coenaculum einen Saal überhaupt. Nach einer andern Ansicht sollte der Obelisk bereits auf die Hauptaxe von S. Peter versetzt werden.)



XIV. Kapitel, Die Villen.


219


XIV. Kapitel.

Die Villen.


§. 116 .

Gattungen der Villen,

Die Villen haben in Italien eine frühere und stets grössere Be- deutung gehabt als im übrigen Europa, und Florenz geht wiederum dem ganzen übrigen Italien voran.

Vgl. Gultur der Renaissance S. 399. — Giov. Villani XI, c. 93 zum Jahre 1338: auf dem Lande baute, wer es irgend vermochte, die Villen auf einmal reicher und schöner als selbst die Wohnungen in der Stadt, sodass Fremde schon drei Miglien vorher glaubten, sie seien in Florenz an gelangt. Man hielt allerdings solche Verschwender einstweilen »für thörichte Leute«. Gegen Ende des XV. Jahrh. hatten auch die Peruginer schönere Villen als Stadtwohnungen. Matarazzo, archiv. stör. XVI, II, p. 8.

Frühe werden unterschieden das eigentliche Landhaus zum langem Aufenthalt und zur Oeconomie, — und die villa suburbana, das Lust- haus vor der Stadt oder in der Vorstadt, zu flüchtigerem Aufenthalt, doch in der Regel noch zum Uebernachten eingerichtet. Ueber beide äussert sich die Theorie. Wenn aber auch ihre Requisite verschieden waren, so mussten sie sich doch in den Kunstformen mannigfach be- gegnen.

Leon Battista Alberti, vielleicht der wahre Verfasser jenes Tractates vom Hauswesen , welcher unter Pandolfini’s Namen u. a. das Landleben so sehr preist, gibt de re aedificatoria L. V, c. 15 bis 17 das Bild der Villa und L. IX, c. 2 bis 4 das der villa suburbana. Für erstere bleibt es indess beim blossen Programm, bei der Aufzählung der Räume, die sich um einen allgemeinen sinus oder Mittelraum herumgruppiren sollen. Da auf dem Lande kein Grund für den Hochbau vorhanden, so ist Alles als Ein Erdgeschoss gedacht. Das Einzelne zum Theil nach Vitruv und den scriptores rei rusticae.

Das vorstädtische Lusthaus, dessen wesentlicher Werth nur auf der Kunstform beruhen kann, soll laut Alberti heiter und einladend gestaltet und auf sanftem Abhang gelegen sein; Durchsichtigkeit, Alles voll Licht


220


Erstes Buch. Architectur.


und Luft; arrideant omnia; Abwechselung von quadratischen Räumen mit runden und wiederum mit eckigen und mit gemischten aus runden und geraden Linien; eine innere Verbindungshalle, sinus interior, um welche Alles herumgruppirt zu denken ist, Alles mit Einem Niveau, bloss Erdgeschoss; conclavia = Zimmer, coenacula = Säle. Als malerischer Wand- schmuck werden Landschaften mit bucolischer oder Genrestaffage empfohlen.

Die Abwechselung der Räume auch bei Sannazar. eleg. L. III, 8, de exstruenda domo (1496 — 1501): Jungantur longis quadrata, obliqua rotundis. Den mittlern sinus denkt er sich bereits oval oder auch rund:

Aedibus in mediis parvi sinus amphitheatri Visendas regum praebeat historias *).

Die Villenprojecte im VII. Buche des Serlio, soweit sie als villae sub- urbanae zu fassen sind, zeigen lauter abgeschlossene Einzelräume, deren Verbindung fast nur durch diesen mittlern Sinus oder Saal geschieht; dieser rund, oval, achteckig oder viereckig, bereits mit einer Lanternina auf der Mitte.. Ist der Saal oblong, so stehen sich an den beiden Lang- seiten in der Mitte Buffet und Kamin gegenüber. Was zur Bedienung gehört, im Kellergeschoss; Vorräthe etwa in einem verhehlten Obergeschoss mit Luken ; die Einstöckigkeit dem Scheine nach immer noch streng durchgeführt, thatsächlich die kleinern Räume häufig halbirt. Bisweilen die einzelnen Theile sehr absichtlich von einander isolirt und selbst mit dem mittlern Saal nur durch Gänge etc. zusammenhängend.

Noch Palladio und Scamozzi (architettura, L. III) halten den grossen Mittelraum fest und characterisiren ihn nach aussen bisweilen als Kuppel; Steigerung der Aufgabe durch Zweistöckigkeit und Treppen. Dagegen die römischen Baumeister der besten sowohl als der sinkenden Zeit com- poniren den Bau als Oblongum, sodass etwa eine vordere und eine hintere Halle parallel laufen und kein Centralraum entsteht.

§. 117.

Weitere Theorie des Villenbaues.

Im Ganzen wird besonders die villa suburbana als wesentlicher Phantasiebau die verschiedensten Formen annehmen. Ihre Räume haben nur den Zweck ; eine angenehme oder hohe Stimmung zu er-


  • ) Die Villa, welche Sannazaro dann wirklich am Posilippo baute, wurde

während der folgenden Kriege von den Spaniern unter Philibert von Oranien ver- wüstet. Sannazar, darob schwer erkrankt, hatte 1530 noch die Freude zu verneh- men, dass Philibert umgekommen sei, und erklärte, dass er nunmehr gerne sterbe, da der den Musen feindliche Barbar seinen Lohn erhalten habe. Paul. Jov. Elogia, sub Sannazario.


XIV, Kapitel. Die Villen.


221


regen ; unvermeidlich wird sich sowohl beim Bauherrn als beim Archi- tecten neben dem Originellen auch das Grillenhafte und Extravagante einfinden.

Im VII. Buche des Serlio p. 28 der berüchtigte Plan einer Villa in Gestalt einer Windmühle; p. 42 das Geständniss, man müsse sich vor dem allgemeinen Brauch durch neue Erfindungen zu retten suchen; runde, ja sogar ovale Villenhöfe mit Pfeilerhallen p. 27, 250. (Vgl. §. 120 die Gaprarola.) Andere Thorheiten p. 88 etc. Die Ueberzeugune, dass auf dem Lande überhaupt Licenzen gestattet seien, die man sich in luogo civile e nobile nicht erlauben würde, p. 16.

Den äussern Anblick characterisirt vorzüglich, im Gegensatz zur Stadtwohnung, die Oeffnung nach aussen in Gestalt von Hallen, als sichtbarer Ausdruck der Liebe zum Freien, des Einladenden und Luf- tigen 5 zugleich der stärkste Gegensatz zu nordischen Landsitzen.

Serlio VII, p. 46: »Auf dem Lande sind Hallen sehr viel schöner »anzusehen als (geschlossene) Fassaden; es liegt ein stärkerer Reiz (piü »diletto) darin, das Auge in das Dunkel zwischen den Bogen eindringen

»zu lassen, als eine Wand zu bewundern, wo der Blick nicht weiter »kann.« 

Den stärksten Eindruck des Einladenden erreicht die Architectur auch mit einem ohne Zweifel von Thermen entlehnten Motiv : der grossen einwärtstretenden halbrunden Nische. Bramante allein gebrauchte das- selbe , und zwar nicht an einer Villa , sondern als hintere Schlussform seines grossen vaticanischen Hofes und Gartens (Giardino della Pigna). Aber Pietro da Gortona entlehnte dasselbe mit voller Absicht anderthalb Jahrhunderte später für die Fassade seiner Villa Sacchetti, genannt il Pigneto.

Von selbst fällt nun auch die Einheit des Motives hinweg, welche an den Stadtpalästen wenigstens der ältern toscanischen Schule das höchste Gesetz ist. Selbst die Symmetrie wird bisweilen preisgegeben.

Die Villa hat keine eigentliche Hauptfassade, da sie frei zu stehen censirt ist; an jeder ihrer Seiten oder an irgend einer derselben wird die Halle entweder die Mitte zwischen zwei vortretenden Flanken einnehmen oder sogar unter Aufhebung der Symmetrie mit verschiedenen Baukörpern zusammengruppirt sein. Sehr frühe muss schon der Thurm, als Ueber- bleibsel des Schlossbaues und seiner Zwecke, sich an der Villa festgesetzt haben ; er bleibt ein irrationelles Element, wenn man ihn nicht verdoppelt oder vervierfacht.


222


Erstes Buch. Architectur,


Indess hat die Renaissance niemals mit dem Unsymmetrischen als mit einem malerischen Element cokettirt ; sondern dessen immer nur so viel mitgegeben ; als unvermeidlich war.

Wesshalb es denn auch immer richtig wirkt. Den höchsten Ent- scheid hierüber gibt nicht die Theorie, welche in diesen Dingen gänzlich schweigt, sondern ein Denkmal der höchsten Zierlichkeit wie die Villa Pia (von Pirro Ligorio, im vaticanischen Garten). Diesem sonst streng sym- metrischen Bau ist der Thurm hinten links beigegeben als hätte es nur noch eines letzten Klanges bedurft, um den Eindruck holder Zufälligkeit


Fig. 141. Villa Pia.


über das Ganze zu verbreiten (Fig. 141). Rechts ein besonderer Anbau für die Treppe, dem Auge beinahe entzogen.

Bisweilen werden die besondern Bedingungen der Lage auch die Unsymmetrie zur Folge gehabt haben. Vgl. die unklare aber vielver- sprechende Beschreibung der in den Comersee hinausgebauten (jetzt unseres Wissens verschwundenen) Villa des Giovio, Paul. Jov. Elogia literaria, Musei descriptio. Der Hauptsaal, mit Oberlicht von allen Seiten, enthielt seine berühmte Porträtsammlung.



XIV, Kapitel. Die Villen.


223


§• 118 .

Villen der Frührenaissance.


Wie zeitlich, so werden auch im Styl die Florentiner allen übri- gen Erbauern von Villen vorangegangen sein.


Die freiwilligen Demolitionen von 1529 vor der spanischen Belagerung haben in weitem Umkreis das Beste zernichtet. Vielleicht ergeben die baulichen Hintergründe der Fresken des Benozzo Gozzoli (Campo santo zu Pisa) einige ergänzende Ideen, hie und da auch die Intarsien der Chor- stühle, welche so viele Ansichten von Phantasiegebäuden enthalten.

Das Wenige aus dem XV. Jahrh. noch Vorhandene mehr oder weniger umgebaut ; Villa Michelozzi oder Bellosguardo hat noch die untere Halle und den Thurm; über andere Bauten Michelozzo’s , Villa Mozzi, Villa Ricasoli zu Fiesoie, sowie über die mediceischen Villen Cafaggiulo (noch schlossartig), Trebbio und Gareggi, vgl. Vasari III, p. 280, Note, v. di Michelozzo, und XI, p. 60, v. di Puntormo, Villa Mozzi, an steilem Ab- hang, enthielt unten die Oeconomieräume, oben die Säle, Wohngemächer und besondere Räume für Bücher und Musik.

In grösserm und freierm Styl, für Lorenzo magnifico: Poggio a Ca- jano, von. Giuliano da San gallo, mit einem grossen Saal, dessen Tonnen- gewölbe erst dann gestattet wurde als der Architect in seinem eigenen Hause zu Florenz ein ähnliches errichtet hatte. Vasari VII, p. 212. V. di Giul. Sangallo.

Nach 1481, für Alfonso, Kronprinzen von Neapel, baute Giuliano da Majano das einfach schöne Poggio rea le, Vasari IV, p. 3, v. di Giul. da Majano, und p. 12, Comment., welches besonders auch durch die Vexir- wasser im Hof berühmt war; jetzt von der Erde verschwunden und nur noch durch die flüchtige Abbildung bei Serlio, L. III, p. 121 bekannt, wo Durchschnitt und Grundriss nicht ganz stimmen und die Aussenhallen hinzugedichtet sind. Das Gebäude bestand bloss aus zwei Stockwerken von Hallen um einen quadratischen Hof, und aus 24 kleinen Zimmern, welche an den Ecken, je 3 oben und 3 unten, angebracht waren; ein sehr durchsichtiges, auf Schatten und Zugluft berechnetes Ganzes.


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Von Villen nichtflorentinischer Baumeister des XV. und begin- nenden XVI. J ahrh. ist das Meiste untergegangen oder schwer entstellt.

Die Magliana bei Rom, schon unter Sixtus IV. vorhanden, von Inno- cenz VIII. umgebaut und ausgeschmückt, Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1948, 200 7 ; 2010. Es war das gewöhnliche Ziel der Landpartien des Innocenz. — Derselbe liess Belvedere am Vatican als einen Erholungs- ort mit Aufwand von 60,000 Ducaten bauen (ib. Col. 2007), wovon noch



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224 Erstes Buch. Architectur.

der kleine achteckige Hof (Fig. 142) und die jetzt sog. Galeria delle Statue (ehemals eine gegen die Landschaft offene Halle) stark verändert vorhanden sind. Nach Platner wäre der Hof erst unter Julius II. durch Bramante erbaut; seine letzte Veränderung unter Clemens XIV.

In Ferrara scheint schon Herzog Borso (1450 — 1471) mehrere kleine Landhäuser gebaut zu haben, deren Abbildung in den Fresken des Pal. Schifanoja zu erkennen sein dürfte. Alfonso I. (1505 — 1534) baute auf einer Insel des Po Belvedere mit dichtschattigem Park und Gehegen frem- der Thiere , und auf der andern Seite der Stadt , an die mit mächtigen Bäumen besetzten Wälle gelehnt, Montana mit Malereien und springenden Wassern, Beides mediocria aedificia, die bei jedem Krieg aufgeopfert wer- den konnten.

Wie viel von dem Palazzino della Viola in Bologna (erbaut von

Giovanni II. Bentivoglio vor 1506, später von Innocenzo da Imola mit mythologischen F resken geschmückt) noch erhalten , ist mir nicht be- kannt. Vgl. (Bianconi) Guida di Bologna, p. 16.

§. H9.

Villen der Hochrenaissance.

Im XVI. Jahrh. wird vor- züglich die Villa suburbana ein Gegenstand der grössten und edelsten künstlerischen Anstren- gung; es entsteht eine Reihe von Denkmälern voll der anmuthigsten Phantasie ohne Phantastik.

Für die Vignen der Gardinäle um 1500, gewiss Anlagen, welche für die Kunst massgebend wurden, haben wir nicht viel mehr als die oberfläch- liche Aufzählung bei Albertini (de mirabilibus urbis Romae, L. III ; fol. 89, s.), wo sie mit den Palästen zusammengeworfen sind.

Die Farnesina des Baldassar Peruzzi (1509 für Agostino Ghigi erbaut), non rnurato, ma veramente nato ; Vasari VIII, p. 22, v. di Peruzzi. Noch ohne Rafaels Fresken in einer Schrift vom Januar 1512 gepriesen: Sub- urbanum Augustini Ghisii, per Blosium Palladium, citirt in den Anecdota literaria II, p. 172. Die einfachste Anlage, unten vorherrschend Hallen verschiedenen Gharacters, oben Säle; das äussere auf einfarbige Bemalung berechnet und auch ohne dieselbe vollkommen.

Villa Ma dam a am Fuss des Monte Mario bei Rom, eigentlich la vigna


Fig 1 . 142. Cortile ottagono di Belvedere. (Kolli.)



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XIY. Kapitel. Die Villen.


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de’ Medici (Fig. 143 und 144), entworfen von Rafael in seinen letzten Jahren für Cardinal Giulio Medici (später Papst Clemens VII.), fragmen- tarisch ausgeführt von Giulio Romano; die echte Fassade sammt Grund-


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riss bei Serlio, L. III, fol. 120, vgl. fol. 131, dem ausgeführten Rau un- endlich überlegen; unten neben der dreibogigen Halle nur noch eine

Nische auf jeder Seite; ein Obergeschoss von drei Fenstern und zwei Burekhardt, Italien. Renaissance. Zweite AuflL * 15



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226


Erstes Buch. Architectur.


Nischen; die Pilaster unten ionisch, oben korinthisch; das Innere der Halle, selbst abgesehen von den Decorationen , von wunderbar reichem Anblick durch grosse Nischen und Abwechselung aller Gewölbegattungen ;

auf der Rückseite Ansätze eines sonderbaren runden Hofes ; die Restauration des Ganzen zweifelhaft.

Nahe mit dem echten Entwurf dieser Villa ver- wandt: Falconetto’s Gar - ten halle mit Saal darüber, im Hof des Pal. Giusti- niani zu Padua , erbaut für Luigi Cornaro, zu dem §.108 erwähnten Bau im rechten Winkel stehend (datirt 1528). Unten fünf offene Bogen, oben fünf Fenster, das Aeussere wie die reiche Decoration des Innern (§. 176) durchaus edel.

In Florenz, Via Gual- fonda, das LusthausStrozzi- Ridolfi, jetzt Stiozzi , von Baccio d’Agnolo, dem Mei- ster der edlern Häuser- baukunst (§. 92), absicht- lich unregelmässig , mit Säulenhof, Nebenhof, Gar- tenhalle und Thurm.

Diese unregelmässige Anlage und damit grossen malerischen Reiz haben denn auch die kleinen Vignen und Bauernhäuser bei Florenz (Fig. 145, 146 u. 147). Eine nach Süden schauende Loggia, die zum Trocknen der Früchte bestimmt ist, ein als Taubenhaus dienender Thurm, von welchem man zugleich die Arbeiten auf dem Felde übersehen kann, in Verbindung mit wenigen bescheidenen Wohnräumen sind die Elemente


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XIV. Kapitel. Die Villen


dieser, oft durch die Anmuth der Lage und die naive Benutzung des Terrains anziehenden Gebäude.

Vdlajiante in Rom, auf einem Vorsprung des Janiculus, von Giulio







Fig*. 146. Vigna bei Florenz. (J. Stadler.)

Romano (vor 1524), gegenwärtig unzugänglich und durch Abbildungen nur ungenügend bekannt. Vasari X, p. 91, v. di Giulio.

Pal, del Te in Mantua , begonnen von Demselben vor 1527 für Herzog Federigo Gonzaga, welcher zuerst nur ein Absteigequartier in der Nähe



228


Erstes Buch. Architectur.


seiner berühmten Stuterei verlangte; nur ein Erdgeschoss mit Mezzanin, mit dorischer Ordnung und starker Anwendung von Rustica, wodurch ohne Zweifel der Zusammenhang mit dem landwirthschaftlichen Institut characterisirt werden sollte; übrigens in Ermanglung der Steine Alles Backsteinbau mit Bewurf. In der Folge wurde der Herzog bewogen, das Gebäude vierseitig um einen Hof herumführen zu lassen ; gegen diesen Hof hin eine offene Loggia auf gekuppelten Säulen, zum Schönsten der ganzen Renaissance gehörend; innen reich durchgeführter Schmuck von Fresken und Stuccaturen. Yerhängnissvoll als erster monumentaler Bau in unechtem Stoff, während der reine Backstein zu Gebote gestanden hätte, — und als Beispiel der Anwendung der Rustica als vermeintlichen Ausdruckes des Ländlichen.


Fig. 147 . Villa Covacchia bei Castello. (J. Stadler.)


Marmirolo, welches Giulio ebenfalls baute, nachdem bereits 1523 ein Plan von Michelangelo eingereicht worden war (Vasari XII, p. 361 , im Gommentar zu v. di Michelangelo, und Gaye, carteggio II, p. 154), ist von der Erde verschwunden.

Ebenso die »Soranza« des Sanmicheli, unweit Castelfranco , welche

damals als die vollkommenste Villa weit und breit galt. Vasari XI, p. 126,

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v. di Sanmicheli.

Villa Monte Imperial e bei Pesaro (Fig. 148—151), erbaut von Girol. Genga (vor 1528?) für Herzog Francesco Maria della Rovere von Urbino. Nie vollendet, aber noch in dem jetzigen ruinösen Zustand von mächtiger Wirkung; das Gebäude folgt dem steilen Abhang in dreifacher Abstufung ; unten ein bedeutendes Hallengeschoss mit einer geschlossenen Pilaster- fassade drüber. »Piena di camere, di colonnati e di cortili, di loggie, di



XIV. Kapitel. Die Villen.


fontane e di amenissimi giardini,« ehemals von allen reisenden Fürsten besucht. Vasari XI, p. 90, v. di Genga.

Zu Cricoli bei Vicenza die Villa des Hauses Trissino, nach dem Plan des Gründers Giov. Giorgio Trissino (§. 12); eine Fassade wiederum (wie die Gartenhalle Cornaro’s zu Padua) ganz ähnlich der ächten von Villa Madama, aber zwischen zwei vortretende (ältere?)

Thürme eingeschlossen.

(II forestiere istruito etc. di Vicenza, Tav. 33.)

Das ästhetische Ge- S setz der Villenbaukunst der goldenen Zeit wird sich erst dann vollstän- dig erkennen lassen, wenn die betreffenden Reste in ganz Italien aufgesucht und im Zu- sammenhang studirt sein werden. Eine Aufnahme z. B. der um Siena zer- streuten Villen , welche ganz oder theilweise von Peruzzi herrühren, fehlt unseres Wissens noch.


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Das riesige Fünfeck Caprarola, die Burg der Farnesen, einige Stunden von Rom, von Vignola, der sich hier einer Form der modernen Forti- fication fügte. Mächtige Rampentreppen, Gräben, fünf Basteien, darüber


§. 120 .

Villen der Nachblüthe.


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ERDGESCHOSS


Unter den Villen der Zeit von 1540 — 1580 sind die namhaftesten eigent- liche Landsitze, und daher für zahlreiche Dienerschaft eingerichtet. Schon zeigt sich hie und da öde Weitläufigkeit, oder auch der Styl von Stadt- palästen statt freier ländlicher Anmuth. Einzelne kleinere Casino’s gehören jedoch noch zum Besten.


Fig. 148. Monte Imperiale bei Pesaro.



230


Erstes Buch» Architectur»


der Hauptbau von zwei Ordnungen mit gewaltiger offener Pfeilerloggia auf der einen Seite» Innen ein grosser runder Hof mit Pfeilerhallen, eine der imposantesten Schöpfungen der ganzen Profanbaukunst. Vasari XII, p. 133, y. di T. Zucchero.


Wohlerhalten: Villa . Lante alla Bagnaja bei V iterbo . von Vignola, von schönster Abstufung bei massigen Mitteln.

Demselben Vignola wird die bedeutendste er- haltene Villa suburbana, die Vigna di Papa Giulio (III.) bei Rom, um 1550,, zugeschrieben. (AntheilVa- sari’s, Michelangelo’s, Am- manati’s und des Papstes selbst.) Am Palast der Vor- derbau werthlos ; die halb- runde Hof halle (Fig. 152) von zweifelhaftem Effect; die jenseits des Hofes fol- gende zweite Halle und der das Ganze schliessende

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vertiefte Brunnenhof mit noch tieferem Grottenbau von zierlicher, malerischer Wirkung, doch schon mit gesuchter Abwechselung der Motive.

An Villa d’Est e zu Tivoli (1549) der Palast

  • gross aber unbedeutend

und später (Fig. 153 B).


Fig. 149. Monte Imperiale bei Pesaro. Von den Villen des

Herzogs Gosimo I. Medici die von GasteUo bei Florenz laut allgemeinem Urtheil noch jetzt bedeutend (von Tribolo); Pratolino im Apennin hauptsächlich durch Gärten und Wasser berühmt.

In und um Genua ist oder war das Beste von Galeazzo Alessi (1500 bis 1572); der abscheulich umgebaute Pal. Sauli (Fig, 135) war eine Art vor- städtischer Villa, ebenso die noch wohl erhaltene Villa Pallavicini , deren




XIV. Kapitel. Die Villen.


231


Fig. 150. Monte Imperiale bei Pesaro.


Fig. 151. Monte Imperiale bei Pesaro. (Fig. 148 — 151 aus dem Archiv des Municipio von Pesaro,

mitgetheilt durch H. Ilerdtle.)


Aeusseres noch der vorhergehenden Periode Ehre machen würde ; — die meisten Villen dieser Zeit verfallend oder umgebaut. — Von Alessi auch das Schloss Castiglione i m See von Perug ia.

Von den Villen Palladio’s ist eine villa suburbana die berühmte Ro-





232 Erstes Buch, Architectur.

tonda Cap ra bei Vicenza ( vgl. §. 116, Fig. 153 A); die meisten übrigen

sind grosse regelmässige Landsitze, in der Mitte ihrer Oeconomiebauten

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emporragend und oft von sehr schöner Anlage ; nur darin verkannte Pal- ladio die währe Kunstform der Villa, dass er nicht immer die Fassade selbst als Loggia öffnete, sondern vor die geschlossene Mauer einen Tempelporticus, sogar mit Giebel, treten liess; und auch wo die Fassade selbst sich öffnet, entsteht statt einer echten Loggienform meist wieder eine Tempelhalle, sogar zweistöckig mit Giebel.

Von den Casino’s dieser Zeit hat die Palazzina in Ferrara noch einen

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Schimmer der ehemaligen Grazie, dagegen ist die Villa Pia (§. 117) im grossen vaticanischen Garten, von Pirro Ligorio um 1560 vollständig er- halten: an einer ovalen Terrasse hinten das Gebäude selbst, vom ein Vorpavillon mit Unterbau, an den beiden Rundenden kleine Eingangs- hallen; das Ganze berechnet auf Stuccaturen, Brunnen und bestimmte vegetabilische Umgebung; letztere allein fehlt.

§. 121 .

Villen der Barockzeit, ->

In der Barockzeit von 1580 an wurde Rom und Umgebung die wichtigste Stätte für die weitere Ausbildung der Landvilla sowohl als der Villa suburbana. Die erstere fügt sich im Detail den mürrischen Formen des damaligen Stadtpalastes, rettet sich jedoch die Loggia als Hauptmotiv (Fig. 153B). Die letztere, im Grundplan jetzt oft vorzüg- lich schön und als Vergnügensaufenthalt mit luftigen Hallen und be- quemen Treppen mustergültig, dringt doch ebenfalls nirgends mehr zu einem reinen Ausdruck in den Formen durch. Rustica und gleich- gültige Mauereinfassungen aller Art contrastiren mit den eingesetzten antiken Reliefs, dem speci eilen Luxus von Rom. — Grossem Villen entsprechen jetzt besondere kleine Casino’s auf anderm Niveau, aber derselben Axe.

Einflussreiche Landvillen: V. Aldobrandin i und V. Mondragone bei Frascat i. Für die Villa suburbana: V. Montalto-Negroni (seit Sixtus V.) mit Hauptbau und Casino, letzteres von Domenichino; V. Borghese, V. Mattei u. s. w. ; vielleicht das Wirkungsvollste die Gartenseite der Villa Medici auf Monte Pincio (Fig. 154).





In den Villen gewannen auch die Vorrichtungen zum Baden hie und da eine künstlerische Gestalt.



Fig. 153 A. La Rotonda bei Vicenza.



236


Erstes Buch. Architectur.


U

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§




Der jüngere Sangallo entwarf für Cardinal Marcello Cervini, spätem Papst Marcellus II. (§. 29) einen Plan für ein Bad antiker Art, mit frigidarium tepidarium, calidarium, welches in einer Villa zu Vivo errichtet werden sollte, Vasari X, p. 81 im Commentar zu v. di Ant. Sangallo.

In der Villa Grimaldi zu Bissagno bei Genua baute Alessi ein rundes Badgemach mit Kuppel, dessen Becken das heisse W asser aus dem Rachen von Meerwundern, das kalte aus Fröschenmäulern empfing; ringsum ein Gang mit acht Nischen, wovon vier durch besondere Badewannen und vier durch Fenster und Thüren in Anspruch genommen waren; dazwischen Hermen , welche das Kranzgesimse trugen ; vom Gewölbe hing ein sinn-


Fig. 154. Villa Medici zu Rom.


reicher Leuchter nieder, dessen grosse Schale das Firmament darstellte; die Vorräume und Nebenräume ebenfalls auf das Zierlichste durchgeführt. Vasari XIII, p. 126, v. di Leoni.

Ueber die »Stufetta« des Cardinais Bibiena (das sog. Bagno di Giulio II.) im Vatican ist auf die Briefe Bembo’s vom Jahr 1516 (Lettere pittor. V, 57, 58) zu verweisen, woraus nur soviel erhellt, dass Rafael die Sujets zu den Wandmalereien von Bibiena erhielt, für eine kleine marmorne Venusstatue aber keine passende Stelle wusste.





XV, Kapitel. Die Gärten.


237


XV. Kapitel.

Die Gärten.


§. 128 .

Gärten unter der Herrschaft des Botanischen.

Die Gärten der Paläste und besonders der Villen waren ohne Zweifel frühe in regelmässigen Linien ; vielleicht in strengem Bezug auf das betreffende Gebäude angeordnet. Wenn ihrer künstlerischen Behandlung Anfangs Etwas im Wege stand, so war es das botanische Interesse oder die Absicht auf Nutzbarkeit.

Ygl. Gultur d. Renaissance, S. 287. Der Garten der mediceischen Villa Gareggi zur Zeit des Lorenzo magnifico als Sammlung zahlloser einzelner Gattungen von Bäumen und Sträuchern geschildert.

Der prächtige Garten von Poggio reale bei Neapel vom Kronprinzen Alfons (§. 118) angelegt, der 1495 noch als fliehender König der Botanik huldigte, indem er nach seinem Asyl (Sicilien) »toutes sortes de grames pour faire jardins« mitnahm, Gomines, L. VII, ch. 11 oder Charles VIII, ch. 17. Die Hauptschilderung aus dem Vergier d’honneur, wörtlich bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi, Tom. IV, p. 226, s. Ausser dem Palast eine Menge kleinerer Zierbauten, kleine Wiesen, Quellen, Bäche, antike Statuen; ein geschlossener Park mit allen Fruchtbäumen, die das Glima erlaubt, mit Lorbeern, Blumen und endlosen Rosenpflanzungen; dann ein besonderes Wildgehege, Ställe, Meiereien, Weinpflanzungen mit Reben aller Sorten und riesigen gewölbten Kellern. Offenbar überwog die Oeco- nomie für den Bedarf des Hofes und für den Blumen verbrauch bei Festen nebst der botanischen Liebhaberei das Künstlerische bei Weitem.

Auch im Vorgarten des vaticanischen Palastes, wie ihn Nicolaus V. um 1450 haben wollte, sollten herbae et fructus aller Art nebst Wasser- werken ihren Platz finden; Vitae Papar. bei Murat. III, II, Gol. 932.

Im Palastgarten zu Ferrara, welchen Ercole I. (st. 1505) wahrschein- lich in den 1480er Jahren eilig anlegen liess, fehlte zwischen den regel- mässigen Buxhecken, den Weinlauben auf Marmorsäulen, den gemalten und vergoldeten Pavillons und dem Brunnen mit 7 Mündungen doch kein schöner und kein fruchtbarer Baum, so dass sich auch hier der Nutz- garten zu erkennen gibt. Titi Strozzae Aeolostichon L. II, p. 209.

Ein anderer Lustgarten in der Stadt, mit einem Absteigequartier


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Erstes Buch. Architectur.


(1497), enthielt u. a. einen Fischteich mit Brücken darüber. Diario ferra- rese, bei Murat. XXIV, Gol. 346. Ueber Belvedere und Montana s. §. 118.

Die grossen Parke mit Wildgehegen wird man vollends kaum zu den Gärten rechnen dürfen.

Ein Park für die fremden Thiere, welche eine Liebhaberei jener Zeit waren (Gultur d. Renaissance; S. 288) von Herzog Ercole 1471 unmittel- bar vor der Stadt mit theuren Expropriationen angelegt, Diario, 1. c., Gol. 236. Auch Poggio reale enthielt eine Menagerie. Für Palermo er- wähnt schon Otto de S. Blasio ad a. 1194: hortum regalem amplissi- mum . . . omni bestiarum genere delectabiliter refertum.

§. 124.

Eindringen des Architectonischen.

Indess wird frühe auch die Erzielung eines hohem Phan- tasieeindruekes sich geltend gemacht haben ; wie schon aus der Be- geisterung zu schliessen ist ; mit welcher von Gärten überhaupt geredet wird. Dieser Eindruck kann ebenso gut auf architectonischer Strenge der Anlage als auf besonders schönen Einzeltheilen beruhen. Die Wasserwerke darf man sich jedoch noch bis tief in’s XYI. Jahrhundert relativ gering vorstellen ; da der grosse römische Wasserluxus ; Vorbild des europäischen; erst mit Sixtus V. beginnt.

Frühe unbestimmte Erwähnungen ausgezeichneter Gärten hie und da, z. B. Matteo Villani IV, c. 44 ein famoso giardino beim Pal. Gamba- corti in Pisa, wo Kaiser Karl IV., selber ein grosser Gartenfreund, 1354 abstieg.

Phantasiebilder, zum Theil von anregender Schönheit, bei Aeneas Sylvius (Epistola 108, p. 612 der Garten der Fortuna) und bei Polifilo (Hypnerotomachia, vgl. §. 32, im Auszug bei Temanza, p. 28, die Insel Cythera).

Einiges in den Fresken des Benozzo Gozzol i (Gamposanto zu Pisa) und auf Tafelbildern des XV. Jabrh.

Einfluss der Gartenbeschreibungen in den Briefen des Pli nius , oder wenn diese noch nicht bekannt waren, in andern Schriften des Alter- thums: der Hippodromus in den Gärten des Castells von Mailand vor 1447, vita Phil. Mariae Vicecomitis, auct. Decembrio, bei Murat. XX, Col. 1008. Vgl. Plin. L. V, Ep. 6.

Le o n Battista Alberti (1450) stellt zuerst einige derjenigen Züge fest, welche seither für den ital. Prachtgarten bezeichnend geworden sind, de re aedificatoria, L. IX, c. 4: Grotten von Tuffstein, welche man bereits dem Alterthum nachahmte, wobei ungeduldige Besitzer das moosige Grün



XV. Kapitel. Die Gärten.


239


durch grünes Wachs ersetzten; eine Quellgrotte mit Muscheln ausgelegt; ein Gartenporticus , wo man je nach Jahres- und Tageszeit Sonne oder Schatten sucht; ein freier Platz (area); Vexirwasser; immergrüne Alleen von Bux, Myrthen und Lorbeer; die Gypressen mit Epheu bekleidet; die einzelnen Felder des Gartens rund, halbrund und überhaupt in solchen Umrissen, welche auch einen Bauplan schön machen (? — cycli et hemicycli, et quae descriptiones in areis aedificiorum probentur), eingefasst von dichten Hecken ; aus dem Alterthum werden hinzugenommen : die korinthischen Säulen als Stützen der Weinlauben, die Inschriften in Bux- beeten, das Pflanzen der Baumreihen in der Quincunx ; für Hecken werden besonders Bosen empfohlen;, von den Eichen heisst es noch, sie gehörten eher in Nutzvillen als in Gärten. Schon damals kamen komische Genre- statuen in Gärten vor, Alberti erlaubt sie, sobald sie nicht obscön seien.

Von ältern Brunnen kaum einer erhalten. Villa d’Este mit freier Verfügung über die Wasser des Teverone macht eine Ausnahme unter den Gärten vor Sixtus V. (Fig. 153 B).

ä

§. 125.

Antike Sculpturen und Ruinen.

Der italienische Garten schloss frühe ein doppeltes Bündniss mit den römischen Alterthümern : Sculpturfragmente und Inschriften, welche für das Innere von Gebäuden nicht als Schmuck gelten konnten, machten an Gartenmauern zwischen dem Grün eine grosse, und wie man wohl bald gefühlt haben wird, elegische Wirkung ; auch an den Gartenfronten der Villengebäude wurden römische Reliefs oft in Menge angebracht. Sodann gewann man den baulichen Ruinen nicht nur ihre poetische Schönheit ab, sondern ahmte sie in Gärten nach. Ohne Zweifel gaben hiezu römische Gärten den Anlass, welche in echten Ruinen angelegt waren.

Poggio im Dialog de nobilitate, den er vor 1440 verlegt (Poggii opera ed. Argentin. fol. 25) lässt sich noch damit ausspotten, dass er sein Gärtlein (zu Terranuova bei Florenz) mit kleinen und fragmentarischen Marmorresten ausgeschmückt habe , um durch die Neuheit der Sache einigen Ruhm bei der Nachwelt zu gewinnen. — Der kleine, mit Antiken damals ganz angefüllte Garten des Pal. Medic i (Riccardi) , die Stätte der Studien des Michelangelo, Yasari VII, p. 203, v. di Torrigiano.

Anwendung im Grossen : an der Gartenseite des Pal, della V alle zu Rom , eine -ganze Fassade voller Reliefs und bunt zusammengesetzter Sculpturfragmente, auch Statuen in Nischen, Vasari VIII, p. 213, v. di


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Erstes Buch. Architectur.


Lorenzetto, zur Zeit Rafaels. — Ebendamals in Rom das giardinetto des Erzbischofs von Gypern »mit schönen Statuen u. a. Alterthümern«, dar- unter ein Bacchus, Vasari X, p. 145, v. di Perino, welcher an den Wän- den bacchische Scenen malte; vgl. §. 128. — Giulio Romano brachte seine Antiken lieber im Hause selber an, Yasari X, p. 109, v. di Giulio.

Statuen wurden auch in besondern Lauben aufgestellt, welchen man die Form von Tempeln etc. gab. Als glücklicher Erfinder der für das emporwachsende Grün besonders geeigneten Holzgerüste war gegen 1550 Girolamo da Garpi berühmt, der den quirinalischen Garten des Gardinals von Este (zugleich Gründers der Villa d’Este zu Tivoli) damit versah* Vasari, XI, p, 238, v. di Garofalo.

Ueber die Ruinensentimentalität vgl. Gultur d. Renaissance III. Aafl., S. 232. Die erste ideale Ruinenansicht mit Beschreibung bei Polifüo, im Aus- zug aber ohne das Bild bei Temanza p. 12; Trümmer mächtiger Gewölbe und Colonnaden, durchwachsen von alten Platanen, Lorbeern und Cypressen nebst wildem Buschwerk. Vgl. die Palastruinen in den Bildern des XV. Jahrh. von der Anbetung des Ghristuskindes. — Blosse Landschaften mit Ruinen, Vasari XI, p. 31, v. di Gio. da Udine.

Die erste bedeutende künstliche Ruine im Park (barchetto) bei der Residenz zu Pesaro: ein Haus, welches eine Ruine sehr schön vorstellte, darin eine treffliche Wendeltreppe ähnlich der vaticanischen (des Bra- mante); Vasari XI, p. 90, v. di Genga (um 1528?).

Der Ausdruck schwankt bisweilen zwischen dem Ruinenhaften, dem Grottenhaften und der anderweitig längst ausgebildeten Rustica.

Ein Bild dieser Gonfusion in dem Briefe des Annibale Garo 1538, Lettere pittoriche V, 91, wo wahrscheinlich von den farnesischen Gärten auf dem Palatin die Rede ist, bevor Vignola denselben ihre spätere Gestalt gab. Am Abschluss eines grossen Laubenganges erhebt sich eine Mauer von dunkeim porösem Tuff in absichtlich unordentlichen Blöcken mit beliebigen Erhöhungen und Vertiefungen, in welchen letztem sich Pflanzen ansetzen sollen; das Ganze stellt vor un pezzo d’anticaglia rosa (d. h. verwittert) e scantonata ; in der Mitte eine Thür, zu den Seiten mit rohen Blöcken, oben mit hängenden Steinmassen wie ein Höhleneingang; rechts und links in rohen Rustica-Nischen Brunnen mit Sarcophagen als Trögen und mit Statuen liegender Wassergötter darüber; die Laube mit Epheu und Jasmin an den Seitenmauern, oben mit Weinlaub über Pfeilern be- deckt; der Gharacter des Ganzen: ritirato, venerando.

Eigentliche künstliche Ruinen blieben doch selten; im Ganzen herrscht theils vollständige Architectur (und zwar, z. B. in den einzelnen Triumph- bogen , Quellfassaden etc. der Villa d’Este in ziemlich reichen Formen, anderswo vermeintlich ländliche Rustica), theils blosser Tuffsteinbau ohne




XV. Kapitel. Die Gärten,


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Prätension, theiis Belegung mit Muscheln, wie sie die Alten liebten. Schon Alberti a. a. 0. spricht davon.


§. 126.

Volle Herrschaft der Architectur.

Im XVI. Jahrh. wird die Herrschaft der Architectur über die Gartenkunst nicht hloss thatsächlich durch Ueherlassung der letztem an die Baumeister, sondern auch principiell ausgesprochen.

Bandinelli an Guidi 1551, Lettere pittoriche I, 88: le cose che si murano, debbono essere guida e superiori a quelle che si piantano.

Serlio s Pläne von Gartenbeeten, Ende des IV. Buches, »welche auch per altre cose dienen könnten,« sind in der That angelegt wie ein regel- mässiges architectonisches Ornamentenfeld.« 

Bei wechselndem Niveau, sobald die Abstufung in ihr Recht trat, gewannen ohnehin streng symmetrische Anlagen von Terrassen, Balu- straden und Treppen die Oberhand.

Entscheidend wirkten vielleicht die prächtigen Rampentreppen, welche in Bramante’s grossem vaticanischen Hauptbau (§.97, 117) aus dem untern Hof in den obern Garten (giardino della pigna) führten, dessen letzten Abschluss jene colossale Nische mit oberer Säulenhalle bildet. Der obere Garten enthielt ohne Zweifel jene pratelli e fontane, welche Bandinelli (ibid.) als Muster aufstellt *>. Dass die Rampen wirklich aus- geführt waren, beweisen alte Abbildungen im Speculum romanae magni- ficentiae. An ihre Stelle traten später Zeughaus, Bibliothek und Braccio nuovo, sodass die majestätische Längenperspective des Hofes und Gartens verloren gegangen ist. Bandinelli erwähnt weiter Anlagen, welche Rafael für Leo X. und für Clemens VII. gemacht habe; letzteres nur dann richtig,


  • ) Nur von diesem Garten, nicht von dem belvederischen achteckigen Hof, reden

wohl die venezianischen Gesandten des Jahres 1523 (bei Tommaso Gar , relazione della corte di Roma, p. 114, s.). Damals war die eine Hälfte mit Rosen, Lorbeern, Maulbeeren und Gypressen bepflanzt, die andere mit Backsteinplatten gepflastert, zwischen welchen regelmässig angeordnet die schönsten Orangenbäume emporstiegen ; in der Mitte lagen, einander gegenüber, Tiber und Nil mit Brunnen verbunden; in Nischen standen der Apoll und der Laocoon, in der Nähe des letztem die vaticani- sche Venus; an der Halle gegen den hintern vaticanischen Garten hin (scheint es) war eine Fontaine, welche die Pflanzen des Gartens tränkte. — Unter Julius und Leo war diess Alles sehr zugänglich; Hadrian VI. beschloss schon in Spanien Alles zu sperren; Lettere di principi I, 87.

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl.


16


242


Erstes Buch. Architectur.


wenn Rafael in Villa Madama für den Cardinal Giulio Medici, spätem Papst Clemens, auch den Garten angelegt haben sollte.

Die Treppe, welche bald auch in den Palästen um des symmetri- schen Anblickes willen sich zur Doppeltreppe ausbildet (§. 106), wird in Gärten hohem Styles schon früher verdoppelt. Die mittlern Ab- sätze, womöglich in der Hauptaxe der ganzen Villa liegend, verlangen nun eine besondere Ausstattung, hauptsächlich durch Grotten mit Brunnen.

Zwei Doppelrampen über einander, mit einer Art von Grotten, in dem eben genannten grossen Hof Bramante’s.

Früher symmetrischer Treppenbau mit Marmorbalustraden und sogar mit Hallen im untern Garten des Pal. Doria zu Genua, von Montorsoli seit 1529.

Hauptbeispiel auch hiefür: Villa d’Este zu Tivoli (§. 120, 124), wo indess die Doppeltreppen und deren mittlere Nischen etc. schwerlich alle der ersten Anlage von 1549 angehören mögen.

Von Alessi’s Villen: V. Palla vicini.

Die kleinem, mehr zierlichen Elemente, wie Blumenbeete, Orangen- pflanzungen, Statuen, kleinere, schmuckreiche Pontainen, früher durch den ganzen Gärten zerstreut, werden gegen Mitte des XVI. Jahrh. ausgeschieden zu einem sog. Prunkgarten (auch giardinetto), d. h. zu einem besonders regelmässigen Parterre in der Nähe des betreffenden Palastes oder Villengebäudes. Die Lage ist womöglich vertieft, wind- still und gegen Süden, die Wege sind mit Steinplatten belegt. Der Styl ist nahe verwandt, ja fast identisch mit dem der Gärten in Palasthöfen.

Bereits vorhanden in dem grossen Garten hinter dem Vatican, offenbar als sonniger Spazierort in den kältern Jahreszeiten. Später allgemeines Requisit der grossem Villen. (Ob dieser äussere vaticanische Garten, welcher u. a. die Villa Pia, §. 117, 120 enthält, eine Anlage des jüngern Ant. da Sangallo sein mag? Ein Plan »per la vignia del Papa« ist noch von ihm vorhanden, Vasari X, p. 31. Comment. zu der v. di Sangallo.) Der oben genannte innere vaticanische Garten (Bramante’s) wahrschein- liches Vorbild.


Mitwirkung der mächtigem Vegetation.

Wie frühe die mächtigem Bäume als Massen geordnet in die Composition aufgenommen wurden, ist nicht auszumitteln ; einzeln und




XV. Kapitel. Die Gärten.


243


in Alleen und kleinern Gruppen hatten sie nie gefehlt ; aber ihr ernstes und grosses Zusammenwirken mit Terrassen , Treppen u. s. w. kann erst eingetreten sein, als die Gärten überhaupt gross und die archi- tectonischen Principien ihrer Anlage völlig ausgehildet waren.

Leider sind die hiefür entscheidenden Anlagen entweder nie ganz ausgeführt oder wieder zernichtet worden; Giulio’s oder Rafaels Garten bei Villa Madama (Vasari X, p. 90, v. di Giulio), Vigna di Papa Giulio III. und Orti farnesiani von Vignola; — Michelangelo’s Entwurf für Marmirolo (§. 119) und zwar »sowohl für den Garten als für die Wohnung darin«  (§• 1523), musste wahrscheinlich zurückgelegt werden, weil die Hofkasse von Mantua durch eine prächtige Theatervorstellung in Anspruch ge- nommen war. Auf Sangallo’s Plan für den hintern vaticanischen Garten ist u. a. bezeichnet ein »Ort für Tannen und Gastanien«. — In Gastello bei Florenz wird als Abschluss des Fruchtgartens ein Tannendickicht angelegt, welches die Wohnungen der Arbeiter und Gärtner maskirt , in der Mitte des Hauptgartens aber ein Dickicht (salvatico) von hohen Cy- pressen, Lorbeern und Strauchwerk, mit Labyrinth und Fontaine in der Mitte, anderswo ein drittes Dickicht von Cypressen, Tannen, Lorbeern und Steineichen mit einem Becken in der Mitte, Vasari X, p. 258, ss., v. di Tribolo. (In Villa Madama führte eine besondere Pforte in ein solches salvatico; sie war flankirt von zwei Giganten Bandinelli’s; Vasari X, p. 302, v. di Bandinelli.) — Die grossen Eichenmassen aber lassen noch einige Zeit auf sich warten. — Gastello a. a. 0. beschrieben nicht sowohl wie es war und ist, sondern wie es Tribolo entwarf (seit 1540?). Ausser den Wasserwerken (s. unten) auch Scherze in der Gartenanlage selbst, z. B. mehrere Labyrinthe. Eines wurde damals auch zu Gareggi in einem runden Hof angelegt, Vasari XI, p. 60, v. di Puntormo. Die Idee gewiss uralt und in Schloss- und Klostergärten von jeher bekannt.

§. 128 .

Gärten von Venedig.

In Venedig, wo Enge und Meerluft die Anlage grosser Pflan- zungen verbot, Brunnen nur durch Pumpen möglich waren und Treppen wegen Einheit des Niveaus nicht vorkamen, entschädigte man sich durch Zierlichkeit und durch Zuthat von Malereien und Sculpturen. Der Sinn gereister Kaufleute blieb auch dem botanischen Sammeln hier länger getreu.

Sansovino, Venezia, fol. 137, wo alle wichtigem Gärten aufgezählt sind , auch solche mit Brunnen. — Der Garten Tizians , in allgemeinen


244


Erstes Buch. Architectur.

Ausdrücken gerühmt in einem Briefe des Priscianese bei Ticozzi, vite de’ pittori Vecelli, p. 80.

Ohne Zweifel wirkte dieser venezianische Gartenstyl auf manchen giardinetto im übrigen Italien ein. Wo ein kleiner Hof im Innern eines Palastes zum Garten gestaltet wurde, mochte bisweilen die Vegetation der geringere Theil sein neben dem übrigen Schmuck. Da sehr Weniges dieser Art erhalten ist, muss auf eine Nachbildung, den kleinen Hofgarten in der Residenz zu München, verwiesen werden.

Heber die künstlerische Ausbildung des Holzgerüstes der Lauben, die bes. auch in kleinern Gärten vorkamen, vgl. §. 125.

Ueber die Malereien an den Mauern, Loggien, Brunnennischen etc. solcher kleinen Gärten einige späte Notizen bei Armenini, de’ veri precetti della pittura, p. 197, ss. Er verlangt bes. Landschaften mit reicher Staf- fage und Mässigung des Tones und nennt von den damals erhaltenen Gartenmalereien : die im Garten des Hauses Pozzo zu Piacenza, von Por- denone, — und die schon §. 125 angeführten des Perino del Vaga im Garten des Erzbischofs von Gypern zu Rom, wo die Fresken (bacchischen Inhalts) auf die daselbst aufgestellten Statuen berechnet waren. — Ein- farbige mythol. Malereien Vasari XI, p. 22, v. di Gherardi. — Uebrigens redet schon L. B. Alberti, de re aedific. L. IX, c. 4 auch von Garten- malereien: amoenitates regionum, et portus (Seehäfen), et piscationes, et venationes, et natationes, et agrestium ludos, et florida et frondosa.

§• 129.

Gärten der Barockzeit.

Mit den frühsten grossen Villen der Barockzeit (§. 120, 121) erst vollendet sich der italienische Grartenstyl, nicht ohne bestimmenden Einfluss von Castello u. a. mediceischen Villen, sowie von Villa d’Este.

Gänzliche Ausscheidung des Botanischen; die Fruchtbäume und Spa- liere in besondern, verborgenen Abtheilungen; das Nutzbare überhaupt dem Auge nach Kräften entzogen , doch keineswegs verabsäumt ; hinter den dichten Lorbeer- und Gypressen wänden der Alleen vermiethbare Ge- müsefelder u. dgl. Ausbildung der Wasserkünste ins Grossartige, die Scherze beseitigt; grosse, streng architectonische Gomposition; alle Absätze archi- tectonisirt; die Bäume, besonders Eichen, als Massen wirkend; die Treppen und Balustraden als sehr wesentlich behandelt; der Prunkgarten in scharfem Gegensatz zum Uebrigen; herrschende Prospecte auf Brunnen, Grotten, Gruppen etc.


4


ZWEITES BÜCH.


DECORATION.


I. Kapitel.

• ■ -X

Wesen der Decoration der Renaissance.


§. 130 .

Verhältniss z u m A 1 1 e r t h u m und zur gothischen Decoration.

Die Renaissance wurde von den decorativen Arbeiten des römi- schen Alterthums nicht viel weniger angezogen als von dessen Bauten. Auf jenen beruht die Welt von Zierformen, welche sie theils an monu- mentalen, theils an beweglichen Geräthen, theils an den Gebäuden selbst zu entwickeln begann.

Bei dem hohen und kräftigen Sinn der neuen Kunst schadete es nicht viel, dass man die Werke der guten und der gesunkenen römischen Zeit Anfangs wenig unterschied. Die Hauptvorbilder waren Anfangs eine beschränkte Anzahl prächtiger Thüreinfassungen, dann Altäre, dreifüssige Untersätze, Candelaber, Vasen, Sarcophage u. s. w. Erst spät kamen die Stuccaturen und Malereien der Titusthermen hinzu.

Die Architectur, mehr als einmal von der Oberherrschaft eines Decorationsstyles bedroht, behauptete durch das Verdienst der grossen Florentiner den Pfad ihrer hohen Bestimmung (vgl. §. 34Y Eher


240 Zweites Buch. Decoration.

konnte sich im XV. Jahrhundert die Sculptur beschweren ; dass ihr die Decoration einen Theil ihrer Aufgabe vorwegnehme.

Pompon. Gauricus, De sculptura über (von 1505), bei Jac. Gronov. thesaur. graecar. antiquitatum, Tom. IX, Gol. 738 : die Hauptaufgabe des Sculptors sei der Mensch, ut hominem ponat, quo tanquam ad scopum tota eius et mens et manus dirigenda, quanquam satyriscis, hydris, chi- maeris, monstris denique, quae nusquam unquam viderint, fingendis (es sind die figürlichen Bestandtheile der Arabesken und diese überhaupt ge- meint) ita praeoccupantur, ut nihil praeterea reliquum esse videatur. Dii Deaeque omnes! neminem unum esse qui, quo sibi proficiscendum sit, videat! qui ad finem respiciat! etc.

Von der starken Uebertreibung abgesehen, hat in der That das ein- fassende, einrahmende Element einen Grad der Entwicklung erreicht und Mittel in Anspruch genommen , wie in keiner andern Kunstepoche , und doch nicht so, dass man diess ungeschehen wünschen möchte; das Ver- hältniss zu dem Eingefassten, mag es Sculptur oder Malerei betreffen, ist ein consequentes und in sich harmonisches.

Auf keinem andern Gebiete der Kunst und der Cultur überhaupt zeigt sich die Renaissance dem römischen Alterthum so völlig geistes- verwandt als hier. Sie bildet an dem Ueb erlief er ten ganz ‘unbefangen weiter als wäre es ihr Eigenthum, combinirt es immer von Neuem, und erreicht stellenweise die höchste Schönheit.

%

Schon die Cosmaten (§. 16) sind in ihren Decorationsarbeiten wahre Vorläufer der Renaissance.

Das gothische Detail muss die Italiener des XIV. Jahrh. in der De- coration noch mehr unglücklich gemacht haben als in der Architectur; umsonst hatten sie es mit römischen Horizontalen und Gesimsen, mit antikem Laubwerk u. s. w. versetzt, wodurch es nur noch irrationeller wurde. Ihre Sehnsucht nach etwas Anderem muss auf das Höchste ge- stiegen sein schon hundert Jahre bevor im Norden das Gothische seinen letzten prachtvoll lebendigen Sprössling, den Decorationsstyl des sinkenden XV. Jahrhunderts trieb. Während nun in der ital. Baukunst sich das Gothische noch neben der Renaissance behauptete (§. 23), erlosch es in der Decoration sogleich und fast vollständig, als die ersten Arbeiten des neuen Styles da waren. (Die sehr wenigen Ausnahmen in Venedig, s. Cicerone, S. 213, 269 und in Genua, [S. 197, bestätigen nur die Regel.)

Sogleich wetteiferte man nun mit den kühnsten und prächtigsten römischen Motiven; das Weihbecken Quercia’s (?) im Dom von Siena (Fig. 155) erreicht mit dem ersten Sprunge einen Inhalt, der dem reichsten römi-


I. Kapitel. Wesen der Decoration der Renaissance.


247


sehen Gandelaber parallel steht, und ist doch völlig unabhängig von einem bestimmten Yorbilde. )

Der höchste Aufwand wird der neuen Decoration sofort gegönnt, in geistiger wie in materieller Beziehung.

§. 131 .

Das architectonische Element und die Flächenverzierung.

Indess war die Decoration der Renaissance durch unsichtbar mit- wirkende Präcedentien verhindert, einen rein von der Architectur aus- geschiedenen ; principiell in sich abgeschlossenen Styl zu entwickeln, wie die des Alterthums diess vermocht hatte.

Die wichtigsten Aufgaben, Grabmäler und Altäre, seit dem Mittelalter wesentlich als Archi- tecturen gestaltet, blieben es auch jetzt bis zu einem hohen Grade. Dabei behauptet sich schon die architectonische Gebälk- und Sockelbildung, statt der verzierten Wellenprofile des decorativen römischen Styles; sodann der Pilaster mit sei- nem Capitäl. Auch bei bewegtem Formen wie z. B. an Gandelabern und Weihbecken erreichte man dann die antike Freiheit und Flüssigkeit nicht völlig; es fehlt der Blätterumschlag der obern Ränder, die Vielartigkeit der vegetabili- schen Simse, sowie der Hohlkehlen. Allerdings wäre man bei der Absicht auf Ungeheuern Reich- thum nicht wohl zum Ziele gelangt ohne ein stärkeres architectonisches Element.

Anders im nordisch Gothischen, dessen Decorationsstyl geradezu eine höchst erleichterte und belebte Architectur ist.

Gegenüber vom Alterthum ist es etwas wesentlich Neues, dass die Renaissancedecoration Flächen jeder Art mit Zierformen auf das Wohlgefälligste auszufüllen verstand.

Das Alterthum schmückte die Flächen oder Felder mit figürlicher Darstellung (Reliefs oder einzelne Relieffiguren an Altären, an den Seiten der Gandelaber, an Grabcippen etc., Wandmalereien) oder es überliess sie (an den Mauerwänden) der Incrustation, d. h. es liess den Stoff sprechen. Neutrale Zierformen kannte nur die Teppichwirkerei mit ihren Dessins, d. h. sich wiederholenden Motiven.

Ausserdem mussten die deckenden Theile von jeher durch Schmuck


Fig. 155. Weihwasserbecken im Dom zu Siena. (Nohl.)


248


Zweites Buch. Decoration.


nach dem Ausdruck der Leichtigkeit streben. Die Römer gingen hierin ohne Zweifel noch weiter als wir es aus den vorhandenen Resten (Sof- fitten zwischen Tempelsäulen, Gassetten an Flachdecken und Gewölben) nachweisen können ; ihre sprichwörtlich gewordenen Lacunaria waren gewiss oft mit Pracht überladen. Allein es war bei Weitem nicht genug davon erhalten oder bekannt, um die Renaissance für die Flächenverzie- rung im Allgemeinen zu fördern.

Im Mittelalter begnügte sich der romanische sowohl als der gothische Styl, wo sie die Flächen nicht den Figuren überliessen, mit aufgemalten Teppichmotiven.

Die Decoration des Islams, gemalt, glasirt oder mosaicirt, ist lauter fortlaufender Teppichstoff ohne Rücksicht auf eine bestimmte begrenzte Fläche. Das Ungenügende des Princips wird besonders an den Gefässen sichtbar. — Von der byzantinischen Flächenverzierung gilt beinahe das- selbe.

Das einzige Präcedens für das, was die Renaissance zu leisten sich anschickte, waren spätrömische Pilaster zumal aus diocletianischer Zeit, welche Arabesken von einem Rahmenprofil umgeben enthalten. (Pilaster am Arco de’ Leoni zu Verona; — am Bogen der Goldschmiede zu Rom enthalten die Pilaster nur reich geschmückte Feldzeichen.)

Die Renaissance zuerst respectirte und verherrlichte eine bestimmte Fläche als solche. Die Vertheilung oder Spannung des Ziermotives im Raum, seine Beziehung zum umgebenden Rahmen oder Rand, der Grad seines Reliefs oder seiner Farbe, die richtige Behandlung jedes Stoffes schaffen zusammen ein in seiner Art Vollkommenes.

Dass man jedoch im Ganzen die Alten nicht erreicht habe, ist das Gefühl Vasaris; XI, p. 74, v. di Mosca.

§. 132.

UeFer sicht der Ausdrucksweisen.

Formensprache der Renaissancedecoration ist ungeheuer reich und redet fast an jedem einzelnen Werk aus verschiedenen Tönen zu gleicher Zeit. Das Hauptelement ist ein ideal-vegetabilisches, auf allen Stufen von dem beinahe Wirklichen bis zur traumhaft spielenden Ver- flüchtigung und andererseits bis nahe an die mathematische Versteine- rung. Dazu kommen figürliche Darstellungen, welchen die Decoration nur als Einfassung dient ; dann figürliche Zuthaten innerhalb der Deco- ration selbst, sowohl Menschen undThiere als leblose Gegenstände; endlich Uebergänge aus dem Vegetabilischen in das Menschliche und Thieri- sche. Dieses Alles kann im flachsten wie im stärksten Relief, ja in


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II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.

blosser Linearzeichnung, einfarbig oder vielfarbig, mit idealer oder fast wirklichkeitsgemässer Bemalung dargestellt sein, ja in einzelnen Stuccaturwerken können sich fast alle denkbaren Ausdrucksweisen mit einander vereinigen.

Die mehr als hundertjährige Blüthe dieser grossen und complicirten Kunstgattung verdankt man wesentlich dem Umstande, dass die grössten Baumeister, Bildhauer und Maler sich derselben unaufhörlich annahmen und ihr oft einen grossen Theil ihres Lebens widmeten. Vgl. §. 14. Die Bildhauer behandelten lange Zeit förmlich das Decorative und das Figür- liche als gleichberechtigt (§. 130), die Maler wurden bei Anlass des Ge- wölbemalens unvermeidlich in die Decoration hineingezogen; die grossen Baumeister aber liebten fast alle die ornamentalen Arbeiten und wenn sie ihre Bauten dennoch einfach und gross componirten, so ist ihnen diess, und zwar von Brunellesco an, desto höher anzurechnen.

Das Zusammenmünden fast sämmtlicher decorativer Ausdrucksweisen erfolgt dann in Rafaels Loggien. Der Anstoss, welchen die Titusthermen und andere gemalte und stucchirte Räume des Alterthums gegeben haben mochten, ist hier in jeder Beziehung gewaltig überboten.


II. Kapitel.

Decorative Sculptur in Stein*


§. 133.

Bedeutung des weissen Marmors.

Obgleich jedem Stoff seine wahren Bedingungen abgesehen und keine Surrogate gestattet wurden ; war es doch von Wichtigkeit; dass in dem tonangebenden Lande ; Toscana ; der weisse Marmor das Haupt- material der Decoratoren war und blieb.

So schon in der ganzen pisanischen Sculptorenschule. Nur der weisse Marmor fordert zu beständiger Veredlung der Formen auf, nur er konnte mit den antiken Marmorsachen in Wetteifer treten.

Andere Steingattungen, gebrannter Thon (auch mit Glasirung), Stucco,


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250 Zweites Buch. Decoration.

Erz, edle Metalle, Holz und selbst decorativq Malerei empfanden nur wohlthätige Folgen von der Führerschaft dieses unvergleichlichen Stoffes.

Im stärksten Gegensatz hiezu ist der spätgothische Decorationsstyl des Norden wesentlich Holzschnitzerei, auch wenn die Ausführung in Stein geschieht und wenn die Formen alle ursprünglich vom Stein ab- geleitet sind.

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§. 134 .

Die Arabeske.

Wenn auch jede Gattung ihr eigenes Gesetz hat und wenn selbst jedes einzelne Werk von höherer Bedeutung einen besondetn Massstab des Urtheils verlangt, so wird doch die Erkenntniss der Geschichte des Ornamentes sich speciell an das in Stein, zumal in Marmor Ge- meisselte halten müssen, und innerhalb desselben vorzüglich an die Arabeske.

Rabeschi im engern Sinne sind nur die aufsteigenden Füllungszier- • rathen der Pilaster, wie aus dem Zusammenhang bei Lomazzo, trattato dell’ arte, p. 421 (vgl. §. 137) hervorgeht, wo sie von den Friesen (fregi) unterschieden werden. Doch bezeichnen schon die Italiener d ami t jede Art von ausfüllendem, zusammenhängendem Zierrath, von Verherrlichung der Fläche.

Die Aufgabe war: die mehr idealen oder mehr realen Pflanzen so- wohl in Betreff der Blätter als der Verschlingungen und Windungen edel zu bilden, sie mit belebten sowohl als leblosen Gegenständen richtig zu vermischen, oder wenn das Grundmotiv statt einer Pflanze mehr eine Trophäe ist, dieselbe aus schönen und unter sich anmuthig zusammen- hängenden Gegenständen zu componiren.

Die Pflanzen, die idealen meist dem Akanthus und dem Weinlaub sich nähernd (Fig. 156), die realistischen allen möglichen Blättern und Früchten nachgebildet, beginnen unten gerne mit einem Gandelaberfuss oder Gefäss, ja bisweilen bildet der Gandelaber mit Zwischenschalen und andern reichen Absätzen bis oben den Stamm, um welchen die Blätter spielen.

> An Kirchenpforten erklärt sich das Gefäss als ideales Nachbild der Wasser- eimer, in welchen die bei Festen an die Thürpfosten gelehnten Baum- zweige zu stehen pflegen. Nistende und pickende Vögel beleben oft das Ganze. (Benv. Cellini I, 31 bemerkt, dass in der lombardischen Decoration Epheu und Zaunrübe, in der toscanischen und römischen der Bärenklau, d. h. der Akanthus herrsche.)

Die mehr trophäenartigen Arabesken bestehen zum Theil aus Waffen, die an einem Stabe befestigt sind (so vorherrschend an den Thürpfosten im Pal. von Urbino), meist aber aus einer originellen Mischung aller möglichen belebten und todten Gegenstände. Auch an heiligster Stätte,


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II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


251


in den Arabesken der Mar- moraltäre, war man über das Sachliche ganz unbe- denklich; es kommen wohl etwa heilige Geräthe, Che- rubim u. dgl. vor, aber meist ganz Profanes und Be- ziehungsloses. — Wiederum verwandelt sich der Träger des Ganzen in einen aus candelaberartigen Gliedern zusammengesetzten Pracht- körper, an welchem Thiere, Fabelwesen , Thierköpfe, menschliche Gestalten , ja kleine Gruppen als Träger, Draperien, Putzsachen, Wap- penschilde, Waffen, Bänder, Kränze mit Medaillons, Füll- hörner und andere an- muthige Sachen angebracht sind. — Das Alterthum hatte es, von seiner Uebung in Trophäenfriesen aus, auch wohl einmal zu einer auf- steigenden T rophäen Verzie- rung gebracht, wie z. B. an zwei Pfeilern in der Galerie der Uffizien, welche misslungen genug sind; es hatte auch wohl (§. 131) Feldzeichen in seine Pilaster aufgenommen; — allein von der Vielartigkeit des Reich- thums und von der sichern Behandlung, welche die auf- steigende Verzierung jetzt erreichte , finden sich im Alterthum kaum die ersten Anklänge. — Wesentlich hängt damit zusammen, dass an verschmähte (§. 35).


Fig. 156. Marmor- Ornament an der Cathedrale zu

Lugano.


die Renaissance das Canneliren von Anfang



252


Zweites Buch. Decoration.


Im XV. Jahrh. ist die Arabeske meist symmetrisch, d. h. die Thiere und Gegenstände sind entweder verdoppelt oder gerade vorwärts gerichtet dargestellt; im XVI. Jahrh. findet man sie malerisch verschoben, in Schräg- ansicht, oft ziemlich unruhig in der Wirkung.

Ausserdem leistet die Marmorsculptur das Höchste und Zierlichste auch in Friesen, in leichten, schwungvollen Aufsätzen und Bekrönungen, in Füllungen aller Art, wozu dann noch die Formen der Sarcophage, Urnen, Weihbecken und anderer monumentaler Geräthe kommen.


Fig. 157. Marmorfries in S. M. del Popolo zu Rom. (Sues gez.)


Neben und zwischen dem leichten Phantasieornament,' ‘ wie es in der Arabeske herrscht, tritt ein stärker plastisches, auch der Wirklichkeit sich mehr näherndes Ornament auf in Gestalt von Pruchtschniiren (Pig 157 ) Voluten, Masken, Thieren, Thierfüssen, Thierköpfen, Muscheln u. s. w.| nebst menschlichen Gestalten in höherm Relief oder Freisculptur.



II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


253


§• 135.

Siena und Florenz.

Florenz und Siena sind von Anfang an die wichtigsten VFerk- stätten ; von wo aus der neue Decorationsstyl des Marmors sich über Italien verbreitet. Rom , welches die grösste Menge von ausgezeich- neten Arbeiten besitzt , ist darin ganz von den Toscanern abhängig.

Siena hat die Priorität mit Jacopo della Quercia, welcher ausser dem (wie es laut Milanesi II, p. 436 scheint, angezweifelten)

Weihbecken im Dom von Siena, das Grab

der Ilaria del Garretto im Dom von Lucca

1413 fertigte, das frühste Werk der entschie- denen Renaissance, mit Genien und Festons;

Vasari III, p. 21, Nota, v. di Quercia. — So- dann soll das prächtige Weihbecken im Dom von Orvieto 1417 von einem Matteo Sanese gefertigt sein (Fig. 158).

Die hohe Wichtigkeit, welche Siena den Marmorarbeiten beilegte, wobei man sich durchaus nicht an Stadtkinder, wie z. B. Vec- chietta (1412 — 1480), band, erhellt aus den genauen Gontracten mit dem Florentiner Bern.

Rosellino über eine Thür im Pal. Pubblico 1446 (Milanesi II, p. 235), sodann mit Urbano da Cortona über einen Prachtaltar im Dom (ibid. p. 271) u. s. w. Der Mailänder Andrea Fusina arbeitete 1481 bis 1485 den grossen Wandaltar des Cardinais Piccolomini im Dom (ibid. p. 376, vgl. §. 144), und Michelangelo, der später (seit 1501) einige Figuren für diesen Altar schuf, meisselte vielleicht zugleich das herrliche marmorne Giborium für den Hochaltar

in S. Domenico, welches ihm zugeschrieben wird. — Und zu gleicher Zeit besass Siena die Künstlerfamilie der Marrini (nicht Marzini), wovon Lorenzo einer der grössten Meister dieses Faches und ein sehr bedeutender Bildhauer war. Ihm gehört die Marmor bekleidung des Eingangs zur Libreria im Dom und der Hochaltar in Fontegiusta, das vielleicht aller- schönste Werk der ganzen Gattung, sowohl in Betreff des Figürlichen als des Decorativen. (Yasari Y, p. 284, v. di Pinturicchio ; Milanesi III, p. 76, s.) Bald. Peruzzi zeichnete ihm vielleicht den schönen Marmorsitz


Fig. 158. Taufbecken im Dom zu Orvieto. (Nokl.)


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Zweites Buch, Decoration.


vor, den er für die Halle am Casino de’ Nobili (Fig. 159) arbeitete; ibid. p. 137.

Eine ununterbrochene Uebung dieses Zweiges aus eigenen Kräften hat jedoch nur Florenz, wo im Jahr 1478 sich 54 Werkstätten befanden »für Arbeiten in Marmor und Sandstein, in Relief, Halbrelief und Laub- werk« ; Fabroni Laurent. Med. magnif. vita, Adnot. 200. Ohne Zweifel wurde Vieles auswärts versandt.


Brunellesco’s Zierarbeiten, schön und sehr gemässigt: die Lesekanzel


Fig. 159. Balustrade am Casino de’ Nobili zu Siena.


im Refectorium der Badia bei Fiesoie und der Brunnen in dessen Vor- raum (?); das Weihbecken in S. Felicita zu Florenz (ob noch vorhanden?), vielleicht auch der Sacristeibrunnen in S. Lorenzo, ein Werk von einfach genialer Erfindung, das indess zwischen B. und Donatello und Verocchio streitig ist; Vasari III, p. 259, v. di Donatello. Die sonstigen Arbeiten des letztem, nicht frei von Wunderlichkeiten, haben wenig Einfluss auf die Gattung als solche gehabt; schon mehr diejenigen des Michelozzo, der sich (Gaye I, p. 117) als Donatello’s »Compagno« zur arte dell’ intaglio bekennt, nämlich die Decoration der Capelle im Pal. Medici (Riccardi), seine Altartabernakel in S. Miniato und der Annunziata etc.; Vgl. §. 34;



II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein. 255

— wiederum weniger die des Bern. Rosellino (Grabmal des Lionardo Aretino in S. Groce).

Was die Zeichnungen in Filarete’s Baulehre (§. 31) ergeben, ist mir nicht bekannt.

Der vollendete Reichthum und Geschmack in der Anordnung und Ab- stufung: Desiderio da Settignano (Grabmal des Carlo Marzuppini in S. Groce, Fig. 169, Wandtabernakel im Querschiff von S. Lorenzo). — Sein Schüler Mino da Fiesoie, von hoher Bedeutung als Decorator überhaupt und ins-


Fig. 160 . Kanzel in S. Croce zu Florenz. (Nohl.)


besondere als der, welcher die vollendete Marmordecoration nach Rom brachte; Vasari IV, p. 232, v. di Mino, mit einer unbilligen Polemik gegen denselben; die besten erhaltenen Werke die Grabmal er in derBadia zu Florenz; in Rom ist ausser einigen Originalarbeiten die Nachwirkung Mino’s sichtbar an den sehr zahlreichen Altären, Prälatengräbern und Sacramentbehältern etc., zumal in S. M. del Popolo.

Ein ganz freies Meisterwerk von schönster Harmonie: die Kanzel in S. Groce zu Florenz, von Bened. da Majano (Fig. 160). Den Gipfelpunkt



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Zweites Buch. Decoration.


bilden dann die zwei berühmten Prälatengräber im Chor von S. M. del Popolo zu Rom, Werke des Florentiners Andrea Sansovino §. 141).

Die meiste römische Arbeit ist namenlos; einen Gristoforo da Roma rühmt der Anonimo di TVIorelli wegen seines zarten Laubwerkes, bei An- lass von S. Vincenzo in Gremona. (Vgl. §. 136.) Im Jahr 1506 heissen (Lettere pittoriche III, 196) Giovan Angelo Romano und Michel Gristofano aus Florenz i primi scultori di Roma, und diesen möchte Manches vom Besten angehören.

Die spätesten Florentiner, welche noch berühmte Decoratoren und Bildhauer zugleich waren: Andrea da Fiesoie (Vasari VIII, p. 137, ss., v. di A. da Fiesoie) und Benedetto da Rovezzano (ibid. p. 176, ss., v. di Rovezzano); letzterer arbeitete z. B. Kamine, Handbecken, Wappen mit Bandwerk, Grabmäler, Pforten und ein Heiligengrab, welches jetzt stück- weise in den Uffizien aufgestellt ist; seine Arabeske ist schon derber als die der Vorgänger.

Von den Schülern des Andrea, Maso Boscoli und Silvio Cosini (beide von Fiesoie) wurde der letztere mit der Zeit Executant bei Michelangelo und dann in Genua bei Perino del Vaga, für Stuccaturen.

In den glasirten Thonarbeiten der Schule der Robbia ist die Arabeske, im Bewusstsein des weniger feinen Stoffes, bescheidener als in Marmor; allein die kräftige Gomposition des Ganzen, die herrlichen Fruchtschnüre und die weise Abwechselung von bloss Plastischem, farbig Plastischem und bloss Gemaltem geben diesen Sachen einen sehr hohen Werth. (Altäre, Heiligennischen; der Sacristeibrunnen in S. M. novella zu Flo- renz etc.) Ihre Farben bloss gelb, grün, blau, violett und weiss (Fig. 161.)

§. 136.

Das übrige Italien»

Die Decoration des Palastes von Urbino erscheint als eine zwi- schen toscanischer und oberitalienischer Einwirkung getheilte. Neapel und Genua besitzen wenig Einheimisches von höherm Werthe. Ober- italien bildet ein Gebiet für sich.

Im Pah von Urbino prachtvolle Thüreinfassungen (§. 134), Kamine (Fig. 162), Simse u. s. w. , zum Theil an Bolognesisches erinnernd; Einiges mit Gold und Blau bemalt.

Neapel zehrt im XV. Jahrh. von Florenz (Grabmäler von Rosellino, Donatello etc.) und erhält erst spät im XVI. Jahrh. mit Giovanni da Nola, Girolamo Santacroce, Domenico di Auria eine selbständige Schule von Decoratoren-Sculptoren , als im übrigen Italien die Gattungen sich bereits schieden. (Grabmäler in vielen Kirchen, Brunnen des Auria bei S. Lucia.)


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IL Kapitel* Decorative Sculptur in Stein.

Genua nimmt im XV. Jahrh. wesentlich am oberitalienischen Styl Iheil; das Beste eine Anzahl Thüreinfassungen, worunter die prachtvolle von einer Kirche entlehnte in einem Hause auf Piazza Fossatello. Im XVI. Jahrh. die Arbeiten des Montorsoli und mehr classicistisch : der Tabernakel der Johannescapelle im Dom (§. 80), von Giac. della Porta 1532.

In Venedig war die Incrustation (§. 42, 43) eine Rivalin der Deco- ration; letztere ist wesentlich auf möglichst reiche Ausfüllung" der Pilaster, Friese, Fenstereinfassungen an Gebäuden beschränkt (S. M. de’ Miracoli, aussen und innen ; Scuola di S. Marco, hintere Theile des Dogenpalastes),


Fig. 161. Schule der Robbia; Relief im Museo nazionale (Bargello) zu Florenz. (Herdtle.)

während die Altäre und Grabmäler nur mässigen Gebrauch davon machen und vom Anfang des XVI. Jahrh. an fast gänzlich darauf verzichten, um sich rein in plastischen und architectonischen Formen zu bewegen. So ist hier durchschnittlich die Architectur decorativer und die Decoration architectonischer als anderswo. Doch bleiben ausser einigen phantastisch reichen Kaminen im Dogenpalast (s. unten) die Arbeiten des Alessandro Leo- pardo wahre Wunder des von den herrschenden Manieren unbeirrten Schön- heitssinnes: die Basis der Reiterstatue des Golleoni 1495, das Grabmal des Dogen Vendramin in S. Giovanni e Paolo etc. (s. unten §. 141). — In der Arabeske hat alles sich schlängelnde Rankenwerk eine ungemein

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite AuÜ. 17



Zweites Buch* Decoration.


viel bessere Bildung als die senkrecht aufspriessenden vegetabilischen Motive und vollends die trophäenartigen.


Im übrigen Oberitalien scheiden sich ein Marmorstyl und ein Styl in Backstein, Stucco u. a. weniger edlem Material* Der letztere hat seinen


Fig. 162 . Kamin im Pal. von ITrbino.


Hauptanhalt an Bologna, wo die vorhandenen Marmorsachen sogar weniger eigenthümlich sind als diejenigen in den genannten Stoffen; in diesen das Beste' von Formigine und Properzia de’ Bossi. (Es wird jedoch auch ein Marmorarbeiter Jacopo Duca um seines Laubwerks willen besonders gerühmt; Yasari IV, p. 251, v. di Ercole Ferrarese). — Sehr eigenthümlich



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II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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das prächtige Stuccograbmal Gozzadini, in der Servitenkirche , von Gio. Zacchio. — Die bedeutendste Backsteindecoration ist wohl diejenige an der Fassade des Ospedale maggiore zu Mailand (§. 44, 107, Fig. 163) und an den Hofhallen der Cer- tosa von Pavia (§. 46). Im Ganzen ist die Decoration in diesen unedlem Stoffen bei aller Kraft und Fülle weniger fein empfunden und wird besonders im Stucco mit der Zeit ziemlich schwülstig.

Der Marmorstyl hat seine wichtigste Stätte an der Fassade der Certosa von Pavia (§. 71), wo sehr nam- hafte Meister sowohl Deco- ration als Bildwerke über- nahmen: Gio. Ant. Amadio,

Gristoforo da Roma (§. 135),

Andrea Fusina (§. 135), Cri- stoforo Solari, genannt il Gobbo (§. 67), Agostino Busti, genannt Bambaja u. a. m.

Von einziger Pracht und Schönheit sind besonders die Gandelaber als Fensterstützen und die Ausstattung der Fenster überhaupt (Fig. 164).

Dazu kommt noch Man- ches von der Decoration des Innern; — ferner eine An- zahl von Altären und Grab- mälern in mailändischen Kir- chen (S. M. delle Gräzie etc.),

Arbeiten im und am Dom von Como, an der Fassade von Lugano, die Gap. Col- leoni zu Bergamo, Altarein- fassungen in den Kirchen von Vicenza, auch zu Verona; — endlich im Santo zu Padua die Decoration der Pfeilerhalle, welche den Eingang der Antoniuscapelle bildet, von Matteo und Tommaso Garvi aus dem Mai-



Fig. 16 S. Ospedale maggiore zn Mailand.


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260 Zweites Buch. Decoration.

ländischen, mit Hülfe des Vicentiners Pironi. (Ueber diesen und den Giovanni von Vicenza, welche in ihrer Heimath viel gearbeitet haben, Vasari XIII, p. 105, v. di Jac. Sansovino.)

Das Gemeinsame dieses oberitalischen Marmorstyles , gegenüber dem florentinischen, hegt in seiner reichen, unbedenklichen Fülle, welche sich auch auf die Umdeutung gothischer Formen einlässt. Die Pyramiden des Domes zu Gomo §. 81; die vortretenden Portalsäulen §. 37, 51, jetzt bisweilen zu prachtvollen, selbst mit Figuren reich besetzten Gandelabern umgestaltet, z. B. am Seitenportal des Domes zu Gomo, und an der oben erwähnten Thür auf Piazza Fossatello zu Genua. Das Relief der Zier- formen ist stärker, die Grundfläche mehr angefüllt, ja mit Sachen über- füllt (vgl. Fig. 165). Der Styl des Einzelnen aber ist in den bessern Werken so edel, fein und ideal als an den bessern florentinischen.

Die unedlem Stoffe geriethen eben durch Mitmachen dieses vollen Reichthums in Nachtheil ; ihre Schönheit würde viel eher in einer gewissen Strenge, namentlich in mässiger Anwendung der unbelebten Gegenstände zu finden gewesen sein, wie das wundervolle Rankenwerk der Pilaster in der Sacristei von S. Satiro zu Mailand (Fig. 166) deutlich zeigt. (Wahrscheinlich mit dem Gebäude von Bramante, vgl. §. 80.) Hier vermisst man den Fig. 165. Capital am Pal. Communale zu Brescia. weissen Marmor nicht , SO wenig

als bei den Robbia (§. 135).

Für die Anfänge dieses ganzen oberitalischen Decorationsstyles müsste wichtig sein das noch von Lomazzo (trattato dell’ arte, p. 423) citirte inhaltsreiche »Grotteskenbuch« des Troso von Monza, eines Malers um 1450.

§. 187 .

Decorativer Geist des XVI. Jahrhunderts.

Schon beinahe vom Beginn des XVI. Jahrhunderts an absorbirt an Grabmälern und Altären die zum Lebensgrossen und Halbcolossalen t fortgeschrittene Sculptur die Mittel und die Aufmerksamkeit. Das architectonische Gerüste verliert mehr und mehr die Arabesken und J andern Zierden und wird wieder zur blossen Architectur. Die Deco- ration verwendet bald ihre wesentlichsten Kräfte auf die Gewölbe.





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II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein,


Michelangelo’s F eind- schaft gegen die Arabeske an Sculpturwerken : gli intagli . . . se bene arrichiscono l’opere, confondono le figure ; Yasari XI, p. 83, v. di Mosca. ? y^W Pv^Wenn RKnMangelo wollte, bildete er das Decorative sehr schön ; sein Ciborium in Siena §. 135 ; von seinem Mörser und dem Salzfass für den Herzog von Urbino ist leider jede Spur verloren ; Yasari XII, p. 282, Nota, p. 385, Com- ment. , v. di Michelangelo. Vgl. §. 177.) — Die Arbeiten Mosca’s selbst bei aller Ge- schicklichkeit, welche Yasari a. a. 0. so sehr überschätzt, stehen im Styl den frühem bessern Sachen weit nach und gewinnen durch die starken Unterhöhlungen einen Schat- tenschlag, welcher der wirk- lichen Bestimmung der Ara- beske zuwider ist. (Beklei- dung einer Capelle in S. M. della Pace zu Rom etc.) Aehnliches gilt von den Lei- stungen des Stagi im Dom zu Pisa. Vortrefflich sind Arbeiten dieser Zeit am ehesten an denjenigen Stellen, wo die wirklichkeitsgemässe Behandlung am Platze ist, z. B. in Guirlanden, Theilen von Thieren , Stierschädeln (Bandinelli’s Basis bei S. Lo- ren zo in Florenz), auch in Wappen.

Die veränderte Sinnes- weise der Zeit zeigt sich sehr deutlich an der Santa Gasa


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Fig. 166 . Pilaster yon S. Satiro zu Mailand. (Lasius.)


Zweites Bach. Decoration.


in der Kirche von Loretto, deren bauliches Gerüste (vom jüngern Ant. Sangallo) eine Menge Theile architectonisirt zeigt, welche einige Jahrzehnte früher durchaus der Decoration anheimgefallen wären. (Incrustation der Stylobaten, Cannelirung der Säulen, strengere Antikisirung aller Formen.) Von Mosca sind hier die sehr schönen Festons.

Auch der achteckige sog. Coro unter der Kuppel im Dom von Florenz, unter Bandin elli’s Leitung angeblich nach dem Vorbild des hölzernen von Brunellesco hingestellten gearbeitet, wäre gewiss im XV. Jahrhundert viel schmuckreicher gestaltet worden. Vasari X, p. 328, s., v. di Bandinelli.

Allein das Bedürfniss nach reichern Formen schlug dann doch wieder durch, nur auf unglückliche Weise. Da wo die echte Renaissance noch eigene Zierformen angewandt hatte, brauchte der Barockstyl nun zwar Bauformen, aber in widersinniger Verkleinerung, Häufung und Brechung. Der theoretische Ausdruck hiefür in Armenini’s Schilderung eines isolirten Hochaltars (De’ veri precetti della pittura, Ravenna 1587, p. 164): derselbe muss rund oder achteckig sein, um von allen Seiten einen gleich günstigen Anblick zu gewähren, mit tribune, mensole, partimenti, nicchie, risalti, rompimenti di cornice, con diversi ordini variati, cosi fmestre, figurine et maschere di rilievo, festoni, balaustri, piramidi etc., Alles womöglich mit bunten Steinen eingelegt, mit Gold eingefasst u. s. w.

Die namhaften Decoratoren etwa der_ Zeit vo n 152 5 bis 1550 zählt Lomazzo auf, leider ohne irgend genau die Gattungen zu scheiden, und ohne weit über die Lombardie hinaus zu blicken; Trattato dell’ arte, p. 421: In den Friesen der Gapellengewölbe (also Stucco und Malerei) und der Fassaden (Stein), mit Kinderfiguren und Masken y zeichneten sich zu unsern Zeiten besonders aus Ferrari (ohne Zweifel Gaudenzio), Perino (del Vaga), Rosso, (Giulio) Romano, der Fattore (Penni), P armigiano , Co reggio, (Gio. da) Udine, Pordenone; — in sonderbaren Masken und in Laubwerk: Soncino ; — in Laub- werk allein: Xicolo Picinino und Vincenzo da Brescia (diese letztem wahr- scheinlich Stuccatoren) ; und der das Laubwerk am trefflichsten, ausser dem Alterthum meisselte, ist Marco Antonio (?) gewesen. (Das Bisherige bezieht sich Alles auf die Friese oder horizontalen Glieder.) — In Betreff der Arabesken (§. 134) wäre viel zu sagen; wenn auch Stefano Scotto ohne Zweifel der ausgezeichnetste war, so hat ihn doch hierin Gaudenzio übertroffen, welcher sein erster Schüler und zugleich der des Lovino (Bern. Luini) war. (Nun kommt er nochmals auf die Friese zurück, insofern dieselben in der damaligen ausgearteten Weise gemalte Historien, eingefasst von stucchirten oder gemalten Gartouchen, Kinderfiguren, Schil- den, Masken, Fruchtschnüren, Inschriften etc. enthielten, und sagt von diesen einfassenden Zuthaten :) Hierin waren, abgesehen von den eigent- lichen Grotteskenverfertigern, besonders erfindungsreich Gio. Batt. Bergamo und Evangelista Lovini, Bruder des Aurelio, welcher (letztere?) in dieser



II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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und in andern Beziehungen ausgezeichnet ist, ferner Lazaro und Pantaleo Calvi, Ottavio Semino, Bruder des Andrea, Vincenzo Moietta, und im Alterthum (aus Plin. H. N. XXXV, 37) Serapion. — Später wird Silvio Gosini nur beiläufig genannt.

Der Abschnitt über Lampen, Candelaber, Brunnen etc., p. 426, be- handelt fast nur die späte Zeit, in welcher L. schrieb; der für seine Ge- fässe, Geräthe und Wagen berühmte Ambrogio Maggiore z. B. gehört in die Zeit des Buches selbst (1585).

§. 138,

Das Grabmal und der Ruhm.

Das Prachtgrab der Renaissance ; ohne Vergleich die wichtigste Aufgabe der mit der Sculptur verschmolzenen decorativen Kunst, ent- steht wesentlich unter Einwirkung des Ruhmsinnes. Die Sehnsucht des Einzelnen nach IJn Vergänglichkeit seines Namens ; und der Eifer einer Stadt oder Corporation für die Ehre eines berühmten Angehöri- gen bedürfen gleichmässig der Kunst.

Das Heiligengrab, im XIII. und XIV. Jahrh. eine besondere Gattung der Sculptur, nimmt im XV. Jahrh. nur eine untergeordnete Stelle ein. Nach der Beschreibung zu urtheilen, ist nur das Grab des h. Savinus im Dom zu Faenza, von Benedetto da Majano, ein Werk höhern Ranges; Vasari V, p. 132 und Nota, v. di Ben. da Majano. — Ein hübsches Werk ist die Area di S. Apollonio im Dom von Brescia, ein Sarcophag mit drei figurenreichen Reliefs, darüber ein Tabernakel mit Figuren und einer Madonna in Lünette. — In S. Tommaso zu Gremona befindet oder befand sich das Grab des S. Pietro Marcellino, von Zuandomenego da Vercelli, — und in S. Lorenzo ebenda dasjenige des S. Mauro (richtiger SS. Mario e Marta), 1482, von dem berühmten Gio. Ant. Amadio (§. 136), — beide von dem Anonimo di Morelli gerühmt. — Das Gemeinsame aller dieser Arbeiten sind die vom mittelalterlichen Heiligengrab her übernommenen erzählenden Reliefs , in welchen das XV. Jahrh. sehr redselig ist ; von j andern Grabmälern unterscheiden sie sich auch durch Abwesenheit der liegenden Statue, indem der Heilige viel eher stehend oder thronend über dem Sarcophag dargestellt sein wird. — An der Area des h. Dominicus in dessen Kirche zu Bologna ist der obere Aufsatz eigentlich nur die Umdeutung eines gothischen Ziermotives. — Aus dem beginnenden XVI. Jahrh. (um 1510) das Grab des h. Johannes Gualbertus, von Ro- vezzano, der Absicht nach eine sehr grosse Anlage; von dem was voll- endet wurde, sind nur einige Reliefs in die Uffizien gerettet; Vasari VIII, p. 177, v. di Rovezzano. — Das Grab des Gamaliel im Dom von Pisa,


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Zweites Buch. Decoratton.


unbedeutend. — Das mittelalterliche Motiv, den Sarcophag durch Statuen tragen zu lassen, kommt an diesen Heiligengräbern nirgends mehr vor.


Schon im XIV. Jahrh. hatte das Grab zur Verherrlichung der poli- tischen Macht und des geistigen Ruhmes gedient. Abgesehen von den Gräbern der Anjou in Neapel: das Grabmal des Bischofs Guido Tarlati im Dom von Arezzo, ein grosses politisches Tendenz werk; Vasari I, p. 330, v. di Giotto ; II , p. 5 , v. di Agostino e Agnolo ; — dann die bekannte Gruppe von freistehenden gothischen Tabernakeln mit den Gräbern der Herrscherfamilie della Scala in Verona. — Giangaleazzo Visconti (st. 1402) wollte in der Certosa bei Pavia thronend über 7 Stufen dargestellt sein, rechts ein Grabmal der ersten Frau mit ihren Kindern , links eines der zweiten ebenso; Gorio, fol. 286. — Der Typus der Gräber berühmter Juristen, Aerzte, Astrologen zu Florenz im XIV. Jahrh. heisst monumento rilevato, sepultura rilevata, bei Filippo Villani, vite, p. 19, 26, 45; es ist der frei auf untergestützten Säulen oder Wandconsolen schwebende Sar- cophag gemeint.

Die Städte legten einen wahren Cultus der Gräber berühmter Mitbürger und auch Fremder an den Tag (Cult. d. Renaiss., III. Aufl. S. 173, ff.), und allen ging Florenz voran, wo der Staat grosse Denkmäler wenigstens zu decretiren pflegte. Im Jahr 1396 der Beschluss, im Dom für Accorso, Dante, Petrarca, Boccaccio und Zanobi della Strada »hohe und prächtige, mit Marmorsculpturen und anderer Zier geschmückte Grabmäler« zu er- richten, und zwar, wenn deren Gebeine nicht zu erhalten wären, auch


Gaye, carteggio I, p. 123.

Es gab eine Art von Anwartschaft, indem man ein Prachtgrab wenigstens im Dom einfarbig an die Wand malen liess, so die noch sicht- baren des Theologen Marsili und des Gardinals Corsini (nach 1405), be- reits im Styl der Renaissance; Vasari II, p. 231, v. di Bicci.

Ganz eigenthümlich verfuhr man mit den Gondottieren. Für den schrecklichen John Hawkwood wurde 1393, als er noch lebte, ein mar- mornes Prachtgrab beschlossen, wo er begraben werden solle quando morietur; Gaye, carteggio I, p. 536; man begnügte sich aber später doch damit, ihn durch Paolo Uccello gross zu Pferde in Ghiaroscuro an die Wand malen zu lassen, sammt einem andern Gondottiere Piero Farnese; Vasari III, p. 94 und Nota, v. di Uccello. Wahrscheinlich musste dieser


An die Stelle der Heiligkeit waren andere Ideale des Lebens getreten, welche ihre Verherrlichung verlangten. Theologische und practische Bedenken gegen das Begraben in Kirchen blieben ohne Folgen.


als blosse


Doch blieb die Sache liegen; 1430 wurde der


Beschluss für Dante und Petrarca erneuert und blieb wiederum liegen;




II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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Farnese 1455 der grossen gemalten Reiterfigur des Nie. da Tolentino (st. 1434) weichen, welche jetzt das Gegenstück zu der des Hawkwood ausmacht; der Staat rühmt sich dabei etwas kühl seiner Gewohnheit gegen verdiente Soldhauptleute: aliquid (sic) ad eorum honorem et gloriam retribuere; Gaye, 1. c. p. 562. Laut Fabroni, magni Cosmi vita, Adnot. 52 hätte zu dem Fresco wenigstens ein einfaches Marmorgrab unten in der Kirche gehören sollen, welches fehlt. — Beispiel eines bloss gemalten Reiterdenkmals in Siena, Vasari III, p. 20, Nota, v. di Quercia; — dess- gleichen auf der Piazza zu Lucca, Paul. Jov. Elogia, bei Anlass des Pici- nino; — ja König Matthias Gorvinus von Ungarn war zu Rom als Reiter- bild in Fresco gemalt an Campo Fiore , ibid. , bei Anlass desselben. — Man hielt in Florenz fortwährend darauf, dass Gelebritäten im Dom be- graben wrnrden , wie z. B. Brunellesco, obschon dessen Familiengruft in S. Marco lag; Vasari III, p. 239, s. Allein sein und einiger Anderer Denkmäler sind sehr bescheiden.

Bei weitem prächtiger : die Gräber der beiden Staatssecretäre in S. Croce (§. 135), Lionardo Aretino und Carlo Marzuppini.

In Venedig hatte der Staat bestimmte Gategorien des Denkmalsetzens und machte wenigstens mit dem Reiterbild für seine Condottieren wirklich Ernst. — Altar und Grab der Gap. Zeno in S. Marco sind der Dank des Staates für das grosse Vermächtniss des Cardinais Gio. Batt. Zeno; Sansovino, Venezia, fob 32. Sein ganzer Nachlass betrug laut Malipiero 200,000 Ducaten.

Fortwährend blieb in Italien das Denkmal die sichtbare Gestalt irgend einer Art von Ruhm ; zahlreiche Gräber von Dichtern, Gelehrten, grossen Beamten und Juristen , namhaften Soldaten etc. (Selbst das Prachtgrab einer berühmten Buhlerin; Vasari X, p. 166, v. di Perino.)

Die vergeblichen Verbote der Gräber in Kirchen vgl. §. 83. Aus sittlichen und theologischen Gründen ereiferte sich ein spanischer Bischof dagegen, Vespasiano Fiorentino, p. 307; aus sanitarischen Alberti, de re aediflc. L. VIII, c. 1, wo er sogar dem Leichenverbrennen das Wort redet.

§. 139.

Die Grabmäler der Reichen und Vornehmen.

Sehr frühe nehmen auch Reichthum und Rang die Kunst in Anspruch, um an geweihter Stätte dem Ruhme gleichzustehen. Nament- lich drängt in der zweiten Hälfte des XV. Jahrh. der steigende Pracht- sinn auf eine grosse Verallgemeinerung des Gräberluxus hin.

Schon Petrarca klagt um 1350, dass der Reichthum den Ruhm ver- dränge; de remediis utriusque fortunae, p. 39: fuere aliquando statuae


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insignia virtutum , nunc sunt illecebrae oculorum; ponebantur his quae magna gessissent, aut mortem pro republica obiissent . . . ponebantur in- geniosis ac doctis viris . . . nunc ponuntur divitibus, magno pretio mar- mora peregrina mercantibus.

In Padua und in Bologna scheinen die gothisehen Professorengräber, auf welche hier wohl auch gestichelt sein könnte, in der Regel durch testamentarische Verfügung des Betreffenden und kaum je durch Staats- beschluss entstanden zu sein. Aufzählungen bei Mich. Savonarola, Mu- rat. XXIV, Col. 1151, ss., bes. Gol. 1165 das prächtige Grab eines Arztes, an welchem seine Ahnen, eine ganze Asclepiadenfamilie , mit verewigt wurden ; und bei Bursellis, anal. Bonon., Murat. XXIII, passim. Letz- terer sagt es mehrmals (z. B. Col. 877) ausdrücklich bei Gräbern des XV. Jahrh. — Von den adlichen Gräbern versteht es sich von selbst, dass sie Sache der Familie waren. — Wohl aber war das Grabmal des berühmten Juristen Mariano Socino (wovon die Bronzestatue, ein Werk Vecchietta’s , sich jetzt in den Uffizien zu Florenz befindet) eine Stiftung seiner Vaterstadt Siena; Vasari IV, p. 212, Nota, v. di Franc, di Giorgio.

Mit der Zeit wurde es Standessache und von Seiten der Erben oder der betreffenden Corporation etc. Sache der Pflicht, der Ergebenheit, der Höflichkeit, prächtige Denkmäler zu setzen ; Mancher sorgte testamentarisch für sich, und wer völlig sicher sein wollte, liess das Grabmal bei Leb- zeiten anfertigen und selbst aufstellen , wie jener römische Prälat, an dessen Grabe man liest:

Cei ta dies nulli est, mors certa ; incerta sequentum cura; locet tumulum, qui sapit, ante sibi.

Für die römischen Prälaten war das Prachtgrab wie der Palastbau (§. 8) ein Mittel, wenigstens einen Theil ihres Erbes der Confiscation zu entziehen. — Als Standessache galt das Prachtgrab gegen 1500 hin auf besonders ängstliche Weise in Neapel; Jovian. Pontan. Charon: »man sei mehr um das Grab als um die Wohnung bemüht etc.« Sannazaro (Epi- grammata, de Vetustino) spottet eines Solchen, der das kümmerlichste Leben fuhrt, aber für seine Grabcapelle spart, früh Morgens schon mit Architecten und Marmorarbeitern bei allen antiken Ruinen herumzieht, sie erst Nachmittags todtmüde entlässt, und nun über ihre Gesimse, Friese, Säulen etc. schimpft und beständig ändert. »Lass doch die Leute ruhig essen und wenn du durchaus mit deinem Begräbn iss dich abgeben willst, so lass dich an den gemonischen Stufen begraben.« 

Ein Glückssoldat, Ramazzotto, der sich um 1526 durch Alfonso Lom- bardi sein Grabmal in S. Michele in Bosco bei Bologna errichten liess, aber viel spater anderswo arm und vergessen starb ; Vasari IX, p. 10 und Nota, v. di A. Lombardi. Vgl. §. 256.


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§. 140.

Die wichtigsten Gräbertypen.

Die Gräbertypen des XIII. und XIV. Jahrh. wurden grössten- theils anfgegeben und die übrig bleibenden im Sinne der Renaissance auf das Schönste umgestaltet.

Sie hatten bei einer oft grossen Schönheit der Ausführung meist bedeutende Uebelstände gehabt :

Der auf Consolen an einer Wand angebrachte Sarcophag (das sepolcro in aria; Sansovino, Venezia, fol. 5, 6 etc.) hatte zwar den Vorzug, die Communication nicht zu hemmen, allein die darauf liegende Statue blieb entweder unsichtbar oder musste, schräg vorwärts gelehnt, einen sonder- baren Effect machen.

Varietäten: die bolognesische , mit Statuetten neben und über der Porträtstatue, auch wohl an den Ecken des mit Reliefs geschmückten Sarcophages selbst. —

Die paduaniscli-veronesische, mit einem ebenfalls aus der Wand vor- tretenden, auf Gonsolen ruhenden Spitzbogen, welcher über dem Sarcophag schwebt, mit Malereien.

(Die christliche Demuth hoher Geistlichen verlangte wenigstens, dass die Leiche in die Erde zu liegen komme, sodass der oben dargestellte Sarcophag ein blosser Scheinsarg wurde; Benedict XI., st. 1304 zu Perugia, wird in S. Domenico begraben sub terra, sicut ipse mandavit dum adhuc viveret , ne in alto poneretur , sed sub terra , ex magna humilitate quam habebat. Brevis hist. ord. praedic. ap. Martene, coli, ampliss. VI, Gol. 373.)

In Neapel war der Typus des Heiligen grabes, nämlich der von Statuen getragene Sarcophag auch für Grosse und fürstliche Personen üblich geworden; über demselben eine Nische mit Baldachin und mit Vorhängen, welche von Engeln weggezogen werden.

Ganz erlöschen in der Renaissance auch diese Typen nicht; sogar der letztgenannte kommt vor.

Den ersten Rang aber nimmt nunmehr derjenige Typus ein, bei welchem der Sarcophag mit der liegenden Statue in mässiger Höhe in eine mehr oder weniger verzierte, nur wenig vertiefte Nische zu stehen kommt; sehr schön vorgebildet in zwei Gräbern aus der Schule der Cosmaten um 1300 (Grabmal Gonsalvo in S. M. maggiore, Grabmal Durantis in S. M. sopra Minerva), wo Engel zu Häupten und Füssen des Verstorbenen das Leichentuch halten ; die Nische mit Mosaikgemälden ausgefüllt.

Die Renaissance gibt zunächst dem Sarcophag eine freier bewegte Gestalt, oft voll Anmuth und Pracht, mit dem schönsten Pflanzenschmuck;


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sie erhebt ihn auf Löwenfüssen vom Boden ; sie stellt über denselben eine besondere Bahre mit Teppich, auf welcher der Verstorbene liegt. In der portalartigen Nische wird entweder ein Rundrelief oder ein Lunetten- relief mit der Halbfigur der Madonna, bisweilen begleitet von Schutzheiligen und Engeln, angebracht ; bis tief ins XV. Jahrh. behauptet sich auch der Vorhang, welchen die auf dem Sarcophag sitzenden oder stehenden Engel (jetzt als nackte Kindergenien) beiSeite schieben oder ziehen; die Pfosten der Nische erhalten bisweilen Statuetten von Tugenden oder Heiligen; bisweilen bleibt auch die Nische über dem Sarcophage frei und das Ma- donnenrelief kommt erst in den obern Aufsatz, welcher überdiess mit Gandelahern oder Figuren gekrönt wird.

Diess ist diejenige Gräberform, welche vielleicht am Meisten zu der langen Dauer des aus Decoration und Sculptur gemischten Styles bei- getragen hat. Der Zusammenklang freier und bloss halberhabener Ge- stalten des verschiedensten Massstabes mit einer edel prächtigen Nische und den schönsten Einzelformen der Arabesken war ein Ziel würdig der höchsten Anstrengung. Kein früherer Styl hat eine Aufgabe von diesem Werthe aufzuweisen.

Diess der vorherrschende Typus der römischen Prachtgräber vom Ende des XV. Jahrh., zumal derjenigen in S. M. del Popolo (Fig. 167). Sie müssen uns die Stelle der mit Alt S. Peter untergegangenen (Pan- vinio, vgl. §. 8, p. 287, ss., 361, ss.) vertreten.

Berühmte Vorbilder: das Grabmal des Cardinais von Portugal, von Antonio Rosellino, in S. Miniato bei Florenz- (Fig. 168); (sogleich eine Wiederholung für Neapel bestellt; Vasari IV, p. 218, s., v. di Ant. Ro- sellino) ; —

die Gräber des Lionardo Aretino und Carlo Marzuppini (letzteres von Settignano) in S. Groce, §. 135 (Fig. 169) ; —

die Arbeiten des Mino da Fiesoie in der Badia zu Florenz.

§. 141 .

Nebentypen der Grabmale r.

Auch einfachere Grabanlagen enthalten oft Herrliches, während grosse Prachtarbeiten bisweilen nur einen gothischen Gedanken wieder- geben. Isolirte Gräber, ihrer Natur nach selten, bilden keinen eigenen Typus.

Zu den einfachem Typen gehört der vielleicht von Donatello’s Bruder Simone stammende, wo die Nische nicht als Portal, sondern nur als halbrunde, mit Laubwerk eingefasste Wandvertiefung gegeben ist, in welcher der Sarcophag steht; Gräber des Giannozzo Pandolfmo (st. 1457) in der Badia zu Florenz, in S. Trinitä ebenda (von Giul. Sangallo?) u. s. w.

















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Sehr häufig kommen auch blosse Grabtafeln mit Relief und Inschrift vor und Manches dieser Art, wie z. B. die Grabmäler Ponzetti (1505 und 1509) in S. M. della Pace zu Rom (Fig. 170), auch Einiges in Mai- land, gehört zum Besten dieser Zeit.

In Venedig behaupten sich mehrere Elemente des mittelalterlichen Grabes in den Formen des neuen Styles ; der Sarcophag bleibt ein recht- winkliges Oblongum mit Statuetten an den Ecken oder an der Vorderseite (Grab Vendramin in S. Gio. e Paolo (Fig. 171), Grab Zeno in S. Marco); er ruht auf Statuen von Helden (Dogengrab Mocenigo 1476 in S. Gio. e Paolo, von den Lombardi, mit reichen Zuthaten, Fig. 172 u. a. m.); bei der meist hohen Lage desselben wird statt der liegenden Statue öfter eine stehende, von kriegerischen Pagen oder Tugenden begleitet, darauf angebracht.

Auch der auf Gonsolen schwebende Sarcophag behauptet sich hier wie in Oberitalien überhaupt. (Mailand: schöne Beispiele in S. M. delle Grazie, das Grabmal Brivio in S. Eustorgio etc.)

Ueber solchen Sarcophagen in Venedig mehrmals die hölzernen Reiter- statuen von Gondottieren.

In Neapel ist das Grab des Card. Brancacci (in S. Angelo a Nilo) von Donatello und Michelozzo noch eine fast vollständige Uebertragung aus dem dortigen gothischen Typus (§. 140) in den neuen Styl. — Sonst finden sich die verschiedensten Combinationen an den Gräbern von Krie- gern, Staatsmännern und Adlichen, welche hier über die Prälatengräber das Uebergewicht haben.

Das Höchste, was durch das Bündniss von Decoration und Sculptur zu Stande gekommen ist, bleiben immer die beiden Gräber im Chor von S. M. del Popolo zu Rom (Fig. 173), von Andrea Sansovino um 1505; Umdeutung der Nische zu einer Triumphbogenarchitectur mit den schön- sten Friesen und Arabesken und mit unvergleichlichen Grabstatuen und Nebensculpturen.

Das isolirte Grab kommt in Italien nur in einzelnen Beispielen vor; dasjenige Martin’s V. im Lateran mit Filarete’s Bronzefigur des Papstes in flachem Relief; - — das des Card. Zeno in S. Marco, ebenfalls Bronze, mit Statuetten am Sarcophag etc. ; — endlich das vom Motiv des Parade- bettes ausgehende eherne Grabmal Sixtus IV. in S. Peter, von Polla- juolo.

Das Grabmal Turriani in S. Ferrno zu Verona ist nur noch als Fragment vorhanden (eherne Sphinxe, welche den Sarcophag trugen, von Andrea Riccio).


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Zweites Buch. Decoration.

§. 1 * 42 .

Grabmäler des XVI. Jahrhunderts.

Bald nach Beginn des XVI. Jahrhunderts beginnt die oben (§. 137) bezeichnte Absorption der Decoration auch an den Grab- mälerrp wenn gleich nur allmälig.


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Fig. 173. Grabmal in S. Maria del Popolo zu Horn. (Nohl.)


Michelangelo’s Stellung zur Decoration a. a. 0. Von seinen gewiss

sehr eigenthümlichen Grabmäler-Ideen für Dante (1519) und für das

Wunderkind Cecchino Bracci (1544) ist nichts erhalten; das Grab des

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II* Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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Marchese di Marignano im Dom von Mailand, seine letzte Composition dieser Art (1560), ist eine ' gleichgültige Architectur mit guten Sculpturen des Leone Leoni. (Vasari XII, p. 260, 357, 391, 401, v. di Michelangelo, sammt Gommentar.)

Ausser aller Linie stand freilich die grosse Phantasieaufgabe, die das Werk seines Lebens hätte werden sollen, das Grab Julius II. Die Skizze eines ersten Projectes dazu, D’Agincourt, Sculptur, T. 46. — Ueber die Gräber der Medici bei S. Lorenzo in Florenz s. oben §. 80.

Ob die maravigliosa sepultura, für welche Rafael die Statuen des Jonas und des Elias (Gap. Ghigi in S. M. del Popolo zu Rom) arbeitete oder arbeiten liess, ein Gegenstück zum Grabe Julius II., wenn auch in geringerm Massstab, bilden sollte? (Vasari VIII, p. 47, v. di Raffaello.)

An den zum Theil riesigen Gräbern des Jac. Sansovino und seiner Schule in Venedig und Padua ist weniger decoratives Detail als z, B. selbst an seiner Biblioteca. Er theilte ohne Zweifel die Ansicht Michel- angelo’ s.

Unter dem Einfluss^ nordischer Fürstengräber mit symmetrischen knienden Figuren oben entstand das künstlerisch unbedeutende Prunkgrab des Pietro di Toledo in S. Giacomo degli Spagnuoli zu Neapel, von Gio. da Nola.

Die Typen der Zeit von 1540—1580, zum Theil auch der folgenden Barockzeit: der Sarcophag mit grossen darauf, daran, daneben sitzenden, lehnenden oder stehenden Statuen in einer jetzt tiefen, womöglich halb- runden Nische ; — und die mit Reliefs überzogene Wandarchitectur mit der sitzenden oder stehenden Porträtstatue in der Mitte.

Auch für die Grabmäler werden nicht bloss Zeichnungen, sondern wie für die Bauten Modelle verlangt, meist aus Holz und Wachs.

Hierüber zahlreiche Aussagen; eine Concurrenz von Modellen, Va- sari V, p. 149, Nota, v. di Verocchio; — andere Erwähnungen: X, p. 246, v. di Tribolo; ib. p. 286, v. di Pierino; ib. 302, 318, 319, v. di Ban- dinelli. A

Von profanen Denkmälern kommen Statuen von Fürsten, Reiter- statuen von Feldherrn auf öffentlichen Plätzen vor.

Für die Decoration sind schon erwähnt: die Basis des Leopardo (§. 136) und die des Bandinelli (§. 137), letztere bestimmt für eine Statue des Giovanni, Vaters des Herzogs Gosimo L

Characteristisch für den Geist der Renaissance ist, dass die Bolog- nesen 1471 ihre neuberichtigte Grenze gegen das Ferraresische hin nicht nach der Weise des Mittelalters mit einem Kreuz oder Capellchen be- zeichneten, sondern mit einer Pyramide, die ihr Wappen trug. Bursellis,


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ann. Bonon. , bei Murat. XXIII, Gol. 899. ■ — L. B. Alberti führt unter seinen (durchaus nur vom Alterthum entlehnten) Gräberformen auch die Pyramiden auf; de re aedific. L. VIII, c. 3.


§. 143 .

Der isolirte Altar und die an die Wand angelehnte Aedicula.

Yon den reichern Altarformen des Mittelalters hat die Renais- sance mehrmals die isolirte oder angelehnte Aedicula auf Säulen schön

wiedergegeben , doch in den er- haltenen Beispielen selten mit vol- lem Aufwand der Mittel.

Die Vorbilder aus der frühem Zeit: in den altern Basiliken; — aus der gothischen Zeit: in S. Paul und im Lateran zu Rom.

Michelozzo’s Aedicula in der An- nunziata zu Florenz, für das Gnaden- bild neben der Thür, von unsicherm Reichthum; — einfacher und schöner diejenige über dem vordem Altar in S. Miniato, die Bedeckung ein nach vorn geöffnetes Tonnengewölbe, innen mit glasirten Gassetten.

Die offenbar sehr prächtigen Altäre dieser Art (1460—1500) in Alt S. Pe- ter, welche Panvinius (§. 8) aufzählt, sind alle untergegangen. Ebenso die bei Albertini (de mirabilibus urbis R., L. III, fol. 86, s.) aufgezählten. Der ehemalige Hauptaltar von S. M. mag- giore (1483) hypothetisch hergestellt bei Letarouilly III, Tab. 311.

Der Hochaltar im Dom von Spello, einfach und gut.

Die Aedicula von Erz, als Bedachung einer Bronzegruppe: Gap. Zeno in S. Marco zu Venedig (Fig. 174).

Von dem Prachthumor, dessen die Renaissance fähig war und der sich hauptsächlich in den Aufsätzen hätte zeigen müssen, gibt kaum ein vorhandenes Denkmal einen Begriff, auch der Tempietto mit dem Volto Santo im Dom von Lucca nicht. — Der isolirte Barockaltar 8. 137.


Fig. 174. Aitar Zeno in S. Marco zu Venedig.


II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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§. 144,

Der Wandaltar.

In den an die Wand gelehnten Altären hatte, was Italien betrifft, schon zur gothischen Zeit die Malerei das Uebergewicht und behauptete dasselbe. Doch erhebt sich auch der aus Marmor und andern plasti- schen Stoffen gebildete Wandaltar zu einer der höchsten Aufgaben der verbündeten Decoration und Sculptur. Die Einfassung sowohl der gemalten als der sculpirten Altäre folgt in den reichern Beispielen gerne, aber mit genialer Freiheit, dem Y orbild antiker Prachtthore und Triumphbogen.

Der Norden hielt bekanntlich den Schrein mit geschnitzten Figuren lange fest und wies der Malerei dann bloss die Flügel zu, während sie in Italien das Hauptbild liefern durfte.

Dass in Italien neben den gemalten Altarblättern eine eigene Gattung plastischer Altäre aufkommen konnte, mag wesentlich einer ästhetischen Ueberzeugung von der besonders hohen Würde der Sculptur seit den Leistungen der pisanischen Schule zuzuschreiben sein.

Die ersten bedeutenden plastischen Wandaltäre der Renaissance sind wohl die glasirten Thonreliefs des Luca della Robbia und seiner Schule, im Dom von Arezzo und in mehrern florentinisehen Kirchen (S. Groce, SS. Apostoli etc,), meist mit bescheidener decorativer Einfassung.

Dann werden bisweilen grosse aus Malerei und bemaltem Stucco, auch wohl gebrannter Erde gemischte Wandtabernakel versucht, z. B. derjenige in S. Domenico zu Perugia, 1459 von dem Florentiner Agostino di Guccio. — Zu Padua, in der Eremitanerkirche zwei solche, zwar ohne Altartische, aber sicher dafür bestimmt, 1511. Bei der Entschlossen- heit dieser Kunstepoche in farbiger Sculptur und Gewölbestuccatur Hesse sich wohl eine häufigere Anwendung dieser Zierweise auf die Altäie

erwarten. *

Der Marmorwandaltar , oft mit den herrlichsten Arabesken in seinen decorativen Theilen, nimmt die verschiedensten Gestalten an, von dem blossen umrahmten Relief bis zur Triumphbogenform, wobei das mittlere Feld einem besonders verehrten Heiligthum (Sacrament häuschen, Madonnenbild), oder einer Relieffigur, oder einer Statue ge- widmet sein kann. Eine obere Lünette enthält bisweilen ein Relief

von höchstem Werthe.

Altäre des Min o da Fiesoie und seiner Schule, in der Badia zu Flo- renz in S. Ambrogio ebenda; in S. M. del Popolo zu Rom u. s. w.


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Zweites Buch. Decoration


Im XV. Jahrh. ist die Sculptur, zumal der Seitenfiguren, in der Re^el

Hochrelief, doch z. B. auch Freisculptur an Civitali’s St. Regulusaltar im Dom von Lucca, 1484.


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Fig-. 175. Hauptaltar in Fontegiusta zu Siena.

Das Meisterwerk des Marrina in Fontegiusta zu Siena (Fig. 175), §. 135. — Ebenda im Dom: der Altar Piccolomini; eine grosse Nische mit Sculpturen ringsum, in deren Tiefe sich der eigentliche Altar mit einem besondern Prachtaufsatz befindet.

Besonders edel und mit den schönsten Engeln in den Füllungen neben



II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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dem mittlern Bogen : der Altar des Card. Borgia, spätem Alexanders VI. in der Sacristei von S. M. del Popolo zu Born.

Im Dom von Gomo Rodari’s Marmoraltar (1492), und ein pracht- voller grosser Schnitzaltar, farbig und vergoldet.

Eine Anzahl von spätem reichdecorirten Marmoraltären zu Neapel, besonders in Monteoliveto. Vasari IX, p. 19, v. di Michelangelo da Siena.

Marmorrahmen um Gemälde, besonders in Venedig, bisweilen reich und schön ; als perspectivisch berechnete Fortsetzung der im Bilde dar- gestellten Architectur; vgl. Cicerone, S. 261, Anm.

§• 145,

Der Altar des XVI. Jahrhunderts.

Im XVI. Jahrhundert vereinfacht sich auch in den Altären die Decoration zur blossen architectonischen Einfassung; sei es für eine jetzt lebensgrosse ; selbst colossale Statue oder für ein Altargemälde ; letzteres schon oft von bedeutender Grösse.

In Venedig behaupteten mit Jacopo Sansovino und seiner Schule die lebensgrossen Statuen, einzeln oder zu mehrern an eine ziemlich kalte Architectur vertheilt, das Feld neben den ruhmvollsten Gemälden Tizians.

Vielleicht die letzten ganz reich ornamentirten Altäre: die beiden des Mosca im Dom von Orvieto.

Die Altäre in Neu S. Peter zu Rom, laut Panvinius (§. 8), p. 374: altarium tympana (Giebel) maximis columnis et capitulis corinthiis pul- cherrimis fulciuntur ; es sind die ersten ganz grossen baulichen Ein- fassungen für Gemälde.

Dem Vasari (XI, p. 121, 129, v. di Sanmicheli) kommt ein Altar wie der von S. Giorgio in Verona, wo Sims und Giebel sich mit der Mauer biegen, noch als etwas Ausserordentliches vor (es ist derjenige mit dem Gemälde des Paolo); dem Barockstyl wurden gebogene Grund- pläne später etwas Alltägliches.

Andere versuchten statt dieser Säulenstellungen barocke und reiche, auch farbige Einfassungen von Stucco, selbst mit Hermen u. dgh; Vasari XII, p. 87, v. di Daniele da Volterra (welcher seine Kreuzabnahme so umgab); XIII, p. 12, opere di Primaticcio, in Betreff der Einrahmungen des Pellegrino Tibaldi.

Das erste ganz colossale Altarungethüm, und zwar als Idee Pius V. 1567, Vasari I, p. 50 in seinem eigenen Leben. Pius bestellte bei ihm für das Kloster seines Heimathsortes Bosco »nicht ein Bild wie gewöhn- lich , sondern eine gewaltige machina in der Art eines Triumphbogens, mit zwei grossen Bildern auf der vordem und auf der Rückseite und mit







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etwa 30 figurenreichen Historien in kleinern Abtheilungen«. Bald folgen dann die riesigen Jesuitenaltäre mit mehrern Bildern über einander.

Freigruppen auf Altären, ohne alle weitere Einfassung: Vasari X, p. 330 bis 339, v. di Bandinelli, dessen Gruppen im Dom, in S. Croce und in der Annunziata zu Florenz. Die Gruppen Andrea Sansovino’s (in S. Agostino zu Rom) und Michelangelo’s (in S. Peter) haben ihre ursprüngliche Umgebung nicht mehr.

Die Mensa des Altares ist in der guten Zeit entweder einfach ver- ziert oder wesentlich der Sculptur überlassen; Bronzewerke Donatello’s im Santo zu Padua, Ghiberti’s Area des h. Zenobius im Dom zu Florenz


Fig. 177. Capellenschranke aus S. Petronio zu Bologna.


als Altartisch; marmorne Mensa in S. Gregorio zu Rom, Alles mit er- zählenden Reliefs.

§. 146.

Lettner, Kanzeln, Weihbecken, Kamine etc;

Ausser Gräbern und Altären wurden Altarschranken, Lettner, Pulte, Kanzeln, Sacristeibrunnen , Weihbecken und in weltlichen Ge- bäuden die Kamine von der decorativen Kunst womöglich in weissem Marmor behandelt. In manchen dieser Werke scheint die schönste denkbare Darstellung der Aufgabe erreicht.

Der herrliche Gesanglettner der Sixtinischen Capelle imVatican (Fig. 176);

— mehrere Capellenschranken (Fig. 177) in S. Petronio zu Bologna; — Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 19


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Zweites Buch. Decoration,


(der reich und kleinlich incrustirte Lettner in S. Lorenzo zu Florenz kann kaum von Brunellesco sein;) — die eine Steinbank der Loggia de’ Nobili zu Siena, §. 185.

Die Kanzeln , jetzt in der Regel nicht mehr auf mehrern Säulen ruhend, sondern auf Einer Stütze, oder hängend an einem Pfeiler oder an einer Wand der Kirche, werden bisweilen zu einer Prachterscheinung höchsten Ranges. Einfach und schön Brunellesco’s Lesekanzel im Refectorium der

Badia bei Fiesoie; — das Höchste die Kanzel in S. Groce zu Florenz, von Bene- detto da Majano, mit den berühmten Reliefs (§. 185, Fig- 160); — beträchtlich geringer diejenige in S. M. novella, von Maestro Laz- zero; — noch recht schön diejenige im Dom zu Lucca, von Matteo Givitali 1498. — (Donatello’s eherne Kanzeln in S. Lorenzo sind wesent- lich um der Reliefs willen da.)

Aussenkanzeln , gegen die Plätze vor den Kirchen: am Dom von Prato , mit energischer Decoration und Donatello’s Reliefs; — die beiden am Dom von Spoleto, und zwar an der angeb- lich bramantesken Vorhalle (§. 70); — diejenige am Dom von Perugia 1439, auf welcher schon 1441 S. Ber- nardino predigte; Graziani, archiv. stör. XVI, I, p. 442 (Fig. 178). Die Predigten, für welche solche Kanzeln überhaupt dienten,

s. Cult. d. Renaiss., S. 467, ff. — Dieselben haben Deckel oder Schatten- dächer, die des Innern dagegen nicht.

Die Brunnen der Sacristeien und Refectorien, deren Wasser nicht sprang, sondern nur durch Drehen eines Hahnes herausfloss, stellen meist nur verzierte Nischen vor; der dem Brunellesco zugeschriebene in S. Lo- renzo; — das Meisterwerk der Robbia in S. M. novella (§. 135); — andere in der Certosa bei Florenz , in der Badia bei Fiesoie (Brunellesco ?) im Palast von Urbino, u. a. a. 0.



II. Kapitel. Decorative Sculptur in Stein.


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Endlich die Weihbecken, die freiste Phantasieaufgabe der Decoration und frühe und mit Genialität als solche aufgefasst in den Becken von Siena und Orvieto §. 130, 135 (Fig. 179), wo das Hauptmotiv aller antiken Decoration, der Dreifuss, schön und eigentümlich wieder belebt auftritt; • — andere mit rund oder polygon gebildeter Stütze, oft von grossem Werthe namentlich in den toscanischen Kirchen, im Dom von Pisa u. a. a. 0.

Der marmorne Cande- laber, welchen Alberti (de re aedific. L. VII, c. 13) theoretisch und noch dazu irrig, nämlich aus Vasen construirt, scheint nur als flüchtiger Dachzierrath vor- zukommen; ausserdem we- nigstens einmal (§. 51) mit höchstem Prachtgeschmack als Fensterstütze ; ferner (§. 136) als Prachtgestalt Vorgesetzter Säulen an Kir- chenportalen. — Noch die gothische Zeit hatte die Osterkerzensäule in Marmor gebildet ; jetzt wird diese Aufgabe dem Erz zuge- wiesen.

Bei den Kaminen liegt der Accent bald auf der spielend phantastischen Ge- sammtcomposition (ältere Gemächer des Dogenpalastes in Venedig, Fig. 180), bald auf dem schönen Einklang des Friesreliefs und der Stützen (mehrere im Pal. von Urbino ;

dann Pal. Gondi in Florenz, Kamin des Giul. Sangallo; Pal. Roselli, Kamin des Rovezzano; Pal. Massimi in Rom, Kamin des Peruzzi?). Prachtvolle grosse Kamine im Pal. Doria zu Genua. — Serlio’s Kamine (L. IV) sind schon ziemlich barock und von französischem Einfluss ab- hängig. —

Die Kaminaufsätze, in der französischen Renaissance und dann zur


Fig. 179 . Weihbecken im Dom zu Orvieto. (Baidinger

nach Photogr.)


292


Zweites Buch, Decoration.


Barockzeit in Italien sehr umständlich (mit Büsten, Statuen, ja ganzen Architecturen), fehlen in der guten Zeit noch, oder beschränken sich auf ein anspruchslos angebrachtes Frescobild. Ygl. §. 169. — Büsten auf Kaminen, anfangs wohl blos hingestellt als an den sichersten und besten Ort des Zimmers, Yasari V, p, 152, v. di Verocchio.


III. Kapitel.

Decoration in Erz.


§. 147.

Die Technik und die grössten Güsse.

Die Decoration in Erz ist von ehernen antiken Vorbildern fast gänzlich unabhängig , vielmehr eine freie Aeusserung des Schönheits- sinnes und echten Luxus der Renaissance, theilweise auch eine geist- reiche Umdeutung der im Marmor herrschenden Formen.

Antike Bronzegegenstände müssen damals noch sehr selten gewesen und kaum je nachgeahmt worden sein. Abgesehen von ehernen Pforten, wie die des Pantheon, ist mir nur Eine hieher zu beziehende Aussage bekannt ; Verocchio vollendet 1469 einen ehernen Leuchter a similitudine di certo vaso (Gaye, carteggio I, p. 569, s.), worunter doch nur mit Wahr- scheinlichkeit ein antikes Bronzegeräth zu verstehen sein mag.

Die Technik des Gusses war schon längst eine vollendete, die Ge- wöhnung durch das Kanonengiessen ununterbrochen; der allgemeine Luxus des XV. Jahrh. , zumal in reichen Städten OberitaÜens , that das Uebrige. In der Gap. Zeno zu S. Marco in Venedig Altar und Grab von Erz; Bronzereliefs und ganze bronzene Wandgräber etc. in Padua, von Donatello, Vellano, Riccio; vgl. auch §. 141. Man nim m t, sogar an, dass Donatello’s zerstreute Bronzewerke im Santo zu Padua Einen grossen Hochaltar hätten schmücken sollen. — Die Beschreibung eines grossen bronzenen vergoldeten Prachtaltars mit silbernen Figuren, 1521 — 1526, in S. Maria della Misericordia zu Bergamo, im Anonimo di Morelli (jetzt verschwunden; laut Vasari VII, p. 127, Nota, v. di Bramante, hätte man das leuchtende Metall gewählt, weil der betreffende Chor dunkel war). — In Rom sind einige Papstgräber aus Erz: dasjenige Martins V. von Fila- rete, Sixtus IV. und Innocenz VIII. von Ant. Pollajuolo (§. 141).



Fig. 180 . Kamin im Dogenpalast zu Venedig. (Baidinger nach Phot.)


i



III, Kapitel. Decoration in Erz.


295


Doch sind Werke dieser Art, wo das Erz wesentlich den Formen der Marmordecoration folgen muss, bei aller Zierlichkeit nicht das Ent- scheidende.


§. 148.

Pforten und Gitter.

Dem Erz ursprünglich eigen sind feierliche Pforten und Gitter. In Betreff der erstem folgte die Renaissance nur einem Brauch, welchen das ganze Mittelalter festgehalten hatte.

An den beiden berühmten Pforten Ghiberti’s (S. Giovanni in Florenz) herrscht durchaus, was die Thürflügel betrifft, die Sculptur. Dagegen sind die Aussenseiten der Pfosten und der Oberschwellen an denselben, sowie auch an der dritten Pforte ( mi t den Flügeln von Andrea Pisano, die er ebenfalls durch neue ersetzen sollte) hochwichtig als vielleicht frühste Beispiele der mehr naturalistischen Ara- beske, des Laubgewindes (§. 134). Und zwar ist es hier speciell eine verklärte Darstellung der bei Kirchenfesten um die Pforten gelegten , unten in Gefässen stehenden Stangen, an welche


Fig. 181. Von Ghiberti’s zweiter Thür in Florenz.


Laub, Blumen und Früchte an- gebunden werden (Fig. 181).

An der dritten Thür geht der Naturalismus schon beinahe über die

erlaubten Grenzen.

Die Thürflügel von S. Peter, gegossen 1439 bis 1447 von Filarete und Donatello’s Bruder Simone, sind in ihren decorativen Bestandteilen noch ziemlich unfrei. — Donatello’s kleine Thürflügel in der Sacristei. von S. Lorenzo in Florenz sind nur durch ihre höchst lebendigen Heiligen-

figuren bedeutend.


296


Zweites Buch. Decoration*


Auch an den ehernen Thüren des Jacopo Sansovino im Chor von S. Marco zu Venedig und des Guglielmo Monaco am Triumphbogen des Alfons in Castello nuovo zu Neapel herrscht durchaus das Relief über die Decoration vor. — Anfang des Barockstyls an den Pforten des Domes zu Pisa, von Gio. da Bologna. — Aelter, aber nicht bedeutend, die ehernen Thüren der Crypta des Domes von Neapel.

Die auffallend geringe Zahl solcher Pforten erklärt sich u. a. durch die Seltenheit vollendeter Fassaden , §. 69. Umsonst entwarf Donatello eine Thür für das Baptisterium von Siena (Vasari III, p. 259, s ., v. di

Donatello; Milanesi II, p. 297). Ganz einfache eherne Thüren übergehen wir. — Laut Malipiero (Archiv, stör. VII, I, p. 339) nahm Carl VIII. 1495 eherne Thüren aus dem Castell von Neapel und sandte sie als Siegeszeichen nach Frankreich.

Das schönste eherne Gitier im Dom von Prato (Cap. della Gintola), von Donatello’s Bruder Simone, mit anmuthiger Umdeutung gothischer Motive; zierliches Rankenwerk und Figürchen, als Bekrö- nung Palmetten und Candelaber. — Ueber das bronzene Strickgeflecht oberhalb des mediceischen Sarcophages in S. Lorenzo zu Florenz eine echt naturalistische Bewunderung bei Vasari V, p. 143 v. di Verocchio. — Ueber die Bronzegitter des Sienesen Antonio Ormanni am Eingang der Libreria und an der Durchsicht in die Unterkirche im Dom von Siena, sowie in S. Agostino, Milanesi II, p. 458- Vasari V, p. 285, im Gomment. zu v. di Pintu- ricchio, und VI, p. 141, Nota, v. di Signorelli. - Ueber das Gitter und die Candelaber an Sansovino’s Altar in S. Spirito zu Florenz, Vasari VIII, p. 164, v. di Andrea Sansovino. - Die Gitter für die Antoniuscapelle im Santo zu Padua, bereits ge-

, formt von de m vortrefflichen Decorator Tiziano

Mimo, blieben durch dessen Tod (1552) unausgeführt; Scardeonius ap

Graeyhesau, VI, Col. 428. Die Stuccaturen derselbe^ene

Ein gleichmässig geltendes ästhetisches Gesetz wird sieh in diesen Arbeiten kaum nach weisen lassen, indem die Einen mehr herb arclSe" tonisch die Andern mehr spielend decorativ verfahren. Massenweise sM e erne Gitter, Schranken etc. erst aus der Barockzeit vorhanden

trefflteh ™d r rih 6CSCh W edetem nf Se ”’ * der g °* hisch “ Zeit bisweilen trefflich und in ihrer Weise vollkommen (das beste vielleicht in der


Fig. 182. Fackelhalter am Pal. Strozzi. (Nohl.)





III. Kapitel. Decoration in Erz.


297


Sacristei von S. Croce in Florenz ; ein anderes berühmtes im Dom von Orvieto 1387, vgl. Deila Valle, storia del duomo di Orvieto, p. 111 und Doc. 35; andere erwähnt bei Milanesi I, p. 309, II, p. 13, 14, 163) wollen zu der Formenwelt der Renaissance ungleich weniger passen. In der ersten Hälfte des XVI. Jahrh. war für Eisenzierrath ein gew. Gio. Batt.


Gerabalia berühmt (Lomazzo, p. 423), ob insbesondere für Gitter, wird nicht gesagt.

Zu Ende des XV. Jahrh. war in Florenz Nicolö Grosso, genannt Gaparra, eine Specialität für die eisernen Fahnen- und Fackelhalter am Erdgeschoss der Paläste ; von ihm sind auch die berühmten Laternen am Pal. Strozzi (Fig. 182). Lorenzo magnifico wollte sogar Arbeiten des Grosso als Geschenke in’s Ausland schicken. Vasari VIII, p. 118, ss.



298


Zweites Buch. Decoration.


Gomment. zur v. di Cronaca. Diese energischen, edeln und zugleich derben Zierstücke gehören freilich nur zum florentinischen Rusticapalast


§. 149 .

Leuchter und verschiedene Gegenstände.


Der bronzene Stehleuchter der Renaissance ist von dem antiken sowohl als von dem mittelalterlichen unabhängig; sein Sinn ist eher

der eines in die Bedingungen des Erzes übertragenen anti- ken Marmorcandelabers.


Seitdem die Bronzeleuchter zumal aus Pompeji massenweise vorhanden sind, kann hierüber kein Zweifel herrschen. Es fehlt ihnen durchaus die vasenartige Ausbauchung und Einziehung, mit Einem Wort das Gewichtige, dessen der Altarleuchter schon als Träger einer schweren Kerze (nicht bloss einer Lampe) bedarf.

Auf den Marmorcandelaber (§. 146) als Vorbild weist auch das bisweilen üppige Laubwerk und die Ausfüllung solcher Theile hin, welche beim antiken Bronze- candelaber offen und durchsichtig bleiben, z. B. der Raum zwischen den hier äusserst kräftig gebil- deten Thierfüssen.

Die vorzüglichsten Leuchter Fig. 185 . Wahlurne zu Padua. (Herdtle.) sowohl für Altarkerzen als für

grössere : mehrere in der Certosa bei Pavia, auch in einigen venezianischen Kirchen, z. B. alla Salute. Sodann der grosse Osterkerzenleuchter des Andrea Riccio im Santo zu Padua, 1507 bis 1516, von ausserordentlichem Reichthum an Reliefs, Eckfiguren und Zierrath jeder Art , und von schönstem Geschmack in allen Details ; nur hat das Ganze zu viele Theile im Verhältniss zur Grösse, was auch von dem Osterkerzenleuchter des Bresciano in der Salute zu Venedig gilt (Fig. 183).

Anderes s. unten bei Anlass der Goldschmiedekunst.


III* Kapitel. Decoration in Erz.


299


Der allgemein verbreitete monumentale Prachtsinn wies dem Erz- guss viele Gegenstände zu ; welche sonst aus Stein oder Eisen und in weniger edeln Formen wären gebildet worden.

Die bronzene reichverzierte Basis einer antiken ehernen Statue in den Uffizien, wahrscheinlich von Desiderio da Settignano (§. 135).

Die Halter für die Fahnenmaste auf dem Marcusplatz zu Venedig, von Alessandro Leo- pardo (§. 136), vielleicht die schönste denkbare Lösung der betreffenden Aufgabe (Fig. 184).

Eine eherne Wahlurne in Padua (Fig. 185).

Die schlanken, originell-prächtigen Altar- tabernakel des Vecchietta im Dom (1465 bis 1472) und in der Kirche Fontegiusta zu Siena (Fig. 186).

Ueber die etwas frühem Arbeiten des Gio. Turini in Siena (st. 1455), das Thürchen einer Balustrade, ein Weihbecken, ein Taber- nakel etc. Vasari V, p. 105, ss. im Comment. zu v. di Ant. Pollajuolo. Vgl. §. 181.

Michelangelo’s Giborium für S. M. degli Angeli zu Rom, zu Vasari’s Zeit schon grössten- theils im Guss fertig, scheint nicht mehr vor- handen zu sein.

Ueber die Leuchter und den Tabernakel des Girol. Lombardi müssen wir auf Vasari XI, p. 241 und Nota, v. di Garofalo verweisen.

Die ehernen Thürringe und Haken am Pal. del Magnifico zu Siena (Fig. 187), von Giacomo Cozzarelli (um 1500), der auch schöne Gonsolen für Engeifiguren im Dom goss; Mi- lanesi III, p. 28. — Etwas später arbeitete daselbst in ähnlichen Gegenständen Carlo d’ Andrea und dessen Sohn Giovanni, ibid. p. 68. — Kleine bronzene Weihbecken in Fontegiusta, von Giovanni delle Bombarde 1480,

und im Dom (Sacristei), von Gio. Turini, letzteres emaillirt und auf einen Engel gestützt. — Die Thürklopfer in Bologna sind fast alle spätem Ur- sprungs (Fig. 188).

Von den ehernen (und vollends, bei Paul II., silbernen) Kühlvasen, Kohlenbecken u. dgl. Geräthen, von welchen besonders Benvenuto Cellini


Fig. 186 . Ciborium des Domes zu Siena.


300


Zweites Buch. Deeoration.


spricht, ist nichts Erhebliches erhalten. — Wo die am schönsten verzierten Glocken und Kanonen sich befinden, ist dem Verf. nicht bekannt.

Bronzegeräthe mit eingelegter Arbeit, all’ azimina, in venezianischen Häusern; Sansovino, Venezia, fol. 142.


Von den zwei ehernen Cisternenmündungen im Hof des Dogenpalastes (1556 und 1559) kann besonders die eine mit üppigem figürlichem Schmuck vielleicht eine nahe Idee von Benvenuto’s untergegangenen Arbeiten geben.


V



IV. Kapitel. Arbeiten in Holz.


301


IV. Kapitel.

Arbeiten in Holz.


§. 150 .

Abnahme der Bemalung seit dem XIV. Jahrhundert.

Die Verzierung hölzerner Wandbekleidungen, Sitze und Geräthe hatte im Mittelalter hauptsächlich in Bemalung und Vergoldung be- standen. Ein höherer decorativer Styl konnte erst beginnen als sich auch die Holzarbeit rein auf die plastische Form und daneben auf das Einlegen von Zeichnungen mit Hölzern verschiedener Farbe (Intarsia) verliess.

Wenn selbst die Marmorsculptur der pisanischen Schule noch bis- weilen polychromatisch war, und wenn im Norden der hölzerne geschnitzte Schrein bis spät in reichen Farben prangte, so darf es nicht befremden, dass z. B. in Siena noch 1370 ein Holzleuchter, 1375 ein Stimmzettel- kasten, 1380 ein Reliquienschrein und 1412 ein Sacristeischrank , sowie ein ganzes grosses Ghorstuhlwerk (s. unten) mit Bemalung Vorkommen; Milanesi I, p. 29, 31, 46. Giotto hatte qa die Sacristeischränke von S. Groce in Florenz mit seinen berühmten Täfelchen (Leben Christi und des h. Franz) geschmückt. — Auch der Archivschrank, den die Floren- tiner 1354 mit 22 Goldgulden bezahlten, war wohl ein farbiges Pracht- werk; Gaye, carteggio I, p. 507.

Die rein plastische Ausbildung des einrahmenden Elementes konnte sich erst vollziehen, als vor Allem die Flächen nicht mehr der Malerei, sondern dem gedämpftem Vortrag der Intarsia gehörten, mit welchem nun die geschnitzten Th eile ein harmonisches Ganzes ausmachen sollten.

Die letzte Werkstatt, aus welcher bemalte Holzarbeit jeder Gattung in grosser Menge hervorging, die des Neri de’ Bicci, vgl. Vasari II, p. 256, Gomment. zu v. di Lor. Bicci.

Die Intarsia ist eine jüngere Schwester des Mosaiks und der Glas- malerei. Sie setzt, wie alles absichtliche Verzichten auf reichere Dar- stellungsmittel, schon eine hohe Verfeinerung des künstlerischen Ver- mögens voraus.

Eine frühe Stätte derselben war in Orvieto, dessen Mosaikfassade auch dem Holzmosaik rufen mochte. Die frühsten bekannten Arbeiter



302


Zweites Buch. Decoration.


aber, welche 1331 das Stuhl werk des Chores mit eingelegter Arbeit aus Ebenholz, Bux, Nussholz und Albuccio versahen, waren fast lauter Sienesen, und ebenso der damalige Dombaumeister Giov. Ammanati, welcher die Vorzeichnung angab; (Deila Valle) storia del duomo di Orvieto, p. 109

und Doc. 31. Vgl. Milanesi I, p. 199. — Dazwischen kommen jedoch wieder bemalte Arbeiten, und zwar in Siena selbst, wo das bereits berühmte Stuhlwerk des Domchors von 1259 (1. c. p. 139) einem seither eben- falls verschwundenen spätem, 1363—1397, weichen musste (1. c. p. 328, ss.). Dasselbe war reich figurirt und noch grösserntheils oder ganz bemalt, auch vergoldet; von In- tarsia wird nichts gemeldet. Es mag das letzte gothische Stuhlwerk hohem Ranges gewesen sein. — Auf der Schwelle zum neuern Styl steht dann das jetzige Stuhl- werk im Dom von Orvieto, von dem Sienesen Pietro di Minella (in Arbeit vor 1433), mit sehr vollkommen behandelter Intarsia im Figürlichen sowohl als im Ornament (Fig. 189).

Noch um die Zeit des Anfanges der Renaissance finden sich in Einem sienesischen Meister, Domenico di Niccolö, die drei ver- wandten Künste beisammen: Intarsia, Glas- malerei (oder wenigstens Glaserei) und figu rirtes Bodenmosaik; Milanesi II, p. 238, u.


§. 151.

Stellung der Intarsia.

Im XV. Jahrhundert ist die Intarsia namentlich der Stuhlwerke anerkannt der wichtigste Theil der Decoration in Holz und bestimmt den Ruhm des Holz- arbeiters. Ausser heiligen Gestalten und Geschichten vertraut ihr die Renaissance zwei ihrer wesentlichsten Aufgaben an: die Intarsien stellen theils möglichst schöne freie Orna- mente dar, theils Ansichten von Phantasiegebäuden, welche als uner- füllte Programme des damaligen Baugeistes (§. 63) betrachtet werden


Fig. 189. Chorstuhl von Orvieto. (Nohl.)


müssen. Als eigentliches Grewerbe trotz hoher Preise niemals gewinn-


IV. Kapitel. Arbeiten in Holz. 303

bringend, fiel diese Kunstgattung mit der Zeit besonders Ordensleuten anheim.

Ueber die Intarsia im Allgemeinen und über die farbige Beizung der Hölzer insbesondere Vasari I, p. 178, Introduzione , wo jedoch schon etwas abschätzig davon geredet wird.

Die berühmtesten Meister im XV. Jahrh. : Domenico di Niccolö von Siena, Giuliano und Benedetto da Majano, Francione, Giuliano da San- gallo u. a. — Florenz hatte 1478 nicht weniger als 84 Werkstätten von Intarsiatoren u. a. Holzdecoratoren (Fabroni, vgl. §. 135).

Dann um 1500 und später: Gio. und Ant. Barili, Baccio d’Agnolo, die florentinische Familie Tasso ; — in Oberitalien die Lendenara, eigentl. Canozzi; Bregaio; Fra Giovanni da Verona; Fra Damiano da Bergamo, Schüler eines schiavonischen Mönches in Venedig; Fra Vincenzo da Verona; Fra Raffaele da Brescia.

In der Zeit der beginnenden Ausartung: Baccio d’Agnolo’s Söhne Giuliano und Domenico; Bartol. Negroni, genannt Riccio (über welchen Näheres Vasari XI, p. 171, im Gomment. zu v. di Sodoma).

In Siena gab seit 1421 der genannte Domenico Lehrlingen Unterricht in dieser Kunst mit Auftrag und Unterstützung des Staates; Milanesi II, p. 103; aber 1446 klagt er, dieselbe trage wenig ein und fast Niemand habe dabei aushalten wollen, ib. p. 237 (und Gaye I, p. 155); zwei andere Meister klagen 1453, sie seien alt und arm darob geworden, Mil. II, p. 287. (Supplik eines andern armen alten Holzdecorators vom Jahr 1521, ib. III, p. 75.)

Die Intarsia konnte in der That am Besten von Mönchen mit völlig gesicherter Existenz betrieben werden, und zwar waren es vorzüglich Olivetaner.

In Florenz haben zwei Stadtpfeifer ihre viele Müsse auf diese Kunst gewandt; Vasari V, p. 138, v. di Ben. da Majano.

Da es sich wesentlich um den Grad der Feinheit in der Ausführung handelte, liessen die Besteller sich von den Meistern Proben einsenden; so 1444 die Orvietaner; Deila Valle, duomo di Orv., Doc. 67.

Für figürliche Darstellungen befolgten die Intarsiatoren nicht selten Compositionen von Andern; so der in seiner Art grosse Fra Damiano die Zeichnungen des Bernardo Zenale, des Troso von Monza, des Bra- mantino u. A, für die Chor Stühle von S. Domenico in Bergamo (Anonimo di Morelli); auch von seinem berühmten Stuhlwerk in S. Domenico zu Bologna mit dem unendlichen Reichthum von Historien wird man Aehn- liches voraussetzen dürfen. Er arbeitete sonst sogar noch nach Zeich- nungen des Salviati (Vasari XII, p. 56, v. di S.) und des Vignola (ibid. 131, s., v. di T. Zucchero). Zwei seiner Schüler reproducirten am Stuhl- werk von S. M. maggiore in Bergamo Compositionen des Lorenzo Lotto


304


Zweites Buch. Decoration.


(Anonimo di Morelli). — Für S. Agostino in Perugia soll Perugino dem Baccio d’Agnolo das Stuhlwerk überhaupt vorgezeichnet haben ; Vasari VI, p. 62, Comment. zu v. di Perugino.

§. 152.

Die Intarsia nach Gegenständen.

Als Frühstes gelten, obwohl nur mit beschränktem Rechte, solche Intarsien an Stuhlwerken und Kirchenschränken, welche bauliche An- sichten darstellen.

Vasari I, p. 179, Introduz. Er meint, die Perspectiven von Gebäuden seien das Frühste gewesen, weil sie vermöge der vorherrschenden Gerad- linigkeit am leichtesten in Holz darzustellen seien. Allein die Kunst be- ginnt überhaupt nicht immer mit dem technisch Leichtesten, und das Stuhlwerk von Orvieto mit seinen sehr schön ausgeführten Halbfiguren widerlegt ihn. Wahr ist nur, dass die nichtfigurirten Intarsien im XV. Jahrh. im Ganzen das Uebergewicht haben und dass die ganz grossen Unternehmungen von reichfigurirten erst um 1500 beginnen.

Dann soll Brunellesco, der Gründer der Perspectivik, die Intarsiatoren ganz besonders auf bauliche Ansichten hingewiesen haben ; III , p. 197, v. di Brunellesco. Der dicke Holzarbeiter, der in der bekannten Novelle sein Opfer wird, hiess Manetto Adamantini.

Die wichtigsten erhaltenen Arbeiten ganz oder überwiegend perspec- tivischer Art sind die Intarsien der Stuhlwerke im Dom von Siena (1503, von Fra Giovanni da Verona), — an den Thiiren der von Rafael ge- malten Zimmer im Vatican (von Fra Giovanni, die geschnitzten Theile von Gian Barile), — in der Sacristei von S. Marco zu Venedig (1520 u. f. von Antonio und Paolo da Mantova, Fra Vincenzo da Verona u. A., wo die Wunder des h. Marcus wesentlich als Staffage grosser Stadtansichten dienen), — in der Gap. S. Prosdocimo bei S. Giustina in Padua, - — in S. M. in Organo zu Verona (1499, von Fra Giovanni, Fig. 190) — und ganz besonders in S. Giovanni zu Parma (von Zucchi und Testa); — auch in einer Capelle von S. Petronio zu Bologna Treffliches (von Fra Raffaele da Brescia); — ebenso in S. Giovanni in Monte ebenda (1528, von Paolo Sacca).

Von Giuliano und Antonio da Sangallo (s. deren Leben Vasari VII, p. 209 , s. und Nota , nebst Comment. p. 230 , ss.) sind mit Ausnahme der perspectivischen Intarsien im Domchor zu Pisa wohl keine mehr er- halten. — Die Camera della Segnatura hatte Anfangs ringsum unter den Fresken ein Getäfel mit perspectivischen Intarsien, von Fra Giovanni wie dieThüren; Vasari VIII, p. 20, v. di Raffaelo; X, p. 166, s. v. di Perino. Ueber diesen Meister überhaupt: IX, p. 196, ss. und Note, v. di Fra





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Zweites Buch. Decoration.


Giocondo. — Ebenfalls untergegangen: die ganze reiche Ausstattung von S. Elena zu Venedig, die Sacristeischränke und die Chorstühle , deren Intarsien, von Fra Sebastiane da Rovigno um 1480, nicht weniger als 34 Ansichten berühmter Städte enthielten; Sansovino, Venezia, foh 76« — Auch das berühmte Stuhlwerk im Chor des Santo zu Padua, von den Brüdern Lendenara, über welches schon im XV. Jahrh. eigene Schriften erschienen, ist nicht mehr vorhanden; vgl. Selvatico’s Note zu Vasari V, p. 175, v. di Mantegna.

Am nächsten hängen hiemit zusammen die Innenansichten von Schränken mit leblosen Gegenständen ; gottesdienstlichen Geräthen ; Büchern, Musikinstrumenten u. s. w.

Sie kommen nicht bloss an Schrankthtiren vor, sondern häufig auch an Ghorstühlen, zumal am untern Theil der Rücklehnen. Es sind viel- leicht die frühsten Stillleben der modernen Kunst, oft mit Verlangen nach Illusion und doch noch von einer gewissen Idealität des Styles.

Sodann werden bisweilen die Hauptfelder mit dem allerschönsten,

/•

auf das Wohlgefälligste im Raum vertheilten Arabeskenwerk geschmückt.

Das Beste in Florenz: das Getäfel der Sacristei von S. Groce, und zwar hier nicht die Mittelfelder, sondern die einfassenden Theile; — so- dann das Chorstuhlwerk in S. M. novella in seinen obern Theilen, em frühes und ausgezeichnetes Werk von Baccio d’Agnolo (§. 92); — zu Venedig das Getäfel im Chor von S* Marco; — zu Verona die untern Theile der Rücklehnen in S. M. in Organo (vgl. Fig. 190); — zu Mailand die Chorstühle in S. M. delle Grazie (?).

Endlich genossen natürlich die figurirten Intarsien, bisweilen ganze grosse Reihen von Historien und rings um den ganzen Chor laufende Friese ; den grössten Ruhm (§. 151).

Im Figürlichen zeichneten sich von den Meistern der Renaissance zuerst Domenico di Niccolö in hohem Grade aus mit seinen Intarsien in der obern Capelle des Pal. pubblico zu Siena. — Dann die Florentiner Giuliano und Benedetto da Majano; Giuliano’s Priesterstuhl, d. h. der ehemalige, nicht der jetzige, neben dem Hochaltar des Domes von Pisa;

— seine Thür im Audienzsaal des Pal. vecchio zu Florenz, wobei ihm

-

sein Bruder Benedetto und Francione (§. 59) halfen, mit den Bildnissen Dante’s und Petrarca’s. — Benedetto machte Truhen mit Intarsia für König Matthias Gorvinus von Ungarn , welche wie seine meisten übrigen Holzarbeiten untergegangen sind. Vasari IV, p. 2, ss., v. di Giuliano da Majano, V, p. 128, ss. , v. di Benedetto da M. — Mehrere Intarsiatoren


IV* Kapitel. Arbeiten in Holz.


307


machten damals ihr Geschäft in Ungarn. — Figurirte Intarsien am Chor- stuhlwerk der Kirche zu Pienza rühmt Pius II. (Gomment. L. IX, p. 431). — Antonio Barile von Siena, der das jetzt untergegangene Stuhlwerk der Certosa von Maggiano theils mit Perspectiven, theils mit Figuren schmückte, durfte sich irgendwo in einer Intarsia selber porträtiren und seinen Namen und die Worte beifügen: caelo, non penicillo excussi 1502, indem seine Arbeit wie gemalt aussah. — Sein Neffe Giovanni Barile, der ihm in Maggiano half, ist dagegen mehr durch die geschnitzten Theile berühmt; Milanesi II, p. 398, III, p. 52, 74, und Yasari VIII, p. 93, s. in den Nach- trägen zu v. di Raffaello, wo die Arbeiten beider Barili verzeichnet sind.

Sodann die berühmtesten Arbeiten in Oberitalien: Fra Damiano’s Stuhlwerk in S. Domenico zu Bologna, mit zahllosen Historien und mit einem Intarsiafries, dessen Inschrift (§. 161) von Kinderfiguren umspielt ist; — und das Stuhl werk in S. M. maggiore zu Bergamo (vgl. §. 151 ; die Historien nicht an dem in Fig. 193 abgebildeten Theile). Geringer sind: die figürlichen Theile der Intarsien in der Sacristei von S. Marco zu Vene- dig, diejenigen im Dom von Genua etc., — sehr zierlich historiirt der Bischofsthron im Dom von Pisa, von Giovanni Battista Cervellesi 1536.


§. 153.

Das Schnitzwerk der Ghorstühle.


Die geschnitzten, einfassenden Theile der Chorstühle stellen auf ihre Weise eine ideale Architectur dar, wie die Einfassungen der mar- Fig. 191. Chorstuhl im Dom

7 0 zu Pisa. (Nolil.)

mornen Altäre und Gräber. Der Stoff gestattet

an den Zwischenstützen und an den obern Aufsätzen die reichste durch- brochene Arbeit (Fig. 191 und 192).


Letzteres sehr schön am Stuhlwerk im Dom von Genua und in S. M. maggiore zu Bergamo (Fig. 193). — Aus späterer Zeit und noch vom Trefflichsten: der Bischofsthron sammt den nächsten Reihen im Dom von Siena, 1569 von Bartol. Negroni, genannt Riccio; im Plastischen (Putten, Meerwunder etc.) vorzüglich edel und reich, das Ganze von der prächtig- sten Wirkung. — Andere ebenfalls sehr reiche Ghorstühle dieser spätem Zeit in S. Martino bei Palermo (Fig. 194).

Von Sitzen weltlicher Behörden die allerschönsten im Cambio zu Perugia. — Im Museum zu Siena Pilaster von einer Wandbekleidung des Ant. Barile, reich und sehr zierlich.

Die schönsten reliefirten Sitzrücken hat dann ‘das berühmte Stuhlwerk


308


Zweites Buch» Decoration»


in S. Pietro zu Perugia, von Stefano da Bergamo um 1535, unter Einfluss der Decoration von Rafaels Loggien. — Geschnitzte Reliefhistorien kommen erst in der sinkenden Zeit vor.

Für freistehende mehrseitige Mittelpulte, deren unterer Theil zugleich als Bücherschrank gelten kann, mochte das von Paul II. nach Araceli in Rom gestiftete (Vitae Papar., Murat. III, II, Gol. 1009) als Vorbild dienen;

von den erhaltenen die trefflichsten in der Badia zu Florenz und in S. M. in Organo zu Verona, wo auch die geschnitzten Theile des Stuhlwerkes von besonderer Ele- ganz sind; ebenda der grosse hölzerne Stehleuchter des Fra Giovanni.

Von hölzernen Lettnern, zu- mal für Orgeln, finden sich wohl die besten in Siena ; der des Ant. und Gio. Barile (1511) im Dom über der Sacristeithür , und der prachtvoll energische des Bald. Peruzzi in der Kirche della Scala (Fig. 195). — Ein reich und elegant behandeltes Orgelgehäuse, ganz vergoldet, in der Minerva zu Rom (Fig. 196). — Ueber Lettner und Stuhlwerk in dem untergegangenen Idealkloster der Jesuaten bei Flo- renz (§. 85), Vasari VI, p. 34, v. di Perugino. — Mehrmals werden Lettner auch noch bemalt und vergoldet; Milanesi III, p. 187, s.

An den frühsten Stuhlwerken der Renaissance, z. B. Milanesi II, 240, 286, um 1440, kommen noch gorgolle (d. h. gargolle, vgl. §. 18, Speithiere) vor, ein Motiv, welches bekanntlich aus der gothischen Architectur auch in die Decoration über- gegangen war. Wahrscheinlich aber waren sie hier schon zu Meerwun- dern, Delfinen etc. umgedeutet und nicht mehr vorspringend gebildet.


Fig. 192,


Chorstühle aus S. Giovanni in Parma. (Nohl.)



IV. Kapitel. Arbeiten in Holz


309


§• 154.

Hölzerne Pforten und Wandbekleidungen.


Die hölzernen Pforten des XV. Jahrhunderts faches Rahmenwerk und reichverzierte Spiegel, an


haben meist ein- geschützter Stelle


mit Intarsien (§. 152), nach aussen mit geschnitzten Ornamenten. Später bleiben die Spiegel öfter unverziert, oder erhalten Wappen,



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Zweites Buch, Decoration.


während dann gerade das Rahmenwerk eine prachtvolle Profilirung und geschnitztes Laubwerk u. dgl. gewinnt.

Für Kirchenpforten des XV. Jahrh. die allgemeine Vorschrift bei Alberti, de re aedif. L. VII, c. 15: sie von Gypressen- oder Gedernholz mit vergoldeten Knöpfen , mehr solid als zierlich zu arbeiten , und ihren

Ornamenten ein massiges Re- lief, nicht Intarsia zu geben.

Gute Arbeiten des XV. Jahrh.: in S. Croce zu Florenz an der Sacristei und Gap. de’ Pazzi, am Dom von Lucca, an mehrern Palästen und Kirchen in Neapel, am Dom von Parma etc. , sowie die §♦ 152 erwähnte Thür im Pal. vecchio zu Florenz.

Sodann die sehr schöne Verbindung des Geschnitzten (von Gio. Barile) mit den Intarsien (von Fra Giovanni) an den Zwischenthüren der Stanzen Rafaels im Vatican, 1514-1521, vgl. §. 152. - Eine treffliche geschnitzte Thür mit dem Wappen Julius II. im Pal. Apostolico zu Bo- logna.

Vielleicht das Höchste in dieser Gattung die geschnitz- ten Thüren der vaticanischen Loggien, mit dem Wappen Clemens VII. und grossen Löwenköpfen in Rundfeldern in der Mitte.

Eine einfachere Thür von Werthe in den Uffizien zu Florenz.

Serlio im IV. Buch gibt nur die damals geltende Eintheilung der Spiegel, nicht den Schmuck des Einzelnen.

Ganze verzierte Wandbekleidungen aus der besten Zeit sind kaum anderswo erhalten als in Klosterrefectorien und in Sacristeien, wo auch die blossen Wände eine mit den Wandschränken harmonisch


Fig. 194. Chorstuhl aus S. Martino hei Palermo.

(Nohl.)





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Zweites Buch, Decoration.


fortlaufende Holzbekleidung verlangten. In weltlichen Gebäuden wird kaum mehr eine Boiserie von höherm Werthe Vorkommen.

Unter den erhaltenen Boiserien ist der Yerf. jetzt nicht im Stande, das Beste anzugeben. — Von den florentinischen Stubengetäfeln ist viel- leicht kein einziges erhalten; man zerstörte sie, theils weil die Mode wechselte, z. B. wenn man Arazzen an deren Stelle setzen wollte, theils auch , um die in das Getäfel eingelassenen oft miniaturartig zierlichen und werthvollen Malereien herauszunehmen; Vasari III, p. 47, 48, v. di Dello.

Diese, welche eine Art von Fries in der Boiserie ausmachen mochten, sind für die erzählende Gomposition im Breitformat und für die mytho- logische , allegorische und profan- historische Malerei im Allgemeinen von nicht geringer Bedeutung ge- wesen. Sandro Botticelli malte für einen solchen Zweck z. B. vier Scenen aus einer Novelle des Bo- caccio, Vasari V, p. 113, v. di Sandro; auch die im Gommentar p. 124 erwähnten vier Bildchen mit den Trionfi Petrarca’s könnten wohl eine ähnliche Bestimmung gehabt haben. — Vasari VII, p. 119, v. di Pier di Cosimo, dessen »storie di favole« in einem Stubengetäfel, ebenso p. 121 »storie baccanarie«, reiche Bacchanale. — Auch die vier Bilder mit kleinen Figuren, welche Vasari IX, p. 102, v. di Franciabigio erwähnt, hatten vielleicht eine solche Bestimmung. — Die Uebernehmer der Holzarbeit verfügten bisweilen je nach Gunst und Ungunst über die Wahl des betreffenden Malers, Vasari VIII, p. 294, v. di A. del Sarto. — In dem Prachtzimmer des Borgherini hätte man bei der Belagerung von 1529 gerne die Wandbildchen Andrea’s, ibid. p. 268, weggenommen, um sie nach Frankreich zu verkaufen; sie blieben nur, weil man das ganze Getäfel hätte zerstören müssen.

Ueber diese ganze Frage vgl. bei Kinkel, Mosaik zur Kunstgeschichte, den wichtigen Abschnitt: »Anfänge weltlicher Malerei in Italien auf Möbeln«.

Ausserdem mochte am ehesten die Thür mit einem Gemälde ge- schmückt werden. Der Anonimo di Morelli erwähnt in Venedig zwei


Fig. 196. Orgel in der Minerva zu Rom. (Nohl.)


IV. Kapitel. Arbeiten in Holz.


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solcher Thüren von Palma Vecchio, mit einer Geres und einer Nymphe; ferner Thüren, welche von einem Schüler Tizians, Stefano, bemalt waren, in einem Zimmer des Hauses Odoni; Truhen und Bettstatt waren von derselben Hand mit Malereien geschmückt.

§. 155.

Altareinfassungen.

Das Altarwerk (Ancona) des XIV. Jahrh. hatte aus einem System von grossem und kleinern Tafeln bestanden, zusammengefasst durch ein gothisches Sacellum von vergoldetem Holz. Das XV. Jahrh., welches sich allmälig für die Einheit des Bildes entschied, verlangte nun auch für dieses eine architectonische Einfassung, deren Pracht dem Keichthum und selbst der Buntheit der Darstellung entsprechen musste. Einige der schönsten decorativen Ideen der Renaissance finden sich in diesen Bilderrahmen, für welche bisweilen der grösste Aufwand in Bewegung gesetzt wurde.

Die mehrtheilige Ancona hielt sich bei Fra Angelico da Fiesoie bis um die Mitte des XV. Jahrh. und bei den Venezianern noch später; bisweilen wird sie in den Styl der Renaissance übergetragen. Von den prächtigen gothischen Rahmen der Muranesenbilder kennt man einen Verfertiger Gristoforo Ferrarese 1446; Sansovino, Venezia, fol. 91.

Von den Rahmen der Renaissance wurden die (wenigen) weissmar- mornen erwähnt §. 144. Man bedurfte doch zu sehr der Farbigkeit; die hölzernen meist blau mit Gold , doch auch die Holzfarbe mit nur wenigem Gold. In seltenen, frühen Beispielen kommen auch Intarsien vor; Milanesi II, p. 257.

Die Altarstaffel (Predella) oft mit kleinen Gemälden , doch auch als verzierter Sockel. — Als Seiteneinfassung dienen zwei Pilaster mit Arabesken ; ;

diese tragen ein Gebälk mit reichem Fries und bisweilen darüber eine

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durchbrochene geschnitzte Bekrönung.

Die grösste Auswahl bieten die Altäre in S. M. Maddalena de’ Pazzi und in Chor und Querschiff von S, Spirito zu Florenz; Filippino Lippi, von welchem vielleicht mehrere der betreffenden Bilder herrühren, pflegte auch die Bahmen anzugeben; Yasari V, p. 252, v. di Filippo Lippi; andere Male besorgten es Antonio Sangallo d. ä. und Baccio d’Agnolo für ihn; die hohen Preise, die der letztere für seine Rahmen erhielt, Vasari IX, p. 226, v. di Baccio, Nota.

In Perugia accordirten die Augustiner 1495 mit Mattia di Tommaso von Reggio um einen Rahmen für ihr (von Perugino gemaltes) Hochaltar-


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Zweites Buch, Decoration.


werk »eon colonne, archi, serafini, rosoni e diverse fantasie, sowohl auf der vordem als auf der Rückseite«, und zwar auf 110 Gulden (zu 40 Bologninen); Mariotti, lettere pittoriche perugine, p. 165. (Nicht mehr vorhanden.) Für einen andern Rahmen wurde mit Perugino selbst auf 60 Goldducaten accordirt; Yasari VI, p* 48, Nota, v. di Perugino. Noch spät hier ein berühmter Rahmenmacher Eusebio Battoni, um 1553; ibid. p. 83, im Commentar.

Fra Bartolommeo vermied die Prachtrahmen und malte dafür gerne im Bilde eine architectonische Einfassung um die Figuren; Vasari VII, p. 162, v. di Fra Bartol. — In der Regel gaben wohl die Maler die Hauptsache an und zeichneten den Rahmen vor, selbst wenn es sich um grosse mehrtheilige Sacella mit vortretenden Säulen handelte; Vasari VII, p. 199, v» di Raff, del Garbo, Commenh — Ein Bild desselben Meisters ebenfalls mit einer Einfassung von vortretenden, reichvergoldeten Säulen, ibicl. p. 192. Es war die reichste Form und damals nicht selten, die meisten Maler konnten sie aber des starken Schattenwurfes wegen nicht lieben.

Weit den grössten Ruhm hatten in diesem Fache die beiden Barile: Antonio, der seinen Namen in seine Bilderrahmen setzte, auch in solche um einzelne Madonnenbilder für die Hausandacht; — Giovanni, der den Rahmen für Rafaels Transfiguration schuf (jetzt längst nicht mehr vor- handen); Vasari VIII, p. 90, im Comment. zu v. di Raffaello.

In Venedig war nach 1470 ein gew. Moranzone namhaft; Sansovino, Venezia, fol. 57, vgl. 59. — Der schönste erhaltene Rahmen hier der- jenige um das Bild Bellini’s (1488) in der Sacristei der Frari, blau und gold, oben Sirenen und Gandelaber. — Der schönste in Padua um das Bild Rumanino’s in der Gap. S. Prosdocimo bei S. Giustina (jetzt im städtischen Museum).

Venezianische Porträts, an welchen auch der Rahmen berühmt war: eines mit goldenem Laubwerk in der Sammlung Vendramin (Anonimo di Morelli) ; — Serliojs Rahmen um Tizians Porträt Franz I. (Aretino’s Satyre an Franz, 1539: L’ha cinto d’ornamento singolare quel serio Sebastiano architettore).

i In den Rahmen kündigt sich dann mit der Zeit das Nahen des Barockstyles früh und empfindlich an. Der Manierismus und Naturalismus

der Maler dispensirt die Decoration vollends von allem Masshalten.

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§. 156 .

Die Möbeln.

In Betreff der hölzernen Geräthe der Paläste und reichern Häuser sind Beschreibungen erhalten, welche ahnen lassen, wie jene mit dem




IV. Kapitel. Arbeiten in Holz.


315


ganzen übrigen Schmuck zu einem für unser Urtheil überwiegend ernsten Eindruck zusammenstimmten.

In Venedig, wo selbst der perfecte Schiffscapitän seine Kajüte in- tagliata, soffitata e dorata, d. h. mit Schnitzwerk, Vergoldung und reicher Decke verlangte (Malipiero, ann. veneti, archiv. stör. VII, II, p. 714, ad a. 1498; die Staatsbarken: Gomines VII, 15), war der Luxus wohl am gleichartigsten ausgebildet und am meisten über die verschiedenen Glassen verbreitet.

Schon Sabellico (§. 42) sagt um 1490 : nulla ferme est recens domus quae non aurata habeat cubicula (fol. 90).

Zur Zeit des Francesco Sansovino um 1580 (Venezia, fol. 142) war der Bestand folgender: zahllose Gebäude hatten sowohl in den Zimmern als in den übrigen Räumen Holzdecken mit Vergoldung und mit gemalten Darstellungen ; fast überall waren die Wände bezogen mit gewirkten Teppichen, mit Seidenzeug, mit vergoldetem Leder, mit reicher Holz- bekleidung ... In den Wohnzimmern zierliche Bettstellen und Truhen mit Vergoldung und Bemalung, zumal mit vergoldeten Simsen . . . Die Buffets mit Geschirren ohne Zahl von Silber, Porcellan, Zinn und Erz mit ein- gelegter Arbeit ... In den Sälen der Grossen die Waffengestelle mit den Schilden und Fahnen derjenigen Vorfahren, welche zu Land oder Meer befehligt haben . . . Aehnliches gilt im Verhältnis von den mittlern und untern Glassen ; . . . auch bei den Geringsten Truhen und Bettstellen von Nussbaumholz, grüne Bezüge, Bodenteppiche, Zinn- und Kupfergeschirr, goldene Halskettchen, silberne Gabeln und Ringe.

Anderswo kam dasselbe, nur mehr vereinzelt vor. Bandello, Parte I, Nov. 3 die Schilderung eines Schlafzimmers: das Bette mit vier Baum- wollenmatratzen , die mit feinen , seide- und goldgestickten Leintüchern bedeckt sind; die Decke von Garmesinatlas , mit Goldfäden gestickt und mit Fransen umgeben, die aus Goldfäden und Carmesinseide gemischt sind; vier prächtig gearbeitete Kissen; ringsum Vorhänge aus Flor (tocca) von Gold und Garmesin gestreift (hier die Lesart zweifelhaft); an den Wänden statt gewirkter Teppiche lauter Garmesinsammt mit herrlichen Stickereien; in der Mitte des Zimmers ein Tisch mit alexandrinischem Seidenteppich ; rings an den Wänden acht reichgeschnitzte Truhen und vier Stühle mit Garmesinsammt ; einige Gemälde von berühmter Hand etc.

Parte IIP, Nov. 42 die Wohnung, welche ein reicher Herr der be- rühmten römischen Buhlerin Imperia herrichten liess: u. a. eine Sala, eine Camera und ein Gamerino mit lauter Sammet und Brocat und den feinsten Bodenteppichen; im Gamerino, wo sie nur die vornehmsten Leute empfing, waren die Wände mit lauter Goldstoff (fa^onnirtem oder ge- sticktem) bezogen; auf einer kunstreichen Etagere (cornice) mit Vergoldung


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Zweites Buch« Decoration.


und Ultramarin befanden sich herrliche Gefässe aus Alabaster, Porphyr, Serpentin und vielen andern kostbaren Stoffen. Ringsum standen viele reichgeschnitzte Truhen (coffani e forzieri), sämmtlich von hohem Werth. In der Mitte war ein kleiner Tisch, der schönste, den man sehen konnte, mit grünem Sammt bedeckt; darauf lag immer eine Laute oder Zither u. dgl. nebst Musikbüchern und einigen reichverzierten kleinen Bänden, welche lateinische und italienische Dichter enthielten.

Parte IV, Nov. 25 noch eine zierliche Schilderung dieser Art.

Gio. della Gasa überliess während einer Abwesenheit 1544 dem Card. Bembo seine schöne römische Wohnung u. a. con un bellissimo camerino acconcio de’ suoi panni molto ricchi e molto belli, e con un letto di velluto, e alquante statue antiche e altre belle pitture, darunter ein Porträt von Tizian.

Die Echtheit aller Stoffe, die wahrscheinliche Symmetrie der An- ordnung, die Verachtung der gemeinen Bequemlichkeit mussten solchen Räumen (im Vergleich mit unserm Jahrhundert der Surrogate etc.) einen ernsten Gharacter verleihen.

Die Ledertapeten mit eingepressten Golddessins, hauptsächlich Blumen- arabesken, welche zu Venedig im XVI. Jahrh. schon so sehr verbreitet waren, galten noch 1462 als ein fremder und zwar aus Andalusien ge- kommener Schmuck; Pii II. Comment. L. VIII, p. 384 (ungefähr). Auch ihre Wirkung ist eine überwiegend ernste. — Das Teppichwesen über- haupt sollte womöglich Wände und Fussboden dem Auge völlig entziehen. Ariosto, Orl. für. XII, 10.

In Florenz mag sich diesem gegenüber doch die Boiserie mit Male- reien länger gehalten haben? — Vgl. §. 154.

§. 157. ' V

Das Prachtbette und die Truhe.

Am meisten monumental von allen Möbeln war das Prachtbette gestaltet, welches nicht eine Ecke, sondern die Mitte einer Wand ein- nahm ; sodann die Truhen, auf welche die Kunst bisweilen ihre besten Kräfte wendete.

Aufwartung venezianischer Gesandten (§. 42) bei den Herzoginnen von Urbino in Pesaro: e la camera era nuova, fatta a volta, la maggior parte di essa profilata d’oro e arazzata dall’ alto in basso, con una lettiera in mezzo, sotto un padiglione, coperta di seta.

Erhalten sind wohl kaum irgendwo solche Bettstellen aus der besten Zeit. Selbst die genauste Schilderung (Milanesi III, p. 245) ist erst aus der Zeit des beginnenden Barockstyls (1574): die Füsse mit Harpyien,


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IV. Kapitel. Arbeiten in Holz.

Festons etc., die vier Säulen von Compositaordnung , mit Laubwerk um- wunden; die Friese theils mit Kinderfiguren und Thier en, theils mit Laubwerk; das Kopfende mit vier Hermen und drei Feldern dazwischen, über welchen (offenbar noch unter dem Betthimmel) ein Giebel mit mehrern sculpirten Figuren angebracht war.

Von den Truhen sind ebenfalls nur noch wenige vorhanden, doch genug, um einen Begriff zu geben von den schwungvollen, edeln und reichen Formen, die dabei erreicht wurden (Fig. 197). Von denjenigen


des Baccio d’Agnolo, mit Kinderfiguren in Relief, sagt schon nach etwa 40 Jahren Vasari IX, p. 226, man könnte sie zu seiner Zeit nicht mehr so vollkommen zu Stande bringen. (Eine besonders schöne Truhe im deutschen Gewerbemuseum zu Berlin, Fig. 198.)

Neben der reinen Schnitzerei dauerte indess doch eine aus Schnitz- werk und reicher, selbst miniaturartiger Malerei gemischte Gattung noch lange fort, im Zusammenhang mit den Malereien im Wandgetäfel; vgl. §. 154 und den dort citirten Abschnitt bei Kinkel, Mosaik zur Kunst- geschichte.



IV* Kapitel. Arbeiten in Holz.


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Gemälde an Bettstellen, ob an den vier Seiten oder im Betthimmel, ist oft nicht zu ermitteln: Vasari III, p. 96, v. di Uccello, der selbst hier seine perspectivischen Ansichten anbrachte; — IX, p. 176, v. di Fra Gh> condo: Garotto’s Hercules am Scheidewege, als Kopfende (testiera) eines Bettes gemalt ; — ib. p. 220, v. di Granacci, die Geschichten Josephs in Aegypten, sopra un lettuccio, in dem Prachtzimmer des Borgherini §. 154, wo auch die Truhenmalereien etc. von Pontormo, ib. XI, p. 43, v. di Pontormo, dasselbe Thema behandelten.

Gemälde an Truhen: Hauptstelle Vasari III, p. 47, s., v. di Dello; der Inhalt war aus Ovid’s Metamorphosen, aus der römischen und grie- chischen Geschichte, oder es waren Jagden, Turniere, Novellenscenen. »Die trefflichsten Maler schämten sich solcher Arbeiten nicht, wie heute viele thun würden«. — Ib. IV, p. 69, v. di Lazzaro Vasari; — ib. p. 181, v. di Pesello, Turnierbilder; — ib. XI, p. 219, v. di Aristotile, die Arbeiten des Bacchiacca; — Milanesi II, p. 355, Contraete von 1475 u. I. — Mit der Zeit mögen die Truhen am frühesten ganz plastisch geworden sein.

Gemälde an Schränken , runden Holzscheiben (? rotelle) u. a. Ge- räthen, sämmtlich mythologischen Inhaltes, von Giorgione, Vasari VII, p. 89, im Comment. zu v. di Giorgione.

Gänzlich untergegangene Gattungen dürfen wir hier bloss nennen : Malereien an Pferdegeschirr, mit Thierfiguren, oder mit einem brennenden Wald, aus welchem Thiere hervorstürzten etc.; Vasari IV, p. 68, v. di Lazz. Vasari; VI, p. 11, v. di Francia; VIII, p. 154, v. di San Gimignano; XI, p. 87, v. di Genga. — Sodann die bemalten Wagen bei dem jähr- lichen florentinischen Staatsfest, Vasari VIII, p. 264, v. di A. del Sarto; XI, p. 39, v. di Pontormo. — Blosser Garnevalswagen nicht zu gedenken.

Gemälde an Musikinstrumenten: höchst vorzüglich die Innenseite eines Clavierdeckels mit der Geschichte des Apoll und Marsyas, angeblich von Coreggio , eher von Bacchiacca , im Pal. Litta zu Mailand. Laut Vasari XI, p. 56, v. di Pontormo, malte Bronzino für den Herzog von Urbino ein Glavier aus. — Lomazzo schlägt vor (Trattato, p. 347), an den Instrumenten die Bildnisse der grössten Virtuosen, je zu Dreien, anzu- bringen. — Eine Prachtharfe in einer Zeichnung aus den Uffizien (Fig. 199).

§. 158.

Die geschnitzte Flachdecke.

Die hölzernen Flachdecken (palchi) in Kirchen und Palasträumen haben im XV. Jahrhundert meist eine nur einfache Configuration, aber eine glänzende Bemalung und Vergoldung. Gegen 1500 werden damit die edlern und feinem Formen des antiken Oassettenwerkes m Verbindung gesetzt; im XVI. Jahrh. bleiben einige der herrlichsten


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Zweites Buch. Decoration.


Decken fast oder ganz farblos und werden eine Hauptaufgabe der Decoration in Holz ; daneben aber beginnt schon das Ausfüllen der Deckenfelder mit eigentlichen Gemälden. Die Wirkung ist überall auf farbige ; in den Palästen auf teppichbedeckte Wände berechnet.

Palchi des XY. Jahrh. mehr in regelmässigen Gas- setten ; in S. Marco zu Rom, gold, weiss und blau, viel- leicht von Giuliano da Majano, der laut Yasari IV, p. 4 auch die vergoldeten Decken im (alten) Vatican machte; — dann im Pal. vecchio zu Flo- renz die Decken der Sala dell’ Udienza und der Sala de’ Gigli, letztere mit sechs- eckigen Cassetten, beide von Meistern aus der Familie Tasso; Yasari V, p. 134, Nota, v. diBened. da Majano; vgl. p. 137. — (Von den- jenigen des Michelozzo, Va- sari III, p. 275 scheint nichts mehr erhalten ; ebenso hat die gewiss wichtige Decke des grossen Saales daselbst, vom Jahr 1497, Vasari IX, p. 224, Nota, v. di Baccio d’Agnolo, später derjenigen des Yasari selber weichen müssen. — Die hohen Rech- nungen für die Decken in diesem Palast s. Gaye, car- teggio, I, p. 252, s.). — In Venedig an einigen prächtigen Decken des XV. Jahrh. im Dogenpalast und in der Academie verschwindet die Gassette vor der Rosette, die Ein- fassung vor dem Inhalt ; letzterer als Blume, Schild u. dgl. aus Holz oder Stucco, meist gold und blau; auch ein ganz vergoldeter mit Cherubim. — Die Decken in den reichern Privatwohnungen zu Venedig, laut Gomines VII, 15 wenigstens in zwei Zimmern in der Regel vergoldet, vgl. §. 156; Armenini (de’ veri precetti della pittura, p. 158) höhnt später über das viele feurige -Roth, das man ausser der Vergoldung daran bemerke und


Fig*. 199. Harfe aus den Uffizien zu Florenz. (Herdtle.)



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IV. Kapitel. Arbeiten in Holz.


323


das jenen »Magnifici« , d. h. den Nobili von Venedig über die Massen gefalle. — Zu Mailand ehemals in Pal. Vismara (§. 91) die Decken meist blau und Gold, mit den Wappen der Sforza und der Visconti. — • Eine reich cassettirte Decke in Gold und Farben im Pah von Urbino.

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Decken um 1500, edler architectonisirt und mit gewähltem Orna- menten: in S. M. maggiore zu Rom, weiss und Gold, von Giuliano San- gallo, mit dem Wappen Alexanders VI.; — in S. Bernardino zu Siena, verdungen 1496 an Ventura di Ser Giuliano, vorherrschend blau und Gold, die Cherubim der einzelnen Gassetten hier nicht mehr geschnitzt, sondern aus einer Masse (carta pesta) vielleicht gepresst; Milanesi II, p. 456; — diejenigen des Ant. Barile im Hause Ghigi zu Siena, gewiss vorzüglich, schwerlich mehr erhalten? Vgl. Milanesi III, p. 30. — Ein Verding von 1526, ebenda, p. 85. — Streng und doch von reicher Schön- heit : sämmtliche Flachdecken in Pal. Massimi zu Rom (Fig. 200). — Eine Menge von florentinischen Palchi, wahrscheinlich mehr gemalt als ge- schnitzt, waren das Werk des Andrea Feltrini; Vasari IX, p. 112, v. di Morto da Feltro.

Dann die farblosen Decken, wo Reichthum und Pracht der Schnitz- arbeit ganz ausdrücklich die Farbe verschmähen. — Das Hauptbeispiel : die der Biblioteca Laurenziana in Florenz (nach 1529?) sehr schön und frei entworfen von Michelangelo, ausgeführt von Garota und Tasso; das Motiv wiederholt in dem von Tribolo ausgeführten Ziegelmosaik des Fuss- bodens; Vasari XII, p. 214, v. di Michelangelo (vgl. §. 160). — Sodann der grosse vordere Ecksaal im Pah Farnese zu Rom; — - und dann zahl- reiche Decken des beginnenden Barockstyles , der nach solchen Mustern oft Treffliches leistete.

Serlio’s Theorie zu Ende des IV. Buches: im Ganzen gehöre die Farbe dem Gewölbe, die Einfarbigkeit der Flachdecke; dem kostspieligen Schnitzwerk wird auch wohl eine täuschende Malerei in Chiaroscuro sub- stituirt; je niedriger der Raum, desto kleiner die Deckeneintheilungen ; für die Rosetten wird die Vergoldung zugegeben u. s. w. Wichtiger als dieses Alles ist das wunderschöne Muster der Decke eines grossen Saales, welches er mittheilt, sowohl in Betreff der characteristischen Profilirung und Ausschmückung der Balkenlagen verschiedenen Ranges als in Betreff der zierlichen Füllungen; auch die folgenden kleinern Muster gehören zu den besten und zierlichsten (Fig. 201 u. 202).

Die Ausartung der geschnitzten Decke beginnt in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. damit, dass die natürliche Balkenlage nicht mehr respectirt wird. Ein mittleres grösseres Feld mit runder oder ovaler Einfassung (für Wappen oder figürliche Decoration) hatte man längst zugegeben ; nun aber beginnen die Balken der ganzen Decke in widersinnigen ge-


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Zweites Buch» Decoration.


schwungenen oder auch zackigen Linien ’’zu laufen, welche das Gefühl der Tragkraft aufheben,

§. 159 .

Die Flach decke mit Malerei.

Schon frühe im XYI. Jahrhundert beginnt auch die Ausfüllung der einzelnen Deckenfelder mit Gemälden, , wobei die Untensicht der


Fig. 201. Decke nach Serlio.


Gestalten bald mehr bald weniger beobachtet wurde. Bald meldet sich daneben eine fingirte Perspective als Scheinerweiterung des Raumes nach oben.

Die Bemalung setzt natürlich grössere und freiere Eintheilungen oder Felder voraus als die blosse Decoration. Auch wird schon zur Vermei- dung des Schattenwurfes der Begriff des Balkens preisgegeben und eine freie, oft prächtig profilirte und verzierte Einfassung vorgezogen. — Ihr Beginn hauptsächlich in Venedig, aber merkwürdiger Weise meist durch


IV. Kapitel. Arbeiten in Holz.


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Nichtvenezianer; — die (ehemalige) Decke der Sala de’ Pregadi im Dogen- palast mit 12 Tugenden in Untensicht; Vasari IX, p. 37 und Nota, v. di Pordenone; — Decken im Pal. des Patriarchen Grimani; Vasari XI, p. 94, v. di Genga, und XII, p. 58, v. di Salviati; — in einem Pal. Gornaro, ibid. XI, p. 125, v. di Sanmicheli (Deckenbilder Vasari’s selbst); — in einem Refectorium und noch in einem Saal des Dogenpalastes, ibid. XII, p. 82, v. di Salviati (Bilder von Giuseppe Porta).


Fig. 202. Decke nach Serlio.

Erst mit Paolo Veronese (Vasari XI, p. 135, s., v. di Sanmicheli) und mit Tintoretto nehmen sich die Venezianer selbst eifriger des Soffitten- malens an; Tizians Deckenbilder (jetzt) in der Sacristei der Salute sollen allerdings laut Sansovino, Venezia, fol. 83 »in der ersten Kraft seiner Jugend« gemalt sein, gehören aber, wie mir scheint, zu den Arbeiten seiner mittlern oder spätem Zeit. Noch ein Soffitto von ihm, ib. fol. 100.

Vasari’s lastende erzählende Deckenbilder im grossen Saal des Pal. vecchio zu Florenz, auf Befehl Gosimo I., Vasari I, p. 46 in s. eigenen Leben. — Die Flachdecken aller Kirchen von Neapel mit Gemälden bedeckt.


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Zweites Buch. Decoration.


Von der gemalten Flachdecke in S. M. dell’ Orto zu Venedig, welche vielleicht die frühste mit fingirter und zwar sehr täuschender Prachthalle war , scheinbar mit gedoppelten gewundenen Säulen , ist nur noch die überschwengliche Beschreibung bei Sansovino, Venezia, fol. 59 und bei Vasari XI, p. 267, v. di Garofalo, vorhanden. Dieselben Meister, Cristoforo und Stefano von Brescia, malten noch Mehreres der Art. — Natürlich boten gewölbte Decken diesem Kunstzweig einen ganz andern Spielraum dar. — Vgl. Bramante’s Scheinhallen, §. 83. —


V. Kapitel.

Fussböden, Kalligraphie.


§. 160 .

Der Fussböden in harten Steinen, Marmor und Backstein.

Die monumentale Behandlung der Fussböden, hauptsächlich in Kirchen, eignet sich die Mittel des Alterthums und des Mittelalters auf originelle und neue Weise an.

In der Nähe der Päpste und in einzelnen besonders prächtigen Capellen dauert dasjenige rein lineare Mosaik aus harten Steinen, besonders weissem Marmor, Porphyr und Serpentin fort, welches schon aus der urchrist- lichen Zeit auf die Gosmaten übergegangen war. — Mosaik Martins V. (nach 1419) im Mittelschiff des Laterans, eine der ersten Arbeiten des vom Schisma befreiten Papstthums ; Vitae Papar., Murat. III, II, Gol. 858; — - Nicolaus V. (seit 1447) wollte für seinen Neubau von S. Peter ganz dasselbe; ibid. Gol. 935. — Boden der sixtinischen Capelle, der vaticani- schen Stanzen, der Grabcapelle des Gardinals von Portugal in S. Miniato bei Florenz, der Gapelle im Pal. Medici (Riccardi) ebenda.

Alberti, de re aedificatoria L. VII, c. 10 verlangt im pavimentum am ehesten »Linien und Figuren, welche sich auf Musik und Geometrie beziehen«.

Figurirte und zwar erzählende Mosaiken, aus Marmor von verschie- denen Tönen, hat beinahe nur der Dom von Siena, dieser aber in grösster Masse und aus zwei Jahrhunderten, 1369 bis um 1550 (Fig. 203). Ueber



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V. Kapitel. Fussböden, Kalligraphie.


dieses Unicum vgl. Milanesi I, p. 176, s., II, p. 111, s., 265, s. , 377, 437 etc. Vasari I, p. 176, Introduzione ; X, p. 186, ss., v. di Beccafumi.


Die ästhetische Frage,- wie ein Marmorboden von einfacher Con- figuration aus Platten von 2 oder 3 Farben in Harmonie mit einem grossen Bau zu componiren sei, wurde besonders durch denjenigen des


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Zweites Buch. Decoration.


Domes von Florenz beantwortet; — Vasari VIII, p. 128, ss., Comment. zu v. di Cronaca, welcher seit 1499 hauptsächlich mit den Chorcapellen und zwar hier mit einem reicher bewegten Motiv begann; — IX, p. 227, v. di Baccio d’Agnolo, welcher dann die Hauptsache gethan zu haben scheint. Das Entscheidende war, dass man sich fortan von allen Teppich- motiven gänzlich emancipirte, die noch in jenen römischen Mosaiken kenntlich sind; es handelt sich jetzt nur noch um Linien, welche das Auge richtig leiten und um Massen, welche den einzelnen Theilen des Raumes richtig entsprechen.

Dass das Bodendessin , wenn eine reicher verzierte Flachdecke vor- handen ist, dem Deckendessin entsprechen müsse, wird seit der Lauren- ziana (§. 158) als etwas sich von selbst Verstehendes angenommen, z. B. bei Armenini, de’ veri precetti etc., p. 159. Laut Vasari X, p. 274, v. di Tribolo , könnte es scheinen , als ob die Idee Letzterem angehört hätte ; allein wenn Michelangelo die Decke entwarf, so sorgte er wahr- scheinlich auch für den Fussboden.

Der letztere besteht aus einer Zeichnung in weissem und rothem Backstein, welche damals und später in nichtkirchlichen Gebäuden häufig vorkam und eine schöne Wirkung gestattet. Vasari I, p. 177, Introduzione.

In buntglasirten Bodenplättchen hatte das Mittelalter schon das Mög- liche geleistet. Die wenigen erhaltenen Beispiele aus der Renaissance, die dem Verfasser bekannt sind, zu Bologna, in S. Giacomo maggiore (Gap. Bentivoglio) und in S. Petronio (5. Gap. links). Im XV. Jahrh. ist das Dessin meist noch etwas reliefirt ; so war es in der (nicht mehr vorhandenen) Sacristei von S. Elena zu Venedig 1479, wo die länglich sechseckigen, weiss und blauen Plättchen abwechselnd einen schwarzen Adler und einen Zettel mit dem Nanien der Stifter, Giustiniani, enthielten; zu den prächtigen Intarsien der Wandschränke gewiss die zierlichste Ergänzung; Sansovino, Venezia, fol. 76. — Ein Verding solcher Platten zu Siena 1488, Vasari VI, p. 141, Nota, v. di Signorelli. — Die jetzt ganz ausgetretenen in den vaticanischen’ Loggien, welche Rafael bei den Robbia in Florenz bestellte, Vasari VIII, p. 42, v. di Raffaello, waren glatt. - Diejenigen im unzugänglichen obersten Stockwerk der Loggien, aus der Zeit Pius IV., sollen besser erhalten sein.

§♦ 161 .

Die Inscript ionen und die Schönschreiber.

b Die Inschriften, als integrirender Theil von Kunstwerken, wurden in diesem Zeitalter den römischen Inscriptionen der besten Zeit nach- gebildet. Da der Buchstabe für schön gilt an sich, so wird er bis- weilen in riesiger Grösse angewandt, wie eine andere Kunstform.


V, Kapitel. Fussböden, Kalligraphie. 329

Die Inschrift an der Fassade von S. M. novella in Florenz, von L. B. Alberti, in Porphyr incrustirt; Yasari I, p. 98, Introduzione.

Die riesige Inschrift aussen am vaticanischen Palast (Ostseite) nach eigener Angabe Julius II., der den Bramante wegen seiner beabsichtigten Hieroglyphen oder Rebus auslachte; Vasari VII, p. 133, v. di Bramante.

Um die Mitte des XVI. Jahrh. lebte in Padua der Priester Francesco Pociviano, genannt Mauro, welcher im Malen und Schreiben alle Kalli- graphen und im Meissein von Buchstaben alle Sculptoren übertraf, und Bembo’s Grabschrift im Santo meissein durfte; auch für Inschriften in Fresken liess man ihn kommen; Scardeonius, in Graev. thesaur. IV, III, Gol. 429, wo noch ein anderer dortiger Schönschreiber Fortebraccio er- wähnt wird.

Ueber den Zusammenhang mit der Epigraphik als Literaturzweig s. Gultur d. Renaiss. III. Aufl. S. 310. — Ein ganzer Kreuzgang, der von S. M. sopra Minerva in Rom, unter Paul II. »pulcherrimis epigrammatibus liistoriisque« geschmückt; Vitae Papar. , ap. Murat. III, II, Gol. 1034. — Inschriften in Schlafzimmern, Ang. Politiani carmina.

Die sehr grosse Inschrift im obern Friese von Pal. Pandolfmi in Florenz. — Häufig in Fensterfriesen seit Pal. di Venezia zu Rom Motti oder Namen in vielfacher Wiederholung.

Bei Festdecorationen die bekannten hängenden Inschrifttafeln, welche das jetzige Italien nur noch als Theateraffichen anwendet; z. B. bei dem Possesso Alexanders VI. 1492: una tavola al modo antico pendente, Gorio, stör, di Milano, fol. 451, ss., wo auch colossale, von Schnörkeln reich umgebene Chiffern in dem Schattentuch über der Strasse gerühmt werden.

Ein heiterer Gegensatz zu der Strenge der grossen römischen Uncialen wird bisweilen darin gefunden, dass Kinderfiguren dieselben umspielen.

Vielleicht am frühsten in einer Friesmalerei des Pordenone an einem Privathaus in Mantua, Vasari IX, p. 34, v. di Pordenone und Armenini, 1. c. p. 205. — Dann an dem Friese des Ghorstuhlwerkes des Fra Da- miano in S. Domenico zu Bologna, §. 152.

Die Kalligraphie, in der italienischen Schrift des XV. Jahrh. auf höchste Einfachheit und Schönheit gerichtet, überlebte auch das Eindringen des Bücherdruckes trotz der vorherrschenden Eleganz des- selben noch lange.

Das Bedürfniss nach Miniaturen hielt sie am Leben. Der Kalligraph des Miniators Clovio, Monterchi, wird erwähnt Vasari XIII, p. 132, v. di Glovio. Die Kalligraphen nennen sich in der Regel selbst.



330


Zweites Buch. Decoration.


VI. Kapitel.

Die Fassadenmalerei.


§. 162 .

Ursprung und Ausdehnung.

Von der gemalten Decoration ist ein Hauptzweig, die Fassaden- malerei ; nur durch verhältnissmässig wenige und für die Herstellung des Ganzen unzureichende Reste vertreten, nachdem sie einst die Phy- siognomie ganzer Städte wesentlich hatte bestimmen helfen.

Ihr Ursprung ist in den Madonnen u. a. heiligen Darstellungen zu suchen, mit welchen man im Süden von jeher die Mauern geschmückt haben wird. (Sehr alte in Assisi , Perugia etc. ; Einzelnes aus dem XIY. Jahrh., wie z. B. eine Madonna mit Heiligen und blumenbringenden Engeln, von Stefano da Zevio, in Verona). Den Rest der Fassade schmückte man etwa mit einem Teppichmuster.

Im XV. Jahrh. neben wachsender Fertigkeit im soliden Frescomalen und in der Perspectivik regt sich die Lust an den Zierformen des neuen Baustyles und das Bedürfniss , dieselben gerade dann gemalt im vollen Reichthum an den Fassaden walten zu lassen, wenn die Mittel nicht ausreichten für Rustica oder Incrustation oder reichere plastische Aus- bildung der Bauformen überhaupt, auch wenn man über Symmetrie und deren Proportionen nicht verfügen konnte. Selbst der geringsten Mauer vermochte man jetzt einen hohen Werth zu geben. Dazu die Sinnes- weise der Besteller, welche die bunte Fassade so wenig scheuten als die bunte Kleidung; beim Gedanken an die Vergänglichkeit verliess sich jene kräftige Kunstzeit ohne Zweifel darauf, dass die Nachkommen eben so Treffliches würden hinmalen lassen, und urtheilte, -dass man gemessen müsse, was der Genius der Zeit biete.

Die Künstler aber, darunter einige der grössten, ergriffen ohne allen Rückhalt den Anlass, monumental, mit grosser Freiheit in der Wahl und Auffassung der Gegenstände, für den täglichen Anblick einer ganzen Be- völkerung malen zu dürfen. Was sie Treffliches schufen, war lauterer, stets gegenwärtiger Ruhm. Dieser Kunstzweig schwang sich empor zu einer ernsthaften Goncurrenz mit der reinen Architectur, nachdem er Anfangs wohl nur als öconomisches Surrogat derselben gegolten hatte. In Venedig wird es um 1550 zugestanden: molto piü dilettano [a] gli


VI. Kapitel. Die FassadenmalereL


331


occhi altrui le facciate delle case et de’ palagi dipinte per mano di buon maestro che con la incrostatura di bianchi marmi, di porfidi et di serpen- tini fregiati d’oro (§. 42). Lodov. Dolce, Dialogo della pittura, p. 146, ed. fiorenL

Von dem prachtvollen Anblick, welchen solche Fassaden, oft gassen- weise, gewähren mussten, gibt jetzt keine Stadt mehr auch nur einen entfernten Begriff. Von dem wenigen Erhaltenen ist das Wichtigste ver- zeichnet, Cicerone S. 292 ff.

Im XVI. Jahrh. galten als besonders reich an farbigen Fassaden: Venedig, Genua, Pesaro und Mantua; Armenini, de’ veri precetti etc., p. 205.

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§. 163 .

Die Besteller.

Es kamen Beispiele vor, da entweder auf Anregung von Fürsten oder auf freiwillige Abrede hin ganze Gebäudereihen oder Gassen einen fortlaufenden gemalten Schmuck erhielten.

Eine gleichartig fortlaufende, wenigstens decorative Malerei ist vor- auszusetzen in Ferrara 1472 unter Ercole L, Diario ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 243 : im December fing man an, die Hallen der Geldwechsler vor dem Thurm Rigobello zu bauen und die Paläste der Signori und die Buden der Lederhändler (le banche de li calgari?) zu malen. Nachher, Col. 247 heisst es: den Palast der Lederbuden mit Paladinen, d. h. wohl mit den Helden Carls d. Gr.

Lodovico Moro liess in Mailand und Pavia: die Vorbauten (§. 112) in den Gassen wegräumen und die Fassaden liess (fece) er malen, schmücken und verschönern; Cagnola, archiv. stör. III, p. 188.

In Brescia am Corso del teatro sind noch fortlaufende mythologische Malereien des Lattanzio Gambara erhalten.

Weit häufiger jedoch sind der Natur der Sache nach die von jedem Eigenthümer nach eigenem Geschmack bestellten Fassaden- malereien.

Schon ihr Ausgang von dem Andachtsbilde, §. 162, weist darauf hin; sie waren gewiss oft der Stolz des Besitzers und das Kennzeichen seines Hauses, in einer Zeit, da man sich unterscheiden wollte und das Auf- fallende noch nicht mied.

Auch ah öffentlichen Gebäuden hie und da sehr früh Fassaden- malereien, als Ausdruck irgend einer Allen gemeinsamen Idee oder Er- innerung; so war zu Venedig im XIV. Jahrh. der Pal. del Comune (1324)


332


Zweites Buch* Decoration.


von allen Seiten mit Malereien, ohne Zweifel politischen Inhaltes, bedeckt; am frequentesten Ort der Stadt, den Portiken des Rialto, war ein Seesieg über König Pipin (Sohn Carls d. Gr.) und eine Weltkarte gemalt, San- sovino, Venezia, fol. 133, 134. — Aehnliche Malereien an einigen da- maligen Tyrannenbauten, z. B. am Palastthurm der carraresischen Resi- denz in Padua, M. Savonarola, bei Murat. XXIV, Col. 1174; vom Palast des Braccio Baglione zu Perugia heisst es um 1500: e era tutta quella casa penta (dipinta) dentro e de fora, de la cima insino a terra, sammt beiden Thürmen. — Selbst die grossen allegorischen Tendenzbilder, durch welche Cola Rienzi bei seinem ersten Auftreten 1347 die Römer aufregte, möchten ebenfalls auf die Mauer gemalt gewesen sein.

§. 164.

Darstellung sw eisen der Fassadenmaler.

Die Mauermalerei stellt meist eine mehr oder weniger reiche, decorativ umgedeutete, fingirte Architectur dar, welche durch figürliche Zuthaten jeder denkbaren Art belebt wird. Ohne Zweifel stand auch sie in Wechselwirkung mit der Festdecoration.

Die schriftlichen Nachrichten, zumal bei Vasari, sind darin einseitig, dass sie fast nur das figürliche Element erwähnen und den grossen deco- rativen Zusammenhang kaum andeuten.

Eine einzige Gattung blieb, wie es scheint, Hans Holbein d. J. Vor- behalten: die illusionäre Darstellung eines wirklichen Gebäudes in per- spectivischer Untensicht, an dessen Fenstern, Gängen etc. menschliche Gestalten in der Zeittracht auftreten. (Zeichnungen seiner untergegangenen Fassadenmalereien in der öffentlichen Sammlung zu Basel.) Pompeji enthält Aehnliches, nur ohne das Streben nach Illusion.

Ein grosser Hauptunterschied liegt in den Darstellungsmitteln, indem Vollfarbigkeit, theilweise Farbigkeit, Einfarbigkeit und Sgraffito theils sich ausschliessend , theils neben einander (bisweilen im aller- schönsten Contraste) angewandt werden, je nachdem man den Schein der Architectur und der decorirenden Sculptur mehr oder weniger beibehalten will. Später kam sogar noch reliefirter Stucco hinzu.

Alle Vereinfachungen in der Farbe haben den Vortheil, dass das Altern und Verbleichen weniger schnell sichtbar und die Restauration leichter ist als bei der Vollfarbigkeit.

Das Sgraffito wird sogar ohne eigentliches Malen dadurch hervor- gebracht, dass die Mauer erst schwarz, dann weiss überzogen wird und




Fig 204. Sgraffitofassade zu Florenz






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Fig\ 205. Sgraffitofassade zu Florenz. (Herdtle.)


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VI. Kapitel. Die Fassadenmalerei.


337


hierauf die Zeichnung durch theilweises Wegschaben entsteht (Fig. 204, 205 u. 206). Der Hauptnachtheil liegt darin, dass sich der Staub daran festsetzt. — Vgl. Vasari I, p. 169, Introduzione ; — IX, p. 110, s«, v. di


Fig. 206 . Sgraffitofassade an Via S. Lucia in Rom. (Nach Letarouilly.)


Morto da Feltre (wo die Erfindung dem Andrea Feltrini zugeschrieben

wird, während sie gewiss viel älter ist).

Die Vollfarbigkeit scheint von Anfang an für die Fassaden von Ober-

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 22



338


Zweites Buch. Decoration.


italien, hauptsächlich Venedig, gegolten zu haben ; Verona besitzt bis heute ausser mehrern andern Fassaden das vielleicht wichtigste Werk dieser Art : Gasa Borelia von Mantegna, goldfarbige Pilaster mit Arabesken, davon ein- gefasst historische Darstellungen mit blauem Grunde; Fries mit Festons und Putten etc.


Fig. 207. Bemalte Fassade an Via Giulia in Rom. (Nach LetarouilJy.)


Daneben ein grosser Reichthum von Abstufungen und oft ganz herr- lich wirkenden Gombinationen : Farbigkeit der Einzelfiguren und der

historischen Scenen, oder letzterer allein; dazu das Decorative in zweierlei Steinfarbe, so dass z. B. die fingirte Architectur röthlich, die fingirte Sculptur weiss dargestellt ist; oder erstere weissgrau, letztere, zumal Statuen, Gefässe und Trophäen, gold- oder erzfarbig; höchst unbefangene Behandlung der Festons, bald mehr ideal und steinfarbig, bald realistisch



VL Kapitel* Die FassadenmalereL 339

und naturfarbig in Laub und Früchten* — Sehr gute farbige Fassaden an zwei kleinen Häusern auf Piazza delle Erbe zu Verona.

Sodann Abwechselung vollfarbiget und steinfarbiger Partien je nach Stockwerken oder je nach der Bedeutung der betreffenden Mauerfläche.

Endlich die einfarbige Malerei , Ghiaroscuro , pitture di terretta , in einer beliebigen Farbe; ausser grau kommen auch grün, roth, violett, goldbraun etc. vor, bisweilen nach Stockwerken und nach einzelnen Theilen derselben wechselnd. — Zuletzt das Sgraffito, s. oben.

Rafael und seine Schule, zumal die grossen Fassaden decoratoren Polidoro da Garavaggio und Maturino verliehen der Farblosigkeit das Uebergewicht und vollendeten denjenigen Styl der figürlichen Darstellung, welcher eine gemalte Plastik darstellt, ohne sich doch knechtisch den strengem Voraussetzungen der letztem zu fügen (Fig. 207). — Victorien, Abundantien etc. an der Tiberseite der Farnesina, grau in grau, von rafaelischer Erfindung; — Fries mit der Geschichte der Niobe an einem Hause in Rom, von Polidoro, grau in grau mit Ausnahme des goldbraunen Götterbildes in der Mitte.

§. 165.

Aussagen der Schriftsteller.

In den Gegenständen hielt sich die Fassadenmalerei die ganze gute Zeit hindurch sehr frei von aller sachlichen Knechtschaft, indem dieselben Einen grossen decorativen Eindruck in reicher Gliederung hervorzubringen, nicht philosophische t)der poetische Gesammtgedanken zu verwirklichen hatten.

Letzteres kommt früh genug mit Anbruch der schlechten Zeit, wo sich dann Vasari mächtig wundert über die Tendenzlosigkeit eines Gior- gione, dem man erlaubt hatte, lauter Schönheit und Leben auf die Mauer zu malen, Dinge, die Niemand mehr zu erklären wusste. Vasari glaubte es besser zu verstehen und pfropfte in eine Fassade das ganze mensch- liche Leben (XI, p. 16, v. di Gherardi) in einer Masse von Allegorien.

Die wichtigem Stellen bei Vasari sind folgende:

V, p. 51, s., v. di Don Bartolommeo; — p. 144, v. di Verocchio; — p. 166, 168, 178, 179, v. di Mantegna; — p. 278, v. di Pinturicchio.

VII, p. 83, ss., v. di Giorgione.

VIII, p. 98, s., v. di Marcilla ; — p. 147, v. di San Gimignano; — p. 222 — 237, v. di Peruzzi; — p. 275, 295, v. di A. del Sarto.

IX, p. 22, v. di Alf. Lombardi; — p. 33—38, v. di Pordenone; — p. 51, s., v. di Girol. da Treviso; — p. 56—65, v. di Polidoro e Matu-



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Zweites Buch. Decoration.


rino; — p. 88, v. di Bagnacavallo ; — p. 110, v. di Morto da Feltre; — p. 181, 185, 193, 198, 199, 203, 204, v. di Fra Giocondo.

X, p. 5, v. di Ant. Sangallo giov. ; — p. 144, ss., v» di Perino; —

p» 177, s., y. di Beccafumi; — p. 210, v. di Soggi.

XI, p» 15 — 22, v. diGherardi; — p. 39, v» diPuntormo; — p. 132, ss. y. di Sanmicheli; — p. 146, v. di Sodoma; — p. 215, s., v. di Aristotile; — p. 228, 237, 265, 270, 276, 282 ; v. di Garofalo; — p. 294, y. di Rid. Ghirlandajo.

XII, p. 81, s., v* di Salviati; — p. 106—117, v. di Taddeo Zucchero.

XIII, p. 11, v. di Primaticcio; — p. 20 — 22 und 48, s., v. di Tiziano.

Ausserdem zerstreute Notizen bei Gaye, carteggio I, p. 334 (über

die mantuanischen Fassadenmaler Polidoro und Guerzo 1495) und II, p. 137 (Giorgione’s Fresken); — im Anonimo di Morelli (bei Anlass der Gasa Gornaro in Padua, und des Pal. del Podesta in Bergamo, sowie der dortigen Porta pinta); — Lomazzo, trattato dell’ arte, p. 227, s., 264, 271 (zusammenhängende Stellen über lombardische Fassadenmaler); p. 413 (über Dosso Dossi) ; — Milanesi III, p. 65, s. (Sodoma’s mit einem Pferd bezahlte Fassade).

Sansovino, Venezia, ergibt ausser dem sonst Bekannten wenig, z. B. fol. 143 eine Fassade des Battista Moro; — fol. 135 über den Fondaco de’ Tedeschi. Die Fresken Tizians an diesem Fondaco beschreibt in Kürze auch Ridolfi (bei Ticozzi, vite de’ pittori Vecelli, p. 22) und zwar ohne nur eine Deutung zu versuchen, die sich auch in der That unmöglich geben liess.

Serlio, architettura , fol. 192, im IV. Buche, wichtige Stelle, haupt- sächlich das Lob des Chiaroscuro.

Eine von Albrecht Dürer in Venedig gemalte Fassade wird unter den grossen Sehenswürdigkeiten Italiens aufgezählt. Lettere pittoriche III, 166, in einem Briefe des Doni an Carnesecchi»

Armenini, S. 202, ff., spricht schon dem Vasari nach»

Einer fast ganz untergegangenen Kunstgattung dürfen wir hier nicht mit umständlich ergänzenden Hypothesen nachgehen, zumal da die Nach- richten, wie bemerkt, die decorativen Theile kaum erwähnen. Eine rasche Uebersicht des Inhaltes mag genügen»

§. 166 »

Gegenstände der Fassadenmalerei.

Zunächst gehören viele einzelne Figuren dem Gebiete neutraler Schönheit an und wirken wesentlich als symmetrisch füllend, sind auch wohl mit dem fingirten baulichen Gerüste wesentlich verbunden.


VI. Kapitel. Die Fassadenmalerei.


341


Attitüden, nackte Gestalten jeder Art und Farbe, bisweilen als Trag- figuren, ja als Hermen; — ferner Genien, besonders Kinder (Putten) in Menge; Sirenen, Züge von Tritonen und Nereiden als Friese; — auch Tritone und Nereiden zu zweien, Medaillons haltend; — einzeln und scheinbar oft in Nischen: Helden und Philosophen, ohne Namen und bestimmte Beziehung.

Das Religiöse nimmt bald nur ein Hauptbild nach alter Art, bald die ganze Fassade in Anspruch.

Hauptbilder : Grucifixus mit Heiligen, Madonna mit Heiligen ; Paradies oder Sündenfall; — Alles mit Genrescenen derber Art verträglich, wie eine Fassade in Verona beweist.

Gehört die ganze Fassade dem christlichen Bilderkreise an , so er- scheinen noch andere biblische Geschichten; — als Füllfiguren Propheten, christliche Tugenden; — als Friese: die Völker, welche der Roma-Fides ihren Tribut bringen, Türkensiege, Thaten Simsons u. dgl.

Allegorien kommen in der guten Zeit wenige und offenbar mehr um der Schönheit des Motives willen gewählte vor.

So am Fondaco de’ Tedeschi zu Venedig (seit 1504, mit den herr- lichsten Malereien des Giorgione, Tizian u. A. ringsum, wovon jetzt kaum mehr ein Schimmer sichtbar) die berühmte Figur Tizians, welche bald als Judith, bald als Germania galt; anderswo Venezia als Löwenreiterin. — Dann die eben genannte Roma mit den Attributen der Fides.

Ceremonien und Aufzüge finden sich hauptsächlich in Friesen; an Triumphzüge jeder Art waren Poesie und' Malerei längst gewöhnt.

Ueber die Triumphe vgl. Cultur d. Renaissance S. 415, ff. Es sind Züge von Kriegern, Gefangenen, Senatoren, Trägern, welche Beute, zumal kostbare Gefässe, auch Tribute überwundener Völker bringen u. s. w.; auch antike Spiele, Wagenrennen, dann als heitere Parodie Triumphe von Kinderfiguren, Kriegszüge bewaffneter Kinder; endlich Züge von Pilgern.

Das Profan-Erzählende beginnt mit mythologischen Scenen bis- weilen ohne genau bestimmte Beziehung; dann folgt die Urgeschichte der betreffenden Stadt, endlich römische und auch wohl idealisirte gleichzeitige Geschichte.

Kämpfe des Hercules, Sturz der Giganten, Geschichte der Niobe (Poli- doro), Ereignisse aus der Odyssee, Schmiede Vulcans (Rafael), Mars und Venus, und als Probestück der Verkürzung: der schwebende Mercur.


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Zweites Buch* Decoration.


Urmy then von Rom (an Fassaden aus Polidoro’s Zeit), von Gortona etc . ; — Geschichten Alexanders d. Gr., Casars etc.; — als Verkürzungsprobei der Sprung des M. Gurtius (auch bei Holbein).

Von Zeitereignissen: Carls V. Einnahme von Goletta.

Das Genre ist theils durch antike, theils durch völlig natura- listische Scenen vertreten, welche sich harmlos auch zum Heiligen gesellen.

Antike Ringkämpfe und andere Spiele und besonders Darstellungen von Opfern.

Eine Rauernhochzeit , ein Tanz von Ruckligen, eine Wasserfahrt, u. dgl. m.

Thiere und leblose Gegenstände werden bisweilen mit der grössten Meisterschaft an Fassaden dargestellt. Medaillonsköpfe in Steinfarbe kommen reihenweise vor.

Friese mit Thierkämpfen ; — Trophäen und Vasen als Beutestücke gedacht (sehr schön bei Polidoro); — Festons jeder Art, Masken u. s. w.

Medaillons mit den Köpfen der zwölf ersten Kaiser; — mit Köpfen von Cardinälen etc.

Die Fresken an Gartenmauern §. 128.

§. 167.

Ausgang der Fassadentn alerei.

Die Fassadenmalerei fiel schon geraume Zeit vor der Mitte des XVI. Jahrhunderts einem schnellen und gewissenlosen Betrieb anheim, doch gibt die Verwerthung der Motive der guten Zeit auch spätem Leistungen einen bedeutenden Werth, wo die Urbilder nicht mehr vorhanden sind.

Armenini 1. c. p. 205 : nach dem Tode Polidoro’s und Maturino’s habe sich der Verfall zunächst im Wiederaufkommen der (in Oberitalien nie aufgegebenen) Vollfarbigkeit geoffenbart.

Aus der Zeit seit 1530 weit das Meiste dieser Art in Genua (älter ist etwa eine vortreffliche kleine Fassade auf Piazza dell’ Agnello); durchschnittlich von geringer Bedeutung, zumal im decorativen Theil; — in Florenz einiges Gute aus ganz später Zeit ; — in Verona, wo sich die Einfarbigkeit jetzt erst recht durchsetzt, manches Treffliche venezianischer Schule. — Lombardische Landhäuser aus dieser Zeit, bisweilen völlig bemalt, z. B. eine Villa zu Bissuccio, unweit Varese.


VI. Kapitel. Die Fassadenmalerei.


343


Fassaden aus Malerei und Stucco gemischt sind fast nur noch aus der Barockzeit vorhanden und eher an kleinen Kirchen als an Häusern.

(Die bloss stucchirten Fassaden vgl. §. 96.)

Auch an den geringem Arbeiten dieser spätem Zeit wird man Wir- kungsmittel entdecken, welche darauf hindeuten, was für Kräfte der besten Epoche sich dieser Gattung einst mussten gewidmet haben.

Die ganze Fassadenmalerei, heute eine unverstandene Ruine und von den Reisenden und Künstlern wenig beachtet, müsste im Auftrag einer Regierung in guten Aufnahmen gerettet werden.

Näher verwandt mit der Fassadenmalerei, als man es denken sollte: die decorative Einfassung mancher Miniaturen und namentlich die Ver- zierungen vieler Büchertitel in Holzschnitt. Letztere stellen gewiss häufig nichts Anderes dar, als was man in den Malereien um Fenster und Thüren herum zu sehen gewohnt war, und zwar in den Büchern von etwa 1480 bis 1550 ganz besonders characteristisch, je nach dem Jahrzehnd.

§. 168 .

Sculptur und Malerei der Wappen.

Die Wappen, von dem strengem Styl nordischer Heraldik völlig losgesprochen und als freie Prachtaufgabe behandelt, bilden einen nicht unwichtigen Bestandtheil der Fassadenmalerei sowohl als der decora- tiven Sculptur.

Italien hatte am wahren heraldischen System so wenig Antheil als an dem ernstlichen Ritterthum, und vermischte unaufhörlich Embleme und eigentliche Wappen. Für diese (hier nicht weiter zu verfolgende) Gonfusion eine belehrende Hauptstelle bei Decembrius, Vita Phil. Mariae Vicecomitis, Murat. XX, Gol. 996. — Auch was Serlio, Ende d. IV. Buches, vorbringt, zeigt, dass er keine Ahnung von der Sache hat. Entschei- dend für die Kunst war, dass man sich weder in der Form der Schilde, noch in den Helmzierden an irgend eine Tradition band und vollends in Betreff der Wappenhalter durchaus nur dem Gesetz der Schönheit folgte.

Gemeisselte Wappenschilde schräg an den Ecken von Rusticapalästen des XV. und XVI. Jahrh. (Fig. 208); dann 1537 die colossalen Wappen Carls V. und des Herzogs Alessandro Medici an der Fortezza da basso zu Florenz, ersteres mit zwei nackten lebensgrossen Victorien, letzteres mit zwei andern Figuren; Vasari VIII, p. 185, v. di Baccio e Raff, da Montelupo ; — ein Wappen Clemens VII., jetzt untergegangen; XI, p. 77, v. di Mosca; — Veränderung eines gemeisselten Papstwappens unter einem neuen Pontificat, ibid. p. 79; colossale Wappen Pauls III. in Perugia, wobei zum erstenmal die Wirkung der kräftig vortretenden Tiara



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Zweites Buch. Decoration.


und der gekreuzten Schlüssel, in Verbindung mit Festons und Masken hervorgehoben wird, ibid. p. 82. — Das Wappen über dem Hauptfenster des Pal. Farnese in Rom, Vasari XII, p. 231, v. d. Michelangelo.

Weit häufiger waren die gemalten Wappen, deren schon früh sehr prächtige mit allen irgend passlichen Zuthaten versehene vorgekommen sein müssen, wie z. B. das des Giangaleazzo Visconti, welches die Stadt Siena 1393 an Porta Gamollia malen liess für 20 Goldguläen; Milanesi I, p. 33. — Eine besonders reiche Wappengruppe war die bei Anlass des

Empfanges der Lucrezia Borgia 1502 am Palast zu Ferrara gemalte: »die Wappen des Papstes, des Königs von Frankreich und des erlauchten Hauses Este, mit Engeln, Hydren und andern schönen Zierrathen« ; Diario ferrar., Murat. XXIV, Gol. 401. — Beccafumi’s Fassade mit dem Wappen Julius XL im Borgo zu Rom, Vasari X, p. 77. — Rosso Fiorentino begann seine Laufbahn mit dergleichen; Vasari IX, p. 68, s. v. di Rosso. — Der grösste aber in diesem Fache muss Jacopo Pun- tormo, und zwar von früh an ge- wesen sein; Vasari XI, p. 31, 33, 41, 43, v. di Puntormo. Sein Ruhm stellte sich schon 1514 fest, als Leo X. nach Florenz kam und dessen ganzer Anhang lauter medi- ceische Wappen in pietre, in marmi, in tele ed in fresco machen liess;

_ .... w -dt , Puntormo’s Einfassung eines dieser

Fi g. 208 . Päpstliches Wappen am Pal. der ö .

Canceiieria. Wappen an der Annunziata, be-

stehend aus Tugenden, Kinder- figuren etc. entlockte selbst dem ^Michelangelo einen Ausruf des Ent- zückens ; — andere Wappen von ihm im Castell, an Casa Lanfredini, in Gasa Spina zu Florenz"; Alles wohl längst nicht mehr vorhanden, aber ohne Zweifel nachklingend in allen bessern Wappenmalereien des XVI. Jahrh.; vielleicht schon in dem ebenfalls untergegangenen Wappen Pauls III. von Francesco Salviati an einem Palast in Rom, »mit einigen grossen und nackten Figuren, welche den grössten Beifall fanden«, Va- sari XII, p. 55, v. di Salviati.

Von den Wappen, welche die Regierungen in allen Ortschaften ihres


VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern. 345

Gebietes malen Hessen (Milanesi II, p. 397, zum Jahr 1482), und vollends von den fürstlichen Wappen und Devisen, mit welchen Gastwirthe ihre Locale schmückten (Lomazzo, p. 349 mit komischer Entrüstung gegen solchen Missbrauch), ist hier nicht nöthig zu reden. — Auch von Wappen, welche neugewählte Beamte in den betreffenden Gebäuden malen oder meissein Hessen (Pal. de’ Tribunali zu Pistoja, Pal. del Podesta zu Florenz) ist keine in künstlerischer Beziehung nennenswerthe Reihe vorhanden.


VII. Kapitel.

Malerei und Stucchirung des Innern.


§. 169.

Friese und Wanddecorationen.

Von der decorir enden Malerei des Innern sind zunächst zu er- wähnen die Friese flachgedeckter Säle und Zimmer, welche als Mittel- glied zwischen der cassettirten und bemalten Decke und den mit Teppichen begangenen oder sonst verzierten Wänden meist vollfarbig ausgeführt wurden.

Ob aus dem XV. Jahrh. und aus der besten Zeit des folgenden etwas Wichtiges von dieser Art erhalten ist? — Der Fries konnte fortlaufend oder mit Unterbrechung durch wirkliche oder gemalte Tragfiguren gemalt sein; sein Inhalt genreartig, mythologisch, oder historisch; zur Zeit des Barockstyles . besonders Schlachten u. a, Scenen aus der römischen Ge- schichte; seltener Landschaften und Ansichten von Gebäuden. (Letzteres in der obersten Halle der vaticanischen Loggien.)

Von namhaften Meistern werden angeführt: Gio. da Udine, Fries von Kindern , Löwen , Wappen etc. über einer als Scheinincrustation ge- gebenen Wandbemalung, nicht mehr vorhanden, Vasari XI, p. 305, v. di Udine ; — Pordenone’s Fries von Kindern mit einer Barke, im Pal. Doria (zu Genua?); — Battista del Moro, Friese mit Schlachten in Pal. Canossa zu Verona, Vasari IX, p. 185, v. di Fra Giocondo; — Perin del Vaga, Fries mit weiblichen Figuren bei Gianettino Doria zu Genua, ibid. X, p. 161, v. di Perino; — Dan. da Volterra’s Friese im Pal. 1 arnese zu Rom, ibid. XII, p. 90, v. di Ricciarelli. — Zu Schnellprodukten werden


Zweites Buch. Decoration.


solche Friese dann mit Taddeo Zucchero, ibid. XII, p. 107, 112, 118, v. di T. Zucchero.

Erst aus noch späterer Zeit (1587) die Theorie dieser Friese bei Armenini, de’ veri precetti etc. p. 185: ihre Höhe solle zwischen x /s und J / 6 des Gemaches betragen, Architrav und Sims eingerechnet; der Inhalt pedantisch vorgeschrieben etc. Die Wand unter den Friesen, eigentlich für Arazzen bestimmt, erhielt doch (Genua ausgenommen, wo sie bis auf den marmorirten Sockel weiss blieb) eine Art von Decoration, gewiss noch sehr schön (Arabesken) bei Perin del Vaga (Engelsburg), sonst aber z. B. in der Lombardie nur eine oberflächlich gemalte Scheinarchitectur von Säulen, Incrustationen und grünen Festons. — Ibid. p. 197 über die Friese in Gartensalons.

Bisweilen bemalte man die Wände mit Scheinteppichen, a damaschi, wie in der sixtinischen Capelle, und wie Julius II. (Gaye II, p. 488) es anzuordnen drohte, wenn ihm seine Maler in den vaticanischen Sälen nicht Genüge leisten würden. Aber auch in solche Scheinteppiche wurden bisweilen wieder Historien hineingemalt; Lomazzo, 1. c. p. 817.

Sculpirte Friese, wie z. B. der aus Waffen und Trophäen bestehende im Pal. von Urbino (jetzt nicht mehr an Ort und Stelle, sondern beson- ders aufgestellt) blieben natürlich eine seltene Ausnahme ; Yasari IV, p. 206 und Nota, v. di Franc, di Giorgio; — noch ein Beispiel: im Pal. del Te zu Mantua ein Fries aus Stucco mit römischen Soldatenscenen nach der Trajanssäule, Armenini, p. 185.

Die Malereien über den Kaminen (§. 146) haben öfter irgend eine ungezwungene Beziehung auf das Feuer, z. B. die Werkstatt des Vulcan mit Venus, Vasari X, p. 107, v. di Giulio Romano, — die Friedensgöttin, Waffen verbrennend, ibid. p. 146, v. di Perino, — »cose ignee«, wie Armenini, 1. c, p. 201, wünscht. — Auch bezuglose Oelgemälde, denen man einen Ehrenplatz gönnte, kamen wohl über das Kamin zu stehen; Vasari XI, p. 229, v. di Garofalo. — Kaminfresken in Frankreich, ibid. XII, p. 72, v. di Salviati.

Neben jenen flüchtig gemalten Scheinarchitecturen , von welchen Lomazzo spricht, gab es doch schon seit Anfang des XVI. Jahrh. bessere, von Meistern, welche im Stande waren, eine gewisse Illusion in reichen Bauformen hervorzubringen. Was von Peruzzi in dieser Weise Gemaltes noch vorhanden ist, weiss ich nicht anzugeben. Im Speisesaal von Giovio’s Villa (Paul. Jov. Musei descriptio) war eine Scheinhalle sehr täuschend gemalt. Für die Zeit um die Mitte des XVI. Jahrh. Vasari XII, p. 184, v. di Zucchero. — Wie schon Bramante sogar eine wirkliche Vertiefung zu Hülfe nahm, um einen Halleneffect hervorzubringen, s. §. 83.


VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern,


347


§. 170.

Decorative Bemalung von Baut heilen.

Gemalte Pilaster, Bogenfüllungen und Priese, welche als Ein- fassungen von Fresken des XV. Jahrhunderts häufig Vorkommen, erhalten eine Ausfüllung mit Zierformen, welche wesentlich von der in der Marmordecoration vorkommenden abgeleitet ist.

Eine Aufzählung solcher einrahmenden Malereien zumal der perugi- nischen Schule s. Cicerone, S. 277, ff.; III. Aull. S. 285. — Von den Florentinern soll Andrea di Cosimo und besonders Filippino Lippi das grösste Verdienst dabei gehabt haben; Vasari V, p. 32, v. di Cosimo Rosselli; ibid. p. 242, 250, v. di Filippino Lippi. — Bei den Paduanern, welche schon in ihren Bildern selbst so viele reichornamentirte Architectur darstellen, mag Squarcione mit seiner Sammlung (§. 25) den Hauptanstoss gegeben haben, doch malte um 1453 ein Donatello bewunderte Decora- tionen im Bischofshof zu Treviso (Memorie trevigiane I, p. 97 und 111), und diess könnte wohl der berühmte Florentiner gewesen sein; über dessen damaligen Aufenthalt im östlichen Oberitalien, Vasari III, p. 257, Nota, v. di Donato.

Schon die Steinfarbe, hie und da mit etwas Gold, bringt eine nahe Verwandtschaft zur gemeisselten Decoration mit sich. Sehr schön in den Einfassungen von Mantegna’s Fresken (Eremitani , Padua) der Contrast des Steinfarbigen mit den farbigen Festons, an welchen Putten klettern.

Wichtiger ist die Decoration der wirklichen Pilaster, Friese etc. zumal in den oberitalienischen Kirchen, wo die Construction aus Back- stein mit Mörtel keinen bessern Ersatz für den mangelnden Adel des Stoffes zu finden wusste als eine oft sehr reich figurirte, vollfarbige Bemalung.

An irgend eine sachliche Beziehung band man sich dabei nur ober- flächlich oder gar nicht (vgl. §. 184); die tausendfach vorkommenden . Putten oft kindlich muthwillig; eimNereidenzug als Fries in der Gupolette der von Falconetto (§. 26) ausgemalten Capelle in S. Nazario e Gelso zu Verona. Gute bloss ornamentale Arabesken auf dunklem Grunde, an den Pfeilern dieser Kirche, sowie in der Incoronata zu Lodi (Bramante); — vorherrschend ornamentale vielleicht von Alessandro Araldi (st. 1528) am ältern Theil der Pilaster von S. Giovanni zu Parma; — Aehnliches in S. Sisto zuPiacenza; — edel und reich die Pfeilerbemalung in Monastero maggiore zu Mailand (Fig. 209), dessen hintere Hälfte ein fast völlig rein erhaltenes Beispiel lombardischer Decoration ist. — Endlich gehören hieher


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Zweites Buch, Decoration.


Fig. 209 . Pfeiler vom Monastero maggiore zu Mailand. (Lasius.)


die aus je drei farbigen Pilasterflächen bestehenden Wandpfeiler der Libreria im Dom von Siena.

Unter den vorherrschend figu- rirten Decorationen, zum Theil aus Goreggio’s Schule, sind zu nennen : der Fries in S. Giovanni zu Parma und derjenige (mit lauter Genien) in S. Benedetto zu Ferrara. Schon später und schwülstiger: die Sachen in der Steccata zu Parma, in S. Francesco zu Ferrara (von Girolamo da Garpi) u. A. m.

Ein Unicum sind die ausgedehn- ten Malereien, welche Luca Signorelli an den W änden unterhalb seiner berühmten Weltgerichtsfresken an- brachte; grau in grau gemalt, ahmen sie Steinsculpturen nach, wie sie S. gerne in seinen Bildern darstellte, und zwar reiche Arabesken sowohl als Figürliches, letzteres mit einer Menge von Beziehungen auf die Haupt- bilder; — in der Mitte der Felder vollfarbig und theils rund, theils qua- dratisch eingefasst, die Halbfiguren der Dichter des Jenseits.

§. 171 .

Gewölbemalerei der Früh- renaissance,

Die Gewölbemalerei, während des ganzen Mittelalters in den italienischen Kirchen heimisch, hatte hie und da etwas von dem- jenigen decorativen Character, den sie einst bei den Römern gezeigt hatte.

Es ist hiemit hauptsächlich die Decoration von Cimabue in der Ober- kirche S. Francesco zu Assisi gemeint



VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern. 349

(drittes Kreuzgewölbe des Langhauses, vom Portal an gezählt): Medaillons mit Brustbildern, Festons aus Vasen hervorsprjessend, welche von Genien auf dem Haupt getragen werden u. s. w. Eine deutliche Nachwirkung altchristlicher Gewölbemalereien.

Sonst aber herrschen, zumal in der Schule Giotto’s, an den Gewölben heilige Gestalten und selbst Historien (Incoronata zu Neapel) auf blauem Grunde vor, und auch die Renaissance ging häufig darauf ein. Die Halb- kuppeln der Chornischen erhielten grosse Frescodarstellungen der himm- lischen Herrlichkeit, mit der Himmelfahrt Christi oder Krönung Mariä (Filippo Lippi, Borgognone, Melozzo); auch behauptete die Gewölbemalerei im eigentlichen Sinn, wovon unten, einen sehr hohen Rang.

Eine reichere Blüthe decorativer Gewölbemalerei ergab sich dann im XV. Jahrhundert , zugleich mit der zunehmenden Befreiung vom Kreuzgewölbe (welches kein Mittelbild duldet) und von den Rippen und Gurten (§. 48). Dieselbe Fähigkeit, gegebene Flächen in denkbar schönster Weise auszufüllen, welche sich im Marmor (§. 131, 134) und in ‘der Holzdecoration (§. 159, ff.) offenbart, äussert sich hier im Gewände der Farbe mit schrankenloser Fülle und Freiheit, in welt- lichen Gebäuden wie in Kirchen. Die Urheber sind zugleich grosse Historienmaler.

Zu den frühsten, vielleicht noch halbgothischen Arbeiten mochten die goldenen Thiere auf blauem Grund an den gewölbten Decken im Castell von Pavia gehören, welche die Ergänzung zu den berühmten Wandfresken bildeten (Anonimo di Morelli). Der blaue Grund schon in den schönsten decorativen Mosaiken des V. Jahrh.

Das späteste gemalte gothische Masswerk, gold auf blau, §. 23.

Zunächst musste dann die Renaissance schon vorhandene gothische Gewölbe decoriren; — herrliche Malereien in der Chormuschel von Man- tegna’s Capelle in den Eremitani zu Padua, grüne Festons mit weissen Bändern auf blauem Grund, dazwischen Figuren und Medaillons ; — ferner die des Girol. Mazzola an den oblongen Kreuzgewölben im Hauptschiff des Domes von Parma, farbige Medaillons mit Brustbildern, Putten, Fe- stons etc. ; die Rippen zweifarbig eingerahmt. — Endlich enthält eines der ältern Zimmer des Appartamento Borgia im Vatican, mit Fresken angeblich von Pinturicchio , an den Kappen seiner noch fast gothischen Kreuzgewölbe prächtige Arabesken mit farbigen Figuren und goldenen Architecturmotiven auf dunkelblauem Grunde, zum Theil bereits in Stucco reliefirt (wahrscheinlich vor 1495; vielleicht mit Beihülfe des Torrigiano, Vasari VII, p. 206, v. di Torrigiano).

Im Einklang mit den freiern Gewölbeformen der Frührenaissance


350


Zweites Buch. Decoration.


und nach völliger Beseitigung der Rippen sind dann namentlich eine Anzahl prächtiger Decorationen in Oberitalien componirt: diejenigen im Querschiff der Certosa von Pavia und der Vorhalle des Hofes daselbst, letztere höchst zierlich und originell in der Anordnung, vielleicht von Bernardino Luini.

Die Capelle Falconetto’s (§. 170) zu Verona; das Decorative vor- herrschend Steinfarbe, die Figuren vollfarbig; offenbar mit eifrigem Streben, sich den antiken Zierformen mehr zu nähern.

Von seinem Mitarbeiter Franc. Morone das freier und leichter com- ponirte Gewölbe der Sacristei bei S. M. in Organo zu Verona.

Am Gewölbe eines Gemaches neben dem Pavillon Coreggio’s im Kloster S. Paolo zu Parma ausgezeichnet schöne, mässig figurirte Arabesken auf dunkelblauem Grunde, von Aless. Araldi.

Auch das prächtige Gewölbemosaik in der Sacristei von S. Marco zu Venedig, freischwebendes Rankenwerk mit Medaillons, mag hier wenigstens erwähnt werden.

Endlich ist hier der wenigen erhaltenen kleinen Gewölbe mit elegantem glasirtem Cassettenwerk aus der Werkstatt der Robbia zu gedenken: über dem Tabernakel des Altares im Schiff von S. Miniato bei Florenz ; in der Vorhalle der Cap. de’ Pazzi bei S. Croce ebenda; in der Vorhalle des Domes von Pistoja etc. Das Hauptwerk, nämlich das Gewölbe in dem Prachtstübchen Cosimo’s d. ä. mit reicher figürlicher Zuthat, ist unter- gegangen; Vasari III, p. 65, v. di Robbia,

♦ ■ / .

§. 172 .

Gewölbemalerei der peruginischen Schule.

Die peruginische Schule fasste bei ihren zahlreichen Gewölbe- malereien ihre Aufgabe ziemlich unfrei so auf, als hätte der decorative Theil vor Allem ein Steingerüst zu vergegenwärtigen.

Nachdem man die wirklichen Rippen los geworden, führt sie ein gemaltes Rippenwerk wieder ein und macht gar keinen Gebrauch von der schon bei Mantegna vorkommenden Umdeutung der Kanten in Frucht- schnüre.

Ausfüllung der einzelnen Abtheilungen durch farbige Gestalten oder Rundbilder, und theils farbige, theils steinfarbene Nebenbilder, Nach- ahmungen von Reliefs u. dgl.

(Ein älterer peruginischer Maler, Benedetto Bonfigli, malte laut Ma- riotti, lettere pittoriche perugine, p. 225, Nota, in Rom für Innocenz VIII. »schöne und zierliche Gr ottesken«. Er stand indess ausserhalb der Schule Pietro’s, mit welcher wir es hier zu thun haben.)





353


VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern.

Zum Besten gehören die von Pietro’s Schülern gemalten Gewölbe im Cambio zu Perugia;

und das von ihm selbst herrührende in der Stanza dell’ Incendio (Vatican), welches Rafael als Werk seines Lehrers schonte, obwohl es sich neben dem grossen und freien Styl seiner eigenen Compositionen sehr ängstlich ausnimmt.

(In der Camera della Segnatura hat Rafael zwar die Eintheilung und mehrere kleinere einzelne Darstellungen, von Soddoma, beibehalten, die Hauptfelder des Gewölbes aber neu gemalt. Da diese vaticanischen Räume, und zwar ziemlich sorglos und ungenau, mit Kreuzgewölben gedeckt sind, so können die genannten Decorationen nicht eigentlich als massgebend für die Renaissance gelten, Fig. 210.)

Pinturicchio (§. 171) ist in der Anordnung seines Chorgewölbes in S. M. del Popolo zu Rom ganz besonders herb und steinern, obwohl das Detail schöne Partien und das Ganze (mit Mariä Krönung und den Kirchen- vätern, Evangelisten und Sibyllen) eine ernste Wirkung hat.

Die von ihm ausgemalte Capelle in Araceli und die Sacristei von S. Cecilia (vielleicht von ihm) sind im Gewölbeschmuck wenigstens be- achtenswerth.

Einen grossen Fortschritt in der Kenntniss der Farbenwirkung, in der Freiheit der Eintheilung und in der Fülle und Auswahl der Zierformen zeigt dann sein Gewölbe (eine volta a specchio, §. 55) in der Libreria des Domes zu Siena. Der sehr liberale, nur auf möglichste Schönheit dringende Abschnitt des mit ihm 1502 geschlossenen Contractes (§. 174) bei VasariV, p. 286, Comment. zu v. di Pinturicchio und bei Milanesi III, 9. Schon verräth sich in der Abwechselung der Farbenflächen ein Einfluss antiker Malereien in der Art der Titusthermen. (P.’s Malereien in der Engelsburg sind untergegangen.)

Wiederum auf der herbem Tradition der peruginischen Schule be- ruhen die Gew^ölbemalereien Garofalo’s in zwei Räumen des erzbischöfl. Seminars zu Ferrara (1519); doch gemildert durch eine gewisse Anmuth des Details und gerechtfertigt durch die Strenge des bloss zweifarbigen Vortrages in den decorativen Theilen. — Ernst und vortrefflich: die ganze Gewölbedecoration in S. Benedetto zu Ferrara (§. 170).

In der Farnesina zu Rom bewunderte man am Gewölbe der Halle links schon frühe die völlig täuschende Wirkung des gemalten Stein- gerüstes; Vasari VIII, p. 223, v. di Peruzzi.

Auch Michelangelo wählte für seine hochernsten Gewölbemalereien in der sixtin. Capelle ein strenges Steingerüste zur Einfassung, allein er belebte dasselbe durch und durch mit den herrlichsten Füllfiguren jedes Grades und Vortrags und verschiedener Farbe, abgesehen von den Haupt- gestalten und Historien.

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aull. 28


V


I


354 Zweites Buch. Decoration,

§. 173 .

Die ersten Stuccaturen.

Neben der Malerei und bald auch in Verbindung mit ihr hatte sich an den Gewölben schon um die Mitte des XV. Jahrhunderts eine plastische Decoration aus Gyps oder Stucco eingefunden, Anfangs wohl zur Darstellung der Cassetten , später zu stärkerer Betonung der Formen jeder Art. (Vgl. §. 201.)

L. B. Alberti, der sich der Berechnung und Ausbildung der Stucco- Cassetten für jede Art von Gewölben ausdrücklich rühmt (§. 48), meldet de re aedißcatoria L. VI, c. 9: signa und sigilla (d. h. wohl verzierte Quadrate und einzelne Figuren) von Gyps in Formen gegossen und durch einen Firniss (unguentum) dem Anschein des Marmors genähert, seien in zwei Arten üblich: in Relief (prominens) und in Vertiefung (castigatum et retunsum), erstere mehr für Wände passend, letztere mehr für Gewölbe, da hängende reliefirte Theile leicht 'abfielen. (Um 1450.)

In farblosem Stucco sind in der That Donatello’s Reliefs und Orna- mente am Gewölbe der Sagrestia vecchia bei S. Lorenzo in Florenz ge- arbeitet. Es ist die erste vollständige Emancipation vom Gewölbeschmuck des Mittelalters, wahrscheinlich bereits beruhend auf Studien nach (damals besser als jetzt erhaltenen) römischen Gewölben. Ueber diese und andere Stuccosachen Vasari III, 244, 253, 260, v. di Donatello.

Sodann liebten es mehrere Maler des XV. Jahrh. in ihren Fresken und sogar in Tafelbildern (Carlo Grivelli) gewisse Partieen , namentlich Waffen, Attribute und Architecturen erhaben aus Stucco aufzusetzen; wie z. B. in den Fresken der Legende der h. Gatharina im Appartamento Borgia (vielleicht von Pinturicchio), wo die Prachtbauten, Triumphbogen etc. erhöht und vergoldet hervortreten ; Aehnliches in den Gewölbedecorationen eines dieser Säle, §. 171, ist dann schon eigentliches vergoldetes Stucco- Ornament. Man wünschte ausser der Farbe noch ein stärker wirkendes Element, wenigstens für einzelne Theile der Decoration.

Ausserdem war man im XV. Jahrh. des Gypses und anderer giess- baren und modellirten Stoffe gewöhnt von der Festdecoration her, wo dergleichen für den Augenblick massenweise verbraucht wurde.

Doch bleibt die Gewölbeverzierung (abgesehen von eigentlichen Male- reien) noch das ganze Jahrhundert hindurch wesentlich eine möglichst wohlgefällige Ausfüllung der einzelnen Gewölbetheile mit gemaltem Ranken- werk, Rundbildchen, Putten, Guirlanden u. s. w.


VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern.


355


§• 174.

Einwirkung der antiken Grottesken.

Eine allgemeine Veränderung ging in der ganzen Decoration der Mauern und besonders der Gewölbe vor sich seit der Entdeckung (oder nähern Prüfung) der sogenannten Grotten, d. h. verzierter Räume von Thermen und Palästen des Alterthums. Die Verhältnisse von Stucco und Farbe, sowie die Formen, Eintheilungen und Gegenstände, welche man hier vorfand, machten den stärksten Eindruck auf die beginnende Hochrenaissance und wurden theils mehr unmittelbar nach- geahmt, theils mit dem bisherigen System verschmolzen. Die Nach- wirkung dehnte sich auch auf alle übrigen Gattungen der Decoration aus.

Der Name Grottesken, durch spätem Verfall der Gattung zu einer schiefen Bedeutung herabgekommen, bezeichnte damals die von den antiken Grotten abgeleitete Decoration. Der frühste officielle Gebrauch in dem §. 172 erwähnten Gontract mit Pinturicchio 1502: er sei ver- pflichtet, das Gewölbe der Libreria zu schmücken mit solchen Phantasien, Farben und Eintheilungen, die er für das Zierlichste, Schönste und Wirk- samste (vistosa) halte, in guten, feinen und festhaftenden Farben, nach derjenigen Art (forgia, lies foggia?) und Zeichnung, welche man jetzt grottesche heisst, mit abwechselndem Schmuck der einzelnen Felder (con li campi variati) so schön und zierlich als möglich.

Der Anfang des Studiums der »Grotten« soll geschehen sein durch einen gew. Morto da Feltre, von welchem nur Vasari (IX, p. 106, ss., v. di Morto) etwas weiss. Derselbe kam jung nach Rom zu der Zeit, als Pinturicchio im Appart. Borgia und in der Engelsburg für Alexander VI. malte, also 1492—1495. Er zeichnete nicht bloss, was er in Rom »Unter- irdisches« erreichen konnte (ohne Zweifel besonders die Titusthermen), sondern auch, was m der Villa Adriana bei Tivoli und in Pozzuoli, Bajä und Umgegend noch vorhanden war. Hierauf soll er nach einem kurzen Aufenthalt in Rom sich nach Florenz und später nach Venedig begeben haben. Von seinen decorativen Arbeiten in beiden Städten ist nichts mehr erhalten und ebensowenig von denjenigen seines florentinischen Schülers Andrea Feltrini, eines sehr vielseitigen Decorators auch für Fassaden, Zimmerdecken, Prachtfahnen, Laubwerk für kostbare gewirkte

Stoffe u. s. w.

Zunächst musste ein dauerhafterer Stucco wieder erfunden werden, der nicht mehr stückweise abfiel (§. 178). Das Recept Vasari s I, p. 124, Introduz., c. 4; — Hauptstelle Vasari XI, p. 802, s., v. di Udine; statt des Marmorstaubes auch pulverisirte Kiesel, XI, p. 6, v. di Gherardi. Jetzt


356


Zweites Buch. Decoration.


erst konnten auch grosse reich cassettirte Gewölbe mit Leichtigkeit her- vorgebracht werden.

Die Hauptbedeutung des Stucco war aber, dass er erst das Gewölbe zu einer freien Prachtform (§. 55) erheben half, dass er den Eintheilungen Kraft und Leichtigkeit gab und in der Darstellung von Formen jeder Art mit der Malerei abwechselte und wetteiferte, dann wieder mit ihr gesetzlich theilte, auch leicht in eigentliche Sculptur überging, und alle denkbaren Ziermotive auf jeder Stufe des Idealen oder Wirklichen farbig, weiss oder golden herzauberte*

Rechnet man hinzu, dass gleichzeitig die decorative Malerei bald in bald ausser Verbindung mit dem Stucco ihr Höchstes leistete, und dass diese ganze Decoration bald mehr für sich, bald mehr für die wichtigsten Fresken existirt, welchen sie zur Einfassung dient, dass die grössten Meister sich ihrer annahmen , und dass jede Schule , jede Stadt das Pro- blem anders auffasste, so ergibt sich ein enormer Reichthum an Motiven, der das aus dem Alterthum Erhaltene unendlich überbietet* Letzterm verdankt man aber den entscheidenden Anstoss, ohne welchen diese grosse Bewegung doch nicht zu denken ist.

§. 175.

Rafael und Giovanni da Udine.

Es war entscheidend für den neu aufblühenden Kunstzweig, dass Rafael sich in hohem Grade an demselben betheiligte, ihn durch eigene Werke auf die volle Höhe hob und seine wichtigsten Schüler dafür gewann.

Das erste bedeutende Werk, welches den Einfluss der »Grotten« zeigt, Pinturicchio’s Gewölbe der Libreria im Dom zu Siena (§. 172) muss bereits dem Rafael bekannt gewesen sein, wenn er dem Pinturicchio Com- positionen zu den dortigen Fresken lieferte.

In Rom, noch nicht unter Julius II., wohl aber unter Leo X. beginnt, offenbar im Zusammenhang mit seinen Alterthumsstudien (§* 27), seine grosse decorative Thätigkeit, hauptsächlich mit Hülfe des Giovanni da Udine, welcher aus Giorgione’s Schule zu ihm gekommen war, und auch in Rafaels Gemälden hie und da für die Nebensachen gebraucht wurde. Vasari XI, p. 300, ss. , v. di Udine. Ausser den Titusthermen dienten auch die damals noch erhaltenen Reste in den Diocletiansthermen und im Colosseum als Muster. (Facsimile von Udine’s Studien nach letztem in dem Sammelwerke von Basan*)

Loggien des Gortile di S* Damaso im Vatican: im untern Gang die Gewölbe von Udine, wahrscheinlich bloss nach allgemeiner Anweisung



VH. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern. 357

/ L

Rafaels ausgemalt mit Rebenlauben, welche mit anderem Laubwerk durch- zogen und von allerlei Thieren belebt sind ; unabhängig von antiken Mustern, ein Werk der besondern Meisterschaft des Udine in solchen Gegenständen.

Der weltberühmte mittlere Gang (Fig. 211), 14 Arcaden mit quadratischen Gewölben a specchio, von Rafael erbaut und ohne Zweifel für die betreffende Ausschmückung so entworfen ; letztere soll er ( Vasari VIII , p. 41 , v. di


Fig. 211. Loggie im Vatican zu Rom.


Raffaello) vollständig selber vorgezeichnet haben ; die Ausführung von Udine und dessen Geholfen, zum Theil auch von Perin del Vaga (Yasari X, p. 142 , v. di Perino) ; die biblischen Compositionen , vier in jedem Ge- wölbe, sind von andern Schülern ausgeführt. Die Decoration, mit grösster Freiheit zwischen Stucco und[ Malerei wechselnd, folgt den antiken Mustern nur in einzelnen Motiven der Gewölbe, in den Leibungen der Rogen und in denjenigen Theilen der Pfeiler, welche aus eingerahmten Einzelbildern bestehen ; weit das Meiste ist volle Erfindung Rafaels, namentlich die auf-


Zweites Bach» Decoration.


steigenden, aus Figuren, allerlei Zierrath und Laubwerk jedesmal neu gemischten Füllungen der Hauptpilaster. Schönste und klarste Gliederung und Abstufung des Schmuckes; unermesslicher Reichthum an künstleri- schen Ideen jeder Art. Die Fenster, welche aus dem Gang in das Innere des Palastes schauen, heben sich ab von einem himmelblauen Grunde und sind umhängt mit vollfarbigen Fruchtschnüren, welche zu den besten Sachen des Udine gehören. Die zahllosen einzelnen Bildchen, gemalte und stucchirte (zum Theil wie Cameen), sowie aller figürliche Schmuck überhaupt (absichtlich) ohne Bezug auf die biblischen Darstellungen, hie und da direct aus dem Alterthum entlehnt (Fig. 212).

Schon um 1550 wurden die Loggien vollständig für einen Handels- genossen der Fugger in Antwerpen und noch einmal für Spanien copirt, wobei man selbst den glasirten Fussboden (§. lßO) als etwas für die Wirkung Wesentliches nicht vergass. Armenini, p. 180.

Mit den genannten Hauptpilastern nahe verwandt : die drei erhaltenen Seitenrandbilder an Rafael’s Tapeten , herrlich im Raum gedacht ; das vorzüglichste mit den drei Parzen.

Von den bloss mit Decoration geschmückten Tapeten, welche Udine entwarf (§. 271), ist nichts erhalten.

Von Udine allein sollen die Stuccaturen und Malereien in der untern Halle der Villa Madam a bei Rom herrühren; schon als Bauwerk durch die Abwechselung der Gewölbeformen für den vielseitigsten Reichthum der Decoration und durch ihre Nischen für die Aufnahme von Statuen bestimmt, gewährt die Halle noch in ihrem jetzigen Ruin eine unver- gleichliche Ergänzung zu den Loggien. Vasari X, p. 90, v. di Giulio.

, Das dritte Hauptwerk, das gemalte Gewölbe des grossen vordem Saales des Appartamento Borgia im Vatican, mit den Bildchen der Planeten- gottheiten und dem Mittelbilde von vier schwebenden Victorien um ein päpstliches Wappen, vielleicht als Ganzes am meisten antik; die Formen und Farben und ihre Vertheilung im Verhältniss zu den Proportionen des Saales vollkommen. (Von Udine und Perin del Vaga, erst nach Rafaels Tode; auf Wandfresken berechnet.)

In der Farnesina sind u. a. von Udine die schönen Fruchtschnüre, womit die abgerundeten Kanten der Gewölbe in der vordem Halle (mit Rafaels Geschichten der Psyche) bemalt sind (Fig. 218).

Was in der Engelsburg, im Pal. Grimani zu Venedig, in Cividale und in seiner Vaterstadt noch von ihm erhalten ist, weiss der Verfasser nicht anzugeben. Das Meiste von dem, was Vasari anführt, ist unter- gegangen. — Von decorativen Glasmalereien des Udine sind noch Reste in einem Gang der Certosa bei Florenz.







VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern. 3ßl

§. 176 .

Giulio Romano und Perin del Vasra.


Von Rafaels Schülern war Giulio Romano am meisten in die Alterthumsstudien (§. 27) und auch in die Kenntniss dieser reichen


Fig. 21B. Farnesina zu Eom.


antiken Decoration eingeweiht und wurde dafür während seiner spätem Laufbahn zu Mantua besonders bei der Ausschmückung des Palazzo del Te in Anspruch genommen. Perin del Vaga , im Dienste des



362


Zweites Buch. Decoration.


Andrea Doria zu Genua ; schmückte seit 1529 in dessen Palast die Decken und Gewölbe mit ausgesuchten Motiven der verschieden- sten Art.

Giulio’s Fertigkeit im Stucco überhaupt und seine Vorliebe dafür zeigte sich auch an seinem eigenen Hause zu Mantua, innen und aussen ; Vasari X, p. 109, v. di Giulio. — Noch in R.om von ihm einige Gewölbe in Villa Lante.

Im Pal. del Te (§. 119) zu Mantua massenweise und reiche Stucca- turen, zumTheil für sich, zum Theil als Einfassung von Deckengemälden; besonders herrlich das Tonnengewölbe der grossen untern Haupthalle; — im Palazzo Ducale ebenfalls mehrere ausgezeichnete Räume. — Einzelne Proben in dem Werke von Grüner.

Perino’s Arbeiten im Pal, Doria zu Genua : die untere Halle mit eigenthümlich eingetheiltem und geschmücktem Soffito und ringsum laufen- den Gewölbezwickeln, an welchen sitzende Göttinnen sehr glücklich an- gebracht sind; — die Galeria mit den Wandfresken der Helden des Hauses Doria und mit einem Gewölbe der allerhöchsten Pracht, welches alle möglichen flachen und erhabenen, einfarbigen und vielfarbigen Darstellungs- weisen auf relativ kleinem Rauine in sich vereinigt ; — ein Saal mit dem Deckenbild des Gigantenkampfes , dessen Rahmen oder rings'umlaufender Gewölbeansatz eben so schön als prachtvoll ist; — mehrere Zimmer mit Mittelbildern an der Decke und jeder Art figurirten und decorativen Schmuckes an den Zwickeln, innern Kappen und Lünetten der Gewölbe- ansichten ringsum (Fig. 214). — (Einige Zimmer, meist weiss stucchirt, sind von etwas neuerem Styl.) Vgl. Vasari X, p. 159, ss., v. di Perino. — Seine sonstigen äusserst zahlreichen Arbeiten dieses und verwandter Zweige, etwa mit Ausnahme derjenigen in der Engelsburg (ibid, p. 172), sind meist untergegangen, und ebenso die Capellen in römischen Kirchen, welche er zuerst mit »Grottesken« in diesem neuern Sinne geschmückt zu haben scheint (ibid. p. 165, 170). Doch mag Manches erhalten sein, was seinen Namen nicht trägt, da er in seinen spätem römischen Zeiten Entwürfe für alle möglichen Decorationssachen lieferte, und die Bestel- lungen zu geringen Preisen an sich riss.

Eine nahe, obwohl nicht genau zu ermittelnde Verwandtschaft mit der rafaelischen Schule verräth auch die ungemein schöne gewölbte Decke im hintern Gartenhaus des Pal. Giustiniani, ehemals Haus des Luigi Gor- naro (§. 119), zu Padua. Die Stelle über dieses Haus beim Anonimo di Morelli, wo von Rafael die Rede ist, bezieht sich jedoch nicht auf diesen Nebenbau.








VII. Kapitel* Malerei und Stucchirung des Innern.


365


§. 177.

Der weisse Stucco,

Neben dem farbigen Stucco bildet sich eine besondere Uebung des weissen, höchstens mit Gold massig geschmückten aus, für Räume und Gewölbe, welchen man einen ernsten feierlich plastischen Character geben wollte, sowie auch für solche, welche der Witterung ausgesetzt waren.

Unvergleichlich schön und von den »Grotten« ganz unabhängig die weisse und goldene Gewölbeverzierung der Antoniuscapelle im Santo zu Padua, ausgeführt von Tiziano Minio, entworfen entweder von Falconetto oder von Jacopo Sansovino: Vasari IX, p. 208 und Nota, v. di Fra Gio- condo. — Falconetto’s Schwiegersohn, Bartol. Ridolfi von Verona, galt in der Folge als der trefflichste Stuccodecorator dieser Gegenden. Die Stelle aus Lomazzo über andere oberital. Decoratoren §. 137.

Das mächtige cassettirte Tonnengewölbe der Sala regia des Vaticans (§. 101) mit Wappen und Genien beinahe in Freisculptur ; ein für diese Stelle und für die sich schon neigende Kunstzeit sehr schön gedachtes Werk des Perino und des Daniele da Volterra (dessen sonstige decorative Arbeiten, Vasari XII, p. 85 — 92, wohl alle zu Grunde gegangen sind). — Offenbar in naher Verwandtschaft hiemit: die letzte Capelle im linken Querschiff von S. M. del popolo.

Ueber einzelne sehr schöne Motive in farblosem Stucco, von Baldassar Peruzzi, weiss der Verfasser keine nähere Auskunft zu geben. (Titelblatt von Gruners Decorations etc.)

Vorzüglich schön, obwohl nicht mehr ganz rein im Styl, die weissen Stuccaturen in der hintern untern Halle und am Treppenhause des Con- servatorenpalastes auf dem Capitol. Sie entstanden vermuthlich noch unter Aufsicht Michelangelo’s, welcher auch für S. Peter das Hauptmotiv der vergoldeten Gewölbecassettirung muss angegeben haben, obwohl er sonst das Detail der Zierformen nicht liebte (§. 137) und seine Gewölbe- malerei in der sixtinischen Capelle davon gänzlich frei hielt.

Ein vorzügliches Ensemble die Capelle der Cancelleria zu Rom; an den Wänden unten geringe Malereien in schön gegliederten Rahmen ; dann über einem reichen Gonsolengesims grosse Halbkreisbilder in zier- lichen Rahmen ; endlich die elegante reichgetheilte Gewölbedecke mit weissen Stuccofiguren auf Goldgrund, dazwischen vier kleine Bilder, Wappen und Embleme, mit sparsamer Anwendung weniger Farbentöne (Fig. 215 und 216).

Einzelne noch gute weisse Stuccoarabesken an den Wänden des Hofes in der Vigna di Papa Giulio.


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Zweites Buch. Decoration.


§. 178.

Spätere Decoration. smalerei und Stuccatur.

Als eine Aufgabe des feinsten Tactes und einer eigentümlich glücklichen Phantasie musste diese Decorationsweise merklich leiden, sobald sie bloss Gegenstand des Luxus und Sache von Künstlern wurde, welche nicht mehr das zum Ort und zur Gestalt des Baues Passende zu erfinden vermochten, schnell arbeiteten und dem Geschmack pompsüchtiger Besteller dienten.

Im Dogenpalast zu Venedig die Scala d’oro, hauptsächlich von Bat- tista Franco unter Leitung des Jac. Sansovino 1538, peinlich prächtig und ganz ohne den freien Schwung der rafaelischen Sachen ; — von Franco auch eine Capelle in S. Francesco della Vigna, mit kleinlich artig ausgemalten Cassetten, »alla romana«, wie Franc. Sansovino (Venezia, fol. 14) meint. Vgl. Vasari XI, p. 324, 328, 330, v. di Batt. Franco.

Im öffentlichen Palast zu Siena, Sala del Concistoro, das reich mit Decorationen und römischen Historien bemalte Gewölbe von Beccafumi 1535, welcher vorher in Genua mit Perino gearbeitet hatte; sehr um- ständlich bei Vasari VIII, p. 182, v. di Beccafumi. — Ueber Pastorino s 1552 vollendete Decoration in der Loggia degli Ufficiali (oder Casino de’ Nobili) muss ich auf Vasari VIII, p. 111, Commentar zu v. di Marcilla verweisen.

Besonders lehrreich ist bei Vasari XI , zu Anfang , das Leben des Cristofano Gherardi; die Decoration in Stucco und Farben erscheint hier bereits um 1540 im Dienste des schnellen Extemporirens, in verhängniss- voller Complicität mit der Festdecoration (die das Auge an Vergröberung aller Effecte und an Blendung gewöhnen musste) , und in allzu naher Verwandtschaft mit massenhafter Fassadenmalerei.

Ueber das Gewölbe einer Capelle in der Kirche zu Loretto , von Franc. Menzocchi muss auf Vasari XI, p. 94, v. di Genga verwiesen wer- den, — und über die Arbeiten des Forbicini auf XI, p. 134, v. di San- micheli; — über Vasari’s Hauptstuccator , den höchst resoluten (terribile) Marco da Faenza auf XIII, p. 15, s. , v. di Primaticcio; über die Arbeiten des Pellegrino Tibaldi ebenda, p. 11, s. ; es sind Gewölbestucca- turen und Altareinfassungen seines frühem Styles, nach 1550; deutlich verrathen die von ihm herrührenden Theile der Domfassade von Mailand

selbst im Marmor den kühnen Stuccator.

Nach 1550 von unbekannter Hand die graziösen gemalten Arabesken

am Gewölbe der Palazzina zu Ferrara.



Fig. 215. Aus der Capelle der Cancelleria. (Nohl.)








VII. Kapitel. Malerei und Stucchirung des Innern.


369


§. 179.

Verfall der Gattung.

In der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts erlischt der von den antiken Thermen und Palasträumen ausgegangene Antrieb mehr


Fig. 216 . Capelle der Cancelleria. Details. (Nohl.)


und mehr; die beginnende Gegenreformation dringt dem Gewölbe und dem Wandzierrath eine Menge erzählender Darstellungen und sach- licher Beziehungen auf, welche nicht so frei in Schönheit sich auflösen lassen, wie einst das Figürliche in den Loggien; die naturalistische Auffassung kommt hinzu, um diesen Scenen das schöne leichte Dasein

im decorirten Raum und den Zusammenklang mit demselben unmöglich Burekhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 24



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Zweites Buch. Decoration.


zu machen. Dagegen wird erst jetzt der Stucco mit der vollen Pracht, Freiheit und Energie als einfassendes, elastisch spannendes und tragen- des Element in den Gewölben gehandhabt. Auch die willkürlichste Einfassungsform, der Cartoccio (§. 50) wird massenweise gebraucht.

Die gemalten Deckenarabesken im ersten Gang der Uffizien zu Flo- renz 1581, von Poceetti; — diejenigen in der vatieanischen Bibliothek und in der Sala ducale des Vaticans, heiter und reich, aber schon sehr unrein ; — diejenigen der Galeria geografica ebenda, mit kirchengeschicht- lichen Scenen von Ant. Tempesta überladen.

Poccetti’s sonstige Arbeiten , immer vom Besten dieser Zeit : das mittlere Gewölbe in der Vorhalle der Innocenti zu Florenz, dann aus Stucco und Malerei gemischt : das Gewölbe der S. Antoniuscapelle in S. Marco und die kleine Hofhalle (links) in Pal. Pitti. — Ebenfalls relativ trefflich: ein von den beiden Alberti gemaltes Gapellengewölbe in S. M. sopra Minerva zu Rom, — und Einiges in den Gupoletten des rechten Seitenschiffes in S. Maria presso S. Celso zu Mailand, von Cerano-Crespi, Gampi etc.

Von den vorherrschend stucchirten Gewölben, unter welchen die bloss einfarbigen, etwa mit Gold, den Vorzug haben, ist wahrscheinlich dasjenige von S. Maria a’ nionti zu Rom (von Giac. della Porta?) das ein- flussreichste geworden, wie es denn wohl das schönste dieser späten Zeit sein mag. Nächst diesem, obwohl erst aus dem Anfang des XVII. Jahrh., das Gewölbe der Vorhalle von S. Peter, von Carlo Maderna.

Menge von einzelnen Prachtcapellen, zumal in Rom, seit etwa 1560; die Gewölbe um so viel derber und bunter als der Styl der Altar- und Wandgemälde naturalistischer, ihr vorherrschender Ton dunkler wird.

Um 1587 war ein Raisonnement möglich wie das des Armenini (de' veri precetti della pittura, p. 193): die Alten seien auf die Idee der Grot- tesken gekommen durch den Anblick zufälliger Mauerflecke, daher sei diese Gattung ohne alle Regel und voll von jeglicher Freiheit ; allerdings (p. 195) seien sie jetzt nach kurzer Blüthe rasch heruntergekommen, weil man den Ignoranten gefallen wolle, percioche le si dipingono crude, con- fuse et piene di sciocchi invenzioni, per li molti campi troppo carichi di bei colori che sono fuor di misura etc. (Woher soll aber Mass und Schönheit kommen, wenn man einen bloss zufälligen Ursprung zugibt und nicht ahnt, dass die antiken Decorationen von verzierten Bauformen abgeleitet sind? Schon aus Vitruv VII, 5 wäre etwas Anderes zu lernen gewesen.)

In Venedig und Neapel siegten inzwischen vollständig die Flachdecken mit grossen Eintheilungen für Gemälde (§. 159).


VIII. Kapitel. Goldschmiedearbeit und Gefässe.


371


VIII. Kapitel.

Goldschmiedearbeit und Gefässe.

§. 180 .

Allgemeine Stellung dieser Kunst.

Die Goldschmiedekunst der Renaissance aus den vielen Nach- richten und wenigen und unzugänglichen Ueberresten für die Betrach- tung einigermassen vollständig herzustellen ; ist uns unmöglich. Die Aufgaben bleiben meist dieselben ; wie zur gothischen Zeit, in den Nachrichten aber wird auf die grosse Stylveränderung kaum hinge- wiesen.

Was für die Welt verloren gegangen durch spätem Raub und durch Einschmelzung (vgl. z. B. Varchi, stör. flor. IV, 89), lässt sich ahnen, wenn man erwägt, dass Brunellesco, Ghiberti, L. della Robbia, Masolino, Pollajuolo, Verocchio, Finiguerra, Domenico Ghirlandajo, Sandro Botticelli, Andrea del Sarto u. a. theils als Goldschmiede begannen, theils es blieben. Die Goldschmiede waren in den wichtigem Kunstorten ein grosses Ge- werbe von erstem Rang. Die Statuten derjenigen von Siena 1361 bei Milanesi I, p. 57 und bei Gaye, carteggio I, p. 1 zeigen diess deutlich. Florenz hatte um das Jahr 1478 zwar nur 44 botteghe d’orefici, argen- tieri, gioiellieri (Fabroni, Laurent, magn. Adnot. 200), aber es waren darunter mehrere der angesehensten Künstler der Stadt. — Bei Franco Sacchetti, Nov. 215, die Prahlerei eines florentinischen Goldschmiedes, dass schon der Kehricht seiner Bade jährlich 800 Gulden werth sei.

Das XIV. Jahrh, hatte so viel in dieser Kunst gearbeitet und Email und Edelsteine schon mit solchem Raffinement angewandt, dass technische Fortschritte kaum mehr möglich waren. Das Einzige, was die spätere Zeit in dieser Beziehung hinzuthat, mag die leichtere Bearbeitung kost- barer Steinarten zu Prachtgefässen gewesen sein, auch wohl die Bereiche- rung des Emails mit einzelnen neuen Farben.

Antike Goldsachen waren so gut wie gar nicht vorhanden , sodass die Meister der Frührenaissance aus ihrem allgemeinen neuen Styl auch den der Goldarbeit entwickeln mussten. Die Sculptur der neuen Zeit, resolut und vielseitig wie sie war, kam ihnen auf wesentlich andere Weise zu Hülfe, als diess in frühem Jahrhunderten geschehen war.



372


Zweites Buch. Decoratioru


Wie sie die Flächen eintheilten, das Relief behandelten, Laubwerk, Thierköpfe, Thierfüsse, Masken etc. bildeten, Gold, Silber und Email in Gontrast setzten, Edelsteine und Gemmen einlegten u. s. w. , muss sich die Phantasie bei jeder einzelnen Aufgabe vorzustellen suchen, so gut sie kann. Im XV. Jahrh. war sowohl der edlere Prachtsinn als die Lust am höchsten Prunk und Putz gewaltig gestiegen und eine flüchtige Ueber- sicht der wichtigem Nachrichten, nach Gegenständen geordnet, wird zeigen, welch ein Feld dieser Kunst offen war.

§• 181 .

Kirchliche Arbeiten der Frührenaissance.

Während ganze silberne Statuen noch immer und bisweilen in bedeutender Grösse verfertigt wurden, hörte die Verfertigung silberner Altarschreme auf, höchstens beschränkte man sich auf weitere Aus- schmückung und Vollendung schon früher angefangener.

Ueber silberne Heiligenfiguren verliert Vasari kaum irgendwo ein Wort; wahrscheinlich war das Meiste davon, als er schrieb, schon wieder eingeschmolzen. Ellenhohe Heilige, Engel u. s. w. , theilweise emaillirt, auch eine silberne Gruppe von Mariä Himmelfahrt mit Engeln, auf einem Untersatz mit emaillirten Historien , Werke des Gio. Turini (§. 149) aus den Jahren 1414 bis 1444, im Gommentar zu v. di Pollajuolo, Vasari V, p. 105, ss. — Siena, um welches es sich hier handelt, besonders die Sacristei des Domes, war reich an solchen Arbeiten; Milanesi II, p. 184, 220, s., 278, 291, ss., 328, 350, s., wo zum Theil die Werke Turini’s ebenfalls erwähnt sind. — Ein silberner Christus eine Elle hoch (vom Jahr 1474) bei Sansovino, Venezia, fol. 97.

Köpfe von Silberblech oder vergoldetem Erz für Schädel von Heiligen scheinen um diese Zeit ausser Gebrauch gekommen zu sein, doch Hessen die Sienesen noch 1466 das Haupt ihrer Ortspatronin S. Gaterina so einfassen, Milanesi II, p. 332.

Eine Ausnahme durch Gewicht und Grösse mag die silberne Statue gebildet haben, welche der frevelhafte Cardinal Pietro Riario kurz vor seinem Ende (1473) in den Santo nach Padua schenkte; Vitae Papar., ap. Murat. III, II, Gol. 1060. — Auch die silbernen Apostel der päpst- lichen Gapelle, wovon Verocchio einige verfertigte (Vasari V, p. 140, v. di Verocchio) mögen von besonderer Grösse gewesen sein.

Für silberne und goldene Altarschreine besass namentlich Venedig noch mehrere Vorbilder in Gestalt seiner byzantinischen »pale« ; Sansovino, Venezia, fol. 63, 74, u. a. a. O. ; Sabellicus, de situ venetae urbis, fol. 85, 90. — Doch ging diese Gattung jetzt völlig ein; höchstens wurde an den berühmten silbernen Schreinen des Baptisteriums von Florenz und der



VIII. Kapitel. Goldschmiedearbeit und Gefässe,


373


Gathedrale von Pistoja (Vasari II, p. 11, 12 und Nota, v. di Agostino e Agnolo) noch hie und da etwas gearbeitet. (Vasari V, p. 92, v. di Polla- juolo). - — Die Krönung Mariä mit Engeln, 150 Pfund an Silber, welche Julius II. nach S. M. del Popolo stiftete (Albertini , de mirabilibus urbis Romae,

L. IIP, fol. 86), mag eher eine Freigruppe gewesen sein. — Die Herrlichkeit der Mar- moraltäre (§. 144) liess die silbernen völlig vergessen. Ein Bronzealtar §. 147. — Die Florentiner sollen 1498 aus Geldnoth die pala ihres Domes und alle Silbersachen der Annunziata eingeschmolzen haben ;

Malipiero, archiv. stör. VII, I, p. 526.

Auch von Monstranzen ist kaum die Rede, etwas häufiger von silbernen Leuch- tern und Reliquienbehältern.


Ob auch nur eine einzige bedeutende Monstranz der Frührenaissance, ja der italienischen Renaissance überhaupt vor- handen ist? das decorative Vermögen der Zeit müsste sich daran auf entscheidende Weise zeigen. Ein Gontract für eine Mon- stranz 1449, Milanesi II, p. 259.

Von den Hängelampen der Annunziata in Florenz (Vasari V, p. 66, v. di Ghir- landajo) und von den gewiss ausserordent- lich schönen, drei Ellen hohen Leuchtern des Ant. Pollajuolo (ib. p. 93, v. di Polla- juolo) ist nichts mehr erhalten. Dagegen in S. Marco zu Venedig eine elegant ge- schmückte Hängelampe (Fig. 217). — Ein Gontract für einen silbernen Prachtcande- laber in Siena 1440 bei Milanesi II, 193.

— Zwei Leuchter von Jaspis, zu dem oben erwähnten silbernen Christus gehörend, mit dem Wappen des Dogen Marcello 1474.

An den sog. Paci des Tommaso Finiguerra sind besonders die Niello- zeichnungen bedeutend, doch auch die Einfassung zierlich; Vasari V, p. 92 und Nota, v. di Pollajuolo.

Silberne und selbst goldene Votivgegenstände werden mit der Zeit unvermeidlich und zwar von den Kirchenbehörden selbst eingeschmolzen.


Fig*. 217. Ampel aus S, Marco in Venedig. (Nolil.)


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Zweites Buch. Decoration.


Reliquiarien aus Gold und Silber müssen noch immer, und bisweilen in schönster Kunstform gebildet worden sein ; man erwäge , dass ein Filippo Maria Visconti, dass der Staat von Venedig und die Päpste Re- liquien sammelten, und dass wenigstens einzelne bronzene Reliquiarien der edelsten Kunst angehören (Ghiberti , Gassa di S. Giacinto , Uffizien). Erhalten ist indess aus dem XV. Jahrh. sehr wenig; z. B. die silberne cassetta für das Gewand S. Bernardino’s , letzte Arbeit des Gio. Turini (1448) mit Zuthaten eines gew. Francesco d’ Antonio (1460), w r elche noch in der Osservanza zu Siena vorhanden ist; Vasari V, p. 108, im Comment. zu v. di Pollajuolo; Milanesi II, p. 314. — (Beiläufig mag ein artiges Motiv aus dem vorhergehenden Jahrh., silberne Figuren von Heiligen, welche Kästchen mit den Reliquien derselben in den Händen tragen, ibid. I, p. 289, zum Jahr 1381, erwähnt werden.)

Ueber die verschiedenen päpstlichen Tiaren Vitae Papar, ap. Murat. III, II, Gol. 887 und 1009: die berühmte Pauls II., von dem römischen Gold- schmied Paolo Giordano; — Jac. Volaterran. ap. Murat. XXIII, Gol. 195: diejenige Sixtus IV., durch ihre Juwelen höchst ausgezeichnet. — Vasari V, p. 140, v. di Verocehio: dessen (nicht mehr vorhandene) Agraffen für bischöfliche Messgewänder. — Die Schätze der päpstlichen Sacristei, unter Julius II. noch durch eine neue Reihe von silbervergoldeten Aposteln bereichert, oberflächlich verzeichnet bei Albertini, de mirabilibus urbis Romae, L. III, fol. 86.

§. 182 .

Weltliche Arbeiten der Frührenaissance.

Unter den weltlichen Aufgaben der Goldschmiedekunst des XV. Jahrhunderts mögen einzelne Becken und Schalen zum Gebrauch bei Abstimmungen verschiedener Art, auch Becken zum Händewaschen in öffentlichen Palästen einen hohen Rang eingenommen haben.

Pollajuolo’s grosses silbernes Becken für die Signoria von Florenz 1473; die Bestellung, Gaye, carteggio I, p. 571; — eine silbervergoldete Glocke ebenda. — Das Handwaschbecken für den Staatspalast zu Siena 1437, mit 4 Emailwappen, die Bestellung Milanesi II, p. 174; — die Schale (zum Trinken?) für die Gesellschaft der Mercanzia 1475, mit Laubwerk und cannelirten Vertiefungen, ibid. p. 355. — Vielleicht ge- hörten hieher auch die zwei schönen grossen Schalen Verocchio’s, die eine mit Thieren und Laubwerk, die andere mit tanzenden Kindern, Va- sari V, p. 140, v. di Verocehio. — Die ganz grossen silbervergoldeten Vasen, welche Paul II. u. a. für »feierliche Gastmähler« machen liess und deren zwei (zusammen?) 118 Pfund wogen, müssen Kühlgeschirre gewesen sein; Vitae Papar. ap. Mur. III, II, Gol. 10.09.


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VIII. Kapitel. , Goldschmiedearbeit und Gefässe. 375

In Perugia gab es für die solennen Gastmähler des Magistrats eine silberne Nave, welche entweder als Tischaufsatz oder als rollbarer Wein- behälter zu denken ist. Schon 1449 wurde eine Nave bestellt, 1489 eine (vielleicht eben diese) an einen Nepoten Alexanders VI. geschenkt, und 1512 eine neue, nach Perugino’s prachtvoller Zeichnung bei dem Gold- schmied Mariotto Anastagi bestellt; mit 4 Rädern, 2 Pferden (oder See- pferden?) und 19 Figuren, worunter eine Fortuna als Segelhalterin, ein Steuermann, der Stadtpatron S. Ercolano und viele Putten erwähnt wer- den. Archiv, stör. XVI, I, p. 621, — dessen Appendice IX, p. 615 (mit den Annali decemvirali) ; — Mariotti, lettere pittor. perugine, p. 171.

Ganze fürstliche Buffets, wo die Gefässe von Silber und von Gold sogar je zu einem Dutzend vorhanden waren, mögen zwar nur als stets zur Ausmünzung bereit liegender Schatz gegolten, dennoch aber edle Kunstformen gehabt haben.

Wie für den Norden die Inventare bei De Laborde, les ducs de Bourgogne, so ist z. B. für Mailand das Inventar des Schatzes zu be- merken, welcher 1389 der Valentine Visconti als Braut des Herzogs von Orleans nach Frankreich mitgegeben wurde, bei Gorio, stör, di Mil., fol. 266; es sind Tischaufsätze, Becken, Gonfectschalen , Tischleuchter, Bestecke, letztere zu vielen Dutzenden, bis auf den silbernen Nachtlicht halter, das meiste mit Email, zusammen an Silber 1667 Mark.

Das Geschirr des 1476 ermordeten Galeazzo Maria Sforza (Diarium Parmense, bei Murat. XXII, Gol. 359), welches veräussert wurde, um die Feldhauptleute zu bezahlen, enthielt u. a. ein ganz goldenes Service, wo- von jedes Stück zwölffach vorhanden war. — Lodovico Moro besass dann doch wieder eine Sammlung kostbarer Gefässe, die er 1489 bei einem fürstlichen Empfang feierlich vorwies, Gaye, carteggio I, p. 411. Moro’s Medaillen vgl. Malipierö, Archiv, stör. VII, I, p. 347.

Das Buffet des Borso von Ferrara nur erwähnt Diario ferrar. bei

Murat. XXIV, Gol. 216.

Bei festlichen Anlässen stellte man etwa zwei improvisirte Statuen wilder Männer als Hüter neben das. Buffet; Phil. Beroaldi orationes, nuptiae Bentivolorum.

Für das zum Anblick aufgestellte Buffet verlangt Jovian. Pontan., de splendore, Abwechselung der einzelnen Stücke, an Stoff und Form, auch wenn sie, z. B. Trinkgeschirre, einem und demselben Gebrauche dienten: aliae atque aliae formae, calices, item crateres, gutti, paterae, carchesia,

scyphi etc.

Ausser den Buffets (ornamenti da camera) hielten die Fürsten für ihren Palastgottesdienst ornamenti della capella, Leuchter, Kelche, Pate-


nen u. s. w.


376


Zweites Buch. Decoration.


Den grössten Luxus legte 1473 Cardinal Pietro Riario an den Tag, als er die Lionora von Aragon auf ihrer Durchreise als Braut des Herzogs von Ferrara in seinem Palaste zu Rom auf Piazza SS. Apostoli beherbergte; die vier Leuchter der Capella, nebst 2 Engelfiguren von Gold, der Betstuhl mit Löwenfüssen ganz von Silber und vergoldet ; ein vollständiges Kamin- geräth ganz von Silber; ein silberner Nachtstuhl mit goldenem Gefäss darin etc. Im Speisesaal ein grosses Buffet von 12 Stufen, voll goldener und silberner Gefässe mit Edelsteinen ; ausserdem das Tafelgeschirr lauter Silber und nach jeder Speise gewechselt.

Als Sammler von Edelsteinen werden besonders Alfons der Grosse von Neapel und Paul II. genannt; Jovian. Pontan. de splendore; — In- fessura ap. Eccard, scriptores II, Gol. 1894; 1945.

Von prachtvollen Waffen ist öfter die Rede, doch möchte aus dem XV. Jahrhundert kaum etwas Namhaftes davon erhalten sein.

Silberne Helme als Geschenk von Regierungen an ihre Gondottieren ; Siena an Tartaglia 1414, Florenz an Federigo von Urbino 1472, letzteres Werk von Pollajuolo; Yasari V, p. 100, Nota und p. 105 im Gommentar zu v. di Pollajuolo. — Die Waffen und Geräthe Carls VIII. , erbeutet 1495 in der Schlacht am Taro (Malipiero, ann. veneti, archiv. stör. VII, I, p. 371) gehörten ohne Zweifel nordischer Kunst an: der goldene, ge- krönte Schuppenhelm mit Email, der Degen, das Siegelkistchen , das goldene Triptychon, angeblich von Carl d. Gr. stammend.

§. 183.

Goldschmiedekunst der Hochrenaissance.

Die Goldschmiedekunst des XVI. Jahrhunderts wird sich im Verhältniss zu derjenigen der Frührenaissance durch grössere Freiheit und Flüssigkeit alles Decorativen, durch erhöhte Kenntniss des Wir- kenden ausgezeichnet haben.

Wir müssen hypothetisch sprechen, da uns eine genügende Ueber- sicht der Arbeiten des XV, Jahrh. gänzlich und derjenigen des folgenden grossen Theils fehlt.

Grosser Reichthum an Nachrichten in der Selbstbiographie des Flo- rentiners Benvenuto Cellini (1500—1572), zumal in der ersten Hälfte; seine Arbeiten in jedem Zweige dieser Kunst: Kelch, Agraffe für das päpstliche Pallium, Reliquienbehälter, Deckel eines Horenbuches, Siegel, Trinkgefässe , grosse Kühlbecken, silberne Gefässe jeder Art, Salzfässer, wovon eines hochberühmt und noch (in Wien) erhalten, Leuchter (wovon



VIII. Kapitel. Goldschmiedearbeit und Gefässe. 377

einige noch im Schatz von S. Peter vorhanden sein sollen), Kleinodien, weiblicher Schmuck, Ringe, Gürtelschnallen, Golddamascirung von Stahl- klingen etc., der Statuen, Reliefs und Medaillen nicht zu gedenken. Seine beiden Trattati sind besonders für letztere Gattungen belehrend. (Tratt. I, cap. 5: über die kleinen goldenen Crucifixe, welche bei den Gardinälen um 1530 Mode wurden, hauptsächlich Arbeiten Caradosso’s.)

Im Ganzen scheint für ihn characteristisch die bewegte, quellende, von den Architecturformen endlich völlig emancipirte Bildung der Gefässe und Geräthe; ihre Auflösung in lauter Laubwerk, Gartouchen, Masken u. dgl., und dazwischen kleine Felder mit den zierlichsten Reliefs u. s. w.

Andere berühmte Namen werden wenigstens genannt als Vorzeichner von Entwürfen für Metallarbeiter ; Rafael lieferte 1510 die Zeichnung zu einer grossen ehernen Schüssel mit erhabenen Ornamenten, welche ein gew. Gesarino für Agostino Chigi ausführte; Quatremere, vita di Raf. ed. Longhena, p. 327, N. ; — Michelangelo gab noch 1537 die Zeichnung zu einem silbernen Salzfass für den Herzog von Urbino , mit Thieren, Festons, Masken und einer Figur auf dem Deckel; Vasari XII, p. 385, im Gomment. zu v. di Michelangelo. — Perugino’s Nave, §. 182. — Die gerühmten Entwürfe des Girolamo Genga für Trinkgeschirre geriethen nicht weiter als bis zum Wachsmodell ; Vasari XI, p. 90, v. di Genga.

§. 184.

Gefässe aus Stein und Krystall.

Als ein wesentlich neues Thema erscheinen die Gefässe aus harten und kostbarenSteinen*) und geschliffenem Cry stall, deren Fuss ; Henkel, Rand, Deckelgriff u. s. w. die zierlichsten Phantasieformen aus Gold, Email und Edelsteinen erhielten.

Wie früh man überhaupt die harten Agate, Jaspen, Lapislazuli etc. in beliebige Formen schliff, wird schwer zu sagen sein ; jedenfalls stand das Mittelalter hierin weit hinter dem Alterthum zurück, und wiederum in Italien die Frührenaissance hinter der Hochrenaissance.

Statt des Buffets der Fürsten und Grossen tritt nun das Gabinet des reichen Liebhabers in den Vordergrund, wo die Vasen aus harten Steinen mit kostbarer Fassung die erste Stelle einnehmen.


  • ) In neuster Zeit hat Brunn (Sitzungsberichte der königl. Academie d. Wissen-

schaften in München, 1875, Bd. I, Heft 3) mit sehr starken Gründen sowohl das Onyxgefäss von Braunschweig, als auch die farnesische Onyxschale des Museums von Neajpel der Kunst der Renaissance zugewiesen.



Zweites Bach, Decoration.


Der Zusammenklang der geschwungenen Formen und der Farbe des Steines mit der Einfassung ist nun eines der höchsten Ziele der decora- tiven Kunst.

In der Einfassung selbst wechseln zweierlei Darstellungsweisen, flaches Email auf Gold oder Silber, und reliefirte und emaillirte Zierformen um die Edelsteine. An Fuss und Henkel menschliche und thierische Masken, Drachen, Meerwunder, auch menschliche Figuren verschiedener Art.

In der Farbenzusammenstellung ist die Buntheit des Mittelalters jetzt

völlig gewichen, der ganze Schmuck wird sorgfältig zu der Farbe des Gefässes gestimmt. Die Oeconomie der Gontraste zwischen Email und Relief, Email und Metall, Glänzend und Matt ist schon eine vollkommene.

An den Crystallgefässen mit eingeschlif- fenen Ornamenten und Historien ist die Ein- fassung auffallend zart und zierlich.

Die wichtigste Sammlung soll noch immer der Tesoro im Pal. Pitti zu Florenz (mit echten Arbeiten Benvenuto’s) sein, wel- cher dem Verf. unzugänglich geblieben ist. Anderes in den Uffizien, wo sich das berühmte Kästchen Clemens VII. mit den in Krystall geschliffenen Historien des Valerio Vicentino befindet. — Eine Onyxvase zu Neapel (Fig. 218).

Im XVI, Jahrh. waren die venezianischen Privatcabinete reich an solchen Sachen. Auf- zählung beim Anonimo di Morelli, bei Anlass der Sammlungen Odoni, Antonio Foscarini, Franc. Zio, Mich. Gontarini. Eine Crystall- schale aus fünf Stücken in silbervergoldeter Fassung, mit eingeschliffenen Historien des alten Testamentes, war von Gristoforo Ro- mano; — eine grössere dreihenklige Porphyrschale von Piermaria da Pescia, welcher 1494 beim Einzug der Franzosen 'in Rom diess Werk unter die Erde vergrub; nachher wurde dasselbe mehrmals für antik verkauft. (Somit wäre wenigstens die reichere Arbeit in Porphyr schon unter Alexander VI. zu Rom erreicht gewesen.) — Ausser den Vasen aus kostbaren Stoffen besassen dieselben Sammler auch andere von damasce- nischer Erzarbeit, von Porcellan, Glas u. s. w. Dagegen noch keine sculpirten Elfenbeingefässe.

Lomazzo (p* 345) räth für den Inhalt der Reliefs an Schalen und Gefässen Liebesgeschichten der Seegötter und Flussgötter, wobei der Com-


Fig. 218 . Onyxgefäss zu Neapel. (Herdtle.)



VIII. Kapitel. Goldschmiedearbeit und Gefässe.


379


ponist in der That am leichtesten der Phantasieform jedes Gefässes folgt und am freisten über die Linien gebietet. (L. könnte hier vielleicht mar- morne Brunnenvasen meinen , seine Ansicht gilt aber auch für silberne Gefässe, welche öfter dergleichen darstellen.)

§. 185 .

Schmuck, Waffen und. Siegel.

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Die weibliche Festtracht war bisweilen sehr reich an Schmuck

aller Art mit Gemmen ; das übliche Prachtstück der Männertracht war die Medaille am Barett.

Ueber die Medaillen als besondere Kunstgattung ist hier nicht die Stelle zu reden. Die goldenen und emaillirten, deren Figuren oft fast ganz frei vortraten, haben hauptsächlich als Zierde der Barette gedient; der grösste Meister darin war Garadosso; Benv. Cellini, trattato I, c. 5.

Bei einem römischen Kirchenfest zu Rafaels 'Zeit (1519, s. Gaye, carteggio I, p. 408) werden einige auf einer Estrade anwesende Damen, zum Theil wahrscheinlich Buhlerinnen, beschrieben: Lucia Bufolina, Kleid von Silberbrocat, Gürtel von gesponnenem Gold mit 4 emaillirten Kaiser- köpfen, — Sofonisba Cavaliera, Gürtel mit antiken Goldmünzen, — Fau- stina degli Alterii, goldener Stirnreif mit den 12 emaillirten Zeichen des Thierkreises, — Imperia Golonnese (etwa die §. 156 erwähnte), Gürtel von goldenen Knöpfen (vgl. Rafaels Johanna von Aragonien) und eine emaillirte palla (?), worauf alle Elemente künstlich abgebildet waren, — Sabina Mattuzza, Gürtel von kunstreich verbundenen Goldmünzen, Car- niolen und Jaspen.

Diese einzige Aussage gestattet weitere Schlüsse als alle wirklich erhaltenen Ueberreste dieser Art.

Ferner ist das XVI. Jahrhundert dasjenige der prachtvollsten Waffen ; mochten dieselben auch zum Theil seltene oder gar keine wirkliche Anwendung finden.

Letzteres gilt besonders von den silbernen Schilden, welche gewiss nicht einmal bei solchen Anlässen wirklich getragen wurden, bei welchen die prächtigsten Helme und Harnische zum Vorschein kamen.

Die jetzt meist im Ausland (Madrid, Wien, Paris, London, St. Petersburg) zerstreuten Rüstungen und Helme italienischer Arbeit ersten Ranges haben auf dem Stahl damascirte oder von Gold und Silber eingelegte ornamentale und figurirte Zeichnungen. (Vasari XII, p. 80, v. di Salviati, bei Anlass des Franc, dal Prato.) Bisweilen ist der Schmuck auch relieflrt, wie z. B. am Helm und Schild Franz I. in den Uffizien, angeblich von Benvenuto. Auch ein Schild in der Armeria von Turin ihm zugeschrieben.


380


Zweites Buch. Decoration.


Prachtvolle Dolchscheiden, originell aus Figuren und Laubwerk com- binirte Degengriffe finden sich hie und da. Die weite Zerstreuung dieser Schätze ist ihrer kunstgeschichtlichen Betrachtung nicht günstig.

Zu den feierlichem Geräthen des vornehmen Lebens gehörten auch die meist silbernen Siegel. Zunächst vertauschte Paul II. den barbarisch ehrwürdigen Typus des Bullensiegels mit einem schönem, artiflciosiori sculptura; Vitae Papar., Murat. III, II, Col. 1011. Viel prächtiger waren aber von jeher tausend andere Siegel. Abgesehen von ihrem Gepräge, das z. B. bei den mandelförmigen Cardinaissiegeln schon im XV. Jahrh. oft sehr reich war und die Heiligen ihrer Titularkirchen , ja Ereignisse aus deren Legenden darstellte, war bisweilen der Griff höchst elegant. Schon Ghiberti (Gommentarii , p. XXXIII) fasste eine antike Gemme als Siegel so, dass der goldene Griff einen Drachen in Epheulaub darstellte, und auch Benvenuto gestaltete den Griff des Siegels gerne als Thier oder Figurine, z. B. am goldenen Siegel des Gardinals Ercole Gonzaga als sitzenden Hercules ; Benv. Cellini, trattato I, c. 6.

Vielleicht die bedeutendste vorherrschend decorative Arbeit dieses ganzen Styles, die jetzt noch in Italien vorhanden ist: das farnesische Kästchen, von Gio. de’ Bernardi, im Museum von Neapel; von Metall mit Eckfiguren, Reliefs und 6 ovalen Glasschliffen ; der Deckel mit der Figu- rine eines ruhenden Hercules zwischen den Hälften eines gebrochenen Giebels.

§. 186 .

Majoliken und andere irdene Gefässe.

Die künstlerische Behandlung der Gefässe aus Erde und Glas hat seit dem Alterthum nie und nicht wieder so hoch gestanden als zur Zeit der Renaissance. Die erste Stelle nehmen die Majoliken ein mit ihrer Glasur in einer beschränkten Anzahl von Farben.

Ein echtes Porcellan in unserm Sinne, durchscheinend oder auch nur von völlig weissem Korn, besass man noch nicht, und die vielen Porcellane zumal in den venez. Sammlungen sind als Majoliken zu ver- stehen, d. h. als glasirte irdene Geschirre.

Diese waren schon im Mittelalter oft durch ihre reiche geschwungene Form und durch Farben und Gold bis an die Grenze der Kunst vorge- rückt ; im XV. Jahrh. muss ihnen die Vervollkommnung der Glasur durch die Werkstatt der Robbia zu Statten gekommen sein; aber erst im XVI. wurde die volle Freiheit des decorativen Modellirens und Flachdecorirens darauf angewandt. Diess ist es, was ihren Werth ausmacht, mehr als die mühselig aufgemalten Historien, auch wenn bei diesen rafaelische und andere berühmte Motive benützt sind.


VIII, Kapitel. Goldschmiedearbeit und Gefässe.


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Die Hauptaussage: Vasari XI, p. 326, v. di Batt. Franco; vgl. XII, p. 118, v. di Tadd. Zucchero; — Benv. Cellini, vita II, c. 8. — Quatre-

mere, vita di Raffaelle, ed. Longliena, p. 290, Nota.

Zwar gab es schon 1526 Liebhaber, welche Porcellane zu 600 Ducati

zu verlieren hatten, wie z. B. Giberti, Secretär Clemens VII., bei Anlass

der ersten (colonnesischen) Erstürmung Roms; Lettere di principi I, 106, Negri a Micheli. — Gleichwohl wird angenommen, dass wenigstens die Majolicawerkstätten von Pesaro und Gastei Durante erst um 1530 den Höhepunct erreicht hätten , oder um 1540 als der Herzog Guidobaldo II. von Urbino den Battista Franco (§. 178) als Vorzeichner anstellte; ausser- dem hatte der Herzog eine Menge Skizzen von Rafael, Giulio Romano und ihren Schülern zu Vorlagen erworben. Etwas später gab z. B. Taddeo Zucchero die Zeichnungen zu einem ganzen Service, welches in Gastei Durante für Philipp II. gebrannt wurde.

An den Geschirren von Faenza war das gemalte Figürliche gemässigt und nahm entweder nur die Mitte oder den Rand ein (wenn wir Vasari recht verstehen).

Die wenigen Töne, meist nur blau, violett, grün, gelb, weiss und schwarz, genügten nicht sowohl, um grosse Compositionen glücklich wie- derzugeben, als vielmehr, um alle Formen und Profile des Gefässes so- wohl als die dazwischen liegenden Flächen schön und characteristisch zu schmücken. Bisweilen sind Thiere, Laubwerk und andere Zierrathen zugleich reliefirt und bemalt.

Das Beste sind grosse flache Schüsseln (Fig. 219 und 220), Confect- teller, Salzbüchsen, Schreibzeuge u. dgl. ; zumal solche ohne gemalte Figuren , mit zierlichen und sparsamen Arabesken , wonach selbige etwa der Fabrik von Faenza angehören möchten. Schon die Grundform des Gefässes oder Geräthes ist in der Regel vortrefflich, und eigens für den Zweck gedacht, nicht Reminiscenz.

Schon zu Vasari’s Zeit hatte sich übrigens dieser Kunstzweig über ganz Italien verbreitet.

Von den Nachahmungen griechischer Vasen (in roth und schwarz), welche Vasari’s Grossvater Giorgio im XV. Jahrh. zu Arezzo versucht hatte, ist nichts auf unsere Zeit gekommen; Vasari IV, p. 70, v. di Laz- zaro Vasari.

Auch von der Fabrik in Modena, deren Thongeschirr im XV. Jahrh. Godrus Urceus in einem Gedichte feierte (dessen opera, p. 384, ad Lucam Ripam), ist nichts weiter bekannt ; er selber besass eine ausserordentlich

schöne Thonlampe.

Für Glassachen aller Art waren längst die Fabriken von Murano bei Venedig berühmt, welche nicht nur alle Farben besassen und alle Edel- steine nachahmten ; sondern auch jedenfalls schon im XV. Jahrh. Mille-




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IX. Kapitel. Decorationen des Augenblickes.


fiori verfertigten ; Sabellicus, de situ ven. urbis, L. III, fol. 92 : brevi pila includere florum omnia genera.


Decorationen des Augenblickes , bei kirchlichen und weltlichen


Decoration sich mit den buntesten Zuthaten aller Art vertrug.


Ueber die Feste im Allgemeinen vgl. Cultur d. Renaiss. , S« 401, ff. Die wichtigsten Schilderungen :


Pii II. comment. L. VIII, p. 382, ss., seine Feier des Fronleichnams- festes in Viterbo 1462 ; —

Gorio, storia di Milano, fol. 417, ss., der Empfang der Lionora von Aragon bei Card. Pietro Riario in Rom 1473, vgl. §. 182; —

Ibid. fol. 451, ss. , Krönung und Possesso (d. h. Zug vom Vatican nach dem Lateran) Alexanders VI. 1492 ; —

Phil. Beroaldi orationes fol. 27, Nuptiae Bentivolorum , d. h. die Hochzeit des Annibale Bentivoglio mit Lucrezia von Este (um 1490?).

Die Kunst der Festdecoration ging wie das Meiste der neuen Gultur- epoche hauptsächlich von Florenz aus; schon im XIV. Jahrh. reisten fiorentinische festaiuoli in Italien herum (Gio. Villani VIII, 70), welche damals und auch in spätem Zeiten gewiss nicht bloss die Aufführung, sondern auch die dazu gehörenden Decorationen angaben, in welchen ja, soweit sie Baulichkeiten vorstellten, die fiorentinische Kunst ohnehin dem übrigen Italien voraus war. — Ausser Florenz muss namentlich Pistoja hierin etwas bedeutet haben , da für jenes Fronleichnamsfest zu Viterbo der Cardinal Niccolö Fortiguerra, der von Pistoja gebürtig war, für seinen (sehr prächtigen) Antheil an der Ausstattung ludorum artifices von dort kommen liess.

Ausser den grossen Festen bot das kirchliche sowohl als das bürger-


IX. Kapitel.

Decorationen des Augenblickes.


. 187.


Feste und Festkünstler.


Festen und Ceremonien, hatten im XV. Jahrhundert den Character heiterer Pracht, wobei das reiche Formenspiel der damaligen baulichen




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Zweites Buch. Decoration.


liehe Leben beständige Anlässe für Decorationen dar; — Apparati bei Hochzeiten und Beerdigungen, für welche um 1500 in Florenz Andrea Feltrini einen besondern Namen hatte; Vasari IX, p. 112, s., v. di Morto da Feltro ; — Fahnen aller Art, wovon unten ; — Katafalke (cataletti) für Gonfraternitäten , deren es sehr schöne von grossen Meistern gab, z. B. von Beccafumi und Soddoma, Milanesi III, p. 166, 167, 185; wie denn auch Baldassar Peruzzi einen solchen und ausserdem eine »bewun- dernswürdige« Todtenbahre angab; Vasari VIII, p. 225 und Nota, v. di Peruzzi. (Die Bahre an Marmorgräbern, herrliches Vorbild hiefür, §. 140,) — Sogar bei Verbrennung von Luxussachen verlangte die andächtige Stimmung, dass dieselben auf einem »talamo«, d, h. einem irgendwie styli- sirten Scheiterhaufen gruppirt wurden ; Infessura, bei Eccard scriptoros II, Gol. 1874, vgl. Cultur d. Ren., S. 481.

§. 188 .

Festdecoration der Frührenaissance.

Characteristisch für die Frührenaissance ist die überreiche Ver- wendung des Grüns, zumal in Gestalt von Guirlanden; die freie phan- tastische Umgestaltung des Triumphbogens zu einem farbenreichen Prachtbau; die an Bändern hängenden Tafeln; die Anwendung leben- diger, mit reichen Gewändern und Attributen ausgestatteter Personen als Statuen. Das Schattentuch ; oft über lange Strassen und weite Plätze sich ausbreitend, war womöglich zu glänzenden Dessins geordnet.

Dass jedes einzelne Haus die aus den Fenstern zu hängenden Tep- piche vorräthig besass und, zumal in einer Hallenstadt wie Bologna, den wundervollen Gontrast von Guirlanden und Bogen benützte, versteht sich von selbst; flüchtige Vergoldung einzelner Bauth eile kam wenigstens vor, §. 42. Die Guirlanden, nach den Abbildungen zu urtheilen, bisweilen von eigentümlich massiger, pomphafter Bildung.

Dann die noch heute üblichen Dessins von Wappen, Namenszügen etc. aus lauter Grün und Blumen an Wänden und auf dem Fussboden. So war Ferrara beim Einzug Pius II. 1459 semenato d’herbe, Diario Ferr. ap. Murat. XXIV, Gol. 204, gewiss sehr kunstreich, — e piantati Mai (Maggi, Maibäume oder Maste) per tutto, ohne Zweifel um die vorher erwähnten Guirlanden und das wollene Schattentuch zu tragen.

Ganz besonders rühmt Pius II. die Wirkung des von der Sonne durchglühten bunten Tuches bei Anlass des Prachtzeltes, von welchem sein Fronleichnamszug in Viterbo ausging; unterweges gab es Decktuch mit dem Dessin einer rothen Wolke, dann himmelblaues mit goldnen Sternen, dann blau und weisses, braunrothes von englischer Wolle etc.


IX. Kapitel. Decorationen des Augenblickes.


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Ein Fest wie dieses, wo nicht nur die pomphaftesten Altäre, sondern ganze Bühnen mit unbelebten Gruppen und. mit lebenden, redenden, singenden Decorationsfiguren vorkamen, wo Brunnen mit Wein sprangen, wo 18 grüne Bogenpfeiler jeder einen singenden Engelknaben trugen, wo die Auferstehung Christi und die Himmelfahrt der Maria vollständig dra- matisch dargestellt wurden, war natürlich eine seltene Ausnahme.

Die bauliche Hauptform zur Verherrlichung aller Ein- und Aufzüge war natürlich jetzt der römische Triumphbogen, allein, auch wenn es ausdrücklich heisst al rito romano etc. (z. B. bei Corio, fol. 490, zum Jahr 1497), keinesweges in strenger, sondern nur in flüchtiger Nach- ahmung. So war beim Possesso Papst Alexanders 1492 der grösste Bogen angeblich »dem Octaviansbogen beim Colosseum« nachgeahmt, aber mit einem ganz freien prächtigen Gesimse von Füllhörnern und Guirlanden, mit goldfarbigen Reliefs (?) und der buntesten Bemalung geschmückt, und im Bogen hing eine Inschrifttafel. Ein zweiter Triumphbogen hatte innen eine vergoldete Cassettirung mit einem mittlern Zierrath in Muschelform; in 12 Nischen standen lebendige singende Mädchen, welche Oriens, Occi- dens, Liberalitas, Roma, Justitia, Pudicitia, Florentia, Caritas, Aeternitas, Victoria, Europa und Religio vorstellten. Einfachere Bögen, mit Trophäen, Meerwundern u. s. w. hatten meist Blau mit Gold. Ein blaues Schatten- tuch mit goldgelber, reichumschnörkelter Inschrift wurde besonders ge- rühmt.

Bei einem Einzug Julius II. wurde sogar ein echter antiker Triumph- bogen, der des Domitian auf dem Marsfeld, mit Statuen und Malereien verziert; Albertini, de mirabilibus urbis Romae, L. II, fol. 78.

Bei einem Feste des Lodovico Moro scheint das Modell Lionardo’s zur Reiterstatue des Francesco Sforza unter einem Triumphbogen ge- standen zu haben.

Im ganzen Abendland, besonders aber in Italien, wurden im XY. Jahrhundert die Teppiche für die Verherrlichung der Feste ge- braucht, und zwar ohne besondere Rücksicht auf die Zusammengehörig- keit und den Inhalt ihrer Darstellungen.

Für jenes Fronleichnamsfest hatten die Cardinäle ihr ganzes, zum Theil berühmtes Teppichzeug nach Viterbo kommen lassen.

Für den Empfang der Lionora beim Card. Riario (vgl. §. 95) mussten offenbar die Sacristeien das Allerwerthvollste hergeben, z. B. den Teppich Nicolaus V. mit den Geschichten der Weltschöpfung, il piü bello che sia tra’ Cristiani; sodann noch einen andern besonders herrlichen mit der Himmelfahrt. (Unter andern Thorheiten kam auch ein ganz vergoldetes lebendiges Kind vor, welches auf einer Säule stand und aus einem Brunnen

Wasser hach allen Seiten spritzte.)

Burckhardt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl. 25


v.


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Zweites Buch. Decoration.


An Kirchenfesten wird noch heute , wo Teppiche religiösen Inhaltes nicht ausreichen, mit mythologischen und selbst mit Jagdscenen nach- geholfen.

Im Ganzen sind Teppiche und Guirlanden im XY. Jahrh. noch das Bestimmende.

§. 189.

Feste des XVI. Jahrhunderts.

Im XVI. Jahrhundert wird zunächst ein ausserordentliches Steigen des Aufwandes in der Festdecoration bemerklich. Es ist die Zeit, da Baumeister, Bildhauer und Maler sich hei dieser Beschäftigung auf die Effecte im Grossen einübten und Proben für die monumentale Kunst machten (§. 50 und 60), freilich aber auch sich an alles Flüch- tige und Grelle gewöhnten.

Der Possesso Leo’s X. in Rom 1518, Relation des Giac. Penni, bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi V, p. 205, ss. — Hauptthema der Allegorien musste, da man den neuen Papst kannte, das zu erwartende Mäcenat sein; an dem Triumphbogen des Agostino Ghigi hiess es, mit Bezug auf das sittenlose Pontificat Alexanders VI. und das kriegerische Julius II. :

Olim habuit Gypris sua tempora, tempora Mavors Olim habuit, sua nunc tempora Pallas habet.

Leo’s X. Einzug in Florenz 30. Novbr. 1515; zwei Relationen bei Roscoe, 1. c. VI, p. 280, ss.; — ferner Vasari VIII, p. 266, s., v. di A. del Sarto; IX, p. 219, v. di Granacci; X, p. 299, v. di Bandinelli; XI, p. 38, v. di Pontormo.

Carls V. Empfang nach dem ersten africanischen Feldzug 1536 in Rom, Vasari VIII, p. 185, s., v. di Montelupo; X, p. 14, v. di Ant. San- gallo; XI, p. 317, v. di Batt. Franco; — in Siena, ib. X, p. 185, s., v. di Beccafumi; Gaye, carteggio II, p. 245; Milanesi III, p. 167, 185; in Florenz, Lettere pittoriehe III, 12; Vasari X, p. 253, v. di Tribolo; XII, p. 27, v. di Montorsoli (vgl. auch p. 26); — in Bologna, ib. 1, p. 4, in Vasari’s eigenem Leben.

Die Hochzeit Gosimo’s I. 1539; Vasari X, p. 269, v. di Tribolo; XI, p. 321, v. di Batt. Franco.

Die Hauptbestandtheile der frühem Decoration, das Grün, die Teppiche und die lebenden Statuen nehmen bald völlig ihren Abschied. Das Classisch-Architectonische bekommt das Uebergewicht über das Freiphantastische.

Das zwar späte , aber für das ganze XVI. Jahrh. bezeichnende Gut- achten Borghini’s 1565, Lettere pittoriehe I, 56: »das einzig Wahre ist


IX. Kapitel. Decorationen des Augenblickes.


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Holz und gemalte Leinwand, in Gestalt von Bogen, Fassaden und andern Baulichkeiten : das Grün und die Teppiche mög$n allenfalls passen bei scherzhaften Anlässen oder auch an Kirchenfesten; die lebenden, als Tugenden u. s. w. costümirten Figuren sind eine magra invenzione; das Wünschbarste wäre freilich, etwas Dauerndes aus Stein bauen zu kön- nen etc.« — d. h. die überhandnehmende Grandezza kann den fröhlichen Kirmessstyl nicht mehr vertragen.

§. 190.

Der Triumphbogen.

Die Triumphbogen ; jetzt fast nur in Steinfarbe, schliessen sich, wenn nicht bestimmten römischen Mustern, doch genau der antiken Bildung der Einzelformen an. Eine baldige Consequenz hievon ist die Steinfarbe auch an den Statuen und das Chiaroscuro an den Malereien, welche jetzt durchaus das Relief nachahmen.

Die Vorgesetzten Säulen mit Statuen darüber, schon beim Possesso Alexanders VI. erwähnt, werden jetzt zur Regel. Versilberte Säulen mit vergoldeten Gapitälen kommen wohl noch vor, doch herrscht schon die Steinfarbe. Bei Leo’s X. Possesso , wo sich der frühere und der spätere Styl mischten, kamen noch an einzelnen Bogen lebende Figuren vor, z. B. sogar mitten im cassettirten Gewölbe eines Bogens, in einer sich plötzlich öffnenden Kugel ein Kind, welches zwei Distichen hersagte; sonst sind alle Statuen von Stucco , ja an einem Bogen hatte man echte antike Statuen und Büsten angebracht.

Die Bogen bei Leo’s Empfang in Florenz hatten ohne Zweifel sämmt- lich streng architectonische Formen ; auf dem Signorenplatz war ein vier- seitiger, vielleicht nach dem Motiv des Janusbogens, wie denn an Ver- schiedenheit der Combinationen gewiss das Mögliche versucht war. Einer schien wie aus lauter Porphyr.

Die Bogen bei spätem Anlässen (ein sehr prächtiger bei einem floren- tinischen Fest 1525, Vasari XI, p. 216, v. di Aristotile) sind bisweilen so »herrlich und proportionirt«, d. h. in Vasari’s Sinn so sehr der strengen Architeetur genähert, dass man nur ihre Ausführung in Marmor wünschte, um sie unter die Wunder der Welt zählen zu können. (Gagnola’s Sim- plonbogen in Mailand ist bekanntlich das marmorne Nachbild eines Fest- bogens, welcher das grösste Wohlgefallen erregt hatte.) Auch Serlio’s Vorschrift und Vorbild (L. IV, p. 180) ist streng classisch.

Das tiefste Missverständniss der Aufgabe, d. h. die weiteste Abwen- dung von Heiterkeit und Freiheit, zeigte sich 1556 in Venedig bei Anlass der Einführung einer Dogaressa an einem Triumphbogen der Metzgergilde,


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Zweites Buch. Decoration.


dessen Säulen und Pilaster lauter Rustica hatten; Sansovino, Venezia, fol. 154. Rubens hat später diess Motiv aufgegriffen für seine Decorationen in Antwerpen beim Empfang des Cardinal Infanten, allein er half sich mit einer glücklichen barocken Freiheit durch.

Dass fast alle Malereien der Bogen jetzt nur noch Reliefs nachahm- ten , d. h. in Chiaroscuro ausgeführt waren , machte sich dann in der ganzen Festdecoration überhaupt geltend, auch wo farbige Darstellungen passend gewesen wären; z. B. Vasari XII, p. 116, v. di Taddeo Zucchero. Die Gewöhnung vom Fassadenmalen her mag mitgewirkt haben.

Ausser den Bogen gab es zahlreiche andere Scheinarchitecturen, Prachtfassaden, Decorationen unvollendeter Kirchenfronten, endlich frei stehende Zierbauten.

Die Exhibition einer grossen Menge antiker Statuen am Hause des Evangelista Rossi beim Possesso Leo’s X. muss man sich wohl an einer grossen decorirten Nischenwand denken.

Als ein Wunder von Schönheit galt dann bei Leo’s Einzug in Florenz die Scheinfassade des Domes, mit scheinbar verwittertem Tone, von Jacopo Sansovino und A. del Sarto.

Ausserdem hatte man damals einige römische Denkmäler in Florenz nachgeahmt: die Trajanssäule, einen Obelisken, die Meta Sudans etc., — eine täuschende Scheinthür an der Badia, weil die wahre nicht genau auf der Axe der Strasse lag, — ein Rundtempel mit halbrunder Eingangs- halle u. s. w.

Gandelaber, scheinbar von Marmor, wahrscheinlich colossal, kamen wenigstens bei Leo’s Possesso vor, vielleicht zum erstenmal.

§. 191.

Die F e s t s c u 1 p t u r.

Auch die Sculptur warf sich jetzt mit der vollen Entschlossenheit ihres Modellirens auf die Decoration von Festen und rief öfter in weitwirkenden Colossen diejenigen Ideen in’s Leben, deren Ausführung in dauerndem Stoffe ihr nie oder nur selten vergönnt war.

Beim Possesso Leo’s handelt es sich, abgesehen von den Statuen der Triumphbogen, mehr um kleinere zierliche Brunnenfiguren: eine Venus, aus deren Brüsten, ein Dornauszieher, aus dessen Wunde Wasser sprang.

Dagegen empfingen den Papst seine Landsleute in Florenz 1515 mit zum Theil colossalen Sculpturen, welche mit den Decorationen abwech- selten; ein Hercules Bandinelli’s , 9 7 2 Braccien hoch, aber misslungen;



IX. Kapitel. Decorationen des Augenblickes. 389

ein Rossebändiger in der Art der quirinalischen ; ein vergoldetes Reiter- bild in der Art des Marc Aurel.

Massenhaft wurde dann modellirt für den Empfang Carls V.; da musste Rafaello da Montelupo von den kaum vollendeten 14 grossen Statuen für die Engelsbrücke hinweg eilends dem Kaiser voran nach Florenz reisen, um dort binnen 5 Tagen 2 Flussgötter zu extemporiren ; ausserdem prangten Montorsoli’s Hilaritas und Jason, Tribolo’s Friedens- göttin, Hercules und vergoldetes Reiterbild Carls, drei weitere Flussgötter der beiden letztgenannten Sculptoren, eine Victoria von einem gewissen Cesare, Prudentia und Justitia von Franc. Sangallo, alles colossal und mehreres »ausserordentlich gross«.

In Siena arbeitete Beccafumi aus Papiermasse über einem eisernen Gerippe das höchst colossale Reiterbild des Kaisers in antikem Costüm, über drei Gestalten von besiegten Provinzen dahin sprengend, nächst Lionardo eins der ersten sprengenden Pferde der modernen Kunst. (Nach Andern statt der Provinzen drei Flussgötter, aus deren Urnen Wasser strömte.) — Auch Soddoma muss damals an einem Pferd gearbeitet haben.

I

Die Reiterstatue, und zwar sprengend, kam später auch bei Cosimo’s I. Hochzeit vor, wo dessen Vater Giovanni dalle Bande nere durch Tribolo auf diese Weise, und zwar riesengross, dargestellt wurde.

Man überbot sich dann im Golossalen ; beim ersten Einzug Alfonso’s II. von Ferrara in Reggio 1558 stand auf der Piazza 46 Palmen hoch der Gründer der Stadt, M. Lepidus, aus Stucco verfertigt von Glementi ; Lettere pittoriche I, Append. 39; späterer Golosse, z. B. in Vasari’s Beschreibung der Hochzeit des Prinzen Francesco Medici 1565 nicht zu gedenken.

Zu all diesem gehörte eine Behendigkeit wie die des Montorsoli, der binnen 24 Stunden eine Fides und eine Caritas in Lebensgrösse modellirte, als Schmuck eines improvisirten Brunnens, welcher während des General- capitels des Servitenordens floss ; Vasari XII, p. 26, v. di Montorsoli.

Die Künstler kamen bei solchen pressanten Arbeiten in eine Art von Taumel hinein, und wenn dann mit gutem Wein nachgeholfen wurde, meldeten sich Ideen, die wenigstens während des Festjubels als das Bril- lanteste von der Welt galten; Vasari XI, p. 319, v. di Batt. Franco. Und wenn Einer todmüde auf ein Bündel Laub sank, konnte es ihm begegnen, auf die schmeichelhafteste Weise geweckt zu werden, wie z. B. dem Vasari selbst, Lettere pittoriche III, 12.

Beim Volk gelangte man durch solche Arbeiten des Augenblickes zu einem ungemeinen Ruhm; Armenini, p. 71.


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Zweites Buch* Decoration.


§. 192.

Der Theaterbau.

Dramatische Aufführungen, lange nur hei festlichen Anlässen üblich , fanden in Höfen und Sälen der Grossen und Prälaten , auch wohl auf öffentlichen Plätzen statt. Erst spät beginnen stehende Theater und diese bringen es dann noch lange zu keiner äussern Kunstform.

Ueber das Theaterwesen vgl. Gultur der Renaissance S. 250, 277, 314, 401.

Die Tragödie blieb eine Sache des hohem momentanen Luxus; die ersten Theater, welche wenigstens eine beträchtlichere Zeit hindurch als solche eingerichtet blieben, dienten nur für Ccmödien; Vasari XI, p. 212, v. di Aristotile (in einem Saal des Cardinais Farnese zu Rom); — XI, p. 328, v. di Batt. Franco (in einem Gebäude an der Via Giulia). Schon früher, im Jahr 1515, muss das Local des Giuliano Medici, Bruder Leo’s X., wenigstens einige Zeit in voller Ausstattung dagestanden haben, da dessen Neffe Lorenzo in dessen Abwesenheit dort ein Stück des Plautus auf- führen liess; Lettere di principi I, 13. — Palladio errichtete in Venedig bereits ein halbrundes Theater, welches nach aussen die antiken Formen, »nach Art des Colosseums«, allerdings nur in Holz, scheint gehabt zu haben; dasselbe wurde erbaut für eine einzige Tragödie während eines Carnevals ; Vasari XIF, p. 127, v. di Tadd. Zucchero; dagegen ist Palla- dio’s erhaltenes teatro olimpico (Fig. 221) zu Vicenza (1584) aussen ganz formlos; das Auditorium queroval, oben mit einer Halle. Während letzteres notorisch für Comödien sowohl als für Tragödien diente, waren die zwei »sehr schönen , mit grösstem Aufwand erbauten« stabilen Theater in Venedig, das ovale und das runde, welche Francesco Sansovino, Venezia, fol. 75 anführt (um 1580), nur für Aufführungen von Comödien im Carneval bestimmt. Sie fassten eine grosse Menschenmenge. Der Verf. sagt nicht, dass sie Werke seines Vaters Jacopo S. gewesen.

Eine Zeichnung im Louvre (salles des dessins, premiere vitrine tour- nante), diese allerdings mit dem Namen Sansovino’s, gibt den Längen- durchschnitt eines Theaters, welches bereits wie dasjenige im Palast von Parma (1618, von Aleotti) über dem Auditorium obere Hallenordnungen in der Art von Sansovino’s Biblioteca hat; dann, bevor die Seena beginnt, eine grosse Eingangspforte mit Fenster drüber. Allein die einzelnen Nischenverzierungen etc. sind für Sansovino schon zu barock. (Im Theater von Parma ist die Seena bereits ein Tiefbau , für einen optisch isolirten Anblick, auch auf Verwandlungen berechnet.)

Die Anordnung der Sitzreihen mag Anfangs dem jedesmaligen Zufall überlassen gewesen sein. Mit der Zeit jedoch ermittelte man sowohl ihre







IX. Kapitel. Decorationen des Augenblickes.


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richtige Lage zur Bühne, als auch ihre möglichst zweckmässige Einrich- tung zum Sehen und Hören. Welches dabei das specielle Verdienst des Lionardo gewesen, der bei Giovio deliciarum theatralium mirificus inventor heisst, ist nicht mehr auszumitteln.

§. 193.

Die Seena.

Nachdem früher die Seena auch bei Mysterien nur eine allgemeine decorative Ausstattung gehabt hatte ; begann mit dem XVI. Jahr- hundert eine bestimmte Bezeichnung der Oertlichkeiten , theils mehr in idealisirendem Sinn, theils mehr Wirklichkeit sgemäss.

Theoretische und practische Darstellung der ganzen Theatereinrichtung um 1540 bei Serlio, im II. Buche, fol. 47, ss. — Ein erster Versuch, nebst der Seena auch den Raum der Zuschauer würdig zu gestalten, Va- sari XI, p. 9, s., v. di Gherardi; — vgl. XIII, p. 96, v. di Jac. Sansovino.

Die Seena selbst muss zunächst häufig einen symmetrischen, idealen Bau dargestellt haben, mit Ausgängen in der Mitte und zu den Seiten, und mit einer Menge von Bildern, welche zusammen einen obern Fries ausmachen mochten; der ganze Raum sich stark perspectivisch verengend; die Gesimse, Gapitäle u. s. w. geschnitzt vortretend.

So die Scenen halbgeistlicher Aufführungen Vasari XI, p. 205, v. di Aristotile, »voller Säulenhallen, Nischen, Tabernakel und Statuen, wie man es früher bei solchen Aufführungen nicht gesehen«. (Um 1532.)

So der »königliche Saal mit zwei Nebengemächern, aus welchen die Recitanten hervortreten«, in der ersten bei Vasari X, p. 82 im Gommentar zu v. di Ant. Sangallo erwähnten Scenenskizze.

Auch die Aufführung des »Königs Hyrcanus von Jerusalem«, in dem oben erwähnten Halbrund Palladio’s, wird eine solche Seena gehabt haben.

In ihren einfachsten Elementen ist diese Art von Scepen öfter in figurenreichen erzählenden florentinischen Breitbildern um 1500 dargestellt.

Die andere Art von Scenen, diejenige, auf welche sich Serlio bezieht, enthielt verschiedene coulissenartig vortretende Gebäude (wie an einer nicht sehr breiten Strasse in der mittlern Axe), »die kleinern vorn, die grossem weiter hinten«; so dass man etwa durch die Hallen des einen das andere sah ; nebst einem Schlussbau ; ebenfalls stark ansteigend und sich verjüngend. Für Gomödien wählte man grössere und kleinere Häuser (Wirthshaus, Bordell etc.) mit obern Gängen, Erkern oder Fenstern; für Tragödien fürstliche Prachthallen mit Statuen, auch mit einem Triumphbogen in der Mitte u. s. w.; ja Serlio gibt auch noch für ein vermeintliches »satyrisches« Drama eine ländliche Decoration mit Bäumen und Hütten.


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Zweites Buch. Decoration.


Eine Comödienseena dieser mehr wirklichkeitsgemässen Art war 1515 die von Baldassar Peruzzi angegebene, als die Stadt Rom die Erhebung des Giuliano Medici, Bruder Leo’s X., zum Feldherrn der Kirche feierte; man bewunderte daran die reiche und bunte Erfindung der Häuser, Hallen, Fenstei etc., Vasari VIII, p. 224, v. di Peruzzi. Auch die Decoration für Bibiena s Comödie Galandra, welche vor Leo X. aufgeführt wurde, war voll von »täuschend« gegebenen Einzelgebäuden, ib. p. 227, s., vgl. 237, Nota. Wenn eine noch vorhandene Zeichnung Peruzzi’s diese Seena vorstellt, so enthielt der Hintergrund eine Anzahl von Gebäuden des alten Roms. (Serlio, Ende des IV. Buches, rühmt, dass Peruzzi’s Scenen bei aller Schönheit weniger gekostet hätten, als alles Aehnliche vor ihm und nach ihm.)

Aehnliche Scenen wird man, wo nichts Besonderes bemerkt wird, bei Gomödien in der Regel und auch wohl bei Tragödien vorauszusetzen haben. So Vasari VI, p. 135, v. di Indaco ; — IX, p. 101, v. di Francia Bigio; — ib. p. 219, v. di Granacci; — X, p. 82 die zweite im Com- mentar zu v. di Ant. Sangallo erwähnte Scenenskizze , wo den einzelnen Häusern die Namen beigeschrieben sind; — ib. p. 204, s., v, di Lappoli;

XI, p. 87, s., 99, v. di Genga; ib. p. 203 — 212, v. di Aristotile, abgesehen von den oben erwähnten Ausnahmen; — ib. p. 293, v. di Ridolfo Ghirlandajo; ib. p. 328, v. di Batt. Franco (obwohl man hier dei gemalten Historien und Statuen wegen auch an einen einheitlichen idealen Bau denken könnte); — XII, p. 56, 66, v. di Salviati.

Die Seena von Palladio’s Teatro olimpico vereinigt dann Beides: den symmetrischen Prachtbau und (durch 5 Pforten gesehen) die ansteigenden Gassen mit verschiedenen und unsymmetrischen Einzelgebäuden (Fig. 221). ,

Dass Ansichten wirklicher Gebäude, ja ganzer Städte vorkamen, er- hellt aus den Stellen über Peruzzi; in einer Decoration des Aristotile war Pisa ganz kenntlich dargestellt. Dass man aber solche Aussagen doch nicht zu buchstäblich nehmen dürfe, lehrt der Prolog von Ariosto’s Negro- mante: die Stadt stelle Cremona dar;

So che alcuni diranno ch’ella e simile E forse ancora ch’ella e la medesima Che fu detta Ferrara, recitandosi La Lena

(eine andere Comödie des Dichters), aber es sei eben Carneval, wo auch Cremona in der Maske auftreten dürfe, die einst Ferrara trua.

§• 194.

Künstlerische Absicht der Seena.

Das Höchste, was die Scenenkünstler erstrebten, war indess noch nirgends die Täuschung in unserm heutigen Sinne, sondern eine fest-



IX. Kapitel. Decorationen des Augenblickes.


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liehe Pracht des Anblickes, hinreissend genug für jene Zeit, um die Poesie daroh vergessen zu lassen.

Serlio’s u. A. Angaben, wie man den Mond steigen lasse, Blitz und Donner hervorbringe, beliebige Gegenstände brennen lasse, Flugmaschinen in Bewegung setze u. s. w. ; die Sonne wurde durch eine von hinten beleuchtete Crystallkugel dargestellt (und zwar beweglich) u. s. w.

Ganz kindlich und unserm Begriff von Illusion geradezu entgegen- gesetzt, erscheinen jene sog. Edelsteine, womit die Friese der Gebäude auf der Seena geschmückt waren; es waren facettirt gegossene Gefässe, entweder mit gefärbten Flüssigkeiten oder aus farbigem Glase, von hinten beleuchtet; an den perspectivisch verkürzten Flächen der Gebäude, heisst es, müsse man sie natürlich ebenfalls verkürzt darstellen , auch sie wohl befestigen, damit sie nicht von der Erschütterung der Ballette herunter- fielen.

Auch die Fenster, mit farbigem Glas, Papier oder Tuch geschlossen, wurden beleuchtet wie etwa jetzt auf Kindertheatern.

Eine ländliche Seena, eingerichtet von Genga für den Herzog von Urbino, hatte lauter Baumlaub und anderes Grün und Blumen von Seide; an den Gestaden des Wassers wimmelte es von echten Seemuscheln und Corallen, wozu die Prachtcostüme der Hirten und Nymphen, die goldenen Fischernetze und die aus verkappten Menschen componirten Meerwunder trefflich zu passen schienen.

Sehr richtig verlangt Serlio für die Bühne reines Oberlicht durch Kronleuchter, statt des zweifelhaft wirkenden Rampeihicht es der modernen Theater.

Vor bloss gemalten Personen warnt er, gibt aber doch Intermezzi von ausgeschnittenen Cartonfiguren zu, deren unterer Rand in einem Falz des Bühnenbodens laufen müsse.

§. 195.

Feuerwerk und Tischaufsätze.

Auch das Kunstfeuerwerk war in Italien gegen Ende des XV. Jahr- hunderts so ausgebildet , dass es den Festlichkeiten einen hohem Character verleihen konnte.

(Auch wohl in Spanien, vgl. das Feuerwerk in Barcelona 1501, bei

Hubert. Leodius, de vita Friderici II. Palatini, L. II.)

Auch hier sind Florentiner unentbehrlich. Phil. Beroaldus 1. c. (§. 187): am letzten Abend des Festes gab es auf dem Platz vor dem Palaste ein neues und ungewohntes Schauspiel, bei den Leuten Girandola, d. h. Flam- menkreis , geheissen , von einem florentinischen Machinator. (Es scheint


396


Zweites Buch. Decoration.


misslungen zu sein, aber trotz Schreckens und verbrannter Kleider gefiel es um der Neuheit willen.)

Das theoretische Werk des Yannuccio Biringucci von Siena, Pirotechnia (erste Ausg. Venedig 1540) steht uns nicht zu Gebote. Ueber den Autor vgl. Milanesi III, p. 124.

In Florenz knüpfte sich eine wahrscheinlich schon alte Ausübung an das Johannesfest. Die Hauptschilderung der Girandola in den ersten Jahrzehnten des XVI. Jahrh. ziemlich dunkel, bei Vasari X, p. 274, v. di Tribolo, welcher letztere dann auf Befehl Cosimo’s I. (vgl. §. 56) dem Feuer- werk die phantastischen Elemente benahm und einen classischen acht- eckigen Tempel an deren Stelle leuchten liess. — Vgl. XI, p. 288, v. di Rid. Ghirlandajo, dessen Gehülfe Nunziata in diesem Fache sehr gerühmt wird.

Nach dem Feuerwerk sind wir auch dem Zuekerwerk und den Tafelaufsätzen eine Notiz schuldig, insofern diese Dinge bisweilen mit grossen decorativen und plastischen Ansprüchen auftraten.

Ja bisweilen alle Speisen überhaupt in Phantasieformen. Ein colos- sales Beispiel Gorio, stör, di Milano, fol. 239, s. bei Anlass der Hochzeit einer Visconti mit einem englischen Prinzen 1368.

Beim Empfang der Lionora durch Cardinal Pietro Riario (§. 187), Corio, fol. 417, ss. , vergoldete Speisen, travestirte Gerichte, z. B. ein Kalbskopf als Einhorn, dann allmälig lebensgrosse mythologische Figuren und Gruppen, Gastelle, Alles essbar oder mit Delicatessen angefüllt, Schiffe, Wagen mit Thieren, ja ein Berg, aus welchem ein lebendiger Mensch herausstieg, um Verse zu recitiren. — Massiger ging es dann am Hofe von Ferrara bei den Festen zu Ehren derselben Prinzessin zu, Diario ferrar., bei Murat. XXIV, Gol. 249 ; die in allen möglichen Formen modellirten Zuckersachen wurden dann dem Volk zum Raub überlassen.

Beroaldus a. a. 0. (§. 187) lässt eine schon etwas veredelte Stufe dieses Vergnügens erkennen; bei der von ihm geschilderten Hochzeit kam zwar am Hauptgastmahl noch manche Spielerei vor, z. B. die Thiere noch scheinbar lebendig, Rehe, die noch hüpften, Stachelschweine, die noch ihre Stacheln aufrichteten etc.; die eigentliche Kunst zeigte sich aber zwei Tage später bei einem Dejeuner in engerm Kreise, und zwar mit den niedlichsten Figuren und Gruppen, wahrscheinlich aus Dragant, welche dann den einzelnen Gästen als Geschenk mitgegeben wurden.

Als Schluss Vignette dieses Abschnittes möge die Erwähnung einer gewiss geschmackvoll angeordneten Trophäe aus lauter Wildpret dienen, womit ein Abt von Farfa 1476 den nach Rom reisenden König Ferrante von Neapel empfing; Jovian. Pontan. de conviventia.


Orts - Y erzeiclmiss,

in welchem auch die untergegangenen Kunstwerke mit aufgenommen sind.


A.

Alla Yernia.

Kloster 156.

Agrigent.

Griechische Tempel 33.

Ancona.

Bogen 76.

Arezzo.

S. Annunziata 136.

Badia de’ Cassinensi 138.

Casa Montauti (Haus des Yasari) 20. Dom 2. 23. 25; Grabmal des Bischof Tarlati 266; Thonreliefs 285.

S. Maria delle grazie 58. 120. Misericordia : Fassade 119. 162. Pieve 15.

Assisi.

S. Francesco 23. 26; Höfe 156; Ge- wölbmalerei 348.

S. Maria degli angeli 138.

B.

Basel.

Oeff. Sammlung: Zeichnungen von Fassaden-Malereien 332. Bellinzona.

Festungswerke 205.

Bergamo.

S. Domenico: Chorstühle 303. S.M.Maggiore: Stuhl werk 303.307(2).


S. M. della Misericordia : Prachtaltar 292.

Grab-Kapelle Colleoni’s 8. 146. 259.

Kirchen 8.

Palazzo del Podesta 340.

Porta pinta 340.

Berlin.

Museum: Truhe 317.

Bissagno.

Villa Grimaldi 236.

Bissuccio.

Gemalte Fassade 342.

Bologna.

S. Annunziata 30.

S. Bartolommeo 120. 128.

S, Domenico: Stuhlwerk 303. 307. Inschrift daran 329 ; Grab des h. Dominicus 265.

S. Giacomo maggiore 70. 132;

glasirte Bodenplatten 328.

S. Giovanni in Monte 29 ; Intarsien 304.

S. Madonna di Galliera 119.

S. Martino maggiore 70.

S. Micchele in Bosco. Grabmal 268; Altar 287.

S. Petronio 26. 29. 30. 63; Modell 92; Kapellenschranken 2 89 ; Intar- sien 304; Bodenplatten 328.

S. Spirito 119.

Servitenkirche : Grabmal Gozzadini 259 .


398


Ortsverzeichnisse


Palast des Legaten 167. Arcivescovato 160.

Palazzo apostolico: geschnitzte Thür 310.

Palazzo Bentivogli 8. 173. 174. Palazzo Bevilacqua 60; Hof 70. Palazzo Fantnzzi 201.

Palazzo Fava 70.

Palazzo Giacomo Pepoli 92.

Palazzo Malvezzi-Medici 200.

Palazzo del Podesta 60. 195 ; Saal 194. Palazzo della Viola 224.

Palazzo Zucchini 203.

Loggia de’ Mercanti 197.

Putte di Baracano 204.

Thürine 140.

Pflasterung 213.

Strassen-Correction 8. 214. Thürklopfer 299.

Bolsener See.

Tempietti 112.

Bracciano.

Palazzo Orsini 180.

Palazzo Tagliacozzo 174.

Brescia.

Dom 98; Area di S. Apollonio 265. S. M. de’ Miracoli 102.

Gor so del T eatro: Wandmalereien 331. Palazzo communale 195; Saal 194. Busto Arsizio.

S. Maria in Piazza 104.

c.

Canobbio.

Kirche: Chorbau 103.

Caprarola.

Burg Farnese 229.

Capua.

Dom 156.

Careggi.

Wasserwerk 243.

Carpi.

Dom 38.

Gastei Dur ante 381.

Castello.

Villa Medici 230. 243.

Castiglione.

Schloss 231.

Castro.

Veste 218.


Civitä castellana.

Dom, Vorhalle 21.

Burg 206.

Civitä vecchia.

Hafen-Kastell 206.

Cöln.

St. Gereon 98.

Como.

Dom 121; Bauzeiten 152; decor. Sculptur 259; Marmor- Altar 287; Pyramiden 260.

S. Fedele 21.

Villa Giovio 222.

Cora.

Tempel 36.

Corneto.

Palazzo Vitelleschi 168.

Cortona.

Dom 127.

Madonnenkirche 94. (2).

Crema.

Kirche S. Maria della Croce 71. 105. Cremona.

S. Lorenzo: Grab von S. Mauro 265. S. Pietro: Klosterhof 18.

S. Tommaso: Grab S. Pietro Mar- cellino 265.

S. Vincenzo: Laubwerk 256. Torrazzo (Thurm) 138.

Cricoli.

Villa Trissino 16. 229.

D.

Diruta.

Stadt 8.

F.

Fabriano.

Piazza 216.

Spital 27.

Faenza.

Dom: Grab des h. Savinus 265. Farfa.

Kloster 155.

Ferrara.

Dom, Thurm 2. 141.

S. Benedetto 127; Gewölbmalerei 348. 353.



Ortsverzeichnis.


399


S. Gristoforo 71.

S. Francesco 127; Fries 348.

S. M. in vado 128.

Erzbischöfl. Seminar: Ge wölbmaler ei 358.

Klosterhof 69.

Palazzina 232; Gewölbmalerei 366. Palazzo de’ Diamanti 60.

Palazzo Roverella 69.

Palazzo Schifan oja 9; Fresken 224. Palazzo della Scrofa: Hof 70. 175. Stadt 218.

Pflasterung 213.

Strassen-Correction 214.

Villa Belvedere 224.

Villa Montana 224.

Palastgarten 237.

Privathaus 63.

Wappen 344.

Fiesoie.

Badia 4. 15. 131. 151. 157; Capital 45 ; Fassade 22 ; Brunnen 254. 290; Lesekanzel 254. 290.

Villa Ricasoli 223.

Florenz.

S. Ambrogio : Wand-Altäre 285.

SS. Angeli 93. 99.

S. Annunziata 100 ; Capella de’ Pittori 164; Aedicula 284; Gruppen auf Altären 289; Hängelampen 373; Tabernakel 254; Wappen 344. SS. Apostoli 22. (2.) 23; Thon- reliefs 285.

Badia: Grabmäler (von Mino da Fie- sole) 255. 270; (des G. Pandol- fino) 270; Stuhlwerk 308; Wand- altäre 285.

Baptisterium 372.

Certosa 159; Brunnen 290; Glas- malereien 358.

S. Croce, Thürgiebel 79.100; Eisen- gitter 297; Grabmal Aretino 255. 267.270; Grabmal Marzuppini 255. 267. 270 ; Gruppen auf Altären 289 ; Kanzel 255. 290; Sacristei-Getäfel 306;Sacristei-Schränke 301; Saeri- stei-Thtire 310; Säulenhof 157; Thonreliefs 285.

Capella de’ Pazzi 48. 75. 93. 100. 145 ; Altäre 313; Gewölbmalerei 350; Thüre 310.


Dom 3. 22. 25. (2.) 26. 94. 95. 98. 120.123. 153. 154 ;Decoration 264; Area des h. Zenobius 289 ; Fassade 17; Gruppen auf Altären 289; Mo- saik 328; Kuppel 17. 25. 32. 72. 75. 92. 93. 264; Grabmäler an die Wand gemalt 266. 267; Brunel- lesco’s Grab 267.

S. Felieitä: Weihbecken 254; Sacri- stei 145.

S. Francesco al Monte 130.

S. Gallo (Kloster) 159. 205.

S. Giovanni 22 ; Pforten von Erz 295.

Jesuatenkloster 158. 159.

Innocenti: Halle 93. 204. 216; Ge- wölbmalerei 370.

S. Lorenzo 47. 52. 86. 93. 95. 122. 126. 127 ; Mediceische Kapelle 149; Basis von Stierschädeln 363; Brun- nen 254. 290; Broncegitter 296; Gräber der Medici 283; eherne Kanzeln 290; Lettner 290; Sacri- stei 145 ; Stuccaturen 354; Taber- nakel 255 ; Thürflügel 295.

S. Marco: Dominikanerkloster 157; Klosterbibliothek 158 ; Stuccaturen 370.

S. Maria degli Angeli 12.

S. M. Maddalena de’ Pazzi 45. 48. 130; Altäre 313.

S. Maria novella 74. 118. 154; Cap. degli spagnuoli 92 ; Incrustation 63 ; Brunnen 256. 290 ; Chorstühle 306 ; Inschrift 329 ; Kanzel 290; glasirte Thonarbeiten 256,

S. Miniato 22. (2.); Aedicula 284; Gewölbmalerei 350 ; Grab des Car- dinal von Portugal 145. 270; Mo- saik 326 ; Tabernakel 254.

Or San Michele 3.

S. Pancrazio 47.

S. Romolo 214.

S. Piero Scheraggio 23.

S. Spirito 46. 47. 93. 94. 101. 126. 127. 216; Altäre 313: Plattenweg 210; Broncegitter 296.

S. Trinitä : Grabmal 270. Annunziaten-Platz 216. Arcivescovato 160.

Bauernhäusser 226.



400


Ortsverzeichnis.


Biblioteca Laurenziana 89; Treppe 95.191; Mosaik 328; geschnitzte Decken 323*

Campanile 138.

Casa Lanfredini 344.

Casa Spina 344.

Casernenbau 27.

Castell 344.

Fortezza da basso 206; Wappen 343. Korkmodell von Florenz 96.

Kirche des Findelhauses 204.

Loggia de’ Lanzi 47. 198. 216. Loggia der Ruccellai 199.

Lusthaus Strozzi-Ridolfi 226.

Palazzo Antinori 57. 58.

Palazzo Bartolini 58. 80. 173. Palazzo Gondi 51. 57. 75. 172;

Kamine 291.

Palazzo Levi 173.

Palazzo Medici (Riccardi) 51. 57. 63. 93. 168. 170. 173; Garten 239; Kapelle 254; Mosaik 326.

Palazzo non finito 203.

Palazzo Pandolfini 183. 196; In- schrift 329.

Palazzo Pitti 13. 57. 75. 90; Stucca- turen 370; Tesoro 378; Hof 203.

Palazzo del Podestä 195. 345. Palazzo Poppi 26.

Palazzo Roselli 173; Kamin 291. Palazzo Ruccellai 59. 82. 166. Palazzo Serristori 173.

Palazzo Strozzi 13. 57. 58. 75; Halle 47; Laternen 297; Treppe 190.

Palazzo Uguccioni 86. 183.

Palazzo Vecchio; Signorenpalast 25. 26. 95. 214. 216; Saal 194; Treppe 190; Geschnitzte Decken 320; Ge- malte Decken 325 ; Thür 46. 260. 306.

Piazza von Fabriano 216.

Platz am Baptisterium 210.

Ponte della Trinitä 209.

Lo Scalzo 162.

Signorenplatz 213.

Spital: Halle 204.

Uffizien 48. 90. 202 ; Bronze-Basis 299; Cassa di S. Giacinto 374; Grab des heil. Joh. Gualbertus (v. Rovezzano) 256. 265; Harfe


320; Pfeiler 251 ; Statue des Socino 268; Ge wölbmaler ei 370; Thüre 310; Helm und Schild Franz I. 379; Kästchen Clemens VII. 378. Via Larga 168.

Via nuova 210.

Vignen 226.

Villa Cafaggiuolo 223.

Villa Careggi 223; Garten 237. Villa Michelozzi (v.Bellosguardo)223. Villa Mozzi 223.

Villa Poggio a Cajano 94. 223. Villa Trebbio 223.

Vorstadtvilla 166.

Foligno.

Kirche 112.

Fontegiusta.

Hochaltar 253.

Frascati.

Villa Aldobrandini 232.

Villa Mondragone 232.

0 .

St. Gallen.

Klosterplan 155.

Gennazzano.

Palazzo Colonna 168.

Genua.

S. Annunziata 129.

Dom : Johanneskapelle 145 ; Intar- sien 307 ; Stuhlwerk 307; Taber- nakel 257.

S. M. de Carignano 82. 113. Dogenpalast: Treppe 202.

Palazzo Doria 89 ; Garten 242 ; Kamine 291; Stuccaturen 362; Fries 345.

Palazzo Sauli 203. 230.

Piazza dell’ Agnello : gemalte Fassade 342.

Piazza Fossatello 260.

Privathaus : Thüreinfassung 257; 260. Thor am Molo vecchio 209. Universität: Hof 161.

Villa Pallavicini 230. 242.

Grosseto.

Kathedrale 5.

Grotta ferrata.

Festungswerke 206.


Ortsverzeichnisse


401


Giibbio.

Herzog! Palast 174.

L,

Lodi.

Incoronata 104. 155; Wandmalerei 347.

Loretto.

Kirche: Gewölbmalerei 366; Santa Gasa 263.

Löwen.

Stadthaus: Modell 93.

Lucca.

Dom: Grab der Ilaria del Garretto 253; Kanzel 290; Regulusaltar 286; Tempietto 284; Thüre 310.

S. Frediano 151.

Palazzo Pretorio 196.

Piazza: Reiterdenkmal 267.

Lugano.

Kathedrale. Fassade 122. 259.

M.

Maggiano.

Certosa: Stuhlwerk 307.

Mailand.

S. Ambrogiol20. 157 ; Säulenhof 159.

S. Babila 75.

S. Gelso 75.

Dom 7. 25. 28. 366 ; Grabmal Ma- rignano 283; Kuppel 30. 94. 98.

S. Eustorgio 104; Kapelle 145; Grab- mal Brivio 281.

S. Fedele 133. 152.

Incoronata 30.

S. Lorenzo 21. 98. 108.

S. M. delle Grazie 79. 104. 106 ; Altäre 259; Chorstühle 306; Grab- mahl 281.

Grabmäler 259. 281.

S. M. della passione 113.

S. M. presso S. Gelso 71. 105.136; Atrium 157; Gewölbmalerei 370.

Monastero maggiore (S. Maurizio) 31. 73. 132; Goth. Maasswerk ge- malt 31; Pfeilerbemalung 347.

S. Satiro 71. 104.119. 155; Sacristei 146. 260; Rankenwerk 260.

S. Sepolcro 75.


Mailand ferner :

Ambrosiana 164.

Arcivescovato 90. 160. 203.

Brera: Hof 161.

Broletto 70.

Gasa Frigerio 13. 70.

Gasa Lioni 20. 200.

Gasa Vismara 168. 170. 323.

Castell 7. 206; Hippodrom 238. Gollegio de’ Nobili 202.

Contabilitä (Gollegio elvetico) 49. Ospedale maggiore 67. 70. 204. 259. Palazzo Litta, Gemälde 31. 319. Palazzo Marino 200. 302. Pflasterung 213.

Simplonbogen 381. Strassen-Correetion 214.

Malpaga.

Landschloss 8.

Mantua.

S. Andrea 117. 131.

S. Benedetto 138.

Dom 7. 123.

Haus des Mantegna 20.

Capelle des Mantegna 20.

Haus des Giulio Romano 20 ; Stuc- caturen 362.

Palazzo Ducale: Stuccaturen 362. Palazzo del Te 200. 227 ; Fries 346;

Stuccaturen 361. 362.

Privathaus 329.

Strassen-Correetion 214.

Modena.

S. Pietro 119.

Montefiascone.

Kirche 112.

Päpstl. Palast 27.

Monte Sansovino.

Haus des Andrea Sansovino 20.

Montepulciano.

Kirche 82. 94. 142.

Madonna di S. Biagio 101.

Monza.

Dom 67.

München.

Residenz, Hofgarten 244.

Murano.

SS. Piero e Paolo 128.


Bure k har dt, Italien. Renaissance. Zweite Aufl.


26



402


Ortsverzeichniss.


N.

Narni.

Dom 120.

Neapel.

S. Angelo a Nilo: Grab des Cardinal Brancacci 281.

S. Chiara 144.

Dom: eherne Thüren 296.

S. Filippo 129.

S. Giacomo degli Spagnuoli: Grab des Pietro di Toledo 283.

S. Gio. a Garbonara: Gap. Carrac- ciolo 151.

Incoronata: Gewölbmalerei 349. Kirche Monte oliveto 130 ; Marmor- Altar 287.

Kirche des Pontanus 151.

S. Lucia: Brunnen 256.

S. M. delle Grazie 130.

S. Severino 151. 159.


Gastello nuovo: Saal 194; Triumph- bogen des Alphons 76. 208 ; eherne Thüren 296.

Grabmäler 256; Gräber der Anjou 266. Museum: Farnes. Gefäss, Kästchen 377. 378. 380.

Palazzo Golobrano 60.

Palazzo Gravina 179.

Poggio reale 223; Garten 237. 238. Porta Capuana 206.

Thüren, hölzerne, an Palästen und Kirchen 310.

Pflasterung 213.

Schloss des Kronprinzen 94. Strassen-Correction 215.

Nepi.

Festungswerke 206.

Nimes.

Amphitheater 53.

Nonantula.

Kloster 155.

Novara.

S. Gaudenzio 133.

0 .

Orvieto.

Dom 6. 25. 28; Altäre 287; Eisen- gitter 297; Stuhlwerk 302. 304; Weihbecken 253. 291.


Palast 26.

Ostia.

Stadt (Neubau derselben) 218.

P.

Padua.

S. Antonio 145; Altar 289; Höfe 156; Leuchter 298; Pfeilerhalle 259; Stuhlwerk 306; Stuccaturen 296. 365.

Bronzereliefs und Wandgräber 292. Gasa Cornaro 340.

Dom 137.

Eremitanerkirche*. Fresken 347. 349;

Wandtabernakel 285.

S. Giustina 82. 136. 159.

S. Prosdocimo: Altar-Rahmen 314;

Intarsien 304.

Bischofshof 159.

Gollegio del Gardinale 161.

Gasthof zum Ochsen 204.

Lodia 198.

Loggia del consiglio 195.

Palast Ezzelin’s 27.

Palazzo Giustiniani 205 ; Gartenhalle 226.229; Hof 16 ; Stuccaturen 362. Porta S. Giovanni 208.

Porta Savonarola 208. 332.

Residenz d. Fürstenfamilie Carrara 27. Salone 194.

Scuola del Garmine 132. Universität: Hof 161.

Wahlurne 299.

Palermo.

S. Martino: Stuhlwerk 307.

Palma nuova.

Festung 218.

Palo.

Castell 206.

Paris.

Ecole des beauxarts : Are de Gailion 3 1 . Parma.

Dom : Thüre 310 ; Gewölbmalerei 349. S. Giovanni 135; Fries 348; Intar- sien 304 ; Wandmalerei 347.

S. Paolo: Gewölbmalerei 350.

Piazza 217.

La Steccata 112. 348.

Theater 390.


Ortsverzeichniss.


403


Pästum.

Griechischer Tempel 33.

Pa via.

Brücke 209.

Castell 7. 27 ; Gewölbmalerei 349. Certosa 7. 46. 64. 70. 77. 79.105.120. 157. 159. 259 (2); Gewölbmalerei 350; Grabmal des Giangaleazzo Visconti 266 ; Leuchter 298.

Dom 134; Modell 94.

Kirche Canepanova 104.

Vescovato 159.

Palasthof beim Carmine 70. Strassen- Correction 214.


mgia.

S. Agostino : Stuhlwerk 304.

S. Bernardino 77. 119. 162.

S. Francesco : Architecturbildchen in der Sacristei 64.

Collegio del Cambio: Gewölbmalerei 353; Stuhlwerk 307.

Dom 6. 135; Aussenkanzel 290.

S. Domenico 6. 269 ; Wandtaber- nakel 285.

S. Pietro : Stuhlwerk 308.

Palast des Braccio Baglione 332. Porta S. Pietro 58. 206.

Wappen Paul III., gemeisselt 343. Pflasterung 213.

Schloss des Braccio da Montone 168. Strassen-Correction 214.

Pesaro.

S. Giovanni Battista 113.

Veste 8.

Strassen-Correction 8.

Villa Monte imperiale 2 2 8 ; T rep pe 191. Besidenz: Garten 240.

Majolica werkstätte 381.

Piacenza.

Madonnenkirche 6.

S. M. di Campagna 105.

S. Sepolcro 137.

S. Sisto 128. 146; Wandmalerei 347. Palast Vignola’s 200.

Palazzo Farnese 199.

Haus Pozzo 244.

Piazza 213.

Pienza.

Stadt (Umbau derselben) 216. 217. Bischofshof 159.

Dom 79. 118.


Kirche Pius II. 135. 153. 154; Chor- stuhlwerk 307.

Palast Pius II. 59. 78. 170. 186; Zin- nenthürmchen 193.

Pisa.

Baptisterium 2.

Campo Santo 141. 156. 223. 238;

Fresken 195. 217. 238.

Dom 24. 154; Arabesken 263; Bi- schofsthron 306. 307; Grab des Gamaliel 265; Intarsien 304; eherne Pforten 296; Weihbecken 291. Erzbischöfl. Palast 159.

Palazzo Gambacorti: Garten 238. Thurm 21. 138.

Universität: Hof 161.

Pistoja.

Baptisterium 15.

Cathedrale 373; Gewölbmalerei 350. S. M. dell’ Umiltä 75. 95. 105. Ospedale del Ceppo 204.

Palazzo del Podestä 195.

Palazzo de’ Tribunali 345.

Pola.

Amphitheater 53. 54.

Pompeji.

Bronzeleuchter 298.

Prato.

Dom: Aussenkanzel 290; eherne

Gitter 296.

Madonna delle carcer i 75. 101. Pratolino.

Villa 230.

R.

Ravenna.

S. Apollinare in Classe 8.

Dom 125.

Kirche Galla Placidia 8.

S. Severo 8.

Rimini.

S. Francesco 8. 52. 91. 100. 117. Riva.

S. Groce 113.

Rom.

S. Agostino 52. 118. 134; Gruppen auf Altären 289.

SS. Apostoli 120. 125.

S. Caterina de’ funari 124.

S. Cecilia: Gewölbmalerei 353.


404 Ortsverzeichniss.


S. Crisogono 21.

Kirche del Ge.sü 133.

S. Giacomo degli Incurabili 112.

S. Giovanni decollato 162.

S. Giovanni de’ fiorentini 39. 95. 112. S. Gregorio: Altar 289.

Lateran 120. 154. 284; Gap. Cor- sini 149. Klosterhöfe 21. 156; Grab Martins V. 281. 292 ; Mosaik 326 ; Aedicula 284.

S. Lorenzo in Damaso 136. 185.

S. Lorenzo fuori 21.

S. Marcello 130.

S. Marco 79. 120. 126 ; Geschnitzte Decken 320; Grabmal des Card. Zeno 281.

S. Maria degli angeli: Säulenhof 157; Giborium 299.

S. M. dell’ anima 120. 135.

S. M. in Araceli: Gewölbmalerei 353;

Lesepult 308.

S. M. di Loreto 112.

S. M. Maggiore 120. 125. 126; Kapelle Sixtus V. 149; Kapelle Paul V. 149; Geschnitzte Decken 323; Grabmal Gonsalvo 369; Haupt- altar 284.

S. M. sopra Minerva : Inschriften

329 ; Grabmal Durantis 269 ; Ge- wölbmal. 370; Orgelgehäuse 308. S. M. de’ Monti 124. 133; Stucca- turen 370.

S. M. della Pace 101. 132; Grab- mäler Ponzetti 281 ; Pfeilerhof 157 ; Arabesken 263.

S. M. dell’ Orto 123.

S.M. del popolo 52. 118. 134; Altäre, Gräber, Sacramentbehälter 255. 256. 270; Gräber im Chor 281; Gewölbmalerei 353; Gap. Chigi 149. 283 ; Altar Borgia 287 ; Wand- altäre 285 ; Krönung Mariae 373. S. M. in navicella 120.

S. M. Rotonda, s. Pantheon.

S. M. traspontina 124.

S. M. in Trastevere 21.

S. M. in via lata 120.

S. Paul 125 284; Klosterhof 21. 156; Aedicula 284.

S. Peter 9. 11. 107. 111. 113. 123. (2.) 125. 134. 136. 142. 144. 152.


154. (2.) 218. 270; Grab Six- tus IV. 281; Altäre 284. 287; Gruppen auf Altären 289 ; Plan 78.(2.); Thürflügel 295; Stucca- turen 365 ; silb. Leuchter von B. Cellini 376 ; Modelle 95.

S. Pietro in montorio 132 ; Tem- pietto 78. 82. 107.

S. Pietro in vincoli 94. 120; Hof- cisterne 158.

Kirche der Sapienza: Hof 161.

S. Spirito 124. 130. 142. 144.

Stationskirchen 9.


Amphitheatrum castrense 53. 67. Aqua di Trevi 10.

Augustusbogen 117.

Belvedere am Vatican 223.

Bogen der Goldschmiede 248.

Borgo 9. 218. 344.

Gampo Fiore: Reiterdenkmal des

Gorvinus 267.

Cancelleria 17. 59. 79. 80. 82. 89. 136. 181. (2.) 185 ; Stuccaturen 365 ; Treppe 190.

Gollegio Romano: Hof 161. Colosseum 52. (2.) 76. 356. Gonservatorenpalast 48 ; Stuccaturen 365.

Denkmal beim Tavolato 67. Engelsbrücke 209. 218.

Engelsburg: Wand-Decoration 346. 358. 362.

Galeria delle Statue (Vatican) 224. Gerichtsgebäude an der Via Giuliall.

Giardinetto des Erzbischofs von Cypern 240.

Giardino della Pigna (Vatican) 89.

186. 221. 241.

Governo vecchio 60.

Grab Sixtus IV. 292.

Grab Innocenz VIII. 292.

Haus desBranconio d’Aquiläl81. 183.

Hospital S. Spirito 79. 204. Marcellus-Theater 52. 81.

Minerva medica 100. 101.

Orti Farnesiani 245.^- Palazzo Cicciaporci 181.


Ortsverzeichnisse


405


Palazzo Farnese 52. 77. 170.171. 181. (2.) 184. 185. 186. 199. 202; ge- schnitzte Decke 323; Treppe 190. 191; Wappen 344; Fries 345. Palazzo di Firenze 171.

Palazzo Giraud 59. 181. (2.) Palazzo Lante 185.

Palazzo Linotte 189.

Palazzo Maccar ani 181.

Palazzo Massimi 48. 186. 188; ge- schnitzte Decken 323 ; Kamin 291. Palazzo Niccolini 181.

Palazzo Riario 181.

Palazzo Ruspoli (jetzige Banca nazio- nale) 200.

Palazzo Sciarra 182.

Palazzo Sora 181.

Palazzo Spada 183.

Palazzo dellaValle 185; Garten 239; Palazzo di Venezia 52. 58. 78. 79.

174. 181. 185. 194; Inschrift 329; Palazzo Vidoni-Caffarelli 86. 181. 183.

Pantheon 22. 37. 71. 76. 80. 82. 98;

eherne Thüre 292.

Pflasterung 213.

Ponte Sisto 10.. 209.

Porta maggiore 54.

Porta Pia 209.

Porta del Popolo 209.

Porta S. Spirito 209.

Septizonium des Severus 49. Stadtmauern 9.

Tempio del Dio redicolo 67. Thermen des Titus 71. 92. 353. 355. 356.

Thermen des Diocletian 356. Tiberbrücke (mittlere) 10.

Vatican 9. 11. 48. 82. 218; Biblio- teca 186. 241; Braccio nuovo 186. 241 ; Mosaik 326 ; Appartamento Borgia: 73; Gewölbmalerei 349; Stuccaturen 354. 358; Intarsien an Thüren 304. 310; Geschnitzte Thüren 310; Stanza dellncendio: Gewölbmalerei 353; Camera della Segnatula: Intarsien 304; Gewölb- malerei 353; Loggien: 88. 89.95. 308.328 p Fries 346. 358; Inschrift 329 ; Bibliothek 158; Gewölbmalerei 370; Cortile di S. Damaso: Stuc-


caturen 356; Sala regia: 194; Stuc- caturen 365 ; Deckenmalerei 320. 370; Haupthof 186. 221; Treppe 190. 191; Belvedere 223; Garten 237. 242; Bagno di GiulioII. 236; Sixtin-Capelle 87. 326. 346 ; Lettner 289; Mosaik 326; Gewölbmalerei 354; Wandmalerei 346; Säle 194; Porta Palatina 218; Stanzen 326; Galeria geografica 370.

Vigna de’ Medici 225.

Vigna di Papa Giulio 48. 230. 243 ;

Stuccaturen 365.

Villa Borghese 232.

Villa Farnesina 85. 88. 224; Gewölb- malerei 353. 358; Wandmalerei 338; Stuccaturen 301 ; Treppe 190. Villa Lante 227; Bad 235; Stucca- turen 362.

Villa Madama 224. 229. 242. 243;

Stuccaturen 358.

Villa Magliana 223.

Villa Mattei 232.

Villa Medici 232.

Villa Montalto-Negroni 232.

Villa Pia 222. 232. 242.

Villa Sacchetti 221. Strassen-Gorrection 215.

s.

Salerno.

Dom 156.

Saronno.

Kirche 105.

Savona.

Palast 94.

Selinunt.

Griechischer Tempel 33.

Siena.

S. Agostino: Bronzegitter 296.

S. Bernardino 162 ; Geschnitzte Decken 323.

S. Gaterina 5. 119. 162; Hof 162.

Dom 4. 25. 92: Hochaltar 63; Altar des Cardinal Piccolomini 253. 286; Eingang zur Libreria 253. 296. 355. 356; Gonsolen 299; Bronze- gitter 296; Bischofsthron 307; hölz. Lettner 308 ; Gap. S. Gio- vanni 151; Mosaik 326; Pfeiler-


406


Ortsverzeichnis.


bemalung 348; Prachtaltar 253; Stuhlwerk 304; Tabernakel 299. (2.); Weihbecken 246. 253. 291. 299. (2.) ; Gewölbmalerei 353 ; Stuccaturen 356; Duccio’s Altar- werk 5; Bronce-Thürchen 299. S.Domenico 129 ; Giborium 253.263. Kirche Fontegiusta: Altar 286; Ta- bernakel 299; Weihbecken 299; S. Francesco 129.

S. M. delle nevi 119.

Kirche della Scala; hölz. Lettner 308. Fonte gaja 5.

Haus Ghigi: geschnitzte Decken 323; Loggia de’ Nobili (Casino de’ Nobili) 197. 199. 254. 366; Steinbank 290. Loggia del Papa 94. 199.

Museum: Geschnitzte Pilaster 307. Osservanza: Silb. Gassette 374. Palazzo Bandini-Piccolomini 57. Palazzo della Ciaja 173.

Palazzo del Magnifico : eherne Thür- ringe 299.

Palazzo della Mercanzia 197. 199. Palazzo Nerucci 57.

Palazzo Piccolomini 57.

Palazzo del Podestä 5.

Palazzo pubblico : Gewölbmalerei 366 ;

Kapelle 24 ; Intarsien 306 ; Thür 253. Palazzo Spannocchi 57.

Piazza 213. 217.

Porta nuova 5.

Porta Gamollia: Wappen 344. Reiterdenkmal 267.

Servi (Goncezione) 128.

Spital 27.

Villen 229.

Strassen-Gorrection 4. 214.

Spello.

Dom: Hochaltar 284.

Spoleto.

Dom 120; Aussenkanzel 290.

T.

Tivoli.

Villa Adriana 355.

Villa d’Este 230. 239. 240. 242. 244; Garten 240.

Todi.

Kirche Madonna della consolazione 82. 106.


Treviso.

Bischofshof: Wandmalerei 347. Friese 64.

Trier.

Liebfrauenkirche 98.

Turin.

Armeria: Schild 379.

Kathedrale 118.

V.

Urbino.

Palast 9. 173. 174; Brunnen 290; geschnitzte Decken 323 ; Decora- tion 256 ; Sculp. Fries 346; Kamin 291; Thürpfosten 250; Saal 194; Hallenhof 15. 174; Treppe 174.

V.

Vallombrosa.

Kloster 156.

Venedig.

S. Andrea 60.

SS. Apostoli: Kapelle 145.

S. Elena 306. 328.

S. Fantino 137.

S. Francesco della vigna 91. 130; Stuccaturen 366.

S. Giorgio maggiore 4. 138; Kloster- bibliothek 158.

S. Giovanni Crisostomo 2. 65. 101. S. Giovanni Evangelista 164.

S. Giovanni e Paolo: Grabmal Ven- dramin 225. 257. 281; Grabmal Mocenigo 281.

S. Marco 137; Thurm 60. 139. 144; eherne Thüren 296; Gewölbe- mosaik 350; Hängelampe 373; Getäfel im Chor 306 ; Intarsien 307; Sacristei 145 ; Intarsien 304 ; Grab und Capelle des Cardinal Zeno 267. 281. 284. 292.

S. Maria de’ Frari : Altarrahmen 263. S. Maria de’ miracoli 2. 65. 145. 151 ; Incrustation 257.

S. Maria dell’ Orto : Gemalte Decken 326.

S. Maria della Salute : Gemalte Decken 325; Leuchter 298. (2).

S. Martino 112.

S. Michele 60. 64. 128; Kapelle 145.


Ortsverzeichnis.


407


S. S. Piero e Paolo (auf Murano) 128. Kirche del Redentore 138.

S. Salvatore 137; Refectorium 159. Scuola di S. Marco 65. 164; Incru- station 257 ; Treppe 179.

Scuola di S. Rocco 65. 164; Saal 194; Treppe 179.

S. Zaccaria 29. 65. (2.) 128.


Akademie: geschnitzte Decken 320.

S. Andrea di Lido, Fort 6. 208.

Biblioteca di S. Marco 39. 85. 197. (2.). Manuscript des Filarete 41.

Dogenpalast 60. 63. 165. 196. 197. 216; Porta della carta 26; ge- schnitzte Decken 320 ; Hof 65. 196; gemalte Decken 325; Cister- nen 300; Incrustation 257; Ka- mine 257. 291; Sala del gran con- siglio 193; Scala d ; oro 179. 197 ; Stuecaturen 366.

Hallen am Rialto 216.

Haus Odoni 313.

Fondaco de’ Tedeschi, Wandmalerei 340. 341.

Marcusplatz 197. 213. 216 ; Halter für Fahnenmaste 299.

Palazzo del Comune 331.

Palazzo Gontarini 200.

Palazzo Gornaro 179; gemalte Decken 325.

Palazzo Corner-Spin elli 60. 65.

Palazzo Dario 65.

Palazzo Delfino 179.

Palazzo Foscari 12.

Palazzo Grimani 16. 65. 179 ; gemalte Decken 325. 358.

Palazzo Malipiero 65.

Palazzo Manzoni-Angarani 65.

Palazzo Pesaro 200.

Palazzo Rezzonico 200.

Palazzo Trevisan 65.

Palazzo Vendramin-Calergi 65 ; Bil- derrahmen 314.

Piazzetta 216.

Prigioni 90.

Procurazien 197.

Rialto-Brücke 209. 332.

Sacristei der Frari : Altarrahmen 314.

Statue Colleoni 257.

Theater 390.


Thürme 142; Marcusthurm 60. 139. 144.

Wasserveste S. Andrea 6.

Zecca (Münzgebäude) 87.

Verona.

Altar-Einfassungen 259.

Arco de’ Leoni 248.

S. Bernardino: Kapelle 112. 151.

S. Fermo: Grabmal Turriani 281. S. Giorgio 132; Altar 287.

Madonna di Campagna 112. Madonna des Stefano da Zevio 330. S. M. in organo 128 ; Gewölbmalerei 250 ; Intarsien 304 ; hölz. Steh- leuchter 308 ; Stuhlwerk 306. 308. S. Nazario e Celso : Fries 347; Gap.

S. Biagio 145.

Amphitheater 54.

Gasa Borella: Wandmalerei 338. Gräber der Scaliger 266.

Palazzo Bevilacqua 179.

Palazzo Canossa 190; Fries 345. Palazzo del Consiglio 195.

Palazzo Pompei 179.

Piazza dell’ Erbe: Wandmalerei 338. Porta nuova 208.

Porta stuppa (Porta del Palio) 208. Porta S. Zeno 208.

Ruinen 35. (2.).

Vicenza.

Altar-Einfassungen 259.

Basilica 49. 197. 202.

Palazzo Ghieregati 49. 200.

Palazzo della Ragione 198.

Rotonda Gapra 205. 232.

Teatro olimpico 390.

Vescovato 159.

Vicovaro.

S. Giacomo 99.

Palazzo Orsini 174.

Vigevano.

Stadt 7.

Piazza 217.

Viterbo.

Alla Quercia: Hof 156.

Bäder 204.

Villa Lante alla Bagnaja 230. Strassen-Correction 215.

Vivo.

Villa Marcellus II., Bad 236.


Künstler-’ V erzeichniss


A.

Acciajuoli 27.

Adamantini B04.

d’Agnolo, Baccio 18. 58. 80. 81. 142. 172. (2.) 226. 303. 304. 306. 313. 317. 320. 328.

d’Agnolo, Domenico 303. (2.). d’Agnolo, Gabr. 180. d’Agnolo, Giul. 303.

Agostino (v. Florenz) 18. 58. 206. 266. 373.

Alberti 3. 18. 19. 32. (2). 34. 37. 40. 46. (2). 47. 50. 51. 52. 53. 59. 63. 72. 73. 78. 79. 82. 91. 93. 100. 117. 118. 120. 124. 127. 129. 131. 140. 152. 165. 193. 199. 204. 209. (2). 213. 216. 217. 219. 238. 239. 241. 244. 267. 284. 291. 310. 326. 329. 354. 370.

Albertmi 224. 284. 373. 374.

Aleotti 390.

Alessi 49. 52. 113. 136. 199. (2.) 200.

(2.) 202, 230. 231. 236. 242. Amadio 259. 265.

Ambrogio Maggiore 265.

Ambrogio (da Urbino) 64.

Ammanati 90. 161. 199. 200. 202. 203.

209. 230. 302.

Anastagi 375.

Andrea 312.

Andrea da Fiesoie, siehe Fiesoie. d’ Andrea, Carlo 299. d’ Andrea, Giovanni 299.

Angelico, fra, da Fiesoie 313.

Antonio, Francesco de 374.

Antonio (da Mantova) 804.

Antonio, Marco 264.


Araldi 347. 350.

Ariguzzi 30. 93.

Aristotile 319. 340. 387. 390. 393. 394. Arnolfo 3. 24. 25. 26. (2.) 92. 120. 210. Auria, Domenico di 256.

Averulino, Antonio, s. Filarete.

B.

Bacchiacca 319.

Bagnacavallo 340.

Bambaja 259.

Bandinelli 154. 241. (2.) 243. 263. 264.

283. 289. 326. 388.

Barbar o 27. 38. 144.

Barile, Antonio 303. 307. (2.) 308. 314. 323.

Barile, Gio. 303. 304. 307. 308. 310. 314. Barozzi, s. Vignola.

Bartolommeo, fra 26. 314. 339. Battista 127.

Battagli Giov. Batt. 105.

Battoni 314.

Beccafumi 327. 340. 344. 366. 384. 386. 389.

Benedetto da Rovezzano 256. 265. 291. Benozzo 141. 195. 217. 223. Benvenuti, Pietro 127.

Benvenuto Cellini, s. Cellini. Bergamasco 145. 196.

Bergamo, fra Damiano da 303. (2.) 307. 329.

Bergamo, Gio. Batt. 264.

Bergamo, Stefano da 308.

Bernardi, Gio. de’ 380.

Bertano 38. 89.

Bicci, Neri de’ 266. 301.

Bigio, Francia di 394.


Künstlerverzeichniss.


409


Bologna, Gio. da 296.

Bombarde, Giov. delle 299.

Bonfigli 350.

BorgoS. Sepolcro, Francesco di 52.120. Borgognone 105. 121. 349.

Boscoli, Maso 256.

Botticelli 312. 371.

Bramante 7. 11. 16. 36. 38. 48. 53. 59. (2.) 71. 74. 75. 78. 79. 80. 82. (2.) 89. 95. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 120. 134. 136. (2.) 146. 155. 157. (2.) 181. (2.) 185. (2.) 190. (2.) 191. 202. 206. 221. 224. 240. 241. 242. 260. 292. 326. 329. 346. 347. Bramantino 35. 303.

Bregario 303.

Bregno 196.

Brescia, fra Rafaelle da 303. 304. 307. Brescia, Stefano da 326.

Brescia, Vincenzo da 264.

Bresciano 298.

Bronzino 319.

Brunellesco 3. 12. 15. 18. 19. 22. 25. 28. 32. (2.) 34. 47.48.57. 72. 75.91. 92. 93. (2.) 99. (2.) 116. 126. 131. 145. 151. 157. (2.) 159. 161. 168. 204. 216. (2.) 249. 254. 264. 267. 290. (4.) 304. 371.

Buonarroti, s. Michelangelo.

Busti 259.

c.

Gagnola 213. 217. 331. 387.

Galcagni 95.

Calvi, Fabio 36. 38.

Galvi, Lazaro 265.

Calvi, Pantaleo 265.

Campanella 113.

Campi 370.

Canozzi (Lendenara) 303. 306. Caparra (Nie. Grosso) 297.

Caporali 38.

Garadosso 377. 378.

Caravaggio, Polidoro da 338. (2.) 340.

(2.) 342. (2.)

Garota 323.

Gar otto 35. 319.

Garpi, Girol. da 240.

Gastagno 99.

Castisdione 28. 36.


Cellini, Benvenuto 77. 250. 299. 376.

378. 379. 380. 381.

Gerabalia 297.

Cervellesi 307.

Cesare 389.

Gesariani 38.

Gesarino 377.

Cimabue 348.

Givitali 286. 290.

Glementi 389.

Glovio 329.

Golonna, fra Francesco (Polifilo) 33.

42. 101. 238.

Cornaro 16. (2.) 35. 226.

Correggio 19. 264. 319. 348. 350. Gortona, Pietro da 221.

Gortona, Urbano da 253.

Gosimo, Andrea di 4. 347. 350.

Gosini 256. 265.

Cozzarelli 299.

Grespi, Cerano 370.

Cristofano 256.

Gristoforo 326.

Gristoforo Ferrarese 313.

Gristoforo da Roma (Romano) 256.259. Crivelli 354.

Gronaca 18. 35. 57. (2.) 58. 94. 101. 117. 130. 146. 190. 194. 298. 328.

D.

Da Majano 18.

Damiano, fra, da Bergamo 303. (2.) 307 329

Daniele daYolterral83. 194.28 7.345.365. Dello 319.

130

Desiderio da SctÜgnano'255. 270. 299. Dolcebuono 30. 31. 73. 132. 157. Domenichino 232.

Donatello 32. 34. 254. 256, 270. 281.

289. 290. (2.) 292. 296. 347. 354. Donatello, Simone 270. 295. 296. Dosio 160.

Dossi Dosso 240.

Duca 258.

Duccio 5.

Dürer, Albrecht 240.

F.

Faenza, Marco da 366.

Falconetto 16. 35. 205. (2.) 226. 347. 350. 365.


Künstlerverzeichniss.


410

Fattore (Penni) 264.

Feltre, Morto da 323. 337. 340. 355. Feltrini, Andrea 323. 337. 355. 384. Ferrarese, Cristoforo 313.

Ferrari 264.

Fiesoie, Andrea da 256.

Fiesoie, fra Angelieo da 313.

Fiesoie, Mino da 255. 270. 285. Filarete 19. 28. 32. 34. 41. 67. 168.

255. 281. 292. 295.

Finiguerra 371. 373.

Fioravante 167. 195.

Fiorentino, Rosso 344.

Forbicini 366.

Formentone 195.

Formigine 120. 201. 258.

Fortebraccio 329.

Francia 319.

Franciabigio 312.

Francione 94. 303. 306.

Franco, Battista 366. 381. (2.) 386.

389. 390. 394.

Fusina 253. 259.

Gr.

Gaddi 18.

Gambara 331.

Garbo, Raffaelle del 314.

Garofalo 35. 38. 89. 240. 299. 326.

340. 346. 353.

Garvi, Matteo 259.

Garvi, Tommaso 259.

Gasparre da Volterra 28.

Gaudenzio 264. (2.).

Genga, Bartol. 37.

Genga, Girol. 18. 113. 123. 191. 206.

228. 240. 319. 325. 366. 377. 394. Gherardi 244. 339. 340. 355. 366. 393. Ghiberti 17. 32. 99. 289. 295. 371. 374. 380.

Ghirlandajo 34. 340. 371.373. 394.

S. Gimignano 319. 339.

Giocondo, fra 31. 35. (2). 38. 42. 80. 109. 195. 216. 306. 319. 340. 345. 365.

Giordano 374.

Giorgio, Gecco di 57. 173. 199. Giorgio, Francesco di 19. 30. 31. 34. 37. 38. 42. 44. 91. 94. 101. 119. 174. 206. 217. 268. 346.

Giorgione 319. 339. (2). 340. 341. 356.


Giotto 3. 17. 18. 24. 120. 138. 266. 301. 349.

Giovanni da Bologna 296.

Giovanni da Correggio 264.

Giovanni da Nola 256. 283.

Giovanni da Siena 167.

Giovanni da Udine 198. 240. 264. 336.

337. 338. 345. 355.

Giovanni, fra, da Verona 303. 304. (3). 308. 310.

Giovanni von Vicenza 260.

Girolamo da Garpi 240.

S. Giuliano, Ventura di 101. 323. Gobbo , il 113. 259.

Gozzoli 223. 238.

Granacci 319. 386. 394.

Grimani 16. 33.

Grosso (Gaparra) 297.

Guccio, Agostino di 19. (2). 119. 285. Guerco 340.

Guglielmo Bergamasco 145. 196.

H.

Holbein 342.

I.

Jacopo Tedesco 23. (2). 25.

Imola, Innoc. da 224.

Indaco 394.

L.

Lando 18.

Lapo 26.

Lappoli 394.

Laurana, Luciano de 15. 174.

Lazzero 290.

Lendenara (Ganozzi) 303. 306.

Leoni 20. 236. 283.

Leopardo 257. 283. 299.

Lignamine, Filippo de 174.

Ligorio 222. 232.

Lionardo da Vinci 7. 16. 19. .42. 206. Lippi 313. 347. 349.

Lomazzo 8. 16. 36. 77. 260. 264. 297.

319. 340. 346.

Lombardi 281. 339.

Lombardo, Alfonso 268.

Lombardo, Girol. 299.

Lombardo, Martino 128.

Lombardo, Moro 128.


Künstlerverzeichniss.


kW


Lombardo, Pietro 65. 102. 145. Lombardo, Tullio 64. 101.

Longhena 200.

Lorenzo, Bernardo di 59. 118. 240. 258. Lotto 808.

Lovini, Aurelio 264.

Lovini, Evang. 264.

Lovino (Luini), Bernardino 164.264.350.


M.

Maderna 370.

Maggiore, Ambrogio 265.

Majano, Benedetto da 18. 120.255.265.

290. 303. 306. (2). 320.

Majano, Giuliano da 18. 19. 52, 57.

58. 126. 206. 223. 303. 306. 320. Malipiero 139. 267. 296. 315.

Manetti 100. 218.

Mangone 49.

Mantegna 20. 64. 101. 306. 338. 339. 347. 349.

Mantova, Antonio da 804.

Mantova, Paolo da 304.

Marcilla 339.

Marco Antonio 264.

Marco Tedesco, Vito di 28.

Marco da Faenza 366.

Marrina 286.

Marrini 253.

Martino, Pietro di 208.

Masaccio 32.

Masolino 371.

Maturino 338. 339. 342.

Mauro (Prociviano) 329.

Mazzola 349.

Mazzoni 183.

Melozzo 849.

Menzocchi 366.

Michelangelo 11. 16. 19. 39 (2). 48. 52. 77. 86. 87. 89. 95 (2.) 96. 97. 107. 108. 110. 111. 112. 122. 123. 124. 138. 149. 151. 152. 157. 161. 184. 185. 186. 191. 206. 209. 216. 228. 230. 239. 243. 253. 256. 263. 282. 283. 287. 289. 299. 323. 328. 344 (2.) 353. 365. 377.

Michelozzo 19. 46. 54. 79. 96. 104. 116. 145 (2). 151. 157. 158. 168. (2.) 223. 254. 281. 284. 320. Milizia 205.


Minella, Pietro di 302.

Minio, Tiziano 296. 365.

Mino da Fiesoie 255. 270. 285. Moietta 265.

Monaco 296.

Montelupo , Rafael da 343. 386. 389. Monterchi 329.

Montorsoli 242. 257. 386. 388. Moranzone 314.

Mormandi 19. 151.

Moro, Battista del 340. 345.

Morone 350.

Morto da Feltre 323. 337. 340. 355. Mosca 248. 263. (2.) 264. 287. 343.


N.

Nadi 70.

Negroni (Riccio) 303. 307.

Niccolo, Domenico di 302. 303. 306. Nola, Gio. da 256. 283.

Nunciata 396.


Omodeo 30.

Orcagna 24. 25. 198. 216. Ormanni 296.


P.

Paganello, Ramo di 5.

Palladio 37. 49. 52. 53. 89. (2.) 97. 124. 133. 138. 197. 198. 199. 200. (2.) 202. (2.) 205. 209. 220. 231. 390. 393. 394.

Palma Vecchio 313.

Pandolfino 219. 270.

Panvinio 95. 270. 284. 287.

Paolo da Mantova 304.

Parmigiano 264.

Pastorino 366.

Pellegrini (Tibaldi) 31. 90. 133. 152.

160. 199. 203. 287. 366.

Penni (Fattore) 264.

Perino del Vaga 89. 142. 194. 240. 244. 256. 264. 267. 304. 340. 345. 346. 357. 358. 361. 362. 365. 366. Perugino 38. 159. 304. 308. 313. 314. 375 377.

Peruzzi, Baldassare 5. 11. 30. 86. 38. 42. 48. 63. 80. 85. 89. 95. 109. (2.)



412 Künstl erverzeichniss.


110. 111. 128. 162. 186. 190. 191. 224. 229. 253. 291. 308. 339. 346. 353. 365. 394.

Peruzzi, Salustio 124.

Pescia, Piermaria da 378.

Pesello 319.

Picinino 264. 267.

Pierino 283.

Pietro da Cortona 221. 342. 350. 353. Pintelli 15. 19. 52. 73. 94. (2.) 101. 118. 120. 132. 134. 142. 158. 174. 185.

Pinturicchio 253. 296. 339. 349. 358.

(2.) 354. 355. 356.

Pironi 260.

Pisanello 64.

Pisano, Andrea 295.

Pisano, Nicolo 19. 24.

Poccetti 370. (2.)

Pociviano (Mauro) 329.

Polidoro da Caravaggio 338. (2.) 340. (2.) 342 (2.)

Polifilo (Golonna) 33. 42. 101. 238. Pollajuolo 145. 281. 292. 299. 371.

372. 373. (2.) 374. 376.

Pontano 46.

Pontormo 319. 386.

Pordenone 244. 264. 325. 329. 339. 345.

Porta, Giacomo della 129. 133. 184. 257. 370.

Porta, Giuseppe 89. 325.

Primaticcio 287. 340. 366.

Puntormo 223. 243. 340. 344.

Q.

Quercia, Jacopo della 167. 246. 253. 267.

ß.

Rafael 11. 18. 19. 28. 33. 36. (2.) 37. 38. 52. 78. 86. (2.) 88. 89. 95. (2.) 105. 109. 110. 120. 122. 131. 136. 142. 149. 181. 183. (,2.) 186. 191. 196. 200. 224. 225. 236. 240. 241. 242. 243. 249. 283. 304. 308. 310. 314, 328. 338. 353. 356. 357. 358. 361. 362. 377. 379. 381. Raffaele, fra, da Brescia 303. 304. 307. Ricciarelli 345.


Riccio, Andrea 136. 281. 292. 298. Riccio (Negroni) 303. 307.

Richini 204.

Ridolfi 340. 365.

Righetto 137.

Robbia 145. 256. 260. 290. 328. 350. 380.

Robbia, L. della 32. 256. 260. 285.

290. 328. 350. 371. 380.

Rocchi 94. 134.

Rodari 122. 152. 287.

Roma, Gristoforo da 256. 259. 378. Romano, Giov. Angelo 256.

Romano, Giulio 18. 20. 30. 36. 85. 123. 181. 184. 191. 199. 214. 225. 227. 228. 235. 240. 264. 346. 358. 361. 362. 381.

Romano, Paolo 94. 158. 174. Rossellino 14. 15. 34. 57. 59. 108. 117. 145. 218. 243. 253. 255. 256. 270.

Rossetti 128. 195.

Rossi, Properzia de’ 258.

Rosso Fiorentino 164. 264. 344. Rovezzano, Benedetto da 256. 265. 291. Rovigno, fra Sebastiano da 306.


S.

Sacca, Filippo del 19.

Sacca, Paolo 304.

Salviati 89. 303. 325. 340. 344. 346.

379. 394.

Sanese 253.

Sangallo 19. 114. 122.

Sangallo, Antonio d. ä. 11. 16. 29. 80. 82. 94. 101. 136. 206. (2.) 216. 312. 340. 386. 393.

Sangallo, Antonio d. j. 36. 95. 109. 110. 112. 123. 124. 130. 136. 144. 181. 191. 206. (2.) 209. 218. 236. 242. 264. 304.

Sangallo, Battista da 38. 39.

Sangallo, Franc. 389.

Sangallo, Giuliano 17. 45. 48. 57. 82. 94. 101. 109. 120. 126. 130. 157. 172. (2.) 200. 206. 223. 270. 291. 303. 304. 388.

Sanmicheli 6. 16. 96. 112. 132. 142. 151. 179. (2.) 190. 206. 208. (2.) 228. 287. 325. (2.) 340. 366.


Künstlerverzeichniss


413


Sansovino, Andrea 20. 46« 122. 256. 281. 289. 296.

Sansovino, Francesco 29. 39. 87. 112. 197. 366.

Sansovino, Jacopo 39. (2.) 65. 85. (2.) 87. 91. 95. 112. 122. 123. 130. 159. 161. 164. 165. 176. 179. (2.) 181. 184. 197. 198. 213. 216 (2.) 243. 260. 267. 269. 283. 287. 296. 325. 326. 328. 332. 340. 365. 366. 372. 388. 390. 393.

Santacroce 256.

Santi, s. Rafael.

Saraina 35.

Sarto, Andrea del 162. 312. 319. 339.

371. 386. 388.

Scamozzi 89. 200. 203. 220. Scarpagnino 102. 196. 216.

Scotto 264.

Sebastiano, fra, da Rovigno 306. Semino, Andrea 265.

Semino, Ottavio 265.

Serapion 265.

Seregno 202.

Serlio 16. 33. 42. 53. 63. 68. 76. 77. 109. 144. 191. 195. 241. 291. 310. 314 323

Settignano, Desiderio da 255. 270. 299. Siena, Giovanni da 167.

Signorelli 38. 296. 328. 348.

Soddoma 303. 340. 353. 384.

Soggi 340.

Solari 113. 259.

Soncino 264.

Spavento 137.

Spinello 164.

Squarcione 33. 347.

Stagi 263.

Stefano 313.

Stefano da Bergamo 308.

Stefano da Brescia 326.

Stefano da Zevio 330.

T.

Tasso 303. 320. 323.

Tedesco, Jacopo 23. (2.) 25.

Tedesco, Vito di Marco 28.

Tempesta 370.

Testa 304

Tibaldi (Pellegrino) 31. 90. 133. 152. 160. 199. 203. 287. 366.


Tintoretto 325.

Tizian 19. 243. 313. 325. 340 (2.) 341.

Tommaso, Mattia di 313.

Torrigiano 239. 349.

Treviso Girol. da 339.

Triachini 201.

Tribolo 18. 96. 230. 243. 283. 323.

328. 386. 389.

Trissino 16. 229.

Tristani, Alberto 127.

Tristani, Bart. 128.

Troso 260. 303.

Turini 299. (2.) 372. 374.


Uccello 266. 319.

Udine, Gio. da 198. 240. 264. 345.

355. 356. 357. 358.

Urbano da Gortona 253.

Urbino, Ambrogio da 64.

Y.

Vaga, Perino del 89. 142. 194. 240. 244. 256. 264. 345. 346. 357. 358. 361. 362. 365. 366.

Yalle, della 34. 43. 137. 217.

Vasari 20. 38. 48. 95. 105. 138. 194. (2.) 199. 202. 230. 319. (2.) 320. 325.

Yecchietta 94. 253. 268. 299.

Vellano 136. 292.

Ventura d. S. Giuliano 101. 323. Vercelli, Z. da 265.

Verocchio 254. 283. 292. (2.) 339. S71. 372. 374.

Verona, fra Giovanni da 303. 804. (3.) 308. 310.

Verona, fra Vincenzo da 303. 304. Veronese, Paolo 325.

Vicentino, Valerio 378.

Vicenza, Giovanni von 260.

Vignola 39. 133. 138. 171. 199. 200.

209. 229. 230. 240. 243. 303. Vincenzo da Brescia 264.

Vincenzo, fra, da Verona 303. 304. Vinci, da, s. Lionardo.

Vito di Marco Tedesco 28.

Vitoni 75. 95. 105.


414


Künstierverzeichniss,


Vitruv 16. 37.

Volterra, Daniele da 183. 194. 287. 345. 365.

Volterra, Gasparre da 28.

z. '

Zaceagni 112. 128. 135.

Zacchio 259.


Zenäle 303.

Zeno 16.

Zevio, Stefano da 330.

Zuandomenego da Yercelli 265. Zucchero 17. 39. 230. 303. 340. 346.

(2.) 381. 388. 390.

Zucchi 304.




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