From The Art and Popular Culture Encyclopedia
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Die Contrare Sexualempfindung (1891) is a book by by Albert Moll. It is the first modern monograph on homosexuality. Empfindung is German for sense.
Full text
Vorwort zur ersten Auflage.
Als Gasper 1852 die feine Bemerkimg machte, dass die bis
dahin als eine lasterhafte Yerimuig angesehene sogenannte Pftderastie
auf einer meist angeborenen krankhaften Anomalie beruhen und eine
Art geistiger Zwitterbildung darstellen dürfte, hatte wohl niemand
geahnt, dass kaum 10 Jahre später in umfangreichen wissenschaft-
lichen Werken eine förmliche Pathologie der psychischen Seite der
VHa segwMÜs m finden sein werde. Nachdem die Wissenschaft end-
lich och der Iftcherlichen Prfldeiie, mit welcher sie früher psycho-
sexnellen Forsdmngen ans dem Wege gegangen war, entschlagen
hatte, eröffnete sich ihr auf dem klinisch, sozial und forensisch
doch so wichtigen Gebiet eine erdrückende Fülle von Thatsachen,
geeignet Jahrhunderte bestandene Irrtümer zu berichtigen, Phäno-
mene von gröBStem wissenschaftlichem, aktuellem wie auch histo-
rischem Interesse zu erkennen und sogar teilweise zn erklären.
Gifliehwohl wird Jeder, welcher dieses nenersehlossene Gehiet
der p^ehosenellen Anomalien kennt» sngehen müssen, dass der
grOflste Teil desselben noch der Elämng nnd Brfi>r8ehnng hedaif
nnd nur gewisse Grundzüge bis jetzt gewonnen sind.
Eines der wichtigsten, interessantesten und bestgekannten Ge-
biete innerhalb der Psychojmthia sexualis stellt dasjenige dar,
welches sich der Herr^ Verfasser zum Gegenstand einer mono-
graphischen Bearbeitimg ausgewählt hat *
Seinem Wunsche^ dieser einen Geleitsbrief mitsogeben, komme
icli am so lieber nach, als ich seine Arbeit als sine hOdist verdienst-
Udie anericennfln mnss nnd, obwohl selbst Kenner nnd Forscher anf
diesem Gebiete der Pathologie, in seinem Buche schon bei flüchtiger
^ Durchsicht manche Anregung und Belehrung gefunden habe.
^ Zu einer Kritik desselben ist hier nicht der Ort. Divergenzen
S bezüglich der Meinungen und Erfahrungen der Facbgenossen, welche
€ Tor ihm dieses heikle Gebiet wissenschafüich zn erforschen bemüht
. waren, wird der Herr Yeiftaser nnr in nnwesentlichen Dingen er-
IV
▼onract nur entea Anflaga.
fftbren, und er wd die volle Anerkennimg finden, die enieni mit
soviel Littefatnrkenntnifl, eigener fixfahning und Scbaiftinn ge-
Bchiiebenen Werke gebfihrt Aber nicht bloss für den Fachmann
bietet das vorliegende Buch eine Fülle von wertvollen Gesichts-
punkten und kritisclieu zur Prüfimg des bereits Gefondenen und zu
weiterer Forschung hindrängenden Bemerkungen.
Es wird in gleicher Weise den Arzt, den PoUzeibeamten, den
Untersachnngsrichter, den Staatsanwalt nnd den Verteidiger, den
Histoiiker, den Fsjchologen, den Antfaiopolqifen, den Soäologen,
den Erzieher der Jugend nnd der GeseUschaft^ den Gesetzgeber
aufklären und zu Erwägungen anleiten.
Klar und In stimmt ergiebt sich aus dem Buclie des Verfassei-s
die Walirheii der These Ca-spers vuu der krankhaften Bedeutung
einer psychosexuellen Erscheinung, die, obwohl seit Jahrtausenden
bekannt, als dem Gebiet der Pathologie des menscblichen Geistes
angehOxig verkannt blieb nnd nur den Moralisten nnd den Bichter
besebftftigte.
Der medizinisehen Forsehung gebflhrt Mer, wie in so vielen
anderen Fragen, das Verdienst, aufklärend gewirkt und der A\'ahi'-
heit, dem ßeclit und der Humanität zum Sieg verhelfen zu haben.
Konsequent und klar zieht der Verfasser aus seinen wissen-
schaftlichen Prämissen der Krankhaftigkeit der urnischen Liebe
die Folgerungen f&r die forensische Benrteilnng der von Joier
Heinigesachten nnd weist nach, dass der § 175 des StralSsesetz-
bnches dnen Anachronisnins gegenüber den Forschungen der Medizin
darstellt, der in seiner gegenvirtigen Fsssnig nnmOglidi so weiter
stehen bleiben kann.
Wer immei» einen Einblick in rlas Leben und Leiden dieser
Urninge^ wahrer Stiefkinder der Natur und Parias der Gesellschaft,
zu thun vermocht hat, wird des Verfiassers Argumente f&r die
Nichtverfolgung nmischer liebe nnter gewissen Voranssetzongen»
zn würdigen wissen nnd sie sn den sonigen machen. Jedenfidls
wird die künftige Gesetzgebung, die wie z. B. die üsterreldiische
geneigt ist, alte Irrtiimer neu zu kodifizieren, die Darstellungen des
Verfassers de lege ßrcnda nicht unbeachtet lassen können.
Mit der Thatsache, dass die urnischc Geschlechtsrichtung- nicht
Perversität, sondern Perversion ist^ d. h. eine krankhafte Ver-
Vorwort zwc ersten Auflage.
V
anlagnng voraussetzt, nm sich za entwickeln, nnd anter allen Um-
ständen eine ki ankhafte Erscheinnng darstellt, hat sich aber nicht
bloss das Forum im eugorcn Sinne, sondern auch das der öffent-
lichen Meinong zu beschäftigen. Jene wissenschaftliche Thatsache
ist eine ErlOsmisr von dem traditioneUen Vorurteil, daa in dem nn-
glftcUichen Mitmemschen, dem ein grausames SeMcksal homosexuelle
Empilndnngen und Tiiebe suillgte^ und das ihn damit um Lehens^
und Familienglflek betrog, nur den sittlidi Verkommenen erblickte
und ihm mit Verachtung begegnete. Für jeden Freund der Wahr-
heit und der Humanität muss es eine Genugthuung sein, zu er-
fahren, dass der urnische Mitmensch ein Unglücklicher, aber kein
Verbrecher, kein Schänder menschlicher Würde, sondern ein Stief-
kind der Natur ist, der ebensowenig Verachtung verdient als ein
anderer, welGher mit «ner körperlichen IGssbildung zur Welt ge-
k<muneii ist»
Qesehicbtliehe Thatsachen und eigene Erfahrungen haben mich
genugsam darüber autgeklärt, dass es nicht selten sonst höchst
ehrenwerte und für die menschliche Gesellschaft sehr wertvolle
Individuen waren und sind, die mit der anseligen psjchosexaellen
Anomalie behaftet sind.
Im Sinne einer Anfklftrong edel denkender, d. h. gerechter Mit-
bftrger ist den unglttckUcfaen ümingen zu wflnsehen, dass das Buch
des Yerfsssers eine möglichst weite Terbreitnng finde. FreQich kann
es keine populäie Lektflre abgeben, nnd der Verfasser hat schon
stylistisch und durch vielfache Zuhilfenahme der vSprache der Ge-
lehrten (lafiir gesorgt, dass es koine solche werden kann; aber jeder
akademisch Gebildete wird das Btieh verstehen können. Jedem
solchen, dem es um Wahrheit, Recht und Humanität zu thnnist^ mdge
das Werk empfolilen sein. Ist es doch in einem Geist der Aufrichtig-
keit, Wahrheit und WissensehafUichkeit geschrieben, der smne wohl-
thnende^ Überzeugende und aufkllrende Wirkung nicht yerfehlen kann.
Nicht in letzter Linie dürfte das Buch aber den praktischen
Ärzten willkommen sein, für welche das Gebiet der psychosexuellen
Anomalien bisher grösstenteils eine Terra incognUa war, und die
deshalb nicht verfehlten, der grössten Missgriffe in der Behandlung
sich schuldig zu machen. Ausgehend t<hi der traditionellen An-
schannng, dass es sich hier um blosse Verirrung oder sexuelle ün-
VI
gezogenheit handle, übediessen de kontrftr Sexuelle ihrem Schicksal
oder drängten sie zur Ehe, die nur das grösste Unheil stiften konnte.
Ob es überhaupt für konträre Sexualempfindung ein Heilmittel
giebt, ist eine Frage, deren Lösung der Zukunft augeliört. Es
mehren sich die Fälle, in welchen es der Heilkunst bereits gelangen
ist» auf dem Wege der (hypnotisch) BUggestiveii Behandlung solchen
Unglückliche die rettende Hand aus namenlosem Elend za bieten
nnd sogar die Nator zn korrigieren. Vor Hlnslonen dflifte gleich-
wohl zn warnen sein.
Viel wichtiger erscheint mir filr den Arzt und den Erzieher die
Kenntnis der Wege, auf welchen sich die konträre Sexualempfindung
auf Grund bestehender Veranlagung entwickelt, und die sich daraus
ergebende Prophylaxe. Aach ich habe die Überzeugung gewonnen,
dass der Uranismns in der modernen Gesellsdiaft eine grosse Ver-
brdtong hat nnd immer mehr sich ausbreitet Die Erklärung liegt
für mieh in der Thatsaehe der grossen ffiudlgkeit veranlagender Be-
dingungen in der modernen, Tielftch nenropatinsch heiasteten Ge-
sellschaft einüi- uiid der enormen Häufigkeit vorzeitiger Weckung
der Sinuiichkeit und des ]Missbrauches der Zeugungsorgaue anderer-
seits. Hier bietet sich meines Erachtens ein dankenswertes Feld des
Eingreifens für den Hausarzt und den Erzieher, aber auch fhr die
Wflchter der guten Sitte besw. der OientUchett Sittlichkeit Es ist
tief bedauerlich, za sehen, weldie erotische Schandlitterator sieh in
den SchauÜMteni der Bncfalfiden aufdringlich breit macht» nnd wie
sehr die Zote nnd der seznelle Skandal die moderne Btthne be-
herrschen. Über der Fürsorge für die intellektuelle Fortliildung in
der Schule versäumt man heutzutage die Pflege des Gemüts und fies
Sinnes für Gutes, Erhabenes und Schönes. Vor dem Geist der
Frivolität und Unsittlichkeit, der sich in öffentlichen Lokalen, im
Theater nnd ui der sogenannten schonen litteratnr geltend macht»
sollte unsere heranwachsende Jugend besser bewahrt bleiben.
HobaU 9ua faia UbefUI Dem Buche des Verfassers wage ich
eine gibistige Auflmhme zu prognostizieren. Es verdient sie und
wird sie sicherlich finden.
Wien, 21. Juni 1S91.
Dr. V. Krafll-Ebing.
Vorbemerkung zur ersten Auflage.
Das llaterial fttr die yorliegende Arbeit habe ich anf yer-
acliiedeiien Wegen erhalten. In erster Linie habe ich meine Anf-
merksamkeit der alten nnd nenen Litteratnr zugewendet; deren
Keuntnis wurde mir wesentlich durch das Entgegenkommen der
Königlichen BibliotliL-k in Berlin erleichterte die mir zu nirinon
Studien die einschlägige Litteratur bereitwilligst zur Verfugong
stellte.
Meine spesialistische Beschftftignng mit Nervenkrankheiten hat
mir einen kleinen Tdl meiner Beebaehtnngen geliefert Von einigen
Behörden wurden mir feiner mehrere FSlle mitgeteilt^ die ein be-
sonderes Interesse darboten. Die forensiBche Benrteflnng der Frage
lernte ich durch Studium gerichtlicher Akten kriincn, in die Ein-
sicht zu nehmen mir in freundlichster Weise von der Königlichen
Staatsanwaltschaft gestattet wurde.
Dies alles aber hätte nicht genflgt^ nm mir auch nnr eine ober^
ÜAehliche Übersicht über das Gebiet za Terschaffen. Hienn war es
nötig, einen EinblidL in das innere Leben jener Leate zn gewinnen,
die mit kontrftrer Seznalempfindnng behaftet sind. Wenn mir das,
wie ich glaube, gelungen ist, so habe ich es einem Herrn zu danken,
der mir mit Erlaubnis des Königlichen Polizeipräsidiums von
Berlin hierzu die Wege wie^s. Der Herr, der hierdurch mir zur
Erlangung eines sehr grossen Materials verhalf^ ist Herr Kriminal-
polizei-Inspektor Yon Heerscheidt-Hailessem in Berlin. Er
selbst war hierbei zom grossen Teil mein Begleiter nnd war mir
in nneimftdiicher Weise nnd, ohne Zeit oder M9he zn sparen, bei
meinen Nachforschungen behilflich. Dem Berliner Königlichen
Polizeipräsidium sowie Herrn von Meerschcidt-Hüllessem
Iderf&r meinen anfrichtigsten Dank zu sagen, ist mir eine angenehme
Pflicht.
Toitaiilnuig nr entn Auflag«.
Auch allen anderen, die mich bei meiner Arbeit nnteistfltsteQy
sei mehi Dankeetribnt an dieser Stelle daiigebraeht Ansser der
Königlichen Staats an valtsehaft gebührt ein soldier besonders
nodi folgenden Herren : Herrn Professor y. Erafft-Ebing in Wien,
der privatim mich auf einige litterarische Erscheinungen liinwies,
und dessen Arbeiten ich überhaupt die Anre^img zu vorliegeudem
Buche in erster Linie verdanke; Herrn Dr. MaxDessoir, der mir
oft als treuer Freund und Berater zur Seite stand; endlich noch
einem Herrn, den ich N. N. benennen will, nnd der öfters mit diesen
Buchstaben zitiert werden wird. N. N., der selbst Urning ist^ lebt
in einer grosseren Stadt des westlichen DentscUands nnd ist eine
dnrch Arbeiten anf anderen Gebieten wohlbekannte Persönlichkeit;
er hat mir nicht nur über seine eigene Vita sexualis. sundern auch
über die konträre Sexualemptindung im allgemeiiieu zahlreiche Mit-
teiioiigeu gemacht; da Herr N. N. früher einige Jahre auch in
Berlin gelebt hat nnd sich durch eine seltene Objektiirit&t aus-
zeichnet^ waren mir seine Beri«dite besonders wertvolL
Ich brandie wohl kaum za erwähnen, dass die anf die obige
Weise Ton mir gesammelten nnd znm Teil von anderen Personen
resp. Behörden mir gelieferten Beobachtungen nur Material dar-
stellen. Die Schlussfolgerungen, die ich aus ihm ziehe,
rühren von mir ausschliesslich her, und für sie bin natür-
lich ich allein verantwortlich. £s sind sogar über wesent-
liche Punkte einige Herren, die mir in liberalster Weise das be-
sBgliche amtliche Material gewährten, durchans anderer Ansieht
als ich; nm so mehr bin ich ihnen fttr die bei der Überlassung
der Akten bewiesene nnpaiteüsche Gesinnnng Torpfliehtet
Berlin, im JnH 1891.
Dr. Aibert Moll.
Vorwort zui* zweiten Auflage.
Dem WoBSche einiger, iu der neuen Auflage etwas Kasuistik
za bringen, komme ich nach; doch mnsste ich mich, tun das Bach
Bidit SU UDD&ngreicb werden zu laaseoi aof einen kleinen Teil des
mir zn Gebote stehenden Uaterials beschrftnken. Einen grosseren
Tefl der Ton mir beobachteten FftUe beabsichtige ich, gemeinsam
mit einigen anderen Studien über den Geschlechtstrieb in einem
besonderen Werke zu veröffentlichen.
Hinweisen mochte ich auf eine Reihe von Kehlkopftmter-
suchungen, die Herr Dr. Theodor S. Fla tau teils mit Herrn
Br. Max Dessoir, teils mit mir bei homosexnellen Personen, be-
nonders solchen weibUdien Geschledits, Torgenommen hat Über
die Bedeutung dieser Forschungen liest sich freilich ein abschliessen-
des ÜTteü noch nicht abgeben, doch rind einige Bdtande wichtig
genug, uüi schon in dieser Auflage besonders ej wähiit zu werden.
Allen, die mir ihre Unterstützung zu teil werden liessen, sei
mein aufrichtigster Dank ausgesprochen. Besonders gebührt ein
solcher auch diesmal Herrn Kriminal-Polizei-Inspektor von Meer-
scheid t-HftUessem in Berlin, der mich mit Erlanbnis des König-
lichen Polisei-Pr&sidinms von Berlin mit derselben Bereit-
willigkeit wie früher bei meinen Studien unterstfttate.
Berlin, im H&rz 1893.
Dr. Albort MolL
Vorwort zur dritten Auflage.
Die dritte Auliage des Buches über die konträre Sexual-
empfiiulung ist im Verhältnis zur zweiten wesentlich umgearbeitet.
Der Umfang hat eine bedeutende Vermehrung erfahren. Da das
Manuskript zu einer Zeit in Druck ging, wo ich mich auf emer
awsereniopftiflcheii Boise be&nd, konnte ich nur die Korrektoren
des letzten Teiles selbst lesen. Ich sa^ deshnlb den Herren, die
diese Aufgabe bei dem weit nmftngreiclieren ersten Teil frennd-
Itehst flbemahmen, an dieser Stelle meinen besten Dank. £b sind
dies u. a. die Herren: Professor Max Dessoir in Berlin und
Dr. Hubert Schnitzer, Assistenzarzt an der Irrenanstalt
B'riedrichäberg (Hamburg).
Berlin, im Oktober 1898.
Dr. Albert Moll.
Inhaltsverzeichnis.
Vorwort Krafft-Ebings zur ersten Auflage ....
S«it«
. . . III
. . . VII
. . . IX
Vorwort zur dritten Auflaj^e
. . X
Inhaltsverzeichnis
. . . XI
L Allgemeines 1
Fortpflanzung (1 )■ llnterscheidunpf der (reschlecliter (1).
Geschlechtscharakkre ('J). Geschlechtstrieb (2). Linbe (4).
Geschlechtstrieb und Liebe (7). Liebe und Freundschaft (8).
Bedeutung des Geschlechtstriebes (8).
Homosexueller Trieb ('.<). 1. -4. Fall (9). Perversion
und Perversität (:U). Terminologie (32). Schönheit (34).
Urningsliebe und Freundschaft ('34). Psychosexuelle Herma^
pbrodisie (35). Homosexualität in der Tierwelt (35).
TT. Geschichtliches . . , , . , . ■ . . . .. 38
Bibel (38). Die alten Joden (38). Asien (40). Baals-
dienst (41). Ägypten (42). Kastration (42).
Griechenland (42). Mythologie (42). Athen (44).
Plato und Xenophon (46). Sokrates (47). Elis und Döctien
(50) Jonien (51). Kreta (51). Dichter (52). Stellung
der Frau (5 3y
Rom (55). Karthago (56). Republik (56). Cäsar (58).
Kaiser (58). Römische Frauen (G3). Dichter und Schrift*
steUer (64).
Scythen, Macedonier (66). Germanen, Gallier (67). Abend-
land im Mittelalter und in der Neuzeit (67). Zeit Karls des
Grossen (67). Zeit der Minnesiinger (OS). Tempelritter (69).
Kaüiolische Kirche (TO). ITof Ludwigs XIV. (72).
Orient (72). Dichter (731
Litterator im Abendlande (75). Dante (75). Goethe (76).
Andere Schriftsteller (78).
Ramdohr, Ehrenberg (81). Moritz, Jörg (82). Hössli (83).
Casper, Schopenhauer (84). Ulrichs (85). Griesinger, West-
pLal (86). Andere Autoren (87). Tarnowsky, Jäger (89).
Xn IiilialtmMidiiiiB.
Krafft-Ebing (89). Nenrnre Autoren (90V Werke über
Psychiatrie (95), Degeneration (96), Nervenkrankheiten (96),
gerichtliche Medizin (97). De lege lata oder ferenda (98).
Bussbücher (98). Werke über Psychologie (99), Zwitter-
tom (99). Boflanbamn (100). Besprechungen (100). Bdle-
tristik (101).
Italien, Marokko (102). Türkei, Griechenland (103).
China (103). .Tapan, Indien (104). Polynemen und andere
Länder (105). Amenka (106).
Historisohe Urninge (109). Heinrich UL (110).
Sanaxd n. (112). Jakob L (112). Bndolf IL (118).
Paulus n. (114). Sixtus IV. (115). Julius H. (115).
Julius III. (116). Michelangelo (116\ Sodoma (119).
Muret (120). Shakespeare (120). Wmkelmonn (122).
Iffland (126). Philipp von Orleans (126). Prinz Heinrich
TOD Pr«aafl«ii (128). Friedrich der Oroeae (180). Friedrioh I
von Württemberg (135). Bjron (136). Platen (137).
Lndwig IL von Bayern (140). Sonstige Penönliohkeiten.
(141).
m. Meto BazisbungMi dar Homotexiioltoii 144
Zahl der Ürmnge (144). GeeeUtohaAeklaseeii (148).
Beruf (149). Juden (151). Alter (151).
Somatise})*^ Eigenschaften (152).
Künstlerische und ähnliche Neigungen (155).
Effeminatio (155). Kindheit (156). 5. FaU (156).
WeiUachee Benehmen (157). WeiUiche Kleidung (158).
6. FaU (159). Toilettenkünst« (160). 7. FaU (168X
Weibliche Beschäftigung (170). Handsdiriflt, Stimme (171).
8. Fall (172). 9. Fall (175). Bewegungen (176).
Charakter der Urninge (177). Neigung zum Lügen (1 7 7j.
Eitelkeit (179). Sohimbaftigkeit ( 180). Grenxen der Effemin»-
tion (181).
Selbstbeurteilung der Uniioge (182). StinunQQg (188).
Selbstmord (184).
Verkehr der Urninge mit dem Weibe (186).
Sexuelle Abneigung (186). Heirat (188). Amdbong dee
Koitns (188). Geselliger Verkehr (189).
Verlcrbr der Urninge untereinander (190). Gegen-
seitiges Erkennen (190). Zusammenkunftsortei lGO). Urnische
«Hochzeiten« (191). Gesellschaften (192). Biklle (193).
8tatide8iuteKtehiede(193). Benennungen (1 94). VeneUosien-
heit der üninge (196).
IV. Sexuelles Leben der Homosexuellen 197
Liebe (197). 10. Fall (203). Glückliche und unglück-
liche Liebe (204). Platonische Liebe (206). Erotomanie
(209). KokeUerie (210). Eifermxcbt (210).
Blektivit&t (214). Abneigung gegen Urninge (214).
Altersrerhftltnis (216). IndividiieUe üeignngen (220).
11. FtaU (221).
0
luhaltaTerzeichms.
XIII
Sexuelle Befriedigung (228). 12. Fall (230). Immissio
in annm (232). 18. Fall (233). 14. Fall (239). Immissio
mos (241). Enfesser (242). Mutuelle Onanie (242). Onanie
(243). Befriedigung ohne Bcrühi-ung der Genitalien (244).
Ideeller Koitus (244). Hiiufir^keit des Verkehrs (245).
Traume uiid Follutiopen (246). Reiz durch das Membrum
(246). Küssen (247).
V. Männlichfl Proatitution 248
Geschichtliches (248). Versammlungslokale (250). Sexu-
elle Veranlagung der Prostituiertt-n (2.^0). Alter (251).
Eigenschaften (252). Fehlen der polizeilichen Aufsicht
(253). Täuschung Heterosexueller durch Weiberkleidung
(253).
Erpressertnm (254). Vorgehen der Erpresser (257).
Unterstützung des Erprcssertunis durch das Gesetz (257).
Gericht und Erpressertum (258).
VI. Sexuelle Perversionen als Komplikation der konträren
Sexualempfindung 260
Fetisch ismus (260). Normaler (261) und pathologischer
Gegenstandfetischismus bei Heterosexuellen (262). Gegen-
• st^tndfetischismus bei Homosexuellen (263). 15. Fall (263).
Allgemeiner Einfluss der Kleidung bei Heterosexuellen
(265) und Homosexuellen (267).
Körperteilfetischismus bei Heterosexuellen (268) nnd
Homosexuellen (270). 16. Fall (271).
Mas och ismus (276). Krafft-Ebiiigs Erkl&mng (276).
Ramdohr (277). Goethe (277). Geschichtliches (27*)).
Flagellantismus (280). 17. Fall (281). 18. Fall (283).
Pica (287). 19. und 20. Fall (288). Fetischismus und
Masochismus (305). Mixoskupie (308).
Sadismus (309) bei Heterosexuellen (310). Geschicht-
liches (311). Sadismus bei Homosexmdlen (311). 21. Fall
(312). Kasuistik (313). 22. Fall (315). Geschichtliches
{3175
Fnrensiacher Fall von HnmftRftTnftlifalt nnA MaannhiBmuB
(317).
Feigung zu unreifen Kindern (323), zu alten Männern
(325), zu Statuen (326). Leichenschändung (326). Andere
Perversionen (327).
Vn. Psychosexuelle Hermaphrodisie 322
Krafft-Ebbgs Einteilung (330). Zwischenstufen (330).
23. (331). Episodische Heterosexnalität (332). 24.
bis 26. Fall (333). Neigung psychosoxueller Herma-
phroditen zu einem Typus ohne Rücksicht auf das Ge-
schlecht (349). Wilbrandts Erklärung (350). Psycho-
sexuelle Hermaphrodisie Tor der Pubertät (351). Stärke
des homosexuellen Geschlechtstriebes (352). Effeminatio
hei Heterosexuellen (353). Geschichtliches (353).
XIV
VIEL AMogMi«! 854
Bingtborene und erworbene kontrftre Seiualempfindmig
(354). DeMOin üieorio (856). Eiiig«bor«M Dispoiitioii
(850). SGhwi6rig1c«it, diese Emteüimg flberaU dnreh-
mfiihren (361).
Degeneration (3ö3). ^Belastende Momente (363). Erb«
liehe Belastung (867).
GelegenbeitsnxBBchen (869). Latans (370). Untondiei-
düng zwischen Entstehen und Bethätigung des Triebes (371).
Moralisches Kontnsfinm (872). Einflnss der Litteratur
(H?;]). Mutuellc Onanie (374). Mangpl an Weibern (375).
Furcht vor Ansteckung im Verkehr mit dem Weib (379).
Binflnas des Beruft (379). Onanie (881). Ezoesse (388).
AbstDinpfung (383). Hyperästhesie (383). Gewöhnung (384).
Somatische Hermaphrodisie (384). Epilepsie, Alten*
blödsinn C390). Progressive Paralyse (!^01).
Angebliche Ursachen der Füderastie im alten Griechen»
land (392).
IX. Theoretisches 394
Aristophanes ( i]94). Parmenides f395). Umische Theorie
(395). Eamdohr, Mantegazza (396).
Psjebisebe Abnormitftt (397). Weibliebes Gehirn (898).
Anatomische Lage des sexuellen Zentrums (899). Galls
Lokalisationslebre (401). Jäger (402).
Kraft't -Ebings Yererbuugstheorie (402). Schopenhauer
(406j. Gyurkovechky (407).
Mollt Theorie (407). Bisezaelle Anlage (409). Soaiale
Bedeotong des QeseUeebtotriebes (414).
X. Diagnostisches 415
Verschlossenheit der Urninge (415). Fragestellung des
Amtes (416). T^Eümie (416). Eifiriirung (418). Erkennmigi-
leicben der ürainge (418). Diagnose doroh Beobacbtimg
(420). Erkennen nach Photographien (420).
Irrtümer in der Diag?in<:p '4'21). Differentialdiagnose
(423). Geschiechtsverwandluug (424).
Homoseroalittt als krankhafte Erscheinung (426).
VerweehselnngTOn GescUeeihtstrieb und Gesohleobtsakt (429).
Geistes- oder Nesrenkcankhelt (488).
XI. Therapentisehes 437
Aufgabe des Arztes betre& der konträren Sexualempfin-
dung (437).
Prognose (438). Gründe gegen die Behandlung (489).
Fflicht des Arzt* s dpm T-rning gegenüber (4 f1'
Bekiimpiung der nervösen Beschwerden, der Bethätigung
des Triebes, der Hjper&sthesie (442). Einlluss der Aj-beit
(448). 27. FaU (448).
Umwandlung der Homosexnalittt (447). Behandlung
der gaoM Konstitation (447).
Inhaltsverzeioluis.
XV
Prophylaxe (448). Frühzeitiges Einschreiten (448). Ver-
hfiten der Onanie und mutuellen Onanie in Haus und
Schnle (448). Beiehrang der Kinder (449). Entwickelung
des Geschlechtstriebes (450). Umgebung (451). Meiden
des homosexuellen Verkehrs bei erwachsenen Urningen
(451). Verkehr mit dem Weibe ( 452). Meiden der homo-
sexuellen Gedanken (452). Sexueller Verkehr mit dem
Weibe (453). Elekti\ntät ( 454). Nichtgelingen des Koitos
(455). Ehe der Urninge (450). Bedenken gegen den ausser-
ehelichen Koitus^) und gegen den Verkehr mit dem Weibe
überhaupt (457). Verbot der Onanie (458). Suggestive
Therapie (459). Elektrotherapie (461). Kastration (462).
xn. Forensisches 463
Gesetzliche Bestimmungen zu verschiedenen Zeiten und
in verschiedenen Lilndern (463).
§175 des Deutschen Strafgesetzbuches (468). § 51
(472). § 52 (474).
Diagnose der Immissio in anum (476).
GesetzeSYOrschlag betreffend ^ 175 (179).
Strafrechtstheorien (481). ^
Gründe für die Bestrafung (484). Sittlichkeit (484).
Achtang der Homosexuellen nnd deren Berechtigung (484)!
Sittlichkeitsbewusstsein (486). Bibel (487). Gesundheits^
Schädigung (488). Moralisches Kontagium (491 ). Erzieh-
liche Wirkung der Gesetzgebnng (492). Unlogisches in
der Gesetzgebung (494). Züchtong des Erpressertums (496).
Petition gegen § 175 (496).
Beschränkung der Straffreiheit (497).
Gesetzesvorschlag betreffend § 361 (500) und § 176
(501).
Zivilrechtliche Fragen (503).
Xin. Konträre Sexualempflndung beim Wefbe 504
Gründe für kürzere Besprechung (504). Per^'ersionen
beim Weibe (505). 28. und 29. Fall (506). Häufigkeit
der sexuellen Anästhesie (510)T
Geschichtliches ( 511). Historische Persönlichkeiten (516).
Litteratur (517). Belletristik (519J.
30. Fall (521). Gescllscbaftskreise (524).
Terminologie (526). Somatische Eigenschaften (527).
Entwickelung der Tribaden (52^1
Charakter (530). Kindheit (530). Vorliebe für Männer-
kieider (530). Männliche Beschäftigung (531). V i ragin it&t
(531). Bewegungen (532). Geschichtliches (532). Kasuistik
(533). Männliche Neigungen ohne Homosexualität (534).
Sexueller Verkehr mit^ dem Mann (535). Sekundare Ge-
schlechtscharaktere (536). Liebe (536). Männliche Namen
(537). Gegenseitiges Erkennen (537)7
') Siebe den Anhang.
XVI lohaltsverzeichiiis.
Seit«
EiektiviUt (538). Liebesverhältnisse (539> 31. FaU
(539). Bif«reiiAht (542).
Art der Befriedigung (543). Lambitus (544). 32. und
33. Fall (544). Mutuelle Onanie (548). Künstlicher Koitus
(548). EinÜuss der Umgebung (550). Häuficr^pit dps Ver-
kehrs (550). Onanie (550). Latenz (551). Truume ^^5.31),
HomoBexaelltr Vericelnr heteroBexneller Weiber (551).
34. FaU (552).
Verheiratete Tribaden (553). 35. Fall (553). Psycho-
sexuelle Hermaphrodisie (556). 36. Fall (556). Periphe-
rische Beiae (559). 37. FaU (560).
OsgllUiUiohe Ehen (568). Belletristik (563). Periodittsbe
HomosexctaUtilt (564). Ndgimg zu unreifen Mädchen (564).
FetisofaiBiniu, Masocbinmis, Sadianu (564). 98. FaUr
(565).
Ätiologie (570). 39. FaU (574). 40. Fall (575).
MediniuMheB (578).
ForensischeB (580). 41. Fall (581).
Anhang * • 5S4
Sacbrecrister 595
Namenregister 610
Berichtigungen 652
L Allgemeines.
Bei fast allen höheren TlerUasseB, darunter aneh dem Meoflofaen,
geschieht die Fortpflaasims so, daea swei Eltemtiere zur Erzengimg
der Naohkommmsohaft zmammentreten und ihre Eeimielleii nütr
einander Tereehmeken lassen. Jedes Eltemtier liefert dahei eine be-
stimmte Art von KeimzelIeD, das eine die mftnnlichen, das andere
die weiblichen. Die Keimzellen werden in besonderen Organen er-
zeugt, und zwar die niaunlichen in den Hoden, die weiblichen in den
Eierstöcken. Freilich giebt es auch Tiere, äogenannte Zwitter, die
Terhälttiismiissig hoch organisiert mnd, und die gleichzeitig männliche
und weibliche Keimzellen hervorhrinpen. Aber anch von ihnen
pflanzen sich viele, z.B. die Blute^^el, so fort, dass bei der Zeugung
die männiiche und die weil>luhc Kf imzoüe Ton zwei Individuen ge-
liefert werden. Die höchste I'ntw t(keUin2:s.stuf(! stellen bekanntlich
die Wirbeltiere dar. Bei fast allen unter ihnen bringt jedes Indi-
vidnnm nur eine Art von Zellen, entweder männliche oder weiblichei
hervor. Die männliche nnd weibliche Keimzelle sind verschieden ge-
gestaltet Letztere, die sogenannte Eizelle, ist ein rundes, mikroskopisch
kleines Eörperchen, während die männliche Zelle, die Samenzelle,
sieh mikroskopiseh dnreh den Menartigen Sehweif anssfliehnet, der
sinh an den Kopf ansetsi
Da fii- nnd Samenzelle Teroehieden sind^ ist sohon Ton Tom-
heran anmnehmen, dass sieh anoh die Organe, die diese Zellen her-
Torhringen, von einander nntersoheiden. Und in der That ist dies der
FalL Hoden nnd Eierstodk sind swd versohieden gehildete Organe,
wie sowohl das blosse Ange als aadi das mit dem MkroaJrop be-
walbete erkennt Hoden nnd Eierstock dienen in erster Linie znr
üntersoheidnng der GeseUeohter. ESn Individnnm mit Hoden nennen
wir nünnlich, ein solches mit Eierstook weihlieh. Es ist hierbei ganz
gleichgütig, ob ein Individuum mit Hoden sonst äusserlich mehr
M«ll« Konlr. SnvAlMipSttdvBff. ]
uiyiii^od by Gopgle
2
wabfioh enehunt oder nioht Da wir wissensehAftlieh das Qesohleolit
DAdk diesen beiden Organen Imtimmen, nennen vir die Organe selbsl
Qesebleehtsdbacaktere^ und swar im Oegensats an den weniger wesent-
lichen prim&re Geschlechtseliaraktere. Ausser dnreh die pri-
mären Geschlechtscharaktere unterscheiden sich Mann nnd Weib beim
Menschen noch vielfach von einander. Der Bart zeichnet den Mann
aus, die Brustdrüse das Weib; Becken, Schul terbildung, Gesicht und
Kehlkopf sind bei beiden GeschlechtiTu verschieden. Wir bezeichnen
diese sexuellen Differenzen als die sikuiidären Geschlechtscharaktere.
Zu diesen gehören auch viele psychische Eigenschaften, die gleichfalls
beim männlichen und beim weiblichen Geschlecht verschieden sind.
Der Brutinstinkt ist beispielsweise bei vielen weiblichen Vögeln ein
solcher sekundärer Geschlecbtscharakter und ebenso die Sorge für
das Junge bei weiblichen Säugetieren, während sich die M&nnchen
bei vielen Arten um ihre Nachkommen gar nicht kommem.
Wir sahen, dass zur Hflrvorbringung der Nachkommenschaft bei
den Wirbeltieren der Zusammentritt der beiden Keimzellen notwendig
Ist Diesen bewirkt der Koitas, der seinerants eine Folge des so-
genannten Geschlechtstriebes ist Da letsterer beim Mann teil-
weise dne andere Bedentong halt als beim Weib, wollen wir ihn bei
beiden Geschleohtem gesondert betnwhten.
Der Gesehleohtstrieb des Hannes dient daao, seine SsmenseUe
mit dem weibltdien Ei in Berflhrong an bringen. Da nnn beim
Measohen die BefroohtaDg im Hutterorganismns erfolgt, mnss der
Qesefalechtstrieb die Samenselle in diesen hindnbeiMem. Dasn sind
zwei venofaledene Vonktionen notwendig: Erstens mnss die Samen-
zelle Ton dem Yaterorganismus getrennt, und zweitens mnss sie zum
Mutterorganismus gebracht werden. Betrachten wir die erste Funktion.
Die Absonderung der Samenzelle iat ein physiologischer Vorgang
und geschieht in den Hoden. Die Herausbeförderung aus dem Vater- '
Organismus erfolgt durch die Ejakulation. Diese Trennung der Keim-
zelle vom Eltemorgaiiisiiius, \vie sie bei der Ejalvulation stattfindet, finden
wir auch in der niederen Tierwelt, z. B. bei der sogenannten Knospunp'.
Sie führt stets zu einer Volumenvermindernng des Eitern urf^anismus,
und wir wollen sie deshalb als Detumescenz oder Abschwellung be-
zeichnen. Den Trieb, der diese Ejakulation bewirkt, nenne loh
Detamescenztrieb.^) Der Detumescenztrieb des Mannes findet
sich manohmal ganx isoliert und ist anoh snweilen die einsige
^ OantiMm biarllber ti«lM Albert Holl, Uiitanmöhiiiig«ii Vhn^Libido
mmmU». & 10 ff. 1. BmA, 1. TdL Beriin 1897.
DetauneBoeiw- und Koalnklationstfteli.
3
Insseniiig des Oesebleelitstriebes. Bs Ist dies s. B. bei einigen
Idioten der FsD, sowie bei vielen unter jenen Lenten, die wahßlk
enanieren, nm den Samen beraDssnbeftrdem, und die dcb bei der
Onanie konerlei FbantadeTOisteUnng eines andern Wesens maohen.
Dooh nnr selten kommt der Detomescenztiieb isoliert Tor.
lleistens findet sieh mit ihm ein sw^ter Trieb, nimlich der smn
Weibe, uid swar snr kOrperlioihen Ber&hrang, zur Umanming ^es
wdbliehen Individmims nnd rar geistigen Ann&heniDg an dieses.
Diesen Trieb znm anderen Individuum nenne ich Kontrektutions-
trieb oder Bcrührungstrieb. Audi (Ilt Kontrektationstrieb kaim
isoliert vorkonmien. So giebt es mannlicht' Individuen, die schon vor
der Reife der Geschlechtsorgane den Drang haben, weibliche Personen
zu küssen, zu umarmen u. 8. w., denen indessen hierbei jeder Ge-
danke an Onanie oder an einen Akt mit den üenitaüen fehlt
Detumescenztrieb und Kontrektationstrieb kommen aber beim ge-
schlechtsreifen Manne fast stets yereinigt vor, und es tritt dann der
Drang auf, bei Berührung des Weibes, beziehungsweise bei Ein-
führung des GUede» in die Scheide den Samen zu entleeren, d. b. den
Koitns auszuüben.
Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse beim Weibe. Der
Samenzelle des Mannes entspricht als Keim die Eiaelle. Da diese
aber im Mntterorganismns liegen bleiben nnd hier von der Samenzelle
befrnehtet weiden mnssi nm sich mm neneii Organismus ra ent-
wickeln, darf der Oeschlechtstrieb nidit ihre Ansstossnng, ihre Ijjar
knlation bewirken, d. h. ein etwaiger Deinmesoenstrieb des Weibes
darf nicht in einem Torgange bestehen, der die ISselle hinaosbcAlrdert
PteOich giebt es anoh bä den meisten I^en einen Detomescens-
tfieb; nnr leigt er sich in anderen Srsoheinongen, s. B. in der Herans-
beförderong gewisser Sohleimmassen ans den Genitalien, Mnskel-
kontiaktionen, die an nnd in der Scheide stattfinden n. s» w. Ansser
dem 80 modifizierten Detumescenztrieb hat das Weib auch einen Kon-
trektationstrieb,^) der ganz und gar dem des Mannes entspricht, nur
Auf ?-ahlreiche einzelne Instinkte und Neigmigeu, die mit dem Geacklechta-
(rieb in eugstem Ztmmmuuliujig sttilieoi kanu ich hier uatüriidi nicht eingehen.
Sie kflnaea ab Kompmienteii dtasen, was nuut gewQliiilioh aatn 0«wdileditsti!ieb
im engeren Sinne wrsteht, auch nicht angaaelMB werden. Wenn C. H. Schnltz-
Si"hTiIt7nn8tein (Die Bildung des menschlich^'n npi-jtea durch Kultur der "Ver-
jtiii <,iitiK seines Lebens in Hinsicht auf Erziehung zur Humanität nnd Zivilisation,
Beriia iööö, 20ö) zu den Aktionen des GeschleohtsiTiebes ausser der Begattiuig
dM Waadem und Aufmdieii der Bral^txe, daa Bauen da Neitsr oder HSUen,
das Brfiten, den Schutz nnd das Füttern der Jongea ilhlV lo aLad das awar
DiBge, die mit dem OeeehleohteUieb in ZmamnenhaBg staheii} de gehOna aber
1*
4
GMoUeohtBlrieb and liebe.
ist er beiiii Wdb molit anf Berthrang des Weibes, sondern anf Be-
rflhning nnd TTmannung des Hannes genohtei
Insofern nnn, als der Eontrektaiionstrieb bei jedem Oesohleolii
nur BerQbznng des andern dringt» ist er als ein heteroseinolier
m besddmen. Wir haben bereits den Untenehied swischen den pri-
mtren md sekmidlren Gesdile^tsoharakteren kennen gelernt» und
wir sehen jetzt, dass der Eontiektationslri^ den Mann som Weib
und das Weib zum Manne fahrt Wenn wir die sonstigen Eigen*
Schäften der sekundären Geschlechtscharaktere und besonders ihre
Abhängigkeit von der Entwickelung der Keimdrflsen berücksichtigen,
so wird sich ergeben, dass der heteroseinelle Kontrektationstrieb aU
ein sekundärer Oeschlechtscharakter zu betrachten ist
Der (Geschlechtstrieb zeipt sich nicht nur beim Menschen, sondern
midi beim Tiere; was aber das geschlechtliche Leben der Menschen
von dem der Tiere unterscheidet, ist äi\s Hinzukommon tieferer und
innigerer Beziehungen zwischen Mann und Weib, die ihren Höhe-
punkt in der Liebe erreichen. Zwar finden sich auch gelegentlich
zwischen Männchen nnd Weibchen beim Tier innigere Bande, als
diejenigen, die gelefrentlicher gesohlechtlicher Verkehr herrorbxingt
So führt Ludwig Büchner') zahlreiche Beispiele an, ans denen
herforgehen soll, dass wirkliche Liebe auch bei Tieren vorkommt
„Die Qesehleehtsliebe selbst ist bei den Tieren dnrehans nieht immer
nnd llbeiall nnr jener rohe, tieiisdie Trieb, als weleher er in der
Bogel angesehen wird, sondern bei sehr vielen Tieren mit dem
Sohimmer eines poetisohen Hanohes nmgeben. Dennoch können
wir sagen, dass bei dem Menschen die sn dem Gesdhleohtstrieb hinxn
kommenden seelischen Besiehnngen swischen Hann nnd Weib ihre
höchste Stufe eneiehen.
FreOich scheint anoh der Mensch nicht sa allen Zeiten nnd bei
allen Y^flkem die wahre Liebe erlbhien in haben. Yiehnehr ist erst
mit dem Fortschritt der Kultur, wie Garns ansfQhrt, und mit dem
Beginn einer ruhigen Lebensweise der Geschlechtstnt^b alimälilich iii
eine Geschlechtsneigung und diese wiederum in die Liebe umgewandelt
worden. Kleinpaul-) meint in einer seiner spraohphilosophischen
nicht nnmittellMr la den IMeben, die zur geschlechtlichen Vennischaog fuhron,
d h wedf>r mm 'Dotwm^fic^n?- r^ü<^h zum KonlMktefeioiutrieby die die beiden Kon-
poneaten de« Geschlechtstru'l)' .h lüden.
') Ludwig Büchner, Liebe and Liebealeben m dor Tierwelt 2. Aail.
Lrip^ 188S, & 98.
') Rudolf Kleinpanl: Die BIImI der fipiamhe: GraadUnieii der Woit-
deatoig. LdfMrig 1880. S. 197.
Ofl8ob)«ohtitriAb md liftbe.
5
AxbdteD, auch die Spfaohe seige, cUun das Oesöhlecht und «ogur die
GeiolüeQhteoigttie des Weibes toh vonüLerein die Hsaptsoohe waren.
„Die K(m wir uisprOnglifili: die Gebirario, wie die Femnai die
Siageria imd die Matter Eva: die Fortpflanieiiii des meoscUioben
Geschleclits. Die mästoii Yolksansdrfieke fbr das soihoae Geseblecht
betonen nur die Scham und die FortpflanznDgsorgane. Auch die
Liebe und die Minne sowie die entsprechenden lateinischen und
griechiisclieü Worte bedeuteteD von Hau^e au« nicht viel aüderea als
den Beischlaf . • . Modem ist nur der Makel, der den geschlecht-
lichen Beziehungen als solchen im Laufe der Zeiten und unter dem
£iiiflus8 gewisser Religionen aufliegt u. s. w.**
Vom teleologischen StandpunW; aus betrachtet Fichte die
Trennung der Geschlechter Mittel zur Erhaltung der Gattung;
wir werden demgemäss auch im Geschlechtstriebe als Zweck den
erkennen, die Fortpflanzung des Menschen zu sichern. Dem Trieb
der Liebe vertraute der Himmel die Schöpfimg der Eide an, sagt
Jean Paul.*)
Der Geschlechtstrieb und die Liebe erwachen gewöhnlich ent
nach Eintritt der Pubertftti doch finden sich gewisse Begungen
mitnnter sehen in der Kindheit Naeh Bamdohr*) seigt schon der
kleine Knabe oft Andeutungen Ton Liebe zu welbüehm FSisonen,
wobei sogar Mersuolit und der Wunsoli, diese Person ganz m besitran»
eine weseoiliolie BoUe spislen. Anoh sonst werden uns Öfter Bfitp
teilungin Ton U innem gemaoht^ die sieh bereits ab Kinder in weib-
üebe Personen verliebten — eine Srseheinung, die sogsr fttr ein sieheies
Kennaeiohfln des Genies eiUlrt worden ist Diese Annahme darf
sicfaerliflli lü^t Terallgemeinert werden, und es bnu<äit sieh ktine»*
wegs derjenige ohne weiteres fftr ein Genie zu halten, dessen Ge* V
schlechtstrieb bereits in früher Kindheit erwachte. Sollier") meint,
<lass sich bei normalen Kindern geschlechtliche Errcnrung öfter, als man
glaubt, vor der Pubertät entwickelt, also nicht aU deren direkte Folge
auftritt Als Beispiele frühzeitiger Liebe seien genannt Dan t e,*) der
sich im neunten, Oanova, der sich angeblich schon im fünften Lebens-
jahr, und Altieri, der sich im Alter von neun Jahren verliebte; Lord
- ) Fried. Aag. Garns: NaehgeliHOie WvAb. 1. TtSL Der BBycholoKie
1. Bud. Leipsig 1808. S. 347.
•) Friedr. "Wilh. Basi). ron Ramdohr: Venus Urania. Leipzig^ 1798.
3 Teile. Auf dies Werk iat im Laufe der Arbeit sehr oft Bezug genommen.
^ Paul Söllier: Der Idiot und d«r Inbealle. Ins DnrtMhs llbtnafcit im
Paul Brie. Xit einen Vomoft von a Pelman. 188L a 77.
«) J. A. Scartaisini: Dante. BerUa 1888. 8.
6
Stadim des Gesehloohtatriebts.
Byion hatte rieh aohon im achten Lehenslahi in Mary Baff ▼erUebt,^
imd als er, seohMhn Jfahxe all, erfuhr, dasa eine von Qim geliebte Yium
aich ferheiraten woUte, fiel er fast in ErlmpfeL tJiok war den l&t~
sticken nahe, das Geaohleoht kflmmerte mich nicht, imd doch war
meine Liebe >o heftig, dasa ich nicht weise, ob ich apftter je ao innig
geliebt habe^*) Auch Ulrich von Lichten stein*) enfthlt von sieh,
wie er im swOUten Jahr angefangen habe, der Knecht einer Fhm
zu sein, nnd wie er dieser Frau gegenüber, die von hoher Art ge-
buren, die schön und gut, keuscli und rein, in allen Tugenden voll-
kommen war, in diesen Jahren fühlte. Abf^esehen von dieaen histo-
rischen Fällen können wir Tag für Tag bei Erkundigungen in uuseren
Bekanntenkreisen tiuden, wie mitunter T/iPbesleidenschaften und sexuelle
Neigungen lange Zeit vor Entwickelung der körperlichen Pubertät
auftreten.
Eines aber können wir als gewiss hinstellen, dass der Geschlechts-
trieb nicht ebenso wie der Hunger unmittelbar nach der Geburt auf-
tritt, dass er in diesem Sinne also eine angeborene Eigenschaft nicht
darstellt. Er zeigt sich vielmehr erst später und zwar im allgemeinen
in der Zeit der Pubertät, wenn anch, wie eben schon angedeutet isti
Abweichongen nicht selten sind. Es muss hier schon erwfthnt werden,
dass mitunter, worauf Max Dessoir^) eingehend hingewiesen hat»
auch der Oesefaleohtstrieb des Menschen, der spilar gaas normal ist,
am Anfang gewisse Besonderheiten seigt Ber EontrÄtationstiieb ist
insbesondere am Anfimg oft anf gleidigeschleditiiche Personen ge-
richtet, nnd erst sltanAhlieh bricht die heterosexuelle Bahn ToUstlndig
durch. Wenn die Heterosexnalftlt erreicht ist, haben wir das Stadium
der Dlfferensiertheit, vorher das der ündifferensiertheit
Max Dessoir*) nimmt an, dass hk allen PiUen das letstere dem
differensierten Gesoblechtstrieb vorausgeht, was ich aber einstweilen
noch nicht für erwiesen halte. Nur das häufige Vorkommen dieses
Stadiums der Undifferenziertheit muss anerkannt werden. Dass auch
Karl Elze: Lord Byron, 3. Aunage, Berlin 1886. S. 27.
^ Cesare Lombroso: Der geniale Mensch. Dentsdi von Fränkel.
Eambarg 1890. S. 87.
- ) FranMidieiist oder: Ocsehidite «ad liebd des Bitten «nd Stogeni Vir i eh
von Lichtenstein, TOtt üun Mlbst beflchriebea. Nach einer alten Handschrift
bearbeitet imd hennsgegebea Ton Ludwig Tieok. Stat^gart aad IHbingm
1812, 8. 2
- ) Max Deääoir: Zur Psychologie der Vita sexucUü. Allgemeine Zeit-
achiill für PByohialiie «nd payebiach-geriehtliehe MedisiiL 80. Btnd.
Eine gtoiehe Ansicht, betreffend den undifferenziert«! Oesehleohtstriah, bat,
wie Htveloek Ellis berichtet, ancb Dr. ConoUy Norman «nsgefprodiMi.
Liebe.
7
bei Tieren solche Verkehrungeii der sexuelleu iwllen m früher Jugend
Torkominen, ist sicher.^) In dem Stadium der Undifferenziertheit kann
sich der Geschlechtstrieb des Knaben auf alle möglichen Objekte der
Ausseaweit, auf Knaben, Mänuer, Tiere, ebenso wie auf Mädchen
UBd Frauen richten. Aber wenn das Stadium der Differenziertheit
eintritt — und das Eintreten eines solchen Stadiums ist das Normale
— dann bricht trotz aller vorheriger Abweichungen die Heterosexualität
beim normalen Menschen durch, und dieses Durchbrechen der
HeteroBeznalitftt während dpr Pubertät halte ich fdi eine
angeborene Eigenschaft des Menschen.
Die Yerwecliselang der Liebe mit dem Oeedüechtstiiebe ist ein
mitunter vorkommendes Versehen. Dieser beansprucht nur die sub-
jektive Befnedifong dei Triebes durdi den mit WolluetgeflUil einher^
gehenden Eoitos. lOe dfiiflm nir, wenn lediglioli dies Teriiegt« von
liebe spreehen; de ist nur dann vorhanden, wenn aneh innigere
eeeliiöhe Beriehmigen Torliegen und eine innere Yerwandtuduft iwisohen
den Seelen besteht Sie Kägjt doh in einem beide Fenonen ÜBeseinden
Baad, das duchaoB von der Iteondachaft getreuit eein mnae. Biese
innere SedenTerwaadtBehaft IDhrt sehr bald zu der Sehnaneht naefa
dem flinsliehen YeignUgen oder dem Geeebleohieakte mit der ge-
liehtw Tenon ; dodi kann die eeeliaehe Zuneigung dem Oesehleehte-
tiiebe längere Zeit vorausgehen, und es kann auch die Liebe später
als der Geschlechtstrieb auftreten. Ob eine Liebe, ohne dass ein
solober sich bemerkbar macht, dauernd besteheu kann, wie von der
später zu besprechenden platonischen Liebe behauptet wird, ist noch
zweifelhaft. Vielleicht wird diese Frage nie für alle Teile befriedigend
beantwortet werden.
Jedenfalls hat die Liebt- t ine sinnliche und eine psychische Seite.
Wenn es auch beim jungen Mann und beim jungen Mädchen in der
Kntwickelungszeit eine Periode giebt, wo s^ewisse Personen in dem
Anschauenden nur eine seelische Liebe erregen, so ist dies doch nur
eine Zeitlang der Fall, und der anfangs nicht vorhandene oder un-
bewusete sinnliche Trieb tritt sobüesslieh mächtig hervor. Friedrich
Heusinger*) sagt: „Es ist ganz sicher, dass daa unverdorbene
Weib^ welches sehnend in die kilftigen Aime des ?er]sagenden Mannea
') Kurl OrooB: IMe Spiele der Tiere. Jena 1896. S. 254. Feroer: Albert
Moll: Untersarhan^n über dip Libido aexualis, 1 Band, 2. Teil, Berlin 1898.
8. 874. In beiden Büchern änden sich sehr wertvolle Beobachtungen von Seits.
- ) Karl Fried r. Heusinger: Grundiiss der phyaiachen und psychiaohen
Aathnpdlogie flir ÄRte and NiobtOnto. ISsenacb 1899. 8. ISS.
Digitizeü Ly
8
Liebe aod Freaudflchaft
nnkti Mk dmohaiu keine« Geeobleclitataciebes bewnsst ist» eo sehr
ae flioh auch gerade nur «i diesem Manne hingezogen fühlt; dem
flberhanpt viel sinnlicheren Manne wird anch dieser Trieb weniger
?erborgen bleiben, allein der darf niobt sagen, dass er rein und innig
liebe, der sich seiner sinnlichen Triebe bewusst ist" Vorländer*)
schliesst sich diesen Ansfflhrungen an; ich glaube aber, das» dieses
Tollstftndig Unbewnsste des sinnlichen Triebes nur eine Zeitlang vor-
handen ist, wenn man überhaupt davon sprechen kann.
Was die Liebe, abgesehen von ihrer seelischen Seite, von dem
fein flinnlidien Triebe tieimt, ist besonders der Umstand, dass sie
mehr einem Individnam des sndem OeeohleohtB, als dem Qe-
soUecht im allgemeinen gilt Infolgedessen kommt es dahin, dass
sieh das tniuge Band der liebe iwisohen zwei Fteaonen kaftpft^ tot*
ansgesefeit, daas die Liebe der einen von der andern erwidert wird.
Die Brwidemng der liebe ist, wenn diese glfioklioh .sein soll, eine
mentbebrliehe Bedingung, nnd F. A. Garns bebanptet, daas bei
den ilTilisierten Personen die Liebe rar Leidensohaft wird, geliebt zu
werden, nnd dass dieser Wnnseb den wahrhaft Liebenden beherrscht
Allerdings ist die gegenseitige LiebOi die yoUkemmsoe Harmonie
beider Tdle keineswegs etwas ganz gew^^hnliehes. Wenigstens pflegt
sie zwischen zwei Individaen nicht so haofig, wie man oft annimmt,
eine dauernde zu sein. Soziale Gründe, Bücksichten auf die öffent-
liche Meinung, die oft betrogen werden muss, das Pflichtgefühl gegen
die Kinder zwinpft nicht selten zur Heuchelei der Aussenwelt gegen-
über, die die Zahl der glücklichen Ehen meistens überschätzt*)
Die geschlechtliche Liebe ist von allen anderen Banden zu
trennen, die Menschen unter einander fesseln, sie ist etwas anderes
als die Freundschaft, um nur diese za erwfthnen. Bei dieser
spielen die geschlechtlichen Funktionen keine Bolle, während sie
bei der Liebe deutlich beteiUgt sind, wie wir oben gesehen haben«
Woraaf der Geschlechtstrieb und die Liebe beruhen, ist schwer zu
sagen ; dass die Anlage beider angeboren ist kann nieht besweUUt
weiden; wieviel aber zu ihrer individuellen Entwiokehing änsserliehe
l^drüeke nnd raftllige Gelegenheiten beitragen, ist sehwer an be-
nrteiten^
loh brauche wohl nidit über die Bedeutung des Geschlechts-
- )Frauz Vorländer: Grundiiiiitiu eiuer organischen Wisaeuadiaft der
BMUMhUebeik Seele. Berlin 1841. & 810.
^ Siehe hierttber Hanne 0 rosa: Kriniulpiiydiologi«. Giws 1888. S. 868 C
Heteroflexueller und homoeexneUar Trieb.
9
triebes sa spveoheii; t. Erafft-Ebing^) hiit dies treffend in dem
enteil Absohaitt der T^j/tSißpaiMa atmuiUB gethUt er bil geiieig;t|
n^lolieii Umfloss daa seiaeHe Leben nof die BeUgion, nuf die Kunst
nnd Poeüe gehabt hat nnd nodi tSglieh bat Ohne eeomelle Grondkge
giebt es nach Krafft-Ebing keine wahis EnnstsdiCpfang, und er
veist mit Beebt daiaof hin, dass so'binfig die grossen Dichter nnd
Kflnstler sumliebe Nataren sind. Bekannt ist auch, welchen Ehdhiss
die Liebe auf den Charakter des Menschen ausQbt; man findet darüber
Mitteilungen iu allen Bachem^ die von der Liebe bandeln.
Wfthiend sieh nnter nomalen Yerhftltnissen der Mann durah
sänen GesoUechtstiieb und dnrdi die üebe sum Weibe hingeiogen
fOhlty giebt es eine Kategorie von Mfinnem, dio eina andere Neigung
besitaen; der Tdeb sieht sie zum Kanne hin, sie aeigen, wie man
sagt, gldohgeschleehtlichen oder homosexuellen*) !ßneb im Oegen-
salz an den normal fhUenden U Ibmem mit andecsgesoUeefatliohem
oder heterosexuellem IMebe.
Knige FSlle von homosexuellem Triebe seien imUtahst aagefflhrt
1. Fall. X., 40 Jahre alt, Kaufinaon» wubb über Nervenkraakheiteii
in seiner Familie nichtg ansngebett; er selbst war angeblich nie nervon-
krank. Als Kind hat er, wie er enfi^Amt, stets viel lieber mit Knaben
als mit Madchen gespielt Er hebt dies zwar besonders hervor, es scheint
mir jedoch ziemlich bedentnngslos za sein, da Knaben meistens lieber anter
einander spielen, als mit Mädchen.
X. hatte, soweit er sich erinnert, die ersten sexuellen Regungen im
AUf-r von 10 Jahren. Er wohnte damals mit einem ftltereu Knaben in
emem Zimmer; wenn dieser bereits schlief, näherte sich X. dessen Bett,
um die Bettdecke hoch zu heben und sich des Knaben Genitalien zu
betrachten; besonders Freute sich X., wenn er das Glied des anderen in
erigiertem Zustand© erblickte, üngcflibr zu derselben Zeit, als der er-
wähnte Vorgang stattfand, wurde X. von einem 4 Jahre alteren Mit-
schüler zur Miututlicn Onanie veiieitet. X. fühlte sich htot» gunz be-
sonders zu Knaben, und als er Üter wurde, zu Männern hingezogen. Er
B. Erafft- Ebing: Pi§tkopaäiia texualis, mit besonderer BerQck-
aichtigang der konträren Sexnalempfindaag. Sine ldiiÜ8oli«lbreiwiadie Stndi«,
9. Auf! Stuttgart is. 1—17.
Carpenter (Eomogmic Love. Manchester 1894. S. 4) udeit mitBecht
die sdUeohte Wottbildiuiig tob hoaiosflaciiaU, das ans dam grisehisdian and einsia
latainisdiai Worte gnuammengeeetit ist; sdcbefeliler fiadea deb ttbiiceaa hiaflg
ia der Mediata wieder, a. B. aadi in dran Wort poethypnoCiseb.
10
BeiBpiele.
bftt skdi Tom 10. und bofMMid«» oft vom 15. Jalure ab tob andenn
«»iinlieheB PmoiMii mutnrbifm kisen; «noh bat «r aelbrt diea sehr
blnfig allem g»fbaiii. „ICt triabartigar Gawall^, ailtlirt er» fflblta ar eioh
an adriliicD Iftimani biageiogeD.
Einen Koifaisveiaiieib maebte Z. im Alter Ton 18 Jahren mit einer
Proetitoierten, batta aber keinen Erfolg* X. bat dann lebr viel roa
^"■WH"g beim Koiftna, beeondere fon Sjpbilis gebOrt^ ond er meint|
dasB dies ibn gans besonders abgesobreokt babe, wettere Versache an
wiederholen. Doch dürften hier SelbstttttSdiungett nicht ansgeschlossen
snn, da, wenn der Trieb stark genug jewesen wäre, X. diesbezfigliche
Versnebe vielleicht gemacht h&tte. Auf Fragen, die ich an X. hierüber
riebtete, at^te er das nicht in Abrede; 19 Jahre alt» machte X. einen
sweiten Yerstich bei einem Mädchen, das er auf einem Öffentlichen Ball
kennen gelernt hatte. X. hatte hierbei Erfolg; indessen weiss er nicht
mehr anzac^oben, ob dieser Versuch lediglich dadurch gelang, dass er
sich in der Phantasie einen Mann vorstellte, oder ob das Weib ihn als
solches reizt*». ?a'wilhnang verdient, dass das Weib he'i diesem Vorsnch
sich nicht entkleidete. Im 26. Jahre lernte X. ein Miidcbpn kennen, das
ihm sehr gefiel. Es war dies ein dem X. selbst wunderbar orscheinender
Ausnahmefall, da er nie etwas für die Weiber empfinden konnte. X. übte
bei dem Mädchen den Koitus mit Erfolg aus, aber unmittelbar darauf
war ihm das Mädchen so wiJt rlich, dass er es nie mehr wiedersehen
wollte, eiü Vorsatz, den er auch darrhgeführt hat. Seit vielen Jahren
ist X. nun nie mehr zn einem 2^1tidcheu gegangen, da er sich keinen
Erfolg davon verspricht, nnd selbst wenn dies der Fdl wäre, würde es
ihm angebüdi keinen (^ennss gewähren.
X. verkehrt viel mit Leuten, die an konträrer Sexualempfindnng
leiden, und wird besonders von einem derselben, von T. verfolgt, der
fid nratofllle Onanie mit X treibt Wenn Z. den Yersneb madite, rieb
ans der Leidensgeftbrten Qesellscbaft an entfernen, io wurde er Ton dem
Y. so lange gedrängt, bis er sein »Yerfaftltms* mit ibm erneuerte. X bat
mit Y^ wie erwSbnt, viel matoeUe Onanie gefbraeben, ein Akt, den er
sobenbaft als „Handarlmt beieicbnet X beklsgt sieb ebenso wie
andere Urninge Aber die „Terblendeten Qesetsgebei^, die mit Strsle be-
droben, was der M ensohbelt nidits sohade nnd docb ein natfirlidier Trieb
fitr tiale sei
Waa den X sonst betrillt, so mnss ioh erwlhnen, dass er mir einen
dnrcbans ehrlicben Orandcbarakter an haben scheint, dass er aber nn-
aweifslbaft dnreb srJileabten Yerkehr, bescmders dnrob den Yerkebr mit
Mitgliedatt der minnlicben Halbwelt sitttieb geseUdigt wurde. Auf
meinen Bat sog er sidi eine Zeitlsttg von dem Yeikebr sorflek, fiel aber
diesem siAter wieder anm Opfer, uid awar, wie er mir mitteilt, gana
besonders doreb den oben erwftbnten T. Als sieb X naeb langer Ab-
Beispiele.
II
Wesenheit wieder einmal in jenem Kreise seilen Hess, wurde er mit den
Worten: „Ach, da kommt ja die Seltene 1** frendig begrttsst.
WiimtiS» d. 1l Immisaio membri m amm hit X. mr «nail
venofliit, lud swar Ihat er es aas GafUligkat gegen etnen andecen, dm
m pasBiTer FKderastie seine Befriedigung saolita. X. stand aber von dem
Yenaeiie ab, da der Amts des anderen n klein war.
Z. eimiifindet Ar den erwsbnten Y. keine anficicbtige Liebe; aber
er Uebti wie er meint» leidenaohafUicJi einen gewissen Z.» der flbrigens
verheixiteit ist T. wollte hftofig Ton Z. die Adresse des Z, erfsbren,
nm eine erentnelle üntreae des X sofbrt wa entdedken; dodi ist dieaar
viel sa nüssbaiuaeh, einem anderoi die Adresse des Zu an ▼erraten» aas
Fnnht^ dieser kSnnte ibm abspenstig gemadit werden. Über sein yes*-
bflltnis an Z. maciht Z. fblgende KitteOongen: „Wem wir snsammen smd,
so benen nnd küssen wir uns, wir treiben gegenseitige Onanie, lagen
nns zQsanunen ins Bett, bei dem Küssen kommt es za gegenseitigem,
wollüstigem Beissen. loh machte die Bekanntschaft des Z. in einer
ftffentlidien Bedflr&isanttalt durch einen Zufall, und iühle mich glücklich,
aiaan zu kennen, den ich liebe. Erst allmählich wurde die anfSangs
ganz laue Bekanntschaft zwischen uns intim. Ich war zuerst von Z. an-
gesprochen worden; da mir der Afann sofort sympathisch war, suchte
ich ihn durch anscheinend kühles Entpi 'Cfoniroinmpn an mich zu fesseln.*
Es muss erwUhiit werden, dass X. ein ausserordentlich schlauer Mensch
ist. X. wusste übrigens anfangs nicht, dass Z. verheirntet ist; erst später
erfuhr er es zu seinem Schrecken, Nichts desto wemger aber wurde
das Verhaltois fortgesetzt, obwohl mitunter des Z. Frau sich über die
Intimität beider wunderte, ja auch schon Äusserungen fallen Hess, aus
denen hervoi^eht, dass sie Verdacht schöpfte. X. ist etwas eifersüchtig
auf die Frau des Z., aber er meint, das sei ju docli nur ein körperlicher
Verkehr und kerne Liebe j daher ist die Eilersuchi des X. liier uiclit so
gross; grösser würde sie jedenfalls sein, wenn Z. mit einem anderen
Mann Terkehren wfixde.
Waa den X ionst nodi kenumehnet, ist uSn. entsehieden uunInnHeheB
Benebmen; die Bewegungen machen besonders dann, wenn X sidi einen
Angenbliek flbr niebt beobaebtet hSlt, einen dnzcihaas wdbliehea Bindmok.
2. Fall. Patient X. ist gegenwärtig 30 Jahre alt. Sein Vater
war von nervöser Natur, leicht erregbar, ujjd zwar, wie der i'atieiit an-
nimmt, infolge einer Besch&fkigung, die hierzu disponierte. In geschlecht-
licher Beziehung war der Vater durchaus normal und übte, wie X genau
an wissen behauptet, den Beiseblaf sebr b&ufig ans. Die ICnttar des X
bietet gleiobftOs Zeiciien hochgradiger Nervositit, die in lelster Zeit noeh
sQggniniiiiien bat Besonders leidet sie an «ner Art ZwaqgsvoxsteUnngen,
die von abeigllnbiaofaer Katar sind. Der Qrossvater dea Patienten
Yiterliduneita war ein starker Trinker und starb am Gehimscblag, Von
12 Baiqndt.
der GroMoratltf väterlicherseits wein Patient uidits; dagigin sind die
GroBBeltera mütterlicherseits gesund gewttien und starben in hohem
Alter. Sonst sind. n»ch Meinung des Patienten weder Epilepsie noch
EaeentricitäteD oder sexuelle Perrersionen in der Familie vorgekommen.
Als Kind zeigte Patient, wie er meint, ein weiches Gemüt, lebhaften
Sinn für Musik ; er interessierte sich stets für Botanik, so dass er anfangs
den Wunsch hatte, Gärtner zu werden, später, Botanik zu studieren,
Wünsche, die durch seine Familienverhältnisse nicht erftlllt wurden.
Wilde Knabenspiele waren deni Patipnfpn 7n wider, und während andere
Knaben sich an Kriegsspielen u. ergötzten, sass X. gewöhnlich ab-
seits, um aus Feldblumen nach eigenem (reachmack Kranze und Buketts
zusamiuenzustelleD, die aügemeui wegen der Art der Anordnung gefielen,
ja, wie X. mfint, sogar das Erstaunen alU r errt ^ten.
Bis zu seinem 14. Lebensjahre fehlte bei X. der Geschlechtstrieb
vollständig; niemals hatU^ er bis dabin Onanie getrieben. Damals wurde
X. von einem mehrere Jahre älteren Verwandten in die Geheimnisse des
GeRchlechtstriebes eingeweiht; der Verwandte schilderte dem X. die
Onanie mit glühenden Fürben. Wenn es auch zu mutueller Onanie nicht
kam, so wurde X. doch durch diese Schilderung gereizt, selbst die
Onama zu versuchen. Als er in solcher Weise zwei Monate bmdurch
für sich allein Onanie getrieben hatte, empfand er das lebhafte Bedürfiois,
mit anderen Knaben su mastorineren. Scham hielt ihn jedoch noeli
dnTon sb. Hingegen machten sieh Phiotsaievoistellaiigen bemezklMa';
er seUois beim Onanieren die Augen und stellte sich dass er
mit snderen Knnben inssinm«! weehselseitig mastorMerte. TMnme mit
PoUntionen hatten den gisicihen Inhslt.
A]a X. anderthalb Jahre hindurch täglich bii mm Samenerguss
maataibievi hatte, fthlte er tidi angegriffn und nwH Gkidaeitig
begann Patient an hochgradig flbl«n Oemoh ans dem Hunde sa leiden,
dw es dahin braebte, dass er jeden Yerkehr sn^ben mosste nnd häufig
TOn der ümgehong gemieden wurde. In dieaer Zeit traten bei X Selbet-
mordgedanken anf^ von denen «e aber nicht gans klar ist, ob sie lediglich
die Folge der durch den Omich ans dem M ande bedingt*« nnangsnehmen
Sitoation, oder ob nicht doch ?ielmelff in höherem Qmde durch die
stark neuropathisohe Natnr des Patienten bcgrOndet waren. Insbesondere
quilte den Patienten der Oedanke, dass er mit anderen Knaben gern
nmtaelle Onanie treiben mMhts^ dass er aber durch seinen Geruch voll»
ständig dsxan verhindert war, mit anderen flberhaapt imsammimiTikftmmfii
Als Patient die Schule verlassoi hatte, ging er aonldist hbigere Zeit
auf das Land, wo sowohl die nenrOsen Krsoheinnngen nachliessen, als
auch der Geschlechtstrieb seitweise etwas sohwicher wurde, sich quaUtativ
aber nicht änderte.
Als X später wieder in die Btadt xoniekkebrie, sachte er Verkehr
Beispiele.
13
mit Weibeni muf, and zwar in d«r Hoffirang, dasB «r dnnih die Gewtthnnng
an den ümgang mit Mldchen den krankhalten Trieb m Knaben wflxde
mrflflikditngen kOnnen. IideHen selbst das eefaflnste IftdoliMi konnte
den Patienten gesoUeeiitlidi niciht nisen. X. yersochte den r^gnlSren
Koitos aossnfiben, um dadaroh normalen Trieb m erwerben ; es gelaag ibm
einige Male mit grosser Mflhe^ membrum m vagimm femmae nmmüere,
erecHomm 0t tSaetäeiikiiiim cUmere. Doch war dieses nnr dann mOglioii,
wenn sidi X. im dauki«i Banme mit einem angeldeideten .mdehen
befind; dann ateUie er sieh in aciner Phantasie toTi dass er mit «nem
Knaben Plderastie triebe, and es kam so mehrfach bis nun Brgnss. Als
er eines Tages ein Mldohen, mit don er m der genannten Weise den
Beischlaf ansgefdhrt hatte, sackend im hellen Zimmer sah, eriasste ihn
ein solcher HiMrror, dass er das MBdehen anter einem Vorwande sofort
▼erliesa.
Allmihlieh setate sich hei X. die Überseogong fest, dass es veiigeb*
lieh sein wftrde, gegm einen Trieb anaokftmpfen, den er doeh nie wftede
Ter] leren kOnnen; er entschlosB steh, ihm sa folgm and mit mSnnlichen
lodividaen geschlechtUidi zu vorkehren. X wurde mit einem Knaben
bekannt and trieb mntaelle Onanie nnd aktive Päderastie mit diesem.
Nor die aktive Päderastie befinedigte den X. vollständig* mntaeUe Onanie
war ihm nur ein Notbehelf. Bild kam X. in die Hände von Erpressern,
Die £ltem des Knaben, mit dem er T^rkehrte, begünstigten nämlich dessen
Geschlechtsvprlffilir mit X., übten aber dann an diesem farchtbare Er-
pressungen aus, die sein ganzes kleinem Vt^rmögen verschlantren Erst als
er dipses auf solche Weise verloren hatte, entdeckte sich X einigen Ver-
wand tm, auf deren Veranlassung die Erpresser sich gezwungen sahen,
weitere Versuche einzustellen, da ihnen eine Anzeige bei dvr Staatsanwalt-
schaft in Aussicht gestellt war. Infolge dieser Verhältnisse nahm X. sich
vor, der Päderastie ganz zu entsagen, sei es auch mit Aafopferang seiner
Gesundheit, um nicht wieder in die Hände von Erpr^sem tix fallen.
X. hat nämlich die Ansicht, dass er seinen Trieb befriedigen müsse, und
dass die Hichtbefriedigaug des Triebes für beine Gesundheit schädlich sei.
Da nun der sexuelle Verkehr mit Weibern für ihn ganz unmöglich ist,
SO treibt er jetzt lediglich mntaelle Onanie. Am meisten wird er dnreh
Knaben im Alter von 16 bis 18 Jahren gereist; Hfloner mit BftrtMi
stossen Üm ab. Wie sehon gesagt, ist die mntaelle Onanie fOr diesen
Patienten ein Hotbehdf and befriedigt ihn keineswegs.
Patient beklagt, daas er dnreh ein gxansamas Geseti nioht allein
sein YermQgen Terlofen habe, da es ihm dnieh Erpressnngen geraabt
worden ist, sondern dass er aneh foortwihrend dadoreh an seiner Gesand«
heit geadildigt würde; denn die geawongene Enthaltsamkeit von dem
OesoUedttqgenass, der ihn allem befriedige, sei die ürsaehe adner gioasen
14
Beifpiele.
8. Fall Dem weibliehon G«8eh]«Glit gegenflber seigto der 24-
jlMgtt Paliwt X nifnub BenwUen Sniig^ dagegen fllUte «r sieh tob
wineiii 16. Leben^iiire ui donih gleichaltrige oder jüngere Knaben ge*
aoUeoUilieb eiregt Falaeat teilt Uber aeine Neigongen Iblgendea mit:
»Idi war Inneift irtbleiiielii and ea ivaren nur sehr wenige, die ich.
mehr ala platoniadi liebte. Am liabaten war mir stete em jngendfriachea
Geaiclit» roeige Wangen, femrige Augen; die Betreffenden durften wohl
etwas weibiaoh aoBBehen, abear in ihrem Weaen aichta Weibiachea an
aioh haben.
«Die Gegend iwiichen den Oberscbenkehi aog mich ganz beaonders
an, daa Mmäurtm virile spielte in der Phantasie die Haaptrolle. Be-
sonders mass ick die Passivität betonen, mit der ich die Sehnaocfat hatte,
dam der andere meine Wünsche erraten sollte. Vieles hfttte idi dämm
gegeben; aber ich that eigentlich abaolnt nachta, mich ihm gegenüber za
erkennai m geben. Immissio memfirl in anum hat fftr mich absolut
keinen Beil, mutaelle Onanie hingegen erregt mich, wenn ich aie mir
▼orstelle, ausserordentlich; niemals aber habe ich aie getrieben, weQ es
mir an jeder Möglichkeit daza zu fehlen schien. Niemals habe ich mit
Leidensgeflihrten über meinen Znstand gesprochen and ebenso wenig ein
anderer Urning mit mir über seinen Zustand.
,Wenn ich die Reihe derjenigen, die mir eine Art von Libido ein-
tiössten, durchmüRtere, so ist sir nicht gross. Fs sind gleichaltrige oder
jüngere Individuen, letztere nllHnlings nur zum kleineren Tfil. Leuto,
die älter als ich sind, reizen mich in keinem Falle. Sie müssen in ihren
Zügen etwas Sinnliches und Lebhaftes haben, etwas JugendfrischpR, ich
möchte sagen, ptwas Griechisches. Sie müssen eher schlank als fett sein,
müssen in ihren IJewegimgen Gewandtheit zeigen; aber in ihrem psychischen
Verhalten dürfen sie keine weiblichen Züge aufweisen. Im Verkehre mit
ihnen wäre mir et\vus Sprödigkeit erwünsdjter als grosse Nachgiebigkeit
gegen moine Wünsche. In weiblicher Kleidung w luden, glaube ich,
M&nner entschieden einen minderwertigen Eindruck auf mich machen.
.Mein Eauptwnnsoh wftre nun znn&chst der, dass die M&nner, die
daa Ziel meiner L^ido bOden, gleiche GefBhle wie idi haben md nodi
ans meraer FaMiTHtt an urgend einer aemailen Handlnng bintiasen«
Allerdings glaube ich, daaa ich niemala eine Immisgio mmhri m omimm
fertig brSchte, emihch weil nur aöhon der Gedanke widerlich ist WUrde
ich aber geeignete Minner gdonden haben, ao bitte teil swei£Blloa leicht
an mntneller Onanie geltthrt werd«i fcOnnen. Mein Wnnach wire dann
noch, in einem Bette mit einem anderen anaammen an sohlaflan, nnd
Bingklmpfe mit ihm anaaafltturen bei mflgltdiat enger kISrperlioher Be-
rfilimqg, beaonden der Cknitalien,
«Thataidilich habe ich nun, aber nnr einmal, mit einem Manne Ton
der Art derer, die ich gern hatte, in emem Bett geaoblafen. üm an
Beispiele.
15
diesem Ziele m kommen, ersann ich mir eine Notlüge: icli hlite den
HanssflliUiBBel ^eigessen und kSnnte nicbt m meine Wobnong; denn ich
wftniohls dumkam, dass jener Ton meiner L^ieb niobtB merkte. Der
■iidne^ mit dem ich snsammen «dilief^ wer, wie ich glaube^ hommemeO.
Bb kam fllnlgens nur sn starker psjchisolier Srregnng meinerseits, aber
wa keiner Handlang, weil der andere sieh sa passiT Terinelt
ist nnn ai^tig, nodi eine Handlang sa sdüldecn, die ich oft
nasftthrte. Ich hewBUe midh ntmlifth, mOgliehst anbemerkt die Oenital-
gegend derer, ^e ieh gern hatten sn berühren and absutasten, und «war
hosonders anter dem Verwände von BisgtaUnpfeo. Oft genag habe ieh
in der Sehnle meineuTordennanB, wenn er sa den wenigen gehfirte, die
in mir Sehnsneht erweekten, mit memer Fnssspitze in der Genitalgegend
berührt, ich habe anoh^ wenn wir beide am Ende «ner Bank Saasen, sein
T^.in zu mir nach hinten gezogen und bin dann mit meinem «genen
fHisse möglichst weit nach oben bei dem anderen gegangen. Ich legte
oft meine Hand auf die Schenkel meiner Nachbarn in der Schule und
bin dann langsam an den Schenkeln in. die Höhe gerückt loh habe,
wenn einer von den mich reizenden jungen Leuten hinter mir stand,
möglichst unbemerkt meine Hönde, die ich ungezwungen auf dem Rücken
hielt, in die GenitAlgep-cnd des Betreffenden gebracht, ich habe insbesondere,
wie ich iiochni;ils betone, Ringkämpfe herbei crefiihi-t, und vip]fach habe
ich die sogenannte geistige Onanie, wie sie Hufoland nennt, ausgeübt,
deren verderbliche Wirkung auf den €reist wohl uitiuand bezweifeln wird.
Aus diesen Gründen war ich auch oft in der Schule unautmerksam, und
alle meioti Gedanken wurden von dem Bestreben, die Genitalgegend des
andern zu erreichen, beherrscht Viel hätte ich darum gegeben, wenn
ich dieselbe Perversion auch bei anderen gefunden hätte, wenn meine
Genitalgegend für euieu andern dasselbe Interesse gehabt hUttu, wie es
umgekehrt der Fall war.
»Soweit ich mich erinnern kann, reichen meine konträr sexuellen
KiuptiiiduDgen bis in daü 16. Lebensjahr zurück. Die ErnpHn düngen sind
weder ätiirker noch schwächer geworden als anfangs. Ob mein eigener
kräftiger Wille, mit dem ich sie zu unterdrücken liuchte, hierbei etwas
gethan hat, weiss ich nidit. Der Trieb ist bei mir nicht alku leiden*
eefaaftlieh; es liegt dies vielleieht an meinem natürlichen Phlegma.
sOnanie habe ich erst seit meinem 21. Jabre getrieben, niemals
frflber und immer mlsog. Aber auch jetzt, wo ich 24 Jahre alt bin,
bin idi der Onanie noch nicht ToUsttadtg Herr geworden, so dass icih
sie doxdisehnitCUdi jede Wooihe einmal ansflbe, and zwar frieans memfimm
MMmift Itiifitin /iMliiA
WW^ffWn^ WWw^nfV WliwliV«
,Itt den I^cinmen erscheinen mir die wenigen Jftnglinge, die mir
JIMäo einllOssten, spesiell deigenige, der mich zaerst entflammte, noch
jetrt, obtohon ich gerade diesen seit Jahren nUdit mehr gesehen and
16
Beispiel«.
nidits T<m ihm gehört habe. Im Traume oin ich denn aktiver, ich fiuse
den anderen sionlidi direkt an die Genitalien, dieeer giebt aadh «ine
woUfistige Empfindung ta «rkennen, vnd eo erfolgt sehr hlmfig EkumUUiö
semmU, Nie erinnere ieh midi» einen eexneilen l^ranm gehabt tu haban,
der ein Midehen betrat*
Der Patient ist klein, aein Köiper ist eonet aber gnt enliriokeltk
nur ist er fettarm. Die unteren Extremitäten sind relativ kräftig, der
Thorax anffallend flaoh. Der Herzschlag des Patienten zeigt am Thorax
eine groaee Ansdehnong. Es ist femer eine starke Varikooele ohne alle
Schmerzen za erwlhnen. Sonst sind die äusseren Genitalien normal eni-
«ickeltb Erektionen treten bei dem Patienten mitanter ein, ohne daSB
er neb irgend welcher sexueller Gedanken bewusst ist.
Was die Familienverhältnisse betrifft, so sind die beiderseitigen Gross-
eltern miteinander blutsverwandt. Vom Grossvater mütterlich rr^^cits wurde
mehrfach, y:\q Apt T'atipnt weiss, en^hlt, dass er sicli als .Jünf,'ling nie
zu Mädchen hingezon;* n fühlte; doch schliesst Patient daraus nicht auf
eine kontrüre Rexualemptindang des Grossvaters. Vater und Mutt'^r des
Patienten sollen nervös sein. Patient (glaubt, dass er l»ei ])eidLn l. ise
Andeutungen kontrilrer sexueller Perversiou wahrgenommen habe; doch
fehlt es ihm an l inoni genauen Nachweis. Anl'get'allcn ist ihm, duss sein
Bruder stets Freunde hatte, die sehr hübsch waren, und ilass ihr Tvpus
immer seinen eigenen sexuellen Wünschen entsprach. i'atioiil glaubt,
dais sein Bruder gegen das weibliche Geschlecht ebenso vollständig un-
empfindlich sei wie er selbst, doch kann er dies nicht genan nachweisen.
X kann nioht pfeifen, ist Nichtraucher und trinkt wenig Alkoholika.
Er glaubt, was swne geistigen Fähigkeiten betrifft, erwShnen su mfissen,
dass bei ihm mehr die GefOUsante ftberwiegt, sein Yerstend nicht sehr
seharf entwiekelt ist, nnd dass er auch fllr «nkte Wissensohaft nur
wenig Interesse bat. Patient ist wenig s«lbstbewasst mid bat seban-
spielerisofaes Talent Eitdknt oder sonstige Zeidien von EfflsmUiaiio
sind bei ihm nioht nadiweisbar.
4. Fall X, 81 Jahre alt, ist kCrperlich Tollstbidig gesund nnd
munter. Der Vater das X, einige siebsig Jahre alt» lebt nnd ist gesund,
ebenso seine Mutter. X hat mehrere Gesehraristar, von denen die Scbwestem
glücklich Tdbeiratet und ICütter yon gesunden Eindem sind. Ein Bmder
des X lebt und ist gleiolifalls gesund. Homosexualität oder andere Ner?en>
krenkheiten kann X. auch sonst in der Familie nirgends nachweisen.
Die Erinnerung des X. reicht ziemlich weit in seine Jugend zurück.
£r lernte verhältnismässig spät, mit 3 Jahren, gehen und entwickelte
sich im allgemeinen auch geistig etwas spät; auf der Schule kam X.
schlecht vorwärts. Als er 8 Jahre zählte, kam er in eine Pension, wo
er mit zwei anderen Knaben mehrere Jahre zusammen blieb. Mit dem
einen der beiden, der dasselbe Alter wie X. hatte, befreundete er sich
bald sehr innig. war ein bildhübscher Junge mit fhscbem, offenem
Beispiele.
17
Getifililwiisdxiick, lotbadcig und g«Bimd.* Bei dieur CMegwheit wir es,
dass sioli bei X «am entea Mate das gtscbMitiliclie GeflÜil regte. Viel-
Imeht war es anoh nur, wia «r sagt, «au Wadlielie Vwut, Uber die ar
aidi koiiia Beehenschaft za gaben im aianda war. Wana die PenaiooS'
beaitaer auBagangen waren lud die beiden Kisban rieh unbeachtet
glaubten, kdBsten öe aidi, Hebkoaten sieh auf aUe mQgticdie Art und
Weise. Sie sogen die Hoeen herunter, atreiobelten dnander den Amts
und die GenitaUen, ohne aber iigend welehe Erektionen su bekommen.
]>er Frennd dea X. Terlieaa vaek einiger Znt die Penrion und wurde
Kadett. Ala die beiden aber apftter wieder «nige Zeit suaammen waren,
wurden die gegenseitigen mannstupratorischen Akte von nenem ausgeObt.
Der andre ist jetzt Offisier ; als sich die beiden nach jahrelanger Trennung
einmal wiedersahen, umarmten und kOasten sie sich in Gegenwart Ter-
sohiedeoer anderer Personen. X. hatte swar keine Gelegenheit, den Heim
allein zu sprechen, glaubt aber, daas er aich auch wiedor homosexuell
mit ihm eingelassen hätte.
In Sexta wtirde X. von einem Mitschüler zuei^ auf den Untersdiied
der beiden Geschlechter aufmerksam gemacht. schöne HftrohMi vom
kinderbringenden Storch hörte damit auf an existieren, und er sah die
Sache etwas mehr prosaisch au. Don ersten wirklichen Abscheu gegen
geschlechtlichen Verkehr mit Weibern empfand er beim Anblick des
badenden Dienstmädchens seiner Eltern, die ihn in Abwesenheit dieser
zu sich ins Bad zu locken suchte.
Von seinem 11. Lebensjahre bis jetzt hat X. fiist ununterbrochen
Onanie getrieben. Er weiss nicht mehr genau anzugeben, wer ihn ziierst
m die Geheimnisse dieses Lastors eingeführt hat ; er erinnert sich aber,
dass er selbst sclion in Quinta einen anderen Knaben zur Onanie verführte.
Dieser fand Gefallen daran, und nun suchte X. mit ihm möglichst oft
den Akt zu vollführen. Leide kamen fast jeden Tag im Hanse tn i des
X. Eltern zusammen, um gemeinschaftlich die Schularbeiten zu machen.
X. verliebte sich in seinen neuen Freund und wurde zum Sklaven seiner
Leidenschaft. Die gemeinsamen Schularbeiten wwen für Ihn nur ein
Vorwand zur Befriedigung seiner Begierden. Oft gehrauchte er den
Pensionsbesitzern gegenüber leere Ausreden, bloss um sich seinem ge>
liebten Freund hingeben zu könnnen. Meistens Ümt er dies auf dem
Klosett Als beide naoh Quarta Tersetzt waren, hatte daa heimliolie TMben
seinen Höhepunkt erteicbt Es verging kaum ein Tag, wo sie nieht einen
einsamen Ort aufruditen, um ihrer Lndmsoliaft an fröhnen. Beim An-
blick des andern bekam X Erektion; infolgedMsen drftngte er sidi an den
Freund heran, und dieser will^|te scUiesdieh t&a, I&unal ging X. in
den Venen mit seinem Freunde zu dessen Eltern, wo er eine aeitlang
blieb. Die ganae Zeit war er nur auf den gemeinsamen Gesehleehtssikt
erpicht» Es war gerade um Weihnachten herom, und X. fertigte einige
Moll, KoBir. 8«nakqpaadnis> S
18
Beispiele,
Goiebeiike fttr sebe Ang^bArigen. Da msn hierb« gewObnlich dne ge«
wiase Heimliehtiinerei nfltig bat, so geling es Uun Tonflglidt, seineii
Zweck m eneichai. Es bam tot, dan beide dreimal an einem Tage
onamerten. Dem X. macbte ea immer ein beaonderes Yeigiiflgaiiy niem^rnm
atiUei in os amm inirodiieere, was aein Freimd mofaft thim wollte nnd
hOebatena sweu&al ala Entgelt dalflr tbat, daaa X. ibm dia Erlaubnis
erteilte, mit ibm (dem X) im eigeniliobeii Sinne Fftderaatie treiben sn
dürfen, wobei X. der passive Teil war. Es kam oft vor, das« beide sieb
innerhalb YOn vwei Standen zweimal befriedigten. Häufig Hessen sie es
auch an der nötif^en Torsiebt fehlen, so stark war ihre Leidenschaft
Abends, wenn mck X. von den Angehörigen seines Frenndea Terabsfdiiedet
hatte, gaben sie sich oft noch im Thorw^e des Hauses des Freundes
der Leidenschaft hin. Später zogen sie noch einen gleichaltrigen gemein-
samen Bekannten in ihr Vertrauen, und nun fröhntcn die drei zusammen
diesem Tjastcr. Einen beson<^prpn Vorfall im Kniiso seiner Pensionsvor-
stehf'T konnte X benutzen, um mehrcjf' \Vochen ganz in d««; Hans seines
Freundes zu zichfn, was für ihn natihlich muc, willkommene Geif^gt>n>ieit.
7.ur Ausübung deb geschlechtlichen Verkehrs war. Bald darauf vcrliess
der Freund des X. die bisherige Schale. Den Wunsch des X., auch die
Schule zu wechseln, verwirklicht« der Vater nicht, und zwar auf den
Bat einer älteren Schwester hin, die im Hause eine grosse Rolle spielte.
X. hält es für möglich, dass seine Abneigung gegen das weibliche
Geschlecht durch die prrospo Bevorzugung seiner Schwestern seitens
seines Vaters wesentlicii prln ht wurde. Stets fühlte er sich in der Ge-
sellschaft von jungen Mädchen sehr i)eengt. Sein Benehmen war ihnen
gegenüber unbeholfen und linkisch, und er hatte in ihrer Gegenwart das
Gefühl einer gewissen Beklemmung. Der sexuelle Verkehr mit seinem
Freunde mässigte sich allniühlich etwas, zumal da beide nun, wenn sie
auch in derselben Stadt blieben, bald verschiedene Schulen besuchten.
Der Freund des X. ist Offizier und jetzt verheiratet, ob glücklich, kann
X. jedoob nicht sagen. Anf jeden Fall erreichte der gescblecbtliobe
Tarkelir beider acbHeaalkib aein Ende, mal der andere als Avantageor
in die Aimee trat Bei gelegentlicben ftfiditigen Begegnungen babcn
die btiden nicht mehr davon gesprochen. Schnell gewann aber X. andere
Genoaaen aar Befriedigung senier Begierde. Bs war steta eine ainnlicbe
Zuneigung, die ihn mit gleichaltrigen Knaben verband. Hlnflg Ablte
er aogar eine direid» Abneigung gegen die betreffenden ala Menschen,
aumsl in einem FaU, wo er mit d«n Sohne eines benadibarten Hand«
werken verkehrte, der an Bildung weit unter ihm stand und auch ein
roher Mensch war. Nur in dem sexneUen Funkte konnte X. ihm nicht
wideralehen. Die beiden hatten ein bealimmt^ Wort yerabredet ab
Zeidien gegenseitigen Einverständnisses zur Ausübung der mutuellen
Onanie^ nnd sobald X. dieses Wort hOrte, gab ea fttr ihn keinen Halt
19
melur. MerkwOxdig ist es dem X. selbst» dass seine Aogehdrigra nie
etwas Ton semem Treiben merkten, da er hlnflg gsr oidit TorBiditig
dabei war.
Im Alter von 18 Jahren gelangte X. mehr znr Einsicht seiner Lage,
nnd zwar durch die Loktüre zahlreicher Bücher, die sidi mit solchen
Dingen beschäftigten. Ein Buch über die Selbstbewahmng jagte ihm
einen grossen Schrecken ein: er glaubte sich verloren, obwohl er das
Leben so lieb hatte; alle die tausend Anzeichen des Verfalls meinte er
bei- sich zu entdecken, „ohne den Mut zu haben, eine brieniche Kur bei
dem Autor des Buches zu versuchen." X. bedauert das heute nicht,
nbwohi lange Zeit hindurch die vielen Dankschreiben im Anban^j des
Buches ihm zu beweisen schienen, wie viele Leute Hilfe bei dem Ver-
fasser gefunden hatten. X. weiss, dass der Verfass'^r ein Schwindler ist,
der den armen gequülten Patienten mit teuren Medikamenten und hohem
Honorar das Geld aus der Tasche /u locken versteht.
X. war zu jener Zeit ein schniiichtiger juiiger Mann, lang aufge-
schossen, schwächlich und düna, allen körperlichen Übungen abhold. Im
Turnen hatte er stets eine schlechte Zensur; auch war er von stillem
und feigem Wesen, ganz im Gegensatz zu seinem Bruder, der fast alle
seine Altersgenossen an tollkfihnen Streichen flberbot Nachdem nun dem
X. die Angen Aber seinen Zustand geOlioet waren — das hatte immerhin
das eine Bttch bewirkt — hielt er sieh ftr ein wahres Sehensal in
Mensehengestali Obwohl er sieh bewnsst war, dass er nieht allein in
seinem Leiden stand, und dass seine F^wnnde ebenso in Yordammen seien
wie er, eigriff ihn doch eine Art Venweiflnng, nnd er ▼enMbente sich
selbst Sr konnte keiner Seele sein Heiz anssokfttteo. Um sich Tor
aQen Anfechtungen in bewahren, sdnieb er mit grossen Budistaban an
die Wand ftber seinem Bette einen Ansspnudi, der ihn gegen die Leiden-
schaft scfafttsen sollte: „2b sMue kU paatUm, is (ke grmtat trkm^
Es tmt jebt, wo X. 20 Jahre alt war, eine kone Episode ein, wo
er sieh mit Gewalt swang, mit jungen Mldchen ansammenttikommen.
Zn seinem eigenen Bistannen verliebte er sidi sogar in «ine reisende,
eher sehr raffinierte Aoslftnderin, von der er gewaltig genasflthrt wnrde.
Wenn er anch GelUlen an ihr geHmdw hatte, so war sie doch nicht
imstande, ihn bewufst geschlechtlich M ^ reizen. AUmfthlich verfiel X
wieder in seine alten Gewohnheiten, ohne indessen männlichen Verkehr
zu haben. Ganz eigentümlich war seine rein platonische Liebe zu einem
jetst Terstorbeoen Freunde, den X. schon iroher lange kannte, der ihm
aber erst, als-, er, d. h. X., 20 Jahr alt war, nfther trat. X. hat ihm
gegeoAber nie den Versuch gemadit, geschleohtliohe Besiehnngen anstt'
') Weaigrtene regte aieh der Oekameeeenstrieb niehi
2*
20 Mpi«le*
knftpfea, m war vielinehr «in «plsfconisdies VerhiltnlH*. Er koimie
gtondmikiig mit dem Treimde anf «iner Bink ntMD; denen bleeser An-
blick genügte, ihn vollkommen glücUicb zu mefiSken, Bei einer gemeinsamen
Kneiperei betrank sich sein Freund, X. mniBte üm nach Hanse bringen.
Binde gingen Arm in Arm ihres Weges dahin, nnd der Andere merkte
CS gar nicht, wie zärtlich X. gegen ihn wurde, was er sonst nie wagte.
Abi der Freund zur Stillung eines Bedürfnisses unterwegs stehen blieb,
überkam den X. mit fast unwiderstehlicher Gewalt der Trieb, die Ge-
schlechtsteile des Freundf's /u sehen. ,Mit einem wahren Wonnegefähl"
blickte er auf sie. Gleich darauf überlief den X. ein ordentlicher Schauder
vor sich selber «über seine grenzenlose Verworfenheit*. Er weinte wie
ein kleines Kind, und wochenlang fühlte er Reue über sein Benehmen.
Der Freund hatte nichts von allem bemerkt, und dies war noch des X.
Trost. Vor einer Ileihe von Jahren ist der Freund gestorben. X. be-
^^leitete ihn zur letzten Ruhestätte, nnd jedesmal, wenn X. in die Stadt
kommt, wo der Freund beerdigt ist, geht er nach dem Friedhof und
weiut sich an dem Grabe des Freundes aus.
X. machte endlich das Abiturientenexamen. Besonders die Mathema-
tik, so giebt er an, war für ihn stets eino Terra tncognifd, wälirend er
gute deutsche Aut&,u/<e machte. Kui/ n:u:li dviu llxarnen wurde X. nach
einem lustig verbrachten Abend von seißen Freunden m ein Bordell ge-
führt, wo man ihn mit aller Gewalt zum Koitus bringen wollte. Deu
X. ei griff aber ein OeftU Ton Ekel bei dem Gebaren der Dirnen, und
es gelang ihm, siidi leise daTOmtmcliIetoihen. Diese widerwirtigen, ge-
meinen Franensimmer, welehe so gesoUlftsmlsrig ihr ▼erwerflidhes Ge*
werbe sa betreiben wissen, kOnnen, wie X meint, gewiss anch ganz normal
veranlagte Hensdien mit Absehen erftllen. X. konnte seine Freunde
nie begreifen, die so oft die gebotene Qdegenheit benatsten. Er selbst
hat sidh in sdner Studienzeit einige Male dasa Yerstanden, den Beiwdilaf
ausrauben. Ss gelang ihm anoh, Sameneoqguss heKbeisnfUtren; dooh bot
ihm der Ktnttts keinen Gemus, oder dieoer war wenigstens so gering,
dass jeder Vergleieli mit dem gesohleehtttohen Verkehr mit Ulanem aos-
gesohlossen war.
Des X. homosexueller Trieb hat in den spiteren Jahren bedeutend
sugenonmien, aber nur selten ftnd X Gelegenheit, mit Personen minn-
liehen QeschleQbtB m Teikehren. Ein Btndiengenosse^ mit dm er ttcb
nift^hmai MiiK— ^ reiste üm TethiltnismKssig wenig, und so ksm es, dass
er TOweflen anf die sehenssliehsten Abarten der Onanie verfiel. Er stellle
sich vor einen Spiegel nnd mastorbierte, indem er sich an dem Anblick
seines eigenen nackten Körpers aufregte. Als er auch hierdurch nicht
mehr recht befriedigt wurde, ging er zu einem den nu^sien Menschen
ttttsserst widrigen Akte über. Im Bette sitsend, gelang es ihm durah
grosse Yerraikongen seines Körpers, m denen er veranlagt war, mmi^nm
Beispiele.
21
suum in os proprium suscipere, wobei er oft .zur Erhöhung des Reizes*
zuerst urinam suam hibit; postea eiaculatio seminis consecuta est, semen
auiem devorarc non paML Den X ergriff jedesmal gloeli nadi don
Alct ein bo gmieidiafter Skel ▼or ddi selber, dass er someist in ein«i
apathiselieai Zutsud geriet, der später in völlige Venweiflmig fiberging.
Naeh «nigeo Wodien jedoch hatte er all« seine guten Vorsfttie vergessen
nnd er flbeiliesB dch wieder diesem ekelhaften Akte.
In dieser für X. so drOekenden Zeit, in der er aiush nun ernsthaften
Arbdten viel sn schlaff war, erwarb er 9ieh die Freundschaft eines Alters-
genossen, der lange Zeit «nen grossen Einfloss anf ihn ansübte. Z. kannte
ihn schon von d» Sehole her, wo beide oberilflohlich mit einander ver-
kehrt hatten. Es war ein Ansliader Y., em ansserordentlioh begabter
und aoHjBeweekier Mensch, der dem X*^ wie dieser aagiebt» geist^ bei
weitem fibedegm war, obwohl er ri<dk dnrdi Fanlheit ansseichnete. Beide
kamen erst dann nnd wenn snsammen, nnd traten sich endlich sehr nahe.
T. war ein yerschlosMner Hensch, und sein Innenleben war andern Lenten
fast garnicbt mgOnglick. Aber dem X. waren die gesamten Ansichten
des Freundes sympathisch, besonders in religiösen Dingen, über die sie
sehr häufig sprachen, nnd wobei sie beide einen vollkommen naturalistischen
Standpunkt einnahmen. «AU der Dogmenkram, der nns auf der Schule
gelehrt word^oi war, war uns in tiefster Seele verhasst ; war ich mir doch
schon bei meiner Konfirmation bewusst, eine grosse Heuchelei begangen
%u haben*. Als sich nnn die beiden immer näher traten, entdeckte sich
X. seinem Freunde und erzählte ihm von seinen Leiden und Qualen, von
seiner Viin sexualis, ohne jedoch die schlimmsten Seiten seines perversen
Triebes zu erwähnen. Der Freund vertraute sich mm auch dem X. an
und gestand ilim , änss er auch geiieune Laster ausübe, sie abor dabei
verabscheue. Beide galt n sich nun das Wort, dass sie alles thun wollten,
sich allmählich von diesem Irrwege abzubringen.
Nach einiger Zeit kam X. auf längere Frist in den Wohnort des Y.
X machte den Vorschlag, zusammen zu wohnen, worauf Y. auch eintring.
Anderthalb Jahre war er nun beständig in der Nähe seines geliebten
Freundes, Es war, wie er angiebt, die glücklichste Zeit seines Lebens^
Die Studien, denen sich X. zuwendete, wurden etwas vernachlässigt, er
ging völlig in der Liebe zu seinem Freunde auf; es war aber für ihn
eine reine jind ideale Freundschaft, Er that alles dem Y /n Gefallen;
X. wJire, wenn 1. es verlaugt hatte, „mit Freuden für ihn durchs Feuer
gegangen.* Die Wohnstube war gemeinsam, aber die Schlafzimmer ge-
trennt. Es gah kein Cbheimnis f&r sie: alle Briefe, die sie bekamen,
lasen sie gegenseitig durch, sie teüten Sohmen nnd Freude, nnd das
Innerste des X. empQrte sieh hei dem Oedanken, dass er sich jemals von
seinem Freunde trennen konnte. Der Frennd war, wie X. angiebt, mehr
der empfangende, er seihst der gehende TeiL T. duldete aUe Änsserangen
22
Beispiele.
der Aiililii(^]fllikiil, olme sie aber seinersmts zu erwidern. X. maolite
Einklolb warn Aleiideesea, hs dem Treonde des Abends Sehriften vor,
ging mit ihm anii wenn er es wollte» and snehte ihm tfterbaapt des
Leben so gonfitUdi wie nnr ngend mOglicb sn nmdien. In ihren Be«
hrnntenkreiBen wurden die baden hinfig schershnfter Weise Mann nnd
Fran genannt Auch die Qualen der Eitoneht lernte er kennen. Es
war ihm eino inttinktiTe yorsieUimg, der Freimd dttrfe nur ihm gehören,
kein anderer habe ein Bedht auf ihn, und selbst bei den nnsdnüdigsten
Anllssen konnte X. in Sinnliche Baserei geraten» in der er aUes um
sieh herum veiEgass. So wsren beide eines Abends btt Bekannten au*
aaannen und feierten einen OebnrtBk^;. Zum Sdilnis hatte X. einen ge-
Hnden Baoseh und wollte sidi wegbegeben. Sein Freund wollte sioh in
aller Gemfitlichkeit noch eine Stunde mit einem seiner Bekannten untw*
halten. Jeder andere wäre auf diesen harmlosen Wunwdi, wie X. selbst
meint, eingegangen und li&tte sieh ruhig nach Hause yerfQgt. X. hin-
gegen tobte wie ein Besessener auf der Strasse herum, warf ein Fenster
ein» und es hatte nicht viel gefehlt, so wäre er wegen mhestörenden
Lärms verhailet worden. Am nächsten Morgen machte man ihm die leb-
haftesten Vorwürfe wegen seines Benehmens; man schob seinen wüsten
Lärm allein auf seinen Rausch und verhuhiit«' ihn noch obendrein. , Keiner
ahnte, welche Sclirnnzen ich ausgestanden hatte und welche Stürme in
mir getost hatten. Durch ein oft'enes Eingeständnis meiner Qualen hütte
ich mich ja unsterblich blamiert. Troiz alltr Idealitat seiner Freund-
schaft trat <\oc\i schliesslich bei X. eine starke Ömniichkeit seinem
Freande gegenüber hervor. Da er wnsste, dass Y. einen sehr festen
Charakter hatte und nie von etwas abliess, was er sich einmal vor-
genommen hatte, war es dem X. auch vollstiindig klar, dass er ihn
niemals zu ugeud welchen sexuellen Akten würde verleiten können.
Deshalb nahm er zur List seine Zuflucht und that, als ob er sich irgend
eine Geschleohtskrankheit zugezogen hfttie. Vorher hatte er snn Glied
dureh kflnsÜiohe Manipulationen in einen seheinbsr gesehwoUenen Zustand
Tersetst Waa er beabsiohtigCe, trat auch ein. Der Vxmä forderte den
X« ani^ ihm sein Qlied sn «eigen, woranf X. nattlrHeh mit frohem Henen
einging. Das aUes gewfthrte ihm schon eine grosse Befriedigung. Ein
»anderes Ual, als T. au Bett gegangen war, und X» sich noch in der
Wohnstube anOuelt» konnte er sich nicht langer hallen und bat den Y.
fiehentÜdi, er mfige doch hereinkommen und wenigstens sehen, wie er
masturbiere: denn seine blosse Oegenwart eriidhe den Beia. DerRrennd
ttat dies audi, machte ihm aber na<Alier die grOsrten VorwUrfh Aber
seine Handlung, vor der X. nach der Thai selbst einen innem Ekel
empfand. Der Freund des X. ging motgeas nach dem AuMehen ge-
wöhnlieh bald weg, während X. noch zu Hause blieb. Sobald T. die
Wohnung Terlaoen, ging X. in dessen Schlafstube und dorehsnchte sein
Beiipidie.
28
gaons Bett auf etwaig« Sporeii dner PoDiitiom Itfanöhiaal fuid er
Merbei einige Staehen, die Ton des Freimdea Sdtainluutnii stammen
modhten; wenigstens bildete sieh X* dies ein. Er sammelte dann die
Hlrafaen sorgfUtigi nm sie som Andenken anfkobewaluren und mcb
e?entneU an ihnen zu erregen. Auch die Kopfhaare des Freondes, die
an deesen Büxste stecken blieben, nahm X. an sich, und gross war seine
innere Befidedigong, wenn er manehmal in amiH urina, quam exatm»
nabeU, semen vidit, quod amieus nuuUtrbaiüme eiaeuUwerat, Soig-
fiÜtig gos8 X. dann den Urin weg, aemengue devoravU.
Eine andere Art von Befriedignng bestand for X. darin, dass er
durch das Ärmellocb eiuor der Westen des Freundes mastnrbierte, oder
anch auf das Sofa, auf dem Y. gesessen hatte. So unglaublich dies auch
klingt, so bf'tont X. doch immer wieder, dass dies alles bis ins kleinste
Detail wahr sei und gerade seine wahnwitzige sinnliche T/eidenschaft zu
dem Freunde zeige, ,die mit der idealen vollküiniaeu Hand in Hand
gegangen sei.' Von dem, was er in Abwesenheit des Freundes gemacht
hatte, erfuhr dieser natürlich nie etwas, weil ^tlbst einsah, wie th5richi
er dabei handeln würde. X. wollte vollständig in Y. aufgehen, körperlich
und geistig. Y. stand nach des X. Meinung hoch über ihm; X. schmeichelte
sich, einem solchen bedeutenden Menschen ganz und gar anzugehören.
Oft überhäufte X. seinen Freund mit Zärtlichkeit, die er hicli im Innern
noch viel intensiver ausmalte, Ei' streichelte ihm die Wangen und sah
ihn mit wonnetrunkenen Augen an, bisweilen ohne Rüoksidit auf die
Gegenwart anderer sa nehmen. Wenn X. es gar an toll madite, fragte
T. ihn wobl, wanun er ibn immer so eindringlidi betraehte imd verbat
lieh das.
KSrperUch entwickelte sich X-, der jetzt anüangs der zwanziger
stand, recht gut Endlich maolite den X. ^ frflliever ScbnUkennd anf
den naheia gefiÜirUeben Einflnss aafinericsam, den sein Frennd Y. auf
ihn ansftbte. Er wflre ja der reine Automat geworden, und der Scbol-
freoad riet ihm mm, sieh diesem TOnflwss an entaielieD. So schwer es
dem X. auch wuzd^ er beschloss, den gemegnsamen Wohnort an Ter-
lassen« Er bewundert ndi selbst wegen seines Hutes, sumal da doch
keine Bosaere Versnlassong sum Wechsel der Stadt Tcrlag. Er ging, um
SNnen Studien obauUsgen, nach anem andern Ort Zuerst war der
Schmers der Trennung so gross, dass X. ihn kaum ertragen konnte; er
l^gte sich ebenda mit dem Gedanken an seinen geliebten Freimd zu Bett
und sUmd dann wieder auf, Aber ihn nachsinnend. Anfange fasste X. den
Plan, zu Y. zurückzukehren, gab ihn aber wieder auf, weil er selbst
eiosah, wie thOrioht er dabei handeln würde. Erst sehr spät erlosch die
mnnlWihft Liebe zu seinem Freunde, und allmählich auch die ideale Zu-
neigung au ihm. X. war nicht mehr beraosoht und verblendet, er konnte
SMhr objektiv auch die Fehler seines Freundes entdecken. Dass aber
24
Beispiel«.
seine sinnliche Liebe plötzlich ungezügelt wieder heiTOrbrechen konnte,
zeigt folgender Vorfall. Auf einer seiner Reisen kaiu X. durch die Stadt,
in der Y. wohnte, und besuchte diesen hier auf einige Tage. Am ersten
Abend, als beide la der Wohnuug des Y. zusaiimieü waren, hatten sie
sich mancherlei zu erzählen. Es kam dabei das Gespräch auf die Weiber
im allgemeinen, was schon früher recht oft das Gesprilchsthema der beidn
gelnldvt hatte. Das Beniltat der ünteiredniig war für daa wmbliilie
Gesdileoiii iiiobt gerade gehr sdimeichelhaftk iadcBk beide sa der Über-
aeugung kamen, di« Weiber teian doöh hOehst mindanrertig. Scbon
froher hatten sie eingehend Schopenhauer studiert Nun daohte sieh
Xf wann sein Freund die Frauen so Tsnohte, wie viel mehr werde er
doeh dann die Ifknner lieben. Wmm kam no(di, dass beide siidi gegen«
seitig ihr Hen anssehtttteten Uber sehr intime FamilienangelegenhMten,
wobei sie noh som SehluM nmaimten und kflssten, was nur dieses eine
Mal im lieben gasehah. Als X. fortgehen wollte^ um sieh aar Ruhe au
begeben, bot sein Freund ihm an» bei ihm au bleiben und mit ihm das
Bett wahrend der Naebt an teilen; es würde awtir ein wenig eng werden,
aber eine Nacht könne man sich schon bebelfen. Dem X. war natürlich
nichts lieber, als die Möglichkeit, in SO enger körperlicher Berühmog
mit dem Freunde einige Stunden sa yeibringen. Kaum nahm X. wahr,
dasa Y. «ngescdüa&n war, tls er sich daran machte, des Freondes Scham-
haare und membrum zu betasten. Hierbei entdeckte er eine starke
Erektion des Freundes, und die Lcidcnschafl ergriflf ihn. Er war seiner
Sinne, wie er angiebt, nicht mehr mächtig, nnd bei diesem Taumel war
seine Aufreguii*.: so gesteigert, dass er plötzlich mit Gewalt semen
eiactUavU mbuculam corjnisqiie amici omnino maculis aspergem.
Unterdessen schlief Y. ruhig weiter, oder er that wenigstens so, und
X. wagte es nicht, sich zu rühren, aus Angst, der andere könne er-
wachen. Am nächsten Morgen kam es dann zu einer furchtbaren Scene
zwischen beiden. Y. warf ihm in den heftigsten Ausdrücken Vertrauens -
brach vor und bedauerte lebhaft^ dass er ihn jemals kennen gelernt habe.
Er sei mxv nuch unschlübsig, ob er nicht offen mit ihm brechen solle.
Er habe während der Manipulation des X. gar nicht geschlafen; er habe
aber den X. mit äusserster Selbstbeherrschung gewähren lassen, bloss
um zu sehen, wie weit er es eigentlicih treiben würde. Nach dieser
Auseinandersetzung stand T. auf, schlug die Thfir heftig hinter aicih lu
und ging weg; Niedergeschmettert blieb X. surllek und setste tftdi hin.
Nr hatte bun Wort erwideim kOnnen und war Tollstftndig zerknirsohi
TeiBweifelt rannte er davon, wohin war ihm emerlel »Ich verwUnichte
aehntansend Kai meine sofaenssUehe That** Wie lange er hemmgeurt
ist, weiss er nioht mehr. Die Qualen, die er dabei ausstand, lassen sich,
wie er augiebt» kaum sdnldectt. Der Freund versieh dem X» schliesslieb,
da er wohl sehen mochte, wie sehr dieser litt.
Bdapiela.
25
Seit dieser Zeit ist zwischen den beiden nichts mehr TOrgekommen.
Wenn X» 86uien Freund jetzt wiedersieht^ regt sich bei ihm «och keine
Spur jtm geschlechtlichem Gefflhl mehr. T. ist ftlter geworden und hat
einen starken Schnnrrbart, and Männer mit Bartwuchs können den X.
überhaupt nicht reizen, da nar Jünglinge von 18 bis 22 Jahren mit
eben spriessendem Schnurrbart dieseii ihm seihet onheimlieheii geechleoht*
üohen Reiz auf ihn aasüben.
X., der bei dfm oben ppschilderten Eri ignis 24 Jahre alt war,
ging damals nach einigen Tagen wieder an den Ort seiner eigent-
lichen Thätigkeit zurück. Hier arbeitete er sehr stark, zmnal da er
sich auf ein Examen vorbereiten musste. Er verkehrte in der nächsten
Zeit gescliiechtlich nur manchmal mit einem Kadetten, der jetzt Offizier
ist, und mit einem andern Herrn, der neben ihm wohnte. Zwei oder
dreimal während der nächsten drei Jahre hat X. es auch mit einem
Koitus versucht, aber immer nur mit Ekel und Widerwillen. Das Gross-
stadtleben zog ihn aber in der nächsten Zeit wieder ausäerordeullicii von
seinen Studien ab. Er hatte das Bestreben, sich ein möglichst universelles
Wiesen anzueignen, und infolgedessen vemaehlRssigte er sein eigenes
Vaefa, wenn er enGh scbliessUch mit grosser Hflhe snn Snmen madite^
Er Jota, 26 Jalire alt, nach B. mid obwoU er kein Mediginer war,
besadite er liier die Yorlesongen einee Profonon Aber Zueciunngt*
fthiglceit, ein Kolleg, das besonders viel Laien ansog. In demselben
bflarte er ram ersten Male too der minnlifliieii Frostitnt«», von deren .
Vorhandensein er bis dabin keine Ahming hatte. Dass siob die be-
treffenden Leute an einem bestimmten Orte in B. trifea mid si^ dabei
an gewissen Zeichen erkannten, kam dem X» üut unglanblieb Tor.
NamentUoh interesnerte ihn die Anneht eines
die der Fkofessor*) Tortrqg;
Ton B^ das X. sehr lieb gewonnen hatte, kam er seMjesslieh naoh
kurzem Aufenthalt in seine Heimat, wo er Gelegenheit hatte, mehrere
vierzehn- bis seohiebiyibdge jnnge Arbeiisburschen öfter zusehen. Einen
derselben, Z., gewann der nun 26jährige X. bald sehr lieb. Z. zeichnete
eich vor allen anderen durch sorgfältige Reinlichkeit, Ordnnngaliebe und
Klugheit ans. Zuerst beachtete X. ihn swar kaum; spiter aber, als
der junge Mann etwa 18 Jahre zählte, erwachte hei X. gans urplötzlich
ein lebhaftes Interesse für ihn. Wenn X. diesen Z. sah, bekam er
plötzlich Erektion; ja, wenn er nur eines von den Nackenhaaren des
andern erblickte, oder nucb nur ein Zipfelchen seines Ohres, so könnt«
bei X. schon Erektion eintreten. Der junge Mann, der, wie gesagt,
Intereanint ist dieee lOtt^ag noeh beewiden deshalb, wefl derselbe Hm
FieiBSBor mit sittlicher Entrüstang gegen die Beeifaeitang seneller Perveiiienen in
Moaegiaphiett eifiavte, da man doch dieee Dinge tor Laien nicht erMm dttrfe.
26
TOrh«r den X. guus kalt galMsen hatte, vnste ihn jctit vnwideratehlioh.
Aher lozehtbar kumton f8r X. j«tKt, wi« er «nihlt, die Folg«» tmn,
wenn er seine G«fllhle meht m luiterdrQcken verstand. Gans m seiner
Leidenschaft überwältigt, wusste er es so einzoridhten, dass er möglichst
oft den Z. sah. Kein Mensch ahnte des X. innem Zustand. Stollte sich
ixgtnd «in Hindernis ein, sodass X. eines Tages nicht in der N&he des
jnngen Mannes sein konnte, dann worde er nervOs erregt und Hess seine
Wut an irgend einem unschuldigen Gegenstand aus. Er suchte dem Z.,
der ans nnbemittelter Familie stammte, auch manchen kleinen Dienst zu
erweisen. Z. hatte noch nichts von des X. begehrlichen l^lickcn ^romerkt;
X. wollte ihm aber doch gern begreiflich machen, was ♦ r für ihn fühlte.
Doch erwog er immer wieder, dass er verloren v.-ar, w - nn der junge
Mann ihn verriet und wenn seine Leidenschaft allLTLiuein oiieiibar wurde.
,0b ich unrecht handelt«, eine vielleicht unsciiuldige Seele zu verführen,
überlegte ich mir nicht. Ich wollte ihn ja tausendfach entschädigen für
alles, was ich ihm zuleide that."
Eines Tages kam dem X. der Einfall, in einer Badeanstalt zu baden.
Jetzt glaubte er einen recht günstigen Anknüpfungspunkt gefunden zu
haben Der junge Mann konnte auch ganz gut von seiner Thätigkeit
einige StunJon abkommen, ohne dass es auffiel, und darauf gründete X.
seinen Flan. Er ging an den Arbeitsort des jungen Mannes, nahm ihn
beiseite und fragte ihn, ob er bereit sei, mit ihm ins Badehaus zu gehen,
um ihm, dem X. beim Baden und Abwaschen seines Körpers behilflich
tu sein, da er die Rüekenpartieen selbst nicht gut erreichen könne.
Hätte der jun^e Mann eine ausweichende Antwort gegeben, so würde X.,
wie er glaubt, mcht weiter in ihn gedrungen sein. Z. willigte aber so-
fort ein und ging mit X. zusammen baden. Unterwegs sagte X. ihm
noch, wenn es ihm etwa onangenahm wftre, solle er ndüg tunkiliMUj
dann er wolle keineswegs etwa den Aioßkum aufkommen lassen, als ob
er, der ans besserer Familie sei, ihn, der materiell sehr abhängig sei,
irgendwie beeinflnssen woUe. X. sog sieb ans, ging in die Wanne,
wBbreod der junge Hann soerst nocb etwas onbeholfen bosette stand.
Auf des X Anffotdemng hin entkleidete siob sobliesslieh aneh imd
X fand biersu eine Ausrede, indem er ihm sagte, dass er sieb sonst
sdne Kleider nass ntashem kllnnte. Das Baden war X. natOrlieb Keben-
awe(^ Snne Absiebt war, gans aUein naokend mit dem jnngen Uanna
nssmmen sn sein. .Was mm folgte, kann ieh kaum in Worte Ueid^
Idi sah meinen geliebten jnngen Frennd mit dem tie&ten Entzfioken an;
es war mir, als wenn der Himmel sich geöffnet h&tte. Vor mir stand
er da in seiner ganzen Unschuld, ein bildschöner Jüngling mit sehnee»
weissem KOrper, jede Linie ästhetisch schön, mit einem Ebenmass in
allen Formen, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht vor-
gestellt hatte. loh ghmbe kanm, dass ein normal fühlender Mensch mehr
Beispiele,
27
bei dem Anblick eines schönen nackenden Weibes empfunden hüben würde
«Ii leih bei diesem Jüngling. Alles, was ich früher erlebt hatte, reicht
nkU im entfentertm heruk an die beg^ekend» SaUg^t diewr Stunde.
Seihst die bitteiaien BMUmingen wflrden aieht iinstende gewesen sein,
mdne Handlnngsweise aneh nur nm ein TAttelehen sa Indem. Gens
unbekUmniert um alle etwaigen Folgen bedeckte ich sonen gansen sehOnen
Kdrper mit den glühendsten Xflssen. Jetit gehörte er nur gani, und
niemand bmnte ihn mir rauben. Wie lange dieses Bad gedauert hat»
w«ss loh niohtb Ich trank filrmlioh in ToUen Zflgen den Becher der
Frende und Olftokadigkeit bis auf die Ndge ans. Sonst hatte ich immer
onmittdbar nach solchem Akte ein gewisses OefÜhl der Besehimttng.
Mir worden sonst, nm mit der Bibel an reden, die Angm geOffiiet, nnd
ich wnrde gewahr, daas kk nackend sei, eine Ernttchternng, die anch
beim natürlichen CMhlechtsakte die Begel sein soll Diesmal empbnd
ich nichts dergleidien. Ich hatte andi nachher eme innere BefHedigong
bei dem Gedanken an das soeben genossene reine Glflok.*
Allerdings fShlte X, dass er vollslfindig in der Hand des jungen
Mannes wsr, daas, wenn dieser nnr ein Wort sagte, er Terloren war.
Des X. felsenfestes Tertranen xn der Schweigsamkeit des jungen Mannes
wurde anch nicht getauscht Beide kamen nun häufiger lusammen. Z,
wurde allmihlidi, wie X. BMnnt, do wahrer Prennd» der ihm alle kleinen
und grossen Sorgen anvertraute, wBkrend X. sie ihm tragen half.
Die Angehörigen des jungen Mannes waren arme Leute. Der Yatw lebte
nicht mehr; die noch lebende Mutter liebte der junge Mann ausser*
ordentlich und ebenso seine Geschwister. X. aoehte den jungen Mann
zu Bi<^ heraufzuziehen, besonders da es in seiner Hand lag, ihm eine
gewisse Erziehung zu geben. Er war in den Verhältnissen, viel für ihn
thun zu können. Er bestellte ihn jede Woche einmal zu sich, ass mit
ihm zum Abend, liess ihn dann die <?Hn7.c Nacht his xxim folgenden Vor-
mittag bei sich. X. lebte nur für seinen ntuen Freund und dieser für
ibn. X. gab ihm auch Unterricht in verschiedenen Sprachen, las ihm
Gedichte vor und suchte auf jede Weise fördernd auf ihn einzuwirken.
Per geschlechtliche Verkehr zwischen den beiden wurde uxilerdesseu
regeliiiiissig fortgesetzt. Er wurde aber nach des X. Meinung seiner
H&rte beraubt durch die geistige Gemein sch^Lit, die beide so innig verband.
X. unterstützte den jungen Mann auch materiell, wo er nur konnte.
Dieser forderte niemals etwas von X.; im Gegenteil, er meinte stets, er
dürfe seine Geschenke nicht annehmen, wie er überhaupt ein ausgeprägtes
Ehrgefühl und einen gewissen Stolz, wie man ihn sonst selten findet,
hesessan haben soH »Bis snm heutigen Tage bat er mir eine rflhrende
Daokharkmi für alle Wohlthaten bewahrt, die idi ihm erwiesen habe.«
Nadi aussen hin durften sich beide naMrlich nicht ▼erralen, und alles
AulttUige musste vermieden werden. ,Ioh liebte ihn so, wie ich noch
28
Beupiele.
nie ein mtosebliebts W«ieii geliebt babe, und am so Bobwerer wurde ei
mir, mieh m TvnteUen und flm womdgUeb Tor andereii raub und baneb
zu bebandehL* Einmal standen beide trotzdem nabe vor siner Ent-
deckung; man hatte sie nämlich beim Baden beobachtet Bs £^ng aber
alles gut vorüber, und beide waren nachher nnr um so vorsichtiger.
Endlich schien der jooge Mann aber des geschleohÜidien Verkehrs mit X.
überdrüssig zu werden. Er bat ihn, doch davon abzulassen. Es sei
ausserdem doch für beide sehr gefikhrlich. X. willigte schliesilkli nach
längerem Widerstreben ein, dass die geschlechtlichen Akte in immer
oTöPseren Paiis<^n vorgenomiucn wurden. Um sich für den seltener
wr-rdonileu sinnlichen Genuss einigprmnppon zu entschädigen, suchte X.
sich einen neuen Genossen seiner Wünsche. Z. hatte sich dein normalen
Koitus zugewendet, der ihra mehr BefriediiTniiß- geufihrte. Offenbar war
er nicJit hoiuoisexueii veranlagt, und dr i b vcrkehrle er nach wie vor mit
dem X. bis zur Trennung, Z. that es, wie er nachher dem X. mitteilte,
ans Liebe zu ihm. Bald fand X. auch, was er suchte; ein junger zwanzig-
jähriger gebildeter iluiiii Hess sich mit ihm ein, aber nur ein einziges
Mal, da er den X. bald verriet. Am nacbiten Tage schon wurde die
Sache überall erzählt »Er hat mit einer raffinierten Grausamkeit alle
Einselbeiten öfifentlich im Gasthaus erzählt. Er hat sich nicht gescheut,
eoram publieo die für Unbeteiligte doch widerliche Handlung zu detail-
lieren, obwohl er selbst ebenso kompromittiert wurde wie ieh. Kr stellte
sieb als Terftthrtes Lamm hin ond schob alle Sehnld «of mich.* Zneist
glaubte man es niefati da X. in su hoher Aohtnng bd smner ganzen
Umgehung stand, and er selbst leugnete aaeh alles. Das Einzige, was
ihn rechtinrtigen konnte» war eine Anklage wegen Verleumdnng, m der
er von aUen Seiten gedbrlQgt wurde. Diesen Sdiritt jedoch kmmte
wie er euphemistisoh mobt, mit semem Gewissen nicht Tereinbaren. Er
schwing deshalb und suchte nur die scihHmmstan Punkte der That sn
mildem, indem er mutuelle Onanie sngab. Der andere hatte behauptet»
X. semm mtm» deoarasse, was X entschieden bestritt Fdr X. gab es
nur eine Losung: den Ort zu verlassen, und zwar möglichst bald. Hit
fichimpf und Schande bcladeOf ohne Abschied von seinen früheren Kame-
raden, die ihn mit Ausnahme weniger jetzt tief verabscheuten, gab
er seine eintrigUcbe Stellung auf und reiste bei Nacht und Nebel
zunächst nach einer andern grOssoren Stadtt in der er etwa drei Wochen
blieb. Der Schmerz der Trennung von Z. war für ihn fast noch grösser
als die Qualen der tiefen Demütigung, die er erduldet hatte. .Als ich
einmal ganz einsam auf meiner Stube sass, da ergriff mich eine wilde
Ycrzweitiung. Ich fluchte mir und dem Schicksal und hütte am liebsjpn
meinem Dasein em linde gemacht." Nur die Liebe zu seinen in Ehien
grau gewordenen Eltern hielt ihn vor dem Äussersten zurück. Er hatte
seinen Angehörigen mitgeteilt, dass er wegen eines Zerwürfnisses mit
Beiapid«.
29
Voisesetstea seine SteUung habe eofgebeii mflaeeii. Der Gedanke, daas
die Blteni elwa die üfsecbe erfohrea konnten, war Ar X* grlsslicli;
denn die Aditnng seiner von ihm geliebten Eltern wa Terlieren wire för
ihn ein Todeenrteil gewesen. Das durfte nnter keinen ümstünden pas-
sieren; alles andere wollte er mit Qednld ertragen. Fortwährend war
er von dem Gedanken belftstigt, daas er eine Yerfolgang dorcli das Ge-
richt zu gewürtigen hätte. Er dorehstOberte desb olb die verschiedenen
jnxistasehen Schriften, die den homosexuellen Yerkehr beräcksicfatigten,
und za seiner grossen Freude fand er schliesslich mehrere Reichsgerichts-
ork enntniase, wonach die matneUe Onanie straflos blieb. Er hatte sich
früher nie um die Gesetzesparagraphen bekümmert; jetzt aber befasste
er nch damit, und es war eine grosse Beruhigung für ihn, dass er nur
diese an sich straflose Handlung zugegeben hatte.
Die Annahme, dass X. nach seinen bisherigen Erfahrungen vorläufig
aus Angst von allem homosexuellen Verkehr abgehalten werden würde,
wäre indessen verfehlt. Während X. sich um Tafro nach einer passenden
BeschUttigung umsah, .sass er des Abends einsam zu Jiauso Da über-
mannte ihn wieder die Leidenschaft, und er begab sii K .mt die Strasse,
wo er einen hül ichen jungen Menschen fand, der sicli ihm hingab. X.
war jedoch emem Erpresser in die Hände gefallen ; denn der Mensch
drohte ihm nach vollbrachtem Akte, Lärm zu schlagen und ihn an-
zuzeigen, wenn er ihm nicht sofort 'iO Mark gäbe. Da der Erpresser
leicht noch mehr hätte fordern können, war X. schliesslich froh, dass er
so billig davon kam.
Die Sehnsucht d^s X. nach seinem geliebten Freunde Z. hatte trotz
der kurzen Trennung von 14 Tagen jetzt einen solchen Grad erreicht,
dass X. seinen Freund nach einer andern Stadt bestellte, in die er selbst
auch fuhr. Beide waren nun eine Nacht und einen Tag zusammen, und
das genügte, den X. in eiueii Zustand der ülückijchgkcit zu vcrsetzcu:
denn dem X. zu Liebe liess sich Z. wieder zum geschlechtlichen Verkehr
herbei Darauf reiste X., fast aller Geldmittel bar, in seine Heimat zu
aaimii Ettem, wo er mehrere tmorige Monate Terlebteu Er sohwebta
bestittdig in der Evreht, geriohtliflii verfolgt za werden. Damit seine
Axigehdrigen nichts merkten, mnsste er ftnsserlioh mhig scheinen, und in
seinem Innen tobte es. X. mnsste sich mit einem Netiwerk von Lügen
nmgeben, das ihn in seiner eigenen Aditnng hftofig sehr tief erniedrigte,
besonders weil es seine Eltern waren, die er so sehr hinterging. Er
konnte ihnen aber die Wahihttt nicht sagen: er meint, es wIre doch
auch ein Ycrhrechen gewesen, wenn er den Eltern eben Einblidk m den
Sdunnti, mit dem er sich besndelt hatte, gewihrt hatte. Bit hente
haben die Eltern anch keine Ahnnng von des X. Treiben. SohliessUch
fand X. wieder eine passende SteOnng. Er hatte sich allmählich bei dem
Gedanken berohigt, keiner gesiditUchen Yerfblgnng an^gesetit an sefai.
30
Beiqdeki.
Plötzlich wurden seine Hoffnungen zerstört, indem or eine Vorladung
erhielt. X. blieb bei seiner früheren Aussage, dass er nur muttielle
Onanie getrieben habe; aber trotzdem wurcl»' rr ivf»gen widernatürlicher
Unzucht, ebenso w'\c der betreffende Junge Mensch, auf Grund des ^ 175
angeklagt. Der andere aber blieb Im i seiner Aussage, X. semeti suuin
dci'orassr. ol wohl er sich sagen mnsste, dai>s er sich selb>t durch die
Duldung des Aktes strafbar machte. Es kam infolgedessen schliesslich
zm Hauptverhandlung. Der andere verweigerte in dieser jedes Zeugnis
und erklärte nur, dass er in seinen Mitteilungen wesentlich übertrieben
habe, und zwar, um damit zu renommieren. Schliesslich wurde X. kosten*
los freigesprochen.
Nach dieser Zeit kam er wjeder mit Z. zusamroen, den er in seinen
Wohnort kommen Hess, wo sie acht Tage mit einander verlebten. Seit-
dem schreiben sich beide recht fleissig. X. lebt in der iloüimng, dass
er seinen Freund später wiedersehen werde; .denn ich habe nicht auf-
gehört, ilui zu lieben. Davon bringt mich keine Macht der Welt ab."
Aber abgesehen davon verkehrte X. in den folgenden Jahren auch
mit anderen MAnnem geschlechüich. Erst kfirzlich wieder fiel X. einem
Erpresser in di« Hftnde, Ton dem er sich doreh vidi Geld loskaiifen
roasste; «aderersäte aber ftnd er meliiere junge Leute, die ohne Entgelt,
allein dem X. so Gefallen, gesdileohÜieben Verkehr mit ihm ansfibten.
Er Yerroehte es aadi In neaerer Zeit wieder, den nocmalen Koitos
aussnfiben, wobei eiactMio «emmts t» vaginam erfolgte i aber ohne
Wolhutgeftthl nnd ohne Befriedigong. Andererseits hat aber X> hiorbn
kennen Morror famnae; ein hflbscihes Ifidchen sn kfissen bereitet ihm
sogar ein gewisses Tergnflgen. In letater Zeit hat sieh X. Terlobt. Er
memt swar seibat» es sei vielleicht das sehwetste ünreobt, wenn er fifar
das ganse Leben ein Hftdehen an sidi fessele^ dem er wohl Znneigong,
aber eine wahre, tiefe I^be mciht entgegen bringen kdnne. X. hat seiner
Brant sein ganies Vwleben erzählt. Die Braut ist aber in ihn verliebt
nnd will trotsdem nieht Ton ihm lassen.
Trots seiner kontrSren Sexualempfindnng föhlt sich X. vollständig
als Mann. Es wttide ihm nie einfallen, durch Toilettenkünste dem Weibe
sich Ähnlich m maohea. Er veraditet alle Modegecken, die durch ihr
Auftreten bewMtea, daas sie mehr au Weibern geworden sind. Jedes
Parf&m ist ihm zuwider, nnd jene Klasse von Urningen, die sich gegen-
aeitig weibHohe Namen geben und möglichst weiblich tu erscheinen
suchen, ist ihm völlig riltselhaft. Auch seine geistige Bescliäftigung ist
durchaus mrinnlieh. Er liest nur selten Romane, beschäftigt sich aber
eingeherK^ mit Pnlitik und mit flen Wissenschafton, besonders Philosophie.
Auch treibt er eifrig Musik und das Klavier war oft, wie er angi<»bt,
sein einziger Tröster in der Not. Er ist sich der Pen-rrsion seines Ge-
schlechtstriebes ToUkonunen bewusst nnd kann auch die Gefäble der Ver-
Termioologie.
31
Mhtttng nadi«mpfind«ii, die der normale Menseli den Urningen entgegen^
bringt Er weiss, dass er euran ganz nonnalen Yeatand besitst» und bat
doeb soium mandimal selbst daran geiweifelti wenn ibn aem wabnwitaiger
Trieb übermannte. Indessen meint X., dass andere immer gut reden
können; der Geist ist wülig, doch das Fleisch ist schwach. Ein naher
Vamrandter, ein Staatsanwalt, dem X. sich anvertraute, sagte ihm einmal,
er solle auf die göttliche Vorsehung banen und sich den homosexuellen
Akten nicht mehr hingeben; indessen meint X-, dass er doch auf voll-
kommen naturalistischem Standpunkt stehe und hier keine göttliche Vor-
sehung helfen könne. X. sagt, er stehe jetzt fortwährend wie auf einem
Vulkan, und trotzdem könne er seine wilden Gelüste nicht ganz unter-
drücken. ,Wonn man so von Jug<^nd anf einem und demselben Trieb
gefolgt ist TiTid auch bei der übermi nsclilichstcn Willensanstrengunrr nicht
davon abgewichen ist, kann man sich I i noch wundern, wenn man diesen
Trieb schliesslich nicht mehr fär etwas Schlechtes hUlt?*
Der GemUflohfstrieb, der den Mann nun Manne fflbrt, mnse als
eine PetTersion in Krafft-Bbings Sinne bezeiehnet werden.
Perrersion nennt dieser Antor jede Insserung des GesebleohMriebes,
die niebt dem Zwecke der Katar, d. h* der Foftpflansong dient;
Krafft-Ebing macht auf eine strenge Tiennnng der Begrilfe Per-
Version und Peryersität aufmerksam. Man spricht von einer Per-
version, wenn der Geschlechtstrieb pervers ^) ist, wählend man von
Perversität bei einer perversen Handlang redet, unabhängig davon,
ob ein perverser Trieb oder eine andere Veranlassunfj, z. B. eine ver-
brecherische Absicht sie hervorrief. Es ist ein (irusses Verdienst
Krafft-Ebings,-) dass er diese beiden Begriffe scharf von einander
getrennt hat. Perversion ist ein Trieb, der vom Willen unabhängig
ist, und für den niemand verantwortlich gemacht werden kann,
wenigstens nicht in den Angen eines unparteiischen Beurteilers,
während die Perversität, die sich in der Handlang zeigt, oft dem
Handelnden sagerecbnet werden muss. Bis zu welobem Qrade das
') früher beseicimete man offenbar mit pervers aach eine ilyperüsthesie
des OeaohleditBtriebes. So werden die SalgviBflis der IDUmer nnd die Nympho-
manie dea weiblichen Geschlechtes als Ferrersitäten des Goschleohtstriebes be-
schrieben. Vgl. z. B. Andral: Vorlesungen über die Krankheiten der Nerven-
heerde, gehalten an der Universität zu Pari 8 im Jahie 1886. Dentaoh bearbeitet
von fr. J. Behrend. Leiptig 1838. S. 330.
- > Bw Krafft-Sbing: F^yehopaikia «emolity mit beiondenr Bertek-
aehtigang der knntflna SeKoalempfindang. Blne klinisefa-ftraniisclie Stodie,
flt Auflage, BtnUgart 16M. 6. 56.
32
Tanninologie.
Zmammenwinfeii der beidon Begriffe dis Beurtoilung der koBtiicflii
Sexotlempfindmig enohwerte, zeigt s. B. die inseenmg Ton Che-
valier,^ daes die Pervertion bei der erworbenen konir&ren Sexoal-
empfindnng von dem Willen des IndiridniimB abbSoge. Nichts kann
fttieher sein als dies, wie eben anseinandergesetst Man hört öfter
zur Bezeichnung TOn Mftnnem mit homosexuellem Triebe den Aus-
druck Päderasten; indessen will ich ihn aicht allgemein gebrauchen,
weil er wissenschaftlich nur eine besondere Gruppe von solchen Leuten
charakterisiert, eos qui membrum in anum immiitunt vel suscipiunt;
ebenso bezeichnet Päderastie nur eine bestimmte Art des Geschlechts-
aktes zwischen Männern, nämlich Inmissio pmts in anum. Wie so
häufig, hat alhuählich auch hier das Wort einen g-^n? andern Sinn
angenommen als früher. Päderast kommt her von :tatd6g igaarijc
und heisst der Liebhaber des Knaben, womit im alten Griechenland
ganz allgemein, ob es sich um Geschlechtsakte handelte oder nicht,
die Liebhaber von Knaben und Jünglingen bezeichnet wurden.
Gustav Jager*) bezeichnet die Padeiaaten als Pygisteu, den Akt
selbst als PygisDiiis. Fflr den Akt findet man bei den Grieohen aoeh
die Besoeluimig neäyfm oder nQöitc» Die üozneht iwisehen swei
IGt^iedeni des mbinliehen Qeeehleehts wird snweilen als Comma-
eiUaiio beinobiiet Bin sehr hftofiger Name fttr die Mlimer mit homo-
sexnellem Triebe findet sieh in der neueren Littentor, nimliefa das
Wort Urning. Bs wurde daroh tflriehs dngefthit» anf den idi
spater snraehiommen werde. Die Sefaxift, in der er ^ sneist das
Wort bnnehte, ersehien 1864. Der Name ist Ton üraaos abgeleitet,
entspreehend einer Stelle in Piatos Gastmahl, Kap. 8 mid 0. Die
Stelle lantet etwa so:
, Keine Aphrodite ohn« Kros. Es giebt aber der Göttinnen zwei,
die altere Aijlirodite ist ohne Mutter geworden, sie ist des Uranos
Tochter, und wir geben ihr deshalb den Beinamen Urania; die andere
jüngere Aphrodite ist des Zeus und der Dione Tochter, wir nennen
sie Pandemos. Der Eros der ersteren musä also Uranos, der der
anderen Pandemos genannt werden Die Liebe des Eros
randcuios ist es, mit der die gewöhnlichen Menschen lieben, der Eros
von der Urauia hingegen hat kein weibliches Teil erwiihli, sondern nur
') Julien Chevalier: De Pnumtim d$ Pmttmet texuA üu poini dt m»
midieo-Ugal. Paris 1SS5. S. 9S
- ) OnstAV Jäger: Entdeckung der i:^ele. 3. Auüage. 1. Band. Lei^izig
1884. 8. 258.
- ) NnniA l^nmantias: Ftndte. Soaal-jiiriftiii^ Staditn aber nuuan-
mlnnliclie OfMhleohtilielM. Lupiiff 1864. 8. &
Temunologie.
33
uäunlicbcs, das ist die Liebe /.u Knubon. Deshalb wenden sich die von
dieser Liebe b^isierten dem männlichen Gesohlechte zu."
DieB ivt die Stelle, der das Wort üming aone Entstehmig ver-
dankt Die EnebemaDg des homoeezneUeii GeiohleclitBtTiebeB yma
Männern werden wir dementepieoliend nnd aaoh naob Ulriclie Vor-
BcUag als üranismas beieiobnen. WeetphaP) hat fQr jene Er*
■ebeinnng den Anadmck „konträre S ex nal empfind ung"* eiogeführt,
wobei er aUerdinge das Gebiet noob weiter ausdehnte. Er wollte mit
diesem Ansdrack sagen, dass es sich hierbei nicht immer gleichzeitig
um den Geschlechtstrieb als solchen handelt, der eine verkehrte Rich-
timg gewinnt, sondern dass es sich um eine Empßudung handelt,
dem ganzen inneren Wesen nach dem eigenen Geschlecht entfremdet
za sein. Nach dieser Erklärung von Westphal nmfasst also die
konträre Sexualernpündung auch Fälle, bei denen zwar der Geschlechts-
tri< b normalf sonst aber das betreffende Individuum gewisse dem
andern Geschlecht zukommende Neigungen zeigt Ich komme hierauf
noch spater zurück. Ebenso war bereits früher*) die Neigung von
Männern zu weiblicher, die von Weibern zu m&nnlicher Beschäftigung
als Aherraiian of (he sexual instind beschrieben worden. Vielieioht
hat auch Heinroth an solche Fälle gedacht, als er sagte: „Es
giebt eben sowohl in allen den genannten Beziehungen Mannweiber
als Weibmftnner, d. h. manche Franen sind, die GeschlechtszeiGhen
atisgeaonmien, gans Männer & B. an kräftiger Gestalt^ Mut» Intelli-
gena n* a. w. nnd wieder nmgekehrt**
in Fraakreieh ist der Ansdrack Inversion för diese EScsohemm^n
sehr gebitachlicfa. Er wurde von Chareot nnd Magnan*) ein-
geführt, dooh will ich den Worten Inversion und luTCrtierter ent-
spreebend der Ableitong eine etwas engere Bedentmig geben. Ich
will hiermit nor solehe FftUe beieichnen, wo eine volle ümkehrung
des GesohleGhtstriebes stattfindet, das heisst, wo der Mann wie ein
Wdb em^det INea ist ein engerer Begriff als die reine Homo-
sexnalitili Wenn wir nämUeh yersohiedene Homoeeinelle betrachten,
') C. Westphal: Die konträre Sexnalempfiodniig. Arahiv ftr Bi^duatm
und Nerveakrankheiten. 2. Band. 1870. S. 73.
«) Medical Time« am/ Gmette. Feh, .9, imi.
- ) Joh. Christiau Augaat Heiurotb: Lelirbuch dor Actbropologie.
Nebtt BeOagm erlftutendfir und bewetofähieiider AnMtM. 9: Ausgabe. Leipstg
1881. S. Ul.
- ) Chareot und Magnan: Inversion du Sens ghtitnl et aulres PerttnioM
sexmUes. Archives de Neurologie^ ä-* Tome tl 4^ Tome, Paris 1882.
MoU, Kontr. bexualompflndang. 3
34
Homceexiuller Trieb.
80 eigiebt acli, dasB das Alter, das rie be? onagon, dorehans ver-
sehieden ist Der eine liebt geeebleohtsaiireife Knaben, ein anderer
mehr junge Lente, etwa im Alter von 15 — ^18 Jahren, tm dritter
nnr ToUkommen gesehleohtBreife, Tolkntwiokelte Mlnner. Wenn wir
annehmen, dass doh das normale Weib gleiehfolls wesentlich zu
letateren hingezogen fOhlt, so ergiebt sich, dass nnr, wenn ein Mann
in dieser Wase fühlt, von einer ümkehrnng des Geschlechtstriebes
die Rede sein kann, während in den anderen Fällen, wo jüngere
Individuen bevorzugt werden, zwar Homosexualität und Perversion,
aber keine In?ersion vorliegt.
Der Uroiog kann gegenüber dem schönsten Weibe keine sexuelle
Libido empfinden, wenn er auch dessen Schönheit anerkennt. Es ist
ofifenbar Schönheit, die den Geschlechtstrieb erweckt, etwas anderes,
als die Schönheit Tom ästhetischen Standpunkte. Charakteristisch ist
also für den Urning, dass er änsserlich Mann ist, dtuss seine Geni-
talien durchaus männlich sind, dass nicht nur der Penis, souderu
anch die Hoden gewöhnliche Gestalt und Fonktionen i^i^ßn.
Dass es sich bei der Zuneigung, die Urninge zu Männern haben,
um den Geschlechtstrieb handelt, der unter normalen Verhältnissen
den Mann zum Weibe fahrt, dass einfache Freundschaft ausgeschlossen
ist, geht aus verschiedenem hervor. £s spielen die Oeschlechtsorgane
bei der Neignng der Urninge zn lünneni eine grosse BoUe; nicht
nnr reizen den Urning haaptsfiohlich die Geschleohtsoigane des andern
Mannes, sondern er Mit in sieh ganz deutlich den Beflez, den die
Torstellimg des andern Mannes auf seine «genen Geschlechtsorgane
ansObt Irgend ein seneller Akt in Berohrnng mit dem Manne ist
das ^ dee Urnings.
Ist schon hierdnndi die Neigung als eine Form des Geschlechts^
tiiebes zu betnusfaten, so geht dasselbe anch aus anderen Eischet-
nungen hervor, besonders aus dar Büfiorsacht, die die Liebe begleitet
Wie bei der Liebe des Mannes zum Weibe herrscht der Wunsch und
das Bestreben, die geliebte Person allein zu iMsitziti und miss-
tranisch jede dritte Person zu betrachten, die etwa das geliebte Wesen
besitzen möchte. Von der Eifersucht in der Liebe sind Neid, Miss-
gunst und verletzte Eitelkeit durchaus zu trennen. Wenn z, B. ein
Student, der heute mit diesem, morgen mit jenem Mädchi n geschlecht-
lich verkehrt, es zu hindern sucht, dass sein Freund gleu Ii falls das
eiae dieser Mädchen benutze, so hrnncht hier keinerlei Eitersucht
vorzuliegen; es dürfte vielmehr die Annahme von Missgunst oder Eitel-
keit zur Cbaraktensieruog eines solchen Verhaltens genägen.
35
Nadidem wir voih«r gefl^oi haben, dasB der heterosexuelle Kon-
tcektataonstrieb, d. h. die aexneUe Neigniig des Mannes zum Weibe,
die heteioseraelle des Weibes zum Manne ein sekondiier Gesehleohts-
diaiakter ist, so w^en mt schon jetst das Becht haben, die In-
veision des Oesdhlechtstriebes mit den kontiftr entwiokelten Oeschleohts-
oharakteren m Tergleiohen. Wir sahen, diss onter nonnalen Yer*
haltoissea der Mann einen Bart hat| dss W^b uditj wir wissen,
dass der normale Mann die männliche, das Weib die weibliche Kehl-
kopfbildung, dass das Weib voll entwickelte Milchdrüsen hat, die
beim Manne fehlen. Wenn einer dieser Charakttre, z. B. der Bart,
anf das Weib übergeht, so betrachten wir diesen Fall als die konträre
Entwickelung «Ines sekundären Geschlechtscharakters, und hieraus
wird sich ergeben, das8 w ir berechtigt sind, auch in dem homosexuellen
Trieb zuweilen einen konträr entwickelten Geschlechtscharakter zu
vermuten. Wir werden später noch sehen, dass di^e Vermutoog durch
?iele Momente gestützt wird.
Wenn sich ein Mann zum Manne seiuell hingezogen fühlt, so
kann dies in verschiedener Weise der Fall sein. Es giebt Fälle, wo
der Mann ausschliesslich vom Manne gereist wird; man nennt solche
Leute Urninge oder Homosexuelle im engeren Sinne. Es giebt femer
Fälle, wo sieh ein Mann entweder zn gewissen Zeiten nur zum Manne,
zn anderen znm Weibe hingeiogen fllhl^ oder wo beide Neigongen
gleiebxeitig bestehen. Man nennt solehe Männer, die bald Neigung
mm Weibe, bald zum Manne haben, psyehisohe oder psjohosexnelle
Hermaphroditen.
Naeh BamdohrO werden homosexoeUe Empfindongen anoh bei
Tieren aagetroflbn; doch giebt der Antor Uber diese wichtige Fnge
leider keine Ehuelhdten an. Auch Eranss*) mdnt, dass sidi An-
deotongen von Fideiastie bei Hnnden und Affen zeigen. Der in der
Yorre^ erwfthnte Herr N. N. hat einen FsU beobachtet, wo zwei
Hunde männlichen Geschlechts sich so lange aneinander lieben, bis
bei dem einen Ejakulation erfolgte.
Eine Zusammenstellung über homoseiuelle Akte bei Tieren habe
ich') an anderer Stelle gegeben. £s smd dort nicht nur zahlreiche
') Fried. Wilh. Basil. v. Harodohr: Femw Urania. Über die Natur
der Liebe, über ihre VprHolaag lud Yeracliöiienuig. Dritten Teils enle Ab-
teilang. Leipzig 1798. 8. 137.
- ) A. Kraasa: Die Psychologie des Verbrechens. Ein Beitrag zor £r>
ft]iniig«ael«iikniidei Täbiagoii 18M. 8. IM.
") Albert Moll: üntersucbimgtti äber die Libido tesouali; I. Bind,
2, leU. Beriin 1886. 6. 868 iL
8*
36
Uomosezaelier Tneb.
Fälle von Wirbeltieren aus der Litterator gesammelt, sondern auch
die aus neuerer Zeit sLammenden Beubachtuugen von Stitz,') aus
dem Züülogischt'ü Garten in Frankfurt u. M. besciirieben. Ausserdem
habe ich*j zahlreiche in der Litteratur veröflFentlichte Fälle aus der
Insektenwelt (Maikäfer, Johanniskftfer u. s. w.) beschrieben. Später
bat Seitz^) noch über eine Ähnliche Beobachtung betreffend Copula
inter mares bei Aglia tont berichtet
Dass es sich bei der kontrftien Sexualempfindung nicht um eine
sufallige Erscheinung, sondern um ein unter bestimmten Bedingungen
anfbretendes Piitnomeii handelt, ist irohncheinlich. Es geht diee
daiaofl her?iNr, daas sa allen Zeiten nnd an allen Orten bei liensohen,
die ToUkommen unabhängig von dnander lebten, die HomoBOxiialit&t
beobaehtet wnide. Baaa dabei eine gewisse Gesetiouissigkeit benscbt,
xeigt sieii aodi in den vielen Biognpbien nnd Antoblogiapfaien
Ton TJiningen, woiin oft eine gans aolEillende Übeniinstimmnng sn
erkennen ist Es wiid allerdings mit Beofat eingewendet» dass oft
genng ein Homosexneller die Antbbiographie des anderen liest nnd
dadmeh nnwiUkdilieh seine eigenen Brinnerongen flUsofat, oder aneh
absiehtlieh Falsebes angiebt loh babe aber Ifitteilnngen Ton Pei^
sonen erhalten, die niemals ein derartiges Buch in der Hand gehabt
haben. Und wenn wir auch alle Fehlerquellen berücksichtigen, so
lassen sich trotz indifidueller Verschiedenheiten viele gemeinsame
Züge wiederfinden, die wir als Charakteristika des Uranismus fest-
stellen können.
Wenn wir nun auch nach dem heutigen Stande der Wissenschaft
das Vorkommen weiblicher Sexualempfindongen bei Männern mit
wohlg^deten Genitalien nicht bestreiten können, so dürfen wir doch
nieht so weit geben, ans der Ansnabme eine Bogel za machen, und
Ebenda S. 374 f.
- ) Ebenda S. 492 ff.
- ) Alialbert Seitz; Ailgeuicine Bialogie der Scfametierlinge. Abdruck
ans den soologlBdieii JahiUleliMii; AbttUmig fllr SsfatamatOt, Gwgiaphi» nnd
Biologie der TItM. 7. Bd. 8. 883 und 836. Daselbst ist aooh 8. 888 dno mir
früher nnbekannte Litteraturstolle, die sirh auf diese Dingo bnzicht, genannt:
Om anoviala KopukUionffOrh^Unmhyi etc. iu Öfver». Fimk. Vetensk. Snr Fnr-
handiitiffar, Vol. 23. Weitere Falle von Tienn siebe beiRuderichHeilmauii:
Obw 0«toUeditsfi«Uidt Ein philosophischsr Ituaiok mr Srhfiliuig dea nmaob»
Uflken Olflok«B. Beriin 1878. & 86.
Homoeesaeller
37
wir dfixfen niehti wie HösslP,) danun die immnn Komieiöhea des
QegeUeolitdebaiis ftlr ülmrfltlsag und MlildKoli eiUlnii-
') Heinrich Hössli: Eros. 2 Bände. Glarus 1886->86. Ich habe dieses
Buch, (las finch den Titel führt: ^Dic Unztiverläwigkeit der Süsseren "RpTinzoipheti
im Geschlechtsleben des I^ibes und der Seele** bei Abfassung iiiPiner Arbeit
viel benutzt; besonders waren mir die zahlreichen Litteratarangaben über den
En» in HOsalis Bneh «ehr wtitvolL Jüo« bww, vi«! Ueinan and aohlaolito
Avagslie dos Boehei encUen 1888 n Mflikster in d«r Schwei«.
II. Geschichtliches.
Die Kracheumiigfln der kontribea Sexaalempfindimg und der
Liebe von Männern za Mftnnem lassen sich bis in eine sehr frühe
Zeit zurQck verfolgen. Selbst in der Bibel finden wir Stellen, die
daianf hindeuten. Freüioh unterliegt es keinem Zweifel, dass gerade
bei den alten Juden der maanrnftunliche OeeehleehtSTOfkehr als
etvPBS YevwerfUehe« und Unsittlichea gebrandmarkt war und dadurch
snrfldEtmt.
Es sehciiiti dus die mummfliiiilidie Liebe sn den yetsehiedenen
Zilien und btt den versohiedonen YOlkcm um so mehr henrortrsti je
idedrigw in sonaler Hinsieht das Weib stand. Bei den alten Jndeo er-
freute sieh des W«b einer gewiesen Aehtnng, wie sndi des Familienleben
der HebvBer wegen sonor Beinh«t sehen früher gerflhmt wurde, wenn
enoh andererseits nicht bestritten werden kann, dass die sitUidie SteUnng
des Weibes dveh das Christentom eine wesenfUehe BrhOhnng er-
halten hai^)
Bekanntlich hat ja Schopenhauer*) es so sehr beklagt, dass die
niedrige SU'llnng des Weibes nicht mehr liei uns bestehe. „Mit
unserer altfranzösischen Galanterie und abgeschmackten Weiber-
Teneration, dieser höchsten Blüte christlich-germanischer Dummheit,
welche nur gedient hat, sie so arrogant und rücksichtslos zu machen,
dass man bisweilen an die heiligen Affen in Benares erinnert wird,
welche, im Bewusstsein ihrer Heiligkeit und Unverletzlichkeit, sich
alles fQr erlaubt halten/' Stolberg*) hebt gerade die eheliehe
') Ludwig J.acoboweki: Der christliche Staat und seine Zukauft £iue
poliüsdie Stadie. BexUn UM. & 9S iL
') Arthar Schopenhauer: Faieigm nnd Faialtpomena. Kleine plule«
sopbi^eho Scliriften, über die Weiber § 369.
- ) Aoserlesene Gespräche des Piaton, ttbersotzt vouFriedrich Leopold
Orafen zu Stolberg. I.Teil. Kunii^berg 1796. Anmerkaugen lom Gastmahl.
8*
Bibel, Semiten.
39
Liebe der alten Erzväter Abraham, Isaak und Jakob im Gegen-
satz zu der Missachtung hervor, die im alten Athen gegenüber dem
weiblichen Geschlecht bestand.
Die Verabscheuung mannmännlicher Liebe bei den alten Judea
kann desbn1]> nicht übcrrascbf^n, und si? kann um so woniger verwundern,
als reicher Kindersegen lür ( ]n Hauptziel der Menschen an«?eseben wurde j
zahlreiche Stt*llen in der Bibel beweisen dies. In dem Buclie der Richter
beklagt J^^plitas Tochter es als Schande, dass sie ubiie Hinterlassung
▼on Kindern sterben müsse. La sterilite, suivarU eux, est Vfvuvre du
di-mon, et Ja fetnme sterile est meprisce de ses corrfHimoniutues, car
Dien Va stigmatisf'e en rendant ses entraiUes infVcoiules et m lui
ravissant Vinestwmble bonheur de donner le jour au Messic qui doU,
tot ou tard, fUtUre de Vune des ßUes d'£ve.^) Moses kam es ganz
WQSeDÜich auf reichliche Nachkommeiiaehafl an; wie Sand am Meere
sollte sieh das Volk Israel Tomelixen. Beldier Kindwsegeii ist das
Hfldnte, was sidi der Hauch nach Mosas wHusohsii ktwntei Kinder-
losigkeit galt als ein Elnoh. Bei den Giieoheii war die IVefllichkeit der
Kinder dasjenige, was am m«8ten begehrt war, der Asiaten Stols frsr
deren grosse AnsshL*) Onan Hess den Samen aar Erde ftllen ond wurde
defllialb Terworfen. IXe AbtreiUmg wurde nach Flavins Josephvs
mit dem Tode bestraft^ wihrmd ne bei soderm Yolkeni, denm xaUreidie
Kadikommensdtaft nicht das hanptsloblieh Erstrebenswerte war, viel
weniger streng angesehen worde. So war, wie Ploaa^ beziohteti bei
den alten Griechen die Abtreibimg, wenn das find noch nicht lebens*
fUhig war, urter ümstfladen erlaub^ md sie fuid anoih in Born starke
Yerbreitapg.
Ganz im Einklang mit d«r Ansohaiimig täm Abtielbiag imd
Kindefsegen finden wir nnn bei den alten Joden einen gieeeen Ab-
sehen gegen jeden mamunlnnliehen QeschleefatBTexkelir. In der Bibel
wild Ten den Sinwohnem Sodomi enShlt die sich an den Engeln,
die bei dem frommen Lot als Gäste weilten, vergreifen wollten;
Gottes Zorn traf deshalb die Stadt Sodom, die vollständig zerstört
wurde. Von ihr slanimt der noch heute vielfach fiir gewisse Ge-
') Edonard Coypel: Le Judaisme. Esquisse des Mmtra juives. Croyanees,
Pites religieux, Mohilier, Nais8anee, Mariage, Drekt, FuneraiUea, Deaeription
du Sabbat ei de totUes ks Fetes, Jeünes etc Mulhouse 1876. 8. 90 L
^ Jalias Bosenbanm: Oeeohidite der Lasteeaehe im Alterttun. S. Aufl.
flalto a. 6. 1892. S. 9k federn, der Ustorieohe Notisett aiui dem Altertum ttbev
Päderastie, Bordelle, Syphilis eto. finden wQl, sei dieses gründlich^ lleiflsige Bnoh
dringend empfohlen.
') H. Flosa: Das Woib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologische
Stadien. 6w Anfl. Naoh dem Tode dea Vertesen besrbeitet and heiansgegeben
ton Hax Bartels. 1. Band. Löpdg 1887. S. m
I
40
Semiten.
soblechtsaitte iwisclieii Hänaeni (Immissh maiibri m amm) oder
mit Tiemi gebräuchliche Aasdnick Sodomie. Anoli andere Stellen
in der Bibel deuten auf den Absehen der Juden gegen die Päderastie
hin, die den Hauptzweck des Volkes, die reichliche Yermchrmig,
verhindern musste. Im dritten Buche Mose spricht Gott zu Moses:
„Wenn jemand beim Knaben schläft wie beim Weibe, die haben ein
Gräuel gethun und sollen beide des Todes sterben, ihr iiiut sei auf
ihnen", und an anderer iSteiie spricht Gott: „Du sollst nicht bei
Knaben liegen; denn es ist ein Gräuel". Auch das Verhältnis zwischen
David und Jonathan Fiirde schon als ein lioniosexiielles aufgefasst:
„Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan. Ich habe grosse
Freude und Wonne an dir gehabt. Deine Liebe ist mir sonderlicher
gewesen denn Franenliebe/* Die Stelle ^) ist ja mehrfach auch etwas
anders übersetst worden. Ich will aadh nor auf die Deutung des
Verhältnisses von David uad Jonathan hinweieen, ohne irgendwie
Aber die Bereohtignng dieser Deatong eine tigene Meinung anm-
spieehen. In einem Buche*) ans der Mitte des Torigen Jahrhunderts
wird gerade anf das Wort „aonderlieh** ein besonderer Wert gelegt
„Die Neigong gegen das weibliehe Geaehlecht ist natOrlidh . . . dahin-
gegen saeh h^ der giOssten Neigung, die man sa einer Penon
sones Oesehledits empfindet, der Beiz nur einlheh ist ond man
eigentlich nur die Seele des Fireondes^ ohne Absicht anf seinen Leih
snm Vorwarf der Liebe hat Boy diesem nur einfachen Beise dennoch
heftig zo lieben, ist sonderbar, selten ond ungemein . . . IGr deachts,
dass die Worte Davids keiner anderen Erklärung fabig seyen."
Gewöhnlich wurde im Altertum Asien als das Ursprungsland der
Päderastie angesehen und auch heute noch wird vuu den meisten
aogenommeii, dass im Orient die Päderastie bei weitem deutlicher
hervortrete, vielleicht auch öfter vorkomme, als im Abendlande. In-
dessen muss doch hier schon bemerkt werden, dass das schwächere
Hervortreten mannmännlichen Verkehrs nicht als gleichbedeutend
mit dessen Vorkommen angesehen werden diirf, da es keinem Zweifel
unterliegt, dass gewöhnlich der Verkehr nur im geheimen erfolgt,
ohne dass man in der Öffentlichkeit das Geringste davon erfahrt
Ich muss auf den Irrtum um so mehr schon an dieser Stelle hin-
weisen, als ich Minner kenne, die im öffentlichen Leben stehen, and
- ) Das zweite Buch S.imneli« 1 Kap., 26.
') Veroiischte Abhandlungen uud Aninerkaugen ans den Qeachichteo, dem
StMtBiMhta^ der Bitlaalehra and dm sebtaM WiMenichallen. IVMikfturt und
Mpiigmi. &6S».
SemiteiL
41
die nur den mannmannlichen Geschleclitsverkebr ausüben, ohne dass
ausser den wenigeu Eingeweihten irgend jemand davon weiss. Aach
in einem neueren Pseudonymen Werke,') das zahlreiohe Angriffe auf
die Torkei zu widerlegen bestimmt ist, wird gleichfoUa die Piderastie
erwähnt und hinzugefügt« dass dieses Laster in der ganzen sogenannten
avilisierten Welt sehr zugenommen habe, dass es aber Teifehlt sei»
dies eiwa auf den Orient oder die Muhamedaner speziell zurüok-
zufthren. Jeden&Ue aber wurde Tielfaeh der Orient als die Quelle
der Fiderastie angesehen und iwar, wie RTarnowsky*) berichtet,
besonders Armenien, von wo ans siish die Piderastie ent spftter im
Orient ausgebreitet haben solL
IVie mehrere Forscher über die Prostitution im Altertom ver^
muten, habe der QOtiendienst, vor dem die Juden ron Moses und
anderen so oft gewarnt wurden, im engen Zusammenhang mit aUerlei
BetneUen Ausschweifongen gestanden. Dass auch homooexnsUe Akte
hierbei eine Bolle spielten, ist wahrscheinlich. Pierre Dufour^)
meint, dass, wie immer die Auslegung sein mag, alle Gelehrten, die
sich auf die Heilige Schuft und auf die Kommentare der Kirdieüväter
stützen, darüber einig seien, dass der Kultus der Gottiieit Baal im
engsten Zusammenhange mit der Prostitution stand. Die Priester
des Gottes waren, wie Dufour meint, schöne junge Männer ohne
Bart, die, den Körper enthaart und mit parfümierten] Ol eingerieben,
einen schimpflichen Geschlechtsverkehr in dem Heiligtum des Baal
unterhielten. Sie hätten auch in der Vulf^at^ den Namen Kife-
minati. £dmoudDapoaj*) meint gleichfalls, dass sich der Koitus
- ) L'Ermite d' Alcm-Dagh T.i Mal ä' Orient, par Kesntn Bey. Rrfv-
iaium. Pari» 18SS. S. 109 f. Wie schon aus dem Buchtitel liervorgeht, ust
dieses Bach die Zurückweisaug der in einem andern fiuche enthaltenea Angrifie
g«g«ii die TQikeL Sehr Intnresaut iit| dus dlesat Ar dis TQfkri eiutnlende
Buch trotzdem dort Terboten wardSf ebenso wie das g^geil dio Türkei gerichtete.
Die Begründung fttr flas Verbot war n. a. folgende: wenn ein Bach durch die
kompetente Behörde vcrhofen isf, darf niem and davon sprechen und noch wenigpr
davon achreiben j maa darf auch nicht von einem Torbuteueu Buche reden, um
sidit di« OffBDtUohe Anftnalnainkeit auf dieses Bnoh la lenken (HaTroylat-
Pacha: A pro}>03 de la JUfutation du Mal d' Orient par VErmiU ^Jl&m-'lkij^
Lettre adressre ä Sau ExcUcnce Mum'f f'acha 1889).
- ) B. Tarnowsky: Die krankhaiiua Erscheinungen des (JescUeohtsflimies.
Eine forenBiach-psychiatriache Studie. Berlin 1886. S. 36.
•) Pierre Dnfonr: Bithin d» la BmUMion eh» taue iee Pmpke
Monde depuit l'AnHqmU ta piKS reeiUie ßiequ*ä noe joure. Tbme pmmet.
Bnuelles. S. 71 f.
Edmond Dupouj: La Proetüulion dans tAntuptiU, £tude d'ßifjfane
toeiaU. Paris 1887. 8. 5Ä0.
42
Sraiitea, Grieehiadw Mythologie.
des Baal, des Moloch, der A starte und ähnlicher Gottheiten, bei
denen dch Öfters nur der Name je naoh dem Lande änderte, aus der
Pzostitatüm der Mftnner midFiaaen und aus sodomistisohen Akten ^)
nuammensetzte. Kbenso sei es in Ägypten bei den Ifysterien der
Isis und des Osiris, besonders aber bei den PhOniiieni, Syriern
nnd Lydien! gevesett, die dieses Laster in allen Lftndern, die sie be*
8u«ditai, weiter fsrbreiteten, nnd die Warnungen des Apostels Panlns
gegen den iridematOrliohen GesebleohtoTerkebr belögen sieh aneb anf
diese Volker. Die Prostitotion des Mannes war, wie auob Dnpony
glaubt, der Ursprung der Kastration. Er bemft siob bierbei auf
Lncian^ der nngeflbr folgendes sagt. Als der wideraatfirliGhe Oe-
seUeobtsverkebr mit der Yersobtecbtenmg der Sitten anftnt, bätto
man aneh die Natnrgesetie m Teracbtoi begomieii. Bs ftnd sieb ein
Mann, der zuerst einen anderen Mann wie ein Weib nahm, und hier,
sei es mit Gewalt, sei es mit List, seine Roheit ausführte. So sei es
gekommen, dims zwei ludividueu des gleichen Geschlechts sich mit
einander geschlechtlich yermischten und sich auch nicht scii^mteii,
dies ferner zu thun und bei sich thun zu lassen. Einige von ihnen
seien dann weiter gegangen und hätten inöLrlichst alles von sich ent-
fernt, was an den männlichen Charakter erinnerte, und so hatten sie
sich auch ihre Zeichen der Männlichkeit mit dem Stahl beseitigt
Gehen wir zu einem anderen Kulturvolke des Altertums über,
zu den Griechen, so üiideü wir hier die uns interessierende Er-
scheinung mannmäunlicher Liebe in ausgedehntem Masse vor. Obwohl
in den alten Göttersagen fast nirgends von Liebe zwischen männlichen
Individuen die Kede ist, so sehen wir dennoch, dass spätere Erklärer
gewisser Mythen deren Kernpunkt in der mannmänuhcheu Liebe
finden woUten.
Das Verhältnis des Zeus zu Ganymedes wurde von den alten
Griechen als ein solches der Knabenliebe augesehen. Xenophon
sagt im Symposion^) allerdings, dass Zons den Ganymedes seiner
Seele wegen, yn/x^g ivata m sieh genommen habe. Es kann aber
nach dem gansen Znsammenhang, den jene Worte im Text baben,
S) ÜbijgenB meinte Florenoe {Du Spenm H de» SfaeAw de Sperme m
ÜKtMie Ugak, Lgan, 1897, S. 96), «8 a«l mifdOoe, daas dw heilige
CSierakter gewiMSr Unnchtsarton, %. B. der Bestialität, lediglich aus dem Be>
Stieben bprvorg:egan^n sei, die AuBd^nmig dieser Akte mOgUohefc xa beaohiftnkeQ.
"> Kap. VIII, 80.
Oriflohisohe Mythologie.
43
keinem Zweifei unterliegen, dass das Verliältnis als ein solches der
Liebe und nicht bloss als ein freundschaftliches aufgefaäst wurde.
Noch deutlicher drückte sich über Zeus und Ganymedes Piato im
Phädros^) aus. Hier wird geradezu von einem LiebesTerhältnis ge-
sprochen und zwar im Anschluss an die Erwähnaog der kOrperUchen
BerQhrung des Liebhaben mit dem Geliebten in den Gynmasien.
Typisch fQr die Auffassung des Verhältnisses von Zeus zu Ganymedes
ist es, dass diese Sage, wie Plato in den GesetMn enrihnt, bei den
£retem entstanden ist, wo die Padenutie die griteste Anidehnnng
liatfee. Am deutliohsten spricht sicli wohl Lncian*) über das lein
sinnliche Terhflltnis des Oottes sa Ganymedes ans. Hier foidert Zens
den Qanjmedes geiadezn anf, mit ihm in der Nacht snsammen ra
sddaien, da er ihn in diesem Zwecke gennbt hfttte. Anf den ISn-
wand des Ganymedes, er schlafe sehr unmhig, und Zens wflrde Ton
ihm gestOit weiden, erwidert dieser: J>u ist mir gerade das Ange-
nehmste, wenn ich mit dir wachen, dich oftmals hOssen vanA nm-
annen lonn.***)
Auch das Verhältnis von Apollo und Hyacinth, von Herkules
und II y las wird auf uie homosexuelle Liebe zurückgeführt. Besonders
häufig finden wir femer, dass die innige Freundschaft von Achilles
und Patroklus als ein Liebesverhältnis gedeutet wurde. Homer
spricht '/war von dem selten innigen Freundschaftsverhältnis der beiden
Griechen; es läist sich bei ihm meines Erachtens nichts tinden, was
als Beweis dafür angesehen werden könnte, dass er die beiden als
Liebhaber und Geliebten angesehen hatte. Äschines sucht die
Worte Homers in erotischem Sinne zu deuten, und später wird diese
Auffassung oft vertreten. In den Mjrmüdonen von Äschylns klagt
Achilles über des Patcoklns Tod in Ausdrücken, wie sie die reine
Freundschaft kaum kennen würde. Freilich hat Welcker einer
Deatnng Ton Achilles' Klage in erotischem Sinne widersprochen. In
Fiat OS Gastmahl^) wiid von der Liebe der Alcestia sa ihrem
Hanne gesprochen, nnd nnmittelbar darauf wird als Analogen dieser
Liehe V^tröuns als leoonf^ des Achilles heieichnet, wlhread sonst
After Aöhülee igeSfuroe des PatroUns genannt wird. Im Gastmahl
▼on Xenophon ist die Anf&ssnng eine andere, indem hier das Yer»
^ "Ktif. 88^ Dantsotie übMMteaag von K. Lehrs. Loipdg 1860.
■) 0e(Sp Stdloyoi; Zevg *al ravvfii]dr]s.
- ) f ncians Werke, dentach von Theodor Visoker. 1. JB«nd. Staitgart
1806. S. b5.
44
OiMiMlie M> thologi«>
hftltniB des Piitrokliu za Aohilles nur als ein solohes der Fieimdaöhaft
dargestellt wird. Patroklus heilst lüer HoIqoq des Achilles.
Aaefa laUzeidie andere mythisehe FeisOnliebkeiten worden Yon
den Grieehen benatit, nm die Fäderaatie möglichst weit snraelaraflttiren
nnd za besehOnigen. So wird auch das Verhiltnis tob Orestes und
Pylades bald als ein solches der Liebe, bald als ein solches der
Freimdscbaft bezeichnet, ebenso das des Thesaus und Firithoiis.
Isacb Mantegazza') berichtet ein Schriftsteller, dass Achilles den
Troilus, den Sohn desPriamus, erst dann tötete, als er sich seinen
unkenschen Wünschen widersetzt hatte. Auch Philoktet hat, wie
Thucydides-) berichtet, an der 'ßrjXeia vovaog gelitten, nnd zwar
wurde er von der Venus mit dieser Krankheit bestrjift, weil er den
Paris getödtet hatte; dass die i^rjXeia vovaog eine Affektion war,
die in Ausübung homosexueller Akte bestand, ist durch Bosenbaum
wahrscheinlich gemacht worden; bei Erw&hnong der Soythen komme
ich hierauf noch anrdcL
Wenn wir nun die Knaben- und Männerliebe erOrtern wollen,
wie sie in Griechenland in hiatoriachen Zeiten bestanden, ao dflrfte es
gnt i«in, die einselnen Staaten gesondert an betiaoliten. Ob^eioli
die Kimbealiebe anf der Issel Kreta Tielleieht mne noch grossere
Ansdebnnng hatte ala in Athen, so m^lelite iob dooh anniehat
dieses hespieehen ala den Ork des Festlandea, wo aie na«di angemdnen
Angaben am meisten verbreitet wir.
Schon in Solons Oesetzen wurde die Päderastie gewissennassen
anerkannt. Wenn man von den Qesetzen des Solon spricht^ so kann
freilioh nnr von denen die fiede sein, die man ihm sosehreibt^ tos
denen aber aaeh dem TTrteil herrorragender Forscher manche auf ihn
gar nicht zurOckznfÖhren sind. Zwar wurde in diesen Gesetzen die
1'ädbrast.ie gewibseu lifcbchräükunt^en unterworfen, diese aber betrafen
besonders nur die Sklaven, sodass die freien Athener ziemlich on-
beäcbraukt der Päderastie nachf^hen konnten.
In den Xöyoi Iqwxixoi, einem wesentlichen Bestandteil der alten
griechischen Litteratur, wird recht häufig von der Päderastie gesprochen.
Dem Eros, der die Männerliebe beschützt, wurden soß^ar Heiligtümer
im alten Athen errichtet. Charmos, der Liebhaber des Hippias,
hatte, wie Athenäus berichtet, dem Kros einen Altar beim £mgange
des Gymnasiums der Akademie erriohtet Ebenso hatte die Aphrodite
- ) PftUl MftBtegassa: Anthropologitch-kaltiiihittoiiMh« Stndieo ttber die
GeeoUeditSTMjilltaian der Menschea. 8. Aefl. Jena. 8. 116.
Bo««iibaQin: I. e. 8. 161.
Jitteratar über den £ros.
45
Urania m Athtn mehrere Tempel. Die Basiersttiben und auch die
Badehäuser in Athen sollen eine Hauptquelle der Päderaslit; gewesen
sein, indem dort die Männer Bekanntschaften zum Zwecke der Päderastie
machten. Ganz besonders aber waren es die Palästren und Gymnasien,
in denen die Bewunderung der Mftnnerschönheit immer mehr den
CharaktfiE der Verliebtheit annahm, die mit der leichten KoketteriOf
Neckereien, schwärmerischen Leidenschaften auch Eifersucht nnd Ver-
kehrung der sittliohen Begriffe mit Bich führte (Arnold Hug).*)
Zahlreiche Autoren weiaeii auf den Zusammenhang der Enabenliebe
mit den körperlichen Übungen in den Gymnaaien bin, so Aristophanes
in den Wolken, Plate in den Gesetien, Plntarob in s^em Brotikee.
Baw es m kOrperüoliea Berthrnngen in den Oymnaeien nnd aaoh
sonst swisohen Liebbabem nnd Geliebten kam, wird Ton Plate im
Phftdrns erwtiint Zahlreiehe bomoseznelle LiebesTerhIltnisse von
lübineni weiden nns aas dem alten Athen mitgeteilt. So liebte
Eallias, der die Anliontenwfirde erieiebt hatte, den Antolykos;
dieses Liebes verh<nis behandelt des Eupolis Komödie „ Antolykos**.
Eine Verspottung des Eallias * findet sich In des Aristophanes
Vögeln und Fröschen. Freilich meint Ramd oh r, dass Aristophanes
nur die schlechten Sitten aufgesucht habe, um Lachen zu erregen,
und dass er deshalb kein vollgültiger Zeuge sei. Dennoch ist an der
Thatsache nicht zu zweifeln, dass er vorhandene Bräuche verspottete.
Zu welchem Zweck er dies that, ist nebensächlich. Von den zahl-
reichen Schriftstellern,') die über das Thema im Altertum schrieben,
seun der l)el<arinte Rtdncr Lysias, ferner Plutarch erwähnt, der in
mehreren seiner Schriften hierauf zurückkommt und z. B. erwähnt,
dass zu des T h emistokles Zeiten die Knabenliebe in Athen vielfach
verbreitet war. Auch bei Aristoteles finden sich Stellen, die auf
Enabenliebe hinweisen. Übrigens erwähnen Chevalier^) und
Eiernan/) wie beiläufig bemerkt sei, den Eid des fiippokrates,
der ein deutlidier Beweis Ar die damalige Flderastie war, da eine
■) Pi»tos Symposkio «AUrt Toa Arnold Hug.
^ El ist mir oatttrliob nicht möglich, auf alle Sdiriftsteller hier einzugehen.
Genauere ZusammenstellaDgen über das Thema findet man in Paulys Encyclo-
padie des klassischen Altertums und in der £iiojdopädie von Ereoh und Qrabor
bei dem iotikel l'ädenstie.
- ) J. CheTalier: Ol» MakuNe d$ la PenomuKU. L'Mvtrnon «cmmM»
^Ifeko-pklfnokiffie^ Soeiokgie, TMabgüt AHinaUan «mtalet PtjfMogü ffior-
hii$f Anthropologie, MSdipim judieiairt, Mfaet du Dr. Ä. Laeattagite hgon,
Pmri» 189^ S 79.
^) Bespomibüity m sexual fenerHon. Bead before the Chicago Medical
46
HbIo mid XenophoiL
Stelle iiQ £ide vorkommt, wo der Arzt aol^wört» weder Weiber noch
freie Knaben oder Stdaven ni verfahren.
Einen Hanptanhalteponkt fOx die damstige Enabenfiebe finden
wir in zwei Werken des Plate, im Pfa&dms nnd Gktttmahl, sowie in
Xenophons Gastmahl Es wird hier besonders das Terhftltnis aos-
einandergesetst, wie es mancher Lehrer der Wmsheit mit seinen
Schfllem hatte. Bamdohr*) meint ebenso wie sadere, die Absieht
des Plate nnd des Xenqphon sei es gewesen, in ihren Oastmfthlem
Sokrates von dem Yorwurf m befreien, dass er einen körperlichen
Verkehr mit Knaben und Jünglingen unterhalten habe. In der That
sehen wir, dass sich nach dieser Richtung hin das Gespräch und
besonders die Ausführungen des Sokrates bewegen, der hier meiir
das seelische Element in der Liebe betont.
Es ist mir unklar, wie man die Päderastie iiu Symposion des
Plato uud in dem des Xenophon verkennen kiuin, wie man hier
von einer Freundschaft zwischen Lehrern uud Schülern zu sprechen
vermag. Es ist ganz klar, dass in den genannten Werken die An-
sichten einiger Personen über Päderastie auseiuandLr gehen; der
Streitpunkt ist aber wesentlich der, ob das Verhältnis zweier Männer,
wenn es sich um Liebe handelt, auf sinnlicher oder mehr auf seelischer
Liebe aufgebaut sein solle. Dies ist sehr interessant; und zwar ganz
besonders mit Hücksicht darauf, dass auch heute nooh einige die
homosexaeUe liebe als ganz besonders rein darzustellen snchen )ind
mitunter sogar sexuelle Beziehungen bei ihr in Abrede stellen. Dies ist
aber nur ffir einen Udnen Teil der Pille richtig. Es ist aber hier
dann genau dasselbe der Pall, wie bei der heterosexuellen Liebe, wo
eine Zeitlang das bewnsst sexuelle Homent, der Trieb nach einem
wiiUiehen Geschlechtsakte in den fimtergrund tritt leh glaube, dass
die Symposien und andere Schriften der Alten vollkommen unklar
smd fllr den, der die konträre Sexualempfindung nicht studiert hat.
Wie soll man sonst eine NeheneinanderBteUung der Idebe des Mannes
zum Weibe und der des Mannes zum Manne verstehen?
Die Freimütigkeit, mit der Alcibiades in dem Symposion des
Plato über sein Verhältnis zu Sokrates spricht, zeigt deutlich, dass
grosse ZuiLlckh.ilLuüg m mannmännlicher Liebe nicht bestand. Freilich
lässt sich das Verhältnis des Sokratea zum Alcibiades nach dieser
eben genannten Schrift nicht anders deuten, als so, dass Sokrates
') Friedr. Wilh. BasiL t. Bamdohr: Fem» Urania, Über dteNttar
der Liebe, über ihro Veredelung Und YeraohttaMmag. Dritten Teils ante Lh-
teiluBg. Leipzig 179a. S. 187.
SokratcB uud Alcibiades.
47
vermögü suiner drÖQeta uud otofpQoovvt] tb uiuht zum Geschlechts-
verkehr mit Alcibiades kommen liess, so sehr dieser auch seine
körperlichen Reize ihm gegenüber zur Schau trug. Alcibiades er-
zählt, mit welcher Kafliniertheit und Zudringlichkeit erden Sokrates
zu verführen suchte, von dem er glaubte, dass er sein Liebhaber sei.
Wenn wir nun auch annehmen, dass Sokrates kerne geschlechtlichen
Akte mit anderen Männern ansgoführt hat, so geht doch aus
anderen Stellen, z. 13. aus der liedo des Alcibiades in l'latos
Qastmabl ganz klar hervor, wie sinnlich mitunter die P&derastie war.
Wir sehen also,' d&ss in diesen Werken ganz besonders das Ver-
h&lkiis des Sokrates zu Alcibiades beschrieben wiid; wir wisseii
aber auch ins anderen klassischen Werken, dass Alcibiades viele
Usbhabei m seiner Jäoglüigsieit batte imdt wie Cornelias Nepos^)
berichtet, amare Oraecorum geliebt wurde. Über die Stellimg des
Sokrates hingegen sind die Auslohten noeb vielfach geteilt Man
findet hänfig die Annahme, dass dnrab eine Schrift von Gesner*)
die FMderastie des Sokrates widerlegt worden sei. Ich habe die Schrift
dtmdigelesen, kann aber nicht finden, dass in der Schrift homoseznelle
Neigungen oder homosexoelle Akte des Sokrates widerlegt seien.
Wilhetan I^drich Heller) meinte, dass Sokrates ein grosser
Freund nnd Liebhaber der Schönheit war nnd auch in der Wahl
seiner IVeonde auf korperlidie Schönheit gesehen hfttte, nnd dass ihm
wohl niemand deshalb so angelegen war als Alcibiades. Aber selbst
des Sokrates Feinde, Aristophanes und Melitus, hätten ihm
einen sträflichen Umgang mit jungen Leuten nicht vorgeworfen. Die
Worte, dass er die Jugend verderbe, bezögen sich niclit ;mr derartigen
sexuellen Verkehr, sondern nur auf die Gesetze der Religion und der
Staatäiiuost, gegen die er die Jagend gleichgiltig gemacht haben sollte.
Allerdings hätte Aelian den Sokrates und Alcibiades in einer
Parallele mit Piaton und Dion genannt und als Päderasten be-
zeichnet. Lucian lasse iu seinen Liebesgöttern zwei Personen auf-
treteu, wovon die eine den Sokrates anklagt, die andere ihn ent-
schuldigt; Lucian nenne an einer andern Stelle den Sokrates einen
Pädeiisten, fage aber sofort hinzu, dass er nicht ein Liebhaber des
Körpers, sondern emer schönen Seele war. Andererseits hätte aller-
1) Im zweiten Kartet der Lobensbesuhrt^Ibutig' dos Alcibiades.
') Jo. .Matth. OtBtnwi SolaraU» S(metua Pasdera^ 'Jüraiceti ad Memm^
MDCCLXVIUI.
•) Wilhelm Friedrich Heller: Sokrates. 8. Teil IHnkfort a. M. 179a
8. «1 ff.
48
Sokratet» uud Aloibiades.
diDgs XuülliLppu üiren liilaim wegen seiner Liebsohaften im Verdacht
gehabt, und anch Athenaus erwähne, dass Sokiates dem AIci-
biades nicht habe widerstehen können. Dennoch, meint Heller, sei
es unbtgriiflich, dass ein Weiser, ticii wir von so vielen vorteilhaften
Seiten kennen, einer Ausschweifung der Lust sich schuldig gemacht
haben solle, welche „die ehrwürdige britische Nation", wie der Schau-
spieler Foote gar empfindlich erfahren musste, mit dem heftigst^^u
TugendgefQhle verabsohent Die Ausdrücke des Plato bewiesen eben
nichtB weiter, als dass diese mmatflrliolie Qsiaiiterie damals die Mode-
sprache gewesen sei.
In Piatos Gastmahl behauptet Sokrates, dass er sich auf nichts
als die Materie der Liebe verstehe, aher die weiteie Dnrobfohning
des Themas seigt, dass hier mit Liebe nicht gerade GeseUeditsahte
gemeiot sind. Seinen Drang auf JUnglinge m wirken fthrt Sokrates
anf sdnen Eros »iraok. Sehr abftUig urteilt tther Sokrates Haller,
der ihn flbr einen weisen WollfisUing eridirt tmd ihm nachsagt, dass
er xwar die Tagend im Mnnde führte, in lIHrkliehkeit aber Fiderastie
ansllhte^ Von «mer bekannten Hettre wird enftUt, dass sie den
Sokrates dasu zu Toranlassen suchte, den Alcibiades zu lieben.
Endlich wird auch in dem Dialog „Alcibiades* von den Sokratiker
Äschines über den Einflass des Sokrates auf Alcibiades aus^
führlich geschrieben. Jedenfalls ^var der Huf des Sokrates gerade
in Bezug auf seine Päderastie sehr zweifelhaft A. G. Becker er-
klärt in seiner Einleitung zu Xenoplions Gastmahl:
„Wenn man alle Umstände, die zur Verurteilung des Sokrates
beitrugen, erwägt, so scheint es, dass die lU schuMigutig. er habe die
Sitten seiner jungen Freunde verdorben, am meisten darauf ge^virkt
hatte; man wollte davon Beispiele haben. Kritias und Alcibiades,
bekannte Wollüstlinge, waren ja seine Schüler gewesen. Zu den gegen
Sokrates vorgebrachten Klagen gehörte insbesondere die, dass er
die Jugend verfahre und verderbe. So rechneten ihm Anytos und
Melitus seine Begeisterung bei dem Anblick schöner Jünglinge fttr
ein Verbreofaen an. Wahrscheinlich hat diese Beschuldigung viel zu
des Sokratea Tode beigebragen.
Übrigens wird Alcibiades in swoem Verhiltois zu 8okrat«s
gel«g«iilich besser benrteUt In einem Werke aus dem Yorigen Jahr-
hondert*) erklärt Alcibiades auf die Frage der Endemie, was
ihm sfisser soheiBe als «in Kuss von ihr: «Nichtig nichts bei meinem
■) Aleibiades. 1. Teil. 2. Anflüge. Leipzig 1786. 8. 210. Veriasscr ist
Aug. Geitiieb Meissner, ein «ngeBdiener Sduriftitelkr der damaligen Zeit
KoAbeultobe bi Aümh.
49
Haupte ausser das Lob det Sokraies!" Trotz dieser Äusserung des
Alcibisdes wird er übrigau» tauk in di«eeiik Werke nicbi gerade als
Tugeiidlield hiogestelli.
Ziemlich deafUoh spridit noh aber die Enabeiiliebe Pausanias
in PlatoB Oastmahl aus. Er sacht dieser Liehe einen hAheien
Wert beizulegen, ja, er meinti dass diejenigen, die nieht mit dem
Eros der Urania lieben, d. h. die nicht ÜSnner lieben, sondern Frauen,
mehr zur Befriedigung gemeiner Lust lieben. Aus des Pau.sanias
Rede gebt auch hen-or, dass damals selbst Unmündige wenig gegen
die päderastische Verführung durch Mievii Männer geschützt waren.
Pausanias verlangt Gesetze, die es verhinderten, dass man Kinder
liebe; aber recht typisch für die Stellung des Pausanias ist es,
dass er dieses Verbot nur deshalb will, weil der Liebhaber bei einem
Kiude noch nicht weiss, wen er liebt, und er dfidarch unter Um-
ständen Tiel Zeit und Müht» bei imnUUei Liebesmühe verwenden
könnte.
Es ist nicht sicher, dass in Athen die Enabenliebe ganz allgemein
imd ohne jeden Unterschied au allen Zeiten gleichmftssig hervortrat
Frdlich lauten die Mitteilungen der alten Schriftotolier hierüber etwas
widerspruchsvoll. Wenn aber manche Philologen geneigt sind, die
sinnlidie Seite der Knabenfiebe gani in Abrede an steUeo, so kommt
dies nreifellos nur daher, weil ihnen die «lÄnwinaimiiwiift Uebe ginalich
unbekannt ist nnd daher unbegreiflich erscheint Sie*) suchen dsher
die alten Sehiiftsteller da, wo homosexuelle Beaehn^gen stattfanden,
in anderer, nnd swar mitunter in einer so gesuchten Weise sn er^
klären, dass dnen Tomrteilsfireien- Beobachter diese kflnstlidien Defini-
tionen nicht befriedigen können. Ich bin allerdings nicht genügend
hl den alten Sprachen bewandert, um eine sichere Deutung aller
SteUen, die ich aufgesucht habe, zu geben; das eine aber steht fest,
dass die rein sinnliche Knabenliebe in Athen sehr wohl bekannt war
und homosexueller Verkehr ausgeübt wurde. Anders die Gespräche
zu deuten, die wir in dem Symposion des Plato, in seinem i'hädrus
und im Symposion des Xenophon finden, geht nicht an. Auch
Gr43verus,*) der pewiss nicht geneigt ist, den Alten Vorwürfe zu
machen oder sie ungerechtfertigter Weise zu verdächtigten, sagt, es
sei ein Irrtum, die Knabenliebe der Alten als ein meist unschuldiges
■) VeigL s. B. die Abkandlnng voa IL Keeh: Sie Bede des Sokntos in
Piatoufl SympodaB uad du Problem der Erotik. Beriin 188S.
T P. E. Grrverug: Zur Würdigung, HUnag mi Siitik der [dyllcn
Iheokriu 2. Ausgabe. Oldeabarg 18A6.
Holl, Kontr. SexiMltBpOulaDg. 4
50
Elia imd Bttotiea.
Verhftltnis aufzufassen. Mau kann darüber streiten, ob Plato uud
Sokrates selbst sich der BÜuüichen Enabenliebe hingegeben hahen,
wie Oberhaupt der Streit um einzelne Penoaen fortgef&hrt werden
kann; dass aber vielfu^h smnliohe Beziehungen zwischen Mflnnern be-
standen, geht ganz klar aus zahlreichen Schriftotellern herror. Wenn
bei den grieobisolien Sohriftstelleni meistens nieht Toa einer detail-
fieiten Sohfldenmg sexaeller Akte die Bede ist^ so sohliesst dies in
keiner Weise ans, dass sie dennoeh stattfimden. Es ist das ganz
genan dasselbe wie bei der Liebe des Mannes anm Weibe, bei deren
Sebildemng der physische Akt gewöhnlich nnr aus dem erschlossen
werden kann, was uns in der Daiatellting Ober die seelische Zuneigung
der betreffenden Personen gesagt wird. Der Umstand, dass dann und
wann einmal die Schilderungen etwas weiter gehen, wie bei den
modernen Naturalisten, kann daran nichts flndem, dass gewöhnlich
solche Vorgänge in den Schriften diskret behandelt werden.
Nicht nur in Athen, wie oft irrtümlicher Weise von einigen
angenommen wird, sondern auch in anderen Staaten Griechenlands
war die Knabenüebe sehr verbreitet Aus der Rede des Pausanias
in Piatos Gastmahl erfahren wir, dass es in Elis und Buutieii
durchaus für erlaubt galt, dem Liebhaber zu ^vi 11 fahren, und wir lesen
bei Cicero') ungefähr dasselbe. Bei den Kleern und Thebanern,
sagt er, war alles fr< li^egeben, was die Liebschaften der Jünglinge
betraf. Dass hier nach Cicero alles erlaubt war, geht aus der
QegenOberstellung der Lacedämonier hervor, bei denen zwar die
Knabenliebe gestattet, die Schändung aber verboten war. Immerhin
scheint mir diese Stelle des Cicero etwas unklar, denn er fttgt
ansdrQcUich liinzu, dass bei dm Laoedftmoniern Umarmen und Zu-
sammeniiegen gestattet war. Ob es nun hierbei ohne Qeschleohtsakte
abgmg, scheint mir do<di fraglich, da bei so weit gehenden körper-
lichen Berflhrungen eiii seraeUer Hintergrund wahrscheinlich ist*)
Jeden&lls weisen manche froheie Schriftsteller darauf hin, dass ge-
rade bei den Lacedlmoniem die Homcseiualitftt weniger ausgebildet
war; so ersehen wir aus Xenophons Gastmahl, dass bei ihnen die
Ansicht bestand, es sei der, der nach dem Körper emes Geliebten
begehrt, emer edlen und guten That nicht fihig. Erwihnenswert ist,
dass der apartaniaidio Feldherr Pausanias, der Sieger von PlatäA,
•) Vidloioht war nur Immissio memhri in anum verpönt, andere sexaella
Akt« gestattet (Yttmutong von U, N.)» vieUeicht aooh nur Yerführung und Qewalt-
anwendong.
Jcauan und Kraf*.
51
wie Cornelius Ncpos^ berichtet, den Argilius amore vmieno
liebte und indirekt dnrch diesen seinen Untergang fand. Im Gogsn-
satK wa Sparta kOnnen wir nadi lalilieioheii alten SohriflstaUeni ab
sieher «iwaiimfln, da», mib enriüiat, bei den Thebanem und Eleem
die sinnliohe Fiderattie xienüieli ansgebUdet war. Der iiiletit ge-
nannte Autor beiiolitet ans aaoh, dass bei dieaen Völkern der Lieb-
baber mit dem Geliebten nuammenaeUie^ was in aaderen Staaten
fiar sebmaebroU gehalten worde. Mebrfooii ünden wir femer die An-
nahme^ dass die berflbmte heilige Sohar der 300 Thebaner ans lieb-
babem nnd Gefiebtea bestanden habe, ja, es wird an einer Stelle des
Xenophon gesagt, dass bei den BOotiem die KnabenHebe als ein
eheliches Verhältnis aufgefasst wnrde.
Bei einem anderen griechischen Yolksstaram, den Joniern,
worunter man gewöhnlich die kleinasiatische Bevölkerung versteht,
galt die Knabenliebe für schimpflich; Pausanias äussert in Piatos
Gastmahl, dass in Ländern, wo man, wie in Jonien, den Barbaren
unterworfen sei, die Knabenliebe unterdrückt würde. Den Barbaren
ist die Knabenliebe ebenso schimpflich, sagt Pansanias, wie aller
Eifer für Wissenschaft und Knrperbildung. Den Des])*)ten fromme
es nicht, dass sich bei den Untergebenen feste Freundschaften bilden,
die die Quelle der Enabenliebe seien; solche Freundschaften haben
aooh den T/numen oft Unglück bereitet So machte des Aristogiton
und Harmodins Liebe der Tyrannis ein Ende. Bei verschiedenen
Schriftstellern, z. B. in Plates Gastmahl, wird Harmodlus als der
Geliebte des Aristogiton hingestellt Diese Gefohr der Mannet^
liebe für die Tyrannen wird auch Yon einem anderen Sohiiftsteller,
AthenAns, beetlligt; er nennt ans eine Beihe fon l^ynuinen, die
die Geihhr der lOnnerliebe für ihre Herrsehaft kennen lernten. So
wurde Phalaris in Akiagas die liebe dee Chariton m Melanippna
gefihrliofa, nnd Polykrates auf Samos soll ans diesem Grande die
Falastran, die wir bereits bei Athen als Hanptquelle der Fldeiastie
kennen lernten, zerstört haben.
Wir haben non eine B^e von giieehiMfaen Staaten betmohtet
nnd die Sitte der MSnnerliebe in ihnen besproohen. Ich darf eine
Insel nicht übergehen, die durch die Päderastie berüchtigt war, näm-
lich Kreta. Aristoteles und Athenäus berichten uns darüber
ebenso wie andere Schriftsteller. Es fand bei den Kretern ein förm-
licher Knabenraub statt (äQjiay/xösJt jäi num ging hier so weit, dass
Cornelias Nepos: Ih vtrü iUtutribtui PaaBomas, 4 Kap.
52
Auknoo, Ibeokrit
es ftir Knaben aas besserer Familie entehrend war, wenn sie keinen
Liebhaber hatten. Auch hier hat vielleicht erat eine spätere Zeit den
lein nimUoheii Verkehr mit Kuben ^) berTorgeraf»i. Jeden&lls war
ipiter, naob den Penerkriegen, geiade auf Kretei etne anaeeiordeiitliehe
EatartuDg eiofletnUm, aodass inaa Erete fiwt apiioliwftrliUdi ftr den
nmdteben Verkehr mit Knaben bntnebte.
loh wül den Absdhnitt nidit eohlieeeeo, olme noeh anf Blehter
hiumreiaen, die die If Innerliebe besangen. BdoidiaUagee Ifaterial
fieM Anakreon^ in seinen Oden. In seiner Ode auf eine Schwalbe
Uagt er, daas ihm ihr frohes langen seinen Bathyll ans sdnen
Trinmen ranbe. In einer anderen sohilderl er, wie sehi Freond
Bathyll aussehen soll; seine Haare sollen sohwars gltaiend sein,
sein Hals Ton Elfenbein, und er soll Hüften haben, wie die des PoUux.
Unter sunen zarten Hüften,
Seinen freudevollen Hüllen,
Mach' ihm eine Sobam voll Unschuld,
Die siok schon nach Liebe sehaet
Spätur kommt auch eine Steile in derselben Ode, die direkt an
die sinnliche Päderastie erinnert:
Deine Kmisi ist wohl sehr neidiaoh,
Dass sie seinen sohOnea Bflohen,
Der das Beste ist, verbirgst
Auch ein späterer Dichter, Theokrit, hat in Idyllen die Männer-
liebe besungen. Seine 12. Idjlle, die 'Ainig, d. h. Ueliebter ttber-
sohzieben ist, beginnt er:
') Ich wendo den Ausdrack Päderastie im Zusammenhangs mit dem Griechi-
schen öfter an und ebenso den Ausdrack Kjiabe, wobei Knabe aar die Übersetsang^
des Wortes nars bedeutet Naohdem ieh bereits früher erwihnt habe, dass
Fldeiaitie im ffiane der alten Orfeefaen etwas aadens bedentet ata im medemen
wimrnisrihiftliflhnii Sinn, wird sich ein Missyerständais hietans nicht ergeben, und
ebenao wenig wird das Wort Knab*» a]« Ub^rsetzang TOO 3Utt^ bk dem (ichtigea
Zusammenhang ein Missverstandnis entäteben lassen.
- ) Die Dichtungen sind dem Werke Ton Hössli entnommen; doch soll, wie
fleir Dr. Hiberlin la Balle mir mitteilt, des litterte Gedieht aloht von Ana-
kreon herrflhren, sondern erst viel später yerfasst sein. Ich benutze die Gelagen-
heit, Herrn Dr. Häberliu für eine Reihe priyater liUenutisdier MitteUangM SB
dieser Stelle meinen besten Dank aussuspreohea.
Stellung der f raa in Griechenk&d.
58
Kommst Dn geVebtar Enab? Kaoht ward m und Hovgoi drmmall
Kansfct Ach ebi «imiger Tag maelit Sehnsnobtovond an {heiaen.
Dm flüitrikdii'ge Eroten daa Han dwobhanehten nna B«d«n.*)
GreTerns*) bezeichnet das Gedicht als eine der schönsten
Liebeselegien des Altertums nnd bedaneit nnr, dass darin nicht ein
Weibchen Ton dem Mann besnngen wurde. Anch die fünfte Idylle
Tlieokrits nnd mehiere andere sind ehaiakteristiaeh.
Han mag nnn Aber die Dlditer, die die mannminnliehe Liebe
besangen, deiÄen wie man will, man mag zugeben, dasa die Dichter
selbt nicht Minnerliebhaber waren, die Menschen aber mUssen ?of-
handen gewesen sein, deren Empfindungen sie besnngen haben. Es ist
ans diesem Gnmde gftnzlich gleichgiltig, ob der betreffende Dichter
selbst der Mannerliebe huldigte oder nicht Es sei hier an Lessing*)
erinnert In seinen „Rettungen des Horaz" erklärt er an der Stelle,
wo er von der durch Dichter besungenen Liebe spricht, des Dichters
Pflicht sei es, den Ton seines Jahrhunderts anzunehmen, Horaz habe
unmöglich anders ?on der Liebe reden können als nach derPenkungs-
art seiner Zeiti^enossen. „Der Dichter inuss," so meint Lessing, „die
Empündungen, die er erregen will, in sich selbst zu haben scheinen
Muss er denn alle Olässer geleert und alle Mädchens gekässt haben,
die er geleert und geküsst zu haben Torgiebt?"
Gerade bei den Griechen zeigt es sich, dass das Hervortreten
der PIdeiastie nnd daa Ansehen der Fran hi ^em gewissen Weehsel-
verUUtniB stand, da bei ihnen iweifeBoa die Frau wenig Achtnng ge-
nösse daAr aber die Enabenliebe hi ausgedehnter Weise an^geAbt
wurde. Besonders die Tezhtiratete Fran konnte sich in Grieebenland
wiAliehes Ansehen nioht Terschaüm. Nahida Bemy*) enfthlt him^
Uber mandie Emaellieiteii. Wenn der Atiiener geistig dnige Neigung
') Zitiert nau^k IheoJcrüi Jäyäa. Ad. Th. Arm, Friizsehe. Edüio aUera
lAftitm MDOOmJOL
- ) Übenetsang sitiert nach TheokritoSt Dentaoh von Ednard MSiika nnd
Friedrich Notier. 8. Anfl. Stuttgart 1888.
•) L e. 8. 91.
- ) 6. K Lessings Schrifteo. Dritter Toil. Berlin 1764 S. 38 f.
^ Nahida Bamy: Daa jüdiaehe Weib. Mit einer Vomde vom Pnfteaor
Dr. M. L^aarna. Laipsig 1808: 8. lO.
54
Steiluug der Frau in Grieclienland.
zü einem Weibe sparte, dann war es eine Hetäre, z. B. Aspasia;*)
die Hetären, die wir doch nur als Bulilerinnen betrachten Icönnen,
genossen eine grosse Verehrung. Einige Hetären mögen geistig auf
einer hohen Stufe gestanden haben. Wer aber die Hetären nicht als
Prostituiert.e ansieht, die sich für Geld hingaben, der möge die Hntflren-
gespräohe Lncians lesen, die sich fast ebensogut anf moderne Pro-
stituierte beziehen könnten. Vielleicht wird es auf die modernen
Sittenprediger, die eine möglichst schaffe Trennmig der Oosohleohter
bei allen Gelegenheiten durchzuführen versuchen, einigennaasen ver-
wnnderad wirken, dass gerade in Oriechenland die Trennung der Ge-
aeUeeliter auf das sebftifite darcbgefahrt war, nnd nirgends, meint
Honoant,*) war das Sdiaingefilhl mehr gesohtttit als bd dm alten
Gneehen. Eine wahre läebe mm Weibe seheint hier aber doeh nnr
selten bestanden su haben. Gerade mit Bfiolaieht auf Griechenland
wird sogar in einem fransösisohen Bache von P. J. Stahl*) behanptet,
dass die Liebe flberha&pt eine moderne Bzfinduig sei. Ausser bei
Homer sei besonders im alten Griechenland die Frau stets geradezu
schimpflieh behandelt worden, und als Beleg fahrt der Autor mehrere
Stellen aus den alten Sehriftstenem an. Hesiod verglich das Ver-
trauen zu einer Frau mit dem Vertrauen au einem Diebe, und bei
Äschylus findet sich der Ausruf: 0 Jupiter, welches Geschenk hast
du uns f^eiiuicht, die Frauen, welche Kasse! Phitu lasse die Seeleu
der Sandtr in Frauenleiber übergehen. Euripides, der ja als Weiber-
hasser bekannt war, rief aus: Gegen den Biss. der wiiden Tiere und
- ) Doch versuchte Otto npime am Rhyn (Die Frau in dir Kult ir-
geschichte, 2. Auflage. Berlin 1092. ä. 117) eioe Ebrenxettung der Aspasia,
indm er meiiit, dais sie mit TTimdit sa den Hetlnii garedmet wflnle. Ihre
frmdo Herkunft — die Aspasia war ans Milet — ihre Verbindaug mit Perikles
und ihr Einlirnch in die orientAlische Abgeschlossenheit der Gefchlochtor seien
in den Augen des Pöbels von Athen ihre Verbrechen gewesen. Hauptsächlich,
glaubt Otto Henne am Bhyn, spreche es für Aspasia, dasü die athe-
Bifdun AwMo, die Knut so stieng eingezogen lebten, aioh faeoHhlni, die Betanuit-
sdiäll der miten Miladefin n naolwii. loh ftberlaase die lUaAeidiiiig der
Frage, ob Aspasia eine HetSre war oder nicht, anderen ; doch will ich bemerken,
dass sich auch heute oft genug recht hochgestelltf Frauf^n bemühen, die Bekannt-
schaft von Damen zu machen, über deren Bittiicbo i^uaiihkatioB in sexueller Be>
lidiBig kiiiiZweiftl besteht; oft genug hängt die aoijalf SteOniig eiiwr nedttim
Hetlre mehr von deren geistigen md inteUektueUeD als von ihren iogenannten
monUscben Eigenschaften ab.
- ) Ctnac Moncaut: Hütoire de Vammtr dans TanliquiU ehex te» I&öreux,
les Orientau ' . /V « Grecs et les Romains. Paria 1802, S. 194.
•) P. J. Stahl (J. Hetzel): Betes et gern prrrtdes ä'tttw prrfaee par M,
LoutM Botiibonne. Ruis 28S4, & 818 ff.
Knabenliebe in Born.
55
SteUangen habe man iigend dn Mittel gefimden, aber gegen die Fian«
die sobUmmer sei ab die SoUange mid die Flamme, hfttte maa noch
niebts gefonden. Ohaeremon rief ans, es sei besser, seine Itea
sn begraben, als sie zum Altar zu fQhren, und Aristophanes ver-
glich ja die Frau sogar mit der Pest Während bei den Griechen
eine wahre Liebe zum Weibe nur selten bestand, ein Mann z. B. nur
selten sein Leben opferte, um das des Weibes zu erhalten, ist dieser
Zog TOD Aufopferung und wahrer Liebe im mannmännlichen Verkehr
weit häufiger zu konstatieren fEamdohr . Auch Friedrich Nietzsche')
spricht sich über die Knabcnliebp bei den Griechen aus. Nach ihm
war das Verhältnis zwischen Männern und Jünglingen durchaus von
« rotisf-yier Natur und als solches die Voraussetzung alier mannlichen
Erziehung. Niemals, glaubt Nietzsche, wurden jnnge Männer so
liebevoll und so in Hinsicht auf ihr Beates bebandelt wie im sechsten
und fünften Jahrhundert v. Gbr. Der genannte Philosoph sieht aber
aDseheinend in der niediigeroii Stellung der Frau bei den alten
Griechen nicht die Unache, sondern die Folge dieser LiebesveiUUt-
niese xwieehen MSmem: ,je boher das YerbUtnia »riadlien Mfiimeni
und Jongliiigen genommeii worde^ um so tiefer sank der Yerkeltr mit
der Flau; der Gesiehtspnnkt der Eiaderenengaog und der Wollust,
niebts weiter kam hier in Betnusht; es gab keinen geistigen Verkehr,
nioht einmal eine eigentUehe Liebsehaft.**
Daas tkbrigens trots aller Blftte der Fideiaatie in Grieohenland
-diese kefateswegs tta die allehi erstrebenswerte Befriedigung des Ge-
sehlechtstriebes sngesehen wurde, ist selbstverständlieh; die Fort-
]iflanzung ihres Geschlechts war den Griechen nicht gleiohgiltig; die
Ehelosigkeit von Männern war sogar mitunter trotz der Päderastie
verpönt (G. Ch. Lichtenberg). So hatte Lykurg für die unver-
heirateten Männer in Sparta manche demütigenden gesetzlichen Be-
stininiuiiiren getroffen, und ähnliche Bräuche bestaudeu in Athen und
Koriiith. wu Ebelosen nach dem Tode sogar die Begräbniszeremonien
verweigert worden.
Die Päderastie war in Rom gerade zu der Zeit, wu wir sie in
Griechenland so ausgebreitet sehen, nur ausuahmsweise zu beobachten;
wenigstens linde ich in den Schriftstellern nur selten eine Stelle, die
- ) Friedrich NietsRche: MonadiHohai aUsn MeiiBeliiiehefi. l.Bd. Leipzig
18». 6. Sil».
56
auf Knabenlisbe in den ttteren Zeiten der i&iiiieohen Bepvblik
biaweiei
Yielleiclit ki^nnt» man eine Steile bei Sextns Aureliits yictor*)
in dieser Weise deuten. Es wird liier enllilt, dass Poraenna, der
naeh dem Stnn dee rOnüsefaen Eönigtoms Bom angriff der Clölia
lanbte^ nach Bern rarOolsokeliren nnd einige Geiseln mitnmelimai, nad
nnn wird von ibr berichtet, dass sie „twii^tiies pueroa^ eiegü, gmnm
ttäatm knuriae clmoxiam adAai^'. Indessen mOohte ieh keineswegs
diese Stelle auf die Enabenliebe bedehen. Nach den Pmiiaohfn
Kriegen soll sieh in Born, wie Bamdohr berichtet, manches geSndert
haben. In Karthago soll die Päderastie vielfach vorgekommen se'n.
Cornelius Nepos*) berichtet von dem Verhältnis des Hamilkar
Barkas zu Hasdrubal quem munulii däigi iut^nus quam jtar trat
ah Hamileare loguebantur. Ein gleiches berichtet Livins,*) der
sogar hinzufügt, dass Hasdrnbal die gleichen Liebesbezeugungen von
Hannibal verlangte, die er selbst dessen Vater, dem Uamiilcar
Barkas gewahrt hatte. Dass übrigens Hamilkar den Hasdribal
zu seinem Schwiegersohn macht^^, um ungeniert ihn lieben zu kCtonen,
teilt Nepos mit Immerhin ist es interessant, dass gerade, nachdem
die Börner durch die Kriege die Sitten jenes Staates kennen gelernt
hatten, die Homosexualität im römischen Reiche mehr hervortrat
Es erfolgte aber in den späteren Zeiten der Bepublik mit der gleich-
leitigen Zunahme des Hetirenweaens wieder ein Umschlag^ indem
naeh Bamdohr die mannmSnnlichen Neigongen mehr aorOolrtEaten.
Überhaupt kennte die Hemosexnalitit in Bern niemals sn dem Grade
sosialer Duldung, ja Ansehens gelangen, wie in Athen, obeidien manche
Stellea hei Dichtem imd ScfaxiftsteUera nns seigen, dass sie auch rar
Zeit der Bepnblik in Bern bekannt war. Sie wird hier nicht selten
als „griechische laebe^ beieichnei
Schon befor Bom ein Kaiseneidi wvrde^ in dem die Homo-
aexoalitit mehr herrortcat, finden wir Yorgänge, die auf sie hinweisen.
So worde T. Yeturina, der dn Schnldknecht des G. Plotlns wsr,
von diesem gezDchtigt weil er sich von ihm nicht schänden lassen
wollte (Dionysius, Valerias Maximus). Etwas Ähnliches berichtet
Li vi US*) von Lucius Papirius. Diesem hatte sich sein Schuldner
Oajuä i:'ubiilius in Haft gegeben» nnd als Papirius ihn zur
Seztus Anraliut Vietor: 2te wki» ükuMim w^Somae eap. XIJl
- ) Cornelius Nepos: De viris iOiuinbuM; Hamiloir, 8. Kapitel.
^ Titus Li Vinn: RSmische Geschidite, 21. Buch, S. QBd 8^ Kapitel.
4) Bönusche Qesohiclite. YIII, 86.
Papirios, FiaminiDus, Antonius.
57
WoUiut benntUD wollte, lebnte er es ab. Br liees sieh auch
dmeti Drohnogen niobt einsobflehtem, und als er auf seiner Weigerung
beharrte, Hess ihn Papirins entWeiden und auspeitschen. Der Fall
war nachLivius diö Veranlassung, dass in diesem Jahre, das heiöst
428 seit Begründung der Stadt, das Gesetz über die Schuldhaft ge-
ändert, und zwar weseutlich gemildert wurde.
Grosseg Änfsehen erregte seinerzeit auch ein Fall, dessen Urheber
Lucius Quinctius Flaminiiius war. Dieser war im Jahre 192
v.Chr. Konsul gewesen und war ein Bruder von Titus Flamininus,
dem iTberwinder de? Philippus. Aus diesen Gränden erfreute er sich
eines grossen Ansehens. Lucius hatte aber einen Lastknaben zu
flieh ins Haas genommen und Hess eines Tages, weil dieser eine Hin*
riebtniig zu sehen wünschte, einen zum Tode Terurteilten Missethftter
ohne weiteres durch einen Lictor in Gegenwart sdnes Lieblings tdten.
Plntarch*) berichtet an mebxeren Stellen von diesem Fall.
Naeh Polybius konnte man nm die Mitte des 2. Jahrhunderts
T. Cbr, In Bom fOr ein Talent einen geliebten Knaben kanfen.
Dennodh war durch Oeseta die EnabmcSiladiing Terhoten, und zwar
war es die hex Sealima,^ die sie bestrafte; die Höbe der Sfenfe» die
dueh dieses Gesets feetgesetit war, wird Yersobieden angegeben.
Awdi Cieero spriebt mebrfiMdi Uber das Thema; er sagt in seinen
Taskalsneii,^ dass die EntblOssnng des Leibes nnter BOigem der
Sdisnde Anfing sei Die Gymnasien der Oifeeben haben naeb
Cieero dfese Gewobabeit erwogt Was die DIebter mit des Ganjmedes
Raub beswecken, steht na<A Cieero gleichfalls in Zusammenhang
mit der Päderastie; aber man müsse die Liebe und Freundschaft
trennen; denn die Liebe zu einem Manne sei doch etwas anderes,
als die Freundschaft mit dem Mann; das gehe schon daraus hervor,
dass niemand einen hässlichen Jüngling oder einen wohlgestalteten
Greis liebe. Dem Marcus Antonius wirft Cicero') ?or, dass er
^ Das Fiats? ebne Toa OUron«!* Teii^eieiM&d« Ii»b«inlMsdireilniiig«ii.
AuB dem Oriecbischen ttbeiMtit yon Ktiltwasser. 3. Teil. Magdeburg 1801.
Lebensbetchreibtmg do? Marcus Cato, 17. Kapitel Ferner Lebeosbeschreibung:
des Ti tu8 Qu i n 0 1 i u s Flamininns, 18. Kapitel. Den Fall erwähnt, allerding^s
etwas ondenj, auuli Cicero de seneeiutCy 12 Kapitel, desgL Liviua, Lib, KXXIX,
cap. XLL lÜBe w«ifera Stalle, die die Kwbenllsbe betrifft, findeC skh in den-
Miben Bnche des Liviiat» 18b bfitel.
- ) Änch Scantinia genannt; erwähnt von Cicero in den Briefen mf Fami-
liäres Vni, 12; femer von Sueton in der Lebf iisbesohreibunLr des Domitiani
8. Kap., von Juvensl, Quinctilian, Aasoains, Tertallian.
- ) Zwaite FhlHppladke Mb, \%, Kapitel, do.
58
GiMur.
sich in seiner Jugend dem Cains Soribonius Cnrio hingegeben
liabe. Er 0 nennt ihn deshalb FiHoUt Omrionis und beieiohnet den
Ca rio *) ab Ftr AnionH, Aneh dem G atilin a sagt er ') piderastisehe
Beaehnngen naeb nnd zwar in Oabinins.
Znr Zeit Cftsars nnd der ersten rOmisohen Kaiser gab es in
Rom so viele nnverheiratete Personen wie noch nie vorher (6. Chr.
Lichtenberg)*). Diese Zeit fällt gerudc mit dem deutlicliBren
Hervortreten der Päderastie znsammen. Niemals sollen sich römische
Weiber so entartet gezeigt haben, me damals.
Julius Casar wurde häufig der Männerliebe beschuldigt, worüber
Sueton*) und S. Aurelius Victor*) Mitteilungen machen. Die
ersten Kriegsdienste leistete Casar in Asien. Als er dort znr Her-
beiholung der Flotte nach Bithynien entsendet wurde, blieb er auf-
fallend lange beim König Nikomedes, und hieran knüpfte sich das
erste Gertlcht von Gäsars Männerliebe« der er mit jenem EOnig ge-
frohnt haben soll. Diesor Vorwurf blieb dauernd an dem grossen
Feldherro haften nnd veranlasste zahlreiche Schmähungen, die er sieb
von verschiedenen, Calvus Licinius und andern zuzog. Curio,
der Vater, bezeichnete ihn als Bordell, ein anderer als Bithyniens
KdnigüL Aneh Oieero spricht in mehreren seiner Briefe Aber G&sar,
der die BlMe seiner Jagend dem Kikomedes preisgegeben habe.
Cäsar mnsste sieh, da er im Verkehr mit dem weibliohen GescUeefat
aneh nidit gerade aUia keosoh gewesen zn sein sofaeint, von Cnrio, dem
Vater, die Bemerkong gefidlen tassen, er sei der Mann aller Weiber
und das Weib aller Männer. Anoh mit dem Freigelassenen Bnfio
soll Cäsar, nach einer Stelle im Sneton, widematorlidie TTnmeht
getrieben haben. Interessant ist bounerhin eine Gewohnheit Cäsars,
die an die später zn besehreibende Ersofaeinnng der J^emmaih er-
innert: er legte grossen Wert anf Schönheit seines Körpers, liess
sieb sorgfältig scheren und rasieren, und soll sich, ganz wie ein
moderner Urning, die einzelnen Haare am Körper ausgerupft haben,
um möglichst glatte Haut zu besitzen.
Auch der erste römische Kaiser Oktav ian, der Verwandte von
Briefe an T. Pomponius Atticus. 1. Bach, 14. Brief.
- ) Zwwito Fliilippisohe Bede, 90. Kapitel
^ Oratio pro dbma, 94. b^dtei, vgl a. 48. Kapitel ud Oratio poat red. wi
Smaiu, 4. Kapitel.
- ) G.C. Lichtenborn^ vermischte Schriften, Göttingm 184r). Bd VI. S. 398.
') C. Sueloni Tranquiil* IM Viia Caesarum ad V. Septicium darum
IVMfeohtm AvMfarü» Libri VRL Libri primi eap. 49,
«) iL Mp. hXXVÜL
Oktftviaa, Tibediu, OiligiUa.
Julias Cäsar, konnte sieh vur dem Ruf, Verkehr mit Mftnnem zu
haben, nicht scbfitzen, ja, es wurde ihm sogar nachgesajBft, dass er mit
seinem Verwandten Casar selbst geschlechtlich verkehrt habe; er habe,
wie Marcus Antonius sagte, sich nur dadurch die Adoption durch
Cäsar erworben. Bei einer BühnenTorstellong, in der ein Wortspiel
vorkam, wurde der darin erwähnte Ausdruck Cinädus vom Volke auf
den Kaiser besogen. Doch meint Sueton,^) dass dieser die vielfachen
Anschuldigungen unnatürlicher Wollast dorch sein späteres Leben
am besten inderlegt habe. Sin anderer Schriftsteller, S. Aarelins
Yiktar,*) ervihnt aller^gs Ton AngvstnSi dass er udtr duodeeim
eatamik» toHämnqite pt§dkis adatbare aoltkts erat, OutamUua ist aber
zoniehst der lateinisdie Name des Ganymedes und worde sp&ter
n einem Gattongsbegriff in dem Shme eines Bnhlknaben oder
Der zweite Kaiser, Tiberius, beiüchtigt durch seine Grausam-
keit, war m bedeutend höheren^ Grade dem Huf der Päderastie ver-
fallen. So soll er in Capri Scharen vou Madrhen und Lustknaben
zusammengebracht und unnatürliche Beischlalsw eisen erfunduu haben;
in Parkanlagen richtete er Stellen ein, wo er junge Leute beiderlei
G*'S(hIecht8 zur Unzucht auffunlerte. Tiberius soll einmal bei einem
Opfer darch einen Knaben so rrogt worden sein, dass er unmittelbar
nach dem Opfer diesen missbrauchte. Was Tiberius betrifft, so
müssen wir allerdings sehr vorsichtig seiu. Der Kaiser hatte viele
politische Feinde, und es ist nicht ausgeschlossen, dass seine Biographen,
X. B. Tacitas, Saeton, S. Aurelias Victor, zum Teil aus Feind*
schalt den Kaiser schmähten und ihm allerld schmntaige Gharakter-
zQge aoschiieben«
Des Tiberius Nachfolger Callgnla hat ach ebenso den Bnf
wideinatflrUcber ünsncht erworben. Ausser mit mehreren Fürsten,
die sich in Born als Geisehi anihielten, scheint er besonders mit
Yalerins Gatnllns ?erkefart za haben; dieser d<tofte am meisten
m des Galignla hieranf bezüglichem Bnf beigetragen haben« da er
öiTentlich erklärte, dass er vom Kaiser durch Unzacht krank gemacht
worden sei Aof diesen Kaiser beziehen sich die Verse des im vierten
0 C. Suetoni Tranquilli Dt Vita Oaeaanm Libri FZ£7. Lätri
nUeriw'* rap. 71.
'*) De Vita et Monbut* Jrnpn alorum l\'\}iiiuii,, )iin Cap. /.
') Vgl. dies Wort tu Karl Ernst Georgen aonftthrlicheni Lat-DeatBcbem
Hjukd Wörterbuch. 7. Aufl. 1879.
00
Claudius, Nero, Gaiba.
Jahiboodflrt a. Chr. Idwnta Dlohten AnBanini, die Maniegasia*)
2V«9 «NO Hü Mm: sh^mm dm 2>6rpäkmlur, '
M thio eommütutU; quatuor em reor,
IhBeris, extirtm» da siitgiäa üHmim, et Hhm
Bis mmer$8 medwin, gut faeU ei paiUitr,
Die Stelle kdüü uur bedeuten, dass Caliguia gleichzeitig aktiver
und passiver Pftderast war. £s zeigen sich bei diesem Kaiser auch
gewisse Erscheinnnpren der Effeminatio. Er war sehr eitel und liebte
die verschiedensten Kostüme; selbst im flatternden Gewände und in
der Tracht der Venus zu erscheinen scheute er sich nicht
Der Nachfolger des Caliguia war Claudius. Dass auch unter
seiner Kegierang Knabenliebe bekannt war, ist sicher. So wurde in
dieser Zeit sein Schwiegersohn Pompejns erstochen, weil ei in den
Armen eines von ihm geliebten Knaben gefanden wnrde.
Der Kaiser Nero war gleichfalls allgemein durch selneii an»
zflcbtigen Verkehr mit Knaben berüchtigt Den jungen SporuB liess
er kOnetlich auf jede mögliche Weise zu einem weibahnlichen Indi-
Tidnvm machen. Er Teieinigte sieb mit ihm dnich entspiechende
Heiiatsieiemonie imd Teritngte, dass er als seine Gemahlin behandelt
wHide. Da Nero dnioh seine Giansamkeit beksant vnd geRIrd&tet
war, wnide Aber ihn der Anssprodi gethan, es sei bedaoedieh, dass
sein Vater sieh nieht solche Gattin angesohaift hatten wie Nero
Mlbst; jedenfUls behsndelte der Kaiser den Sporns wie eine Kaiaeiin,
hosste ihn Olfentlieh nnd fthrte ihn oft mit sieh hemm.
Dass sieh Nero andereiseits sneh selbst als Weib fUüte nnd
rieh einen Hann nahm, nämlich den Doryphorus, sei gleichfUh
hier erwähnt Bruno Bauer-) erklärt freilich manches, was Sueton,
Dio Cassius, Äurehus Victor tlberNero anfiiliren, für eiu l'han-
tasieprodiikt seiner Gegner. Andererseits wirft Dio Casäius dem
Lehrer des Nero, dem Philosophen Seneca ?or, er habe den Kaiser
zur KnabenUebe angeleitet
Der Kaiser Galba stand nach Sueton^) mehr im Verkehr mit
Männern als mit Weibern, und zwar nahm er sich mit Vorliebe
Paul Haatcgaiaa: ABHuopdogiaeh^^idtiaAifloirbelie BtniieD ttber die
Oeschlechtsverhfiltnisse d«e MwMdmi. 8l Aiflige. Biniig latoritiflrte dentMilie
Ausgabe. Jena. 8. 116.
- ) Brnno Bauer: CbiistOB und die Cäsaiea. Der Urspnuig des ChriitoB-
tuma aas dem römisohw Grieohentam. 2. Auflage. Berlin 1879. S. 186.
•) a Suttoni Tranquilli Ih VUa Oaetarmm Ubri VUl LÜH
HpUmi «oyk 22,
OOm, Tiftw, Domitiaa, Tt9^ Hwifiaa.
61
hagere und in dar Unsoeht bewanderte Hftnner. Beeonden einen
eoU er vor aUer Welt dffentlieh anf daa IeidenBebafiUi<di8te geidM
Jiaben. Seineni Nachfolger Otho woide nndigesagti er habe mit dem
Kaiser Nero settwt verkehrt; jedenMe leigte Otho TieUaob wdbliehe
Gewohnheiten; er lieaa aieh, Shnliefa wie Jnliua Cftaar, die Haare
am Leibe hcranariehen.
Aneh der müde Eaber Titva sog sieht da er viele Verschnittene
um sich hatte, den Knf der Päderastie zn.
Sein Nachfolger Domitian scheint mit Clodius PoUio
geschlechtlich verkehrt zu haben. Intert^^sant ist eine Stelle bei
Saeton, aus der jedenfalls hervorgeht, dass es sicherlich selbst
bei den damals so entarteten Römern nicht immer für eine Ehre galt,
Umingsnatar zu besitzen. Als nämlich unter Domitian ein Auf-
stand ansgebrochen war, wurden die Hauptftthrer desselben streng
bestraft; zwei von ihuen wurden be^'uadigt; sie hatten nämlich den
Nachweis geführt, dass sie der Männerliebe ergeben seien, des-
halb in keinerlei Weise weder bei den Anführern, noch bei den
Soldaten ein bedentendea Ansehen gemessen könnten nnd daher nn-
gefthrlich aeien.
NerTa, der Nachfolger des Domitian, war unnatürlicher Lust
ergeben; er soll mit seinem Voigtnger Domitian bei dessen Leb-
leiten geoehleohllidi Terkehrt habsn.
Aneh die niehaten rOmiaohen Kaiser sind dnroh ihre Knabenliebe
bekmmt Seihet ein Mann, wie Trnjan, hat, wie Ferdinand
Gregore Tin s^) rar Charakteriaiemng der damaligen Sitten herfor»
hebt, der Mfamerliebe gehnUigt
Trajans Naehlolger Hadrian spielt eine gani besondere BoUe.
Sehl Liebling war ein junger, dnroh Sohönhsit ansgeaeiefanetfir Qiieehe,
Antinona, der sich anf einer Beise des Kaisers naeib Ägypten un
Nil daa Leben nahm. Es herrsdit noeh iamee keine Brnstimmigkeit
daniber, wie der Tod des Antinous zu erklären sei. Dass er der
Geliebte des Kaisers w;u", darüber scheint doch kaum üuch ein
Zweifel möglich zu sein; auch mehrere Romanschriftsteller, z. Ii.
George Taylor, 0. Linke haben den Sachverhalt so dargestellt.
Warum Antinous sich den Tod gegeben hat, ist mit einem Schleier
verdeckt; man weiss es nicht, ob er sich freiwillig für den aber-
gläubischen Hadrian geopfert hat, um ihn vor tinem Unglück zu
retten, oder ob der Kaiser das Opfer von ihm verlangte. Die alten
0 Ford. Qregorovins: Dor Kaiser HadriAD. Gemälde der italiM^
hdtoniachea Welt sa amt Zeit 3. Auflag». Stottgart 1884, a 17L
62
fieliogftlMi.
Sohiiftoteiler Dio Cassias, Spartianus, Aurelius Victur
sprechen sich verscbieden darüber aas; dass der Kaiser den Jüngling
nach seinem Tode ehrte, ist bekumt^ und wie Spartianus sagt, be-
weinto Hadrian den Antinoas wie ein Weib {mtUi^iier). Der
Kaiser liees dem toten Geliebten zn Ehren eine Stadt gründen.
Es seheini^ dass es sieh bei beiden mn eine wahre gegenseitige liebe
gehandelt hat; nach Ansicht einiger hat sich Antinons ans Qram
Aber den Wanhehnut des Kaisen in der Liebe das Leben genommen.
Jedenfalls wurde nach seinem Tode der Geliebte wie ein Gott Ton
dem Kaiser geehrt» der anoh w<^ nnn erst einsah, dass er wahre
Liebe ?erloren hatte.*) Hadrians Gattin Sabina wurde von dem
Kaiser sehr sofamachyoU behandelt Wie gegen eine Sklavin benahm
sieh der Kaiser gegeu sw, sodass sie mehrflush einem Selbstmord nahe
war. Die Kaiserin selbst sagte, sie habe es darauf angelegt, nicht
Vüu dem Kaiser geschwängert zu werden, da diet» für die Welt ein
Unglück sein würde.
Ein Hnderer Kaiser, Heliogabal, war ein ganz echter Urning.
Er kleidete sich als Weib, brachte seine Günstlinge m die besten
Ämter und wollte sich, ähnlich dem Nero, mit einem Manne trauen
lassen. Als der Unwille gegen den Kaiser si^ zeigte und ein Auf-
stand ausbrach, durch den er Krone und Leben verlor, wollte er mit
seinem Geliebten fliehen; aber er wurde von den Soldaten ermordet
Von Heliogabal sagte Lampridius,*) dass er per cunäa eaoa
corporis lüridiHm suseiperß. Seinen Eunuchen Hier o kies soll der
Kaiser so geliebt haben, ut eiäm inguim osadareHur.*) Er Hess
mst statt mit dem minnlichen Namen Bassian mit dem weiblichen
Bassiana nennen ; der Kaiser trieb viel Onanie und Hess sich, wie be-
hauptet wird, schliesslich die Genitalien abschneiden. Er starb schon
im Alter von 18 Jahren.
Auch unter den späteren Kaisern kam männlicher Geschlecht«-
Terkehr häufig vor. Marcus Julius Philippus (reg. 244 — 249)
gab sich dem Oeschlechtsgenusä mit männlichen Personen hin. Unter
seiner Regierunpr wurde einmal ein iniumliches Schwein geschlachtet,
bei dem sich weibhche Geburtsglieder fanden. Der Kaiser sah dies
') UiUeilangen des Herrn N. N.
- ) ħii4 Lmmpridii MUonimu Betiogabalm c. F, 2,
- ) J. J. Tirey: Die Anaidifreifliiig In der Liebe und ihn Volgeo flr Geist
und Körper. Historisch, DatargesohiehÜich und medizinisch dargestellt. Au
dem iTranzOsisohM von I«. flermaan, Leipiig 1899, S. SS, nnd Lnmpridiaa
0. VI, 5.
Spitec» Ktiier. Di« IMohter.
63
als Vorbedeutmig an, usum virüis scarti rmovendum; aber eine
andere Aaslegung sagte nwllissimum quemque heatuni fore. Auch
die beiden Söhne EonstaDtins des Grossen (reg. 306— 337), nämlich
KoDStans (reg. 387—350) ond Konstantias (reg. 337-^61) standen
im Rnfe bomoattraellen OeflohlecbtaTerkehn; letstaram irnrde be-
aondezs sein Verhiltnis zu den Yersohnittenen des Hofes yoigeworfen.*)
Was die rOmisehen Kaiser betriff^ so weist Dnpooy^) anf ein
Werk ?<m Hanearville*) hin, der anf Grand genanester Stadien
ron alten Hedaülen ond Steinen über die Sitten aar Zeit der rOmi-
sehen Kaiser wertyoUe Beitr&ge geliefert habe. Es seien dies, wie er
meint, weit wertvollere Beweisstadre als die Sehriffcen der Alten.
Unter anderem sei in dieser Weise ein Bildnis erhalten, das den
späteren Kaiser Angastns darstelle, wie er sich seinem Verwandten
Julias Cäsar hingebe. Auch Tiberius wird hier bei den wildesten
Orgibii dargestellL u. b. vv.
Ich habe eine Keibe römischer Kaiser genunnt, d^ren Männur-
oder Knabenliebe von jeher die Aufmerkäamkeit auf sich gezogen
hatte. Dass bei Tjebzeiten der Kaiser nicht nur diese porsönlicb,
soudern auch andere sich der Mftnnerliebü iimgaben, ist schon ge-
legentlich erwähnt. Indessen sind die Ansichten überhaupt darüber
noch geteilt, wie man das sittliche Leben zur Zeit der römischen Kaiser
zu beurteilen habe. Ludwig Friedländer^) bestreitet mit grösster
Entschiedenheit die so h&afige Annahme Ton dem damaligen Sitten-
verfall. Was die HomosexuaUtftt betrifft, so sind die Dichter and
Schriftsteller aus jener Zeit voll von Stellen, die hierauf hinweisen.
Ob und inwiefern die Eigenschaften der damal^fea oft wenig weibUohen
Franen die Yeranlassang fOr mannmfinnüolien GeseUeehtsferkehr
waren, blmbe dahingestellt MWarom ich keioe reiehe Fraa heiraten
wfll?*' fingt Hartial,») „WeU ieh nicht Last habe, die Fraa meiner
') Karl Fried. Beckers Weltgeschichte. 8. AnfL Herausgegeben voa
Adolf Schmidt. Mit dar FortseCnuigToiiSdiiard Ar&d. 4. Band. Loipag
1869, S. 155.
t) Edmond Dupony: LaBvtUtuÜm dan» l'Antiquüe. ^Üude d' Hygiene
nnaU, Pari» 1887. & »6.
- ) litLTictLty\\\%i MommmU pMt d» Ut vi» du diom (Xmt^ Gq»^
ehn Saheüus 1784.
- ) Ludwig Friediänder: Darätelluugen aus der SiUm^-^eschiclite Koma
in der Zttt von August bis zum Aosgaog der Antoniue. ö. Auflage. 8. Teil
LfliFiigiaM. &m
Martial Xlll. 18. zitiert bei Friodländcr, BatsteUungen aus der
Sittengeschichte Korns in der Zeit Ton August bis mm Amgug der AntMiin<>.
1. TeiL Leipzig 188b. S. 470.
I
64
FhidnUy Horn.
Ftaa m weidend £r fiuid, daw die Zieiern venriUiiiter «diOiier
KnalteD leichter m ertragen 8« als eine Hitgift ven einer HtUien.
1a Phftdrne* UVibeln des Isop findet sieh im vierten Bach als
15. Fabel ein Fromefbeos uberschriebenes Gedieht^ das in siendieh
dentUdier Weise die ümingsnator der Menschen behendeUi:
liogavit alt er ^ trihadas et tnoUes ntares,
gum ratio procreasset '^ es^pomU semx.
Die Gegenflberstellnng von Tribaden nnd molka mans lAsst
einen Zweifel darOber« dass gesehlechtlich zom Hanne hingesogene
nnd TObüeh ittUende Hinner mit moSks mar« gemeint sind« nicht
zu. Die Fortsetsong der Fabel bestätigt dies. Anf die Frage» anf
welche Weise Tribaden und tTminge erseagt wurden, antwortet der
Greis mit dner BnAUnng, deren Inhalt der ist: Prometheus, der
nach einigen alten Sagen das HensehengesoUedht etschalfen bat,
bildete getrennt von dem Körper die Sohsmteile; ehe er sie aber
den Körpern anfügen kann, wird er vom Gotte Baoohns zum Mahle
geladen. Von diesem zurückgekeiirt verwechselt Prometheus
halbschlafend und trunkeu die Schamteile und Ijefebtigt am Manne
die weiblichen, am Weibe die männlichen Geschlechtsteile:
adplicuit virginale generi masctdo,
et maaculina membra eu^poauU feminis»
Ua mme Ubido prmo fruUur gmuko.
Daher geniesst jetzt der Qeschleöhtstrieb einen verkehrten Gennss-
Viele auf msnnmännliche Liebe besfl|^ohe Stellen finden sich
in den Dichtungen des Borax. In seiner Ode an Talgias sucht
er ^) diesen wegen des Todes des Ton ihm geliebten Knaben su trotten.
Valgins hatte selbst anf seinen toten Uebling Traaerlieder gedichtet,
and hierauf bezitlit sich des Horaz:
Tu Semper urges /lebilibiis modis,
Mysten ademptnm, nec tibi Vespero
^urgente dcrcdfod amores,
Nec rapidum (ugiente Solem.
Horas wird wegen vers^edener Oden, die er an MAnner ge-
richtet, der Hinneriiebe beschuldigt Indessen scheint mir in ihnen
keineswegs ein swmgender Beweis an liegen. Ich finde, dass in
mehreren semer Gediohte, die als Hauptbeweismittel sagesehen weiden,
nichts enthslten ist» was die Annahme lechtÜBTtigen konnte. Die
- ) Hör ata anuMMim Lib, IL c I2L
Virgil, Putioiiiiis.
65
Ode,^) die an Ligariniis gmohtet Ult, ist allerdings etwas verdftohtig;
sie seloldert diesen als sohfliaen Jflngling, dessen Jngendsohdnheit aber
sipiter yeigehen werde. Mantegassa nnd Lombioso*) redmen
aneh Virgil m den Minnerliebhabeni; unter dem Namen Alexis
habe Virgil eeine Liebe an dem jungen Alexander unsterbliöh ge-
maobt; die zweite Ekloge Virgils ist jedenfldls sehr wichtig rar Be-
nrteOnng der Frage. In einer neueren Arbeit Ton L. Valmaggi")
wird anf die Homosexnalitit Virgils nnd aof das Fehlen der Hetero-
sexnalität bei ihm hingewiesen; der Dichter soll sogar in Neapel den
Beinamen Parthenius, d. h. Virgo, gehabt haben. Doch bestreitet
V almaggi, dass rs sich bei Virgils Knabenliebe um eine krankhätfle
Erscheinung c^eliäTi l It liabt, und betont die grosse Aasbreitoog der
Homosexualität in jener Zeit
Es sei noch auf den Roman des PetroninSt „Satyrikon" hin-
p(»wif>sen, in dem die Päderastie neben anderen Sitten des kaiser-
hchcn Roms von dem Autor behandHt wird. Kr ifft-Rbing zitiert
die Schrift als den ältesten Boman über Päderastie. Es ist nicht
ganz sicher, aber doch im höchsten Grade wahrscheinlich, dass der
Roman von Petronins selbst herrührt £in Brochstück des Romans
ist Cena Tnmaidiumis; dieser Teil, n. a. Ton Friedländer ins
Deutsche übertragen, spielt sur Zeit der ersten römischen Kaiser.*)
Nicht gSDS sicher ist es, in wessen fiegierangszeit die VorgSnge zn
▼erlegen sind. Bas ganze Sanken selbst ist gleichfiills mehrfach
flber^ngen worden.*) Der Verfasser des Ardinghello, Heinse,^ hat
gleichfoUs den Boman ftbersetzt, nnd zwar ohne anstOssige Stellen zu
▼extndem. Sehr ansfiihrlioh finden wir in dieser tlbersetsong die
homoseznelle Liebe geschildert; wir erfitfiren, wie der Knabe Giton
- ) Carwinum Lih. TV. Carmen X. Weitere Stellen bei Horaz, die von
der Homosexualität handeln, finden sich: Carminum Lib. IV^ Oarm. L v. 33 — 40.
^^odmi Liber L Carmen XIV. Sattrarum JAb. L Sat. IL p. 117 und 119.
Zn derAage der Bonosexnalitit des Horas vogL: G. B. Lesaingt SdhrifleD.
Dritter Teil. Berlin 1754. Bettungen de* Horaz. S. 42-57.
Arehivm dt PsMiiatria, seimsepeHoU ed aiUiropologiaerimmtUB VoLXL
F(ue. m—IV. Torino im).
- ) Ii. Yalmaggi: Virgüio anatHoioY in Ripisla äi FUologia e d'Jbtruxüme
«IfMiMO. fbrino 1890» OnrnnSthUarxiO. 8. 400.
- ) Petronii Ckna Trimalchtonia. Mit Dentachor Übersetznnff vnd «lidXieii-
den AnTnfTknngcn von Lndwig Friedlin der Lcipzi>< 1891.
' ) In einer früheren deatachen Obersotzung des Plomans ist, wi(? mir Herr
K. N. mitteilt, eine Inhaltsverftnderong in dem Sinne erfolgt, dass statt iüiaben
HMchen gesagt wurde, so deae die hemoaesaeUen Ecadbeinangen mitardfttekt abid.
") OeliaiiBe Geaohiohte des rtniaehen Bote nter der Begiernag dea Eaiaen
Nero. 2 B&nde. Born 178a.
M«ll( Xontr. SanMlanpAndiiBa.
66
flofthfloi, MaoedoBwr.
bald dtn eiBflD, bald don aadem Liebhaber befinedigt iL a. w. In
FriedUndera Aoagabe der Cem IVmaUMmi» finden wir gleicb-
filla einige SfceUen (x.B. in Kapitel XXYUP) und LXIII), die mt
weh! nnr auf die Enabenliebe beliehen Unnen. Aneb aonat treffen
wir bei rSmisohen Schriftstellem und DichterOf inabeaondere bei
Martial, Juvenal, CatuU u. a^ noch reichlichen Stoff füi unser
Thema.
Ebenso hatte sich schon der etwas früher lebende TibuU in
seinen Elegien ziemlich frei über KnabcnlieUe ge&ussert. Den Priap,
des Bacchus Sohn, fragt er, wie er die schöni-n Knaben gewinne;
die Antwort des Priap lautet, er solle sich hüten, den Beteueruugen
dea Knaben zu trauen, da sie den Meiiirni dt r Liebe aussprechen.
Auch die päderastisühe Prostitution soll unter den Kai^ru in
Born sehr ausgebreitet gewesen sein.
Aoaaer bei den Griechen ond BOmem finden wir die Homo-
Bflsnalittt «neb noch bei andern YAlkem dea Altectnma. Herodo t^)
und Hippokratea haben eine Erankfaeit beaebiieben, die aioh bei
den Scjthen zeigte. Die von ihr Befallenen pflegten sich als Weiher
zu kleiden, wobei sie sich auch allen möglichen weiblichen Be-
schäftiguDgsarten zuwendeten.
Bei den Macedoniern war mannmännliche Liebe ebenfalls wohl
bekannt; es wird sogar Alexander dem Grossen uach^esa^t, dass
er ihr ergeben, und dass Hephästion sein neliebter Wür.^) Die
Klagen des grossen Konicas bei des Hephästiou Tode vergleicht
Gregorovius*) mit den Klagen des Hadrian bei dem Tode des
Antinons. „Drei Tage sass Alexander bei der teuren Leiche,
lange klagend, dann vor Gram verstummt, ohne Speise und Trank,
am Kummer sich weidend und der Erinnerung an den schönen Freund,
der ihm in der Blüte des Lebena entrissen war. Es schwiegen die
Feste, Heer cnd Volk klagte um den edelsten der Makedonen, und
die Magier loeohten daa beilige Feuer in den Tempeln, ala ob ein
Chirnmojcio, in quo dtUektt eiu» MA«&ofi
rpore*' „iarpore^' gesagt.
- ) Pauli Zaeehiae medid Romani Quaeationes medieo-kgaies, lAber
fumhm, Uftia» MDCXJOL 8. S»-994 Tihthi» H Qme$Ho vUima.
- ) IHsierUUivncvla jvridiea, de Crimine Sodomiae, oder Von der Sodo«
miteray) exhihet Lndovicus Clafpius, Ualae Magdfh. Anno MDCLXIX.
•) H. Siurf bcrgr Zur Opsrliichte der Prostitution in Deutschland. In dor
Arbeit: zoi Piostituüunaüagc. Au^ den VerhandLungeu der 56. General versamm-
hmg der rliriiiiidi-wettftliiciiea GeOngnisgeseUadiaft am 9. Oktober 18M in
Dilieldorf. Düsseldorf 1884. S. 48.
- ) Alwin Schultz: Das hfifieoh« Leben SU ZM(d«rlfi]iMHiiger. 1. Ba»L
Leiptig 18tt9. S. 585-687.
6*
68
Zeit der Minnesänger.
Jahrhundert, das Zeitalter der Minnesänger, über das im allgemeinen
Diülit ganz richtige Anschanangen verbreitet zu sein scheinen.
Wenigstens ist die Minne keineswegs immer voll&Ukudig platonisch und
rein gewesen, und die Verehrung der Frauen ginjr nicht immer so weit,
dass grobe ünsittlichkeit hierbei vermieden worden wäre. Rudeck^)
bringt in dem Buche „Die Taebe einen Liebeskodex, der, wie er siii^t, in
moral-historif?cher Beziehung als unbedingt authentisch anzusehen ist,
und der § I dieses Kodex lautet: Die Ehe ist kein Hindernis fär
die Liebe- Der Gatte verlor als Ehemann das Vorrecht der Treue,
weiches das Gesetz der Liebe den Liebhabern zugestand. An dem
grossen Ansehen dieses Kodex ist nach demselben Forscher gar kein
Zweifel. Ähnlich drückt sich Ober diese Dinge Moncaut^ aas- In
dem Kapitel, das VAmonir aom Ub Troubadours et lea Trcmieres
Qbenebrieben ist, meint er geradeso, es sd jeAit der Krieg erUArt
zwisefaen der Liehe und der Bhe. Die Bhe rerteidige swar ihr Temin
noch in der alten Aristokratie, aber bei der Jenne Provence werde sie
als eine Tyrannei nnd eine BrutaKtit der merowingisnhen Sitten an-
gesehen. Sie wird fOr miTertriglich erfclftrt mit der Idebe» nnd iwar
in einem solehen QiaA% dass die sarte Neigung in dem Augenbliok
anffaOrt^ wo iwei Liebendei die vorher intim vereint waren, inr Bhe
sehreiten. U. a. finden sieh in dem Bnoh von Fa]ke^ nnd gans
besonders in dem grfindlichen nnd aosAlhrliohen Sehultzisohen Werke,
dem ich auch die folgenden Mitteilungen über die Päderastie ent-
nehme, mannigfache Jjnzelheiten , die die damalige ünsittlichkeit
charakterisieren. In En^'hiiui war die I'äderastie, oder wie dieser Akt
gewöhnlich bezeichnet wurde, die Sodoinitorei, stark verbreitet; aber
auch auf dem Festlande findet sich dii widematflrliche Unzucht so
häufig, dass kirchliche Versammlungen vielfach dagegen einschrt itun
mussten. Besonders sollen die Geistlichen selbst das Beispiel gegeben
haben , und zumal in den Klöstern soll in der damaligen Zeit die
Päderastie zuerst wieder aufgekommen sein. Mehrfach wurde die
Todesstrafe, und zwar der Feuertod, auf dieses Verbrechen ge-
setit Baa Verbreohen selbst wnrde als Ketaersi beaeiohnet, weil
') Wilhelm Radeck: Die Liebe. Kultur- uud moralhistonscho Studien
iber d«ii Bntwiokelimgsgang deutschen CMttUs- und Liebeslebens in alltn Jahr-
hmideiten. Loipsig. 8w 166 ff,
- ) Ci'nac HoDcant: HUioire de V Amoitr dam les Temps modernes ekex
U* Oaulois^ les Chretitnay Im Barbares et du Mo/j/em Age eas IHK-hmtüme aiide,
Paris 1863. S. 221 ff.
') Jakob Falke: DiA rittarlidie OeoiJlichafft imZeitalter des Fraaenknltas.
Bwlhi. & 168.
fCampelritt«.
69
mm ea den ketzerischen Sekten, besonders den Bulgaren (altfranzOsisch
Bougres) zuschrieb. Bei den danudigen Sohiiftstellem finden wir viel-
&oh die Fidenstie enraimt, R 1>ei Heinrioli Veldeka^} Qo-
nanen Angaben hierober findet man in dem erwUinten Werke Ton
Sohnlta. ffinzngefogt aei nooh, daaa, wenn GeiaUiche bei einem
Boideil Torbfligehend, anf den Znrof der Weiber dieaea nicbt aofort
betraten, ihnen oft daa Schimpfwort Sodomit naehgeraien wnrde.
In Fhmkieieh aoU die Pideiaatie aUgemein nach den Eienniigen
eingefUirt worden aein. Philipp der Schone trat sehr entschieden
dagegen anf. Unter seiner Begieraag firnd der berachtigte Ftoiesa
gegen die Tempelritter statt Schwere Anklagen wegen ünzacht
wider die Natnr wurden gegen die Mitglieder des Templerordens er-
hoben. Ein früherer Komtur des Ordens Squm von Flexiau war
der erste Angeber. Ks scheint aber doch noch zweifelhaft zu sein,
wieviel von den Anlvlagen auf Wahrheit beruhte. Interessant ist immer-
hin ein Brauch, der bei der Aufnahme neuer Mitglieder bestanden
haben soll. Der Aufzuuehmende hatte den lourptor aul einen „un-
gewöbulichen oder unanstand 1^(11 zu diesem Zwtrke entblnssten Teil
des Körpers" zu küssen, um durch Scham zur Verschwiegenheit ver-
anlasst zu werden. Henne am Rhyn/) dem ich dies entnehme,
bezweifelt zwar die Richtigkeit dieser Angabe, glaubt aber im fibrigra,
dass ünsittlichkeit im Templerorden oft vorgekommen sei. Die Zeugen-
ansaagen bei dem Prozess^) gegen die Tempelherren sind zum Teil
ungemein belastend auch ui Bezug auf das Verbrechen der Sodomiterei.
Die einen gaben direkt zu, dasa aie yerpflichtet worden seien, sich
widematOrBohen Lllsten anderer Tempelritter rar Yeifbgimg au atellen;
ein grosser Teil der Temommeaen Zeugen hehanptete freUidi, dasa
daa Znsawmewsohlafen sweier Tempehitter swar Mnfig voigefcommen
aei, daaa diea aber seine Uiaaehe in dem nHangel an Betten gehabt hatte.
Wie Karl Jnlina Weber^) hinsvfllgtt entsofanldigten die Tempel*
') Bit Hattar dar Laniw wiift in des Diehtais fiMit d«ai Mam» fiodonü-
teni vor: Her fMdnaato nie wib. Bin ist m sagraiie niht gAt, Was her mit den
auumeD tüt^ Daa her dar wibe niene gert (nach Schnlts zitiert).
•) Otto Henno am Rhjc: Da.s Buch der Mysterien. Leben und Treiben
der geheimen GeaeUüchaflen aller Zeiten und Völker. St. Galleu 1869. 8. 189.
VgL aaoh Otto Hanna am Bhyn: Oaaoliiehte dea fiittertums, Leipüg, ä. 197,
wo dar Yatfluier gaiadan aadara Asklagn, die dar Aoataitd an aMman varhiataC,
anf böswillige Erfindoog zurflckftlhrt.
•) Daniel (lOtthilf Moldenhawer: Prosess geg(»n d<»n Ordou der
Tempelherren- Aas den Origmalaktea der päpstlichen Kommisttion in Frankreich.
Hamburg. 1792. Vgl. u a. hier S. 256, 259 ff., 300, 489, 480.
Karl Jnlina Wabar: Dia KSnoharaj odar geachicktliohe Dantellong
dar naatar-Walt 1. Band. Stattgvt 1819. S. 80a
70
Katholische GeurtUohkeit.
henen ihre mmatflilichen Lflste damit: ut possini Merare etäiäUaim
terrae uHramarwae et ne diffamentur propter mulieres. Später gaben
die PraDZüsen den Italienern schuld an der EinführuDg der i'äderasüe
in Frankreich, znmal den Begleitern, die Katiiarina vun Medici nach
Frankreich mitgenommen hatte.
Dafls man bei der Yeraclitun^, die mannmännlicher Geschlechts-
verkehr fand, ihn auch sonst Gisistlichen und anderen Angehörigen
der katholischen Kirche vorwarf, kann nicht verwundern, da ja deren
Feinde ebenso wenig wählerisch in ihren Mitteln waren, wie die Kirche
selbst Von dem Pariser Klerus wird aus dem MitteMtez berichtet, 0
dass er der Päderastie und Sodomie verfallen war.
In den Aurea Monita des Jesuitenordens, deren Echtheit aller-
dingfl nooh sweifolhaft ist, werden als Ursache der Ausstoasong
Fleischessanden, unter denen Sodomie obenan steht, genannt; es wird
jedoch die Besdirliikiaig hiniogeDDgt, dasa die Obern davon absol-
vieren ktonen. IKeaen wirft Earl Julina Weber*) groeae Kachaieht
gegen widematQrliohe LOate vor. Daae anoh bente noeh gerade
katlioliaolien Oeiatliehen und beeondera den Jeaoitenf) homosemieUe
Akte gern naehgeeagt werden, oft aneidinga ohne Jeden Bewda, iai
bekannt Man veigesae nieht, daaa die Jesoiten überhaupt oft genug
ana politischen Qrflnden oder ana blosser Gehässigkeit Tcrdiohtigt
wurden, nhd dies war ja besonders leicht in sexneUcr Bedehang.
Aber andi die entschiedensten Qegner der kathollselien Sirohe
mussten sich mitunter derartige Angriffe gefallen lassen. So wurde
bekanntlich auch Luther vielfach, u. a. in einer Komudie,*) zur
Zielscheibe von allerlei Angriffen seiueller Natur gemacht, wenn auch
nicht gerade die Homosexualität hierbei mitspielte.
£arl Julius Weber berichtet über das Klosterleben am Ende
>) Jacobus de Vitriaco: Uistorinp nrtidentalü libri ckto, quortan prior
crienkUü, alter oeeidmtcUis irucribüur, Ikmai 1697: U, 7. Zitiert nach der
Broaehtre: Klenu, Kirche und Staat gegenfibar der Ftostitiition, natet ehuni
Atthang Uber die Argmnentatioa des üniTenhlliprafcnon Thiertoh gffgea
Dr. Friedrich Wilhelm Müller. Erlangen 1868. 8. 9 f.
- ) Karl Julins Weher: Die Möncherey oder geschichtliche Darstellung der
KloBter-Welt IMtten Bands erste Abteilang. Stuttgart 1820. S. 814.
- ) VgLOotaToMirbean: SebttaUmBoA^ Roman d»mMun. I^H»1S90.
S. 175 ff"
- ) Simonis Lemnii Lairatus Poetici, Cosmopoli MDCCCLXVI. Die erste
Auflage dieser Schrift ist wohl ungefähr 1RB8 erschienen. Einigo weitere Ineravif
bezügliche Stellea siehe in Karl Jalias Webers sfimtlichen Werken, 27. Band.
Stnttgai 1 1841 (Demoeritot od«r blnttflHMne Papiere einet laohenden Philosophen,
18. BMid). 8. 979.
XktteilebeD.
71
des 18. Jahrliunderts, wie er es selber kennen gelernt habe. In dem
Kloster Eberbach gab es KastrafceDf die als Singknaben angestellt
waren ; ein Lieblingsspiel der MOnohe war es naoli Weber, nHoduteit
halten. „Es mag imBcbiildig dabei zugegangen sein, wie irii ans
chrisflicher Liebe annehmen wollen, da wir nicht selbst dabei waren —
aber miTergesslich sind uns die Fannenblicke, die MOnohe, Tor-
zflglioh Italiener, anf lohOne Jünglinge warfen, nnd sie kfissten, wie
Jupiter den Ganymed nnd Sokiaiea den Aldbiadea g^Qaat haben
Bonen.** In Dentsehland nannte man diese Feste anscfaeinend sofaon
fiel firflher wibolie Hocihieit
Sollt ich, die SodümiUscb sind,
. Der Waischen Hochzeit grausam Schaud
Erzählen, ihr würdet alle samt
Ein'n Gr&uel han, erschrecken drob.
Weber ^ giebt dem Gdlibatgeseti Yon Hildebrand die Hanpt-
eofanld daran, daaa die katholiaehe GeietUoblrait nnmitteibar nach Br-
lass deeeelben ünmer mehr m die sehlndliohste Uhaneht Tersank, ja
selbet in widetnatOrliehe Laster veifieL Wenn anoh naeh Hegel
das OOlibat der'katholiaohen ffirehe nieht sowohl gegen die Nator
als gegen die SitUiefakeii verstOest» so bleibe doeh dahingestellt» wie-
viel mannminnliehe Liebe dnioh ein solehes Oesets her?oigemfen
gehl kann.*)
Dass auch sonst die Päderastie im Mittelalter stark verbreitet
war, geht aus zahlrüiGliün Stellen hui den verschiedensten Scbrift-
stellem hervor. Antonio Beccadelli aus Palermo (1394 — 1471),
der unter dem Namen Panormitanus bekannt ist, geisselte im Her-
maphroditos die aanatOrUchen Laster,^) und ein Minnesänger aus
- ) Lfunentetion oder Klage des deatsehen Landes 1549. Yen dem Wfirttem-
bergiflcben Dichter J.Schradin Ton Bentlingen. J.Voigt, Pasquille und Spott-
lieder ans dem 16. Jahrhundert. Historisches Taschenbuch, 9 Band, S. 500.
(Zitiert nach Oskar PnniTiza* Der teutsche Michel und der Kömische Papst
Altes and Meuea aus dem üampie des Teutscbtuuis gegen römisch-wälsche Ober-
liitoBg imd SevoiiBiiBdiing in SSe Leeen mid SHttfea. lOt einem BegleitmrC
von Michael Oeorg Conrad. Leipzig 1894. S. 259)
") Das Pabsthnm und die Piibste. Stuttgart 1834. 1 B<1. S. 14«.
•) Das belannto Buch „Liber Oomorrhianus'-, in dem Damiani die Äns-
Mibweifaogeu nnd Fleiacbewünden des Klems schildert, erscbiea bereits vor der
Begiemng Hildebrands. Das Bneb wurde Leo DL stell dciseii Thnnbestefguig
überreicht, wie v. Choinaki in «Ob die Ehe der ehriitUehen Oeistliokttit an-
etebt, Posen 189i}« erwähnt.
- ) Lu (1 w ; Geiger: Kenaissance und Homaiiisiniis in Italien nad Deataoh-
land. Berlin löö2. S. 253.
72
Hof LadwigB XIV.
dem 13. Jahrhundert, Gauthier de Coincy, eihob üjch aemer Zeit
gegen die SudomiteB.
La grammaire hic ä hic accouple:
Mais ncUure maldU le coupU.
La mort perpetuel en genre
dl qui aifiie masculin rjenrc
Plus (ßte le femcnin ne face
Et J)icu äe son livre l'effacel^)
Bnri]meD wUl ieh, daas spftter, lu Zeit Lndwigs XIY. am
fnunOnaobeik Kdnigsliofe die Homesenialitit eine grosse AvedeluiOBg
enei^t haben aeU. Ednard Bod ernannt meint, daaa nur znr
Zeit der lOmiaelieB Lnperatozen eine ähnliehe Sittenverwilderang ge-
aehen wude, wie in dieaer Zeit Eliaabeth Charlotte, Lud-
wigs XIV. Sohw&germ, scbreibt an die Kurfttrstin Sophie: „AUeg,
waü man in der Bibel von dem liest, wie es vor der Sündflut sLaüd
und in Sodom und Gomorrha, kommt noch gar nicht gegen die
Lebensweise hier in Paris auf. Die Weiber sehen aus, als wenn sie
aus dem Tollhanse kämen ; so wundert uiaa sich nicht mehr, dass
die Mannsieutt; die Weiber verachten und sich unter einander liebeu —
Männer verkehren mit Männern, Weiber mit Weiltern, es ist abscheulich !
Ausser dem König, dem Dauphin, meinem iSohn und noch drei oder
vier anderen ist hier kein einziger, so nicht mit diesem Laster be-
haftet ist; sie verkaufen sich alle um Geld. Wer sein Kind will recht
erzogen haben, muas es nicht nach Frankreich 8oiiioi£en, denn sonst
wird es niehta ala Brutalittti ala Ansaehweifongen nnd italieniaohe
Laatef kennen leroen.**
Aneh ana dem Orient tfMam wir manefaea Aber die gleieb-
geaehleehtliehe Iflnnetüeba hn Mittelalter. Ea aoU aehon aar Zeit
Konatantina in Konatantinopel affentliehe Hiuaer gegeben haben,
in denen IfBnner ebenso kBoflioh an haben waren wie Franen.
Unter Bajeaid L (reg. 1889—1403) aoll die Ejiabenliebe im
tOrUadhen Boeh allgememen Eingang gefonden haben. Den Yeaier
Ali-Paaoha loekten die ehiiatüohen Knaben; er lieaa aie wegen ihrer
>) Theologie eeUkolique. JfiwdltMogrA» merak n$alrimaniate par w» aneim
0umoine. Paris. S. 184.
- ) Eduard Bodemann: Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Herzogin
von Orleans. Historisehes TMohenbach, begründet von Friedrich Räumer,
hanrnsg^bm voa Wilhelm Manien breebor. 6. Folgei 11. Jahigug.
7S
4
aohOBon Gestalt sehr bidd ta Pagen erheben; dies soll den Beginn,
edert was nur nohtiger seheinti das offene Hervortreten der Knaben-
liebe im osmaoisefaen Bdch bewirkt haben. Viele Erlege gegen die
Ghriaten sollen lediglieh n dem Zweite gefOhrt worden sein, am
ehiistliehe Knaben fftr die ITnsiieht der Toilen an gewhiBen und
damit die gelichteten Reihen der Pagen zn ergfinten. Griechische,
serbische, balgarische, ungarische Knaben mussten der Lust ihrer
Herren fröhnen und gelangten dadurch oft zu den hervorragendsten
StelloDgen. Wie sehr selbst bis in die neuere Zeit im Orient die
Enabenliebe in die Öffentlichkeit trat, dafttr ist anch charakteristisch,
dass Ende April 1771 bei Beginn eines Peldzuges der Grossvezier
Befehl erliess, alle „Lotterbuben" aus dem Lager zu entfernen; dem
Befehl wurde übrigens nicht nachgegeben.*)
Sowohl wegen des starken Hervortreteus der Päderastie, als auch
wegen des Haremsinstitutes und ähnlicher Eiurichtimgen ist nicht
selten dem Muselman der Vorwurf der UnslttUchkeit gemacht worden;
es sei deshalb erwähnt, dass ein ausgezeichneter Kenner der Ver-
hältnisse, August MflUer,*) meint, dass unter den Moslenün un-
endlich viel weniger ünsittliohkeit an finden sei als im Abendiande.
Viele orientaüaohe, Uhddsebe aoiwohl wie persische, Diohter be-
sangen die Minnerliebe. HQsali hat nUieiche Biohtangen nnd
andere Hitteünngen über das Thema geeammelt leb entnsihme
einen Teil der folgenden Angaben dieaem Antor.
Der taiUsche Biehter Rnschenl hatte ein Liebesvedilltnis mit
Cbjsr, einem sehönen Jüngling. Der tückisdie Weise Ssaadi
Tsohelebi, bekannt dniob seine Tugend, hinterliess ans eine ganze
Beihe von Diefatongen, nater anderen folgendes Ghasd an einen
Jüngling :
Deiner Schönheit heller Mond beleuchtet die Welt;
Dtine schwanen Augen rauben mir den Verstand, etc.
Des bekannten Kalligraphen Ssaji Verhältnis zu emem schönen
Knaben, dem er all sein Geld schenkte, wird gleichfalls geschildert
In Persien finden wir die Dichter vielfach die Männerliebe be-
singen. Sadi hat uns eine Reihe von Gedichten hiüterlasseu, in
denen er seinen Geliebten anbetet Kach des Geliebten Tode klagt er:
Joseph V. Hammer-Poigstall: Geschichte des Osnuuiisohen Beiches.
Pesth 1840. 4 Bände.
- ) Augnst Mitller: Der Islam Im Morgen- und Abendlaade. Min laSK.
& 906.
74
OiienUUMhe Dichter.
Dass meine Augen die Welt, die meinen Geliebten entbehret^
Nicht mehr süben, dass ich unter der Erde mit Dir
h&ge, wo jetzo weinend aui' deiueiu Grabe mein Haupt liegt.
Bei der Izenniug vom geliebten Manne klagt der Dichter:
Bitter and aiM iat der AbBcbiedakoas aa der Lippe des Freondea efeo.
Dfli Sadi Diehtongm Aber Liebe aind von gani beeondenun
Weil; der Biebter lebte mn 1800. Er anohte in die Diebtangen,
die von manrnnünnKnltfff Liebe baadein, ateta einen aittliebeii Gmnd-
sng einsofleehten. So wird einmal die Inge anigewoifiBn: wie ea
kommt, daaa ein Ednig, der die aobOnaten Jünglinge in aeiner Nibe
bat, doeh einen weniger aohOnen liebe? Die Antwort iat» weil daa-
jenige, waa der Seele geftllt» anob den Augen aehOn eradhttnt
Ea 8^ endlieh noch der berromgende peiaiaebe Dieliter Hafis
(t 1389) genannt, der Anakreon der Perser, wie ihn Bamdobr
nennt. Fast alle Gedichte des Hafiz sind an seine Lieblinge ge-
richtet; er war der ausscLweifüiidcü Liebe au sie crgebeu.^) Hier
darfte wohl der sophistischste £rklärer die Männerliebe kaum weg-
disputieren können:
„Wenn der liebliche Mundschenk mir hold w-ire, so würde ich
mit den Haaren meiner Augenbranen den Boden seiner Behausung
kehren." „Der Wind berührte deine Haarlocken, und vor Eifersucht
verfinsterte sich die Welt Ober mir.** „0 Liebling! Des Mondes
Glanz leuchtet aus deinem Qesioht hervor, und in der Grube deines
Kinnes liegt ein Quell von Heizen! .... Möge es mein Schicksal
aein, immerfort deinen zuckersüssen Mund zu küssen!"*)
MewUna Dschelaleddin Bnmi, der henronagendei 1273
geatorbene persische Dichter, hat una gleichfalls u. a. ein an die
Mfinnerliebe erinnerndes Qedioht hinterlaasen, von dem einige Zeilen
naob Baokerta Übeiaetning folgendenaaaaen lauten:
Die Boie irt das bfiehte laebesieicfaeD,
Dem Henemfreond will die Boie leiehea,
.... Die BoBB tirtlgt den stilleii Don am Heraen,
Weil nie die Schmeneo von d«r Liebe weiohen.
') Dies wurde wemgsteas dem Dichter nachgesagt. G octbe. der Iti^kanntlich
von sich selbst sagte, dasp er die eigeuea Liebealieder selbst erlebt habe (eine
Araudunes die raob^ ■ehlwidiett FiMwohem ab eia Gbaiaklerisliilnini Ooethes
angesehen wird), spricht ttber Hafis eine aodere MeimUlg aw. Nach Goethe
(Noten nnd Abhandlungen zum west- östlichen Divan : Hafis) hat Hafiz Ana in
soinea Gedichten vorgetragea, was seine Zeitgenossen gern hörten; rinf des Hafix
Privatleben könne man aus seinen Gedichten einen Scbloas uiciii maciioo.
^ Die iBfenbilen Steilen rind dtni Baehe vom Bernd oh r entnommeii.
Düte.
75
Besonders wird tou den persischen Dichtem auch der Schenke
besongeo:
Auf dem Schenken lag mein Auge,
Auf der Laute lag mein Ohr
In einem andern Qediohte heiast es:
Komm*, SehMike, denn ich miOolite dir so gno» dienmi.
Im "Vorhergehenden habe ich die mai inmännliche Liebe, so weit
man sie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts beobachten konnte, be-
sprücben. Wir sahen, dass sie im Abendiande vom Mittelalter an
als ein Laster gebrandmarkt war, dass sie sich abr r im Orient eines
gewissen Ansehens erfreute.^) Charakteristisch für die abendländische
Auffassung ist die Darstellong bei Dante. Es werden von ihm die
Strafen für diejeoigeii, die sich der Sodomie schuldig gemaoht haben,
geecbildert:
B jßerh U minor giron aitggeUa
Dd segno m40 e Sodoma e Caorsei,*)
Des engsten Ringes Brandmahl dnun empf&ht,
Was Sodom nnd Gabon als Sitte lehret*)
In 15. Oessnge wird geschildeit» nie Dante unter ta wegen
Sodomie Beitiiften seinen frflheni Lehrer Brnnetto Latini trifife
tud bd dieser Gelegenheit wird von anderen, die wegen Sodomie
bUssm, heriohtst:
iVisetof» sen va con queüa iwrba grmna,
E Fnmoetco iPAowno ameo; e veäervi
8ß oMssi mmto di UA Ugm Jmma,
(kUm poiii die äaH sarvo de* sem
JFW iraamutato ttAmo in SaeeM^umef
(he laee^ Ii maf pinUm nerm.^)
Prisdan liaft mit in dieser Seher Ton Zähren,
Fnnoesoo von Aooono anoh, imd bricht
Die Lost die Übersehaa Ton solehen Sehwlrüi,
KOnnt'st dn den sehn, den der Eneohte Kneeht
Tom Arno trieb zu Bacchiglione's Strande
Wo ihm die aige Gierde sieh geeofawacht.
■) Doob wofden wir im Kapitel ttber IbieosiBefaes sehen, daas diaa nieht
aUgemein giltig iit
•) Zitiert nach LaDirina Commedui di Dante Alighieri enmmentaia da
O. A- Seartaxxini. Volume jn-imo. ///«/erw). Leipzig 1874. tkiuto XI, 49, 60,
- ) Zitiert nach Friedrich Nottern Überaetxuug. Stuttgart.
«) Vinfemo, (kmto XV, 109-114,
Oootlw.
Awh der 10. Gesang lumdelt teilweise von der Sodomie. Dass
flbiigm Branetto, von dem Hottei es bestreitet, und die anderen
hier genaanten, Priscian, Aecorso und Andrea de Mozzi, der
als dritter gemeint iat, wirklieh PAderastie getrieben haben, dafOr
finde ieh weitere Anhaltepnnkto mcbt
Stark ttinnem an die HomoaaxnalitAt aodi einige Yene im
xwdten Teil von Ctoetbea Ymt lob lasse es dihlngesteUt^ inirie-
fem in dem Umstand, daas Hepbistopbelea die homosexuellen
Noignngen renlt« eine moralisohe Brandmarkimg deiselbfln an finden
ist Ieh flgo jedooh hinso, dasa naeh einer mir ?on mToriMger
Sdte gemaobten piiraten Ifitteflnng, abgesehen Ten diesen Stellen in
Goethes Fanst» noch einige bomosexnelle Bleglen von Goethe
existieren, deren YerOlfentliohQng jcdoeh iM% beabsiefatigt ist^
Ans Goethes Faust sei eine Stelle hier wiedergegeben. Sie
findet sich gegen Ende des zweiten Teils. Einige Stellen, die sich
iu früheren Akten (h sselbeii liiideu, glaube ich inclit iui honiusexuellen
Sinne deuten zu müssen. Ich erwähne dies, weil nur privatim von
umischer Seite der Verdacht ansgespruchen wird, dii&6 auch diese
Stellen homoseinell seien. Hingegen scheinen mir folgende Verse
kaum einer anderen Deutung fähig zu sein.
Hephistopheles: Hat inioh ein Frandas dnxdi md dnrdigednmgai?
loh mag rie gerne aehn, die allirliebsten Jungen;
Die Wettarbaben, die ich hasse,
ffie kommen mir doch gar zu lieblieb Yor!
Ihr schonen Kinder, lasst mich wissen:
Seid ihr nicht auch von Lucifers Geschlecht?
Ihr seid so hübsch, fürwahr, ich m{5cht' euch küssen,
Mir ist's, als kommt ihr eben lecht.
Fs ist mir bo behaglich, so ntitürüch,
Als liätt' ich euch schon tav;sendmal gesehn;
So heimlich-kätzchenhaft begierlich;
Mit jedem Blick aufs Neue schöner schön.
0, nähert euch, o gönnt mir einen Blick !
Engel: Wir kommen schon, warum weichst du zurück?
Wir liüheni uüs, und wenn du kannst, so bleib!
Mephistopheles: Ihr scheltet uns verdammte Geister
Und seid die wahren Hexenmeister;
- ) Eine gleiche Mitteilung bringt Marc - A ndrc Eaffalovich ^rri//,/>w«
et umWmaJiV. Lyvn-Paris is'.K), .V. lUd), der auf eine vorübergehende Homo-
gexu&IiUit üoethett ttchlieiist Vgl. auch fc>. 27 deüMelbeii Bucbea.
Goethe.
77
Denn ihr Terf&liret Mann and Weib. —
Welch ein Terfloehies Abenteuer I
bt dies das LiebeMlemeni?
Der gaaxe KOrper steht in Feuer,
Ich Ähle kaum, dass es im Nadten brennt. —
Ihr schwanket hin und her; so senkt eneh nieder!
Bin bischen weltlicher bewegt die holden Glieder;
FQrwahr, der Emst steht eneh recht aehttnl
Doch mifoht' ich ench nur einmal Ucheln sehn,
Das wire mir ein ewiges Entzücken.
Ich meine so, wie wenn Verliebte blicken;
Ein kleiner Zug am Mund, so ist's gethan.
Dich, langer Barsche, dich mag ich am liebsten leiden,
Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,
So sich mich docb ein wenig lüstern an!
Das lange Faltenhemd ist übersittlich ^ -
Sie wenden sich — Von liinten üni-zuBehen l —
Die Backer sind doch gar zu appetitlich!
Der Sinn dieser Yeise wird noch dentliober dorch des Mephisto-
phetes spstere Worte:
Gemein fJplüst., ahsnrdp T^iebschaft wandelt
Den ausgepichten Teufel an.
Auch im west-tatliehen Divwn finden ach einige deutlich homo*
sexuelle Stellen, und zwar im Schenkenbnch. In dem einen Gedicht
wird hier der Schenke als zierlicher Knabe angeredet; in dem folj^enden
erwähnt der Schenke, wie ihm der Herr die Stirne kusst. In einem
weiteren Gedichte, das „Schenke" überschrieben ist, heissl es:
Doch ich liebe dich noch lieber.
Wenn du küssest zum Erinnern,
Denn die Worte gehn vorüber,
Und der Kues, ätx bleibt im Innern.
Ein andermal wird der Schenke als Liebchen angeredet, und später
H atem von Saki geliebter Knabe. Dass es sich hier aber um eine
thatsächliche erotische Zuneigung handelt, geht am besten aus einem
Gedicht hervor, das: „Jene garstige Vetter' beginnt Hier heisst es:
Den geretteten 8chats
Für ewig zu sichern.
Teilt' ich ihn weislich
Zwischen Soleika nnd Said.
78
XtAlieuücho äckriftotdler.
Jedes dor beiden
IJeeifert sieb um diu Wcttp,
Höhere Zinsen zu cntrichieu,
Und ich bin reicher als je.
Mit dem geretteten Sehtti ist, wie aus deo vamittelbBr toni»-
geheadeii Zeilen lierroigelit» die Idebe gemeint loh halte es aber
fflr gftnslich falsch, etwa aas diesen Dichtongen Goethes
anoh nur den mindesten Bftcksohliiss auf ihn sn maohen,
obwohl er sonst mit Recht oft genng der snl^ektiTe Dichter genannt
wird. Aus den Noten und Abhandlimgen znm bessern VerstAndnis
des west-östlichen Divans geht ganz deutlich die Tendenz dieser
Worte hervor. Goethe wollte, wie es in der Einleitung heisst, die
Aufmerksamkeit aaf den Orient lenken, woher su aianches Orossef
Schöne nnd Gute seit Jahrtausenden zn ans gelangte, woher täglich
mehr zu hoffen ist. Und ähnlich heisst es in dem Abschnitt der
Noten und Abhandlungen, der „Das Schenkenbuch" genannt ist:
„Weder die unmässige Neigun^x zu dem halb verbotenen Weine, noch
das Zartgefühl f(\r die Schönheit eines heranwachsenden Knaben
darfte im Divan vermisst werden. Letzteres wollte jedoch, ooserea
Sitten gemäss, in aller Keinheit behandelt sein.
Gelegentliche £rwahnnng der Fftderastie nnd der Homosexualität
treffen wir sonst noch vielfach bei Schriftstellern der Tenohiedensten
Jahrhunderte ; solche Stellen finden sich bei Boccaccio, Macchia-
Tolli, bei Aretino, zu dessen Zeit die Päderastie weit verbreitet
gewesen sein solL Ans dem 17. Jahrhundert stammt ein Buch, das
hier besonden erwfthnt werden mnss, nSnlieh LAkSbiaä» fmtemUo
a seolß. Oer Autor ist nieht mit Steherheit enidttelt Man sdbrieb
es nrsprflngliefa Pietro Aretino zn, dooh wird in neuerer Zeit
gew$hnlioh Perrante PallaYioinl^) als Yerftsser betnehtei
Die ernte An^be soll 1652 eiaohienen sein. In diesem Buohe
werden in ausgedehnter Weise die homosexuellen Neigungen eines
Lehrers lu seinen Sehfllem gesdiilderi Es ist ein obseon gehaltenes
Buob, das aber an dieser Stelle sehen wegen seiner kultnrgesohioht-
liehen Bedeutung genannt werden mnss, sowie deshalb, weil es su
anderen Arbeiten, die das Qebiet berührten, Yeranlassong gab. Be-
sonders seien hier die Arbeiten von Delepierre und Baseggio
') Das mir mr Verfttgnng stehende EzempUr ist der französiacbe Neudruck:
Meibiade enfont ä VfeoU. 'MktUpwt la pranün /bit de VHaUm de ferrant e
Pullaticini. BmuUee mi.
Venchiodeae Autoreo.
79
zitiert*). Erwähnt ist ferner die Päderastie bei Castilhon,*) bei
Montesquieu^), m ( ' a s a n o v a s *) Alemoireü , im Dictionnaire
jjhilosophique von Voltaire') sowie auch in anderen Arbeiten des-
selben, bei Ehlers,') Karl Philipp Moritz,") liestif de la Bre-
ionne,^) Ph. K, Haitmann,*) sodann bei Herbig/^) Dnttenbofer,")
') Genauerem in üor Einleitniig zu dem geuaantän Neudruck.
- ) CwuiäertUions Bur ks Games phyaique» et moraUs de la Divers üe du
film de» momn »t du §ommmemmi de» moMmm. Twi m pmrHe tPtm Onmige
anengnu por M, L. Oattitkon, Bouülon MDOCUX, 8. 90->M:
Hontesquieu: Esprit des Lots. IdereXH tkapify-e VI. Auch au einer
aadem Stelle de» Baches kommt Muntesqniou rio< h auf den homosexuellen
Geschlechtsverkehr za sprechen, und zwar im achten Kapitel des vierten Baches;
«r spricht hier über den homosexaellen Verkehr der Thebaner und beruft sidi
dftb«i Mif Plntaroh. YoUaire behmptet abw, da» ]loiiteiq«i«a den
Plutarch falsch verstanden babo, während Cr6vier nur meinte, dass PI tttarcb
sich nicht «o sicher darüber ansspr&cho (Esprit des Lots par Montesquieu, avee
ks Notes de fÄuteur ei un Cboix des Observatüms de Dupin^ Crevier,
VoltairSf Mably, La Harpe^ Serwan <to. Port» 1856. S. 37. An-
merimng 1).
^) DtBkwttidigkeitSB vonJakobCaeanova voiSeiii^t Von ihmaelbit
geschrieben. Heransgegeben von IL 0. BernL 4.Aiilhge. 1. TriL 6. Ki^iitoL
8. 74 ff. Hambarg.
Voltaire: Dictionnaire philosophique. Artikel AMumr »oetratifti» in
Oeuvres complbtes. Tome trents-septihne. Qotha 1786.
- ) Martin i>hler8: fietrachtungea über die Sittlichkeit der Vergnägiutgea
m swooB TeOon. 1. Teil Henabnig und Leipzig 1779. & 108b
0 Karl Philipp Korits: Anton Be^. Bin psyohologischor Bonaa. 9.Teil.
Beriin 17B8. B» 4ft. fai der alteren Litteratur kann oft genug nicht streng
zwischen dem perversen Akt nnd der sexuellen PcrrprsioB ontenobieden werden«
da man die Perversion nur selten gentlgend erkannte.
") Restif de la Bretonne: IjCs nuits de Paris, Tome sccond, iroisicnte
partie. Lmuirts 17 8S. S. 781. Femer derselbe: Le IWtwgraptie ou Idces d'un
BeeMSU'Bomm» aur m projet de reglemerU pour le» pn^üuiu, Propre ä pri-
venir ks MaUieurs qu'occasionne k Publieisme des Femmes. Arrr ,Irs nofcs
fn\s((^riqueeetju»afieati»e», IVmMn Partie. Ltmdre», La-Muie. UDCCLXX.VL
m.
') Ph. £. Hart mann: GlUckseligkoitslelire für das physisuhe Leben des
Menschen; oder die Kanst, das Leben zu benutzen und dabei Gesundheit, Schön-
heit» K9fpei^ md OeieteBetlrke an eihilten nnd ra Tenrallkonunnen. DeMm nad
LeqNrigUOft &lfl8.
Wörterbuch dor Sittenlehre. Oder Alphabetisch geordnete ErUlrangMl
aller in der Sittenlehre vorkommenden Begriffe. Aus den Werken Ammons n.8. w.
sosammengetragen von Johann Christian Karl Her big. Qoedlinbuig und
Leipzig 1884. S. 1»L
F. IL Dattanhofet: Die krankhaften Eitdieimingan die SeolenMiena
Us liite, F^yehologen» NatorfonelMr nnd gaUldeto Leien. StattgAt IBM.
& 168.
80
Hermann Klenoke,^) Münter,*) Sandras') und Henne-
qnin.*)
Von den Autoren, die in den letzten Jahren, wo die wisM-
schaftliche DiBkoasion lebhafter wurde, das Thema berühren, nenne
ioh: Prosper Despine,*) Bourgeois/) Bdnard von Hart-
mann, ^ Hoffmann,*) Joeef Mflller,*) Snrbled,**) En|;ene
S. Talbot,'^) Hermann Vierer dt,») Dabnt de Laforeste,»)
Neiaeer^) n. & w.
Die wiasensehallliohe Dislnisrion der Frage wnrde am Ende des
- ) Herm. Klencke: System der organischen Phvchologie als notwendige
Grundwi??<^f'nsr!!af> 7,Tini richtigen Vpr^tjinHni'? der IfiMic Ii - psychischen Zustände
in Seelcnkraukhi'iten, Affekten und VerstiuimuDgen. Leipzig 1842. S. 291 f.
Klencke spricht statt von einer homosexnellen Üebe von einer pythagoräischen;
doch wie mir mheintk mit TJuraohi loh finde weder bei Prthageras noch
he.i dem von ihm gestifteten AeondiohaftihDiid der ^jrthegoiier Anhaltepmikte
fUr gleichge-schlechtliche Liebe.
■) Gnstav Wilhelm Münter: Geschichtlicho Grundla^^en zur Geistes-
lehn des Menschen oder die Lebcnsäusseruugen des nienüchlicben (ieiütes im
gesandeB und faenkhnftim Zutt&dei Balle 18Q0. & 90R.
Paria 1851. 8. 24 V
Victor iienne^^ain: Sauvom tc Oenre humain, Deuxiim« ^üion,
Paris 1S53. 8. 112 t
leetudUs et morales dam lettr etat normal et dans Irur» manifestations anomttht
ekex les Aliens« et chex, ks Oimimls. Tmnr III. Paris IS'fJS. S. 223 f.
•) L. X. Bonrgeois: Pnssü/tis dam Icurs UapjHjrts arrf la Snnte rt
leg MtUadies, L'Amour et Le LiberUnage. Quairihtte idition^ rcpue ei awfmetUec.
Pari» 1S77. 8. 114 f.
^) Ednard v. Hartmann: Philosophie des SeliBnea. Zweiter, lüStiiiiatiwdMr
Teil ÄatheÜk. Berlin lg87 S 237 f.
")Hoffinann: Die Sitili-hkeit , eine Forderung dor GesundheitspÜege.
Streitfragen. WissensohatLiluiieit ii'&chorgan der deutschcu ;:>ittlich]ieitävereine.
4 Heft. Berlin 18». & 16.
°) Josef Müller: Über Oamopha^rie. Ein Versuch sam weiteren Anaben
der Theene der Befruchtung nnd Vererbung. Stuttgart 1892. S. 40.
Georges .Surblod: Ixt Morah dann sc.s Papports avcc la Medcn'tu; cl
V Hygiene, Tome seeond: La Vte sexuelle. TroUüme eäüion, Paris 1S92. S. b4 iL
Xngene 8. Talbot: The BMogy of omam deformUie» uffk» keadt face,
/mm and tmik, Third edüion, Chicago 1894. 8. 171.
Hermann Yiererdt: Mediainiaohe» M» der Genhichte. 8. Auflage.
Tübingen 18%. 8. 95
") Dubut do Laioreste: Pathologie sociale. Paria 1S97. S. 4iJ3.
Karl Neisser: Die Bntetehmig der Lieb«. Znr Oeaebidite der Seele.
Wien 1897. 8. 46 f. Hierher auch: Die arische Sexnalreligion. Als VolksroN
f'Ji'luiig- in Zong-pn, L^lirn nrif! Sti-ilioii. Bildfr ronFidus. Mit einem Anhang
über Menaehenzüchtang von Freiberm Dr. Karl du FreL Leipzig 1897.
S. 294 f.
Eamdohr.
81
18. Jahrhunderts durch einen Aufsatz von Meiners') angeregt.
Besonders aber war es Ramdobr,*) der in einem grossen Werke
über die Liebe die Homosexualität ausführlich besprach. Er giebt
nicht nur ausführliche Erf^rtorun^ren über die An«?ichten der alten
Griechen*) und anderer Vöiicer tibcr die inaimmäDnliche Liebe, er
weist vielmehr selbst auf deren fläutigkeit bei seinen Tjebzeiten am
Ende des vorigen .Tuhrhunderts liin und teilt uns uuch mehrere Fälle
mit, die in mancher Beziehung merkwürdig sind. Kamdohr hält
es f&r falsch, wenn man die Wirksamkeit der Geschiechtssympathie
der Körper nur anninmit bei der Verbindung solcher EOrper, die zur
Fortpflanzung der Gattung geschickt shid; es kOnne der Qesohlechts-
trieb einer Person aaoh von Körpern angeregt werden, die nach den
inneren Kennzeichen zu demselben Geaohlecht gehören.
Auch Friedrieh B hren her g') kannte offenbar die homoeexueUen
') Christoph Httinora: fi«tnuihtiiiigen über die KiiuiArliebe der Griechen,
nebst einem Auszüge ans dem Gastmahle des Plate, in den Vemiiiehton philo-
sophiachen Schriften, 1. Teil. F.eir^in: 177n. S. 61 — 119.
") Fr ied. Wilh. Basil. V. Kamdohr: Vemts Urania. Über die Natur der
liebe, ttber ihn ToMdolQng und Y«fMh9iieraiig. Boeonden diftteo 1Mb «rate
AhtoUimg. LaipBg 1798. & iaS-S80.
- ) Fast ia allen Bncbem, die die Knltur der Griechen besprechen oder
Pia tos nnd'Xeoophons Gastmahl behandeln, i.st die Knabenliebe der Grieben
berücksichtigt worden. loh nenne z. B. M. U. £. Meier, Artikel Päderastie;
AngODuino Snoyclopädio der WimmmikaSbm vnd KSuto ia alpbabeHaolier lUge
vm KMuumten Sohziflatdieni beirimtot uul hemnegogelMii von J. S. Brach
und J. G. Grub er. Dritte Sektion^ 0 — Z. Herausgegeben von M. n. E. Meier
und L. F. Kämtz. 9. Teil. Leipzig 1837. Ferner erwähne ich Oharikles, Bilder
altgrieohischer Sitte, zur genaueren Kenntnis des griechischen PriTatlebeos ent-
mnfeiiToii Wilhelm Adolf Beokor (in smiter Avfhgo beitdiligfc md rnitZn»
dttMBTeiMlMiiTiniKaTl FriedriohHermaan. ftBaad. LeipoglSBA 8L199it),
wo ein ausführliches Kapitel der Päderastie gewidmet ist; ferner aas neuerer
Zeit Albert Forbiger: Hellas und Bom; popaläre Darstellung des dfifentlichen
and hfioaliohen Lebens der Griechen und Börner. 2. Abteilung. 1. Band.
Leipzig 1878. 8. 888. Unter anderen Schriftsteilem nenne ich noch Herder,
Schenkl, G. F. Bettig (io seinen Britatenuigen zu Xenophons GastmahlX
W. H. Thom p s on (in seiner Ausgabe von Piatos Phädms), K. Prantl fin seinen
Anmerkungen zu Platos Gastmahl und Phädrus), A. Hag (in seiner Ausgabe von
Piatos Symposion). Auch die Litteratnr über des Äsohines Rede gegen
liaarehns kertthit 4m Thena. Ferner wgleioho das tonritgUoho Werk
Boaeabevfli: Oeaohiehto der LietBeoohe im Altertom, Halle 1899, eowi»
Havelock ElHs und J. A. Symonds: Das kootr&re (Jeschlechtsgefühl.
Deutsche Auagabe besorgt o&tei Mitwirknug von Haue Kurella. Leipzig IttW.
& 87— 1S5.
Friedr. Shre&berg: EaphiMwr. Über die Liebe, fiin Bnoh IBi die
Aeeade eiiiee aehdnen, gebildeten und gKekUehen Lsbeea. 1. SWL Sl Aeflage.
EUMifeld ind Laipeig 1809. & 114 £
Voll« Kmit. BmMlwBpfladnng. g
82
Hoiib, Jöig.
Empfindungeii. Du Snnefe Wesen entepreehe nioht iminer der Auaaem
Beüelnuig. Es gebe Jüiuier toh weiblicher Anmot, Zartheit und
Inni^ät, „so Usst sieh allerdings unter lUnnem an Yerfatitnie
denken^ das, wo nicht der Liebe, doch dem, was wir liebenden
Qeachmaok genannt haben, verwandt ist** Und ebenso inssert er
sich Aber die Finnen: „Ihigegen nimmt die Frenndsohaft unter gleichr-
gestimmten weiblichen Seelen mehr Ton dem Charakter der Liebe
an, teils wegen der grossem Innigkeit des weiUiohen Gemüts, teils
wegen der giOssem Disposition der wefldiidMB Natnr nr Liebe, teils
wegen der Beweglichkeit und Lebhaftigkeit der weiblichen Phantasie,
indem diese der Freundin heimlich den Geliebten unterschiebt, dem
dann in der That die Wanne der Umarmung gilt."
In dem bekannten M;igazin für die Erfahruagisseelenkunde, das
Moritz') herausgab, üuden wir zwei ausgesprochene Fälle von kon-
trftrer Sexualemplindung. Obwohl hier ausdrucklieb Päderastie bestritten
wird, 80 zeigen die Fälle ganz deutlich die typische, schwärmerische
Zuneigung von Mannern zu Mäunern. Bei dem einen ist die Homo-
sexoalität, wemgsti ns in ihrer Stärke, erst durch die Bekanntschaft
mit einem gewissen Manne deutlich hervorgetreten, wie wir dies auch
BUDst in einer Reihe von Fällen beobachten, wo die konträre Sexual-
empünduug latent bleibt und erst bei der Bekanntschaft mit einem
ganz bestimmten Manne sich zeigt
Nahe gekommen ist der Frage offenbar Jörg.*) Er erwähnt
Weiber, die er Mannweiber, Viraginen oder Heroinen nennt. Körper-
lich erinnerten sie an den Mann, indem sie mftnnliohe Qesiobtszüge,
einen robnsten Körper, herrorsteheide Mnskehi n. s. w. hätten.
Sie hfttten wenig Vermögen, ihre Bestimmung an erfUlen, das ^d
an empfiuigen, zu nUiren und in pflegen* Aber es gehe ihnen auch
die Neigung anm Khide und mit dieser zugleich der Wunsch nach
dem Manne ab. Wie sich die ^laginen körperlich dem minnliohen
Gesohleoht nShem, so gesdiehe es auch in pqrchischer und moralischer
Binsioht, «und wir erhalten also m selbigen dn Gemisch Tom Weib-
liehen und Minnliohen unter einander.*' Ebenso emihnt Jorg*)
- ) Hagasin cur Erlahron^isseelenkande als ein Lesebuch fBr Gelehrte und
Ungrelehrte. Herausgegeben von Karl Philipp Morits. 8. BMid. Bwlin
1791. Eretes Stück, S. 6; zweites Stüok, S. 101.
- ) Johann Christian Gottfried JSrg uid Hoinrieh Gottlteb
Tstehirner: Die Wb» tm dem Oedohtavookto der Natnr, der Matal vad der
Kirche betrachtet Leipzig 1819. S. 46 t (Der «nte Teil des Baflhes ist too
Jorg, der «weite voq Tztchiraer.)
HÜ88li.
83
Mtaiier, die er weiMiolte Mftimer oder WeibemHimer Dennt Oft er-
innerten sie schon körperlich mehr an das Weib. „Obgleich solche
weiblich gebaute Männer immer den männlichen QeschlechUapparat
besitzen, und obgleich diese Geschlechtsorgane nach mannlicher Weise
thätig sind, so geschieht dies doch gewöhnlich m einem geringen
Masse. Sie sind daher „weniger zur fleischlichen Vereinigung
geeignet". Jörg erkannte auch bereits ganz gut die Zeichen
sonstiger Effemination, indem er von diesen Männern sagt: „Man
rrkennt sie an ihren breiti ri ii Hüften und schmäleren Schultern, an
ihrer schwächeren und hAln ren Stimme, an ihren dönnen und wenig
hervorstehenden Mii!?lreln und an der geringen Stärke und Kraft ihres
Körpers. Dergleichen Männer gefallen sich am meisten m leichten
Hausarbeiten, in welchen sie die Weiber unterstützen. So gern letz-
teres die Hausfrauen sehen, so gern sie dergleichen Dienste annehmen,
so wenig achten sie eine solche Eigenschaft** Das wirklich Positive,
die Homosexualität, wird allerdings vom Verfasser noch nicht be*
schrieben, wohl aber hat er offenbar alle anderen Zeichen der kon-
trtrai Sexnalempflndong und aoch die sexneUc AbstoBSong gcgeiir
Qher dem andem GescUeeht genan gckamii
Spftter finden wir, dass ein Antor, namens Hdssli, 1836 in
leideneohaftUclier Weise f&r die Berechtigung maanmännlicher liebe
anftrat Ssia Bacb Bros, das ich schon erwihate, nmfosst zwei Binde,
ist sehr weiflftafig gesdirieben nnd dadurch siemfich langweOig sa
lesen, enthält aber reichhaltiges litteiaiMies Material. Es war damals
ein Fall in der Schweiz vorgekommen, der grosses Aufsehen erregte.
Em ungesehener Mann iKittu plötzlich einen jungen Mann ermordet
und wurde zur Strafe dafür hingerichtet. Hössli bemühte sich, den
dunkeln Fall aufzuklären, da er vermutete, dass es sich um einen
Mord aus Eifersucht handelt«. Er wendete sich an Heinrich
Zschokke; dieser schrieb eine Novelle, in der ein Miilrhen in
Knabenkleidern die Leidenschaft eines Mauneü entfachte; doch soll
der bekannte Novellist Hössli missverstanden haben. Dieser trat
nun selbst mit genanntem Üuche hervor. Im Jahre 1844 veriiffent-
lichte Kaan eine Arbeit (Psychopathia sextmlis), in der er die
Päderastie neben der Onanie erOrtert; doch bildet diese das Haapt-
gebiet der Arbeit^
- ) loh erwlhne dist dMlialbb wdl man ans dem Titel, dar mit
Erafft-Sbinfs Baoh idttrtiMih ist» auf «ineii aadeni Inhalt
kOnnliL
6*
84
Im Jahn 1847 worden von Brierie de Boismont,') M UM«*)
mid anderen in Fcankreieh eenielle Pervenionea beobaehtei So hat
der letrtere 1849 bei Gelegenheit ebies Falles ?on Leiehwaohlndmig
auf den homoaemellen Geeehleohtatrieb hingewieflen. 1852 hat CaepeH)
ansfabrliohe Ifitteilnngen Aber Fidecaetie gemacht Br hebt besondere
hervor, dass in sehr vielen Fillen der Znstand angebocen ist und
wnst aneh schon daran! hin, dass keineswegs in allett Flllea Be-
firiedigung dnroh ünmtsMO membri t» mmm erfolgt Andererseits
zeigt aber derselbe Antor, dass man es in manohen Fillen lediglich
mit einer Eischeinnng der Demoralisation ra thmi hat Gas per
lieferte nns eine Rdhe interessanter Mitteilongen nnd Biographien
Ton Urningen. Grosses Aufsehen hat s, Z. ein Päderastenprozess
erregt, wo Casper als Sachverständiger zugezogen wurde; iiaupt-
angeklagter war hierbei ein Gral, den Casper als Grafen Cajos
bezeichnet. Auch in seinen klinischen NoTellen hat derselbe Autor
uns manches Material geboten. Gelegentlich wurden auch andere
Falle von Homostxualität veröffentlicht, wenn auch oft genug mit
unrichtippT Deutung Hieronymus Fränkel*) berichtete 1853 einen
sehr inttTPssaDtpn l'all, der pinc <!;ewis8e Bertlhmtheit erlangt hat,
nämlich den des Päderasten Suesskind Blank; der Betreffende trat
als Weib auf und verkehrte mit vielen Männern geschlechtlioh.
Sp&ter sehen wir in Frankreich einen Antor, Tardieu,*^) Mitteilaagen
über Pftderastie machen. Er hatte ausgedehnte Erfahnmgen auf
diesem Grebiete; er kam aber m Ansichten, die denen Caspars viel-
fach entgegengesetzt waien.
Ausser den eben genannten Antoien hat auch Sohopenhaaer
die kontrire Seznalempfindnng gekannt Kaoh diesem Philosophen
eiistlert aQes in der Welt la einem bestimmten Zweck, nnd er ündet
einen solchen Zweck aneh bei der kontiiien Sexnalempfindang der
') Brierie de Boismont: Remarques midico-Ugaks sur kt furtenion
de l'instincf (jhientqfte, Guxelte medicah de Pnrt'jf. 21 jfiUUt 1849.
') Michöa: ihs dcvuUions maiadives de tappetü vener ien, L' Union »ledi-
eale. 17 jmiUiim, S. «».
■) Caiper: Über Nirtndit umI FSderastie und dann Snnttteliiiig niteu
des Goriohtsarztes. Vierte^ahrsschrift fttr geriohtliche and öffentliche Medizin.
Erster Band. Berlin IRVi ?. 91. Femer: Johann Lad wig Casper: Klinische
Novellen sor geriditUcbea Medixin. Nach eigenen firfahmn^en. Berlin 1863.
8. da-59.
- ) Eieronymm Friakol: Homo motfw; MwliMniiiohn Zeitmg, hmw-
gageben von dem Vereine ftbr Heilkunde in Prenaeen. B.'rlin, 1. Juni 18B8. 8. KÜL
^) Amhroise Tardiea: £!t$idt mSd$eo46^itB am leaaUmtaU nwtmoeun.
Paris 1868. ij. 113—174.
U Iridis.
85
Oidta. Da tfese gewiHuUcb adiwiddkdid IQultt sengen, so liabe
die Natur ibmen nUht den Trieb mm Weibe, sondern den mm Manne
eingepflanzt, damit dadnroh yerhindert werde, dass das Menschen-
geschlecht körperlich zurückgehe. Schopenhauer sieht daher in
seinem Buche „Die Welt als Wille und Yorsteiiuüg" fast nur Vor-
teile von der Päderastie
In den sechziger Jahren trat besonders ein Autor hervor, der
zuerst unter dem Pseudonym Numa Mumantius, später aber unter
seinem wahren Namen eine Beihe ?on Abbandlangen über kontr&re
Sexnalempfindnng lieferte. Dieser Aiitor heissi Karl Heinrich
Ulrichs.^) jESr war früher Amteassessor in HannoTer und hatte sich
vorher anf gans anderen Gebieten einen guten Namen gemacht. Er
nhrto, wie sdhon in dem vorigen Kapitel gesagt ist, den Ausdruck
Urning ein. Seine Sohriften liatten die Anfklftnug Uber die Urmnge
nid deren Yerteidigong ram Ziele; beeonders ferleagte er die Anf-
bebnng aller geeetdieben Sobranken Im mannmSanliciben Cteecdikobts-
Teri[ebr; dieser solle Mgegeben werden wie der swiseben Ifsnn nnd
Weib^ das Geseti solle nnr nnter denaelboi Umstanden einscbreiCen
wie bei dem normalen OeseUeditsverkelir. Ulriobs' Arbeiten*) sind
in mancher ffindobt bemerkenswert In seinen SddoBsfolgenmgen
Ulrichs, der ein entachiede&er Anhinger der Weifen war, wurde nach
der AuHodOD von HunoTer 1887 aus politisdieo OHInden verbtllal und in HiiMleii
interniert; bei seiner AbfUhroog worden seine sämtlichen Papiere mit Btwhlag
bcleg't Unter ihnen befanden sich auch Verzr-i dinisse von Urninf^fn mis* vpr-
schiedenen grossen Städten; die Liste für Berliu eiitliiolt 150 Namen j darunter
befanden sich mvh Ulrichs auch sehr hochgestoUt*' Personen.
- ) Die äuhhiten, um die es sich hier überhaupt liaudeit, und die zum
Tril iiiH«r denn PModonya Nnn» Nnmantini «noUemen, sind ftlgeiMle:
I. Vindex, Social - jurifftische Stadien ttber mannmfionlidkB Geedhleobtsliebe.
Leipsig 1864. 2. TnHnsn, Anthropologische Stndien i'ihor Tnannmännliche Ge-
schleclitaliebe. Leipzig 1864. 3. VindieUiy Kampf lui Freiheit von Verfol^ng.
Leipzig 1866. 4 ForttuUrix, Anthiopologiache Studien über uruische Liebe.
LeiiMig 186S. & Ata »pei, Hoialphfloio|^Mhe rad BomdphiloaopluMlie
Studien ftber uraiacbe TJebe. Leipzig 1^. 6. Qladius fiirrua, T)as Katnnltad
der Urningsliebe und der Irrtnm al^i Gesetzgeber. Cassel 1868. 7. Mrmnon^ Pie
Geschlechtsnainr deä inaiiuliebeuden Urnings. Schleiz 18t>8 (in zwei Abteilungen).
8. incubus, Unungsiiebe und Biutj^er. Leipzig 1869. 9. AryottatUiem, Zastruw
und die Uning» des pietistiMh-oltnunontaiuni und freidenkenden Lagen. Ldpdg
1868. 10. Xkmmtf BeiMge lor Erforschung des Naturrttaeb des Uranismns md
zur "Er<1rterung der sittliW.eTi und Hr- Reilschaftsinteressen des Urningtnms.
I/cipzig 1870. 11. Arajf.'i, Kuf nach Betreiung der ümingsnatur vom Strafgesetz.
Schleiz 187U. 12. Kritische Pfeile, Denkschrift ttber die Beetrafuug der Uruio^s-
liebt, Stnttgwt 1898.
86
ging er swelMos viel n weit; verlangte er^) dooh sogar, daaa Ton
der Kirehe Eben ziriaolieii Hlnaem gestattet wflrden, ebenso irie
xwisebeD Ifann und Ihm! Hfttte er nieht in so leidensebaftlieher
Spraebe seine Ansiobten Torgetnigen, so bitte er fieUeidit mebr
BerfiefcsicbtigaDg gefondeo, als es der Fall war. Da ülrlobs selbst,
wie er offen erklärte, üningsnatar batte, so sprach er gewissermassen
pro domo, und dadmeb bat er sieh Uufig za einem Tm in seinen
Arbeiten binreissen lassen, der ibre wissenscbafUiebe Anerkennang
bei andero verhindern mnsste. Doch ist auch die Art*) der Gegner-
schaft und der Angriffe gegen Ulrichs nicht immer zu rechtfertigen.
Jls tindf't sich häutig ein niuralisiereuder Tou, der keinen grossen
Eindruck macht, besonders, wenn hiermit mehr Redensarten ais sach-
liche Bemerkungen verknüpft sind. 1865 hat Ulrichs gemeinsam
mit Früfessor i ewes aus Graz auf dem deutschen Juristentage einen
Antrag auf Abschaffung des Strafparagraphen in allen deutschen
Staaten gestellt; 1867 nahm Ulrichs auf dem Juristentage in
München die i^'rage wieder auf; es scheint, dass man die Sache, um
keinen Anstoss zu erregen, absichtlich nicht zur Verhandlung kommen
liess. Im Jahre 1870 beabsichtigte ein deutscher Verleger eine
Zeitschrift ^fUranna** heraoszugeben, die ausschliesslioh die konträre
Sexualempfindang behandeln sollte. Es ist aber nur das erate Heft
eracbienen; wenigstens sind mir weitere Hefte nicht bekannt geworden.
Kurz vorher hatte ein hervorragender deutscher Psychiater,
Griesinger,*) in dem Vortrage^ mit dem er 1860 die Berliner
pfljobiatrisobe Klinik erdfibete, Ober die Ersobeinongen bei Urningen
gesprochen^ aber obae viel BerOeksiebtigQng an finden. If . Frftnkel
in Dessau bat 1869 Mitteilimgen gemaobt, indem er bei der sexuellen
Perversion der Pideiaaten aneb anf weitere psjebisobe Störungen,
Hallttiinationen, binwies. Km darauf hat besonders Westpbal*)
0 Karl Heinrich Ulrieht: BeiMge zur firibnohang des HfttnnatMlB
dm Unaismiit. Leipsig 1870. 8. 88.
- ) y^I. z. B. Fripdr Berth. LSffler: Das preassische Physikatsexamen.
5 Aufl. Berlin 1883. ö. 236 ff., sowie: Das Paradoxon der Vetiug üranin Gc-
»chrjrbtn fUi Äizte, Juristen» Qeiaüiche und ^sieher, daon fttr Freuude der
Anthiupologie und F&ychobgie. Wttixbing 1869. ülrioka Uell Frofenor
Oaig«lfar diu YtriteMT dieser BroMbtlie (Eft rl Heiariob Ulrichs: JiMct.
ünüagiliebe und Blutgier. Leipzig 1869. S. 91.)
') W. Griesinger: Vortrag znr Eröffonng der psychiatrisch en K Uoik. Archiv
für Psychiatric und Nervenkrankheiten. 1. Band. Berlin lt)68-69. S. 651.
Vergleiche auchWilbcln Griesinger! QeHunmelte AbhandlniigeB. 1. Biad,
fqriUatiiaeh* aad iiarvaDpathclogiiclie Abbatidlangeii. Barim 1878. 8. 810.
♦) C. Westphal: Die kontrare Sexual empfindang. Archiv fttr ftychiatrie
und NerveiüuanUwitea, 8. Band. Berlin 1870. S. 73. VgLanoh C. Westphrnl:
Wea^tkftl, V«r»ohied«M Antonn.
87
neue Anret.'ung zur Behandlunf^ der Frage gegeben; er führte auch,
wie bereit.^ betont ist, den Namen konträre Sexualempündung ein.
Er hielt sie für angeboren, veröffentiichte zun&chst zwei Fälle und
hob besonders hervor, dass bei derartigen Patienten das Bewoeateein
der Krankhaftigkeit des Zustandes besteht
Nach Westphals VeröffentUohnng erschienen zunächst fast nur
kasuistische Mitteflnngen über das uns beschäftigende Gebiet Unter
den Autoren seien an dieser Stelle genannt: Sch minck e/) Scholz,*)
Gock,«) Serraes,«) Legraad da Saalle,*) Yidal,*) Sfeark,^
Ritti,«) Tamassia,*) Lombroso,») Kirn",) Stert,») Bern-
Zar kmitriton Sextudempfindmig. AiebiT IBr Fiydiiatrie und NemnkianUieitoii.
6. Band. Beilin 1876. S. 690.
Scbmincke: Eiu Fall von konträrer Sexualempfindnng. AtebiT Ar
Fsychiatrie und Nervenkrankheiten. 3. Band. Berlin 1872. 025.
- ) Scholz: Bekenatuisäd eines an perverser Gesohlechtericiituug Leidenden.
Yierteljahinohrift ftr gtriditliolM M«disiiL 19. Baad. Neae Folge. BttUaUTS.
& 891.
") H. Gock: Beitrap; znr Kenntnis der konträren SexualempfindttDf;. Amddv
für Biychiathe und Nervenkrankheiten. 5. Hand. Berlin 187.^. R. 564.
- ) F. Servaes: Zur Kenntnis von der konträren Sexualemplindung. Aruhiv
f&T Psychiattte nad BflrvmknnUMitMi. 6. Bnd. Beriin 1876. 8. 484.
- ) Legraad da Sanlle. In der Soriete mediro'payehologique, Seanee du
27 Mars 1876. Amiales medico-p>fy(fioh;/iqi/r.><. fninuinnf: Serie, Ihme quinxieme.
Paris. Mai IS 76. S. 440 ff. Auch: Legiandduöanlie: Les Hysteriquea; fyat
pkjfsique ei mental. Paris 1881. (Ball verweist auf diee^ Buch. Mir selbst
•taad M nicht nur Vafögun^.)
- ) YidaL Bl der SociM mtAieo-paychologiqHe, Seance du 27 Mars 1876.
Annales midie^-ptifdMogifuei, Omquiimc Sine, Tönte gutnct^iN^ Parit Mai
1876. S. 446.
Stark: Über konträre SexualempOndiing. Allgemeine Zeitschrift für
Psychiatrie. 88. Buid. Berlin 1877. 8. 800.
- ) A. Bitti: Dt rtfUmeNoi» dg$ aeseea wnMalttUt, OaxeOe hebdommkiire
de mideeine et tle Chirurgie, 4^ Janrier 1878.
•) Arrigo Tamassia: Snll' inrer^ione delP istiuto sessuale. Rivista speri-
tnentaJe di freniatria e di medieina legale. Anno IV* ReggiO'^iüia 1878,
S. 97. Nadi eiaem Betail voa 0. Salomen In ZentnlUatt fllr Nervealieilo
kaade, Psychiatrie and geriehtlnilie Pqvhopathologie. 1. Jahrg. 1878. S. 999.
- ") Cesare T. nibroso: l'Amorc nel Siii'idio c ml Dditto. Confereuxe
Torinrsi. Tnrirw iSöl S. 34 f. .Auf verschiedene andere Arbeiten Lonibrosos,
der sehr h&ufig die Homosexualität in seinen Werken erwähnt, komme ich im
VerUnf dieser AiMt aoeh aaifiok.
Kira: Über die Üoiearisehe Bedeatnng die pwTenea Oeschleehtstriebes.
14. Vorsammlnng der südwestdentschen Irren&rzte in Karlsrahe am 15. nnd 16. Okt.
1881. Boricht in der AUgremelnen Zeitschrift für Psychiatrie and psyohiach-ge-
richüiohe Medizin. 89. Band. Berlin 1888. S. 79.
- ) Stera: Beitrag zur Lehre Toa der koaMboi Sexnalempftndnog. Jahr-
haeher Ar F^chiatrieL Z. Band. Wiea 1888: & 991.
88
hardi,') Holländer,*) Krueg,«) Blumer/) Babow/)
Shaw und Ferris,*) SaTage,0 Oley.*) Viele einieliie Angaliai
über die neuere Ütteiattir und Easmetik bringt Erafft-Ebinga«)
Bneli ^jfdiopaikia sexualü. Einen intereieanten Fall
eenialitftt TerOffentfiebton C bar cot und Hagnau.**) Im Jahre
1885 ferdfienliiohte Uagnan eine Arbeit Uber seomelle Perrernonen,
nachdem kon vcrher Lacaesagne*') in Lyon über dieees Qe1»et
VorlesongeB gehalten hatte. Nach dem Vorgehen Ton Charcot
imd Magna n wurde dieee Geechlechtiempfindimg in Fnmkreicli ge-
>) W. Bernhardi: Der ünmiimiii. Lömmg daes mehitoasai^brigaa
Bätsels. Berlin 1882. Die Arbeit ist eine kleine Broschüre ohne gössen Wert.
- ) Alex, fiolltfuder: Ein Beitrag^ zur Lehre von der konträren Sexnal-
empfindnng. Allgemeine Wiener medizinische ZeitaDg. Iö88. Nr. 87, 38, 40.
- ) Julias KtMg: I^rveried smiai maUnet$, Btroin. Vri, IV. Lontbm
1S8^- 8* 86&
- ) Alder Blnmer: Acaaeof pcmcrled sexual insUnct. American Journal
of huanüy. Jidy 1882. Nach einem Referat von Karr er im Z^^alblatt für
NervenheilkiuiUei Psychiatrie and gerichtliche Fsychopatlioiogie. 6. Jahrgang.
18B3. &«L
") Babow: 2nr KMoistlk der angeboraiMB hontribea Seoraileniplliidiuig;
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie nnd Nervenkrankheiten, Sitzung vom 12. März
1888; nach dem Beferat ?on Matnsch im Zentralblatr f\\r Nervenhoilkutide,
Psychiatrie aod gerichtliche Psychopathologie. 6. Jahrgang, löäa. 8. 186.
AnuK Babow: Ob« aagelmeae luMiliiie SeKoilmqiftBdi^ Zete»hrift lOr
kliniMhe Mediiin. 17. Band. Sappleuent Beriia 1690. 8. 1».
•) J. C. Shaw and S. N. Ferris in Hic Jonnud of nervom nnd mental
diteaae. Nor. 2. 1883. Nach einem Beierate von Krön im Zentralblatt für
Nervenheilkoude, Psychiatrie und gerichtliche Psychopathologie. 6. Jahrgang.
1888. & 876.
^ George H. Savage: Ceue of HsMat pervenüm «» a mm, The Jiamml
tf mental aeUnee. Vol. XXX. October 1884.
") £. Gley: Jju <xberra4ions de l'instinet »ejmel. Revue philosophique.
1884, Ir Vol. & 66. Der AoCnUz stellt eine kurze Übersicht der Frage in der
damUgw Zeit dw.
- ) R T. Kraffk-Ebing: AyeAdfMlUa mmaü». Mit beeoodenr Berftek-
Bichtigung der konträren S^oTnalempflndung. Eine kUaiiCh • fOfensiMhe Btodio.
9. Attiage. Stuttgart 1H94. S. 230 f., Si41— 243, 279-289.
Charcot et Magnan: bweraüm du sem ginüai et auttes perpersüms
«satMgiÜw. Ardkims d$ Nmnkgie 5«m 3bme «ad 4«m Time. Jlamier'Ilbnrür md
Ihmmbre. Paria 1882.
- ) Magnan: Des anomalirs, des aberrations et des perrersions sexueUee.
Anmilrs tnedtco-psycholoffiquen. 7*-* Serie. 1*" Tbnie •/.?"«' onnie. Paris 1886.
ä. 464 ff. Vgl. auch die Übersetsong: Y. Magnan, P8ychiatrische Vorlesungen,
ft/l. Bflft. Devlwk von P. J. Mdbiae. Leipzig 1881: & 18 IL Bener:
V. Magaaa, Vobueuim arimeerffa merMde, fibenetft von D. Lewald. 8L-A.
ans Betz's Irrenfreond. 1892. Nr. 3 und 4.
"} Vgl a. Lacassagne: Artikel Pideraatie im Üieiumnaire encgelopidiqm
de* eeiences niidieules. Paris,
Krafll-BMng.
89
wdhnUch als InveriUm de Pnuiind aeocuel bezeichnet, ein Name, der
socli Ton Italifiikem angenommen wnide. MehifiMsh wurde die Frage
Ton Ohevalier^) bearbeitet
Im Jalire 18^ ereoMen ein Bneh Ton Tarnowekjt^ in dem
tuu rdoUialtiges Material Aber perrene und beaeoden öbei konträre
OeacUeehtBempfindiAgen geboten wnrde; nur fehlt wxoxm Boohe eine
ijjetemitiaohe Inordunng, die die Tersdhiedenen Perrenionen ge-
nflgend tchl ehournder abgrenzt. Sehr anelttlirlioli bebandelt Gustav
Jftger^ die liige der Homoaexnalitlt Er begeht nur hierbei den
?ehler, doh in sehr in seine Theorie Ton DoftetoflSna nt vertiefen«
es mnae ihm aber die Aneikennong in Teil werden, daes er als einer
der ersten die Frage vororteilslos erörtert hat
Absichtlieh habe ich bisher dnen Antor nnr gelegentlich genannt,
der seit einer Reihe von Jahren zweifellos am meisten f&r die Unter-
suchung der konträren Sexualempfindung gethan hat, nämlich Krafft-
Ebing. Schon 1877 hat er*) uns eine ausführliche Publikation über
die koütrare Sexualempfind uug gegeben; 1881 erschien von ihm eine
weitere Arbeit Ober das gleiche Thema, üauz besonders hat er uns
durch seine FsychopcUhia sexualis^) eine systematische Monographie
- ) J. Chevalier: De l'imerniott de l'imtinet sexuel au point de pue
fnUit»4i§9L Pa«ri§t886f imd De Piintenion teaoudk <mx poiniade vmeümqtm^
mMnpitagique et nttdico-U^al. Ärehivee dr l'nnthropiAogir (■rhiiimUc H de»
»eienee» penales. Pari Lyon. 6 »" Tont^ 1S90 und Ö«"» Tome 189L Wtmm
Chevalier: L' t'nrprsion sexurllr. ly/r/.-:- Li/rui iSij.'?.
^) £. lamowiiky: Die kraukimltea liiniclieijauiigeu des üesciiieciit^miies.
Eise iSDmni0di>pqr€liialriBeh6 Studie. Beriia 1888.
- ) Gustav Jfiger: EntdaakoBg der Beete. 8.AtiiL LBead. Leipng 1884
a862- 258 und S. 968-270.
V R. V. K raf ft-Ebing: Über gewisse Anomalien de^'; UeacUechtstriebea
oud die kliuiädi-foreiiaisehe Verwertung derselben ala niut^ wahrscheiulich fimkUo-
neUeii DttsenereticaianidieBB des lentnlen Nerveugpateine. AnAiv fllr Pfeyehietaie
und Nervenkrankheiten. 7. Band. 1877. 8. 291 S,
^) Im Jahre 1891 hat in der Berliner Geselkchaft fär Psychiatrie und
Nervenkrankheiten eine Diskussion über die konträre Sexnalempfindnne;' statt-
g;eftuiden, in deren V er laut meiirere iiednex, z. B. Jolly, Moeli, gegen die Be-
— iftfcaimg Psyckopalkia eemaii» auftraten, und swtr deawegen, well hierin die
Gefahr liege, es kSmie die^r Ausdruck auf die Asibasung der Krankheit als
Monomanie hindeuten. Indessen muss hiergegen crwfihnt werden, dans der An?-
ilnick Psychapnthia .'icxunlis der Titel eines Buches ir«t, und das.s K rat" ft-Ebi n g
den Grund für diesen Titel m der Vorrede zu seinem Werke ausdrücklich
angegeben bat Ava dem Titel läam Bnohes aber auf ehie Theorie dea lie-
treffenden Autors zu schliessen, halte ieh nicht für richtig. Vergleiche auch
R. V. Krafft-Ebing: Neue Forscliyngeti niif dpm Gebiete der P^ii hupathia
nexualia. 2. Auflaije. Stuttgart 1891. Ferner: R. Freiherr v. Kraf ft-Eb i ng:
Der Kontriir8(*xuale vor dfiii Strafriuhter. IM isniwnüt raiiane sejcwf punienäa;
90
Ober dieses Gebiet geliefert. Sie ist im Laufe weniger Jahre zu einem
grosseren Werke angewachsen, dessen letzte Auflage 1894 erschien^);
Krafft-Ebing ist es zu danken, dass eine scharfe Gruppierung der
Tersohiedenen Formen der sexuellen Perrersionea yersucht wurde, und
dass man andere Formen sexueller Perrersion Ton der Homosexnalit&t
za trennon nchte, insbesondere den Masochismns, Sadismus und
Fetisohifliiim* Krafft-Ebing hat aber andererseits auch die Be-
gebungen, die zwischen kontiflier Sexnalempfindnng und anderen
sexaelleo PerrenioM bestehen, hinieiehend betont Gans besonders
ist es femer das Yeidiettst Erafft-Bbings, dass dwoh YeiOffent-
Minng iflekhaltleseT Antobiographien die Sasnistik eine wertroUe
Bereieherong eifiihr.
Es ist mir niolit mdj^eh, alle Antoien, die in neuerer Zeit anf
dem betreiFenden Gebiete gearbeitet haben, nennen; die emielnen
Arbeiten sind bereits in zn jrrosser Zahl Torhanden. Ich enrihne noch:
Bens8,*)Bronardel,')Leonpacher,^) S^rienz/}Kriese,*)
Peyer,^ Oolenko, Oantarano,*) Urquhart,*) Ireland,^^)
(le lege lata c( dr le^je ferenda. Eine Doukschrift. Leipzig und Wien ^S94.
R. V. Kraff t-Ebiüg: Zur Ätioloßrie iler konträren SexualempfiDdung. Seiiaint-
abdruuk aiu deu Jahrbücheru für Psychiatrie. 12. Baud, 3. Heft, uud IL v.
Kraff t-Bbing: Zur BrUlmiig der kontfiteo SexiMlempABdiuiK. Septratabdraelt
ras den Jahihfidieni flkr Pqrehittrie und ^ervenh. 13. Band, 1. Heft
FAnr' neueste Auflage erscheint noch in diesem Jahr.
- ) Renss: Drs nbcrratio}is du .sem genesiqtte chex> l'lwunnc. Annale^
ä'hyyiirne publique et de tuedeeiite legale, 3"** Serie. 16'** Tome, Pariif 1886.
- ) Brovardal: Cbrpt itrangen de VutWtre, 4» et de PuUme,
Signa de pedertutie passive. Oaxette de$ B^Uaux. Sl Mai 1887; feiner
Bronardel: PidhraaUe paeewe et aetiee, Qasetie du Bdpikaa, 28 jum
1867.
- ) Leonpacher: Psychiücho Impotenz; icouträre Geachlechtaeinpiiuduug.
Friednidw Bttttor lllr gerichtliche Hedisiii und SaDititt^poUiei. 88. Jahrgang,
minibetg 1687. S. S90 ff.
^) Paul Sorieux: Beekerehe» eUniquee eur lee Jbktmaliee de thutmet
eacud. Paris 1888.
') Kriese: Beitrag znr Lehre Toa der konträren Sexaalempfindung in ihrer
, klimadt'linciiiiBehen Bedentong. Inatigaxal'DiBeertatioii rai Wllnlnirg 1688.
- ) Alexander Peyer: Ein Beitrag xnr Lehn tod der konträren Sexual-
oqrfindung. Müncbener mediziniache Wochenschrift. 10. Juni 1890. Nr. 23.
- ) G CaotaraQü: Imcrsione e perveriimenti delf islinto f<r.Hsiu^\ Im
psiehiatria. 1890. fasc. 3 e 4. Nach einem Beferat yoq D. Feist im Zentnü-
Uttt flr NerrenheflkDiide und FkyeUatrie, 15. Jahrgang, neue Felge. 8. Baad.
Febroar 1892. 8. M.
- ) Urquhart: Ca-fr of sexual pervenion, 7%e Jenemei of Mental Seienee
To/. XXX VI J. Januanj 1^91. S. 94.
Irelnnd in The juuntai of mental seienn: lol. XXXVII. Januarjf 1891.
S. fiOO.
Mmm(9 Airiom*
Öl
Lewin, 0 Eiernas,*) Lydston,*) Goffignon,«) Behr,
Tiling, Sohwars,*) Meyhöfer,^ Sohxenok-NotsingiO
Hughes,«) Sioli,») Halban,»>) Panissa,^^) F6r^,") Le-
glodic,") Legrain,") Snoo «) Howard.")
') Lewin: Über perverse und konträre Sexualempfiadoiigen. Neaiologüches
ZatnlUfttt. 16. September 1891. 8. 546—652.
^ J%M, Q, ^i9TMn: I^yeMogieal A»peet9 9t tkB semal ÄppdO^ Bqtrint
from ÄKenüi and Neurologist. St. Louis. April 0^91. 0. Riem an: Re^
spomibility in Srrual Pntcrsiini. Rmd hrforc tlir Cln'ra^ MetUmt Soddg.
Horch 7th 1892. Amer. Journ. of Nnir. mtd Psych. 1S92.
') 0. Frank Lydston von Kiernan mehrfach erwähnt
Ö A. CoffigDon: Parw vivata: La CbmipHon AFiaHt (U Dmi-Uuntätt
Lu Soutenettrs, La Police dejs Moeurs, Brastmet dSs JFhmme», HUe» gakmt«$,
Sami-Laxarr, Le Oiantfnr rfr, rtcj. Paris.
- ) Sitzung der Gesellschaft praktischer Ärzte zu R)i,'a am 15. Januar Itft*^.
fiericht in der St. Peteisborger Mediziiusckeu Wochenschrift No. 14. 4. April lt)92.
a i86i
') Meyhöfer: Zur kooträrea Sexaalempfindiugi Zeitachrift für KAdiiinil-
beamte. 6. Jahrgang No. IG. 15. Augrti^r 1892
- ) A. Preiherr v. Sc hrcnck- Notzing: Diu Suggestioustheraiiit^ bei krauk-
haften Erscheinungen de« GeauhlechtäHinnes. Stuttgart 1893. Femer iuteruat.
klia. SoiidMhMi No. 16^ 1890 vobA Nr. M, im. /Vvmter Omgrh infem. ik
V Bypnotisnu- ; Coniplcs-nndus piiblii's .snns la direction du /)»*■ Edgar Birillon
1889. S. 319—322. R^ritp dv niii>nofh:j,n- p- d/rcmbrr 1SR9 und Ir JmM 1890,
£in Beitrag zur Ätiologie d. kontr. Sexualomptindung. Wien 1895.
") Hnghes in The AlieiiUt and Neuroioyist. 1893. Octobcr. Nach einem
Befmt fön Victor Par««t In den AmuUes mitUeo-psjfchologiqufs. SejOHme
Mtrie, tem vmgUime. Pari» 1894. S. 467.
•) Sioli: Über perverse Sexnalempfiridiinc^. Allgemeine Zeitschrift fllr
Psycbiatrio «nd psychisch-gerichtlichft Medizin. 50. Band. Berlin 1894. 8. 897.
Nach einem Vortrag voo Sioli m der Jahreaaitsung des Vereina der deutschen
Iiminto. Ennkflixt a. IL 1888.
^ L. Halbaa: Xontrftre Sexualem pfindniig. In dar Beakoeyklopädie der
gwamten Heilkunde, medizinisch - thirurgisches RandwörtprbTif-h fllr pi aktische
Ärzte, heransg'ep:cben von Albert £alenbarg. 3. Auflage. &. Band. Wien
und Leipzig löi»ö. £j. 18^-186.
") Oskar Paninia: Baynatli und die Hmnoiexnnlitlt. Die Geselbohnll,
Jaaiinr 1895. S. 88.
C h. F t> r e : N erveDkrankheitea ond üue Verarbong. Deutsch ron H a bert
Scbaitzer. Berlin 1896.
") H. Legludic: Notes ei observatiorts de medecine Ugak. Paris 1890.
&m
") Legrain: De$ AnomaUeB tk Vhwtina sauet et «t parOeidier 4e$ Ai-
Wersiofis du Sens genital. Pnri.<t 1S90.
De Snoo: Fall von angeborener konträrer Sextialemfifindun!?, veröffentlicht
in Ptyehiair, ßUuten^ XII, 2—4; XIII, ä. Nach dem üeferat von Kurella im
Zentnlbliitt Ar Neneali^lnnMle vad Fkyehiatrie. April 1898^ 19. Jalugang.
Nene Folge. 7. Bead. & 227.
- •) W. L. Howard: Sexual pcrrprsion. Th/> Alienist and NeuroUnjiat.
Nr, I, rot. X VIL Jemuary 1896, Nach einem Eeferat im Arckitio delU Fsico'
92
Im Jihre 1891 eraehieii anoh des Verfassen ^ eiste Auflage des
▼orUegeaden Baehes.
Ausser diesen Autoren seien noeh einige Arbeiten besonders er*
wSlmt; aof andere werde ieh später mroekkonunen. Das Bnob von
I*. Oarlier*) Jiss dmx prosUMicm mnss bier genannt werden.
In dem zweiten Teil besebieibt er die m&nnliehe Frostitntian; es
finden sieb Uer so viele interossante mid wert?o11e liitteünngen
über die Homosemafittt im allgemeinen, dass das Boeb als eine
idrbliebe Bereichernng unserer Kenntnis der Homosezoalitftt betrachtet
werden mass. Zn berQcksiohtigen ist besonders, dass es yon einem
früheren angeseheneu rolizeibeamten stammt. Vun entächiedenem
Wert ist ferner eine Arbeit von Max Dessoir."^) Sie geht vom
normalen Geschlechtstrieb aus und sucht dann Hiehrere Fälle von
Homosexualität zn analysieren. Durch die Ausföhrungen über den
undifferenzierten und differenzierten Geschlechtstrieb dürfte die Arbeit,
wenn man auch den Sclilussfoigeruugen des Verlassers nicht überall
beistimmt, einen dauernden Wert besitzen.
Eine Studie über die liomüsexualität veröffentlichte Edward
Carpenter/) Er besteht hauptsächlich darauf, dass die Homo-
sexualität nicht als eine krankhafte Erscheinung angesehen werde
mid hebt die guten Folgen hervor, die oft genug ftLr den Staat» be-
sonders im alten Griechenland, aus homosexuellen Liebesverhältnissen
ber?orgegangen seien. Genannt sei hier auch die Arbeit von Emil
Laurent,*) in der die Homoseznalitftt gleichfalls bespnx^n wird.
paHe aeumU, vol. l faac, 7 e 8. 1.-15. Jpriie 1896. 8. 128. William Lee
Howard: PtgekieeU HermapkrotHiüm. Ä Nota nf Sexual PanrnrnoH,
with tum (Sinical CW.sr.t nf Sexital Inversion. Sepritit froin Üte Alimist and
Nritroloifist, April 1897. William Lee Howard: Pednaaty rs. Proatitution;
« few hisUftie notes. RejtrirUed front ttie .Juurfioi of the Atnerictm Medical Asso-
ciation, May J5f', 1897.
OAIbertXoll: Die koBfarü» Sexnalwnpfiiidaiig. HttBoniliugftmtUelien
Halaiiftb. Hit einem Vorwort von B. Kr äfft- Ebing. Berlin 1891. Vgl.
auch Albert Moll: Untenuchnngen li^er fiie Liin^h yrNnli'n. I.Band, 1. Toil.
Berlin 1897. 1. Band. 2. Teil. Berlin iHdiS. Ferner Albert Moll: Probleme m
der HomoaexnalitUt Separatabdmck ans der Zeitschrift für Kriminal-Anthropologie,
GtaangntowiMMWohiift und ftostitaÜoutweMn. 1. Band, SL Beft.
F. Ctrlier: La dau proOiMkm fl890-lB70). Abwelk mk».
Paris 1SS9.
■) Max Dessoir: Zur Psychologie der Vita soomIui. S.*A. ans der Zeit*
Schrift fiir Psychiatrie etc. 50. Band, S. 30.
- ) Edward Oarpenter: Jbmogmde km and *t» plaee in a frm «oeMiy.
I^rfsUed for privaie eirtulation oiüy. Mnnrhester 1894.
) Kmil Laurent: Die krankhafte Li c Vi e. Eine psycho-patliolo frische Studie.
ÜberaeUuug nach der dritten ftansösischeu Autlage. Leipzig Id^. 174 ff.
Vvaim Autoren.
93
Von den Werken, die in neuerer Zeit eraohienen sind, kommt
ferner ein Bneh von Enlenbnrg ') in Betrackt, wo dok im dritten
Kapitel eine eingekende Abkandlnng tlker die kranUuiften Anomafien
dee CkeckleektiainnB findet. Beeonders bemerkenswert ist die Litterator-
flbersicht des Yerfassers, die sich auch auf eine Reihe weniger be-
kannter belletristischer Schriften bezieht. Sonst seien noch zwei
französische Bücher erwähnt, und zwar von K :if t ui o?ich^ und
Lanpts.^ 13eide Autoren behaadein die Frage ziemlich eingehend,
doch Iftsst die Arbeit von Raffalovich trotz vieler einzelner Vor-
züge eine systematische Zus;mmienfassung des Gegenstandes vermissen,
wAbrend andererseits tine Kinteilimg der Homosexuellen m einer so
übertrieben schematischeu Weise versucht wird, dass sie fOr die
Praxis nicht branchbar ist. In dem Buche Ton Lau pts ist besoudeia
ein Beitraf: von Zola benierkenswert
Sehr gut behandelt die Frage ein Werk von zwei Englftndem,
nimlioh von Havelook Ellis und J. H. Symonde.*) Die Autoren
In der erstoQ fraazüsischen Ausgabe diosoa BüdiM (L'Amour morbide, ParU 1891}
finde ich äb«r die Homosexualität nichts.
>> Albert BvleiibiiTir: Sexuale NeuopaHue. Lelpiiff ISMk
- ) Marc-Andre Raffalovich: üranimMaVni9mMäiU,Lgonf-Pärül896,
Femer, Marc-An drö Baff alovich: TjUramsmf^ fnrrrsfoH s^rttelle eonghiitaie,
Observation« d ConaciU. Lyon, Paris. Janvier 1805. Eme dentscho Tbor-
■etEong hiervon erschien anter dem Titel : Die Eutwickelang der Uomosexa&lität.
Beriin IflOS; endtioh: Annale» 4» Fmitesmam par Ändri Baffalovieh.
Ifm-Paris 1897,
•) Laupts: Pn-rrrsirm rt Prrrrrsili' sexuelles. Une enqtiete meäicalr mr
l'tmersiuii etc. Preface pur Emiie Zola. Paris 1896. Vgl. auch La n pts: Be-
Inchtoogen über die Umkehrung des Qeschlechtstriebes. Zeitschrift für KrimioaU
tnlhniioloile, GeftngniswiHeMdiaft nnd PhwÜtnrioBeweB««. 1. Band. 4. oad
Halt Berlin 1897. S. 881—857.
- ) Havelock EH ig nn^ T H Rymonds: Das konträre GeschlechtsgefahL
Deutsche Ori^^malausgabe, beHorgi unt«r Mitwirkung von Dr. Hans Karella.
Leipsig 1808. Sine englische Ausgabe des Werkes erschien 1887, uuter dum
Titel: Stmal AMerstm. Ferner, H^Teloek Bllia: Sueual Bwerawn traft om
analysis of thiriy-three new cases. Itnlldin of thr Pnycfiohgieal Scrtion of thc
Medico-Jjegal Soetdy. PublisUed by r/ -, / /)'- /'. ync-Yorl: JWr„,!.n- 1895.
VoL 3. No. IV. Havelock Elliu: Bio Theorie der konträren Sexualofrii>üudung,
Zentralblatt für Nervonheilkande und Psychiatrie. Februar 1896. Havelock
Bllie: Sumal hmtrtim m num, Reprmied from tke Aümul and Neundogüt.
April 1896. £. 8. Talbot avd Havelock Ellis: A Gase of DereiopmmUU
Degencratipc Li-^nniff/, with Scxttal Inversion. Melancholia fnUnirhiq Rnnnral
of Tßstieies, AttempU'd Minder and Suintlr. The Journal of MrnUti iScifuce,
April 1896. Bemerkenswert ist auch Havelock Ellis: A note on ike Treoi-
muU flf «smal moenim, SeprüA. from Ut» AUmitt *md NmrofogM, Mg 1896,
Sewk Havelock Ellis: Noia suÜe facoltä artistlche degli invertifi. JfwMMO
dblb pfiöopatie u$»mlu VoL L fem. 17 e. 18. 1—16. SeUembre 1896.
94
BmchiiwiB.
TertiQten die Aoffassunir, da» die HemosexualiUt eine aogeboiene
IKspositioii sei. Des Baeh seielmet sieh dnioh Objektivitit und
Tide nene Litteiatarangaben ans. Yen Interene ist anoh dn beson-
deier Beitrag TonSymonds Ober Soldatonliebe nnd Yenrandtee. Br-
wühnnng Terdient ferner ans neuerer Zdt ein Bneh Ton Lnd wig Frey,')
das die Beziehnngen der Homosexualität zur Kunst behandelt. Es
iindet sich hier em ziemlich reichhaltiges Makrial über homoseiucllo
NeiguDgen bekannter Küustier, Dichter, i'äpste u. s. w. Das Buch
würde noch wesentlich gewonnen haben, wenn der Verfasser mehr
Quellen genannt hätte. Oft genug zeigt es anch eine gewisse Un-
klarheit, z. B. (hl, wo der Verfasser durch die Glciübgilti'j^keit Isaak
Newtons gegen das weibliche Geschlecht veranlasst wird, ihn mit
histonsüben Urningen zu vergleichen, wenn er ihn anch nicht diesen
zurechnet.
Es sind ausserdem noch zahhreiche andere Broschüren über die
Homeeezualitftt des Mannes und des Weibes erschienen, von denen
der weitaus grOsste Teil einen wissensohaftlichen Wert nicht bat
Wegen einiger interessanter Mitteilungen seien inunerhin noch die
Bächer Ton Qnttseit*) und Ton Otto de Joux^) erwihnt Letzten»
bringt eine Beihe ganz interessanter Einzelheiten ans den Kreisen
homosexueller Minner und Frauen.
Ein Jahr hindnreh (1896) ersehien sogar eine Zeitaobiift, mit
dem Titel: JrMrio ädU Fneopaüe aesauaH, und swar unter der
Direlction Ton Pasqnale Penta. Yiel Neues hat Penta weder tn
seinen eigenen noeh in den meisten Artikehi seiner Mitarbeiter ge-
bracht, und es ist kein grosser Yerlnst« dass die Zeitschrift wieder
eingegangen ist Penta*) hatte vorher bereits ein Bneh über sexaeUe
Perversionen geschrieben, m dem er anch auf die Homosexwditit,
wenn auch verhftltnismassig kurz zu sprechen kam. In der Ton ihm
herausgegebenen Zeitschrift Teroffentlicht er mehrere Anftitiet a. B.:
Carrafteri generali, ariqine e siqnificato dei PerveHme$Ui seSSHaU
dimostrati coJk autvhioivftfic di Alfieri c di Rousseau e dkUo^
„(xli Amori" di Luciano,^) ferner; Vorigine e la patogenesi ddia
0 Ludwig Frey: Der Sn» und die Kniiit, «tiuiche Studien. Leiprig.
Johannes Gattzeit: Naiarrecht oder Verbreohsn? Bbw Studie ttbw
weibliche Liebe bei MÄnncm nnd timf^'ckehrt T.eipzii?.
- ) 0 1 1 o d e Joux: Die Enterbten des Liebesglttckes. £in Beitrag cor iSeelen-
künde. Leipzig.
«) Pasqnale Pontat llkrvertimmiii $$nuaK ndl^ namo 0 Vurnmö r^nem
HnmgoIcUore di donnr. Studio hitiogico. Nnji^Ji IS93.
() Arühino äetit PkieepaOe tetmaii. & 1—7, 17— 2L
VenchiedAne Arbeiten.
95
iiMermoNe neaaualc^ seoondo Krafft-Ebing e gli aUri auioriJ) In
Betiaoht kSme als knappe und gate Znaammentanng dniger
Hauptprobleme die Arbdt Ton F. N&eke:*| BrüUmid nd Campo
deüa futmone sesawUe normale. Pelanda*) ▼eröfifentlichte hier
eiTKi Arbeit über den Zusammenhang von Hernien und sexuellen Ab-
normitäten. Von weiteren Beiträgen erwähnu ich ausser denen, die
ich an der uideren Stelle nenne, die von Neri^) und Luzen-
b e r g e r.*)
Auch haben viele neuere Lehrbücher der Psychiatrie (z. B.
die von Arndt/) Bull,') Meynert,*') Kirchhoff,») Magnan,»®)
Kräpelin,")Krafft-Ebing,^2^Dagoüet,")Ziehen,")Dornblüth")
>) Ebenda S. 68—10,
•) Ebenda !^ 291—808.
') Pelanda: Emia ed anomaiie sessttaJi. 85— tö.
- ) 8. A. Neri: imenüme e Parveniam aeBtuaU eon^ata (MaaoiAümOf
FeUeim» eee, 8. 106 t
- ) AagQSto di Lnzenberger: StU meeetmismo dci penertitnmU
sfSMtali ^ foro terapia. Comuntra-xiottr fnftn al cangreitsfi rirlln torirtä frena^
Ihm ikUuina in Firenxe neU' ottobre 1896, Arehivio deik. I'jiicojMiite sessuaii,
8.986-871.
^ Bidolf Arndt: LAiImuIi d«r Psychialrit tSat Inte vwl Stadiwrende.
Wien nnd LOfäg 1888. 8. 188 £ «ad 178.
^ B. Ball: Lefona amr k» MakuKe» «MMtoleis. Ommhue ^däum» Pari»
1890. 8. 328.
•) Theodor Meynert: Klinische Vorlesun^'en üher P>y( hiati ie auf wissen-
schaftlichen GruDdlageu für Studierende und Ärzte, Juriäteu und Psychologen.
Wien 180a & 184—186.
') Theodor Kirchhoff: iTehrbnoh dar F^yehintrie tfir 8bidiNMndn nnd
Ante. Leipzig nnd Wien 1892. S. 141.
V. Magnan: Psychiatrische VorleHtmgcn. Deutsch von P. J. Möbius.
2. und 9. Heft. Über die OeiäteastÖrungcn der Entarteten. Leipzig 1898. S. 35
—61. 4. und 5. Heft. Leipzig 1893, S. 33- 46. Siehe auch: Lefons clinique^
mir le$ Maladüg mentale», faUe» ä FAeüe dinique fSamie'Jnne) par V. Magnan.
BeeueiUies et ptMieee par le Dr. PerJ, nr man. Pari» 1897. S. 61 ff.
") Emil Kräpnlin: Psychiatrie. Ein kurzes Lohrbuch fftr Staüerendo
nnd Ärzte. 4. Auüage. Leipzig: 1893. S. 142 nnd 68:^—692.
B. Xrnfft-Ebing: Lehrbuch der Ptiychiatrie auf kliniacher Grund-
lage fVr fnktiiolie Ante nnd Staditrande. 5. Auflage^ Stnttgut 1888. & 87.1
Übrigens erwähnte Krafft-Ebiog bereits in der ersten Auflage seines Lehr-
buchs der P^rohiatriAp Stattgart 1879, Band 1, S. 70, die kontiitn Senal-
empfindnng.
") B. Dagonet: Ti-aite des maUtdie» mentale*. Aveo la coUaioraiion d»
■J. Dugonet et Q. DuhameL Pkri» 1894, & 408 und 768.
Tk. Zinlian: BiFehiatiin. Berlin 188L 6. 18 nnd 67.
Otto Dornblnth: Kompendinm der Fqjehiatrie flbr Stadiarande nad
Xnta. laipag 1884. & 86.
96
Ywaidiiedeiie Arbeiten.
lowie andere psychiitrisohe Avbeiteii (z. B. t4« Forel,^ Delbrack,*)
J. L. A. Koch/) IM,*) SnlliTan,«) Frants,^ Toulouse«) die
kontribre Sexnalempfindmig bemelreichtigt. Auch viele Werke Aber
Degeneration nnd Vererbung gehen auf die Homosexualität
ein, oder erwähnen sie, z. 13. die von Roth,*) Nor d ;i u ,') W i 1 1 i a m
Hirsch,^) jMagiiau und Legrain/^j Da llemagne,") Eerti.^-*)
Ebenso legen einige Arbeiten über Nervenkrankheiten und Neu-
rasthenie 2. B. die von Monin,") Oppenheim,") Berel,") Bar-
rucco,") Wert auf die Bexuellen Ferversionen. Hier sind ferner die
- ) August Forel: Zwei kriminalpsv'-hAlafrische Fälle. Ein Beitrafj 2ur
Kenntnis der ÜborgaagszuBtände zwischen V i r brechen und Irrsinn. S. A. ans der
Zeitschrift für Schweizer Strafrecht 2. Jahrgang, 1. Heft. Bern 1889. S. 21.
Anton Dolbrttek: Die pathologbche Lüg« tmd die pqrohiMh nlnminen
fiohwindlfr. Eine Untereachaog über den allmftbliohen Übergang eines normalen
psychologisohon Vorgangs in ein patholof^'iorbes Symptom Stuttgart 1891«
8. 14 ff und S. 96 ff. Der ensta Fall betrillt ein weibliches Individuum.
') J. Ia A. Koch: Die psycbopathiachen Sünderwertigkeiten. 1. Abteilung,
BaveulNirg 1891. 8. 87 nnd 187 1
- ) Ch. FCmc: La Pafhokgü du AHoHem, Auin fkgnahgifim ä ciini-
^Ues. Paris 1892. S. 443 f.
) William C S u 1 1 i v a n : NoUs on a case of acute hwanüy wük sexual
Perveraiun. Ute JounuU of Mettiai Science, April 1S93. S. 226.
- ) Adolf Frftnts: Bin Fdl von Ftnaoin mit konMiw Sezulorapfindung.
Doktoidioawtation, Berlin 188K.
') Edouard Toulouse: IjCS Catches de la Folie, Prophylnric et Ässi-
ttauce. Paris ISffO. S. 57. Vgl. auch K Toulouse: 1^' inrersimi sexuelle chex
les Älienes, Tribüne medieaie 1893. S.204. l«ach einem Keferat von Feindol
in Bum nmrotegipte, 1^ aniiS$, Nr. U. lSfuml803. 8. 80&
- ) Bmaanel Both: Die Thatsachen der Vererbung in gesohiobtliob-
kritischer Darstellung 2. Auflage. Berlin 1885. S. 97.
»)Max Nordau: Entartung. 3. Anfl. Berlin 1896. z. B. I, S. 26.
William Hirsch: Genie uuil Entartung. Eine psychologische Studte.
Beriin und Leipäg 1884. & 17, 188.
") Hagnau eJ Legrain; Let UtgkHitU, tUdt mmUat d ^Sj^fMÜroMM ^
mtüques. Parü jsn ' S I57f.
") .T. Dalle magno: Degencrü ei Desequilibres. Bruxetka-Faris 1895,
S, 4Ö5— 537.
^ Ch. Förd: Norveokxaokboitoii und ibro Venrbimg. Denteoh von Hubert
Scbnitxor. Boilin 1888b Eenor Gh. FMi CbtUribution ä friiule de^t equi-
roqties des earacidrcs scxuds acresi^nires. Perne de medceinc 1893. S. 600, und
Ferö: Ija descmdmirc d'un invcrti. Revue gcnrrale de dinüjiic et de Th^a-
pmiique 1896. Nach einem Referat vuq I^äcke iui Neurologischen Zentralblatt.
15. Jabrgrang, 1608. 8. 1090.
") E. Monin: Misrres ?ierveiiJies. ^Deuxieme t'düion. Paris 1890. S. 185.
H. Oppr-nhoim: Lehibnch der Mervonknnldieiton fSr Änto und
Studierende. Berlm 1894. 8. m').
Borel: Nervosüme ou neitrasthetiie. Lausanne 1894. 3. 90.
Nieold Barrneoo: JMIaAilirvMMs Msmofe. Omio J^fottt « 3kr^i«
fon iMMMTOw ouenaaiom tte. Bolapia 1897. S. 99 ff.
NviMiB ArboitBii«
97
rerschiedenen Bücher über gerichtlichi' Medizin oder gerichtliche
Psychopathologie zu erwähnen, die in neuerer Zeit der konträren
Scxnalempfindung oft erhöhte Aufmerksamkeit widmen. Ich nenne
das von Maschka heransgegttbene Werl^ wo Gauster*) die Frage
erörtert, ferner die Bücher TOii Casper imd Liman, £rafft-
£biiig,*) Hofmann,«) Strassmann,^) Seydel/) Eölie,*)
Gramer,^ Delbrfick.^) Schon froher war in den verschiedenen
BfieheiD Aber gerichfliehB Hediiitt (s. B. Ton Orfila,*) Fried-
reich,^) SchflrBiajer,^^) Mair'*) die flogenaimte Fftderaatie und
Sodomie aneführlich heeproohen woiden. ÜBdesBeii ist eni innenerer
Zeit aiiob das homosenielle FOUen, die kontiflre Serotempfindaiig,
mit dem nötigen Naehdiook beiiandelt worden, wllirend frtOier, wie
wir im Kapitel Uber Foreniimhes eehoi werden, fimt immer nnr auf
Moritz Oaaster: Handbach dar gehchtliohea Meduuu. üerausgegeben
iw J. Kaiebka. L Biad. Tübio^n 1888. 8L 4S8.
"> R. ▼. Xrftfft' Bbiag: Lehrbiudi d» gariditiiehiii F^ydiopilholQgisw
Hit Berückachtigong der Gesetzgebnn^ von Östamiofc, DeiilieUMid und Rilllk-
leioh. 3. Änflapfo. Stuttgart 1892. S. 282 f.
- ) Eduard E. Y. Hofmann: Lehrbuch der gehchtliohea Medizin. Mit
gMohminigtr Beattdadihtigang d«r dsatoolMo md Momiddaflkia GtMtsgebang.
7. Auflagt^ Wim und Leipiig 18M>
Fritz Strassmaaa: Ltthrtaoh der g«ri«hlliobMi MediiiB. Stuttgart
im. 8. 114-193.
- ) K. J. Seydel; T.oi*iViden der gerichtlichen Medizin für Studierende und
Arzte. Berlin 1885. S. 'A) L Da Autor erwähnt allerdings nur die päderastischen
Akte und Uiat m dieier Stell« das amelle Pttblan onbeittekalolitigt ^
Theodor KüIIe: Gerichtlich- psychiatrische Ontachten ans der SlSlik
des Herrn Professor Dr. F o r o 1 in Züriok. Fttr Ante Und JaiiateB heraiiage-
geben. Stuttgart 1896. S. Uü^ 181.
") A. Cramer: Geriditiiuhe Psychiatrie. Ein Leitfaden für Mediziner und
Jnrisfeea. lern 1897. 8. 180.
') Anton Delbrück: Gerichtliche Biyohopathologie. Eia konai Lehi-
baeh für Stnt^iprende, Arzte und Juristen. Leipzig 1897. S. 187.
M. Orfila: Vorleanneren über (gerichtliche Medizin. Nach der zweiten
Ausgabe aus dem iiranzüsischen übersetzt und uut Anmerkungen begleitet von
Jaeob HergenrSther. L Band. Leipzig 1889. 8. 106— l€8w
J. B Friedreich: Handbuch der gerichts&rztliohen Praxis. 1. Band,
8. Ausgabe. Begensburg ia56. 8.971-876, lowie 8. Baad, 9. Angabe. B«|geiil-
borg 1860. S. 1461—1463.
") J. H. Schurmayer: Lehrbuch der gerichtlichen Mediain mit Borück-
aiehtignng der aeoeieik Oeaetagebnngea daa Iih und Anslandee, insbeaondeie dea
Ynbiatm bei Subwuigeiiebtaa VBr inte and Jarialaa bearbeitet. & Auflage.
Briangen 1861. S. 865 t
") J. Mair: Juristisch-medizinischer Koramentar der neuen kgl. bayerischen,
kgl. preuBsieohea and kais. kgl. österreichischen Strafgesetzgebung fttr StaiUaaiiwälte,
Sieliter, Verteidiger ud ^ate. 8. Band. Aogsbarg 1868. & 67— 6S.
Voll, Xo-lr. SMlMwiadraf. 7
98
Jurutiiiche liitterator.
die objektiven Zeichen und die angeblichen Folgen der FädtiiaäLie
Wert gelegt wurde.
Einzelne neuere Autoren haben, bald im Anschluss an neue
Fälle, bald auf Grund ailg< meiner Erwägungen, die juridische Be-
deutung der kontraren Sexualempfindung ik lege luta oder de lege
ferenda err^rtert Ausser den Forschern, die ich an anderer Stelle
erw&hne, nenne ich liier besonders: Hubert,^) Ilode,^) Seydel,*)
Geill,'j Eikelens,«') Siemeiling,«} Hamilton,') Hoche,»)
Hoegel.*»)
Femer erwähnen die verschiedenen Bttoher über Strafreoht und
aaoh die kirchlichen Bussbücher, z. B. die von Wasserschleben*^)
imd Schmitz,") die Päderastie. Ebenso ist in zahlreichen auf die
Bibel beiQgliebeii Bfioheni bald in kflnerer, bald in ansf&hrlieherar
- ) L' incersiott j/müaie el la leyiakUioti. Ckmclmionapreaenteespar M. Hubert.
TMaihm Congre« ^JatAropotogie arimwuth, tmmäBnueU$$ m Rapport»
a» Fase. BruxdUa 189B. S. 168.
^) L'inrcrsion r/rnitnl/' ei In Ifgülaticn. Rapport prhcnU par ^f k rhrtntr
Leon de Kode. Troisihnc Congrls d' anthropologie ertmtneUe tmu ä Bruxcücs
m 1892. Rapports 2* Fase. Brttxelies 1S92. S. 112.
- ) G. Seydel: Die Benrtdlmig der psnraiBHi SexnalveK^dMo m fora.
Viertelijahrshcbrift für gerichtliche Medizin und MtetiiolieB SuutiUvwwen. Ihitte
FWge, 6. Band, 2. Heft. Berlin 18ü3. S 980,
- ) Chr. G e i 1 1 : La psyc/iopothte serueile et son inf}itfncr. siir Ui nudecitte
legale, ügeskrifl for Laeger V. 27. S. 403. Nach eioem Kelorat vun P.D. Kock
in def Snm neurologique. 16 atptmiArB 1893. B, 479.
Van Erkelens: Strafgesetz und widernatürliche Uniodli Berlin 1895.
- ) E. Siemorling: Sittlichkeit5verbrcchpn und (rfiatcs.stöning'. Medi-
zinisches KorrespondenzbhiTt des württembergischen äri^tlichen Landesvereins.
JBand bo. Nr. 31. ö. Oktober 18i^. B. 241. Siehe aach; i!'eätschriit aolibälick
dM fanfdgjährigen Bestellens der FroTiiudal-ÜTeiuuistalt in IKettebn hti Halle «.8.
Leipzig 1897. S. 211-274.
') Allan M'Latie Ilamiltou: The civil responsibility of sexual perverts.
American Journal of Jnsanily. April 1806. No. IV. Nach einem Referat im
Archipio deile psieopaiie sessuali. Roma-Napolif l-^lö. Lugiio 1896. Vol. 1.
FoM. IB 1 14.
- ) A. Heeke: Zar Rage der faeerisoliea Bsulailug aeKodler YeigeliHL
Heurolcp-isches Zentralblatt. 15. Jahrg. No. 2. 15. Jan. 1896. S. 57—68.
^) Hugo Högel: Die „Verkehrtheit" des Geschlechtstriebes im Strafirechte.
Der Gerichtasaal 53. Band. 1. nnd 2. Heft StaUgart 1886. S. lOS. Siehe
auek die ^nderlegnng Kögels dueh W.: Bie Yerkehztheit dse (leaeUedhtrtriebse
im Btnfteokt Ber OericktssuL Sa Baad. 6. Heft Stattgait 1807. & 448.
^) F. W. H. Wasserschleben: Die Bnssordnnngen der abendlänlischen
Kirchen nebst einer recktagesokioktliokeii Etnleitnng. Halle 1851. 8. 101, 107,
158, 171, 181, 186 IL 8. w.
- ■) Her». Joe. Sckmitz: Bie Bnssbttoker und die Bnssdisziplin der Kirche.
Naek kandaeknftlioheft QnaBen datgeateUt Haiai 1868. 8. M4, 965^ 876, 881,
888, 989» 861, 407, 4» aad SS7.
rüyvhulogische Litteratur.
99
Weise von Päderastie, Enabenliebe, Sadomiterai und Umlkhen Dingen
die Kedt'. Ich nenne hier Gottfried Büchner.^)
Die verschiedenen Werke Über rsjchologic nehmen nur selten
Käoksicht auf die konträre Sexaalempüadimg. Die grosse Psychologie
Ton Volckmann Ritter von Volkmar, herausgegeben von
Cornelius,*) erwälint zwar allerlei Irrtriebe, die durch den Ge-
schlechtstrieb mit seinen dunkleu und zahlreichen Org;inL'm])üaduugen
wahrend der Penode seiner Evolution und Devolution veranlasst
werden, behandelt aber eingehend nur den 5J0!:^en;innten Brandstiftungs-
trieb, immerhin nehmen einige andere Autoren psychologischer
Werke genügend Raoksicht auf die konträre Sexualempfindoogt B.
James,«) Ölzelt-Newin,«) Bibot«)
Sehr häufig wurde der homosexuelle Geschlechtsverkehr, sei es
swisohen M&nnem, sei es zwischen Weibern, besondeis in foiensisoheii
Fällen, im Anschlüss an das Zwittertum besiiroohen, und nrai
geschah dies um so mehr, als es sehon seit langer Zeit hekannt
war, dasa ein sogenannter Zwitter bald mehr Neigmig an weibliehen,
bald mehr in minnliehen fieechSftigangen hat WeiUmge mfigen
gern weibiseben Pati, veniohten gern weibliohe Handarbeiten und
deigläehen mehr, meinte Rosenkranz*) bei Betnehtung der
Zwitter. Bs sei hier an die FiUe fon Tonrtual*) und Martini*)
- ) Gottfried Bttchners Bibliiolie Real« und Verbal Handconoordanz oder
eugedidh-hoiiiilattBoliaB I^Mcikcn, darinne die vtnoidadeiiea BedratniiiBD d«r
Wörter und Bedarten anfeseift. Zur geiftliohen Bedekmit 4 Aallige, Jeea
1766. S. 762 und 1043.
') Lehrbnch der Psychologio vom StandpODkte des Bealismu» und nach
genetiflcher Methode von Ph. Dr. Wilhelm Volckmann Bitter vou Volkmar.
Dm GfnndriiBM d«r Fiiyehologie 4. Auflage. Heraasgegebea 0.8. Corn«liaB.
SLBud. Röthen 1896. 8. 418£
- ) WilliftB Jainoi: Tk§ prmoiplt» ofpsgdukgp, Vol,IL Nmc' York 1890.
S. 436.
- ) Anton Ölzelt-Newin: Über sittliche Diapositioneii. Gm S. 6tf.
•) TL Bibot: La pB^ehohgi» du mtUmmtU. Pari» 1896, fL a»<-H6.
Stalle moh Tb. Bibot: Utlialadies de la Peraormalüe. Pari» 1885. 8. 74-7«.
•) K. Bosenkranz: Psychologie oder die Wissenschaft vom subjektiven
Geist. *2. Äuflaf'i» Nebst Widerlegung; der vom Herrn Dr. Exner gegebenou
vermein tlicLcu VV iderleguug der Hegelbcben Psychologie. Königsberg 1843. S. 60t.
^) Tovrtnal: fimalsW«b?iididldkter.MriVpni«in]dnbhcbeDl^^
Ou^rs Vierte^ahrasolixjft flir guiohtliebe M«diiiiL Bwlin 196», 10. Band.
1. Heft. S 18 10.
") .1 M;irtini: Em miinnlicber Zwitter als verpf1i( lit« te Helieamme. Amts- '*
muiäbrauch uud wideruatUrlicbe Unzucht nach den Akten mitgeteilt. Caapers
ViertflüdinMbiift ftr geriditlidM Medisin. Berlin 186L 19. Bend, 8. Eflft.
& 8Q8-m
r
100
eiinnert Anob in dem Bndie^) nDer Hann nnd das Weib** nnd
Falle Ton aagebliclien Hennapbxoditen genannt, wobei der QeeoUeeht^
trieb ttebrfaeh erwihat fei Von einem lUle, den Handy im Jahie
1807 in Lissabon untersuchte, bandelte ee rieh angeblioli um einen
Hennaphroditen, der die wollüstigen Erregungen des minnlioben nnd
des weibliclieu (icsLhlrchts fühlte. Er soll dreimal befruchtet worden
sein und dreimal abortiert haben. Noch merkwürdiger ist der Bericht
von S c h e n c k. Ein Mann hatte eine hermaphroditische Frau ge-
heiratet und bekam von ihr Kinder. Nachdem der Mann gestorben
war, knüpfte die Witwe geheime Verbindungen mit ihrer Magd an,
und diese soll von jener geschwängert worden bein. Dies wäre
nur dann möglich, wenn es sich um einen wahren Hermaphroditen
gehandelt bat. Wahrscheinlicher ist es natöilioh, dass die Magd fon
irgend einem Manne geschwängert wurde.
Ebenso haben jene Forscher, die über die Geschichte venerischer
Krankheiten geschrieben haben, die homosexuellen Akte, besondere
die Päderastie, oft genug berücksichtigen müssen. Ganz besonders
gilt dies von dem gelehrten Werin, daa Uta Jnlina Boaenbanm*)
hinterlaaeen hat.
Audi Bind mehr&ch in Beapre oh nngen, die ftber die ein-
flcbligige litterator eiaehienen, wert? olle nnd anregende Oedanken
anageaprodben worden, loh enrUine hier s. B. Boaenbaoh,^ Jnlina
LOwentbal,^ Mitte nswe ig,*) Kühn,«) BUnler.^
Anf viele andere Autoren, a. B. jene, die die tfaerapentiaelien
Ftagen im AnaoUnaa an die kentrftre Sexoalempfindnng erörterten,
komme iob nooli im Lanfe der Arbeit snraok.
Zn erwUmen iat endlidi, dass gelegentlieli anoh in der belle-
- ) Nach der zwölften Auf!:ip:f von A. Debays Hisfoire natureüf !'hnmme
et de la femme und nach deutschen Autoritäten bearbeitet von Ludwig Haaft
Bamberg 186ö. S. 112—121.
- ) Juliii« Bosenhaam: Oesohiehto der lastMuciie im AHerton«, aelwt
ausführlichen Untersuchungen Aber den Venus* und Phalluskultus, Bordetts»
y,-yv0,,.: jh'f.ria der Rkvthrn, PSdemstip nntl andere geichleohtüchn Auascbwei-
fQng;eD der AU* n. ab Beiträge zur richtigen £rklftraQg ihrer Sdiriften. 6. AnfUge
1898. ß. Iiy-id27.
■) Bdoimeyen Zmlnllilatt ftr Nenranhailkanda, August 1698.
- ) Der ärztliohe Praktiker. 4. Jahrgang, No. 49 und 50. 10. und 17» Bes.
1891. DoagL: D«r inüidie Pkaktik«. & Jahrgang, Mo. 81. A Angnrt ISM.
S. 495.
') Zeitächrüt für Mcdi/uoaibeamte. Ib. Dezember 1891. S. 6&L
<) ZeitMduift Idr HedisfaudbeMute. 15. Awgatk 1686. 8. UM, Ja ^ana
Referat Uber ein» Mhere Auflage der kontrlmi Sesoalempfinduiigi
«) MandMB« mediiiiuaehe Woduoaohiift, 1888. No. 11.
ScOebMik.
101
trislisohon Littenftar die mannrntonliche läebe beiftckmehtigt ist»
obwoU hier ?m1 häufiger die inrnblie Senudempfiiidiuig des Weibes
•Dgeferoffim wiid. In nsneier Zelt deutete Tolstoi in der Eretuersonate
Jene Ersohnnnngen an, wfllirend frOher der seiner Zeit sehr gefeierte
Eowiansehflflstelkr Aleiander t. Trngern-8ternberg mehrfiich
in seinen Bontsnen msnnminnUohe Liebe lom Gegenstsnd der Dar-
stelhmg maebte, ebenso ide der Diebter Wiese^) in einem Brsma.
Auch in dem 1774 erschienenen Schauspiel „Der Edelknabe** von
J. J. Engel*) scheint mir ein homosexueller Grundzng, eine Neignng
des Fürsten zu dem Edelknaben, zu liegen. In einer Nuvelle, Itubi
Yon Anrelins, Berlin 1879, spielt die konträre Sexualempfindung
eine Hauptrolle. Auch Wilbrandt hat in Iridoiins heimlicher Ehe
homosexuelle Empfindungen beschrieben. Hier sei ferner der Roman
Sodotne von Henri Dargis') genannt. Frey*) glaubt in den
Vagabunden ?on Karl von Holtei umische Erscheinungen zu finden
und meint, dass die Erzählung Schwarzbachwaidau ein reiner ürnings-
roman sei. In dem Roman ScUammbo von Gustave Flaubert^j
lassen sich zahlreiche homosexuelle Punkte auffinden, und ebenso
gelegentlich in dem neueren Boman LaNichina von Hngaes Bebel!.*)
Ebenso sind hier zweiBonume Ton Baehilde^) zu nennen: Monsieur
Venus und Les hors ntUure. Ersterer schildert die Züchtung der
konträren Sexnalempfindung bei einein Manne. Das elende Qe-
sebreibsel Ton Armand Dnbarry,*) der in seinem Baoh Les Lnr
«srüs einen bomoseinellen Boman an geben meint, ist nicht emat
an nehmep.
Dass nicht allfin bei den nördlichen Kulturvölkern, sondern auch
in andern Staaten die f ikierastie, resp. die Erscheinungen des üra-
1) In. den Dnina JDüit Flmnido* (Drai Dnaieii, Leipzig, Brookhans 1886)
S.B. a 1&
J. J* Bngelf Sohrifteo. & Band, SdiMspielo. 1. TdL Bedin 1841
a 37-76.
- ) Henri Dargis: Sodotne, Prifaee de Paul Verlaine. Deuxüme
Ludwig rrey: Dar Iho» imd ai« KnnaL hd^mg. a 171.
- ) Onstave FUnbert: Salammbd, £düi<m äifiMte. A9ee de» Dorn-
mente nouveaur. Paris 1892, z. B. 8. 8, SOI, 820 u. b. w.
Hugaes Bebeil: La Nichitta. Boman, Deuxihne £dition. Parte lS9(i,
ass.
- ) Baokllde: Mmmmmp Vüniit. JMfaeeieMaurieeSarrie, Mal8a9,
Lm höre natwe, Moeurs eoniemformmm. B»Ht 1897,
»> Firis ISee eraehienen.
102
Ittlim. Orient.
mmm beksnnt sind, steht fest In einseliifiii Liadeni des Ifittel-'
meerlieokeiis tritt die mlniüiehe Fteetitittioii heote nodi zieadieh
deafUflfc beiror. In Neapel bieten rieh ahends anf der Via Tdkdo
junge Mftnner dem Yorftbeigehenden an, and die Zwieehcaihladler
preisen dort nicht nur ihre weibliche, sondern anch die minnliohe
Waare ud.') Dass iu Italien die Homosexualität stets etwas mehr
hervortrat als in andern Ländtrn Kuropa«, scheint mir sicher. Aua
dem vorigen Jahrhundert giebt Kamdohr an, dass in Italien die
mannmiinnlichen Geschlechtsneigungen sehr häufig waren. Auch aus
dem Orient liegen zahlreiche Mitteilungen Tor. Heinrich v. Mait-
zahn ensäblt in einem seiner Werke, dass sich im Vorhof der Kaaba
Burschen dem Fremden anbieten, und ein anderer Reisender teilt
mit, dass die Sklavenhändler in Kairo ihn beim Handel um zwei
Knaben gefragt haben: „Rechnest du denn das Vergnügen, das sie
dir bereiten werden, ffir nichts?" Lenz*) erzählt in seinem Beise-
werke Timbakto: „Schlimm ist in Marokko die Unsitte der Grossen
des Reiches, sich veiadmittene Negerbaben an halten, wem gewöhnlich
die Kinder ilirer Sklaven genommen werden. Es ist diese Neigung
io aUgemein Tevbreitet» dass sich niemand darüber aofhait, and dass
der Bmepler nnr eEstaimen mnss Aber die Ofenheit, mit der Uber
die Angelegenheit gesproehen nnd verhandeit wild."
Tainowsky*) sagt, dass die Yoinehmheit and der Reifthtmn des
Ifnsebnanen lavrileii an der Zahl der Knaben, die er in seiaem
Dienst hllt, gemessen iriid. Aach sonst finden wir sahlreiobe
Angaben aber die Knabenliebe hn Orient nnd in fielen TeOen
Afrikas.
Über einige orieatalisohe Völker besitiea wir ans nnseism
Jshilumdert sahlreiehe mtMbmgen. So oiihlte 1833 Fiiedrleh
1) Private Mitteiiimgca von Ohrenxeugeu aus den letzten Jahrea. Ganz
gleiche MitteOmgu maehte 1855 J. L. Gas per; Ib Neapel md Sirilien wirft
dem Belflenden an hellen Tage Ton auf daii Strassen longeroden Kupplern wi
bc!li'^!^inw rogcaxo achamlos angeboten, wenn ratxn ihre Anträge, Weiber betreffond,
zorückweiBt. Ahnlirlip» berichtete Casppi ubi r Rus^land und die Türkei, was
gleichfallB mit privaten mir gemachten Mitteiiungeu Übereinstimmt. (Vierte^jahrB-
Mfarift ffir geriobtUdie VBd «fiinrtUdie KedisiiL 7. Band 186S. a M7.) Li Ktiio
werden gleichfia]l8 snf den logtOAtiiifen Fisohmaikt nicht nur Ittddieii, somleni
aneb Knaben, ja sogar Tiere angeboten, nud zwar ganz offen.
•) üskar T.enz: Timbrtktu. ßeise dnrcb Marokko, die ÖabLira und den
Sudan, anageluhrt im Aoitrage der afrikanischen Gesellschaft in Deutsckiaud, in
den Jakmi 1879 ud 1680. Enler Band. Leipzig 1884. & 887.
") B. Tarnowsky: Die krankhaften fineheinaBgen dw GeaehleohteBin&ei.
Eüiie «ocMMiacli-iN^ohiatrindie StniUe. Berlin 1886. 8. 78.
Orifliii
103
Wilhelm Oppenheim*) Ton der Äusbiettuktr der FIdenatle
in der Torkei. iDterenani aind auch die Amfthnuigeii von Gre-
vel vs über Grieehenland. Naoh semer Angabe bltlht in der
Neoieit die Pidenette in Odeehenbnd ganz ebenso wie im Alter-
tarn; es klme dies daher, dass man nirgends so viele schOne
jnnge Männer mit weiblichen Zflgen finde wie dort, nnd dass auch
die Pabertät bei Männern erat relativ spät eintrete, südoäs selbst
zwanzigjährige junge Münner zuweilen noch gai keinen Bartwuchs
hatten. Es käme auch vor, aich Männer in der Törkei manch-
mal einen männlichen Harem hielten; so habe Ibrahim Pascha*)
auf dem Feldzng in Syrien seinen weiblichen Harem in Euro zorüok-
gelassen und sich selbst nur Knaben niitt^eMommen.
In China wird nach Krauss^) die Päderastie heute am meisten
ausgeübt. In der Stadt Tschang-theu wimmelt es nach diesem Autor
von Caiamiti, den päderastischen Medien. In der Provinz erscheinen
sie als Haossklaven, in Peking treten sie als eine öffentliche Klasse
an das Licht In dieser Stadt finden sich Institatei wo Knaben von
11 bis 12 Jahren für die Prostitution herangezogen werden. Man
sieht im Theater die Wohlhabenden mit ihren Anumi, d. h. den
mftnnlichen Geliebten, sitzen. Die tierischen Orgien, die dort gefeiert
mdea, Ahlden ihzei^deheii nnr im alten fiom. Einielheiten Aber
die FreetitatiQn in China biingt aneh Lib ermann.«) In Tien-Tsin
eoUeii damals 35 B<ndc]]e bestanden haben, wo Knaben von 8—17
Jahren angeboten worden. Im ganien seien es 800 Knaben gewesen,
die in diesen Bbisem feil waren, wobei die noeh ni^t mitgesBhlt
waren, die aniserhalb derselben benntst worden. Die fOnf Theater
der Stadt seien bei allen Yontellongen mit diesen Kindern angefüllt
geweseni die (tibntlidi ihre Kürper den Znsohanem anboten, ond dies
geschah, ohne dass man nooh irgendwie daraber in Brstannen geriet.
Über China teilt mir ausserdem ein Heir, der in dieser Frage
offenbar gut unterrichtet ist, folgendes mit:
,Tn ganz Ost-China ist die Päderastie so allc^emein und so straflos
wie die Prostitatioii überhaupt. Kanton, Pekiug, Shanghai und Hongkong
^ Vrfedr. Willi Olm Opponh^ia: Über dm Zoitaad der HeUkonle tmd
Aber die VoIkakiaaUielteB in der eoropUicthsn und aaiatitehen TmksL HamlmiB
188&. S. 82 ff.
•) Grererus /. c S. 92 f.
- ) A.KranBB: Die Psychologie des Verbrecheus, ein Beitrag zur Erfahruogs-
teelflnkuBd«. TW^igen 18M. 8. ITB^
- ) H. L ibormann: Le$ Ammmt« «TOpium m OMw. £fud» mitUeate,
iM 1862. S. 04 i.
104
Orient
wimnMiUi fon Kjnideo, die niebt nur toleriwt» aoAden von lioohgeBtelltio
Beimtcn OfFtnÜioh protegiert und eoiram puhlieo kaveariert wevdeo. In
Tbetteni liebt man Soeneii, die an das alte Bom unter Calignla ei^
ünem mftnen. HibUe hoys werden in den meisten Gaathioiern inr
AeeomodaHtm der Ctaate geiialten, bei Tefanktunuenuig sdleber Hteaer
nitYeiftaiifl und dem Namen nadi nnter Hernnbebong ibm pertOnHoben
Tonflge 10 Mfentlidi wie die aebffne Anaatoht oder daa ICobUiar des
Qebtadea erwlbnl. Kyniden dxSngen ai«b auf die Kanalbote oder
werden gegen ZaUnng von ein paar Taela sogelaaaen, erbatteo aber
auch «of Kredit freie Passage, with the piain imäenkaiidimg (hat
they are going to raise funds with their foundaUcHf wie sich ein
chinesischer Kanfhiann cynisch ausdrückte. Aber das Grandioaaate dürfte
folgende Thatsaehe sein : Nach Venuteilnng des Distriktgonvemeiu» von
Kanton wnrden seine Effekten meistbietend verkanft und seine drei Knaben
auf Befehl des VizekSnigs der Provinz einem Begimente von BegieningS>
trappen m bolganscben Zwecken überliefert.*
Von Japan enfthlt mit «in Htir, der Tide Jahn dort gelebt
und die Landeantten genau kennen gelernt hat, daae die Fideiaatie
oft TOikomme. finde aieh tielliBcb bei SohtUem, die gewöhnlich
in Almnnaten wohnen; ebeoae bei Soldaten in Eaaemen. Boeh aei in
Japan die Erscheinung nicht so öffentlich wie in Cluna.
Das8 in Indien die Homosexnalität bekannt ist, dafflr sprechen
u. a. folgende Mitteilungen eines Heiiu über die Erfaiuungeu» die
er dort machte:
.Gleich am ersten Abend meiner Ankunft in Bombay hatte ich eine
Zusammenkunft mit einem Eingeborenen, der sich mir f£ür 2 Bnpien hin-
gab. In Poona, einer Qebirgsstadt in der Nähe Bombays, verkehrte ich
an einem Abende mit drei yerschiedenen Eingeborenen. Der eine war
ein Kntscber und forderte micb in finem Gpmisch von Englisch und
Hindostän auf, mit ihm zu fahi en. Er fragte mich, ob er mich zu einem
Mädchen führen solle, und iiul meine vememende Antwort bat er mich,
zu ihm auf den Kutschersitz zu kommeii. Obwohl wir uns kaum ver-
ständigen konnten, wussten wir beide, was die Glocke geschlagen hatte,
und unsere Begierde war in wexiigen Augenblicken befriedigt. In Madras
und in allen anderen Teilen des südlichen Indiens ist es nicht anders.
Wenn ich darauf ausgehe, finde ich jeden Abend mit Leichtigkeit irgend
einen Eingeborenen, mit dem ich für Geld und gnte Worte geschlecht»
liehen Umgang haben kann.*
Edward Carpenter^} beziohtet auf Grund ?on Mitteilungen
Edward Carpenter: Bmagmiie lim and 4U flaee 4n « fim toektjf.
MiM fbr priMUe droukOim mOg, Mmekukr 2894. B. 5 1
4
105
Hermann HelTilles, dass in Polymerien IrideoMliaftliebe Frennd-
sebaften swiMdien ICInnern niohts Settenee leien. Anf IWtt Utanen
Beispiele Ton Freondgchaften swisolien If Innem Tor» die anoh nicht
einmal dvoh die EnäUmg Ton Bamon nnd Phintias ftbertralfon
wfiiden; mitnnter fiune der Eingeborene der einen Ineel eine eololie
Freandsohaft fttr den länwdfaner einer andern, wenn er ihn das erste
Mal sehe. Dieae Vrenndaehaften UUnen anefa sviaehen Angehörigen
frindlieher StSmme vor, nnd rie seien ao geachtet« daaa in aolohem
Falle dcf eine Mann daa fefaidfidie OeUet ungestört dnrehsobieiten
kdnne. Ja, es zeigten sich Bifersnobtsseenen, die sieh dort in Be-
ziehungen vom Mann zum Weib kaum fanden.
Nicht nur, wie man mitunter glaulit, im Orient, sondern auch in
vielen anderen ausserearopäiscben Ländern zeigen sich ganz ähnliche
Erscheinongen. üeber Päderastie bei verschiedenen auswärtigen
Volkern berichtet Mantegazza^) mancherlei. Seinen Angaben ist
ein Teil des folgenden entnommen. In einigen Gegenden von Meiiko
wurden nach ihm frtlher sogar Ehen zwischen Männern geschlossen.
Auch in Kalifornien und Nikaragua finden sich Päderasten nach
den Mitteilungen von Reisenden. Dass sich auch bei Naturvölkern
die Päderastie zeigt, geht aus der Angabe Mantegazzas hervor,
wonaoh aie bereits bei der Entdeckung Panamaa unter dessen
Sinwobnern gefanden wnrde. Überhaupt sprechen die Angaben aber
Amerika dafOr, dass die Päderastie dort schon vor der Entdeckung
bekannt war, z. B. im alten Pero.') Anf Madagaskar finden rieh
Tinaer, die als Franen g^ridet aind nnd rar Fideraatie m dienen
seheinea Naeh einer Kotishi der ZritsehriftfOr Ethnologie*) kommen,
irie Weatphal sagt, IhnUehe Bnoheinnngen hri Indianern tot. Bri
ihnen findet rieh eine Elaaae von Mftnnem, die aloh, ton nnwider-
ateUiehem Drange getrieben, «ablidie Klrider ansnriehen, gans wie
Weiber benehmen. ?irey*) enililte aohon in ariner nm 1800 in
- ) Panl Mantegaaia: AnthzopologiK^kiiltarhistoriBobe gtndiea flbar die
OcMhleebteverhlltiiiflM Ibudieii. 8. Anflagai Simig ftutorifliette dentuh«
Ausgabe. Jena. S. 118.
•) Was Peru betrifft, sn darf nicht ttbenehen werden, dtss allerdings die
Spaniel deaeen Einwohnern aUe mügUchen Lsster vorwartjen, am die maflaloeea
GfauHaMeB Fiiftnoi and aiularar Spaaier bai Ikobernng dM Liiulfls m
»BeMfcrtigwi (Job. Beberr)i.
•> 1. Band, 1889. S. 88.
- ) J. J. Virey: Misioire naitireüp dti qmrr. humain, ou Tiecherrh^s fvr sf9
pntietpaux Fondenun» phystques ei fHorcMx; prieideen ä'un dücours sur la
natmt de» Um orjftmiques^ et mr fmumM» i» imr physioloffie. On y a jviiü
wm 4imrt«änm mtr 1$ SÜmage d$ VAatjpfm. Tbm» pmmmr. FatiB An DL
& SBO»
106
Amerika.
Paris erslhienenen Uistoire ruäurelle du genn: humain, dass der
maDTimaruiliche Verkehr bei anderen oukulUTiexten Völkern in Aaien
und Amerika vork&me.
Dass auch anf Hawaii Sodomiterei vorkommt, berichtet Bastian.')
Sie wird hier Ai-kane genaimt» was, wie Bastian mitteilt» zasammen-
gesetzt ist aus ai (zusammen) and kane (M&nner).
Ober Mittal- und Sfldamerika erhalte ioh noch folgende Mit-
teilmieeii:
«Dia Ptdeiastie ist im heutigen spanisohen Amerika beinahe so
allgemein Terbrwtet wie im alten Orieebenlaad. Unter den Aiteken
des 16. JaliriraBderts grassierte sie in Stadt nnd Land and wurde von
den Spaniern hanptslelilich ihrer krassoi (yffenttidUmt halber peihor-
ressiert Erant quasi «mies SMfomMi eoMmoMünf», sagt Bernal
Dias •) H aäoletemies rnulH, miiUelfrUsr vetHH^ tbant jm^Me, dbim
guaemiieB <A ish üaboUeo ei äbomkiiAile Uibore. Dass die spanisohen
Soldaten in dieser Hinsieht Ton Eam ans Terfilhrbsr waren, geht jedodi
ans Tersdiiedeneo Beviehten desselben Sohriftstellars sienlidi denlüdi
herm. Cahoa (ünterofflaiere), mit Filhmng Ton FstroniUen betreut»
wsven sehr geneigt, deh von rebeUisehen JboHgkiea CMsehi liefim sa
lassen, ,zu Zwecken, die mit Garantie der Loyalität wenig zu thon
hatten*. Der Inquisitor Salines Hess fiberflihrte Kynlden seharenwais
einsperren, aber seine Nachfolger nahmen es weniger gensin, nnd die
weltlichen Behörden hatten ihre Httade sonstwie sn voll, um sich um die
Privatmoral der Eingeborenen viel zu kfimmem. Der YizekCnig de la
Torre wurde ersucht, die Gesetze gegen professionsmSssige Prostitution
unmündiger Knaben nach dem spanischen Kodex geltend zn inachen,
scheint aber persönlich an der Wirksamkeit solcher Massregeln gezweifelt
zu haben und gab auf wiederholtes Andringen nur ausweichende Ant-
worten, z. B. : No se puede ensetlar a gente sin razon. (Man kann
unvernünftiges Volk ohnehin nicht belehren.)
Bolche Beispiele auf der einen und mOnchische Laster auf der andern
Spite gaben der Unsitte eine ausserordentliche Verbreitung unter den
Mjscbrasseu der spanischen Proviuzeu. Die spanische Sprache hat in
Mexiko, Venezuela u.s.w. eiu ganzes Glossarium hierauf bezüglicher Aus-
drflcke entwickelt Fulo und putito {Masculinum nnd Masciäinum
von pttia = pwtuela) ; Chingon vom Verbum a^mgare
') A, Bastiaa: Zur Kesalnil Bswsüs. NeohtrSge und Ergiasnagen m
den laselgnippea in Ommusb. Betün 1888b 8. 86;
- ) Bernal Dias del Castillo war der WafTengeAhrte des Cortei.
Er hat eine Geschichte der Erobenmg Mexikos geschrieben (Sophns Rage,
beschichte des Zeitalters der Entdeckungen, Berlin 1681, S. 349), die mir nicht
snr Verfügung stand, anf die sieb aber die obigen Mitteihmgeo beaieheB.
AnunikiL
107
(aUguem per amm gebimieliea); CkingUo beiiifthe ein tlrlficlinr Ans-
dnusk. Qitme Mi Crätgtmeiio por m camaf Lim peaeta^ no nuu»
por «ma nod^ fria wm eäa), (W<dltn EK« meht ein SohosshfindolMii
ftr Hur Bett? Nur ein Viertelthalflr flbr diese kalte Naohi) N6 qiUere
nifios de mi iamaflo'i' (Sind Sie nicht ein liebbaber von Kynftden
meiner Grösse?) eto. sbd Antragsformeln, die man abends im Flüster-
ton in jeder spaniscb- amerikanischen Grossstadt hören kann, oft selbst
auf ahstokr«tiseh«n Promenaden. Parate amigo. Voy a volver por
aqiti. Sigueme st quieres, pero calla la hoca. (Warte hier Schätzchen.
Ich bin bald wieder hier. Folge mir, wenn Dn willst, aber schwatz*
nicht so laut) etc. sind nur zu hftufige Antworten seitens der An-
geredeten.
,Man hört hier von viel mehr jungen aktiven PUderasteu, als
nach Schopcnhauors Theorie erklärlich wllre. Difi Urheber der efeist-
reichen Degcncrationsbypothese könnten sich yielleicht auf das sexuelle
Früfaaltern der entarteten Kreolen beruien.
,Bei ausweichenden aber nicht bestimmt abweisenden Antworten
werden die Kynfiden von Lima und Mexiko (Stadt) oft unglaui;»lich zu-
dringlich, ja handgreiflich. No me pega mied, no iengn m )>n<lre ni
inadre, dann schamlose Griffe und Vorschläge der drastisch uuzwei-
deutigsten Art. Auch imtitas (kleine Mädchen) spekulieren auf das
pandemische Laster: No se ettoja de mis bdbuchos, me puede ch , . .
por d €tro lado si quiere^ ocho veces por oeho cenkibt» — it»-
dS/ouHo prorosieraid*
«Geradexa onzihlige Inveklivsii dreben siidi um diesen Punkt: CvAo
"heHa (iänerto}, Hip lis skie nkingaäos, BreOame a eti^ Alto äet
caibrdn eto. etc.
»Die «Df TasolMiidiclM lotient waebsamen Polisisten werden sn be-
sttadigtn Obnoieogen solcdier EoarenslaoiieB, aolieiiieii tklk aber yon.
deir ünansrotibarkeit dieses Lasten ftbersengt m habw und igm»ieren
die geweibsniSsrigen Kynldeik oder lassen es bei balb mitleidigen, balb
ssrksstaaohan Bemeriningen bewenden. Bin ^uprum, sn ebibsren
Javeneß varllbti wfiide indessen so streng wie in Freossen gesfaraft; ein
jonger Eont4 in Pnebla wurde trota des Yenadiea, IGldemngsgrflnde
(Halbnosdi) geltend ra maeben, ra secbs Jabren ZnebHisiis ▼emrtoilt
auf sein Geständnis, den Sohn eines amerikamsohen Handwerkers in ein
Paritdickicht gelockt, dort gedrosselt and vergewaltigt zu haben. Den
Hangel anderweitiger Gelegenheiten hätte er freilich unter den Mildemngs«
grfiaden nicht anf&lviBn können. Yorkoramnisse dieser Art sind jedoob
InsMcst aeUen.
„EipreasongSVannob« würden in ganz Spanisch- Amerika ohne weiteres
Tereitelt, wenn man beweist, dass der Erpresser freiwillig in die Kreise
der mAnnlicben Demimonde eingetreten ist» Eine Ansnshme bildet viel*
U08
Aawriln.
leicht Paraguay, wo sameneit Francia*) gegen Knabenschänder gerade-
zu drakonische GMfttn erliess, die Tielleicht bis heute noch gelten. In
den Nachbarländern machten sich die Trinmlrhions über diesen Code de
culolte Jahre lang lustig und drohen noch heutzutage schendiaft» einen
Sodomiter ttbtr die GreiiM des Bhadftmaiitiachen lenitoriiuiis adbita
in lassen.
,XynItiicn-Ltip3nare existieren notorisch in fast jeder südamerika-
ni£ch( II dtadt von über 30000 Einwohnern. Die Besitzerin eines solchen
Etabl ssemeTit!? in der (Jaüe de ... . zu Caracas (Venezuela) erschien
vor zwei Jahren vor Gericht, um sich gegen die Anklage von Verlockung
anständiger Knaben zu rechtfertigen, und begniigte sich (in meiner Gegen-
wart) mit dem Beweise, dass ihr der Junge des isJägers fireiwiUig zu-
gelaufen und mehrmals, das letzte Mal mit Fnsstritten, ans dem Hause
gejagt worden war. Sein Zweck würe uur Schmarotzen bei einem ihrer
Knaben {de mis muchachos) gewesen, und die Behauptung seiner Ver-
wandten beruhe Ulf einem Bacheplan. Des Jungen eigene Aussagen unter
EreniTerhör reohtfertagten «be Aimahme dÜMr Art. Die TerUagte war
du« madmiMBoHegäre, die ihn eigene Verteidigung unter grlMHdMm
Qemhrei durdilUirU und thttildilidi enflaieeii wurde. BtrHoe, si, aeOor^
me lasÜman las orellas, qm aeäbm con eäa 009a eoehmct^ waren die
letrten Worte dee Hilftrieliten; aber er sagte niehi em Wort fllMr die
indirekt eingertamte Thaitnohe, daas aie JAidcMito im Sitine des
Dennnsiantea feOlueli
«In Bio de Janeiro ateiien Lnpaaaie unter politeilielwr A^finelit»
ohne Bonat baiondflrB beUMägt ta werden, nnd im NolftUe bweiöhncn die
Patrone ihre Eyniden ala Bad^nngen oder Laofbusohen. Einige dieser
ÜDStitiila aind aneh m anderen Zwecken missbraneht und ala DiebeabSUen
vnterdrAeikt worden. Dann aber sind sie mit allen ihren Kjnftden um-
gesiedelt und nach Verwarnung in die Beihe tolerierter Maisons de joie
wieder eingetreten. Sie halten meistens auch Mädchen, aber sicher nicht
^ bloaa fttr PädiccUores, aondem auch für alle anderen Zweoke^ obwohl
ansh gewdmheitwnitaaige !Mikaitoren in Bio de Janeiro exiatäaen soUen.*
80 w«it die IfitteiliDigsii msoBM Qewfthnmaiiiut.
Hammond berichtet» wie Kraffi-Ebing mitteilt, einigei Uber
die NaehkommeD der Aiteken in Nen-Jfexiko. Sie sftchten so-
genaimte Mi^erado»% tod denen jeder Stamm einen an den religiösen
GebrSadien Terwendet, b^ denen die Pideraatie eine hervorragende
Bolle spielt Der Mujerado wird dvack Masturbation und bestftndiges
Herumreiten za paralytischer Impotenz gebracht, wodurch eine Atro-
phie der Huden und Penis erreicht wird ; infolgedessen treteu ähnlich
Franoia war Dictator von Paraguay nnd blieb ee Ua n seinem IMto 1840.
"> JAfieraci» abgeleitet von dem apaniaohen mgeri^ » weibtieh(Kiernan).
Amerika.
109
wie bei Eonnchen aaoh sonstige weibliche Erscheinungen ant So
zeigt sich Ausfall der Barthaare, die Stimme wird allmählich hoher,
der Mujt'rado zeigt auch weibische Neigrmgen und gesellt bich voll-
ständig den Weibern zu. Aus Mexiko wird mir über die Verbreitung
der Päderastie noch folgendes als charakteristisch geschrieben:
In Matamoros, wo vor einigen Jahren auf Andrängen amerikanischer
Ansässiger Stier- und Hahnenkfiropfe verbotfn vrnrden, protpsfierte ein
mexikanischer Stadtbeamter ;n:egen das interäikt mit den ^V orten; „Vero
los digo todos que si no hay pasaiienijw en tutda^ que se chingaran
todos hs tnucharhos rh escueJa." (Das aber sag' ich Euch, der Mangel an
besserem Zeitvei treib wird dahin föhren, dass allo Schulbuben der Stadt
,yerfuhrt* werden.)
Auch in dem nördlichen Teil der Vereinigten Staaten von Noid-
amoika wird die Homosexualität Öfter beobaohtet, wenn auch an-
sdiemend weniger darftber in die Offeniliobkeit dringt, als anderswo.
Ob die Homeeexaalüit dort ediwidiar ferhieitet iat als bei nns, dar
lOber an aiehefea Urteil abrageben, ist sehr Bcliwer. Bs sei aber
daianf hingewiesen, dass flberbanpt die anaserehelidien sexneUen Be-
nebmigen, anefa anf belerosexneller Bads» in vielen Sttdten der
. Vereinigten Staaten seltener sn sein sebeinen als bei nnsp nnd es
wlre ebenso mOgfiebt dass tnits bestehender Homosexnatittt homo-
seznelle Akte Teihtttnismisng weniger vorkommen ab in Europa,
sowie in anderen Staaten Amerikas. Dass aber die Homosexualität
aoeb dort gar niebt selten ist, darf als sicihw hingestellt werden, und
es wird auf ihr Vorkommen in diesem Lande ausdraoklich von. Hl^lliam
Lee Howard^) u. a. hingewiesen.
Ich will jetzt eine iieihü von Persuulichkeiten aus den letzten
Jahrhunderten besprechen, die der konträren Sexualempfindung ver-
dächtigt wurden oder Terdächtig sind. Es liegt mir selbstverständlich
fem, damit irgendwie einen Makel auf die betreffenden Personen werfen
zu wollen. Es dürfte wohl aus der ganzen Abfassung dieser Arbeit
hervorgehen, dass, selbst wenn ich bei einigen die konträre Seiual-
empfindnnp als bestehend imnehme, ich sie eben nur für ein Symptom
halte, das der Betreflende nicht verschuldet. Mit den historischen
Notizen über konträre Sexoalempfipdongen xansa man, wie Qley mit
') William Lee Howard: Pedmutjf v». Ptottitution; a fcu hütorio
fmeU. Bqtrmdd firom ike Jomnal oftk» Amenem MeiM Agtoeialien. Mojf 15^
1897. &8.
110
Hemricli III. vuu Fi-aakreich.
Beoht betonti sehr Tonichtig adn. Ea ist hier sehr toioht, Behang
taugen anfinuitelleD, jedooh oft eehwer, de za beweisen; besenders die
Alt, wie einzelne kontr&re Sexoslempfindung oder andere sexuelle
Perversionen bei zahlreichen historischen Personen annehmen, ahm
ihre Aimahuiü irgendwie zu stützen, muss verwürfen werden. Anderer-
seits sehe ich keine Veranlassung, die mir zu Gebote stehenden An-
gaben über umische Neigungen historischer Personen fortznlassen ;
eine solche Methode wäre ebenfalls einseitig und würde die Anikiarung
über das Gebiet verhindern. Leider wird bei den meisten Personen
alles unterdrückt, was die sexuelle, ganz besonders aber die perverse
sexuelle Sphäre betrifft. Dennoch habe ich in Biographien, Geschichts-
werken etc. manches gefunden, was bei einzehien Persönlichkeiten an
die weibischen Gewohnheiten des Urnings eiiimertt bei anderen gerade-
za die kontrSLre Sexualempfindong beweist
Heinrich HI. von Prankreich, der von 1574—1589 regierte,*)
wird mit Becht für einen Urning gehalten. In fast jedem Gesohichts-
werk findet man Dinge über ihn enählt, die kaum eine andere
Dentnng inlassen. Den König umgaben ?iele Qflnsttinge, die mit
dem Nimen Ißgnaiu heieidmet wurden, und den weibisoheB Ben
nehmen allgemein anffieL ZshlTeiehe BflUo nnd andeie FestHehkoiten .
wniden in dem Fslaste des Königs Teianstaltett wohet llbiigens aodi
das andere Gesohleeht nicht gefohlt haben soll Hit Torliehe liess
sich der König öffentlieh in Weiberkleidem sehen; ui seinen ZliOioli-
keiten gegen sdne CHinstlinge soll er selbst öfliBntlioh liemlieh weit
gegangen sein. Ancfa sadistisefae*) Neigungen zeigte vielleicht der
Brwihnewwflit iat, dus aoeb Karl IX. (1660—1574), d«r y«frg&ii«:er
Httinriobs HL, d«r Fiderastie beachiddigt wurde; der Mutter von beiden, Katha-
rina TOD Medioi, Bchdebeu, wie erwähnt, dio Fransoseii die Rjnftlhnuig des
maamilftaDlicben Geschlechtsv erkell rK m Frankreich zu.
") Verbindung Yon Grausamkeit oud sexuellec Gedanken; über deu Sadismoe
wird untea msAhiUch gesproolwn weiden. Krafft-Eblng hat «of die Be-
cielniBgen bingewieeea, die iwkohen dem Aullnlai der FlefieUanten (im Mittel-
alter und noch später), die aich zur Bosse geisselten, nnd dorn Geschlochtstriph
bestehen, der durch Geisaein unter pathologischen Verhältnissen erwockt wird.
Gerade unter der Eegieroug Heiniiohs IIL traten in t&n& dte Jblageiiauttia
sehr stark auf. (Boileau, Hkloin des FlageOanta^ Offenbar atiad fibrigens
der PlagePantiemiii edhon im Alterinn in engen ZSmaniaienhang mit religiösen
Verrichtungen. Genaueres hierüber Teri^eiobe in f&e» et Oourtüancs de la Qrice.
tiuppUmmt nux Vojfage* d' Anachar$u et (f Anterior. Quatrii me iditiim Tome
Premier. Paris 18:ii 8.388—391. Als Vecfaswir dieses Werkes güt C kau» sard.
Femer: Der FleeeUantimiii und «tte Jcnitenbeiohle. Histoiifloh-peychologieohe
Oeeebichte der Gei«ekiig»>Inititiite n. w. Naoh dem Itaiieniaeben des OioTan&i
FruBta. Stuttgart 8. 1—10.
Haiarioh IIL nm Fnukreioli.
III
KOuig, indem er m Bnsetegen mit Welkut seine Wgnons geiseelte.
Über die ImmoflexaeaeiL Neigungen des Königs sind mebrae Draok-
sdiiiften eneUenoL In emer derselben, die ieh tot mir habe, be-
findet sich an Titelbild, wo der König in Eriegsrttstong, aber mit
weiblicher Frisur und mit anderen weiblichen Toilettengegenstftnden
dargestellt läL Darimter steht der Vers:
Je ne suis male, ni FemsUCf
Et si je suis him en cervdle
Leqttel des deux je dois choisir
3fnis' qu^ Importe ä qui on ressamble;
II vatU nueux les aroir msembief
On en rsgaU double pUkisir.
Anefbhrliehes fiber Heinrich IH beriohtete d*Anbign<. Von
ilmi atammen auob die folgenden Yeree*):
Henry fut mieux mstruii ä jtujcr les a/ours
Des fyutahis de sa com, plus propres uux amours:
Avoir ras k nimton, garder le face pasle,
he (feste effi-^Huu , VoeiJ d'iin Sardamijxüe,
Si hien qu un joiir des Rois, ee douteux animal
Sans cervdle, sans fr&nt, partU td en soti ball
De cordons emperles sa (^kevdure pleine
Sms MH borntti mm bord, o PUaUemie
FaiaoU deux wres voutee; son nmiUm pineeü,
Sm visage ds rwge et de Uam empast^
8m IonI emj^mdri, nem moiiislinreiü tidee.
Eh 1a place d^un rop d^une jmtam fairdie.
Raeee fud heau speekuiel et eomme ü fUhon «otr,
Ce prntee aeee tm buae, tm eorps de saHa wnr
Coupi ä reepagaeie, cü de» d6ehiqiutures
Sortoient des ixissemens et des bkmdtes Haures,
Et a^ que rhabit t^entreamvist de rang,
U monstroit des moH/dUms gauffrez de saiin bUme,
D'autres mand^ enear qui s^estendoieut fendms.
Et pms jßugum anm pieds lautres mandtes perdues.
Four noumau paremeHt^ ü porta iout ee jour,
') Dcäcripltott de V Ish das HerpiophrodUcs , nouveUement decouverfe etc.
Paur aern'r de Supplement au Journal de Henri III., Colngnr 1724. Die erste
Ausgab« eracbiea wahrscheinlich 1605- Als Verfaner gilt Arthur Thomas
S«igaenr d'Kmbry oder der Kardinal Dii]»^rTO]i.
- ) Zitiert nacih 6. Harris: La Prostitution, am origin«, »onditdoppement
et sen ergamaatiiHk BremOn idition» Piari», Bnudbu. 8. U8i
112
fidaaitl IL and Jakob I. von £uglajid.
Cei habU monsfrueux, pareü a am amaur;
Si, gu'au premhr äbard äiascim 99kU m ptme
S*ü vojfoU un roy-femme ou hien un kommo-reme!
Eduard II. Ton England (reg. 1307—1327) steht gleichfalls in
dem Ruf, uniische Natur besessen zu haben. Er liebte die Freuden
und Genüsse des Hoflebens, und es ist keine Frage, dass er sehr darauf
bedacht war, seine Günstlinge zu erhöhen. Peter von Gaveston,
ein Ritter aus der Gaseogne, stand bei ihm sehr hoch in Gunst; er
wusste den König „wie mit Zauberbanden an sich zu fesselu". Später
nach des Günstlinpfs Tode nahm Kugo Spenser dessen einflussreiohe
Stellung ein. Der Könii^ wurde schliesslich al:«gesetzt, und seine hart-
herzige Gemahlin, die den König verlassen hatte, wies jede Vereinigung
mit ihm zurack.^) Sein Günstling» Hago Spenser, wurde ebenso
wie sein 90 jähriger Vater hingerichtet Der Vater wurde zu Bristol
gebangt und gevierteilt, der aUm&chtige Sohn endete am Galgen,
und in die Katastrophe worden auch andere Verwandte, Gehilfen ond
Schützlinge dieser Günstlinge , hiaeingerissen.*) Der König war
flbrigens, wie beilänfig bemerkt sei, nach iiDgabe von T. F. Tout
durdi grosse Sehwatihaftij^eit gekemudebiiet^ die ihn selbst dasu
Teranlasste, Staatsgeheimnisse anamplandem.
Jakob L von England (reg. 1603— 1625^ der als KOnig von
Sohottlsiid Jakob VI hiess ond der Sohn von Maria Stuart war,
wird glelohlUls Ton den Urningen als einer der Duigen reklamiert»
nnd xwar, wie mir soheinti mit mehr Beeht als Bdnard n. Ju
Jakobs Charakter lag manches, was als abnorm*) beieiohnet
werden mnss: Liebe som AbsofaitismQS, verbonden mit Feigheit
nnd OharaUerschwäche, Interesse fdr Wissenschaft bei gleich-
zeitiger kindischer Pedanterie. Sein Auftreten wird als unwürdig,
seine Gestalt als unmännlich gescliildert. Obschon er mit einer
dänischen Prinzessin vermählt, war und aus dieser Ehe mehrere
Kinder hatte, so war er doch durcli seine ütmstlingsherrschaft be-
rüchtigt Besonders Georg Villiers, Herzog von Buckingham,
wurde von dem König wegen seiner körperlichen Schönlu it sehr be-
günstigt und übte auf die Begienmg des Landes einen bedeutenden
Weber: AllgeiMtne Weltgwoldohte. 7. Bud. Idi «aineluie diflieni
Werke nur die allgeoi^en Angsben; tber die nrnisahe Itetnr des XSnigi findet
eich darin nichts.
Hans Frntz: Staateng^ohlohte des Abendlandes im Mittelalter. Von
Xad ta OroHan Ids aaf XazimOiM. S. Bend, fierlia 1887. 8. >!&
>) Die UtDinge leigea« abgvedMB von ihicm pemnett OMohbohlstriebet
oft andere psyohiiohe Ateränititeo*
Rnddlf IL tom Bthähurg,
113
KnfloM au. JOank um» ZSrttiobkeit für onwaidige LieUtnge') er-
fegte der Kfloig \>9i dem Volke aUgemetne Unsiifriedenheit Sdion
Toiker batle er als Jakok VL in Sebottlaad regierk imd andi hier
bereite geifligt, dan er WoUgelUlen an jungen Miaaeni von eekdner
Geetalk fimd. Er log deewegeB eoloke Leute stete in seine Nfibe und
rannte ihnen grossen Eiafluss auf die Begierong ein. Ariau und
Lennox Obien hier einen grossen Einfluss auf den König aus.*)
Eine auffidlende Brseheinnng ist Budolf H. von Habsboig, der
1576^1612 in Deatsddand regierte. Er neigte sn einem gleiöh-
gUtigen Stompfsiniif war ohne Thatkraft und Festigkeit; zahlreiche
grillenhafte Liebhabereien beschäftigten ihn ; so sammelte er iu seinem
Museum im Hradsühiü allü möglichen Kuriositäten der Natui und
Emist, Bacher, Edelsteine, Antiquitäten. Der Kaiser hielt sich yiel
in seinen Gärten und Marstallen anf, hatte aber von der Höhe seines
Amtes eine krankhaft gesteigerte Meinung. Rudolfs Günstlinge
leiteten in Wirklichkeit die Herrschaft; scmt) Kammerdiener, von sitt-
licher YerworfcDheit, waren die aoge^ehensten Leute, ohne sie war
nichts zu erledigen; Fürsten und Staatsmänner mussten mit diesen
schmutzigen Kreaturen verkehren. In späteren Jahren kamen sinn-
liche Ausschweifungen hinzu. So magefähr ist der Charakter des
Kaisers in Webers allgemeiner Weltgesebiehte geschildert. Wenn
ich hiermit nun Teigieiohet dass er, wie Ireland*) berichtet, ein
groBBer Weiberfeind gewesen ist, so liegt die yermntong nahe, dass
irgend eine sexuelle Basis sein Verhältnis zn seinen Günstlingen
berrefgerufbn liabe. Allerdings wird Ton anderer Seite bebauptet«
dass der unTeiehelieht gebliebene Kaiser viele unebeüelie Snder
binterlassen bsbe. Yebse*) erwähnt sechs uneheliehe Kinder des
Kaisers, der sogar imstande war, einen seiner SOhne, Don Cesare
d* Austria, w^ er ein Edelfrftnlein ans dem Wege gerftnnii hatte,
liinrichtett su lassen. Der Kaissr liess srinem Sohne in einem wannen
Bade die Adern Mben. liOjrens*) meint allerdings, das physisohe
^) Karl Friedrich Bockers Weltgühchichte. Herausgegeben von Ad.
Schmidt. Mit der FortBeUrmg vou Eduard Arud. 8. AuÄ. Leipzig 1869,
11. Bd.
- ) Weber: Allgemeine Weltgeschichte. 6. Bd.
- ) IL W. Ireland: flenaohemuwht und QeiifectkmnklMtt fitattgart 1887.
S. lU.
- ) Eduard Vehse: Geschichte der deutschen Hute seit der Keforaiatiou.
9. Baad. HaBliiif 1851. & TS.
- ) Ottokar Lorenz: Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie.
Stammbaum tind Ahnentafel in ihrer geschichtlichen, soiiffilflgiiwhflin Uld natlliy
wiasenschaftlichen Bf «Deutung. Berlin 1888. S. 461.
Jf oU, Kootr. ä«zu«lempiladang. Q
114 '
FtadwU.
Leben Bndolfs VL sei dmoluiiis nonnal geweaen. Er habe aeine
lelüidohen onelielielieB Kinder geliebt und lel vielleieht der
Stammvater einer NachkommenadiBft^ die beute in den aUerrer-
aobiedenaten Lebenakr^aen wiiH leh konnte niobta darttber finden,
mit welcben mblioben^) Peraonen der Kaiaer intime Beitebnnsen
gehabt bat, wlbiend ich fiber aeine CHinatlinge genaue Angaben
fand. Treland vergleicht den später noch zu besprechenden Lud«
wig II. von Bayern mit Rudolf II. und zwar aus vcrscbicdenen
Gründen, zu denen die Abneigung beider gegen däi> weibliche Ge-
schlecht gehört.
Besprechen wir jetzt einige Päpste. Eine merkwürdige Kr-
scheinnng ist Paulus II. (reg. 1461— 1471V Zu seinen hervor-
stechendsten und am meisten bekannten Charaktereigenschaften ge-
hörte eine isrenzmlose Eitelkeit; als Kardinal meinte er, tlass er sich
als Papst wegen seiner Schönheit den Nanu n luvmosHs geben wurde;
sein Ornat strotzte von Gold, die Tiara von Brillanten. Er soll ferner
an einer gewissen Sammelwut gelitten haben, die sich besonders auf
Edelsteine erstreckte, und dieses Sammeln soll ohne jeden Zweck
geaehehen sein. Offentliob zeigte er sieh nie ohne Schminke. Wegen
seiner leiehten Neigung zum Weinen wurde er Notre Barne de la
IPH^ genannt Ich erwähne ibn bier, wefl er in vielen Dingen jeden-
fsSÜA an die Effeminatien eiinnert» die eft* wie in einem Falle Weat-
phal8| ebne Tiieb zum Manne aiob adgt Nor an einer Stelle*)
finde ich Aber dieaen Pa]>8t angegeben, daaa er homoaemell geweaen
aei Da wird beliebtet» einige Poeten bitten aioh angeatnogt» die
Entbaltaamkeit nnd die apoatoliaeb-katboliaoben Togenden des Fkpatea
beraiuaastraicben, um die Fehler, welober man ibn gewiibniieh be-
aoboldigte, zu beminteln. Der Papat aei aber dafür in daa Laater
der Sodomie yeifaHen. Seine Neigung su ainnlielien Genfiaaen im
allgemeinen wird u. a. von Qregoroviua^ betont, der gleiebiaitig
gewisse Vorzüge dieses Papstea hervorbebt Übrigena aoH doEBäbe
ein Töchterchen gezeugt haben, wie Weber*) berichtet
Der sexuelle Verkehr mit Weibern kauu selir wohl beim Urning seitwoiso
vorkommen und hewtiat aii^ gegen tdaea miimiirilnnliohen Trieb. Manoher
sucht atteh oskentetiv wdbUdim (niaht leacaellen) Verkehr lo^ uai die Umgebiiiig
Aber seine wahre Natur im in Idtea.
^) Prudhome: Vergehungen der Päbste vom heiligai Petor «d bis auf
Pins den VI. Hit nenn Kupfern. 1793. S. 527.
•) Ferdinand Oregoroviaa: Geiebichte der Stadt Rom im Hittelalter
vem V. bie wm. XVL Jahrbndert. 4 Auflage. 7. Band. Stattgart 1S04. 8. 911.
- ) Das Pabsthnm und die FtiüKai ein NaddaiB von Karl Jaliua Weber.
Stuttgart 1834. 2. Teil
Sixios ly, Julias IL
115
Ganz sicher aber scheint es, dass sein Nachfolger Sixtus IV.
(reg. 1471 — 1484) der Männerliebe gehuldigt hat; der eben ge-
nannte Weber meinte dass dieser Papst seine Ganymede zn Kardi-
nälen erhoben habe. Emige Kardinäle sollen an ihn die Bitte ge-
richtet haben, in der heissen Jahreszeit Sodoniiterei treiben zu
dOrfen, worauf der Papst die Erlaubnis hieiza erteilt haben solL Bei
Sixtus lY. zitiert Webei den Yers:
Sorna quod moerso ddeäa/rdur aimoire
Nümm ab mverao nomme feeU Amor.
limna ht isst umgekehrt Amor. Interessant ist des Sixtus Neigung
zur Grüusiimkeit und zum Ansehen blntiger Schauspiele; er liess
2. B. Duelle am liebsten vor seinem Fenster ausfechteu. Der Dichter
Mantuan iSsst den Teufel in der Hölle zu dem Papst Sixtus TV.
sagen, dass ihn weder seine Papstmütze noch sein kahles Haupt
hindern würden, ihm den verdienten Lohn für die viehischen Lüste,
worin er sich Tag und Nacht herumgewälzt hatte, zu bezahlen.')
Sixtns IV. galt für den Vater eines angeblichen Neffen, Pietro
Biarlo, der von ihm .som Kardinal ernannt wurde. Pietro war ein
aosschweifender Mann, der Tom Papst sehr bereichert wurde. £r
lebte imiter scorta aique omMm adokscerUes (Buhlknaben), wie
OregoroTins*) erzShH Sin uneiliört echwelgeriadhet Leben hat
dieser Pietro gefUirt; er hatte Gelder ausgegeben. Feste gefeiert
wie hsin anderer, und starb, 28 Jahre alt, 1474. Nach Gorio^ sdhrieb
man die Satife anf sein Grab:
Onuic smlus fugiat iatia modo procul ab urbe.
Et virtus, prohitas, imjmriterque pudor.
Für, scortum^ leno, Moenhus, pedica, CijneduSf
Et scurra, et Fhidicen cedat ab Italia.
Namque iäe Ausonii pesks scdercUa Senalw
Bsirus ad mfemas est modo raphts aqwis.
Es ist also auch dem angeblichen Neffen von Sixtus IV. sexueller
Verkehr mit Mftnnem nachgesagt worden.
leh nenne feiner den PSpst Julius II. (reg. 1503—1513). Die
Ton seinen Zeitgenossen gegen ihn erhobene Besohnldignng, dass er
') GynSoIogio oder npschleclitäleben In feinem ginuen ümfimge. 4 Auf- .
läge. 2. Band Phittgart 1843. S. 139.
- ) Ferdinand Grogorovius: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
m V. Ue som XVf. Jahihniidert 4 Auflag«. 7. Bud. Stattgnt 1894 8. SB«.
•) EbeS^ a 841, Awm«An»g 1.
«•
116
Miohdattgalo.
lumatorlioliflii Lastern firölme, Ist naoh L. Geiger') fielleiohi im«
geieoht» irann «ueh nach difleem Fondier der Gfaanktor und das
soastige Anünteii des Fttpstos niolit aeltr viel EifreilUohes bieten.
Die tTnungsnatiir toe Julias II. wflids jedenfdls eine sehr interessante
Grsdhelnong sön, da dieser Papst dnrah seine kfiegerisehe Begienmg,
sowie dnreh die Unterstateong der Kunst bekannt ist Julius IL,
ein Neifo Ton Sixtus IV., soll frfiher su den Kardinllen gehört haben,
die diesen Papst um die Erlaubnis baten, in der heiasen Jafareaislt
Päderastie treiben zu dürfen.
Ausser diüstiü Päpsten ist noch verschiedenen anderen gleichfalls
homosexueller Verkehr nachgesagt worden, z. B. Julius III. (reg.
1549 1555), dereinen 16 jährigen Menschen, Innocenz, einen seiner
Liebimgsknaben, zum Kardinal gemacht haben soll; ferner Sixtus Y.*)
(reg. 1585—1590).
DerZeitpen o8se des Papst-es Juliu8n.,MichelangeloBuonarotti,
der grosse Bildhauer, den Julius II. nach Rom berief, ist ^gleichfalls
dem Verdacht der sexuellen Perversion ausgesetzt und zwar mit Kecht.
Sicher ist es, dass sich in dem Leben des grossen KOnstlers nirgends
eine Liebe zu einem Weibe entdecken l&sst Allerdings wird oft
Vi t tor ia G o 1 o n n a genannt, wenn eine Frau, su der er Beziehungen
hatte, gesucht wird. Als er sie kennen lernte, waren beide schon alt
zu nennen; sie blieb fflr ihn stets die Forstin. In des Kftnstlers
Oediohten finden sieh ftbiigens SteUen, die man dureh seine liebe
su Frauen su deuten suehte. Deoh ebensowenig ide ans Liebes-
gediehten an Ittnnec ohne weiteces auf Männerliebe des Diehters ge*
sehlossen werden dax^ aumal wenn in ihnen nieht ein bestimmter
Mann gemeint ist, ebensowenig dsif man ans Gediehten, die an
Frauen gerichtet und, auf Liebe des Diohten sum Weibe sehUessSn,
wenn sich Itein bestimmtes Wob linden Usst, das er besangen hat
Andererseito findet sich in dem innjgen YerhiltniB, das den grossen
Bildhauer mit sahireichen Männern Terbandi manches, was auf ge-
schlechtliche Liebe su ihnen schliessen Ussi Sein Verhältnis zu
Tommaso de' GaTalieri mnss aafirallen; letsterer war, wie Grimm*)
- ) Ludwig Geiger: BenaiaMuioe und HtmuuunniiB in ttaliea und Deateeh^
laad. Berlin im. S. 277.
- ) Einige litteraturangabeQ hierüber bringt Oskar Panizza: Der teatsche
Michel und der Bömiscbe Papst. Altes and Neaes aas dem Kampfe des Teutsoh-
twm gegen rSsdadi-wÜMdie Überlistug sai BtHmuaa&mg in 906 Sj&aea und
ZiteUu. MiteinettBegleitwoil^lIiehaelOeorgOonrad. Leipiiff ISM. 8.M0.
- ) Hermann Orimm: Leben Miehehaifaloe. 2, Bend. 7. Anflsge. Berlin
18M. 8. 848 f.
Mklialiagalft.
117
enlblt^ ein jnnger, dnreii edle Qelnirt und gioMe Sehönhät aiu-
gezeiolineter Kflniüer, der toh Hichelsngelo alles erbitten konnte,
«ae er wollte. Das Veililltiüe dei liereits alten Xiebelangelo in
dem jungen OaTalieri*) miu8 ein inniges gewesen sein, das mit dem
Begriff der Frenndsebaft sich nieht deckt, wie auch aus folgenden
Versen, die jener an diesen richtete» hervorgeht:
Ich sehe sanftos Liebt mit deinen Blicken,
Mit meinen tii^men Augen bin icli blind,
Mit dir im gleichen Schritte wand eint], sind
Leicht mir die Lasten, die mich sonst erdrücken«
Von doinen Schwingen mit emporgetragen
Flieg' ich mit dir hinauf zum Himmel ewig,
Wie du es willst : kühn oder zitternd leh' ich,
Kali in der Sonne, warm in Wintertagen.
In deinem Willen ruht allein der meine,
Dein Herz, wo die Gedanken mir entstehn,
Dein Qeist, in dem der Worte Qaeü sich findet:
So kmumt's, dass ich dem Monde gleich erscheine,
Den wir soweit am Himmel nur ersehn
Als ihn der Sonne Fenersirahl entsündet^)
Spiaelie einer ausoUiesslieli ainnUelien laetie ist in diesem
an CaYalierl geriohteten Sonett nieht sa finden; aber blosse
Freimdsebaft sebeint mir aneh nidlit dsrin m liegen. Sa ist ein Oeist
in ibm, der an dss Sokrates Spiaobe im Gsstmabl des Plate er-
innert Grimm ftbrt aneh des Sokrates YerbUtais sn Alcibiades
im Ansehloss an das des Miebelangelo in OaTalieri an*
Anton Springer^ mänt, dass Miebelangelo von einem
Freondscbaftsparoxysmos ergriffen worden sei« dem spiter aneh
Winkelmann*) verfiel Ein Brief von Cavalieri an Michel-
angelo kann die Annahme einer blossen Freundschaft nicht stOtzeii ;
im Gegenteil, er zeigt die Sprache eines „verwöhnten Liebiings".
Jedenfalls wäre es eine auffallende Erscheinung, wenn ein so grosser
Künstler wie Michelangelo von Sinnlichkeit nichts empfanden hätte.
Sicher ist, dass Eraoenliebe ihn nicht begleitete.
0 Oenaueie Ifitteiliingea ttbet im KflasQen yaMtniB in Cftv»lieri
giebt Vaaari
- ) Nach örimm.
- ) Anton Springer: Haäkil und Mickeiun^ulu. 2. Baud. J. Aul läge.
Leipsig 1896. 8. 801.
- ) Über Winkelnaan wird nnten noch gesprochen werdeOf 4a aneh er
meacheo daiUetetf ww ikn verdielUig macht, vniaehe Matar beieiMB tn luiben.
118
MifliMilMigdo.
Lombroso,*) der auf Grund mehrerer Michelangelo be-
treffenden Werke*) in dem Sohluss kommt, dass der Künstler ia
sexueller Beziebang abnoxm war, hebt hervor, dass gerade seine
Meieterstäcke, Moses, Loreu, Wilhelm von Medici, männlich eeien»
dasB Miiie BaccfaintiB ein maimlhiilieheB Weib darstelle mit miaa-
liehen Mnekelii, mit imliDniiliehem (afomaio) Busen. In neaerer Zelt
ist ttber Hiehelangelo dne ansfohrllohe Arbeit von Sehefflei*)
ersohifliien; sie berfleksiditigt das Liebesleben des EOnsüSES und
kommt anf den Eios sn spreeheo« Soheffler ist der Ansieht
Michelangelo der Jftngere, ein Grossneffe von Hiehelangelo,
habe abdehtltch FUsdhmigen vorgenommen, nm Gedichte des Künstlers,
die an Minner gerichtet waren, als an fraoen geiiehtet ersoheittea
iD lassen, nnd glaubt, dass alles Erotisehe In den Gedidtten Michel-
angelos männliche Personen betreffe. Wilhelm Lang*) widerspricht
dieser Annahme. Schefflcr meint, der innige Verkehr Michel-
angelos mit junpcii Männern sei schon bei seinen Lebzeiten zum
Gegenstand übler ^'ac^l^ede gemacht worden, und die Fftlsclmug des
Orossneffen sei geschehen, um die Quelle solcher Nachrede zu ver-
stopfen. Ob thatsSchlich alle Liebesgedichte Michelangelos au
Männer gerichtet waren, vermag ich nicht zn beurteilen; jedenfalls
glaube ich, dass, wenn mi\n den Eros der alten Griüchen, des Sokrates
und Michelan^i^elüs vom Standpunkte der .Homosexualität betrachtet,
Michelangelos Liebesgedichte sehr wohl erklärbar smd; nur kann
ich es nicht für richtig halten, wenn man hier das Wort „Eros" als
etwas Ton der gewöhnlichen Liebe absolut verschiedenes betrachtet
Man mOge es nur ganz unverblümt ansgprechen, dass manche«
Michelangelo betreffende B&tsel,*) insbesondere seine Gedichte, am
ehesten erfclftrbar sumI, wenn man die umisohe Natu des Künstlers
annimmt*
') Arfh. dl Faichialr. XI. 3—4, 1890 und Cesare Lombroso: Ent-
artung und Genie. Nene Stndien. Oesammell and dentsoh heraoagegebon von
Hans Karella. Leipzig 18U4. S. 24.
•) Mitkdmgelo BmmanUis S^ialolano ptONieato Ai G. Mitan99i 2888
nd Mithdangdo Buotuirotii di F. Parlagreeo. Napoli 18S8.
") Lnriwig Ton Sohoffler: Michelaofdo. Eiiio BeDaimnmstiidie.
Altenborg 1892.
- ) Wilhelm Lang: Bio Gedichte Micholaogelos. Preussische Jabibttcher.
m Bud. 4 Haft. Oktober 1806.
') Ein nmiBcher, mir darchana glaubwürdig sdieinender Eünitlar USli mir
mit, dasfl dio KünstvrrrVo Mirhplangelos dessen nrnischo Natur oft zeigton,
wenn es auch nur dem Urning' k!;ir nni fllr den andern nnbegreifUch sfi Bei
dieser Gelegonheit sei an die Tiiat^iache enunert, dai» Michelangelos berühmtes
Bani.
119
Einer der bedeutendsten Halienischen Maler, Giovanni An-
tonio Bazzi (1479 — 1564), ein ZeilgeiiüÄse von Papst Leo X., war
durch si-in ausbcliwcifcndes Leben allgemein bekannt. Er zog sich
durch seine Lebensweise den Beinamen il Sodoim zu, und er wird
unter diesem Namen in vielen Büchern heute noch atifg* führt. Leo X.,
der es nicht so genau nahm und selbst der Päderastie verdächtigt*)
wird, erhob den durch seine Lebensweise l)erüchtigten Maler in den
Kitterstand. Fiorillo^) meint, dass sich die leichte Gemütsart und
eine gewisse Fröhlichkeit, die bei ihm bis zur Zügellosigkeit ausartete,
in seinen Gemälden zeige. Der Maler ist ausserhalb Italiens nicht
so sehr bekannt, da seine Gemälde meistens in Fresken bestehen; or
wird Aber in Italien ausserordentlich geschfttct, ja sogar zu den
herromgendsten Konstlem gerechnet und Leonardo da Vinci an
die Seite gestellt Ein anderer Biograph, R. Vischer,^) meint in
Besag anf ihn, die grOssten Fehler seiner Malerei seien auf „einen
Usngel an Mtenlichkeit** xnrOdkniilllhien, seine SinnesweiBe ad an
„weieblioli^ Jansen*) glanbt jedoeh, nnnatfirliohe Laster seien
bei dem Maler nielit TOigekommen. Er habe sieh laehend den
SehimpAumen Soddoma gefldkii lassen nnd habe ihn viellelofat aneh
selbst angenemmenf nm durob ifioksiehtslese ?reobheit der Dammp
heit eder Bosheit die Stirn su bieten. Yasari habe bei Bazai
Werk Das Weltgericht wegen der Isaaküioit fast sämtlicher f igureu die achtersten
Angriffi, *. B. dnrdi Biagio d» Cetena, Pietro Aretino, sptter durch
Papst Paul IV. und viele andere erlebte. Thatsache ist ja, dass letzterer viele
Stellen übermalen Umhs. KnarVfnss (Michelanr-nln. flrittp Auflage, Bielefeld
nnd lj(^\j>7Äf^ der (S m 1.) diese That«achen auch l r ricliti t. scliliesst übrigens
(S. 101) mit den Worten von Scipioue Ammirato: „iSuuuzig Jalire iiat B uona-
rotti gdebt tnidi in so Itoi^er Auadfliurang der SSett und der Oelegonlieit m
sündigen hat sich nie die Möglichkeit gefuiden, ihn ndt Baebt eines Sleekms
oder irgend wc'cber Hässlichkeit der Sitton zn zcih-n."
') Wilhelm Iloscoe (Leben und Hep^fraiif,' des Papstes Leo X nns dem
iüiglischen von Andreas Friedrich Gottlob Glaser, mit Aumerkongen
▼OB Heim iob Philipp Eonrad Heoko. 8. Band. Leipzig 1606. 8. 48S)
weist diesen Vonnuf sniÖek und hebt im GFegenteil die ausserordentliche Eeoieh-
hoit dieses Papstes hervor. T^la Eea : hiildicrtinp:rii der Päderastie rühren nach
Küscoe von Paulus Jovius her, der, wenn er von dem vertrauten IJmgaDgo
des Papstes mit einigen seiner beliebtesten Hof bedienten rede, geneigter erecheint^
dieee Art von Sttnden an einem Fftrsten Ar Kleinigkeiten za halten und sn ent-
Mdniddigm^ als m QBtenndmt ob sie anoh bewiesen sind.
•) Fiorillo: Oeschichto der Maleroi. I Bd. GöttinRen 1798.
•) In Robert Dehme: Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neu-
soit. 2. AbtoUong. 1. Bd. Leipzig 1878. S. 37 des Artikels von Vi sc her.
- ) Albert Jansen: Leben nnd Werke des Matats Otonmiantonio Bani
von YenoeUi, gennat ü ßodioma, Sfenttgavt 1870k & 98. Jansen si^ireibt
Sodioma, nioht Sodoma,
120
Maroth Shakespeare.
Veranlassung zu dem Ruf unnatürlicher Sünden gegeben, ohne dass
er jedoch einen Beweis beigebracht hätte. Jansen redet auch von
dem erhabenen Charakter Michelangelos, an den sich nieder-
trächtige Nachrede gewagt hatte- Da jedoch die Behauptung, er habe
homosexuell gefühlt, heute an sich noch keine liöse Nachrede darstellt,
weil ja der Homosexuelle an seinem Emplindeii oft genug" ebenso
unschuldig ist, wie der Heterosexuelle an dem seinen^ so würde wohl
in der Annahme der Homosexualität Bazzis keinerlei SduDflhiu^ des
Kflnstlers gefunden werden kOnnen.
Mnret, der bekannte Humanist, lebte von lö2d bis 1585. Die
Angaben Aber seine perrenen Neigungen entnehme ich Foisset,')
der übrigens Ton dem homosexuellen Triebe des hervorragenden Qe-
lehrten niebt überzeugt la sän scheint. Immerlim sind doeb die
Angahfln, die über ICnret gemacht worden, 90, dass an seiner Homo-
afinalittt wohl kein Zweifel bestehen kum. Huret Idirte 1552 zu
Paris Fbilosophie und Zivibecht, wobei er einen imgeheinen Zulauf
Ton Sehülmi hatte. Inmitten sehier Erfolge woide ihm der Vorwurf
gemacht» er hahe widernatürliche Ndgongen; inlblgedesaen kam er
in das Qeftngms «Ik Öhäidä. Hier ftsste er in seiner Yenweiflimg
den Bntschlnssb finiwillig Hungen in sterben; doch gahen seine
Sieunde dem Gelehrten die Freiheit wieder. Er ging naeh Toulouse
und hielt hier Toilesangen Über Römisches Recht Ton neuem wird
eine Anklage gegen ihn wegen widematOrlicher Unzucht erhoben.
Ein junger Mann, Luc-Menge Fremiot, wurde als sein Mitschuldiger
angeklagt; beide sollten wegen Sodomie verbrannt werden, laut dem
darauf bezüglichen Edikt von 1554; es glückte aber Muret, nach
Italien zu entfliehen. Den tlber ihn in Frankreich verbreiteten Ge-
rüchten wurde auch in Italien vielfacli Glauben geschenkt, so in
Venedig und J\iiiua. Dennoch j^elang es ihm infolge seiner grossen
wissenschaftlichen Leistungen, die Bekanntschaft der hervorragendsten
Häncer Italiens zu machen.
Shakespeare (1564 — 1616) ist ebenfalls der Beschuldigung,
dass er der Mannerliebe huldigte, nicht entgangen. Als Hanptbeweis
gelten seine Sonette, die teilweise allerdings, obwohl an einen Mann
(wahrscheinlich den Grafen Southampton) gerichtet, die Spiache
der Liebe zeigen. Friedrich Bodensted t*) bddtanpft die Auffassung,
als ob hier wiiklich von Minnerliebe gesprochen weiden dflrfe,
') In der ßtogra^iü utmergdle*
- ) Williall 8hak«ip«are» floaette in deatiolMi' NaolibilteBff von
Friedrieh Bodenstedt BerUn 1868.
121
die D. Barnitorff im „SoUnsael so Shakeipeares Sonetten** mit
Bemgr auf den Dichter beepiioht Am meiiten worde das Ä wmm's
facej unfk mhmtsimn hmudpakM beginnende Sonett, das Boden-
stedt in folgender Weise flbeisetzt, dem Dichter TorgeworÜm:
Du hast ein Praungesicht, das die Natur
Dir selbst pemalt. Horr-TTcrrin rnriner Liebe!
Ein miläes Frauenhera, doch ohne Spur
Von weibisch-laun'schem Wechsel seiner Triebe.
Ein heil rey Aug* uml minder falsch im Rollen,
Den Gegenstand vergoldend drauf es scheint.
Und Mann und Frau mnss Dir Bev^nindrung zollen,
Der Beider Macht und Zauber in sich eint
Zmii Wtiib warst Du zuerst bestimmt, doch mochte
Daun die Natur, selbst ganz verliebt in Dich,
Den ZubkU, der mein Hofien um Didi brachte,
Dir Oaben leihend, nniiliMi gaas Ar midi.
Da sie Dich lelunflekte Ar dar Fnman läebe:
Weih' mir Dein Hers und ihnen Deine Triebe.
Einen ausführlichen Aufsatz über Shakespeares Sonette ver-
öffentlichte Hermann Isaac.') Er bespricht die Frage, wer der
Freund in den Sonetten gewesen sei, Ironunt aber hierbei zu einem
andern Besoltate als andere Foisoher, indem er annimmt» dass Robert
Essex gemeint sei Isaae TSigleicht Shalrespeares Sonette
mit den Gediohten Platens, memt aber, dass das, was uns
bei Platen befremden mdsse, bei Shakespeare weniger anffiüle,
da man mit der StiOmmig m Shakespeares Zeit sn reehnen
habe. Isaae giebt dennooh so, dass hi den Freaadsehaftssenettan
des engHaehen Diehtecs ein Best bleibe, der (Or die au»deme
Ansohanimg sebwer Tostlndlieb sei: jener ünthnsiasmas nimlieb,
jene ZliCI&dikdt, der wir sonst nur in der üebeslyrik begegnen*
Indeisen g^nbt Isaae, dass es neb doeb nni nm die ^Hrkong
der damals aen enraehten platonlselNn Pliilesopbie gehandelt
habe; dadnroh sei dn Freondschaftsknltns entstanden, den wir hente
als sinnliche Verirrnng anfzofassen geneigt seien. „Und doch,'^ fährt
Isaae fort, „sind die nüchternsten Naturen jener Zeit, sofern sie nur
zu den Gebildeten zählen, von diesen Ideen ganz beherrscbt: der
verständige Montaigne, der kaltherzige Denker Bacon, schreiben
begeisterte Essays über die Freundschaft, und Macchiavelli feiert
■> Iiaae: fiheteapMnsSslbrtbdnnataisM. Freosmache JabrUMher, 64. Bd.,
Btilbi 1881» 8. a. 4L Halt
122
die Schönheit eines Jünglings in mühsamen Yersen." Ale besonders
wiohtig erscheint Isaao noch, dass das Woit Love in jener Zeit anf
die vtriicliiedüiisteii VerliäUnissc angewendet wurde und auch rreuiui-
schaft, selbst Freund bedeutete. Ich möchte gerade der Auffaüüung
Isaacs entgegenhalten, dass die Frenndschaft in Plates Sinne durch-
aus nicht von den Empfindungen der geschlechtlichen Liebe getrennt
werden kann. Auch wenn damals dieser platonische Freundschaflskultus
eine solche Aus dehnung angenommen hatte, wie es mehrfach behauptet
wird, so würde dies noch kein Beweis dafür sein, dass keine sexuellen
Empfindungen vorlagen. Ebensowenig kann der Einwand, Shake-
speare habe nur vorübergehend homosexuell empfanden, irgend etwas
gegen die Yerwertuog der Sonette in homosexuellem Sinne beweisen.
Wenn daher in neuerer Zdt Ziino*) erw&hnt, dass man aus einer
ein&chen Episode keinen endgiltigen Sohluss auf die Perversion
der sexuellen Instinkte eines Mannes machen kann, so hat dieser
Anssprueli keine grosse Bedentnng, veQ die Homosenialitltt als Epi-
sode sehr wohl Torkommt, wie wir im Yerlaof der Arbeit nooh mdir^
fiush erkennen werden. Hingegen wiie es selbstverstandfieh durehans
▼erkefart, ans den Sonetten anf eine daaemde Homoaexualitftt Shake-
speares anoh nnr den mmdesten SeUnss m maehen.
Bodenstedt führt die Sprache der Sonette ebenfeUs darauf
inrflek, dass sor Zeit Shakespeares ein Koltos der Fremidsehaft
nnter Hinneni getrieben wmde^ der die Fcenndsohalt mit den sirt-
liehsten Ausdrücken der Liebe sehuflekte, nnd dass diese Eis^einang
dnrdi den Einfluss der griechischen nnd romischen Dichter henror*
gerufen wurde, der damals gerade in England ein sehr mächtiger
war. Ich vermag die Frage Shakespeare betreffend nicht be-
friedigend zu beantworten und will nur noch erwähnen, dass Heine')
in Bezog auf Shakespeares Sonette sich sehr kurz fasst und da-
rüber hinweggeht wegen des tiefen mensohliohen ElendS) das sich
darin offenbare.
Von Johann Joachim Winkelmann (1717—1708), dem
grossen Kunstforscher, wird «fleichfalls angenommen, dass er Urning
gewesen sei Als Beweis hierfür gelten u. a. Briefe von ihm, in denen
eine leidensohaftUche Ghoit m Tage tritt Selbst der wohlwollende
'1 G. ZiinO: JV* W. Shakrsprare ttn psieopatn srsswilr? Da itnn SfwUn
m^lif o-psu oiogiro e giuridico,
kakc-
gpeare e la ücienui MotUnui; Cap. I. § 13. Arehipio delie psicopatie sesiuali,
Som^NopcH, 15 N«miAn 1896»
^ Hoinritth Hein«« aimtliobe Weike. 8. fiaad. Bambug ISTO- B. 177.
123
Biognph Jnsti ?eik«iiiit die SinnliciUrait in Briefen Winkel-
maiint niolii
Idh sirafle mobl» dass, wenn Briefe deiaelben InliaUB m
Winkelm an n an eine weiUidie Pensen gerichtet weisen «ftien,
man allgemein angenommen hitte, dn liebesyerhftltnis habe hier be-
standen. Berfloksichtigen wir nun, dass es eine mannmftnnliche Liebe
giebt, so scheint duch die einfachste Erklärung die zu sein, dass
Wiükelmanns Briefe der AusÜuss von Liebesempfindungen sind,
znmal da in seinem ganzen Leben sich nichts findet, was dieser An-
nahme widersprechen würde. Denn die ganz vorübergehenden Be-
ziehungen zu weiblichen Personen können als eine Widerlegung in
keiner Weise gelten. Winkelmann hatte ganz episodisch, wie es
scheint, auch ein gewisses Interesse für weibliehe Personen. So
schreibt er ^) am 15. Mai 1764 in einem Briefe, dass er mit der
schönen Frau Hengs auf einige Zeit aufs Land gehen wollte. Er
schreibt') auch selbst an Berendis am 26. Jnli 1765, dass er damals
(1764) znm ersten Mal in daa weibliche Geschlecht verliebt wurde.
^"Wie hfttte ich einer so hohen Schönheit, vne meine Freundin ist»
widerstehen kdnnen?" Indessen kann auf Grund des sonatigen Lebens
Winkelmanna nnd nnseror XiemitBis der HomeseKnalitlt in einer
solehen Bpisode niebt der mindeste Btowand gegen die Homesexnalitat
geaehen werden. Koch weniger wird man diee nalAdieh finden, wenn
er Berendia anfforderti') ihm etwas Nenee, soUtem es aneh llAdehen-
hiatorien sein, an sofareiben, oder wenn er alle Ittdohen in Botsen
hflbsoh, Ja sdbidn findet*) Die nelen mmatigen leidenaehaftliohen
Briefe Winkelmanns an Mftnner lassen, abgesehen vim aänem ganzen
Lebenswandel, keinen Zwdfel an seiner homoieineUen Lieber nnd
Goethe^ selM meinte dass Winkelmann sich in Briefen Öfter ohne
Bedenken so darstellte, wie er föhlte.
- ) Winkelmann und sein Jahrhundert in Briefen und Aufsätzen. Heraua-
getgeben von (ioothe. Tübingen 1806. S. 146. Man tadet den Namen in
iim«nir Zelt mdstens Winokelnann geichrieben. Goethe lebriAb Jedodi
Winkelmann, null diatelb« Sofareibwciie finde idi anch in SuMn de VaH
de rantiquitf par Winkelmann, Traduite de VÄlhmand par M. Huher,
Ltipxig 1781. Ebenso finde icb einen Frennd Winkelmaans bei Qoethe
Lambrecht geschrieben, während er in den modernen Schriften Lamprecht
geniant wiid.
^ Ebenda a 151.
•) Ebenda & 104.
- ) Ebenda S. 86.
- )£bende&m
124
WialMloHum.
In emem Briefe aus Ndfheniti vom 18. Aptfl 1758 solueibt er*)
an Berendia (?): ,»In Bahlen hdfo ioli DIdi, ja Dnne FÜsae an
kflaaen und mieh an meinea Herrn Ffiesen an werfen". Naeh
Lambrochta Abieiaa Uagt Winkelmann in einflin Briefe an
Berendia') Aber die hektiaelien Sdiweisse, die aioli bei ibm ein-
atellten, vidldeht dnieh die ünrolie, die ibm Lambreehta Abadiied
verursachte. Der Herausgeber einiger Briefe^ Job. Friedr. Yogt,^)
sagt in der Vorrede: „Die Briefe enthalten Abbildungen der Denkungs-
art und der Empfindungen, (]ie notwendi^^ erst müssen bekannt gemacht
werden, ehe an eine Tollstandige Biographie zu denken ist" . . . .
Sie sind an den Landrat Friedrich Reinhold von Berg in Livland
geschrieben. Die Freundschaft Win Jeimanns für den Landrat
?on Berg entstand bei dem ersten Anblick desselben. Winkelmann
richtete an Berg die Worte: „Ich fand liei Thnea in einem schönen
Körper eine zur Tugend geschafienr Seele, es ^va^ mir der Abschied
von Ihnen einer der schmerzlichsteu meines Lebens. Wer die Briefe
liest, wird die oben ausgesprochene Ansicht beetätigen mfissen.*)
In dem Briefe Tom 9. Juni 1762 sagt Winkelmann: „So wie eine
zärtliche Mutter untrOstUob weinet um ein geliebtea Kind, ebenso be-
klage ich die Trennung von Dmen, mein stisser Freund, mit Tbrftnen,
die ana der Seele aelbat flieaaen.** Am 10. Februar 1764 ist die An-
rede an Berg: ^Qeliebteatei achihiater Fkeondl^ W. flüirt dann
fort: „Alle Namen, die ieb Ihnen geben ][önnteb ^nd niolit afiaa genng
nnd leicdien nioht an meine Liebe. leb Irllne Bn BDd nnd
enterbe
Bit ewiger geweihter Freund und gehoiaamater Diener
Winkelmann.^
Jnati^ behanddt die Beaiehnngen Winke Imanna an anderen
minnlieben Ftoraonen aebr eingehend. AnafObiliehe Briefb weiden
») Ebeada S. 29.
•} EteDda 8. Bfi.
- ) Job. Winkalmanns Briefe an eiaen Freaad in Livland. Koblenz 1784.
- ) Ich hal>A dPTi damals herrschenden süfwlichen Ton beim Bripfsrb reiben,
auf den miclx ilerr Prof. Max Uessoir aufmerksam luackte, durchaus berück-
sichtigt. Aus einem einzelnen Fasans der Briefe ist es schwer, sich ein Urteil
an bilden; «er die Briefe in gaasen lieefe, wM daria kaum «iam SVaandsdiaA»-
panagniBiQs, vielmehr aaigtepirochene Sinnlichkeit finden. Übrigens hat Winkel-
mann in Briefen an andere sehr vertraute FVeunde einen Ton, der sehr zärtlich,
aber nicht sinnlich ist, angewendet (vgl. die von Daasdorf herausgegebenen
Briefe Winkelmanns, sowie seine Briefe au uiuen seiner vertrautesten Freunde,
Berlin 1781). Dies beweist, dass nicht die Zeit als »lohe flr dm Ton der Briefe
Winkel in anns an Bog n. t. Tuantwortlich ist.
•) K«rl Jasti: WInokelmsnn. S Bände. Leipeig 1866 ind 1879.
125
mitgeteiltk die der Ennslfotsoher an junge Fieonde gerichtet hat
An eeiiinineand Lambrecht sohrabt Winkelmann am 16. Pebmar
1744 einen Brief mit d«r Übenehrifk aä deUdas suas. lEbenao mfiaaen
die Verbindungen erwtimt werden, die Winkel mann mit einem
Herrn y. Bülow hatte. Wer vorurteilslos diesen sogenannten
FreundscbafLpaiüxjömus betrachtet, wird keineu Moment im Zweifel
dar&ber sein können, dass hier psychosexuelle Beziehungen vorlagen.
Etwas anderes ist dann noch die Frage, ob sich hieraus sexuelle
Akte aljleiten lassen. Indessen wenn nian fihiiliche Beziehungen
zwisclien einer männlichen und weiblichen l'ersun fände, so würde
man gewiss mindestens den Schluss ziehen, dass der betroCTende Mann,
wenn ihm dazu Gelegenheit geboten wird, seinen sinnlichen Trieben
auch nachgehen wird.
Die Ermordung Winkelmanns in dem Gasthause zu Triest
dflrfle nicht gegen die Annahme seiner Umingsnatox sprechen. Es
ist sicher, dass Winkelmann seinen Mörder Arcangeli erst kurz
vorher kennen gelernt hatte; dennoch begleitete dieser ihn in Triest
anf Sohiitt und Tritt; es war ein Verkehr swisehen beiden entstanden,
wie wenn sie sieh sehen lange gekannt hüten. Es steht femer fest»
dass der UMer tSsa gani ungebildeter Menseh war, der dem GMe
des grossen Knnstforsehers nioht das geringste bieten konnte. Wie
Jnatl*) enSUt» enthfillte sieh Aioangeli in der ünteisnohnng als
eine enerrierte lasetre Bedientenseele ohne Jede Büdnng nnd ohne
irgend eine Spur Ton monüsehen Begriffen. Am ersten Jörn 1768
war Winkelmnnn in Triest angekommen, kein Menseh weiss bis
heute, warum er sieh aeht !hge in dieser Stadt anljgehatten hat, da
er dort niehts m thnn hatte. Wenn man nnn unter diesen ümstanden
es sls wahrscheinlicb annehmen wird, dass geschlechtliche Beziehungen
zwischen Winkelmann nnd Arcangeli bestanden, so braucht das
durchaus nicht Entrüstung liervorzuiufen. Aus dem homosexuellen
Triebe darf niemand Winkelmanu einen Vorwurf machen, und wenn
er seinem Triebe nachging, so könnte höchstens derjenige hierin eine
Verschuldung finden, der bei Vorhandensein von sehr starkem normalen
oder perversen Geschlechtstriebe diesem niemals folgt. Dadurch,
dass der Mörder Wohlgefallen au der Kunst und eine besondere
Anhänglichkeit an Wiakelmann heuchelte, soll es ihm gelungen
sein, dessen Vertrauen vollständig zu erwerben. Der Mörder war
ein Koch, der früher zum Tode verarteilt, aber begnadigt worden
0 ^ «. S. Bd. flL AbCflilung & 489 iL
126
■
UlMid.
wir. Soll man glauben, was etn BiogmpliO tagt, dan em aolohes
Ibdividnimi dnem Manne wie Winkelmann gegenüber mit Eifolg
Knnstfenttndnia henelieln konnte? Bei der Geiiolitmrerluuidlmig
wurde Banlmierd angenommen nnd Arcangeli woide hingenehtei
In Beiiehting auf den gzeesen Soliauspieler nndDiehter A. W. Iff-
land wnrde gleiokfidls bei Minen Lebuiten behanpteti daaa er der
HinnerBebe bnldigte. Einer seiner Biographen*) meint zwar, dass
der Rüf seiner nnnatürlichen Ansschweifungen vielleicht unberechtigt
war. Indessen luit sich doch durcli Tradition der Glaube hieran er-
halten, weiiigsteui» m manchen Kreisen. Hinzu kommt die kinderlose
Ehe des Schauspielers, femer der Umstand, dass die Ehe auf Aussen-
stehende einen kühlen Eindruck gemacht zu haben scheint. Ein
interessanter Brief von H. y. Kleist an Iffland sei hier erwähnt
Kleist erfuhr, dass Iffland sein Sc-hauspiel „Das Käthchen von
Heilbronn" nicht gfinsti^^ lieurU'ilt hatte; der Dichter schrieb infolge-
dessen an Iffiand unter anderem folgendes: „Es thut mir leid, die
Wahrheit zu sagen, dass es ein Mädchen ist; wenn es ein Junge
gewesen wftre, so würde es Bw. Wohlgeboren wahrscheinlich besser
gefallen haben*'.*) Wie mir mitgeteilt wird, wurde der Brief vor
einigen Jahren noch an anderer Stelle veröffentlicht nnd besprochen,
wobei eine konsiliehe nnd aebr nnwahxaeheinliebe Deatong dieser
Stelle Teisnobt worden ad.
Philipp, Hersog von Orlens, Bmder Ludwigs XIY^ wird
gleiebfidla der kontrtren Sexnalempfindmig bewhnldigt Wie man
anoh darüber denken mag, von der einen Sehnld iat der Heziog niebt
freianspreehen, dass er eine der lümpttfaisebsten dentaöhen FOiaten-
tdohter nnglfleUich gemaebt bat Ifit Teibrnfame liest mm Ton den
sdiwersn Läden, die Elisabeth Charlotte von der Fftlä als Gattin
diesss Mannsa sa erdulden hatte. Die besOglichen Angaben entnehme
iefa t^weise der sehen sitiertm Arbeit von Ednard Bodemann.^)
Der Herzog von Orl^s war in jeder Beziehung ein eitler nnd
weibischer Geck, der vollständig von seinen Günstlingen abhangig
') Lexikoik daatackor Dichter iind ProwirteD, heraosgegebsn voa Karl
H«iiifiek JSrdena. S. Band. Laipaig 1610.
- ) Heinrich Düring in Eraoh nnd Grabers Eacyclopädie.
Tohann Valentin Teichmanns litterariacher Niohlaaa, hamnagagaban
von ifranz Diogelatedt, Stuttgart 1863. S. 878.
- ) Ednnrd Bodemann: EUsabetli (luudotte von der Pfalz, Hertogin von
Oileaaa, amduaami ün hiatafriaehaii Huehanboali, bagrSndel van Friedrlob
Banmer, heransgegeben von Wilhelm Maurenbraolier, 6. Faiga, 11. Jabr-
gaag. Leipng 1891. a 1^7«.
FhUipp, Bmog von OiKvw.
127
war. Ludwig Geigei*) sagt ober ihn: »Er war der woUllBtigate
mter den woUtistigen Menflehen seiner Zeit, fon niedrigen Laatora
beflaekt nnd aeinan Opfern niolita veiaagend. Br pntato aieh wie ein
Weib, er belnd seinen Körper mit Ringen, ArmlHtadern, BdelaMnen,
Bändern, er schminkte sich beständig. Ans Furcht, dass Sonne nnd
Pnlver sein weisses Gesicht schwarzen würden, zog er, der sonst nicht
unkriegerisch war, nicht in den Krieg." In den Chronüjues do rOeil
de Jlcf uf*) heisst es über ihn n. a.: De plus, un tan, nn <ur, des atti-
iudcs feminine, et le yout etramje de s'habillcr presquc toas lesjours
en femme, i>mir sc renfenaer detix ou trnis hmrcs ches le chevalter
de Lorraine , son favari. Rpine Fraii schreibt in einem Briefe
über ihn: „Mommir hatte mehr weibliche, als männliche Manieren
an sich, liebte weder Pferde noch Jagen, nichts als Spielen, Essen,
Tanzen und geputzt sein, mit einem Worte, alles, was die Damen
lieben." Die Gbe warde später insofern getrennt, als (auch zur
Freude der I^au) ein gemeinsames Znsammenscblafen aufhörte. Wenn
aber der Henog in dem Bette mit seiner Frau schlafen mosste, so
war sie gezwungen, sich an den Band zu legen, sodass sie manobmal
im Schlaf beinahe aoa dem Bett gefallen wlre. Ea aoheint, dasa der
Henog ittitiinter ^nen Horror femmae hatte; er konnte ea nicht
Men, daaa ihn die Henogin anrOhrte^ nnd wenn es znflUlig dooh
geschah, daaa sie im Schlaf einen Fnas ansatrechte nnd ihn berOhrte^
so machte er ihr Mtteie Vorwurfe darflber. Am 11. Januar 1689
achrdbt aie*) in einem Briefe an die Knribrstan von Hannorer:
0. . . Mir aber, die ich keine Königin bm, kcmpt es gar leicht vor,
denn ob ich achon geheflraht bin, ao ist ea dooh 16 gaatKr jähr,
dasa ich sUeme schlaffe, und ea bekompi mir gar w^...* Am
16. Dasember schrieb sie^) an ihre Halbschwester: „. Glfteklich
LudwigGeiger: Briefe der Elisabeth Charlotte von Orleans, 1673— 171&
Angmiaiilt, mit lüiwluttwig tmd AnMwrlrangen TeitdMn. Stuttgart. 8. C
') Ckrmiqm» pittoresques et erüiqms de FOeü de Bctuf, des petü$ Appartr-
rrintfi (fe la Cour ei des Sahvs tJr Paris sous Imuis XIV, In Retjmre, T/Ouis XV
et T.^ufs KVT, publiees par Mme ia ConUaM Douairürc de B. Seeonde edüion.
Tome prcmier. Pairta 1S32. S. 68. ♦
- ) Aus dMi Briefen d«r Henogin EliaabeOi dualetto vm Oiiteni as die
Enrfdrstin Sophie von Hannover. Xin Beitrag znr KnUiuseseldohle des 17. und
la. Jahrhonderf^ 1. 'Rand. Hnnnnvrr S. 353.
- ) BnVfwoi hHPl (Irr Herzogin Sophie von Hannover mit ihrem Mind' r, dem
KiLrfuTBteu IsLaxi Ludwig von der Pfalz, und des Letxterea mit seiner Schwagerin,
der PfUsgrtliB AnnSi heramiefebeB rm Sdaard BodemsBB. Iieipzig 1869^
86. Band der PttUikatteBeii mm den fteoislsolMB StMtmhiveii. & 404^
Amneilnnig 1.
wer nicht geheürabt ist Wie froii were ich gewessen, wenn mia
mir hette erlauben wollen, einen gutten einsambkeit zu fahren und
mich nicht zu heOiahtan^ Am 25. Jani 1721 sehreibt äe: «Bb kt
leyder balt 50jaliT, dm loli ▼on Ims W€g bin wider mäaen iriUen
vndt dinok; dflim der eheetendt iek mir abeneo wenig sngeataadeD,
■In Sneh,. liebe Lmae . . In tthlmehen Briefen klagt Blienbeth
Charlotte Aber die Minnerliebe, der aidi ihr Mann hingib vnd Aber
die Verleomdungen» denen ne dnroh die Favoriten der Henog» ans»
geeetast war; beeondere hatte aie eiöh Aber den C^mMer de Lorraine
und einen Meurqms d^Bffiat sn beklagen. „Momimr denkt an nicihte,
als was aeinw Buben Beetee ist, fragt aontt naoh niehte; das Be-
dientenpack ist abeiall Herr und Meiater.'* Der Henog ging sehr
venohwenderisch mit Geschenken um, die er seinen Günstlingen
gab, und verkaufte wertvolle Gegenstände, um ihnen den J'rlos
zu geben. Wir würden wohl über das Leben des Herzogb von
Orleans noch mehr wissen, wenn nicht seine edle Gattin naoh
seinem Tode die Briefe, die Ton seinen Günstlingen herrührten, ver-
brannt und dadurch eine der wichtigsten Quellen für die betreffenden
Forscliungen vernichtet bätU». Übrigens konnte die schlechte Be-
handlung durch ihren Mann die Herzogin nicht abhalten, auch nach
seinem Tode milde gegen ihn zu sein ; sie verzieh ihm, wie sie meinte,
alles, denn im Grande sei er ein guter Mensch gewesen und nur der
Einfluss seiner Günstlinge habe ihn ihr entfremdet Die Herzogin
war allerdings offenbar nicht schön.*) Indessen würde dieses selbstr
verständlich als Erkliniog für den homoeoineUen Veikehr dee Henoga
nicht im mindesten genügen.
Fiins Heinrich, der Bruder Friedriche dea Groeien, iii
•benfidla der Minnerliebo Teidi«litigt woidcm. In der geheimen
Geeohiohte dea Berliner HoHsa oder Aielian einea reiienden Franieeen
(Mirabean), geodhiieben 1786—87^ (denteche thwreetning 1789X
Ünden eich im sweiten Bande mahrere hiersof beiflgliehe Stellen.
So steht Seite 69: «Ein ehemaliger Bedienter dea PEimen Heinrich
worde dnrch eeina Ennat» der Enabealiebe aeinea Heim lo dienen,
erat deiaen OAnetling, nachher aber Kanoniflaa in Magdaborgi wo
der Prinz Propst war.^ Seite 92 findet sich eine andere Stelle: «die
0 Julius Biati: BIm dtottebe niillu an But^ Ludwigs XIV., in den
dffiilsobaB KultnxbiUtfB ana iMMa Jakifauadaitiik t.BiauL Baubug 188B. 8,8.
') VgL im französischen Original, Histoire seerite de la cour de B^lin ou
Correttpondance d'un poyageur Frnn^ois drpitin Ic 5 Juillet 1786 jtuqu^au 19
Janviar 1787. Ouvrage pasthume. Ibme »econd, 1789. S. 96 and 131.
FiiM Hwoiioli, Bmder f riedrio!» 6m Onnen.
129
Aristokiatie der Armee wein, da« die Gaajmede bei Frins Hein rieh
sAets Uber alles entBoMedea haben und entaoheiden werden. Aneh
sonst wurde Prinz Heinrich Minnerllebe nachgesagt So finden sieh
Mitidluigen hierfiber In Goethes Briefweehsel mit Zelter.*) Hier
wird HAfa erwähnt; er war HitgUed der Kapelle des Primen
Heinrioh, der ihn In jeder Weise begOnstagte. llara soll nbrigens
der gemeinste Schnft gewesen sein nnd seinen Herrn anfo ftnssoste
geqnllt haben. Hara war verheiratet mit einer gebomen Sehmeling;
die Ehe war sehr unglücklich, die Frau hatte «dir viel zu leiden.
Ihr Mann, ^er „verdorbenste aller Griechen", war es, dem sie diesen
Kummer zu danken hatte, nachdem sie sich 1773 in ihn, „den
Mignou des Frinzeii Heiuriclr', verliebt lidLte. Sicher ist, dass letzterer
mit seiner Frau auf gespiiniitem Fasse lebte, dass er, wie in Streck-
fuss' „Böriin seit 500 Jahren" erwähnt ist, von ihr thatsächlich ge-
trennt war und selbst, wenn er sie bei Hofe traf, nicht mit ihr
sprach. Die Schwärmerei des Prinzen Heinrich für den Freund-
schaftskultas dürfte wohl mit seiner Homosexualität in enprera Zu-
sammenhang stehen. Theodor Fontane^) brinrrt einige Kinzel-
heiten über den Freundschaftstempel des Prinzen m Rheinsberg.
Eine Reihe von Inschrifiten decken die Innenwand des betrefifenden
Zimmers, und sie sind, wie Fontane annimmt, sehr wabischeiniich
?om Prinzen selber gegeben worden.
Die eine derselben lautet:
Qui vit aans amUie, ne seaunnt Hre heufeux,
Quamd ü auroU pour Ud la forUtm et hs Dieux,
und eine andere :
Pmmptoi Vatnour est ü lUmc In poisfm
JCt Vamitu: le rliarnie de la vie
Oed ffuc Vamour ed ie f'ds de la folie
Et l'amü'w ßUe de la raison.
Auch sonst bringt Fontane noch einige Charakterzuge über
den Prinzen Heinrich, und zwar sowohl in seinem Buche über die
Mark Brandenburg, als anoh in dem neuen Boman «Steohlin", der in
der Zeltsohrift nüber Land nnd Meer***) erscheint
') Briefwechsel zwischen Gooth o und Zelter in deu Jahren Ton 1796 1832,
Herausgegeben von Dr. Friedr. Wilhelm Riemer. 3. T. ä. 41d und 6. T.
') Theodor Fontane: Wanderungen durch die Hark Brandtnbarg.
I.Teil: Die Graff^haft Rnppin. W M feile All4gabe. BeiUn 18AS. & 980.
•} Vgl. z. B. 18ys. Hoft 4, S. 107.
Moll, Kontr. Stxtuilenipanduag. ^
ISO
lUediioh dar Qm««.
Friedrich der Grosse stand und steht gleichliUs hei vielen
in dem Bnfe, homosexaelle Neigungtü gehsht so haben* Bei aemea
Lebseiten war die Annahme, dass er so Hebe^ ide Sokrates den
Aloibxades, weit verbreitet Dieser Mflinung trat allerdings Zimmer-
mann 0 anscheinend entgegen. Was dieser angebliche Verteidiger
über den König sagt, i6t jedoch eher geeignet, die Anuahme, i ried-
rich der Grosse habe homosexuelli Nüiguugen gehabt, begründet
erscheinen zu lassen. Zimmermann sucht die Gerüchte hierüber in
folgender Weise zu erklären : Der König habe eine Krankheit gehabt,
die sechs Monate nach der Verheiratung eine chirur^sche Operation
nötig machte, darcb die er zum liciscblaf unfähig wurde. Der König
habe darüber grosses Scbamgefüh] empfunden und grossen Wert darauf
gelegt, nicht für einen Eunuchen gehalten ^'u wenicn, zumal da be-
sonders Franzosen dieses Gerücht über ihn verbreiteten. Da die Annahme,
er sei entmannt worden,*) durch geschlechtlichen Verkehr mit Frauen
und Männern widerlegt würde, habe sich der König bemüht, bM da
Welt den Glauben an diesen Verkehr mdgliohst stark sn enreeken.
Er hfttte Bich sogar das Ansehen gegeben, als fSnde er grossen
6e£üleo an unzüchtigen QemUden, nnd darauf sei es zarüoksnfQhren,
dass er in seinen Wohnrinmen solehe gehabt habe. ^Damit Ja kein
Uensoh etwa glanbe, er empfinde nieht alle Begnngen der mensoh-
liehen Natnr, die er aneh ohne allen Zweifel empfand, ävsserte er
vorerst noch immer das grOsste WohlgebDen an schönen Weibern.
Noch sind die Gemilde der schönen Tiaserinnen vorhanden, die er
ans dieser ITrsadie m seinen Zimmern aufhingen Uess.^ . . . Qemälde
waren aber nicht das emsige flilfinnittel, wodurch der König wollte
za verstehen gehen, dass er noch hnmer Weiber liebe: denn er ver^
langte, dass man glaube, er habe mit der schönen TSnierin Barbarini
den vertrautesten Umgang*) . . . Vor und nach dieser fttr die Tfinzerin
Bitter von Zimmermann: Fragmente über Fiieiirich den Grossen.
Zur Geschichte seines Lebens, seiner Regierung und seines Charakters. 1. Band.
Leipzig 1790. 8. 70—100.
- ) MerkwOrdiger Welte versachte maa fBr Ludwig IL vna Bsgrem später
eine ähnliche Angabe; wenigstens finde ich in einer Arbeit (Lndwig II., König
von Bayern sein I/cben und Ende von Paul v. Haufingen, Hamburg,' 1886,
& 77) füi^eudo Stelk; «... En war eiix turohtbarer Sturz, den der Kouig ge-
lesnatlich wm wddiea NaehtiittM ia Berge in etaMm Hoblwvg« alditt fieig
getlna hat. Er tmg damals eine aohwen Verwondimg an empfindlichster Stelle
davoQ^ die eine Operation ir twenilig gemacht hat. Von dieser Operation datiert
auch die zunehmende unp-i w ili nii. lio Verfettung L u d w i g s , die in den letzten
Hunateu uucii duruii eme iviaukliaitu Essgier beiordert wurde."
0 ZimmeraiaBn ^ «i & 81.
4) EMa & 87 L
Friedrich der Giosse.
131
Barbariui ausgehängten Liebe .lusserte Friedrich aus gleichen Grund-
sätzen und Absichten, und im Grunde ebenso unschuldig, die ganz ent-
gegengesetzte Verliebtheit des Sokrates für den Älcibiades. Aber
rinch dies war Verstellung: eine blosse Decke über die Tuigon einer
ihm unangenehmen chirurgischen Operation und seiner eingebildeten
Kunachheit. Er affektierte diese Neigung fUr das männUche Qe-
schlecht*)... Entschieden ist also: dass Friedrich der Grosse
die Beschuldigung der lasterhaften Schwachheit so Tieler Griechen und
BOmer gerne bis in seinen Tod leiden wollte, W(ul ihm dies die Hoff-
nung gab, er werde dadorofa eine ganz kleine, aber ihn doch zum
Bosohlaf nnfiUug machende nnd Tielleioht an seinem wassenUcbtigen
Leioihnaan nnsichtbaie Yeistfimmelang yerbeigen.^*)
Ein anderer Schriftsteller Uber Friedrich den Grossen,
Bflsching,*) hnt die entgegengesetate Ansicht geinssert Der König
habe Mh. ange&ngcn, einen Widerwillen gegen das weibliche Geschlecht
zo £Msen. „kut solche Wdse verlor er viel smidiches Vergsl^sen, er
Terschaffte siohs aber dnrcfa den Umgang mit Uannspeisonen wieder
nnd hatte ans der Geschidite der Philosophie wohl behalten, dass
man dem Sokrates nachgesagt, er habe den Umgang mit dem Älci-
biades geliebt" In dner anderen Charakteristik Fiiedrichs des
Grossen/) die sehr wohlwollend gehalten ist, wird Büsching als
durchaus zuvL'rlajisig bezeichnet. Stein selbst ürwähnL als einen be-
sundercn Charakterzug des Königs, dass er in der Wahl seiner
Bedienten nicht dem Beispiele seines Vaters folgte, der dazu Leute
ans guter bflrgerlicher Familie zu nehmen pflegte, sondern die meisten
aus seiner Garde \v;iiilte Ein schöner Wuchs, Grösse, sohOne Ge-
sichtsbildnng und Jugend bestimmten dabei seine Wahl
Dass Onno Klopp*) die päderastischen Neigungen des Königs
ohne weiteres annimmt, kann dem Standpunkt dieses S'rhrift.-
stellers kaum verwundern. Der Gewährsmann, auf den er sich beruft,
ist allerdings Voltaire, der den König reif für Sodom nnd Gomorrha
schilderte nnd ihm sogar den Namen Luc gab. Etwas vorsichtiger
') Ebenda S. 92 f.
- ) Ebenda S. 100.
- ) Anton Friederioh Büsching: Charakter Friederidia des iweyten, Köuigg
TD& fnoama. Zwvyt» Aiuigibe. Halle 1788. 8. 99.
- ) Charakteristik Friedrichs des Zweiten, K&nigB tob Prennen (von GL 0. 0.
Stein). 1 Teil Berlin 1796. S. VU.
- ) Ebenda S. 259.
- i Onno Klopp: Der König Friedlich IL von Prenssen nnd seine Politik.
9. Attllsee. flWiaffhaima 1867. 6. 907,
9*
132
Fiiadrioli der GiOMe.
äussert sich in dieser Besiehuag Preass.*) Er lisst die Frage der
Homeeenudit&t des Königs nnentsobiedeD, meint aach, dus Yoltsire,
der gegm den Ei^nig sehr gereizt war, stdier kein zuTetUasiger Autor
in dieser Beaielrang sein könnte. Andererseite aber wben Büsohing
nnd Formey, die sich in der Fkage der HomoseznaKtIt Friedrichs
dem ürteU Voltaires anschlössen, als znyerllssig belnnnt Carl jle*)
hexeiehnel Büsohing gleichfalls als glanbwftrdig.
Über die Ehe Friedrichs erzihlt Garlyle n. a., dass er nach
seiner Thronbesteigung anfangs viel mit der Königin zusammenlebte,
dass aber diese Zeiten immer seltener wurden, und dass am Ende
des dritten Jahres diese Zusammenkünfte ganz aufhörten und einen
bloss formalen Charakter annahmen. Über die Ursachen dieser eigen-
tümlichen Eheverhältnisse herrschte nach Carlyle allgemeines Still-
schweigen. Auch in vielen anderen Quellen •) wird gesagt, dass
Friedrichs Gattin in fast gänzlicher ZnrflcIcsTezDf^f'nheit im Schlosse
zu SchAnhansen c^elebt habe und nur mitunter zu Haapt- und Staate-
aktionen nach IJerlin gekommen sei.
Auch eine Stelle in Les Matim'cs du Bot de lYusse*) wird auf
die Homosexualität Friedrichs bezogen. Vamour est un Bleu qui
ne pfmbmne ä persanne, guand <m r^siste aux iraUs qit'*^ i*'^ ^
honne guerre, il se retoume; ainst, crayes-moi, iCai^pomk la vamü
de lui faire Ute, il votis attraperoit toujaurs : gfuotque je n'ojfe pas &
me plamdre du Umr gu^ü m'a joui, je vous conseille de ne pas auwre
mon exemple, «eis pomrroU par la auüe Hrer ä grande etmaeguence;
cor pm-eirpea Um vas gememeura dt Um tfoe (fjfieiere recntiemeiU
plus pmr Ums plhiars gue pour vUre gloirs^ et fimdemetU voUre
armee sereU emm le re^fimtM de vaUre <mde Henrp,
Adolph Eohat') glaubt» dass alles, was Aber homcsexoellen
Verkehr Friedrichs gesagt wird, Yerleomdnng sei, nnd deren Urheber
sei Voltaire gewesen, der in der swetten Ausgabe seuier Rtaüe
(TOrl&ifis Friedrich der griechischen Liebe nach Art dea Alcibiades
^> J. D. £. Preuss: Friedrich der Grosse. Eine Lebensgeschichte. 1. Band.
Berib 1889. a 8681t
') Carlyle: G«echichte Friedridia It Dritter Bend. Deutaohe Ausgebe
wmJ. Nenberg 1863. S. 33
T.B. nenripttcHers^ Ihr Leben und ihre Erinnoruagea, haransgegobea
von J. i ürst. 2. Aullage. Berlin 1858. S. 15ä«.
«) Lee Mattnie» du SoideFirm, ieritet par lui-mim Berlin, MJH^XVL
& 89 f.
^) Afinlph Kohut: I ii r lri Ii der Groeae und die Franen. Ein Oedeokblttt
zum lOOjiUuigea Todestage ifriedrichs des Qroeieo, Angnet 1886. S. 1—9.
Friedrich der Groaae. 133
boBoliiildIgte. BbfliiBo ml dies durah Voltaire in uuiUigeii Bnefen
und aacli in seiner 1784 enohienenen Schrift Vie prkie du Sei de
IHisse geschehen.
Bemerkenswert ist übrigens, dass Friedrich der Grosse*) den
]iümosciut41en Verkelir äuch in einem seiner Gedichte (Le PaUadion)
ausführlich erwähnt; ja, einige wollten gerade aus dieser Stelle schliessen,
dass er seihst homosexuellen Verkehr ausgeübt habe, während man
meines Eracbteus hieraus ebenso gut gerade das Gegenteil schliessen
konnte.
Tel pour Socrate elaU Alcibiade,
Qui, par ma foi, nVtait un Grec nmuasaäe,
Et tds etaitnt Exirialc et Nisus;
En cUerais, qua suis- je, tant et plus,
Ce Juhs-Cesar, que des latiyiics ohsrhies
Disaient mari de toutes les Ummims,
Quand ü 4tait la fenme des tnaris.
Mais feuiUetee un moment Sueionne,
Et des (Jesars vayee comtne ü raisonne;
Sur r€ rfgistre üs rtaient fou^i imn^ifs:
Iis servaient tous le beau Dieu de Lampsague,
Si le profane ne vom mffit,
Far le aaeri dingeem iMrfr» aüagtte;
V
•
Pour renchtrir sur tout ce quon a dit^
tTappellerai dmiv Sanche.: ä rnon aide\
I/iser. moi hien l'ariielc lüiiyt et acuf
Dt 6on dhin traiic du tnariagc j
Vous y verreß gue votre esprit Umt nmf
DoU de 868 moeurs faire VapprenHsaage.
Taus les redeurs s' ecrieni : il a raisim!
Dans le moment le grand dialAe fait conmte
Fondent sur moi des hraruloiis de Sod(mt;
Et potir avoir la paix d/ins la maisanf
Necessitc fut de n'etre severe ;
Je devins ilonc leur nicdheut rux pliLslnm;
Et lorsquen ruf setUaU quclque pere,
tPetaiSj helas! sa monture wdinaire.
Omfre» potihmim de fHäirie k Chrmd Roi de Pmue, Tbme gmlrüme,
- ) Sk sind hier mehrere Zeilen alt m ■nitflwig Ton mir tortgelimm.
1B4
Frifldrioh der Onis«.
Äinsi vofjeB quc mon coeur rerffwux,
Fut tnalfjri' Jrn plotujr >hns- ref ahtfinei
Oui, le (Itsfiti 'Imis ce moiuk oragcux,
A la vertu nous forcc commc au crime;
Jn nn pus donc vviter nion deslin;
Mais cxcMe du roh ftminin,
Je descrtai de Vtcoh cC Ignace,
Et tne sauvai, un Jour, de bon mcUin^
GKef un enfarU de la gräee effkaee;
Btmr mo venger d§ mes Hbam di'gus^
J€ nCenirSUn äesma Jtmamwia.
Keineswegs, glaube ich, haben wir das Recht, in dieser Stelle
einen Beweis für die Homosexnalitftt Friedrieh des Grossen zu
finden. Wer sieh fther diesen Punkt vollständig nntenichten will» den
▼erweise ieh neeb auf Xa Fal^$uidk ä Dargd, die dem Palladion
Toiaogeht^)
Que 9ai»-jB, «t U gam Tkarsiie
Ne ftU pas Komm de coleiir,
Auqud Homere ata U emar,
Bmr qv^ AMU eOi pkts de merUe?
iSWr ce modele feus VhonmeMir,
De te depeindre Sodomite
Chcz ton luxurieux recfcnr,
Afin de daiiher Ic Jasuite:
J'osai te faire voyageur,
De jeftnps noyinains rioieur,
Et daris le pays Syharite
De plus mauvais ronians L'auieiir,
In maaehen nmieehen Exeiseii ist Übrigeos die Heinong ver-
breiteti dass die enge Freondsohaft, die swischen Friedrich, als er
noeh Eionprins war, nnd Satt bestand, einen homoseineUen Hinter-
grund gehabt habe, nnd die nnmensehlidie Behandlang, die der da-
malige Kronprinz von seinem Yater erlitt, sowie die Hinrichtung
Eatts nach dem Fluchtversnche werden auf den Zorn des Königs
über die sexuellen Beziehungen zwischen beiden zurückgeführt. In-
dessen kann ich nirgends auch nur einen Wahrscheinlichkeitsbeweis
dafür hii ien, dass diese Annahme gerechtfertigt wäre. Von inderer
Seite wird nur berichtet, dass Katt den ihm befreondeten Kronprinzen
FiiMliioh L, König fon WWtmUsg,
185
ra allerlei eenielkD Abenteaem Teranlaast li&tto. ^) Ebenso warte Tim
den Tenehiedeiieten Anteran^ Mitteiliiiigen gemaoht Uber Idebedeiden-
sebaften, die Friedlich als Kronprina fBr weibUobe Personen em-
pftinden bfttte. Das sexuelle Leben Friedrich des Grossen ist
aber jedenftUs sonst som grossen Teil in Dnnkel gehflllt Wörde
ihm doch sogar von Terscbiedenen Helten BestialitSt nacbgesi^ und
scheint dodi selbst Prenss") diesen Tonnirf nicht für nnbegrfindet
IQ halten!
Auch Friedrich I, Kdnig yon Württemberg (leg. 1797—1816)
mnss hier erwlhnt werden. Vehse,') dem ich den grössten Teü
der folgenden Angaben entnehme, berichtet darüber Genaueres. Die
erste Gattin Friedrichs war Auguste von Braunschweip, die Tochter
des bekannten preussischen Feldberm Herzog Kurl Wilhelm
Ferdinand von Brannschweig. Von Auguste trennte sich der
König Friedrich 1. während eines Aufenthalts in Russland: er kehrte
nach Deutschland zurück und liess seine Frau dort. Sie soll später,
nls sie sich mit Katharina II. verfiiiulete, lebendic^ begraben
worden sein Auguste soll auch Liebschaften mit anderen Mflnrtern
angeknüpft haben, eine Handlungsweise, die, wenn der Mann Urning
war, gewiss nicht allzu scharf verurteilt werden darf. Schon als
Friedrich noch Kronprinz war, hatte er begonnen, Männer um sich
zu sammeln, die seiner Minnerliebe dienten und über ihn einen
grossen Einfluss gewannen. In Gegenwart seiner Lieblinge war
Friedrich als König mitunter recht vergnügt; sonst aber war er
durah ^seine Hflrte und Gransamkeit berüchtigt, die sogar den Kronr
prinaen, den spAteren EOnig Wilhelm, zur Flucht swang. Ifit
Napoleou stand Friedrich auf gutem Fusse^ Emmal soll der
fraoaOsische Kaiser dem Eflnig angemfen haben: Ckasaeg Us htmgres.
Da dieses Wort auch Ehahenschlnder hedeuteti so wSre es immerhm
möglich, dass Kapoleon damit eine Anspielung auf die damaligen
Sitten am wflrttenabeigischen Hofe gemacht hatte. Friedrich gshörte
som Bhsinbund und hat es fertig gebnchti Napoleon zum Feldsug
nach Bussland mehr Soldaten zu stellen, als der Kaiser verlangte.
^) Vgl. hierüber: MemoireD der Kttritfloil PtiBBsischeo Prinzessin Friederike
Sophie Wilhplniine, Markgräfln Ton Bayrentli. Sehwonter Frierlricbs 4*8
Crossen, vom .Jahre 1709—1742. 1. Band. 9. Auflage, Leipzig 1092 S. 92.
- ) z. B. Alfred Borotius: Friedrich der Grosse in seinen Schriften. BerUo
1670. 8. 18.
•) /. c. S. 867.
') Eduard Vebse: Oeschiehte der itontaelMax Hofe Mit der Beformatioa.
Stt. Baikd, Hambois 1863.
136 Firi«iiiak L, Sttnig fw Wdittambeiigr.
Der EQnig mi Beliz Tenohwenderiseh und eitel Die eohdiieii jungen
Lentet die er mn mk hielt» wnidoi ab Fontmeister and Jagdjanlter
angestellt; naoli und naoli befiSrderte ec aie so Fnihenn und Orafen,
zo Obzisten und Generalen, und gab ihnen Orden, obwohl unter ihnen
nicht ein Manu von wahrer Bildung war. Der wich^gste Yon dieser
uubaubern Gesellschaft war der Graf Karl Dillen; er war 22 Jahre
jünger als der König. Der Manu hatte fiaber Dillenius geheiüseu
und war Bereiteijunge gewesen; 1806 wurde er iu den Adelstand er-
hüben, 1810 zum Freiherm und 1812 zum Grafen gemacht. Er stieg
dann auf zum Generallieutenant, Oberstliofmeister und Uberhofinten-
danten; er erhielt den miiitärischeu Verdienstorden, ohne dass er
in seinem Leben eine Kugel hätte pfeifen hören. Dillen war
der gewaltigste Mann im Lande und zugleich einer der reichsten.
Der König schenkte ihm u. a. das Schloss Däzingen. General
T. W 0 1 z 0 g e n , der seit 1805 als Flügela4jutant beim Könige fungierte,
nennt den General t. Dillen den ganz ungebildeten ersten Mignon.
In den Memoiren des Generals Ludwig Freiherm von Wolzop^en*)
linden sich überhaupt manohe bemerkenswerte Einzelheiten hierüber.
Während des Sommers waren der König und sein Hof in Lndwigsburg.
Das Leben hier war fOr Wolzogen noch wideiwftrtiger ak in
Stuttgart» weQ sein Umgang auf die Ofinstlinge des EMuß besobiSnkt
war, die ihre Hoheiten und Gemeinheiten ofGm sur Schau tragen
durften. Dillen war so miohtig', dasa selbit des EOaiga Bruder»
Heixog Louis, Feldmaischall der Ka?allerie snt 1807, in hrieohende
Scbmeiohfllei gegen Dillen TOifiely um beim König Einfluss lu ge*
Winnen. WoUogen war als Ihnieher des Plinsen Bugen von
Worttembexg naoh Stuttgart gekommen, suohte aber seinen Zögling
sofiel als möglich den Einfltlssen des fiiyolen Hofes xu entoefaen.
Bemerkenswert isl^ dass auch ein Kaohfolger Kdidg Friedrichs
Ton Württemberg, der verstorbene König Karl, offenbar homosexuellen
Verkehr pflegte; man erinnere sich der Erörterungen, die seiner Zeit
durch Vt'rOfi'eutliohungeu der Miluchener Neuesten Naoli richten hervor-
gerufen wurden. Es wurde damals auf die Beziehungen hiiigewieseu,
die zwischen dem König und seinen amerikanischen Gesellschaftern
bestanden.^)
Auch der Dichter Byron ist, wie ich aus Privatgespiäciieu und
- ) Ans dessen Nachlaas mitgeteilt von Alfred Froihorrn v. Wolzogen.
Lcipagl851. aSlIL
') Genauex«! blerüber siehe: Baron St....r; Hof und OoBelbchaft ia
deatidMii EMidmun. Beilia 1865. S. 292 f.
Byron, FlilieiL
137
Iitteiaii8cheii Angaben entnelune, Öfter tta einen Mlnnerliebliaber
gehalten vordem. Indesaen finde ich in seinem Lebenelanf nnd aeinen
WeAen niohta, was genfigend dam bereehtigen kOnnte. Yidleielit
ist die Annalune daraus entataaden, dasa ein ala Knabe TeiUeidetes
lOddien den Dlobter öfter begMtete.') Aneh mag diesen Bnf
Byrons die Verlenmdnngssnclit erzeugt haben, die den grossen un-
glücklichen Dichter grausam verfolgte.-) Lombroao*) legt allerdings,
um das Tatbologische bei Byron zu erweisen, besonderen Wert auf
seine Beziehungen zu seinen Gefährten. Als Student in Harrow habe
er schon eine zügellose Zuneigung zu seinen Eommilitonen gefa&st.
„Die Freundschaft ist in der Welt kaum ein Gefühl, aber eine Leiden-
schaft in den Klöstern." Diesen Gedankensplitter, der von Marmontel
herrührt, habe Byron seinem Tagebuch einverleibt „Meine Schul-
freundschaftcu/' schrieb er weiter, „waren für mich wahre Leiden-
schaften, so innig waren sie. Aber ich weiss nicht, ob eine unter ihnen
ist, die bis auf die Gegenwart gedauert hat . . . Ich weiss, dass die
mit Lord Cläre an den allerersten gehörte and länger dauerte als
alle anderen. Sie worde erst durch die Trennung unterbrochen. Ich
kann niemals den Namen Cläre ohne Henddopfen hOcen, aelbst jetit
noch nicht."*)
Unter den neueren iat als der kontriien Semalempfiiidmig Ter*
dflditig der Biohtw Platen an nennen; er sebeint bei seinen Leb-
Seiten liemliflli allgemein diesen Bnf gehabt za haben. Die Gediebte,
die er an llbmer geriebtet bat^ nnd m denen w den Sebenken nnd
den Freond ÜBierte, mnssten bisrzn wesentlieb beitragen. Freilicb
wird Ten andeier Seite eingewendet» n. a. von Karl Godeke,*) er
babe m seinen Gediehten den Geist der oiientabaofaen Poesie naeh-
abmen wollen. Der Umstand, dass Platen anob Uebesgediehte an
daa weibliebe Gesdüecbt Terbsste^ konnte seinen Bnf als lOnner-
frennd niebt Indem.
Der Dichter wurde in einen heftigen Stroit mit Heine w-
- ) Lord Byron von Karl Elze. III. Aufl. Berlin 1886. 8. 65.
^ VgL Lord Byron von Bdnard £ngel Berlin 1876. & 120.
- ) Oesare Iionbroso: Nme BnAdeekingea mai WaliBiiBa Leopard!«,
Taste ■ lud Byroai. Dentoohe Betae üker das gMunte nttitinale Leben der
Gegenwart, 21. Jahrgang, 1896, 2. Band. S. 97.
- ) Geuauerea hierflber «iehc: lohn Cordy Jeaffroson: The real Lord
lijfrt/tt. New vietca of the poet's Life. VoL L London 1683, d8ä. Dieses
Baeh bietet aneh sonst manches Intereesante ftber des Diehtan Ltebeslebett.
- ) August Gnf Toa Platen-Hallermande. BiognpUe; in den ge-
sammeltea Weriwa dee Onfto Aagast TOB Platen. Statthat and TUbiagso.
lasa.
138
Platen.
wickelt, dem er seine jüdische AbstammuDg vorwarf; Heine rächte
sich an dem adeligen Dichter dadurch, dass er ihn öffentlich der
Päderastie beschuldigte. Tu den „Bädern von Lukka" ündet sich die
bezügliche Stelle. Heine spricht hier von warmer brüderlicher
Freundschaft des Grafen Platen, der seine Gefühle in somoii Ge-
dichten „an den Mann" nicht an die Frau bringe, dessen Bücher ein
dem Eau de Cohgne entgegengesetztes Parfüm hätten, dessen Liebe
gegen die Sitten sei, und desseD Gedichte von einem mannstollen
Ifädclien abgefasst zu sein schienen. Heine veigleiGht Platen mit
Nero, der sich mit einem Jüngling trauen liess; er nennt den
Olafen Platen einen Mann von Steiss, nicht von Kopf. Der SMt
swiwsfaen beiden Diebteni erregte sdner Zeit ein nngehenrea An&eben
in Dentedikuid. Selbst Heines Biograph Strodtmann^) kann die
Art Ton Heines Angriffen nicht billigen. Dass Heine sieh durch
die Fonn der Polemik selbst sebr geschadet bat, ist sicher. In einem
Briefe an Varnbagen nennt Heine den Grafen Platen den fkeehen
Ftendeigongen der Aristokratie nnd der Thßm, t^rigens war der
Dichter Platen anch sdion vor Heine, x. B. von Lndwig Robert,
wegen des Inhalts seiner Gedichte scharf angegrlifim worden. Platen
hatte anftngs die Absicht^ dnreh den Grafen Fngger ^e Klage
beim Eammergericht in Berlin gegen Heine anzustellen, liess aber
die Sache schliesslich ruhen, weil, wie man glaubte, Heine den
Wahrheitsbeweis antreten wollte.
In einer Einleitung zu den Tagebüchern Platens meint L. von
Scheff 1er,*) die Angriffe Heines seien um so gewissenloser gewesen,
als die Anklage sich allein auf einipfe Licenzen des poetischen Sprach-
gebrauchs (die Anrede Juuge, Knabe hier und da in den Gedichten
anstatt Freund j, auf die Ungenauigkeit des deutschen Ausdrucks
„Knabenliebe" als solchen gründete. Wie Scheffler fortfährt, be-
zeichnet auch Schiller die ideale Männerliebe, die das Freundepaar
in seinen Maltesern verbindet, mit dem zweideutigen Worte Knaben-
liebe. Dass diese Verwediselung häufig vorkommt» ist in der That
sicher; sie wUrde aber an der Frage der Homosexnalltit Platens
nichts fär nns Wesentliobes ändern.
Abgesehen von sonstigen Neigimgen Platens scheint er in der
M A 1 oif Strodtmaan: H. IftiaM Leben und Veilce. 9. Aufl. 1. Baad.
Berlin lb7:i. S ml.
•) Die Tagebücht'r des Grafen v. Platea. Aus der Handsclirift des Dichtere
herausgegeben von G. v. Laub mann and L. v. Scheffler. SUittgart 1896.
8. XL ,
Fktea und Liebig.
139
Studentenzeit besonders zu dem später berühmten Chemiker Justus
von Liebig eine aiiffallpnde Neigung empfunden zu haben. Eine
ansfQhrlicbp Abhandlung über die Beziehungen beider brachte Moriz
Carriere,^) dem ich das folgende entnehme. Platen schrieb damals*)
in sein Tagebach : „Wir haben nie Brüderschaft getrunken; aber das
gegenseitige Da fand sich ganz von selbst aof unseren läppen ein.
Niemals habe ich das geringste an Liebig bemerkt, was auf etwas
ünr^ee oder nor im mindesten Unsittliches hingewiesen hätte. Das
ists was mir anch hohe Achtong vor ihm dnflOsste.*^ Liebig verliess
den gemeinaamen Wohnort nnd ging später nach Faiis. Von hier
aofl schrieb er am 15. Mftn 1823 an Platen, mn gewisse Miss-
Terstflndnisse swisehen beiden ta beseitigen. In seinem Brief geht
Liebig aof die gemeinsamen Erlebnisse ein. Eni LIebesabentener,
das leicht ein nachteiliges ücht aof Liebig habe werfen künnen» sei
er mehimab hn Begriffe gewesen, dem Freonde m erzählen; als er
es endlich in Baimstadt gefthan, habe Platen Geständnisse ?erlangt|
wie niemand sie sa feidern berechtigt s«L Schon am 16w Hai 1823
schrieb Liebig wieder an Platen: nnd ich fühle wohl, dass
wir zwei Pole shid, die in ihrem Wesen unendlich Terschieden, aber
eben dieser Verschiedenheit halber sich anziehen mflssen ; denn Oleich-
artigkeit st^isst sich ab. Du siehst, lieber l'latcn, duss ich nichts
finde, was mir diesem (jeheimuiss auttlären könnte i icii bitte Dich in
Demem nächsten Brief am den Schlüssel."
Platen war entzöckt £r dichtete sogleich eine seiner schönsten
Ghaselen:
„Wie, dn fragsli waram dein Wohlgefallen
Mich erw&hlt, unumhlosiaii halt vor «llem?'* n. b. w.
In Liebigs Antwort steht in Bezog aof die an ihn gerichtete
Ghasele: «Nnr Yerwnnderang kann der Ißegeliebte, Seltentrene Dir
entgegenlallen. Mit dem Niegeliebten machst Do mich ja zom
Lügner, and mit dem Seltentreuen ^) schulst Du Dich von meiner
Liebe los. Keine Dunkelheit soll mehr unter uns Äuiaiss zu Miss-
verst&ndnissen geben; dos habe ich dir versprochen.**
- ) Koriz Carricrc: Liebig und Platen m: Lebensbilder, Leipzig 1890.
8. 876-860.
') Die Anptlrürko Nio^eliobt und Seltentrou kommen in dem ztiletzt ange-
deuteten Gedichte Platens vor. Der Dichter hat jufcrnde diese für beide Teile
so chaiukteristiscben Worte bozw. die eutuprecheuden Verse bei der Herausgabe
der Qediebte geetrioh«o.
140
Fialen und loMg,
Am 25. Juni 1823 sehrdbt Platen an Llebig: „. . . leb i6de nicht
mit dir im Ton eines Bittenden, da winti du mnset mir eehraben,
do, den ich über aUes liebe. Das Leben ist toU blinder Sdnckongen,
voll nnstater Yerlundimg«!, aber eine ist wahr, aber eine ist danemd.
Du bist mein, was Akr ein Bigentnm willst da dir Aber dich selbst
aamassenf*' Zar BrU&nmg fügt Carriere hima: „Die Iddensobaft-
licfae Gewalt der Empfindung and des Gedanheos mag ans b^iremden,
wie uns auch hente die schwärmerische Zärtlichkeit der jungen Hain-
bundesdichter oder des Gleimschen Kreises verwunderlich dflnkt.
Aber es triebt im Leben des einzelnen Stunden, wo er von einem
Freunde wie David vou .Jonathan sagt: Deine Liebe war mir
köstlicher als Frauenliebe — zumal wenn diese noch nicht in ihrer
ganzen Fülle über ihn gckuminon. Platen war fttr Franenliebe nicht
geartet Freundschaft sollte ihm ein Ersatz spiu." Die Beziehungen
Liebigs und Platens sind noch durch den EinÜuss, den ersterer
auf (las dichterische Schatten des letzteren ausübt^ besonders merk-
würdig Der Aufsatz von Cariieie lüetet in dieser Beziehung
manche Mitteilongen.
Zorn Schloss sei noch ein Gedidit Platens angelUirfe, das den
homesexaellen Charakter sehr deutlich venftt:
Qualvolle Stunden hast du mir bereitet,
Die aber nie an dir der Himmel rflcbe,
Sonst müssten fliessen deine i hrilnenb5cb'\
Wenn von der Lippe dir mein Name gleitet.
Doch bis Gawisshttt jeden Wahn bestreitet»
WiD gern ich dich, and fhlt* ioh es ans SdiwSehe,
Verthflid'gen IPkenndl Ton aof der Oberflftdie
Geschlüpften ZofiiUsgifinden nie TerlMtel
Zwar würd' ich kaum dir zum Verteid'ger taugen,
Doch stets bedienst du dich als deiner beiden
Fürsprecher listig meiner beiden Augen;
So lang sie nch an deinem BHeke wddeo.
So mfiflsea laebe sie ans ihm sich sangen,
Da aber lies in ihrem Blick m«Jn Leiden!
Als histeiisohen Urning nenne ich endlieh noch den onglAoUiehen
EOnig Lndwig II. Ton Bayern. Es sdieint kaum xweifeniaft» dass
bei ihm kontiflre Seiaalempfindong in aaegeptflgter Eoim bestand.
liudwig IL fOB Bftjwo.
141
Ire 1 and*) hat an der Hand Teraoliiedener anderer Arbeiten (?on
B. Graser, Georges Morin, Franz Carl Mftller, E. P. Evans)
eine psyoUatdsdie Stadie Uber den EOnig TerSffentlicht, der ich das
folgende entnehme. Noeh lange bevor die offisielle ErUimng über
die Geisteslrrankheit des Königs erschien, scheint die HomoBexnafitftt
deutlich vürliandeii gLwoson zu scm. Seine Oleichgiltigkeit, ja sogar
Abneigung gegen das weibliche Geschlecht war bekannt und ziigto
sich in vielfachen Erscheinungen, wahrend er an Mäuner die zärt-
lichsten Briefe schrieb, zärtlicher als ein Bräutigam an seine Braut.
Dass über seine Mannerliebe viel gesprochen wurde, ist sicher; dass
aber von massgebender Seite dieser Punkt stets übergangen wurde,
dentet, wio Ireland meint, eher für als gegen die Annahme, dass
es sich um eine Umingsnatur gehandelt habe. Die Misshandlungen,
die der König in der letzten Zeit seines Lebens gegen verschiedene
Männer anbefahl, sind kanm auf eine sadistische^) Grundlage zarück-
snführen. Sie haben wohl vielmehr ihren Grund in der damals schon
vollständig ansgesprochenen Geisteskrankheit des Königs. Jedenfalls
hat der König in der letzten Zeit seines Lebens am Schmerze anderer
and an der Meosehenqnilerei Yergnflgen gefanden. Die Personlich*
keitea, die im sexuellen Leben des Königs eine Bolle spielten, sind
inm noeh am Leben. Es seheint ftbiigens, dass bei dem KOnig
nnabblngig von sinnltehen Trieben seelische Neigmigen sa yersohiedenen
Himiem bestandm, die ihn geistig fesselten.*)
Anoh sonst finden äeh in der Idtterator nooh mamiigfaehe An-
gaben über bekanntere IfiUmer, die homosexoeUen Geschlechtsverkehr
ausgeübt haben. Tehse bringt n. a. eine Beihe Meranf besttglicher
Angaben. So erw&hnt er/) dass ein Minister Angnsts lH, Königs
von Polen, Heinrieh Graf v. Brühl ansser seinen weibHehen Geliebten
auch mannliche hatt«. In einer Schrift, die 1758 erschien, wird, wie
Vehse erzahlt, ausdrücklich darauf hin f::c wiesen, dass in Brühls er-
laachten Gesellschaften das Problem autgeworfen wurde, ob nicht em
wohlgebildeter Knabe dem schönsten Fräulein vorzuziehen sei.
') William W. Ireland: Thnmgli thc Irnnj Gate. Stiolk^ in Paijvholuinf
atui üistory. Edinburgh 18ö9. S. löÖ— 159 und W. W. IreUod: Herrecher-
■aoht und Gefvtodmnklieit Stot^iirt 1887. & WT-^m.
') Vgl das sechste Kapitel dieses Boehes.
") Eine Bc^tätigftinß dieser Auffassung bietet das in neuerer Zeit ersfl.i-nene
Bnch von C. Boy er: Ludwig IL, König von Bayern. Ein Charak* rl ill nach
UitteilQQgen hocbstebrader und bekannter Pcrsünlichkeiten and nach audcrcn
MtUieiiiisdieii Qmllen. Leipsig.
- ) Eduard Tehse, Geschichte der dentaobmi BSh seÜ der Befoimtlen,
aa Band. BambnrK 1864. & 188 n. 867.
142
Verschiedene rorBuniichkeitea.
Auch Prinz Kugcii, der bukauiitü reldhcif, dessen SitU'iistrengü
oft erwähnt ist, — vielleicht düshalb, wuil ur wenig Empüiidung für
das weibliche Geschlecht hatte — wird verdächtigt, homoseiuelle
Neigungen gehabt zu haben. So teilt Vehse*) nach den Briefen der
Herzogin von Orleans mit, dass er von jungen Leuten iu Paris
früher Madame Simone und Mtuiamc Camiene genannt wurde, ,,denn
man prätendicrto, dass er oft bei den junf»en Leuten die Dame agierte".
Übrigens soll Prinz Eugen zwei uneheliche Söhne hinterlassen haben.
Auch Alexander, der letzte Markgraf von Ansbach, stand, wie der
Hamburger Tourist Ludwig v. Hess^) erzählt, im Kufe unnatftr*
Hüben Wollusttriebes. Päderastische Neigungen wurden femer dem
Kardinal und Staatsmann Mazarin nachgesagt Pierre de la Porte')
berichtet in seinen Memoiren, dass Mazarin im Jahre 1652 naoh
einem Diner, das der damals 14jährige König Ludwig XIY. bei ihm
eionahm, mit diesem gesohlechUioh verkehrt habe. Auch in einem Teil
der berohmten Masaiinaden werden dem Kardinal sodomitiflche
Neigungen nachgesagt
De fwgiM qv^m m jamtM
Dans touie la viUe de Some
Un plus häbUe ä la Sodome
Que vous y fuaies itesormais
heisst es an einer Stelle.*)
ich könnte die Ausftlhningen über historische liomusexuelle noch
wesentlich erweitem. Mit mehr oder weniger Recht werden zu ihnen
gerechnet Karl XII. von Schweden, Wilhelm von Oranien, Peter
der Grosse, Christian VII. von Dänemark, ja sogar wegen seiner
Neigung zu Eugen Heauharnais Kaiser Alexanderl von liussland.
Ferner werden hierher gezählt Torquato Tasso, Emil Mario
Vacano,^) Karl v. Holtei, Salomen Mosenthal, Gxillparzer,
- ) Veliso e. 12. Baad, Hamburg 1852. 8. 269.
<) Vebse I. 4a BMid, Huilnii|r 1867. 8. 167.
- ) Pierre Dufour: üütoirt de la Prostitution chex tom las peuplu
du monde rhynis VantiqmU la pk» teouke jutqu'ä no$ jotm. Tome kuitiitiMk
Brusullr^' ist,!, s. 286.
Lcs Maxarinadea cyniquea, v'csl d n^acoir: Le Temperament amphi-
boloffique de» Mimte$ d» MUnarm et la eustode de la reyne qm dSt teeU. Oetoffne
m9~ir>51. 8. 17.
- ) Voo Vacano wird erzählt, dasa er eine Zeit lauj? als MaTiPf, reifo: in anf-
getreten sei. Novellistisch und (euiüetonistisch i«Jt dio'^'T Vor<^;uiL: uiehrtach be-
b&udelt worden, & B. vod Sacher-Musuck (Mumj i::Iüa in l<aiächor Hermelin,
Nene Folce) und tob Slgaor Domino; dooh tsoU du Urbild dieoer Aatomi
eine andere Pieimt aein.
Verschiedene PersuulicLkeiten.
143
Friedrich Graf v. Schack, mid der bekannte Historiker Johannes
V. Müller, dum Wolfgang Menzel seine ürningsnatur vorwarf;
ausserdem der Littciarliistunkür JoLluiu Die den ch Gries,
Symonds, Walt Whitman, die Schauspieler Wilhelm Kunst,
Hermann Hendrichs. Anch Moliere wurden homosexuelle Be-
ziehungen zu dem Knaben Baron nachgesagt. Einzelheiten über
viele derselben findet man in den Büchern von Ludwig fiey') und
von Kaffalovich.-)
Ich breche die Auseinandersetzungen hierüber ab und weise nur
noch wegen der allgimeinen Bedeutung auf einen Fall des 17. Jahr-
hunderte hin, da er ahnlich wie Vorgänge in unserer Zeit ohne Be-
rücksichtiguig der konträren Bexualempfindung schwer verständlich
ist. Es mag Oberhaupt manche Begebenheit, die nicht aufgeklärt
ist, mancher Mord und auch Selbstmord seine Quelle in der konträren
Sexaalempfindung haben. Der Fall, der seiner Zeit grosses Aufsehen
enegte, und den ich Friedrich Bülau') entnehme, betrifft die
moidong ▼on Heinrich Gottlob von Debeohatz anf Langenan im
Altar von 35 Jabxen im Jahie 1092. Die Ftoülie des Ennozdeten
gehflirto zu den angesehensten der Gegend. Nirgends ist erwähnt,
daes die Hännorliebe bei dem Morde mitspielte. Wie soll man es
rieh aber erklären, daee der MMer Freiherr von Braun aof Men-
dorf, der Km Opfer vorher nie geeehen, nnnutMbar nachdem er den
un Bette liegenden Mann gekttsst nnd geherzt hatte, ihn erstach, als
er an weiteren Liebkosungen verhuidert werden sollte? ISne pldtsUch
entflammte liebedeidenschaft durfte sehr woU inr ErUämng genügen.
- ) Ludwig Frey: Der Eros und die Kunst £thi8che Stadien, Leipzig.
^) Marc-Andre Raffalorich: ürnmsmr et UniscTnalüL £tud» nar
d^irentet inan^estatiom de l'Jtutinct sexucL Lyon-Faria ISÜd.
•) Oehfltme GoMdiiehten und zttBdbafke Mewohen. SanmdoDg Terborgener
oder mgemaer Mokwvidig^tiD. HuwMigegBbeii von Friedrieh Bfilao.
8. Auflage. LBmhL Leipiig 1868. & 470-474.
III. Soziale BeziehimMeu der HomosexueiieiL
Was die Zahl der ürniuge betrillL, ist es unniugiich, genau
anzugeben, welchen Prozentsatz der Bevölkerung sie ausmachen.
Selbstverständlich kuiinen auch die Behörden hierüber sichere Angaben
nicht maoheu, da sie sich nur mit den Fftlleu zu beschäftigen haben,
die straffällig sind, d. h. wo soj^enannte widernatürliche Unzucht j^e-
trieben wurde; viele davon kommen überdies gfir nicht zur Anzeige
und bleiben der Polizei und den Gerichten vollständig unbekannt
Die mir gelegentlich von venohiedenen Leuten genannten Zahlen,
z. B. die Mitteilungen, dafls es in Berlin allein 4000 Manner gäbe,
die für Geld feil seien, muss ich als willkHiUoh bezeichnen. Ich habe
selbst in Berlin etwa 6 — 700 Urninge gesehen nnd beobachtet und
▼<m etva 250 bis 350 gehört. Nach diesem nngef&hren Bilde kann
ich feststellen, dass sich diA Zahl der Berliner Urninge mindestens
anf 900 belauft; dass aber in WiiUiehkeit diese Zahl wesentUoh flber-
sehritten wird, kann ieh mit grOsster WahrscheinUchkeit sagen. Ob
es 3000 oder 10000 oder sogar, was ioli nicht für ansgesohloisen
halte, noch mehr Homosexnelle in Berlin giebt^ darflbear kann ich mit
Siohedieit nicht urteileii.
Es kommt hinsn, dass es in der BerOlkerong eine Menge Indi-
indnen giebt, über deren krankhafte geschlechtliohe Neigungen, obscbon
sie Torhanden sind, weder der Arit nodi irgend Jemsnd etwas Ge-
naues erfahrt; dies ist z. B. bei Knaben der Fall, die zweifellos zom
grossen Teile, wie sich aus der Entwickelungsgeschichte einzelner
Urninge ergiebt, bereils hümosyxuelle Triebe haben. Allerdings sind
diese gerade in der Zeit vor und während der ßntwickelnng der
Pubertät nicht immer als pathologisch zu betrachten. Auch bei
Leuten, die später geschlechtlich ganz normal werden, kommt es vor,
dass in dieser Zeit das Geschlechtsgefühl noch nicht vollständig
diflereoziert ist So erklärt es sich, dass nicht selten bei Personen,
Zaiü der Urninge.
145
die später amschtteBslioh heteiOBexnell sind, bei Beginn der gesohlwlit-
lichen Reife homosexoelle Neigungen, teils allein, teils gemischt mit
heterosexuellen beobachtet werden. Wir haben ferner za berück-
sichtigen, dass viele erwachsene l'crsuiicn psycbosexuelle Hermaphro-
diten sind, ohne dass dies bekannt würde. Sie leben m der Ehe und
haben dann und wann homosexuelle Thebe, gehen diesen aber in keiner
Weise nach. Überhaupt dürfen wir nicht ausser Acht lassen, dass
von der typischen Homosexualität bis zur typischen Heterosexualität
so zahlreiche Übergangsstuf» n bestehen, dass auch dadurch die
Schätzung der Zahl der IJonioscxiiellcn wesentlich erschwert wird.
Urninge geben von einigen Städten an, wie viele Leidensgefährten
sie daselbst kennen. Von Magdeburg hat mir einer mitgeteill^
dass er dort mindestens 70 Urninge kenne; wahisobeiiilioh ist deren
Zahl dort in Wirklichkeit bedeutend grosser. Ob m grossen Städten
die Homosexualität mehr gedeiht als in kleinen, und ob sie auf
dem Lande schwächer vertreten ist als in den Städten, kann ich
meht mit Sicheiliett angehen. Die meisten Homoeamdlea, über die
wissenBoliafflietae Beobaohtuigeii Toriiegea, haben in Städten entweder
danemd oder dooh längere Zeit gelebt; demioob darf hiexaos unter
keinen Umständen einbob auf eine länwirknng der yerOhrong oder
der Groesstadt gesehloesen werden. In neuerer Zeit besonders sind
mir amoh sahlreidie I%Ile von konträrer Seznalempfindang bei Far-
sonen bekannt geworden, die tot der Entstebmig der sexneQen Pep<
Version entweder anf dem Lande oder in Ueiaen Städten gelebt
haben. Von homoiexneUen Akten anf dem Lande erilhit man übrigens
auch gelegentfieh dvroh Geriohtsverhandlnngen; die neneren Unter-
suchungen,^) die auf YeranUissung der deutschen Sittlichkeitsvereine
vorgenommen wurden, liefern gleichfalls einige Beiträge hier/u und
dürften überhaupt geeignet sein, das Märchen von der Unschuld auf
dem Lande gründlich zu zerstören.
Auch Krafft-Ebing peht Mitteilungen über die Zahl der
Homosexaellen in einzelnen Städten. Ein Patient Krafft-fibings')
YgL z. B.: Die gescbiechtUch-sittlichea Verhältnisse der evangehscben
Landbewohner im Deatiohea Bdche. Dargestellt anf Grund der von der All-
gMMiMn SmIbiviib dar denlnbtB SÜtiiabkritiTttrebw venmitaltetaB Unfngo.
1. Band, 1. Abteilung, bearbeitet von Pastor H. Wittenberg, Leipzig 1895,
S. 159 und 2. Band, bearbeitet von 10 Spwialrefarenten, redigiert von C. Wagner,
Leipzig 1897. a 430.
- ) B. V. Krafft-Sbing: Paychopalkia MmoK», mit beeendflier BtMt-
ibhtigaiiir der kontiäiMi SenalenpfiiidaBg. Bin» Uudicih-lbreiiaiaoh« SCadie.
9. Aullage. Stiltleart 1894. S. MH,
Moll, Kmtr. Bmulnpflndiivg. IQ
146
ZkU d«r Uniiige.
erkUrt, daw er in einer Stadt tob 18000 Einwohnem 14 ünunge, in
einer andern von 60000 Einwolmem deien 80 kenne; Erafft- Ebing
liSlt den Hann Iftr glanbwatdig, moml a1)er, daas er nieht genng
awiaehen angebotener nnd erworbener liomoBexaeller Männeriiebe nnter-
eeheide.
Kadi TTlrioheO lebtm damals in DentacUand etwa 25000« in
Preussen etwa 10000—12000, in Berlin etwa 500—1000 erwachsene
Urninge. Durchschnittlich rechnete er auf 2000 Seelen oder 500 er-
wachsene Männer einen erwachsenen Urning. Ulrichs, der selbst
Urning war, und dessen Arbeiten üonst eine t>ehr subjektive Färbung
zeigen, dürfte sich hierin kaum einer Übertreibung, eher einer Unter-
schätznng schuldig mai hen, wenn anch natllrlich genauere Beurteilungen
sehr schwer sind. Ein Gewährsmmin von G. J&ger*) giebt an, dass
aof 50 Männer 1 llumusexuelier komme.
Ein homosexueller Herr X., der durch seine wissenschaftliche
Bedeutung eine Gewähr für seine Mitteilungen giebt, machte mir
einige allgemeine Angaben über die Verbreitung der Homosexualit&t
Ein Herr den X. genau kennt, hat sich Notizen über jeden Mann
gemacht, zn dem er geschlechtliche Beziehungen hatte, und hat dem
X. diese Mitteilungen zu beliebiger Verwertung übergeben. X. erwähnt,
dass Y. ein Mann von anagezeichneter Gelehrsamkeit und ObjekÜTitAt
ael Er ist viel gereist und entdeckte seine eigene Homoseznalitftt
Tor 20 Jahren. Seit damals hatte er gescUeoht&ehe Benehnngen in
965 Terechiedenen Mlnnem. X. hatte wihrend der 7 Jahre, die er
homeeexneU verkehrt, aolehe Bedehnngoi in 27 Mlnnem. Ein Urning,
enfthlte ihm, daaa er m einer Stadt von 60,000 Binwohnem per-
aOnlieh 50 Homeeesnelle kenne. Ein anderer iat Ifitglied ^ea Elnba,
der ana 50 MImiem beatehti nniw denen 8—10 homoaeinelle Mflnner
vorhanden aeien. Dieaer Hann ghmbt» daaa er mit nicht weniger ala
250 Mlnnem in ^er Stadt von 850,000 Euiwohnem gesohleehtliche
Beadehnngen hatke. X. aelbat hat aieh an Bedtkrfiiiaanatalten Statiatiken
gemaeht, die zwar nach seiner eigenen Ansicht nicht überschätzt
werden dürfen, die aber doch, wie er glaubt, die Ausdehnung der
Ilomüsexualität beleuchten, und die ieh wegen ihrer Üriginalität wieder-
gebe. „In einer 6Udt von 400,Ü0U ilmwohnern, so erz&hlt X.,
') Karl Heinrich Ulrichs: Oiaäiua Iktr$n&. Das Naturrätsel der Urnings-
Uebd tmd der Intom ab Geaetggeber. Eise Frordkatfcm an donlMitoa
Juristentag. Xaas«! 1868. S. VTSL
') ans Uv Jiger , Entdeekuiff der M». 8. Avflag«^ 1. Baad. Leipatig 1884.
8. 867.
Zabl der Unmi^e.
147
„machte ich solche Statistiken. Es war für mich notwendig, einen
bestimmten Standpunkt zu haben, und so macht« ich die Bcoh-
achttingen an einer Bedürfnisanstalt für Männer so, dass ich 1. alle
die zählte, die Uiesf Ikdürfnisanstalt bpsuchter!, 2. unter ihnen a) die,
die eine gewisse Neigung hatten, ihre Genitaüen anderen Männern
zu zeigen, h) alle die, die es Tersachten, die Genitalien anderer zu
sehen, und c) die, die eine Erektion erzeugten, bevor sie die Anstalt
Terliessen. Ich wählte eine Bedürfnisanstalt mit 7 Piäfezon an einer
Haaptverkebrsecke der Stadt aus und machte die Beobachtung von
2 Stunden zu 2 Stunden an yerschiedenen Tagen. Meine Statistik
beginnt um 8 TTbr des Morgens und endet um 12 Uhr dea Naohta.^
Das Besnltat war folgendes:
Zoit
Zahl dor
Besucher der
Anstalt
Zahl deror <lio
a) Genitalien zeigten,
b) andere sehen woUtm
oder c) Enkdon «neogfeen
8—10 Vm
108
18
10-12 ,
63
10
12—2 Nm
84
13
2-4 ,
74
11
4-6 ,
97
17
6-8 ,
93
17
8—10 ,
44
7
10-12 ,
34
7
„Ich will nun nicht etwa j^af!:('u, datis alle die, die ihre Genitalien
zeigten, homosoxuell sind, auch behaupte ich dies nicht von allen
denen, die versucbten, die Genitalien anderer m sehen oder die
Erektionen zu erzeugen suchten. Aber ich glaube, sie haben alle die
Disposition zur Homoseiualitäti die nur noch Zeit und günstige Ge-
legenheit beansprucht."
Über die Verbreitung der Homosexualität in den veiscbiedenen
Ländern tejlt mir Herr X. noch folgendes mit:
,8oTi«l ich beobachtet habe, ist keine Nation ohne h<»noMmelle
Mianer. loh bin wihrmd der letsten 7 Jahre viel gweiet nud habe
Gelegenheit gehabt, dies an beobachten. Ein Freund yon mir ist 8 Jahre
gereist nnd hat gleiahfaUs homoaexnelle Ittnner in aUm Lindenif die er
besnehte, gefiinden. Der adion erwähnte Y. ist 18 Jahre gereist» nnd er
hat alle 5 Erdteile gesehen; «r ist auoh anf sahlreidhen grossen nnd
Ueiiien Inseln des Oseans gewesen nnd hat flberail die Homosenalitftt
angetroffen. Bio Nationslittt der 27 MBanery mit denen ich Terkehrt
148
Stull d«r üniiiigo.
liabe, ist folgMide: 6 emd Dentnbe, 4 Phnuoiea» 4 Xnglinder, 4 ans
den y«reinigt0ii StMit«n TOn Nordanittika, 2 BuieB, 2 ItaUwer, 1
Sohwoiser, 1 öttemiober, 1 Belgier, 1 Spanier und 1 Kanadier. T. liat
die Nationalitit der ICinner, mit denen er geMhlechiüche Bwietrangen
hatte^ nieht au^eseidinet^ er hat gans einfadi das Land, in welchem er
verkehrte^ notiert; aber er enililt mir, daaa w fiat in jedem Fall mit
längebornen des Landes verkehrt habe, wo immer er gerade war. Seine
965 Fälle sind geographisch wie folgt verteilt: Italien 531, Deutschland
125, Vereinigte Staaten Ton Nordamerika 76, Österreich 50, Spanien 48,
Südamerika (Brasilien und Argentinien) 44, Schweiz 40, Schweden 22,
Australien 6, Algier 6, Frankreich 4, Indien 3, Ägypten 2, Belgien 2,
England 1, Malta 1, Kuba 1, China 1, Dänemark 1, bei oinor ScliiftTahrt
auf dem 0/ean 1. In Kussland, Nurwegen, Türkei, Porsien, Siam, Japans
Java, jNeu-Seeland, Korea, Sandwichinscln und Mexiko fand V. nicht«.
Er hat jedoch, seitdem er überhaupt homosexuell vorkohrt, meistens in
Nordamerika, Deutsehland und It^ilien gelebti während er in den anderen
Ländern verhältnismässig wenig war.
Haa darf sonst nioht alles ftr bare MOnie nebmeii, was die
HomosexuelleiL hierober sagen; es wohnt vielen die Neigung mne, die
Zahl sehr m flbertreihen; ich kenne Utninge, die fast von jedem
dritten, ja von Jedem zweiten Hanne sagen, dass er Urning sei und
die nngknhliohsten Dinge Aber Uehesrerhiltnisse der Lente ersihlen.
Allgemein bekannte Personen, besondeis Fanten, grosse Feldhenen,
Staatsmänner, werden hierbei mit Vorliebe ffir homoaeoraell erUflrt
Ebenso wie die Liebe des Hannes zom Weibe kein Privi-
leginm bestimmter Klassen ist, ebenso scheint deh die kontMre
Sexnalempfindong in allen St&nden, von den niedrigsten bis zu den
höchsten hioanf zu finden. Nach dem Eindrnck, den ich gewonnen
habe, scheint mir die „bessere Gesellschaftsklasse" verhültms-
mftssig stärker beteiligt zu sein. Es kann dies nicht verwundern,
wenn wir bedenken, dass nervöse Veranlagung das günstipte Feld
für konträre Sexualempfindung bildet, und dass jene so oft in den
besser gestellten Kreisen gefunden wird. Jedenfalls aber betont
Mantegäzza mit Recht, dass sicli die Urninge keineswegs aus-
schliesslich in der Hefe des Volkes finden, dass sie sich vielmehr auch
in Kreisen zeigen, die in Bezug auf Bildung, Reichtum und soziale
Stellung zu den ersten gerechnet werden. So finden sich zweifellos
unter dem Gebartsadel sehr viele Homosexuelle. Auf diesen üm-
■ Beruf der üniiit.
149
stand wurde auch in dnem Artikel einer amerikanifloheii mmlizuiisoliea
Zeitung^) hingewiesen, und zwar im Anschlnss an einen bekannten
Fall, wo ein deutscher adeZigm Major sich das Leben nahm, als der
Verdacht anftanohte, dass er mit seinen Zöglingen homosexoell ver-
kehrt habe.
Die mir bekannten Homosemellen Terteilen sieh aof saUieiobe
Bernfsaiten. Ich kenne Urninge nnter Juristen, Hedisinem, Theo-
logen, Philologen, Eanflenten, OfSBxieien, Staatsmännern, Sdhriftstellem,
Sehansinelem, EOnstlem, Hsndwerkem, Oirtnem, Arbitern n. s. w.
Es giebt einsebie BesohlftignngsarCen, in denen sieh eme Terhlltnis-
mSsaig grössere Zahl fon Homosexnellen findet^ als in anderen, ob-
wohl genauere statistische Bereohnnngen snoh hier nieht mi^gHoh sind.
Die Bemftarten, die ich meine, sfaid: Schauspieler, Schriftsteller,
EUnsUer, Kunstgärtner, Tapeziere, Dekorateure, Köche, Friseure,
Damenschneider und Damenkomiker. Es scheint, dass sich viele
Urninge ihrer weiblichen Natur zufolge überhaupt zu Beschäftigungen
hingezogen fflhlen, die mehr dem weiblichen Charakter entsprechen.
Hierzu gehört entschieden die Befaliiguug zu hübschen Arrangements,
zur Verfertigung von Dekorationen, Damentoiletteu etc. Dass Homo-
sexuelle gern als Dam( iikumiker sowohl öffentlich als in privaten
Gesellschaften auftreten, ist leicht erklarlicli; ihre Fistelstimme sowie
die F ähigkeit, weibliche Bewehrungen mit Eleganz auszuführen, kommt
ihnen bei diesem Berufe zu statten.
Von spiritistischen Medien giebt Ed. v. Hart mann*) an, dass
sie mitunter sexuelle Perversionen haben. Mir wird privatim der
Name eines solchen Mediums genannt, das vor einigen Jahren viel
Aufsehen erregte, und das an konträrer Sexualempfindung litt^
Der homosexoelle Herr, anf den ich mich eben bezog, teilt mir
betreffend den Beruf der ününge noch lAlgendes mit:
.Kein Bernf ist ansgmommen; in meiner liste von 27 Männern,
mit dfo«! ich sezndl Terkehrte, smd 5 Ante, 4 üniyendtftts- und
Oynuiasiallehrtr, S Juisten, 3 Mnsiker, 8 Kanfleate; 2 smd Fabrik*
besiteer, 2 Bantieni; je eiiMr ist EflnsUer, Bankior, Bianer, Ueehaniker,
- ) MiAical and Surgif al Rcj}orttr, l«f Noreviber 1890. S. 510. Naoh einem
Boferat in deu Ari hires rfr Neurologie, Paris lSf/1, Vol. XXIf. Nr, 6ö,
Nachtni|;e zur i'ktuiumenologie des UnbewussttiU. ä. 478.
In ehMm Briefe, dmr aieh auf dioss Petton bezog, und der mir flrawid»
liditt rar Verfttgung gestellt wurde, ist dia Sache allerdings so dargestellt, alt
ob es sich bei ihr um einen soniatisrhen Hermaphroditea liniKlelto Andererseits
int mir eiu Herr bokauiit, dem jenen Medium ziemlich deutliche Autr&ge machte,
die aber von dem heterosexuellen Ilerru zurQckgewieseu wurden.
150
Beruf der ürninge.
StaatsmaDD. Meine eigenen Neigungen und mein fiernf haben nudi nnr
iiiii oiner begrenzten Zahl von Kreisen zusammengebracht, aber ich habe
trotzdem Vertreter der Homosexnalit&t in fast allen Lebensbemfen gesehen.
Ich kenne z. B. 5 Geistliche, 2 davon sind Pi-otestanten, 2 sind römisch-
katholisch und einer griechisch-katholisch. Musiker, besonders Opem-
silnger, sind zahlreich unter den Homosexuellen, die ich kennen gelernt
habe. Freunde von mir kannten auch Polizeibeamte. Es würde schwierig
Rein, 711 sa^en, welcher "Beruf die grösste Zahl bat. Wenn ich aber eine
Mitteilung über meine eigenen Beobachtungen maciien darf, so glaube
ich, tri^ man die meisten unter Ärzten und Operns&ngern an."
W«im 68 aofili gewine BeMbAftigimgeaiteii giebt, denea eioh die
HomoeemeUen mit Vorliebe mweaden, eo daxf danns moht etwa ge-
eehloeaen weideD, dasa man brä Hitgfiedem dieeer BernWasaeii mit
gteeeer WahncheinliQlüceit anf kontilie Seznalempfindimg soiilieesen
kann. Wenn wir annehmen, daea nob nnter 100 ümingen 10 be-
finden, die Demeneebndder eind, nnd daas anf 500 Einwobner ein
Damenadmeider kommt» ao wiid bei der gieeeen Zahl der Damen-
schneider die Zahl der üninge nnter ihnen miflektreten, nnd ea iat
ein fOr den Laien wesentlicher Prozentsatz unter den Damenschneidern
liicht vorhanden. Nur ein Beruf scheint mir verdächtig, und ich
glaube, dixs'S eine sehr grosse Zahl von (iessen MUgliedcrn sexuell
konträr veraul^t ist, nftmlich die Bamenkomiker ; die Männer, die
mit Vorliebe in Damenrollen ^) auftreten und hierbei j^erade durch
ihre Alt- oder Sopranbüiimie grossen Beifall erringen, haben sehr oft
konträre Seiualempfindung.
Was die Urninge nnter den Soldaten anbetrifft, so glaubte
ein Urning mir die Mitt^jilung machen zu l^Onnen, dass sie zum
Waffendienst selten Nei^nnp: haben, dass sie daher, wenn sie Berufs-
soldaten sind, sich mehr zu theoretischen Leistungen hingezogen
fahlen. Doch wurde diese Angabe ?on anderer Seite bestritten. Er-
wähnt sei flbrigens, dass mehrere grosse Feldherren, Jnlina CAaar,
Karl XIL, Tilly, Prinz Engen, Friedrich der Oroaae n. e. w.
') Dus ttbrigena VnmuNäkm. tauk dmdi nonoal fOUende heUawMnieilA
MSnner sehr oft und mit Erfolg gespielt werden, bedarf nicht der Erwihnang.
Es kann vor nichts bei dorartig^en Fragen so sehr gewarnt worden, wie vor
unberechtigter Verallgemeinerang. Vgl. übrigens zu dieser Fragu Ooethes
AnlHti: „Franennilflai anf dem RSnbolMii Tbaator dondi Mlniiw geepielt**
Goathe tagt hier: „. . . Der Jfinglüiff hat die SigedieiUB dM mibtiohen Ga»
Rchleehts in ihrem Wesen und Betragen studiert; er kennt sie nnd bringt, sie als
Künstler wieder hervor; er spielt nicht sieh seikiat, aoodeni ehie dritte und
eigentlich fremde Natur . . ."
Utor dar UftUagvi
151
b6Miiid«i8 bai Urmagwii im Bnf d«r Hiimerliebe stehea. Doch konnte
ioh bd emigen dowlben, bmonden bei Tillj, aoieer den dtrauf
beifigUchen Traditionen in UzningsbeiBen keinen Änhaltepiin]i:t ge-
winnen. Den ümetend, dase Tilly leden Verkehr mit dem Weibe
mied, als Beweia daftar wa betrachten, daea er der Miniierliebe huldigte»
iat fUaoh.*)
fotereseant irixo ea aneh, genau den Froaentaata der Juden
nnter den HomoaexoeUen in ifiasea. Sicher ist, daaa es eine An-
laU jodischer Urninge giebt; mii sind Terschiedene davon bekannt
Doch soll nach Mitteilung eines auf diesem Gebiete erfahrenen Herrn
die Zahl dtr Juden unter den Urningen im Vergleicli mit dem
Pro/^entsatz in der BevOlkerang eher kleiner als grosser sein, was sich
aber mit Qocks*) und Herrn N. N.'s Erfahrungen nicht deckt; mir
scheinen die Jaden mindestens in dem ihnen zokommenden Yerhältnis
beteiligt zu sein.
Über das Alter der Urninge kann ich folgendes angeben: der
ftlteste der mir bekannten ist 75 Jahre alt. Andererseits ergiebt sich
aus Fragen, die ich an die erwachsenen Urninge richtete, dass sie oft
bereits im Alter von 10 und 12 Jahren, ja noch früher den perversen
Trieb empfanden. Ich kenne sogar einen Fall, wo bis ins dritte
Lebenqahr das Entstehen der krankhaften Aflfektion rerfolgt werden
kann, d. h. wo bereits zu dieser Zeit eine auffällige Zuneigung zu Männern
bestand. F^ kann demnach nicht benreifelt werden, dass sich auch
unter der jetiigen mfanlicihen fievOlkernng» die weniger ala 16 Jahre
alt iati WOB greeae AnaaU üxninge befinden. Hierin kommt» dasa
der krankhafte Oeschleohtatiieb mitunter leiliger hervorbricht als
- ) Wie ein A«t ms dem Ende des vorigen .TahrhundftrtÄ, M. A. Weikard
(Der philosophische Arzt, 1. Band, Frankfurt a. M. 1798, S. 3«Ö), mitteilt, hnt der
Marquis de bauta-Crux im Aufaog aeiaei» Buulieis über die Kriegäkonst ver-
langt, eine meiitbdiiliohe Kigenioluift ebes fcroBsen Oenetato ad «b, daas er
Onans Kunststück verstehen mttsseü „Hierdurch, sagt er, werden bei einer Annee
und ttborbanpt in einer Knep-s'^tadt nll? Plfiudcrcion und Indiskretion der Weiber
Terhütet, weichü Ii y:(Mie ini^^ln ii ihimii udigen, dass! alles verloren geht."
^) Gock war es aui^elaiien, dasa a^ine zwei fälle von kontiäror Sexual-
cmpitndnng (ein minnlmlMW mid «Jb waibliehM IndiTidnnm) biaalitaii wanii,
und tr glaubte, dies auf den orientalischen Ursprung zurilcknihren zu mttssen.
Die neuere Kasuistik hat diese Annahme bereits als irrig bewiesen. In Deutj^ch-
land sind übrigeas nach Herrn N. N s Eifahmngen wolil keine weseMtlichen
Differenzen in dem prozentualischeu Verhältuiä der Uraingo unter Judeu und
Chiitleii vorhaadan, wie fibailiaiipt oadi Miner Anaidit üminge aicb in allen
KlanQD gleichmässig Hndea, ohne das« eine vor der anderen herfoiirite.
Ein anderer Gevrfihrsniann betont mir <:e«:onOber entschieden die Hinfigkeit der
Efunosoxualität unter dem Qdburtsadei und den Jaden.
152
Smutiiolw BlfwatflinUfthkiittwi ■
68 beim Donnakn der Fall ist. Anderoneiii aber ist zu berfiek-
sichtigeii, daSB manche homosexaeUe Keigimg von mftnnlicheii Personen,
bfisondeis Yor der Zeit der Fabertftt, nieht auf spätere Homo-
aenulütt himraiat, aondeni auf das Stadiom der ündüEnransieit-
heit des GesdhlechtstriebeB loraekgefilhrt werden mnss. Ob der
krankhafte Oesdileditstdeb in einem finheien Alter erüselit als der
normale^ Termag ieli nieht ansogeben. Von einem 68jlhxigen hemo-
senellen Herrn weiss ieb, dass er beute seinen Trieb etwas seltener
befriedigt; er halte ftoher dmefasofanittljoh in der Woehe iweimal,
jetzt nor einmal mit einem mflmüiehen Indiiidanm Umgang. Dass
sneh soist Leute nodh im höheren Alter ihren perreisen Trieb haben
nnd befriedigen, weiss ieh ans sicheren QaeUeo, wenn ich sneh die
Leute persönlich nicht kenne. Ein Tor einiger Zeit fersteibeoer
Herr von 82 Jahren, der in diesem Alter ebenso wie früher seine
HomosexualiUlt hatti', wurde, entsprechend dem Brauche der Üminge,
sich und die Leidensgefährten weiblich zu benennen, allgemein als
die Qrossmama bezeichnet
Die konträre Sexnalempiindung des Mannes besteht darin, dass
(las psychische und besonders das sexuelle Empündeu konträr ist,
während der Körper anatomisch normal ist. Dennoch untersuchte
man auch, ob nicht am Körper winiofstens gewisse Veränderuiit,'en
sich zeigten, die man als zusammenhängend mit der konträren Öexual-
emptindung ansehen musste.
Mitunter soll das MembrwH virile Abweichungen darbieten. In
einigen Fällen soll der Penis aufifallend klein sein, etwa wie sonst bei
einem kleinen Kinde; in anderen Fällen wird angegeben, dass er sehr
lang sei Ein Urning, den Kraff t-Ebing^) genaner beschreibt, giebt
SB, dass sein Penis von jeher auffallend gross war, und dass er in
erigiertem Zustande 24 em lang sei, 11 em im Umfang habe. Doeh
findet sieh bei den meisten entsehieden keine Abweiehnng. Ebenso
irigen die Hoden keinerlei Yerinderang, wenigstens nidit in dem
Siime^ dan man sie dnrdi eme gewObnUohe ünteranehnng konstatieren
konnte. Bei ebem IUI von Westphal waren die Hoden nur Ton
missigem Umfuig und Hessen sieh leieht in den Ldstenkansl hinanf-
schieben; doeh Icsnn hier kanm Ton einem engeren Znsammenhange
') II. V. Krafft-I^b ! n jt: !\<ychoptUhüt >ie.ruah's. mit bestjiideror BeHkk-
si( hti^'^un^ der kouträren äexualcmpfin(!ung. Eioe kliuifluh-foreiudache Studie,
9. Auilage. Stuttgart 1894. BeobitöbtuQg 109. S. 255.
158
iwiaeluMi dieser Abnoimitlt und der kontrtoen Semalempfindiiiig ge*
eproehen werden*
Die Brektionen der Urninge eind im ülgemflinen gut nnd
kililig; das Glied hat in erigiertem Znetande dieselbe Bioktong wie
Mn normalen Manne. Dass in nUen, wo viel Onanie getrieben
weiden ist, mitonter Vsagel an Erektion eintritt» ist ebenso selbst-
TeistSndlidi, wie bd dm beterosetnelten Hinnern, die dem Weibe
gegenUbsr kerne genügende Brektion seigen. Ein Arit, der Krafft-
Ebing sfluie ansiBbriiebe Ersakengesohiehte berichtet hat, erkl&it»
dass er mit mindestens 600 Urningen gescUedhtUeh veikehrt, aber
eine abnorme BOdang der Genitalifln bd ihnen nie konstatiert habe.
Die Haare an den Genitalien sind, wie mir scheint, gewöhnlich
gut entwickelt. Hingegen haben einige Urninge am Körper nur
wenig Haare, selbst \veuü sie eiiicn ausgebildeten Bart haben. Man
Kirht ge legen tiicii auch solche, bei denen der Bart auffällig wenig
entwickelt ist Mir ist ein Urning bekannt, der, obschon er bereits
Ifitte der 20 er Jahre steht, fast gar keinen Bart hat, und in dessen
i'auiilie, tibwohl sich in ihr kontrtlre Sexualempfindung nicht zu linden
scheint, allgemein nur schwacher Bartwuchs vorkommt.
Mitnnt^r wird angegeben, dass sich bei Urningen eine Mamma-
entwickelung zeige, und ein Urning aus Krafft-Ebin gs ') Beob-
achtuugsmaterial giebt an, dass er vom 13. bis 15. Jahre Milch in
seinen Brüsten gehabt habe, die ihm ein Freund aussog. Ich habe
bei einigen Urningen eine auffallende Fettansammlung an den den
BrQsten entspreohenden Stellen gefunden, die wohl euie gewisse weib-
liche Bundung annehmen kann, habe aber eine typische Mamma-
entwioklnng nioht beobaohtei Einige Urninge aoohnen dnroh
weiblich-Ueinen Fuss ans.
Über die ^lysiseheii Zeiehen schreibt mir ^ homeaeneller ge-
bildeter Heu:
»Was die pliysisehen GharaktsrB betrifik, io kann tdi keinen Unter-
schied in der kOrperliehen Bntwickelnng der HoDUMenaellen bemerken.
hk habe besondere Anflneriaamkeit auf die Form der Hfiiten verwcadet,
v<m weldiSD ja einige Sdaiftstdlar behaiqitea, dass sie sich mehr der
weiblichen als der mSnnlicben Fonn nähern. Ich habe viele Beobachtongen
gemacht, besonders in Badem, sowohl an Homosexnellen als auch an
normalen Männern, aber ich kann dies^ angenommenen Untersohied in
der HäAbüdnng nicht konstatioren. Ich mmi indessen rageben, daea
diMe Frage doch nnr durch ganz genaue Messung vieler Mftnner beidw
Gnq>pen entiohieden werden kann.
154
Pvydiuoha EgantBmtinhtarfteii.
«Der Penis und die Hoden seheinen nicht verschieden m sein. Ich
kenne Yenchiedene HomosomeUe mit einem sehr grossen Penis, einen
andern mit einem sehr kleinen. Ich habe einen Homosexuellen gesehen,
der nur einen Testikel hatte, bei einem anderen waren die Tfsfikel kaum
zu bemerken, so klein waren sie, etwa wie bei kleinen Kindern. Aber
diese Deformitäten findet man bei normalen Männern ebenso wie unter
Homosexuellen.*
Wir haben geseheii, daas der lieteroBmielle GeseUedititrieb ein
Bekundftrer GeeoUeohtaehaiakter und das« feraei m den seknndlrBn
•
Getcfaleehteoharakteren sablieiehe ki^iperficlie EigenBehaften (Bai^
Kehlkopf, Beeken, Brost jl b. w.) gehttieiL Die Eifidming leigt non,
dass, wenn ein aekondirer Oesefaleohtsobankter kontrir entwickelt
ist, oft genug an^ andere die Neigung haben, deh kontrir so ent-
wiekelo. Natflrlioh ist nicht etwa die kontrSre Eatwiekelang eines
seknnd&ren Geschlechtscharakters, z. B. des Kehlkopfes, die Eolge
der konträren Entwickeluug tiüts andern, z. B. des Bartes; viehnehr
geht die konträre Entwickelong mehrerer sekundärer Geschlechta-
charaktere ans derselben angeborenen Ursache, nämlich aus einer
abnormen Keimanlage hervor. Wir werden noch sehen, dass oft auch
die Homosexualität als solcher konträrer Geschlechtscharakter auf-
zufassen ist, und es wird uns daher nicht verwundern kOnnen, dass
verhältnismässig häufiger hier die konträre Entwicklung anderer
sekundärer Geschlechtscharaktere, auch körperlicher Natur, vorkommt,
als bei Heterosexuellen. So lassen sich wahischeiniich auch manche
Fälle erklären, wo bei Pseudo-Hermaphroditen homosexuelle Triebe
auftreten. In dem Abschnitt Uber Ätiologisches werde ich auf diese
F&Ue noch zu sprechen kommen. Wir weiden femer bei Beqpiedinng
der psjcfaisehen Eigenschaften der Homosexuellen finden, dass auch
^ manehmal weiblioh sind. Anoh hier glaube ioh, werden wir nicht
ohne weiteres annehmen dflrfen, dass dies nnn unmer eine Folge der
Eniehong ist; ^mehr spielen bereits angeborene kontitre Dis-
positionen eine wesentliche BoUe. Dass der Blnflnss der Eniehnng,
der Naohshmnng n. s. w. hinzakommt, ja vielleieht in einielnen Fallen
anssehliesdioh massgebend ist, soll damit nioht bestritten werden.
Unter den Neigungen der Urninge findet man nidit selten grosse
Vorliebe fttr Knost nnd Mosik nnd zwar sowohl m aktiver Bethfttignng
als anoh zu passivem Gennss. Aoch Ooffignon^ fthrt als etwas
') A. Coffignon: Paris rtrant : La Corruplinn u Paris (Le Demi Motide
~ I^es Suuieneurs — Im Polirr drs Miturs — iürv/.v.srrjV.s' df Fennue.^ — F^üles
galanUa — SeUtU-Laxare — Le VhanUige^ etc. eic.J — Ptti-ix. S. 330.
Effemüutio.
155
sehr hAnfiges bei den UiBiagen deren grosse Neigung zur Ma^ an.
KUnetlernataren beobachtet man ftberbaopt sehr oft unter den
Homoaeznellen; beeonders das SohauspielertBlent ist bei dnigen staik
entwickelt Woher dies kommt* ist aweifelhaft; vielleieht darf man
die gieese Lflge, mit der die ününge dnreh das Leben ziehen, als
die UKBaehe hierron betraehten. Ausserdem aber sohdnt es mir, dass
die Miigfceit, sich in andere Situationen hindnsndenken und sie
meisterhaft dnTobzafUiren, sowie die Neignog hiersn ebenso einer
abnoimen Anlage des Zentialnervensystems entspricht» wie die kontrlre
Sezaalempündong, sodass beide Erseheimmgen gewisseimassen ans
defseiben QaeDe herrorgehen.*)
Aneh in Dichtnngen leisten Urninge mitunter Hervorrugendes;
besonders allerdings in Liebesgedichten, die sie an Männer richten.
Sie fühlen hierzu oft uinen ebenso mächtigen Drang, wie der weib-
liebende Jüngling zum Besingen seiner Qeliebten.
Mau glaube nicht, dass die Homosexuellen nur einer Lervar-
ragenden ThStigkeit ihrer Phantasie fUhig sind. Es giebt vielmehr
zweifellos Fälle, wo UrniTige Wis se u schalt 1 i ch e s leisten, obwohl
mir nicht viele Beobachtungen nach dieser Ivichtimg hin bekannt
sind. Doch wird es gut sein, hitr an Muret zu erinnern.
Die von Ulrichs betonte strenge Religiosität vieler Urninge,
die besonders, wenn sie älter werden, mehr zum Durchbrach kommen
soll, weil sie bei ihrem verfehlten Leben die Neigung haben, sich an
etwas anznUammem, fand loh nur in dnem Ueinen Teil der Falle.
ÜB kommt vor, dass das ganze Anffareten, die Bewegungen, der
Charaktef nnd die Eleidmig, wenn daa sezaeUe Empfinden konträr
ist, gelndert werden nnd einen weiblichen Qmndzog erhalten; man
spnoht dann wm einer ^emmoHa, Schon Bamdohr meinte, dass
eine Fenon, die man nach den äusseren Kennzeichen zu den Fraoens-
penonen zählt, oft mehr minwliche Anlage habe, als diejenigen, die
man gewöhnlich za den Ittnnera rechnet nnd nmgekehrt Der Fall
- ) Vgl. zu dieser Frage: C. Lombroso: Genie und Irrsinn in ihren Be- ^
xiehnDgeti znm Gesetz, zur Kritik und zur Qeschichto. Nach der vioiteu Auf-
lage des itaUonischen Originaltextes übersetzt von A. Courtb, Leipzig. In
der Sinltiluig wiid «oeh ein Teil der «watigen eiBBehttgigea litteimtnr, s. B.
die AibeftoB wem. Hftgen, Jftrgen Bona Meyer, Morean efwähni Sdbst-
Yerstfindllch wird man auch bei Anerkennung der obigen Auffaasnng nicht den
weitgehenden Schlnss machen dttrfen, dass das Qenie oder die kttnstleriaclia
Anlage selbst eine Nenrose oder Psychose darstellt.
166
des Grafen Cujus, den Casper beobachtete und beschrieb, war
dadurch besonders interessant, dass Casper selbst das weibische
Wesen des der Fftdeiasiie Angeklagten anffiel. Auch Tardieu hat bei
der duuakterisieroDg d«r P&denttten auf ihr weibisches Verhalten
hingewkaen. Die Neigung, sich TollstiUidig als Weib ni fohlen, soll
in einem von Hammond^) berichteten Fall so weit gegangen sein,
dass der Patient öfter daran dachte, sich seine Genitalien abzuschneideo.
Naoh den Erüiliningen der F^ebologie und Physiologie kann es
nicht Tenrandern, da» sieh neben den abnoimen aeEoeUsn Empfinden
anch weibliehe liigenwdiAaen seigen. Longe t sagt mit Beobt, dass
in demselben Masse, wie sieh nene Oigane entwiokeln nnd neae
Fonktionen emstellen, aneh nene Ideen anftrotsn. Wir können es
daraaoh begreifen, wie im Ansehlnss an die geseUechfliehe Neigung
in Mianem bei ITmtngen sieh gewisse Ideen seigen, die sonst beim
Weibe die Neigung zom Mann beizeiten: Pntssnchti Eoketteiia Doeh
ist schon darauf hingewiesen, dass alle diese ErseheiDuugeu aneh ans
da gleichen kontriren Anlage hervorgehen kOonen.
Es ist aber gut, schon hier daran zu erinnern^ dass sich
die Effeminatiüii keineswegs bei allen Urningen zeigt. Mag
man auch diese oderjeneAndeutung bei einer grossen
Zahl von ihnen finden, so kann doch nicht geleut^net
werden, dass ein sehr grosser Prozentsatz, ja, wie ich
glaube, der überwiegende Teil von ihnen, ausgesprochene
Ef f t m i Ii atio n nicht darbietet
Andererseits kann sich schon in der Kindheit die Neigung zum
weibliohen Auftreten seigen. £in Beispiel soll dies demoostiiereD.
5. Fall X, jelst 28 Jahre alt» hat m«iiiab etwas Ar das Wnb
«mpfiinden. Als Uemes Kind liebte er es, mit Pappen tn spielen, in
Ifldchenkletdeni henmnngehen, l^yadarbdten tn roaohen. Aneh heate
noch wOrde er sieh am liebsten, statt seinem Oeaehaft naohsngebeii, mit
Kochen, Sticken u. s. w. befassen; er würde gern in Damenklttdeni herom-
laolen; X. hat keinen Bart und verabscheut es, einen solchen zu tragen,
und zwar so sehr, dass er sich nur eineo Barbier nimmt, der auch das
letzte Hfirohen wegrasiert^ X, kaon ganz deutlich mit Fistelstimme
sprechen. Ich bat ihn um eine kleine Probe, bei der ich ein durchaus
wfiblicb scheinendes Organ fand. Er gebt sehr oft als Damenkomiker
in Fhvat|;esellsGhaflen und erntet hierbei reichlichen BeifalL X. ist im
') William A. nammond: Sexuelle Impotouz beim mänolicben und weib-
lichen Geacblecbt. Deatache Aoagabe von Leo Salin ger. 2. ikofl. Berlin 18^1.
S. 8».
Effeiniaatio.
157
ftbrigMt eine unsympaihimdid, xiemlich verlogene PenÖnlkiikeit; er ist fast
ein Tjpns Dir die 8ohleelit«ii Eigensohaften, die man bei den Homo-
sexuellen oft antrifft
In der IVunHie des X. sollen N^enkrankheiten nioht TOigekommen
sdn. fiinige seiner Verwandten sollen als Weiberhelden in ihren Kreisen
bekannt sein und viel gesefaleditliohen Verkehr mit Weibern ansttben.
Indessen bemerke ich, dass die Informationen ftber die Familie nidit zu-
verlftssig genug nnd.
X. hat schon vom 10. Jahre an Onanie getrieben und hat nach seiner
Angabe, 12 Jahre alt, bereits starken Samenerguss gehabt Die ersten
Neigungen zu Milnnern hat er in der Schule beobachtet, wo er von einem
Lehrer mit auffallender Freundlichkeit behandelt wurde. Anfangs wusste
sich X. diese Freundschaft nicht zu erklären, bald aber empfand er selbst
eine auffallen do Leidenschaft für den Lehrer. Angeblich hat sich X. spUtcr,
Ah OT die Schn%^ vorlassen hatte, mit jenem Lehrer ausgosprochen, und
hierbei soll sich herausgestellt haben, dass der Lehrer gleichfalls urnisch
veranlagt war, und ans den gegenseitigen Erklärungen soll sich ein ge-
schlechtlicher Verkehr entwickelt haben.
mriohs weist darauf hin, dam die üngebtuig, in der die üninge
anfsraohsen, sowie die sonale SteUmig, die man den Hemoeeinelleii
giebtt mSimlieheMameien ihnen oft kanstlieh anemehen. „Den Hann
spielen wir nnr,** erkllrt er,*) ,,wir sj^elen ihn, wie anf dem ISieater
Weiber ihn spielen.** TTininge bedanera es oft schon als Kinder, dass
sie von den HSdchenspielen ferngehalten werden nnd dass es ümen
nicht gestattet wird, sich an weiblidien Handarbeiten zu beteiligen.
& ist in der Tbat anflhllend, wie mlohtig sich bei manchen
Homosexnellen das weibische Benehmen seigt Wenn man berflck-
nchtigt, dass die Emehang derartiger Knaben meistens der anderer
gleich ist, so ist es wunderbar, mit welcher Starke trotzdem die
weibliche Natur bei ihnen schliesslich durchbricht. Es ist das um so
aoffaUender, als erstens die weibischen Urninge vielen Homosexuellen
unsympathisch sind, und sich zweitens die Urninge durch weibisches
Benehmen in den Augen normnlcr Menschen lächerlich machen; den-
noch gewöhuen sie es sich an, wie wenn ein innerer Theh sie dazu
drängte.
Der weibliche Qesichtstypos, die weiblichen Bewegungen der
Humosexuelien treten oft dann am dfMitlichsten hervor, vroini m;in sie
in Weiberkleidern sieht ; Männerkleider geben selbst einem weiblichen
Typns sehr leicht ein mAnnliohes Anssehen, infolge der in unserer
') Nnma Numantius: bieluaa. ÄDthropolcfpaobo Stoiüeiii ftber mtim-
ninalieh» Q«MhlMhtsU«be. Leipaig leci & 18.
158
EüiM BdiiHds. Brno ndÜB.
Sede eiogewaraeltea QedsnkenyerlimdiiDgeii. Hat man Gelegenheit,
sei es in WirkHohkeiti sei es anf Photographien, efforninierte üninge
in Weiberkleldem an sehen, so tftaaeht man sieh eefar Idefat nnd
gfatubt, statt eines Hannes ein Weib vor sieh zu haben. Toh weiss
Fälle, wo sehr eiüduene nnd gewiegte Kriminalbeamte sieh eine Zei^
laug täuschten.
Wie die Neigung, das Weibische anzunehmen und besonders
weibliche Toilette zu tragen, bei manchen dieser Leute vorwiegt,
zeigt eine von Taylor in Meäkal Jurisprudence 1873, 2. Band, an-
geführte Beohachtung, die ich Tarnowsky'j entnehme. Es handelt
sich hier um eine angebliche englische Schanspielerin Elise
Edwards, die als solche vielfach herumreiste, sich aber schliesslich,
als sie gestorben war, als ein Mann erwies. Dieser hatte Ton früher
Jugend an immer nur weibliches Wesen gezeigt, besonders war stets
die Neigung, weibliche Toiletten zu tragen, hervorgetreten. Seine
Geschlechtsteile waren dnrch einen Apparat so an den Körper be-
festigt, dass man sie nicht leicht erkennen konnte. Dies scheint auch
gelegentlich selbst heute noch vorzukommen, wie ich nach Andentangen
eines in diesen Dingen wohl erfahrenen Mannes annehmen mnss.
H. Frftnkel*) hat 1853 einen Mann Kamens SAsskind Blank
beschrieben unter dem Titel Rmo nuHUs; dieser hatte die Neigung,
sich, SD oft er konnte, als Weib zu TerUeideo. Infolge seiner
scfaftftigang mit weiblichen Arbeiten soU er zu einer gewissen weib-
lichen Eitelkeit gekommen sein; sorgfUtig wnsste er sieh Hflfben nnd
Brflste annostopfiBn xu s. w. Die aafinglidie Liebhabeni wurde
später dem Betreffenden m emem inneren Triebe; der Gang, die
Stimme, allei wurde alhnBhlich weiblieh; der Hann gab sieh den
weiblichen Vornamen IViederike n. s. w. Er war ausserdem, wie
festgestellt wurde, passiTer Paderast. Westphal glaubte, einen Teil
der Neigung des Patienten auf seinen Schwachsinn zurückfuhren zu
müssen ; insbesondere seine Neigung, sich einen weiblichen Namen
zu geben. Wahrscheinlich aber ist die ganze Entwickelung des
Falles anders gewesen: der Betreffende hatte von Anfang an eine
weibliche Veranlagung; seine Beschäftigung mit weiblichen Gegen-
ständen, seine Neigung, sich weiblich zu kleiden, entsprachen jener;
sie war so mächtig, dass er sich vielieioht auch ohne iSchwachsina
') B. Tarnowsky: Die krankhaften Erscbeinaogea des QeKchlechtssiimeii.
ESne fbreoiiMh-iiayoliiatrisdie Studie. Beriia 1886. S. 16.
- ) Medizinische Zeitung. hefSDsgegebcD von dem YeNa fftr HeilkinMb in
Pnnuafia 1858, 83. Bd. & m
Beispiele.
150
immer mehr to weiblichem Anfbeten hingezogen fühlte. Das Wort
Schwachsinn wird überhaupt mitunter in so weiten Grenzen Mge^
wendet, dass man den Fortfall von Hemmungen nach beliebiger
Richtung üur all zu leicht damit bezeichnet Dass dies aber ein Hiss-
braucli ist, darauf habe ich an anderer Stelle*) hingewiesen. In
Frankels Fall war die sexuelle Veranlagung konträr und stand im
engsten Zusammenhange mit des Mannes sonstigem Auftreten. West-
phal erlaubte auch, dass die Auffassung Fräntels, es habe sich durch
Beschäftigung mit weiblichen Ärbeitm ( rst der weibische Typus ent-
wickelt, auf Verwechslung von Ursache und Wirkung beruhe.
Der jetzt zu schildernde Fall aus Berlin ist mir persönlich be-
kannt Er spielt in neuerer Zeit
6, Fall Sm Berliner Üninff X., der neh Tollstibidig als Weib ffihlt
und nur imt Uämiani sexnell Terkehrtu katm, liebt es^ in weiblioiher
Kleidnng za geben, leh habe ihn einmal in Begleitung eines Kriminal-
beemten genan in einem gesQhlossenen Lokale beobachtet Er war hier-
bei in weiblieher Kleidung. Gans evstaunt war ieh, als loh ihn naeh
eiaigen Tagen ebenso wie spftter in der Friedriohstrasse gleichfalls als
Weib gekleidet sah. Ähnliche Beobachtungen konnte ioh öfter miicben.
(Die Polizei hat ein Interesse daran, derartige Dinge zu unterdrückon,
da sie besonders bei Diebstählen sehr leicht durch Männer, die in Weiber-
kostüm gekleidet sind, auf eine falsche F&hrte geleitet wird. Die Lento
worden deswegen oft. wegen groben Unfugs mit Haft bestraft; dennoch
vermögen alle Strafmandate die Leidenschaft mancher, in weiblicher
Kleidung zu gehen, nicht auszurotten.)
Der Betreffende fühlt sich nur in weiblicher Kleidung wohl; aber
noch mehr, er ist c^ezwungen, als Weib aufzutreten, um seiner gescblccht-
Uchen Begierde Uenüge zu thun. Was ihn nftmlicb, ebenso wie viele
andere, auszeichnet, ist der Umstand, dass er keinerlei Neigung zu anderen
Urningen hat. Er wird vielmelir nur durch vollstJindig männliche Per-
sonen') mit starkem Bartwuchs angezogen. Es besteht bei X. die
Neigung, mit diesen dadurch den Akt zu voUtühren, dass er deren
menibrum in os proprium immittit, eodemque temjtore alicui parti
corporis aUerka tnembrtm suum applieat. Da er nun unter normalen
Mftsnem schwer einen findet, der diesen Akt mit ihm aosfttbrt so nimmt
er SU einem Betrage seine Znfluohi Er sacht die Aofinerksamkeit von
Msaneni in erregen, die ihm gefallen ; diese werden dab« in den Glauben
▼ersetity dass jeno: weiblich GeUndete «n W«b sei Wenn Z. sich nnn
Albert Jfoll: Untersaohangen Aber die Zabido »exualü, 1. Band, S. Teil.
Bedin 1808. S. 791.
^ D. k solche, dh» seameQ nonnal yenmlagt sind.
160
dem anderen Menne genihcrt hat^ ao efcellt er ibm dar, daas emfm ttil-
garis mm i(mf€m tfok^Mmn offerf, gmmUm immissio memhri m 09.
Mmtibrum smm oceulii ea modo, ut «ufe er^dumem ftmoribus suis
dbiegai; das darftber gelegte Hemde, die BBnde n. «. w. TerToUstSiidig«!
den Betamg. BrOste ans Chmmii sind ein weiteres IGttel, den anderen
an ttniehen.
Es unterliegt übrigens keinem Zweifel, dass eine Keihe anderer
Leute gleichfalls in dieser Weise voi^ehen, um ihre Libicb zu be-
friedigen. Von gut unterrichteter Seite*) wird mir mitgeteilt, dass
ein Berliner Urning längere Zeit als Kellnerin thätig war, weil es
ihm mehr bebagte, ganz als Vs'vW) aufzutreten.
Ich will einen äusserst lehrreichen Fall, den LeoWachholz*)
anf Grund von Mitteilungen des Herrn Dr. T. v. Jakubowski be-
richtet, hier ;infnhren. Es handelt sich um einen Mann, der auf
Capri lebte. Er mochte etwa 30 Jahre zählen, hatte weder Voll- noch
Schnurrbart, rasierte sich fleissig und gebimohte Depilatorien. Seiiie
anfTallende JEQeidong bestand ans einer weiften Sunmlgacke, einem
hellgranea seidenen, nm den nackten Hals gewundenen Tuch, silbei^
schwanen, engen, nnr bis zu den Enieen reichenden Beinkleidern,
langen bnnten seidenen Strümpfen, endlioh «ns Halbsohnben von Atlas,
die mit nerlidien Schleifen und Pompons geecluailekt wann. Ansser-
dem trag er stets reich gestickte Bamenhemden. Nach Anslobt von
Jakubowski, sowie nacb der Ansicht yon Malern und Bildhaaern,
die glddneitig mit dem Betreffenden anf Capri lebten, entspraob dar
Körperbau, znmeiBt die Hfiftgegend nnd Eftsse, dem einer Fraaenspenon.
Bas Benehmen des Mannes, das kokette Betragen, wenn er anfttand
oder Fiats aabm, legten immer den^Gedanken nahe, man habe eine
hihshst elegante, yomehme Dame vor sieh. Denk- mid Bedeweise^
der Klang der Stimme entsprachen genau dem einer weibHchen
Person. Nach seinem Alter gefragt, stellte er rieh stets jünger, als
er wirklich war. Er geriet in merkliche Eifersucht, wenn man in
seiner Gegenwart die Schönheit der auf Capri weilenden Frauen pries.
Seine tägliche Beschäftigung bestand in Malen und Sticken, wiewohl
die Arbeiten Mangel an Aasdauer und an YoUendong verrieten. Es
Es ist mir von dieser Quölle auch der Name des Betreffenden genannt
worden. l>er Ucrr, der mir die bezügliche Mitteilung machte, ist der kooi>
peteniMte Kenner der Berliner fiomosexaeUan.
- ) Leo Waobbols: SSar Xasnistik der taxadlen Teiiinuigen. fMadreiaha
Butter fttr gerichtUche Medisin nnd SaniHHapoUaei. 48. Jah^gaagr. Nfinbeig
189S. 8. 488 ff.
Männer in Weiberkloidung.
161
stellte sich bald heraus, dass er homosexuell wnr. Eid MiUor er-
klärte, dass er zu dem Genannten — er nannte sich Camll y de M. F.
— in näherem Verhältnis stand. Er habe mit Camily Beischlaf ge-
pllof^en. uTiH er sei überzeugt, Camily, der allgemein als Uomo-donna
bezeichni 1 wurde, sei eine in Mannskleiduiig versteckte Dame. Trotz-
dem erklärte der Maler, er habe nie die Genitalien von Camily ge-
sehen oder betastet. Nach dorn vollzoctenen Koitus sei sein Glied
stets ganz mit schwer zu entfernen dtm l'ett bestrichen gewesen.
Bei einer üntersochung, die Jakubowski später aus ärztlichen
Gründen bei Camily Tomahm, stellte sich heraus, dass er keine weib-
lioben Braste hatte, dass er aber den hohen Atmungstyput der Frauen
besass. Eine dicke lederne Hülle hielt die Genitalien von Camily,
der natOrlioh ein Mann war, fest an den Leib gesohnaUt Camily
behauptete trotidem zunächst, er sei ein Weib.
Über seine Neigong ni weiblioher Kleidung und über sonstige
wnbliche BSgentfimlichkeiten schreibt mir ein üming v. a. folgendes:
,Ich fühle mich in weiblichen Kleidern so wohl und so glücklich,
so ganz a mon aise, wie sonst nie; ich wurtl-', könnte ich solche immer
tragen, auf Geschlechtsgenass völlig verrii l tüii. In Handarbeiten bin ich
ziemlich ungeschickt, pfeifen kann ich Mu lit; ich rauche Zigaretten, etwa
zwei täglich. Mein Gaiig ist inppelud, icb bin daran leicht zu erkennen ;
oft habe ich schon gehört: ,der geht wie ein Frauenzimmer*. Gehe ich
ttber mase Stallen, so bin ich stets gana nnwillkürlioh in Versuchung,
mir die KMdar hooh ni beben. Wie oft habe idi diese Bewegung der
Damen wdum gaos inatinktiT gemandit und mich «rat dann honigiarti
Der grOaata Oannaa iat es mir, als Dame in eleganter Teilette mit einem
hin»8ehen jnogen Maoae an tarnten, das iat fllr mioh Selif^t; als Herr
taine ich nie. GeadUeditlich war mir Imamnio menAri aUmm in
mum mmm daa liebste, es war mir eine nnbeaehreibliehe Wollnat;
inrnquam memdmifi äUerms saÜs profunde immitH paimnL"
Wir sahen im Vorhergehenden, dass sich viele üminge mit Vor-
liebe vollständig der weiblichen Kleidung bedienen; aber auch in Bezug
auf einzeln r Teile der Kleidung zeigt der Homosexuelle oft seinen
weibischen Charakter; so finden wir, dass mancher mit Vorliebe die
Haare gelockt trägt und sie auch sonst nach weiblicher Art ordnet
Er bemalt sich die Augenbrauen, liebt Sohmnckgegenstftnde, z. B. Arm-
binder; selbst Ohrringe tragen Männer mit kontrftrer Sexualempfindung,
wenn sie nnter einander sind. Nor selten lassen sie sich freilich das
Ohrläppchen durahsteoheD ; gewöhnlich werden die Ohrringe mit ledern
befestigt
Moll, Xonte. SwMliBrBttteatt. ||
162
Viele lieben ei, dekolletiert sa gehen; manobe tragen, Damen
ähnlioh, gern ein Taeohentiich in der Hand; aneb spielt der Ilfteher
eine groese Bolle; das Spielen nüt ihm gewfthrt ihnen einen eigen*
tfimUolien Beis. Ifanehe ToUettengegenst&nde, die dem Bliek entzogen
sind, wählt der Homosexaelle nach weibliohem Vorbild. So kenne
ich Urninge, die nur lange Damenstrümpfe tragen, und denen das
Tragen kurzer Socken geradezu peinlich ist Manche tragen Sohnhe,
die nicht nur hohe Absätze haben, sondern auch sonst in der Form
dem weiblichen Schuh ähneln.
Manche lieben es, ein Korsett anzuziehen und dieses zu schDliren,
um eine möglichst schmale Taille zu erhalten. \un einem weiss ioh,
dass er meistpji^; ein Zentimetermass bei sich hat, um anderen zu
zeigen, eine wie enge Taille er hat; sie beträgt, wenn i r sich schnürt.
54 cm. Einige schnüren sich hierbei so stark, dass schwere Ohn-
maohten beim Tansen auftreten. Ein Urning X. hängt sich, während
sein Koiaett gesohnttrt wird, stets anf, damit e^ möglichst eng sa-
aammengehe.
Wenn die Urninge zu einer Gesellschaft gehen, zu einem Ball
oder dergleichen, so lieben sie es, sich nach der Art der Weiber su
schminken nnd zu pndem. Ihre Qesohickliohkeit darin, sich jugend-
lich JCQ machen, ist in vielen Fällen ganz ungewöhnlich. Katftrlich
hestceiten sie, dass sie sich schminken nnd pndon, ebenso wie die
Damen dies in Abrede stellen, die an derartigen Toilettenktosten ihre
Zuflucht nehmen. Bin Urning, der mir seihst nhlrdche Mitteilungen
Uber das Leben der ürnmge madite, erklirte mir sogar, als ich ihm
meine Absicht, dieses Buch sn schreiben, mitteilte, dasa wohl nicht«
in diesem Buche die Urninge so sehr iigem könnte, wie wenn ich
erklärte, dass sie Toilettenkonate lieben. „Sagen Sie, dass die Homo-
sexuellen ?on schlechtem Charakter, dass rie zu Diebstählen und allen
möglichen schlechten Handlungen geneigt sind: nichts verletzt doch
ihre Eitelkeit so sehr wie die offene Mitteilung von Toilettenkünsten".
Es sei an dieser Stelle aufXenüphons GastmnhP) hiDt:^e wiesen,
wo Kallias deu Galten Wcfhloferüche bringen lassen will; iSokrates
tadelt dies als der Männer unwürdig.
Alle ihre weiblichen Gewohnheiten wissen die Urninge, wenn sie
Wullen, zu verltergen, so dass der ferner Stehende nichts davon merkt;
nur wenn au' sich g^heu lassen, zeigen sie das Weibische.
Wie man aus der folgenden Autobiographie ersehen wirl, sind
manche Urninge in Betreff ihrer Toilettenkünste etwas offener.
<) fl: EspttsL
IUI von Effemitifttio.
163
7. Fall. ffbAk hin Urning, 34 Jahre alt; in meiner Scbildemng
greife ich bis zu meiiier Qebort zorfiok. Ich bin als ein Kind der Liebe
aossereheiich geboren; von meinem Vater weiss ich nichts, meine Mntter
▼erheiratpfp sich kurz nach mpin<>r Greburt und gab mir einen zweiten
Vater durch Adoption nnd vor der Welt einen ehrlichen Namm. Ans
dieser Ehe bat meine Mutter noch mehrere Kinder: 2 Söhne, von denen
ich Genaueres nicht weiss und eine Tochter, die sich durch Geist, Energie
und Klugheit auszeichnet Als Kind schien es, als ob die Rollen /wischen
meiner Schwester und mir vertauscht seien: sie A\ar wild und luibändig
wie ein Knabe, ich war sanft und spielte gern iiut den Puppen meiner
Schwester; sie raufte sich mit Knaben, ich hinn-e;^^*^n suchte den V' erkehr
imt Alitdchen. Es war mir eine besondere Jc'reude, Mädchen mit lilomen
aus Wald und Feld zu schmücken. Alle Ifttdchen hatten mich gern, nur
meine Sdiwester beteiligte mk bei den gemeiiiBaiiiea Spielen TOn mir
und dem MUdien oidit. Zum Kwneral nnuBte meine Untter auf meine
jffittoii mich immer eis ein M»dchen TerUeiden; soweit ich mioh erinnere,
verging kein Jahr, wo ioh nidit als Mftddien TerUddet gewesen wire.
Ich selbst rasdhte mir die nötigen Baoiben and hatte auch flr Anfortigong
▼on PoppcnUeidetn schon im Alter Ton acht Jahren entschiedenes Tslent
Die damalige Ifode übcrlnig idi bis in die kleinsten Einselheiten anf
die Uiniatarkleider» was Idder bewandert waide. Eine grtssere StraH»
konnte aur niebt «rteüt werdai, eis daes man mir die Sachen wegnahm
ond verbrannte. Meine Matter that dies Öfter, ich wasste aber immer
wieder neues Material zu sammeln, nm daraus anstatt der Toriier ver^
nichteten ntne Sachen anzufertigen. Meine Schwester kfimmerte sich
nicht nm die Sachen, trotzdem hatten wir ans recht gem. Ich habe bei
ihr spftter keine Anlage zu konträrer Sexaalempfindung finden können,
seit 9 Jahren ist sie gl&cklich verheiratet. Es scheint die Liebe zwischen
ihrem Manne und ihr gegenseitig und sehr herzlich zu sein; sie hat aber
dfidnreh, dnss wir früher zusammenlebten und sie auch mchrcrn Freunde
von mir kenneu lernte, einen Einblick in meine Verirrungen resp die-
jenigen meiner Freunde gewonnen. Sie hat sich nie darüber ansgesprocliMn,
doch bin ich sicher, dass sie, wenn nicht alles, so doch vieles weiss.
Würde mir jemals ein Unglück passieren, so würde ich, davon bin ich
aberzeugt, in ihr eine Stütze finden, da ihr Urteil jedenfalls ein ent-
sohuldigendes, sicherlich kein verdammendoi, ist.
„In der Familie meiner Mutter kenne ich zwei weitläufige Ver-
wandt*^, die auch Umingsnatur haben. Der eine ist geistig sehr be-
schränkt; der andere, mit dem ich früher onanierte, vergiftete sich,
2i3 Jahre alt, wegen einer Kleinigkeit. Es scheint somit, dass die Ver-
erbimg vou mütterlicher tieite bebleht, dabei ist meine Matter seibbt
sehr gesund und rüstig.
„Ich komme wieder auf mich selbst zurück. Mit dem Schulbesuch
ir
164
lill TOD Effvnliiatio.
begann ffir mkii ein» bflie Zeit^ nicbt in dfiin Sinn«^ da» icib ftnl gnrmuk
w&re oder schlecht gelernt hätte; aber ich konnte nicht mit den IfitBehtUeni
qpielm und galt als hochmütig. Eine gewisse Eitelkeit sengte eioh in
meiner Kleidnag, und dies wurde von meiner Mutter noch nnterstützi,
die mich gern schOn und besser als andere kleidete. Dtita wurde ich
dann von den Mitsch&lern geprügelt tmd einmal' so geschlagen, dass ich
anf der Strasse Hegen blieb. Als ich 12 .Tahre alt war, fingen geschlecht*
liehe Gefiihle an, sich bei mir zu regen. Ich rachte Bücher r.n be-
kommen vf'i^ ,JVr Mensch und sein Geschlecht'*. Die Onanie kannte
ich noch nicht, und ich war schon theoretisch eingeweiht, als ich sie
praktisch versucht«- Ich su(-hte aber zwei gleichaltrige Madchen 7,nm
Koitus zu bewegen, was rnir auch gestattet wurde ; doch ist das wohl
alles Spielerei und nicht als Akt zu hetrachten, da es sich nur um Ouauaie
hierbei handelte. Ich besuchte damals einen alteren Mitschüler und fand
ihn auf seinem Zimmer onanierend vor: er genierte sich ß^ar nicht. Ich
versuchte es ihm nachzutliun, war aber so aufgeregt, da>s ich es nicht
bis zur Ejakulation brachte. An demselben Tage sah ich einen meiner
Lebrer, «ad wtbreiid des Uutoiriehia kam «s dadurch, dass ich ihn an*
sah (er W8r eon sebr sebAner Hann)« von selbst, ohne weiteres Zutbon,
zur Eskalation, wobei icb ein wonniges, ja bimmliobes GeAbl batte.
f J[oh onanierte in den ^dgenden Jabran Öfter, saebte aber doob
schon golegenttieb, 14 Jabxe alt» nacb einem FraaeDsimmer auf dar Strasse.
Kinmal üuid idi auch ein sokbes und ging mit ibr ins Treie. .Dort
worden 'wir gestOrt nnd icb mnssta nnveniobieiter Saobe nach Hanse
snrftcikkebien. lob l^gte micb schnell sn Bett, eine Erektion wsr gleich
wieder da, icb onanierte dsbei, mud hierbei batta der Samenargoss ein«
solch« Kraft, dass «r bis an die Decke des allerdings nicht sehr beben
Zimmers spriMe. In dem Gesoblft, in das ich dann kam, warmi viele
junge Leute, und ich snchte von ihren Gesprfichen möglichst viel sn
hören. Ein älterer Lehrling stand besonders im Bnf^ schon sebr viele
Erfolge bei Franensimmem su haben. Ihm begegnete icb eines Abmds,
er lud mich ein, mitzugehen auf die Suche nach einem Weibe. Wir
fanden zwei gemeine und hftsslichc Dirnen, doch mir war das egal, da
für mich ein Fraupnzimmer wie das andere war, ich machte keinen Unter-
schied, ob alt oder jung. Es kam in freiem Felde zum Akt.^) Das >var
ungefähr acht Tage vor Weihnachten, zu Weihnachten hatte ich eiticn
Tripper, der mich sehr ängstigte; aber ich schämte mich so, dass ich es
niemand anvertraute. Ich onanierte immer weiter und stellte mir dabei
nicht etwa nur einen Mann vor; ich stellte mir in meiner Phantasie
vielmehr lebhaft irgend ein Ehepaar der Nachbarschaft vor, wobei aller»
dings der Mauii die Hauptrolle spielte. Die Frau war mir immer neben«
M Ob hiorbei Phftnta8iovor^t^]^^^2r^Tl erforderiieh waicn, oder ob die Er-
regung dorch das Weib genügte, ist nicht klar.
Fall Toa Mflininatio.
165
rtcUicti, doch niiinta ne dabei aem. loh Übte dio Onaaie ungwAlhr tobl
18. hia 18. Jahre liglieh, und «war meiitena diedmal am Tage^ macgem,
mittaga and ahenda» je einmal ana; mitonier aaeh swelmal nnmittdhar
hinter einander. Die Paare lieaa loh aber in der Ffaantaaie weohaehi,
und immer war der Mann eo, «ie heute mem an^ge^roehtner Oeaohmaok
ist Ich bin wider Willen jelat von meinem Leiden abgMohwcift. Darob
die Onanie verschlimmerte sich mein Tripper, and ich vertraute mich
einnn Heilgehilfen, den ich kannte. Es gäbe nur, so meinte er, ein
Radikalmittel, Eopaivbalsam, davmr aoUte ich täglich dreimal nehmen.
Die Medizin schmeckte «iteetzlicb, ausserdem sollte ich noch einen Thea
trinken, den ich mir heimlich kochte. Der Tripper wurde aber immer
schlimmer, und schliessUch entdeckte ihn meine Mutter. Ich wurde ver-
dammt; aus dem Geschäft, wo man es r.n gleicher Zeit erfahren hatte,
Sühiükte mich nipine Mutter gleich /um Ar. t, der mir auch viele und
sehr verschiedene Medikamente veioiiinete. Doch lialf alles nichts, da
ich immer noch und zwar unt^r entsetzlichen Schmerzen onanierte. Ich
bekam zuletzt einen Katheter eingeführt, und der Arzt meinte, wenn
dies auch nichts helfe, müsse ich operiert werden. Nun bezwang ich
ei:iigtj Tage die Onanie, ich bökani nochmals etwas zum Einspritzen, und
es biihserte sich. Ich sah wie ein alter Mann aus, war mager und
gebeugt, obwohl ich erst 15 Jahre alt war; vorher war ich dick und
gesund geweaen. Ich erholte mich jedoch rasch and sah bald wieder
kiAftig aaa» da meine Motter mir dnieh sehr hxttftigea Eaaen die ver>
lorenen ErlAe aa «netaen sachte.
,In diesem Jahre veranstalteten einige Familien eine grössere Land«
partie mit Aofitthnmgen, za denen ich mich meldete, am als Dame mit>
anwirken. loh spielte in «inor Fteitomime mit» and daa Pabliknm, daa
midi mdit peratfnlioh kannte, war eotietat» daaa ein wirklichea Ifitdehen
dabei mitwirkte. Dia Ttaaobong war ao gross, daaa vialc Utamer, dio
lieber nioht kontfir empfinden, mich drftdkten, kfiaaten o. a. w., dooh
wonten gerade dieaci daas ich «n janger Mann war. Am meisten tiaaehte
mein weisser Naeken, ich war tief dekolletiert» and -nele Damen bitten
Uiaache gehabt, anf einen solchen Basen and Nai&en atok aa aein. loh
wosde in dieser Zeit im Ctohllte ta körperlichen Arbeiten rerwendet,
waa mir ein Greael war. Ich masste grosse StOsse Ton Bftchem in
grossen Kisten transportieren helfen, wobei ich mich so linkisch anstellte,
dass ich den Bpott der Kollegen herausforderte. Dann wurde ich meines
mdiereD Benehmena wegen gelegentlich schon zu kleinen Gesch&ftsreiaen
verwendet, doch nar ananahmeweise geachah dies. Ich hatte anch gana
gaten Erfolg.
«Dann kam ich durch einen Lieferanten meiner Matter, ala ich
20 Jahre alt war, nach S. Ich hatte die Vertretung ftir ein amerikanisches
Haiia, das in S. eine filiale hatte and Patsgegenstttnde lieferte. Ich war
166
glflcUidi, diese icilillaeii Sebben in babea und mdita mehr tob der ftAherea
BeidiBftigaiig im BoddiMidel m hüxm, W9m ich noch honte in dieeer
Branchei ich T«*ttnde den Artikel doch nicht; aber die neuen Sacfaen,
die branchte ich nidit eret zn leneni dac war mir angeboren, alt ioh
nach 8. kam. Hier nehmen nch anoh die neaen Kollegen meiner liebena-
wflrdig an. Besonders kam mir ein damals fOnfnnddreiiaigjahKigw Henr
entgegen, der aber kaum ftlter als ich selbst aussah ; so gut verstand er,
sich jünger zu machen. Als wir einmal die PronK^nride besuchten, sahen
wir viele schOne liftdchen, gleichzeitig aber auch einen einfachen Mann,
auf den ich meinen Kollegen mit den Worten aufmerksam machte;
, Schauen Sie, der Mann regt mich mehr auf als alle die Frauenzimmer.*
Mein Kollege machte ein langes Gesicht und sagte, ich sollte mich nicht
unterstehen, jemals wieder zu ihm oder zu anderen etwas derartiges zu
sagen, worauf ich ganz naiv erwiderte : ,Ja nicht jeder regt mich auf,
Sie zum Beispiel gar nicht * Daran t hu lt er sich einige Tage von mir
fem, es wurde nicht wieder über die Öache gesprochen. Nachher wandte
sich mein Kollege wieder mir zu, und wir verkehrten immer zusammen.
Ich föhlte mich sehr von ihm angezogen, aber nur als Freund; Liebe
küaiitc ich lür ihn nicht euipiiudeii. Einige Monule, nachdem wir innig
befreundet geworden, sagte er, dass ich ihm so vieles gesagt und an-
vertraut hätte, doch über Eines immer geschwiegen h&tte, ich solle mich
anaapreohen, «r wclla anchen, mir den Weg m i^|en. Idi sagte nur,
daas er wohl den Vorgang anf der Promenade meine, nnd sagte ihm
offen und ehtiidi, wie ich dachte nnd fttUte. Er Terdanunte die Saeike
und empiUil jniXt gar nickt dann an denken. — Diea war aein Bai
Abends tnftn wir an nnsem Tiaoke im Bectanzant einen Hann, mit
dem aich mein KoUoga bekannt machte, worauf er sich unter iigcnd einer
Anarede Tevabachiedete. Aber der alte Herr ging anck. Ick begegnete
bald beiden Arm in Arm, sie waren offenbar in i^liokseüger Stinunnqg.
Idi wollte nnn anck genieasen, da mir mit einein Male Uar geworden
war, daaa er ebenso wie ich seibat war. Ich sachte einen Hann, nnd nickt
lange dauert es, da ist ein schOner blonder Mann an meiner Seite. Er
fängt das G^pcftch mit den Worten an, dass er mich schon längst be-
obachtet und nur, weil mein VtwnA alles allein haben w<^te nnd pack
nicht loa Hesse, hätte es so lange gedauert, bis wir uns gefunden. Wir
waren rasch bekannt und fassten uns unter den Arm. Da stand plötzlich
wie aus dem Boden gewachsen mein Kollege, resp. Freund in. VW flber-
häutle den andern, den er schon gut kannte, mit Vorwürf» n, iscliloss mich
bei den Vorwürfen mit ein, und ich war wieder so klug wie vorher.
Ich h litte mich SO sehr anf die Aufkliirung und die Aussprache gefreut.
"Er machte mir alsdann wieder Vorwürte, wie ich mich dem ersten besten
preisgeben könnte, und wenn ich schon mal da^u kommen müsse, dann
soUe ich ihn lieben. Aber dies wai- mir nicht mdgUch, ich genierte mich
VUl fem JSffamiiwtio.
167
vor ilim, und auch heute noch ist «s mir flberhaapt nicht möglich, ge*
aohlechtlich mit jemand za verkehren, wenn ich es nicht am Tage der
Bekanntschaft oder am nächsten Ta>ge thue. Dann, leinte ich einen Freond
meines Rollegen kennen, und in %'iorzehn Tagen war ich vollständig au
rourant. Ich war aber glücklich dabei und dänkte mich den nonnal
f&hlenden Menschen gegenüber bevorzugt.
, Dabei feierten mich die neuen Freunde als schön; ich wollte noch
schöner sein und schminkte mich wie eine Kokette; ich war so un-
geniert, dass ich sogar geschminkt ins Geschäft ging, ilbinö dunklen
liaare puderte ich gelb, die Brauen macht© ich schwane u. s. w. Dami
kam ich nach der Sta^t M., lernte dort weniger auftallende Leute kennen,
die aber aus den besten Gesellschaftskreisen waren. Sie tadelten das
Schminken, uüd ich verminderte es etwas, Hess uuch schliesslich die
Toilettenmittel bis auf das Pudern. Ganz habe ich sie aber nicht lassen
können, and «ndi hente noch kommt ab und zu ein Tag, wo ioh es thun
mofls. Bf ist aigenarlig, wie dhdi rndne LaiiBe taderti soluJd idi ge-
flchminkt bin, midi nreeht gemadit habe und geputxt bin. Dann ist
jede Mhloohte Laune fort, aneb wenn iöh Torber noch so sebr beistimmt
war. Idi selbst liebe es gar nieht, wenn andere sieh so sehminken, nnd
b«{greife anoh, dass es anderen bei mir niobt gefallen kann, imd dodi
thne idi es dann nnd wann, «in«n innem Triebe gtborebend. In dieser
Bendinng mnss idi dem Urtdl des Herrn T. in Direm Werk wider-
spreohen.*) Ich habe niemals, weder tot nonnalen Ifibmem nodi vor
Leidwsgenossen ein Hdil darsna gemadit» dass idi ToÜBttenkflnste liebe;
im Gegenteil, idi habe es denen gesagt, die es vermnteten, dass ich nadi-
geholfen bitte. Trotadem hfttten es Uneingeweihte nicht bemerken kOnnen,
da ich es 80 ▼(»stiglich mache, dass man es ' nicht sehen kann. Jetst
habe lOb es wohl über ein Jahr unterlassen
aHeine Gefühle sind sonst diesdben geblieben. Ich liebe den Mann
seines Gesichts und Körpers wegen. Am meisten sagen mir dicke und
krüftige Männer zu. Ich liebe die mutuelle Onanie mit Aneinander-
scbmiegen, auch Jntrodrirf ionenf ntnnhri in os. Päderastie hat mich wenig,
eigentlich nie — bis aul einen Fall — gereizt, und dennoch habe ich
sie bei Freunden versucht, die die Päderastie liebten. Ich bekam bei
der Päderastie dreimal, und zwar stets boi ein und demselben Freunde,
zu ganz verschiedenen Zeiten dfin Tnpper; es dauerte immer zu lauge
bis zur Befriedigung, der Reiz wurde forciert und dies ist wohl die direkte
Ursache des Krankwerdens. ^) Dagegen lat die Päderastie lür mich ein
Ein Umiog Y. hatte, wie ich in der ersten Auflage dieses Baches mit-
teilte, ecUlrt, de» die üminge die ToüetCenMnste gewöhnlich Tcrbetgen und
deren Auweadong bestreiten.
- ) Hier betindet sich Patient wohl im Irrtimi; der Tripper nihrte w&hr-
Msheinlich eut weder von einer Infektion dax«h den von ihm per anum gebraocbten
andermal bei flncm Manne, den ich gegen Bezahlung öfter aufsuchte, von
besonderem Htn/e gewpspn ; ein Bekannter sagte mir, dass der Mann so
YOrzüglich die Päderasim ausüben Hesse. Ich bat diesen bei meinem
nächsten Besuch, sie probieren /.u dürfen, er verweigerte es, dies reizte
mich, ich bat ihn dringender, er gab nach, und der Reiz war kolossal.
Aber h».: sp iteren Wiederholungen hatte der Akt keinen Reiz mehr für
mich, und icli uiuüste wieder davon abstehen. L>er iietietiende, mit dem
ich die Pftderastie ausgeübt habe, ist Arbeiter; ich halte ihn für einen
oohteii Urning. Ich hatte zu angefiüur derselben 2^it eine Zotanmenkniift
adt «im Bountoa wabrvdet» äm aadi üning ist Tiotidem war er
sdhwear m bestunmeo, wa mir sn kommen. Br Teispndk es mir, ich aah
ihn MMih, er entiolraldigte aoh, er mitaae nooh etwas besorgen, er sei in
sehn Minuten wieder sorflok. leb wartete swei Standen lang in ein«r
entaetiliehen Eirsgang, er kam nidity und die Folge war, dass ich einen
Tripper bekam. Er aolnan awar mar sehwadi an sein, dodi sndbte ich
ttnen Ant anf. Die Krankheit nahm nicht an, wir sogar nach awei
Tagen Tersehwnnden ; dann kam sie aber in einiger Zeit wied«r, soUieaalidi
efknnkle ich noch an einer schweren Hodenentaflndnng, die mich mebrere
Monate «ns Bett fesselte nnd dasu awang, ins Krankenhaus ta gehen.
Erst nach ungefiUir 8 Wochen war alles geheilt. Es ist dies nun an«
gefthr anderthalb Jahre her. Wie schwer nnuste ich dodh bfissen f&r
nicht einmal Genossenes 1
«Vor etwa 12 Jahren lernte ich in A. bei einer mir befreundeten
Familie eine Witwe kennen, die dort zu Besuch war. Ein Verwandter der
Familie war mein Freund, mit dem ich schon intim verkehrt hatte. Er
sagte mir, die Frau sei ganz verliebt in mich, ich sollte sie etwas
pnssieren. Ich war sehr artig üu ihr und wurde ciu^^ciaden, sie zu be-
suchen. Ich that dies auch; hierbei kam es zum Gcn blechtsverkehr mit
der Frau. Sie war ganz glücklich mit mir und btgUil'-tö mich sogar
einige Tage anf einer Tour. Dabei war sie schon 35 Jahro alt und ich
erst zweiundz wanzig. Dies war ganz nett; aber doch hatte ich die
Männer lieber.
.Spater lernte ich einen Herrn kenneu, der in seinem Geschäft mehr-
facher MillionBr geworden war; er wollte sein Geschäft verka.nfen, nnd
aUe sagten, es ftr mich das Richtige, das Qesehlft m kanfbn, ich
sei der Mann daso. Man redete mir auch sehr snm Heiraten an, mit der
Begrflndong, es werde mir nicht schwer weiden, eine passende Partie an
machen. Ich sah mich nach «ner Fmn um nnd lernte eine Dame kennen;
Manne her. oder er war noch ven IMher her Torhenden und «zaoerbierte nur toh
neuem. Derartige Exacerbationen einer nicht geheilten QonorrbM shul sehr
hJUlfig, werden aber oft mit Unrecht für neue Erkrankungren gehalten.
Petieut nimmt auch hier fälschlich an, da&> er sich durch gesdüechtUche
Erregung, die ahdit hebiedigt wurde, den Tiipper geholt habe. Tgl. S. 167. Anm. 2.
Vdl von XSuniiiilui.
169
sie braehte mir so viel Vemögen, dass ich das Goschäft hätte über-
nehmen können, dook kam es nicht zn dem Geschäftskauf. Einige Jahre
sp&ter fing ich ein neues Geschäft an. Ich habe mich mit der Dame
verheiratet. Ich übte den Beischlaf mit ihr atis, und sehr pünktlich
wurde ein Kind geboren; ich glaube, dass ich in d«r Hochzeitsnacht das
Kind gezeugt habe. Das Kind ist allerliebst und gesund, ein reizender,
kleiner schöner Knabe, der bis jetzt nur die guten, ja die bp«t^n Eigen-
schaften der Eltern zeigt. Dieses Kmd macht mein ganzes Glück aus,
and meine Frau und ich sind wenigstens in dem einen Punkte einer
Meinung. Wir vertragen uns jetzt besser als früher, doch will ich nicht
verschweigen, dass sie eifersüchtig inl und mir schon vielen Ärger bereitet
hat. Ich stehe im Verdacht, mit allen möglichen Damen intim verkehrt
SU haben, selbst auf meine Mutter und Schwester ist sie grenzenlos eifer-
süchtig, und es ist mir dadaroh auch der Verkehr mit diesen erschwert.
Ca wire vidleifllit ymIss anders geworden, wemi ick in meiner Fnm daa
gefkinden lUltte^ was ieh von der Toebter einer guten VamiUe mit Yor«
aOgliclMr Eniehiing hltie erwarten dftrfen. Sie hatte lange Tor dar
Heirat dmeh Onanie ihre Jnngfenuehaft aeratSrt, nnd idh fimd bei ihr
nichts anderes als b« einem Sfientliohen Trancnsimmer. Es flbte der
Gedan^ eine Ünsidinld an bekommen, auf mioih «nen gronea Rna aus.
Wire dieser Beia nieht dnrdh die TMosdinng aerstSrt worden, dann wIre
▼ieDeioht aneh meine Leldensohafl m lUaneni Teimindert worden oder
ganz Tergangen. Jetst regt midi mitunter selbst der Gedanke an un-
selraldige Ifftdoben auf; den Akt mit aflbt> bii aehnjahrigen Hftdokiea
mir zu denken, kann Ejakulation anr Fdge haben, doch hofife ieh an
Gott, es wird niemals dazu kommen, dass mich diese Leidenschaft paokt;
ioh wollte lieber die Schande des Selbstmordes auf mich nehmen, als so
lom gemeinen Verbrecher herabsinken. QesQhlechÜiche £xregung ist mir
bei meiner Frau nur doroh «lle mOgliohen Vorapi^elmigen der Phantasie
möglich.
.Sehr vieles, ja fast alles, was Sie in Ihrem Werk Uber die kontrSre
Sexualempfindung tagen, stimmt und ist mir bekannt; aber diese meine
Gefühle in Bezug auf kleine Mädchen sind anders geartet, als Sie sie
beschreiben. Und auch betreffis der Verlogenheit der Urninge, von der
Sie sprechen, erlaube ich mir, einer anderen Ansidit an sein als Sie.
Die grosse Mehrzahl lügt wohl nur da, wo es sein muss, um die Sacho
zu bemänteln; aber ürninpe, die frewissermassen aus Bedürfnis lügen
und stets lügen müssen, kLun.- \di nur z\vei, obsühon ich einen grossen
Bekaiintttukreis habe. Ich bitte, diese Ausnahmen doch nicht auf alle
übertragen zu wollen. L h selbst schmeichle mir, die Wahrheit in allem
zu lieben, soweit es möglich ist. Dass ich meiner Frau die Sache nicht
erzähle oder sie sonst ausplaudere, ist sehr natürlich; desw^^ aber
muss muu doch noch kein Lügner sein.'*
170
Weibtiehe NdgnngieiL
Viele Homosexuelle, die überhaupt an das Weib erinnerD, lasm
aoh den Bart vollständig abrasieren, nioht etwa um die Neigung
anderer Urninge dadurch an gewinnen, sondern nelmehr aas einem
gewissen Hang,^) finsserlicfa mOgliohst das Weibliche annmehmen.
Ersteres hann wenigstens in manohen FlUen die Vemnlaswing dam
nicht sein, da, wie wir noch sehen werden, viele Urninge sich mehr sn
dem echt männlichen Typus als zn dem uinisohen hiimfezogen ffihlen.
Manche suchen dadurdi, dass sie sich die Barthaare mit Fincetten
und durch allerlei Enthaarungsmittel entfernen, das weibliche Aus-
sehen zu Texmehren.
Auch die h&usliohe Einrichtung der Homosexnellfin soll oft
an die der Weiber erinnern. Wie mir ein in diesen Dingen er-
fahrener Herr mitteilt, lieben es viele, ein Himmelbett su brauchen;
andere haben die Toiletten ein rieh tu ng vollstäiiliL^ den Weibern ähnlich.
>ticht selten scbmüuken die Wohnung Bilder und Statucu von schOnen
jungen Männern, wie schon C a s p e r -) beobachtet hat ; besonders soll
der Apollo von Belvedere eine Lieblingsfigur der Urninge sein. Beim
Briefschreiben bedienen sich manche Urninge parfümierten Papieres.
Im Gegensatz zur Abneigung vieler Männer gegen den Tanz
neigen die Homosexuellen oft ausserordentlich zu ihm hin. Sie tanzen
dabei mit weiblicher Eleganz, aber, wn^ K r af ft-Ebiug \) betont,
nicht gern mit Weibern, sondern lieber mit Männern. Mau ümlet
dies besonders oft auf gewissen BftUen, wo Männer mit Männern zu
tanzen pflegen.
Zu den besonderen Fähigkeiten der Homosexuellen, die ich schon
bei dem Berufe derselben besprochen habe, gehört ihre Fertigkeit in
Handarbeiten. Bio einen können stiioken, andere hikeln. Auf-
- ) nWie bei Tiereo aas alleo Klassen» so werden «ach beim Menschen die
ontandheidesdeD Merkmale des männliehen OadUeolita nidit dk«r völlig ant*
wickelt, ela bis er nahnu geschlecbtsrcif ist, aod wena er eotmanst wild, w>
Bchfiineu sie niemals. Der Bart ist z. B. ein sekundürer Sexualcharaktor, und
männliche Kiader sind bartlos . . .* (Charles Darwin: Die Abstammung de»
Kenschen und die geschlechtliche ZacbtwahL A. d. £ngl. Uberaetst von J. Y iotor
Üarae. 4. Aufl. 8tattgirtl888. 8.584.) DiellmUelikeitswisoliendemlliiiMiiiit
kentiinr flezaalempfindimg, der triebartig oft d«s Pamftnnliche raoht, und dem
unreifen boz\r. kiistricrtcn m^nuliclien Individmilll, bei dem des UlunSOBliohe sich
schon anatomisch zeigt, liegt auf der Hand.
'^Joh. Ludw. Casper: Über Notsacht und Päderastie und deren Er-
mittelung eaitttit des Oerioktaantee. YierteyahTBeekrift für geriohtiiehe nad
üffiBatfioke KediBiL 1. BmuI. 1868. 8.88.
") R. V. Kraf f t-£bing: Psijchopathia sexuuli's, mit besonderer BerOck-
tiicbtigung der konträren Sexnaleraptindaag. £iiie kliniseh-foieiisteche Studie,
9. Auflage. Stuttgart. IHU. ü. 254.
WdUklie NeigUQgeu.
171
tiSitoA nt skht nur die Fertiglrott» die nunohe hieim bentseo, sondern
uoßh die groese Torliebef die sieli bei ibnen fBr diese Art tob Be-
Bolukftigung findet; der ünuDg meidet sie oft bot, um tob andeien
sieht als ÜTBing eifcannt m weiden. Selbstgefertigte HandaibeiteB
spieleB bei den gegenseitigen Qeselieiiken eine Bolle. 0 Die Hand-
schrift scheint mitunter einen weiblichen Charakter zu besitzen.
Ich habe dies allerdings nur in vier mir bekannten Fällen kon-
statieren können; meine graphülogisclieü Kenntnisse sind übrigens,
wie ich an dieser Stelle bekenne« nicht genügend, um dieses immer-
hin schwierige Gebiet zn beherrschen. Ein Herr, der die nötiprcn
Erfahrimgen besitzt, hatte jedoch die Freundlichkeit, mehrere Hand-
Schriften, die ich ihm übergab, zu analysieren. Es wurde dtMu Herrn
dabei weder gesagt, ob sie von Männern oder Frauen ht rruhrteu,
noch wurde ihm Mitteilung davon ijcmacht, ob der Schreiber homo-
sexuell oder sonst sexuell pervers war. Die erlangten Resultate waren
jedoch, wie ich bemerke, nicht in Übereinstimmang mit den that*
s&chlioheii Verhältnissen. Weder über den Charakter der betreffenden
Person noeh anch über ihre sexaelle Neigung warde eine bemerkens-
werte unzweideutige Mitteilung gemacht Insbesondere wurde in
keinem der Fälle auch nur die mindeste Andeutung Aber weiblichen
Gbsnktei der Handsebrift gemacht, obwohl es steh nm einige yoU-
konunen bomoseinelle nnd som TeU um effinninierte Minner handelte.
AIMings habe leh die mir selbst ganz Idaren Handsehiiften mit
weibüeliem Charakter, d. b. die vier eben erwftbnten iUIe, dem be-
treffenden Graphologen nr Analyse nieht ftbergeboB.
Mannhmal wird angegeben, dass Minner mit kontrftrer Sexual-
empfindnng nidit viel ranohen; von anderen hingegen weiss loli,
dass sie sieh das Banehen absiohtlieh nnd in starkem Masse angewölmt
haben, nm nioht erkannt nnd verdiehtig ni werden. Aneh gegen
Trinken geistiger Getrünke seigen dnige Abneigung.
Wichtig ist die Stimme nnd die Sprache der Homosexuellen.
Bekanntlich hat die weibliche Stimme eine andere Klangfarbe und
Tonlage als die des Mannes; man bezeichnel jene als Fistel stimme.
Diese ist nun bei manchen Homusi'xuellen sehr ausgebildet. Ich habe
sie einigemal so deutlich gefunden, dass ich sie für die Stimme eines
Weibes halten wtlrde, wenn ich nicht wüsste, dass sie toh körperlich
wohl ausgebildeten Männern herrtlhrt«. Wenn sulcke Urnin^'e mit der
Fisteistimme sprechen, so empünden sie oft keine Schwierigkeiten,
') Solche ans liebe gemaditwi und geteheokteo HMubibelten too ünüiigeii
habe ich selbst geeehen.
in
IUI m waiUiohfir BtimaM.
ja einzelne mflsaen och in anderar GeaeUflohaft sogar bamtihen, nioht
im Soprao, sondern mit mAmüidier Stimme sa apnobMi, da Uum
das ezstore angenehmer mid leieliter ist Keineswegs aber dsif man
etwa snnehmen, dass dies eben nor anf angeboienen DIapoaitaeaein
nnd Neigungen berohi Hier spielen Tielmehr sweifeUos TJmgebnng
nnd GewObnnng eine grosse Bolle^ mid HomosexneUe^ die sieh hinfig
in soleh effeminierter Qesellsohaft befinden, weiden daher leiohter
eis andere daia kommen, in der hohen Tonlage sn spieohfln.
Beeonden eharakteiistisdh ist wegen der Stimme der folgende IUI:
8, Fall. X., 28 Jahre alt, trat früher als Damenkomiker ^flVuthch
auf; X. stammt aus einer einfachen i'amilie, in der sich Nervenkrank-
heiten nicht vortinden sollen. Die Geschwister des X. sind nach seiner
Angabe durchaus normal. Ein jüngerer Bruder, der jetzt 16 Jahre alt
ist, Liat Lereits seit einem Jahre öfter geschlechtlichen Verkehr mit einem
Mädchen.
Um zunächst dus Wichtigste bei X. zu erwähnen, so sei bemerkt,
dass er beim Singen eine auCFallend hohe Sopranstimme hat Sie ist
ToUstBndig wie die eines Weibes» nnd es naoht dem X. amoheinend anoh
kdne Sdiwierigkeiten, Sopran an singen. Z. kaui andi Bariton singen,
meint jedodi, dass ihm dieser «rheblidi grossere SohwierigkdteB bereite
als der Soj^raa Hingegen sei doch sohon hier daranf htngewiesan, dass
gerade die Sopranstimme des Z. mehrere Jahre bindorch regelmissig
an^ebildet wurde. Die Spraehe hat sonst entschieden ein minnliches
Timbre. Die Kftrperlnldnng des X. ist normal, mir ist er im sllgeninnen
am Körper wenig behaert; die Fftsse sind schmal, machen aber einen
mftonlichen Eindruck, ebenso die Ulnde, 'fiberiumpt scheint mir die
KOrperbüdung des X. nicht weiblich zu sein.
Der Kehlkopf ist durch Herrn Dr. Theodor S. Flatau in Berlin
genau untersucht worden. Der Adamsapfel spnngt deutlich hervor, die
Epiglottis ist männlich, ond auch sonst ist der Kehlkopf wie der eines
Mannes gebildet.
Die Bewegungen dis Patienten sind durchaus weibisch. Dip Art,
wie er die Uand hält, wie er bprlcht, wie er einen Finger in den Mund
nimmt, sobald er flber irgend etwas nachdenkt, alles dies macht einen
weiblichen Eindruck. Dies alles könnte aber anerzogen sein. Nun ist
aber das Auffallende, dass die Erziehung des X. zum Damriikomlker erst
begann, als er schon 17 Jahre alt war. X hat in diesei: Zeil einmal
in einem Gartenlokal laut gesungen; hier hörte ihn ein Theateruntar*
nehmer und Teranlasste ihn non, die erwähnte Laufbahn einzuschlagen.
Derselbe Mann war es anehf der dem Z. die weiUiohen Bewegungen
geoaner einstndierte, ihm erklärte^ wie er «ne Yerbeugung zn machen
hätte, ihn das» veranlasstCp nch ein Eonetfc ansolegen n. s. w.
IUI m miUifilMV ftiinn. 173
Die gesohleehtliclieii Ndgimgeii des X. sind aiir anf den Mahii
geriehtei Bia ia weldw Zeit dies sor&dcgebt, kann nicht genau festr
gestellt werden. Was die Sdnilseit betrifft, so glaubt X. nioltt, dass er
in ^ ein besonders leidensohaiUidbes FrenndaohsflBTetliSltais mit einem
gehntkaimeraden hatte. Andererseits aber fühlte w sieh auch nionals
•exnell zum weiblichen Geschlechte hingesogen. Hingegen hat er schon
seit Toehreren Jahren deutliche Neigung mm m&nnlichen Greschlecht; er
fiUilt sich jedoch in dieser Bichtong wenig befriedigt, da er ein gewisses
Ideal ebes Hannes sncht, das er zwar einmal gefunden, aber wieder ver-
loren zu haben glaubt. Einen geschlechtlichen Reiz kann ihm nur eine
durchaus männliche Erscheinunct n-ewähren, die nichts von weibischem
Typus fin sk h hat Ein anderer Damenkomiker würde ihn daher geradezu
abstossen Ein Icher Herr,') der offenbar den X. sehr lieb gewonnen
hatte und liomosexuell veranlagt war, wollte init ilim gern geschlechtlich
verkehren. Obgleich X. sich gerade diesem Manne gegenüber zu grossem
Danke verpfiichtet fühlt, da er ihn materiell luiterstützt hatte, hat sich
X. nicht dazu entschliessen können. Wohl aber hat er früher mit einem
anderen Manne verkehrt, von dem er sich später jedoch wieder ge-
trennt hat.
X lAtt^ wie tat angiebt, sehr btnfig Odegenheit gehabt, mit Weiban
gesoUeditUch sa rerkehren, wenn es ihm nur pbjriseh möglich gewesen
wtre; aber daran scheiterle er. Er habe neben den schönsten Weibern
gelegen, aber es harn nicht die geringste Erektion snstande. Selbst
msnnelle Beiaongen Yermoditen sie nidit berbeisnfnhTen, so dass er schon
seit lAngerer Zeit Ton weiteren Yersndhen abstebL
Sonst wire nooh enriUmenswert^ dass X. bereits sls Kind grosses
bteresse fBr hflbaebe weibliche Klddimg batte^ dass er» wenn er dne
schfine Damentoilette sah, gewöhnlich ganz entzückt stehen blieb und
verwundert ansrief: «Ach wie schdn ist doch dies.* Er hat in der
Kindheit auch Sinn für Handarbeiten gehabt^ hat es aber darin doch nicht
weit gebracht. Sich mit Knaben hemmsnraufen gewährte ihm kein Ver-
gnügen; aber ebensowenig hat er einen Gcnuss darin gefunden, mit
Puppen zu spielen. Über diese Neigungen in d^r Kindheit und die da-
maligen Spiele des X. ist deswegen wenig zu ermitteln, weil er gewöhnlich
beauftragt wurde, seine jün froren Geschwister zu beaoisichiigen, und daher
zum Spielen mit anderen wenig Gelegenheit hatte.
X. kann zwar etwas pfeifen, aber nicht viel; nach Ansicht von
Dr. Tlieodor S. Piatau ist dies wesentlich dadurch bedingt, dass das
Pfeifen nicki ausgebildet wurde. X. trinkt gern mehrere Glas Bier,
rancht aber gar nicht.
^ BConnffrageade Oasunkomiker, Artisten und Sohaaspieler eifrenen skk
nicht selten bei den HomcsexoeUeo denelbca Wertsohitsong wie ihre Kolleginnen
bei den Heterosexaellen.
174
Sfcinime.
loh glaube, das« jemand, der den 3L aingeii hört, ohne m
nvsKüf daas es ein Mann lat, die Stimme olme weiteiea fttr die
eines Weibes erUAren wQide. Herr Dr. Fla tan, der anf dieaem
Gebiete viele lärlUimngen bat und besonders daiaof aefatet, erkUrte^
daas ihm Irain Fall bekannt sei, wo ^ Mann tan stände gewesen
wftre, in dieser dentlichen Weise Sopran za singen nnd bis zu einer
solchen Höhe hinanfzukommen. X. sieht in weiblicher Kleidung ent-
schieden auch wie ein Weib aus, zumal da die Bewegungen, wie
erwähnt, durchaus weiblich sind und X selbst einen weiblichen
Gesichtstypus hat.
Was die Deutung des FaUes betrifft, so genügt die AnMnnese
nicht, mit Sicherheit den Fall zu erklären. Eines ist ganz klar, dass
b«i X. vieles gethan \\urde, um die weiblichen Bewegungen auszu-
bilden. Wenn man aber andererseits berücksichtigt, dass er erst im
17. Jahre hierzu angehalten wnrdp, und dass bis dahin keine Spur
von geschlechtlicher Neigung zum Weibe bei ihm aufgetreten war,
so dürfte man doch zu der Annahme kommen, dass mindestens eine
gewisse Disposition zur konträren Sexualempfindnng bei X. bestand.
Hinia kommt noch, daas X. gerade dadurch zu seinem späteren Berufe
geführt wurde, dass er duroh seine auffallend weibliche Stimme die
Aofinerksamkeit eines Fachmannes erregte. Auch dieses sprioht dafttr,
dass ein gewisser Grad TOn weiblieher Anlage in X. bereits vor einer
methodischen Züchtung vorhanden war. Andererseits ist nieht an
bestreiten, daas X. vielleicht, wenn man leitig genug daranf geachtet
hatte, com Heteroseiaalismns hfttte übergefBhrt werden können. In-
dessen ist hieillkr em Beweis natArlieh schwer au erbringen.
WBhrend wir sehen, dass bei einigen Homoeexaeüen gldehsam
spontan die Stimme den weibliohen Oharakter anmmmt, giebt es
andere^ die absichtlioh, sogar dnroh lange Studien ihrer Stimme
einen ausgesprochenen Fistelton an geben snohen. Weehslb sie dies
thun, ist mir nicht gans Uar; nur deshalb^ nm andere Homosexuelle
auf diese Weise aazuloeken, kann es nicht geaohehen, da viele von
diesen eine weibliche Stimme beun Manne nicht Ueben. FOi wah^
acfaeinlidi halte ich es, dass es sieh um dnen Inneren Trieb ^) handelt,
') Von den Zeichen d^r EfTprnination sind pin^olno sehr merkwürdig, indem
sie den Zosammenhang mit dem Geschlechtstrieb boweisau. Man BoUte aanehmeD,
dass die Stimme mit diesem nichts direkt za thnn hat Wenn wir sie aber bei
HomoMxnellen vniadert finden, oder aooh nur den Trieb gor Tetiodennig be-
obachten, so drängt sich die Frage über den inneren ZnsaounenhaDg der Fistel-
«timnie mit der konträren Sexualempfindnng' anl. Gemeinsam mit Herrn
Dr. Theodor Flataa in Berlin habe ich eine Menge AnfEeichnongen über
SpnAe, VUHoL
175
der diflM Mliuifir dam driogti in der Stimiiie eliemo wie in dem
MDStigen Yerhalten den welbliolien GharaUer sa laohen. Es mag
«ach mandhes hiemi das moralieohe Kontaginm beitnigen, und es
dikrfte maneher tn seiner Fistelstimme lediglich duroh die Gesellsohaft
kommen, in der er deii 1)ewegt
BdnnnfUeh pflegt die Stimme des Mannes erat zur Zeit der
Mectat den mSnnlielien Ton ansnnehmeo, wahrend vorher des
Knaben Stinmie der des Ittdcfaens Ihnlieh ist Bei manchen Homo-
sexoelkn hat die Stimme ivar einen ganz normalen mSonlichen
Charakter, aber der tiefe minnUohe Ton soU anfTaUend sp&t herror»
treten, etwa erst im 18. Jahre oder noch spftter.
Die Sprache hat bei vielen auch etwas eigentOmlioh Pathetisches
und Geziertes. Besonders wenn die Urninge von geistigen Getränken
stark angeheitert sind, pflegen sie sehr leicht in den Fistclton zu
verfallen. Auch bei ihren Kaffeekränzchen sprechen sie mit Vorliebe
in Fistelstimme.
Mitunter zeigen. Uruinge zwar, dass die Stimme als solche die
männliche Tiefe besitzt, aber sie ist auffallend leis*\ ein Zeichen, das
besonders Stark für etwas sehr häufiges bei ihn ii hält.
Endlich sei noch erwähnt, dass nach Ulrichs die Urninge
ebenso wenig wie die Weiber zum Pfeifen eine Neigung oder Jlv-
f&higung besitzen. Ich habe diese Beobachtung von Ulrichs sehr
häufig nicht bestätigen können; ich habe zahlreiohe Urninge gefragt,
fand aber, dass viele ebenso gut pfeifen können, wie normal fahlende
Männer. Indessen scheint es mir, als ob bei vollkommener Inversion
in der That öfter Unfähigkeit zum Pfeifen besteht als bei anderen
Fällen Ton fiomoseznalittt Ein Beispiel wftre der folgende Fall:
9. Fall X, 20 Jehl« alt Patient ist ra aeiten des Vaters offimbar
schwer belastet, wihraid tieii BdaBtnag dnreh die Matter nieht oaeh-
KohlkopHiefTiT^flo bei homose\ne]]on Personen gemacht. Ein Teil der Fälle ist
bereite veruffeut licht, ( mzi lue ^v.jcdon in diesem Bache mitgeteilt werden. Eine
Tolikomtneue Zuäamuieu&teiiung dor betreffenden falle behalte ioh mir lur spater
vor. BekuECliah Bind die Sttmiiibinder das Mamas darelisolinittiieh um ab
Drittel länger al« die des Weibes and Knaben. Kastntion hält aber, wie Owen
(Anatomy of Verichrates) nnd Darwin (Die Abstammung' de.s Menschen) herror-
heben, das Wachstum der Scbildknorpcl auf, das die Verlanfrfmng der Stimm-
bänder begleitet. Der Eiuüuha düs ^exuellou Leben» auf dou Kehlkopf xeigt bich
aoeli daiiD, dass dia Stimme gwide zur Zeit der Pubertit den mlmdiohea Gherakter
annimut Darwin hat diesen Biaflnas zurückgefOhrt anf den Gebrauch der
Stiramorpane der Tiere bei do?i Kfef^angou der Liebe und Eifersucht und anf die
Vererbung dea dadurch bervorgerufeneu Zosammenhanges von geschlechtlichem
Leben und Stinune.
176
Beispiel
weisen iHsBi. Er selbst bsi angebliA niemals auch nnr die Bpur einer
Neignog zu einer weiUieheii Person gdbabt} kami indessen seine bomo"
sexuellen Nsigangen bis in das 7. Lebeni(}abr nurttokTerfolgea. In der
ersten Zeit bsAte er die Ksigmig m imgeObr gleicbaltrigen MitsehfileRi.
AlbnSUiob wurde das Alter, das er in dieser Weise beromigte, hnmer
böber« so dass er sieb beuta nnr au yoUstiodig wobl ansgebiUetan
Minneni etwa im Alter ▼<m 27—40 Jabren semeU bingetogen ÜlblL
Er verkehrt geseblecbtiiöb mit einem verbeiiateten Manne, einam Arbeiter,
wie er überbaapt nur von niedrig stehenden Personen gereist wird.
Männliche Demimonde stösst ihn vollständig ab. PAderastie würde er
verabscheuen; sie ist ihm widerlich.
X hat als Kin(! an Knahenspielen Teil genommen, er hat sich aber
uatSu viel mit Mädchen abgegeben. Wichtig ist, dass er anch hente noch
in vielen Stücken einen weiblichen Eindruck macht. So kann er z. B.
trotz gi-osspr Anstrengungen hierzu nicht pfeifen; ferner mucht nnrli drr
Gang einen etwas weiblichen Eindruck. IfäohUicbe Tr&ume haben immer
nur Männer zum Tnhnlt,
Bevor er mit dem eben angedeuteten Manne geschlechtlich verkehrte,
wobei ihm der fhifm inter femora das Liebste wäre, obwohl er bisher
nur mutnelk Masturbation getrieben hat, hat er mit diesem Manne ge-
sellig verkehrt. Er hatte immer eine Is'eigung zu ihm, fasste aber lange
nicht den Mut, dem Manne sexuellen Verkehr anzubieten. Vorher hatte
X. gelegentlidi masturbiert, Indon er sich dabei in der Phantasie einen
Mann vorstellta. Trotz gelegentUobeB Verkehrs mit dem betrsÜmden
Manne bat X. durcbsdmittlieb jede Wocbe einmsl eine Pollution, die
ebenso wie frllber nur bomosexnellen Inbalt bal
L>er Gang der Urninge ist häufig typisch, sie wiegen sich in
den Hüften nach Art der Weiber hin und her und geben so dem
Gang einen unmännlichen Charakter. Sie machen beim Gehen kleine
Schritte und heben die Eniee ziemlich hoch. Besondm letzteres
gilt als ein Charaktenstikam d«8 Ganges, das den Ürningeii oft daza
dienen soll« sich gegenseitig zu erkennen.
Ebenso giebt es anch eine Armstellnng, die aioh biofig bei
weiblioben Personen findet, und an der Urninge mitnnter erkannt
ireiden sollen. Es ist dies eine eigenartige, schwer in beschreibende
Stellang^ bei der der vordere Teil des Handraekens an die Wange
gelegt wird, wSbraid der UnteiKmi vom Kdiper entbmt ist und der
Ellbogen leiebt anfgestatit wird.
caunktar der üninga.
177
Für den, der in der Homosexaalität an sich das Anzeichen nnd
den Bewäs eines sohlechten Charakters sieht, ist es überflüssig,
letateren genauer so befciaohten, und insbesondere den Zasammenhang
des omisehen Charakters mit dem Geschlechtstriebe zu erwftgen.
Indes können wir, die wir die Frage objektiv studieren, überhaupt
meht im homosexuellen Triebe an sich etwas Lasterhaftes finden,
und wenn man die Mögikhksit annimmt, dais es dnea homosenieUen
Gesehleehtstiieb giebt» dann darf man aneh dessen Befliedignng nieht
für das Zeichen eines verderbten Charakters ansehen. Der Urning
verlangt die Befriedigimg seines Triebes mit derselben Leidensohaft,
wie der normale Mann den Beisoblal bd dem Wdbe. Der Trieb ist
ein mnerer, vom Willen und von ethisehen Motiven nnabhingiger
Yorgang; er kann mithhi als soleher nieht die Sehleohtii^eit des
Charakteis bei einem Manne darthnn. Als P^rchologen nnd Naftnr-
forsdher dürfen wir die Yeraehtong, die man gewObnlioli dem Homo-
sexneUen entgegenbringt, nioht als Massslab nnserer Benrteilnng
ansehen.
Können wir demnach auch nicht ohne weiteres den Stab über
die Moral des Urnings brechen, so ist doch andererseits nicht m
leugnen, dass wir bei ihm oft widerliche uiul verächtliche Ch;irakter-
eigentümlichkeiteu finden. Diejenigen Charaktereigenschaften freilich,
die sonst Impotente nach Gyurkovechky') stets zeit^^en sollen, Miss-
gußst, i'eigheit, kennen bei der diirnh konträre Sexualempfindung
hervoTf^crnfencR Impotenz keineswegs immer f^efunden werden; es ist
mir noch zweifelhaft, ob für andere Fälle von Impotenz die Annahme
jenes Autors immer richtig ist.
Oft sdgti wie sehon mehrfeoh angedeutet^ der Charakter der
Urninge mehr Ähnlichkeit mit dem des Weibei^ als mit dem des
Mannes. Zn den bemerkenswertesten CharaktencQgen der TTminge
gebort ihre Sohwatihaftigkeit, Lannenhaftigkeit nnd Neigung som
Lagen. Bs ist nicht leicht» anf dem Gebiete des üramsmns za-
TsrlSssige Foxschnngen ansnstellen, weil Ton den Lenten in viel ge-
logen wird. Ich habe deswegen meistens Beobaebtongen nnr dann
als Thatsachen angenommen nnd hingestellt, wenn sie mir in suver^
lissigei Weise von verschiedenen Seiten so mitgeteOt wnrden, dsss ich
mich mit Sicherheit von ihier Bichtigkeit — som grossen Teil anidi
') Victor QyuikoTechky: Pathologie and Therapie der miaoUchen
Impotens. Viea ud Leipsig. 18801 S. 4.
Koll, KoMir. fl«]niä]«mp0B4«iig. lj|
178
Ncignii^ nun lAgon»
dmoli eigenes AmoliAufiii^) — Abeaeogen konnte. Heir N. N. eebxeibt
mii n. a. folgendes: „Glauben sie mir, die bysteris obsten nnd
Torlogensten Weiber, die es giebt, treffen Sie nnter ans
Urningen an; denn Weiber sind wir ja, das lengnoi vir niobi**
Wober diese Snebt som LUgen konunft, bleibe nnentsebieden; viel-
Idobt ist die TTrsaebe der Umstand, dass die Urninge ibr ganses Leben
geswungen sind, dne groese Lüge der Welt gegenflber ansawenden;
denn nnr wenigen Tertranen sie ibr Geheimnis sn. Selbst wenn sie
nnter einander sind, pflegen viele Eomosexoelle den sndeien ftber
ihren Qesehleobtstrieb keine Anfklirong sn geben. Sie bebaapten,
dass sie sieb geistig oder fkenndsehsMöh sn Lesern oder jenem
Hanne hingezogen fllhleij, bestreiten aber, dass irgend welohe ge-
sohlechtliohen Beziehnngen zwischen ihnen vorhanden seien. Es mag
nan diese Lüge, die sie täglich mit Worten oder Mienen sagen, auch
die KijiguDg zu iindcTcn Unwahrheiten bervurrufen; indts^en dürfte
dies wohl nicht der einzige Grund sein. Ich glaube, dass der wahro
Grund oft in der hysterischen, weibischen-; Anlage gesucht werden
mnss.
Ebenso aber wie wir annehmen dürfen, dass nicht alle Weilier
lügen, und ebenso v?ie wir vielen Rysterischen eine aufrichtige Liebe
zur Wahrheit zutrauen können, ebenso darf diese beim Urning nicht
immer bestritten werden. Ich kenne solche, die abgesehen davon,
dass sie sich in Bezug auf ihr sexuelles Leben niemand entdecken,
vollkommen zuverlässige Angaben machen und deren Mitteilungen
mehr Vertrauen verdienen, als die mancher normal empfindenden
Männer. Die meisten Lügen trifft man übrigens bei denjenigen
Urningen an, die sor mSnnlioben Halbweit gehören; ihre Angaben
^) Das geaelliga Leben der HomoBexaellen ist sehr meikwttrdig, und ich habe
gerade dieies in Begkittiiig erCrimener KriniiiiAlbeamter genauer beobachten
kSniieii.
- ) Diejenigen Charaktoreip:cn!?chaften, die wir >>e! neben hysteii'^rhen
Weibern finden, treffen wir auch beim Homosexueilea aaäAlicnd häufig an; andere
bytfeeiiloha Bnofluinungen; z. B. Unterleibraobmeiz, hysteriaohe KiSrnpfe, Migräne,
QlkAnB «In. sohemea huigeg«ii nicht gerade hinfiger ■!• heim ii«iiiwd«B Hanne
vorzukommen. Ich erwähne dies deshalb, weil die Hysterie gewöhnlich fUr ein
fast ausschliessliches besonderes Privilegium des wei^Oiohen Geschlechts angesehen
wurde. Caustatt bezeichnete hysterische M&nner als weiclüich und weibisch,
Nan mann betnohtete die Hysterie all eine excesaiv gewordene potenzierte
WeiUidikiit, cineAiuicht, der Theodor Wittmanok (Flirthologie und Therapie
der Sensibilit&ts-Neuroseo, mit Einschlüfls der primär psychisch bedingten, auf
Grundlage physiologischer Begriffsbestimmunc' des Krankseins und mit stofer
Berücksichtigung der Untersuchuagsergebnisse bis auf die Gegenwart bearbeitet.
Leipsig 1891« S*4Bt) widerspricht
EiteJieit.
pröfe man mit der grössten Gewisspnh.ff ^
der ^össten SicherhPit vnr.lZlT^^^^^^ wenn sie mit
Urninge viele weiblicEe fög^fifeLSÄCifi'L--^
„echte" Urninge, die in jeder Weise, abgesehen von ihrem Gesclilecniö-
triebe, Männer sind; sie neigen nicht zu weiblicher Kleidung oder
Beschäftigung, sie zeigen ausgesprochen männliche Eigenschaften, sie
lieben das Turnen, Reiten, Sport und dergleichen mehr.
Von diesen Homosexuellen sind jedoch diejenigen zu trennen,
die sich im Verkehr mit Nichtumingen durch eine tief eingewurzelte
Schauspielerei wie normale Männer benehmen. In ungezwungener
Unterhaltung mit ihren Leidensgefährten zeigen diese, besonders wenn
sie durch den Alkohol etwas berauscht sind, ihre wahre weibliche
- ^"NTatrir.
liehen Charaktereigenschaften, die wir bei eitlen Weibern beobachten,
finden wir bei dem Urning, der uns so sehr an das eitle Weib er-
innert £benso wie dieses legt er auf Schmuckgegenstände grossen
Wert, und auch der Spiegel spielt bei solchen Homosexuellen eine
grosse Kolle. Nichts macht einem effeminierten Urning mehr Freude
als ein Schmeichelwort über seine Schönheit. Ein mir bekannter
Urning sendete einem Herrn seine Photographie; in dem Antwort-
schreiben dankte dieser natürlich fdr die Zusendung, machte aber
keine Bemerkung aber die Schönheit der Gesichtszüge des Urnings,
ein Umstand, der letzteren ausserordentlich verletzte.
„Die Modesucht," sagt Rudolf Schnitze,*) „ist durchaus ^enerw
feminini'y darum nennen wir gerade die Lafifen und Stutzer weibisch,
weil sie jeden Wechsel der Mode mitmachen." Sehr fein ist die Be-
obachtung dieses Autors, dass die Stutzer meistenteils solchen Berufs-
arten angehören, deren Arbeit ebenso gut in Weiber- wie in Männer-
händen sein kann, was mit der Neigung der Urninge zu mancher
Beschäftigung, wie oben erörtert, durchaus übereinstimmt.
Gross ist auch auf anderen Gebieten die Eitelkeit der Homo-
sexaellen; sie lieben eine gewisse Renommisterei, in der besonders
ihre Liebesabenteuer eine Rolle spielen.
Selbstverständlich leugnen sie grösstenteils, dass sich häufig bei
ihnen ein unschöner Charakter vorfinde; nur der intelligentere und
- ) A. Coffignon: Paris vivant : La Corritption ä Paris (Le Demi-Monde
— Les Souienews — Ixi Police des Maurs — Brasseries de Femmea — FUles
galantes — Saint-Laxare — Le Chanluye, etc. etc.). Paris. 8. 329.
- ) Rudolf Schaltze: Dio Modenarrheiten. Ein Spiegelbild der Zeiten und
Sitten ftir das deutsche Volk. Berlin 1868. S. 216.
12*
178 Neiguig mm LSgoa.
dmob eigenes AnseluMiea^) — fiberzeagen konnte. Herr N. N. schreibt
mir 0. folgendes: „Glauben sie mir, die hysterischsten and
▼erlogensten Weiber, die es giebt, treffen Sie unter ans
Urningen an; denn Weiber sind vir ja, das leugnen wir aiolit'*
Woher diese Snoht xom Ltigen kommt, bl^be onentsoliieden; viel-
leiofat ist die ürsaohe der Umstand, dass die Urninge ihr ganzes Leben
geiwangen sind, eine grosse Lflge der Welt gegenflber anxnwenden;
denn nor wenigen vertraaen sie ihr Geheimnis an. Selbst wenn sie
nnter einander sind» pflegm viele Homosezoelle den anderen Uber
ihren GesoUeehtstrieb keine AnfkUnmg xn geben. Sie behaupten,
dass sie sieh gdslig oder frenndsohaftlioh in diesem oder jenem
Hanne hingezogen fBhlen, bestreiten aber, dass irgend welohe ge-
schleehtiiohen Besiehongen swisehen ihnen Torhanden suen. Es mag
Wenn nan die bisher gegebene Charakterschilderung des Urnings
im allgemeinen kehi sehr erfreoliohes Bild aber ihn giebt, so soll
keineswegs damit gesagt sein, dass sich diese Eigen-
schaften bei allen Urningen finden. Bs sei im Gegenteil aoa-
driu^ch hier nochmals herrorgehoben, dass es sahlreiohe homo-
sexnelle Uftnner giebt, die von tadellosem Charakter sind,
die alle niedrigen Ghaisktenttge vermissen lassen.
Zn deqenigen liigeiisohaftea, die das Weib vom Hanne vorteil-
haft nnterschdden, gehört die Schamhaftigkeit; selbst bd Natnr-
Völkern kann man beobachten,^) dass die Schamhaflagkeit des Weibes
stärker entwickelt ist» als die des Mannes. Bs ist mteiessant, dass
sich dieser Oharaktenng nach verschiedenen SohriftsteUem bei Ur-
ningen bei weitem deatüdier leigen soll, als bei normal fehlenden
Männern. Manche Homosexaelle ersfthlen, dass sie sich in der Kind-
heit und noch in der Jugend durch Schamhaftigkeit vor allen gleich-
alterigen Knaben ausgezeichnet hatten. Nach Tarnowsky soll sich
das Schamgefühl der Urninge, wenn sie noch Knaben sind, in ab-
normer Weise äussern. Es soll z. B. besonders dann auftreten, wenn
sie sich ein*^m fremden Manne gegenüber befinden, und 68 soll dem
umisch veranlagten Knaben viel mehr Schamgefühl verursachen, sich
vor einem Manne als vor einem Weibe zu entkleiden. Die gleiche
Angabe wird mir von erwachsenen Urningen gemacht; dem einen ist
es sogar ein peinliches Getübi, sich in Gegenwart anderer Männer
>) Henne-am Khyn: L>ie Frau in der KultargMofcidlto.' % AeÄ. B«riin
1888. a &
- ) B. TarnowBky: Die krankhaften Bracheinungen des OwchleontaBMllM.
Eine fonoäMh-pnohiAtijMb» Stadie. Barlia 188». S. 11.
Eitelkeit.
prüfe man mit der wössfAn r^r.- .
der erössten Sic,er,Tr^^^^^^^ -^^st wenn sie mit
Urninge viele weibUcle lii&»umile'l.--„
„echte" Urninge, die in jeder Weise, abgesehen von ihrem Geschlecntö-
triebe, Männer sind; sie neigen nicht zu weiblicher Kleidung oder
Beschäftigung, sie zeigen ausgesprochen männliche Eigenschaften, sie
lieben das Turnen, Reiten, Sport and dergleichen mehr.
Von diesen Homosexuellen sind jedoch diejenigen zu trennen^
die sich im Verkehr mit Nichtumingen durch eine tief eingewurzelte
Schauspielerei wie normale Männer benehmen. In ungezwungener
Unterhaltung mit ihren Leidensgefährten zeigen diese, besonders wenn
sie durch den Alkohol etwas berauscht sind, ihre wahre weibliche
Natur.
Nur zehn Prozent der Urninge, die ein Patient Krafft-Ebings *)
kannte, sollen Sinn für weibliche Beschäftigungen gezeigt haben;
doch sind die Angaben dieses Patienten nicht ganz zuverlässig. Ins-
besondere wundere ich mich über seine Behauptung, die Mehrzahl der
Urninge neige zu aktiver Päderastie, da diese Annahme mit meinen
Erfahrungen und denen der meisten neueren Forscher nicht im Ein-
klang steht; im Gegensatze dazu meint dieser Mann, dass die Neigung
zu passiver Päderastie sehr selten sei.
Nicht genug kann ich hier davor warnen, jede Andeutung von
weiblichem Wesen ' für ein sicheres Symptom des Uranismus zu be-
trachten; man findet Männer, die diese oder jene etwas weibliche
Gewohnheit haben, obwohl sie geschlechtlich vollständig normal ver-
anlagt sind.-)
Es giebt besonders eine Reihe von Männern, die sich in der
Kindheit wie kleine Mädchen benehmen, mit Puppen spielen, von
Soldaten und Kriegsspielen nichts wissen wollen, später aber zu nor-
malen Männern heranreifen. Man beobachtet auch Knaben, die vor
') R. V. Erafft-Ebingf: Psychopalhia sextuüia, mit besonderer Berück-
sicbtignag der konträren Sexualempfindmig. Eine klinisch- foreuaische Stndio.
9. AufUge. Stnttgart 1894. S. 259.
So wird mir der Fall eines Herrn berichtet, der in mancher Beziehung
ErscheinuDgon der Effemination darbietet^ aber in sexueller Beziehung trotzdem
normal und nur heterosoxuoll veranlagt sein soll. Die Muttor des Herrn hatte
sich lebhaft ein Mädchen gewünscht, als der Knabe geboren wurde; sie gab ihm
infolgedessen eine ganz weibliche Erziehung, liess ihn mit Puppen spielen, üand-
arbeiten machen etc. Besonders in diesen soll die Geschicklichkeit des hetero-
sexuellen Herrn heute noch hervorragend sein.
182
SeUMtbenrteUtuig der Unungo.
der Pubertät ein an Liebe grenzendes Interesse für andere Knaben
spüren, die aber später aasscbliesslich zum weiblichen Geschlecht hin-
neigen, und bei denen auch nicht eine Spur homosexueller Empfindung*)
zurückbleibt. Man berücksichtige hier wieder das Stadium des nn-
ditierenzierten Geschlechtstriebes. Auch bei Mädchen finden wir eine
ganz analoge Erscheinung, und es sei deshalb darauf aufmerksam
gemacht, dass erst mit dem Fortschreiten der Geschlechtsreife die
stärkeren Differenzierungen des männlichen und weiblichen Ocschlecbts
sowohl in Bezug auf den Geschlechtstrieb als auch in Bezug auf
andere Neigungen hervortreten. Kinder von verschiedenem Geschlecht
gind sich viel ähnlicher als der erwachsene Mann dem Weib. Die
seelischen und körperlichen Differenzen treten besonders in der Zeit
der Gesebleditsreife ein. Ludwig Büchner*) weist darauf hin,
dass oft genug Ißdehen den Knaben gleichen Alters in geistiger
BenehuBg Toran oder Uberlegen sind, und dass diese Überlegenlieit
dem Knaben gegenüber erat mit sonehmender AltecareifB wieder ver-
kren gebt
Ich komme jetzt zur Erurterung der Frage, welcliüü EmÜuss die
Hnmosexualität auf den Yerkehr des Urnings mit anderen Menschen
ausübt K?, liegt nahe, zuerst darüber einiges zu sagen, wie der
Urning selbst über seinen Zustand denkt.
Manche versuchen sich lange über ihren wahren Zustand zu
täuRehnn, indem sie den sexuellen Hintergrund ihrer Zuneii^mg zu
anderen Männern durch den weiten Begriff der Freundschaft bemänteln
wollen. Sie suchen Eigenscli;iften des andern hervor, die ihre freund-
schaftliche Zuneigung anscheinend erkhlren, ver^epsen aber dabei,
dass sie nur sich selbst betrügen. Krafft-Ebing^) memt im Gegen-
satz zu Westphal, dass sich die meisten Urninge bei ihrer konträren
Sexnalempfindang glücklich fühlen und nur insofern unglücklich sind,
als sie durch geeeUeohafUiehe nnd strafreobtliebe Sohnuiken an der
Diese von mir in der erstea AuÜage gemachte Hitteilung ist mir durch
Fkiv»lnwliri«liteB vielfach beatitigt wofden. Auch in «inigwi VwüiiMiäidiiiigen
wird dieser Erscheinung (^dacht und ihre relative Häufigkeit hervorgehoben,
a. B. durch Rehr in dor Petcrsbnrrrcr M. JIz AV, jhcnsclirift 1892 Nr. 20
- ) Ludwig Büchner: Arn Sterbelager des Jahr hundert*, filickd eines
freien Denker» aus der Zeit in die Zeit. Gieeaen 1898. S. 317.
") R Krafft-Bbing, P^ekopatkia saeuaiit, mit beMn^erar Boittok-
sichtignng der konträren Soxna!empftii4iiiiff. Eine Uiniadi-iaffenaiiohe Stndie.
9. Auflage. Stuttgart 1884. & 885.
Sdbflbentleälitiig der Vniiiig^.
183
Befidedgiiiig ihies Triebes gehindert werden. leh mxuB Erafft-
Ebing daiin beielimmen, dass in nUmolien FftUen gerade dieser
letrte Ü2iutand es den Urningen nnmOglidii mwdit, sieh wirkUeh
l^fleUicfa m ftthlen. Sicher ist es sooh fbr viele Falle liohtig, wie
Erafft-Bbing meint, dass die kontaftie Senudempfiadung als solche
die betreffenden Lente nicht nnglftoUich maeht
Der Urning halt skh bei richtiger Erlcenntois des Znstandes
nicht fOr nomal; trotsdem ist er gewöhnlich weit entfent, sich fftr
krank*) zu halten. Er weiss sich den Zasammenhang zwischen den
A.n8chauangen seiner Mitmenschen und seiner eigentümlichen Neigung
nicht zu erklären.
Die UrniDge selbst erkennen mitunter, z. B. auch Ulrichs,*)
die Mangelhaftigkeit ihrer Liehe im Vergleich mit der zweigeschlecht-
licben an, zumal da der Umstand, dass sie durch ihren Trieb nicht
imstande sind, sieh eine Familie zu gründen, manchem die Quelle
schweren Leides ist. Viele halten deshalb ihr ganzes Lebt n für ver-
fehlt. Ich habe übrigens gerade unter den Homosexuellen einzelne
kennen gelernt, die mehr als mancher geschleclitlich normal 'Empfindende
Ehemann geeignet wären, das fürsorgliche Haupt einer Familie zu
werden.
Manche verheiratete Urninge berührt es sehr peinlich, dass sie
gezwungen smd, zu ihrer sexuellen Befriedigung dann und wann mit
Männern ra verkebien, da sie hierin eine Untreue gegen ihre Ftan
erblicken.
Einige fühlen sich lange Zeit elend und unglücklich, weil sie der
Ifeinvng smd, dass sie die einzigen seien, die konträr fühlen. Be-
sonders ans den besseren Kreisen nnd in kieuieren Stftdten, wo sie
sich nicht so leicht anter einander treffen nnd anssprechen können,
sch^t es genügend Bxistenxen sn geben, die sich ihres perrersen
Triebes swar bewnsst sind, aber nicht wissen, dass Hnnderte nnd
Tansende das gleiche linden haben. Dass bei diesem Trieb das Be-
■) Ans dem Gaqaidi sweier Oninge, d« Hern N. N. imd einM gewisMn Z.,
dflifte folgender Fträns interessieren. N. ein durchans objekcim, rahiger
Herr, meinte zu X.: „Wenn wir es doch wenigstens durchsetzen konnten, (1a*5s
man die kontrSre Sexualempfindung für pathologisch ansieht, dass wir nicht mehr
fOr Yerbrecber gehalten werden." X. entgegnete darauf: „Niemals kann ich dem
hebtunmeo; U«ber wihle ieh Boeh den heutigen Znstaitd. Wir werden tob den
aadefen doch nur mi^orisiert, nnd wenn man die AAAlion für ksuikliaft aondeht,
dann steckt raan nm ins Irronhans."
- ) N u I n ;\ N u m a n t i u s : Fortitatrix, Anthropologische Stadien über nxniflcbe
Liebe. Leipzig 1865. B. 29.
184
SeeliBobe StSrangen, Mbitaoid.
womMs, flm mit aller Willenienergi« ntobt imterdvaokeii n
kfinnon, die Stimsmng sehr verBohleohtert, ist selbrtrerstaiidUdb; so
Beben wir, das« maoehe TTmitige gerade dadnreh in die d^ri-
nüerteate Lage kemmen.
Diejenigeiif die flure Yeniilagniig als ein ünglftck betrachten und
infolgedessen sich darttber sehr grämen, bieten oft andere seelische
nnd körperliche Störungen dar, die wohl zam Teil als Folge ihres
KuinniiTS betrachtet werden müssen. Hierher gehören betionders h^-po-
chondrische uüd melaucliolische Qemütsstimmuiig, Selbstmordideen,
dyspeptische Erscheinungen etc. Die hauptsi^hlichsten Störungen
zeigen sich aber dann, wenn unglücklictie Liebe den Urning nieder-
drückt während selbst der über seine Veranlagung sinst traurige
ürnin<]:. sobald er ein glückliches Liebesverhältnis mit einem Mann
gefunden hat, froh und heiter wird.
Obgleich, wie wir sahen, gerade der Urning sein Geschick oft
beklagt, so scheint es doch, dass der Selbstmord beim Urning kaum
je eine Folge der Affektion als solcher ist. Mir sind weder Mit-
teünngen über ernste derartige Gedanken, neeh Aber Ausführung Ton
Selbatmord gcmaoht worden. Hingegen kann nnglookliche Liebe,
Fon^t vor Brpreasong und Strafe, aowie Fnreht davor, Offisntlieh ala
Urning bekannt so werden, sun Selbstmorde flduren. ESb. hervor-
ragender Gelebiter, der sieh vor einer Beihe von Jahren aelbst ent-
leibte, hat dlea^ naoh den Ißtteilnngen, die ieh einen I'raonde von
ihm verdanke, lediglieh deshalb gethan, nm der OffentUohen Bnuid«
narfcnng an entgehen, der er mfolge eines Froaeeaea anageaetit war,
in dem seine nmiaoiie Natur rar Sprache kommen sollte. Der Selbat-
mord infolge von kontrirer Seznalempfindong wurde im Ansohlnaa aa
einen IUI, den Hntohinaon beriohtete, dnreh Hiraohberg 1883
in der BerUnor med^psychoL Gesellaehaft lor £^iaehe gebracht
Babow mdat, daea maneher nnaufgeklirte Selbatmord die Felge von
konträrer Sexnalempfindung sei, mdem der damit Behaftete die Ent-
deckung seiner Perversion fürchtet
Schon Theokrit schildert, wie unglückliche Liebe den Urning
zum Selbstmord fuhren kann.*)
^AyQit 9uß Mal myvi, umtSs M^iftft/ia leahag,
lohe m Mol Jjjiayroc M^tt, d<S^ w fi^or
Xola0a taOta ^pigoDv, iftbv pQix^'
■) S8. Idyll«. ÜbcnstzuDg nadi Nottet.
BthMiongm dtt üiiiiiigVi
185
GraoflaiiMr £]»be, d« flnttW, genihrt ▼«& dm giinanigtii LOwin,
Steinerner Enab\ unwürdig der Lieb', ich komm' mit d«r letetan
(Mm f&r didi in den HHadenj dem Btrioke fttr mieh . . .
Wenn gelegentlich auoh ein Selbstmord yorkümmt, so sieht
Tarnowsky*) doch entschieden zu schwarz, wenn er meint, dass
die Urninge sich entweder aus unglücklicher Liebe in einem Anfall ?oa
Trübsinn das Leben nehmen oder in schwachsinnigem Zastande ihr
Leben beenden. loh kenne doch verschiedene Urninge, die älter sind
als 60 Jahre, und von denen kein Mensch behanpten kann, dass sie
sich in schwachsinnigem Zustande befänden, wenn auch einige davon
ihr lieben wegen ihrei HDglÜoklichen Leidenschaft aU Terfehlfe aoaehen.
Der Urning ist iwv dnioh seinen Trieb dazu gez?ningen, mit
mftimliehep Individnen sexuell zu yerkehren; dennoch empfindet
nianober nach dem Akte £kel and Bene^ weQ er ihn für anmoralisch
liilt Niohtsdestoweniger buin dief aadifolgende G«fUü des Ekels
imd der Bene ihn m erneator BeCdedIgang seines penersen Triebes
niebfc sehfltien, ebenso wenig wie der Mann im aUgemeinen Tom
Koitas dnreb Fnrehi vor Beoe abgesobieekt wird. Es ist hier die
allbekannte und immer wieder best&ligte Efsehebrang tn beobsehten,
die Bd. T. Hartmann*) cbaxakteristisoli befroifaebt, dass die Niobi-
beftiedigmig des Triebes ftr das betreifende Jndindnmn immer noch
ein grtsseiss tTbel ist als die maasfolle BefHedigong.
Der Geint, der sich m «ieiu bereits zitierten Bache voq Taruowsky
findet, entquriolik in lUgaiwiniii ttberhrapt nioht d«i BeotaditnogeD, wi« ieh
sie zu wmihtii Geltganheit hntta. scheint, dasä das Beobachtangsmaterial
von Tarnowgly entweder nur einzetn'^ Krei-o der Urningy betraf, oder dass
die Yerbaltriib.s';- m Russliiud, speziell lu ] 'i-tt'rsljin unilfTS üfßi'r'n, ah in Dfntsrfi-
iaud. Weder die üäuligkeit der Päderastie bei kunträrer Öexiuüempimduug
eatipvidit den biMigeo VobiltniHen, noch kann iidi das ZemnmeitireiDBn dtr
konträreD SetOilnnpfinduDg mit der känflicheD männlichen Halbwelt, wie es bei
Tarnowsky geschieht, für richtig' halten, da mtonlirhf Prostitution und
Homosexualität gsm verschiedene Erscheinongen sind. Mit dieser Bemerkung soll
nicht etwa das Buch Tarnowskys irgendwie herabgesetat werden j im Gegen-
teilf iob^halte m flr «Dgenwin VMdi«utTOll and wili im aUgemduaB aooh hin-
anfügen, dass es für spfttere Forscher gewöhnlich sehr leicht ist, Intflmer der
ersten Bcarboiter irp^end eines Gebietes nachzuwoism , dass aber gerade den
letzter eu, selbst wenn vieles sich später als falsch herausstellt, das fianptverdieust
sagesprochen werden muss, faUs sie nnr genUgend Anregang für weitere Stadien
gflgthtn haben. Und la di«M& TwdianiCTollaa EMuMra ndiae idi auf dem
OeUete der HoBMesnalittt «uwr Krafft-Ebing gans beaondeiB anoh Tar-
Böwsky
- ) Eduard v. Hartmann: Philosophie des Unbewnasten. 8. Auflage.
S. Band. Metaphysik des ünbewoMten. Bertin 1878. S. 390.
186
BlrkMumuf d«r BanranloB.
Scholz^) hat einen Fall Teröffenttioht, wo der Patient selbst
betont, wie widerlich ihm der sozial so Mbr veipOnte Akt sei. Älm-
liohe Angaben hörte ich Öfter yon Homoseziiellai, die dennoch ihrai
Trieb nioht bekftmpfea konnten.
Fragen wir jetzt, wie sich der Verkehr des Honaosexn eilen mit
(lern upibliohen Geschlecht frestaU^t. Der eine wird sich, wie
wir sahen, lange Zeit überhaupt nicht klar riartiber, dass er an kon-
trärer Sexnalempündung leidet; er verkehrt mit Weibern and wandert
licli höchstens darüber, dass er impotent ist; ein anderer hat geradeza
einen Ekel vor der Berührnng des Weibes, verkehrt gesehleohtlich nicht
mit ihm, ist dajrftber erstaunt, dass seine Kameraden eieli eo sehr ra
Weibern hingezogen fQhlSD, wild eich aber dessen nicht bewnsst, dass
er geeebleohtlich darohane anders empfindet als andere Mftnner. loh
wilBB meliTeie FftUe, wo sich die Leute erst in den zwansiger Jahren
übe^ flnen Zoitend voUatindig Uar wazden; die Erkemitnif kam in
diesen Fttlen erat dnreh eine geradeni sehwlimerisobe Leideniefaafti
die dteae MAimer in anderen fusten. So scheinen auch die FlUe sa
iiegeii, die in Horitsens Magazin für Bifidinmgaaeelenkande 1791
verOffentlieht wurden. Bti einem mir bekannten FsH handelte es doh
nm einen Mann, der bia an eslnem 22. Jahre in niohts von anderen
abwioh, als darin, dass er sexuell nicht mit Weibern Yerkehrte; er
hatte aneh keine dentUidie Zoneigong sa Mbmem. Eines Tages aieht
er einen Mann, in dessen Bannkreise er sieh nmi sofort befindet; der
Gedanke an dieeni verfolgt ihn Tag nnd Nachts es kommt wohl aneh
bei dem Gedanken an ihn bereite an Brdrtion, bia eines Teiges Smneih
ergasa bei ümarmnng jenes Mannes eintritt Dieser Moment machte
es plötzlich jenem Menschen klar, wie sein Geschlechtstrieb beschaffen
war. Mir scheint es, dass liäuüger in dieser Weise als durch Impotenz
dena Weibe gegenüber der Urning seine walire Natur erkennt
Die Entdeckung seiner HomoseTualität oder seiner Abneigung
gegen das weibliche Geschlecht kann iu verschiedener Weise ;iiif die
Stimmung des Urnings wirken. Viele setzen sich über ihre Antipatliie
gegen das Wiiib sfhr leicht hinweg; das geistig greisenhafte Aussehen,
das nach einem Autor alle vorzeitig Impotente haben, ist bei ihnen
- ) Scholz: BokmmtQÜiae eines au perverser Geschlechtsriobtnng Leidenden.
Yint^abiMchiift fBr gerichtUche Mediao. 19. Band. Neue Folge. Berlin 1873.
& Sil«:
Vttkelur mit Wtibarn.
187
nicht zu entdcc!v'eti. Der Gr;!.!, in dem die Abneigung dps Urnings
gegen das Weib auftritt, kann verschieden sein, er kann von einer
leichten Antipathie bis m dem ansgesproohensten Horror gehen. FOr
manchen ist schon die Yoistellimg eines nackten Weibes abstossend
nnd widerlich, selbst wenn er an Berühnmg desselben nioht denkt
loh kenne femer Urninge, die den Koitus Ter<?iichen wollten, ftber
ans Ekel vor jeder Berührung das Zimmer des Weihes verliessen;
bei andern ist der Horror nicht so stark. Es giebt auch Urninge,
die recht Tiel mit Weibeni Terkebren,^) obgleicli sie sich sexuell
ansschliessliefa som Ibmie hingeaogen fühlen.
Einige Terkebien absiditUeh viel mit Weibern, tmd mir sind
sdebe bekannt, die dadnreli allgemein in dem Bnf stehen, grosse
Weiherhelden za sein; sie wollen lieber daftr gelten, als mgeben,
dass ihre TTmingnatnr beksimt wird. Dnreh den geselligen Yerkelir
mit Weibern wissen sie IVeonde nnd Angehörige ni tönsofaen. loh
kenne einen jungen Mann in Beilin, Ton dem mir erst kflrsliöh er-
sShlt wurde, dass er tiglioh mit einem andern Weibe und swar ?on
wenig tweifelhaftem Ruf getroffen wird, und trot»lem kann er wie
Tilly Ton sieh sagen, dass er nooh niemals ein Weih herOhrt hat
Andere Termelden Tollständig den Verkehr mit Weibern; ich
kenne solche, die als musterhafte Jonglinge gelten, weil sie eben
nicht, wie andere mit normalem Geschlechtstriebe, dem weiblichen
Geschlecht nachgehen. Es ist recht leicht für einen Urning, die
Keuschheit dem Weibe gegenüber zu bewahren. Vielleicht hat mancher,*)
der in der Geschichte durch seine Keuschheit bekannt ist, lediglich
seiner perversen SexualempfirKhing diesen Ruhm m danken. Etwas
obscön drückt diesen Gedanken Piron*) in Bezug auf Sokrates in
der achten Strophe eines bekannten Gedichtes aus:
SocrcUe diree-vouSy ee sage
Dont on vanie Vesprif divin:
ScH^afe a vomi peste et rage
Contre le serc frtninfn:
Mais pour cela ce bmi apotre
jS'en a pas nwins fouiu qn'un autre»
Interpretons micux ces Jrrofis
CotUre le sexe ü ^rsuade;
- ) D !i. geselhg, nicht sexaell.
^) Karl XII. von Schweden, (lps*<en Sittpnreinhpir ^p'iondf'rs in sfTnpller
Be&iehung so häufig hervorgehoben wird, wird miiunter, wie schon orwähut iBt,
n den ürningen geredhnet
- ) Oewtre» badine» d'ÄlexU Pironf Ode ä ^riape.
188
fleonuUflr V«ik«lv mit Wdbam.
Mais Sans le cttl d^Älcihiade.
11 mW JMS tatU medü des ams.
Han wild gat thim, 1)d aUen semen üiteileii Ober MflnmheD,
beaonden aaoh in Bemg auf Eevulilieit, stete die Silrke der Ver»
soohung zu beilUdrnohtigeD, ehe man ans der sexnellen Abetinenz
eine Tossnd maobt „Ein MIdelien, das vieUeioht wegen der KUte
des Tempexameote odor ans Fniebt» sehwanger in werden, oder end-
lich, weil niemand Lust hat, ihretwegen seine Kensehheit in Veianehnng
zu führen, ihre körperliche Keuschheit rein erhalten hat; eine Fran,
die meist aus denselben, nur etwas anders modifizierten Gründen,
ihrem Manne treu bleibt, neunt mnu ohne weitere Einsdirüiikuug
tugendhaft; sie siibst brusUjii sicli mit <Iieser, oft keinen Strohhalm
werten Tugend und halten sich mn Neid, Stolz, iioifarth, Verlftumdung,
Zanksucht um so eher erlaubt, weil alle ihre Laster durch ihre uu-
tadelhafte Keuschheit so reichlich vergQtet werden."*)
Urmnge sind öfters yerheiratet") Einige von diesen gfhüreu zu
den psychischen Hermaphroditen; sie verkehren bald mit ihrer Frau,
bald mit einem Manne; andere werden nur zu Männern hingezo^^eu.
Es ist mir eine Ehe in Berlin bekannt, wo der Mann typischer Urning
ist, wo sich aber die Frau dadurch an ihrem Mann rächt, dass sie mit
anderen M&nnem ziemlich offen sexuellen Verkehr ausübt Die Ehen
?on Homosexuellen sind trotzdem nicht immer unglackhch, da sich
einige mit ihrer Frau durch ein inniges seeliaohes Band vereinigt
fahlen. Dass aus solchen Ehen anoh Kinder her?oigefaeiit ist sicher.
Den Koitus flbt der Urning so aus, dass er entweder zufallige
Erektionen dazu benntzt, oder, um Erektion sn erzielen, sich einen
Mann Torstellt und dadnroh EkumkUumem semima m vagüiam
erreicht
Selbst wenn dsdnreh der Koitus mOgfieh ist» Yeilaliien die
HomossKnellen doch nnr selten geeoUeditlioli mit dem Weibe, da
der BeiseUaf in dieser Weise sie sehr angrsift Sie flüikn sieh
- ) Dlier weibliche Keuschheit und weibliche Tugend. Von dem Verfasser
der Frasrinento zur Philosophie des 18 Juhrhi^ndf^rt!? Tn deu Denkwürdigkeiten
aus der philobophiscben Welt, tieraudgegeben von Karl Adolf Cäsar. 2. (Quartal,
1785, S. 887.
') OiMer Unnlnd kiua bd btetorfMdun Fteaolien laicht in» leiten und die
nmisohe Natar verdecken, I.B. b^Friedrich L, KSoig von Württemberg, der
1797-1816 ref'iVrte. Er war zweimal verheiratet und hatte mehrere Kmtler,
deren eines ilim in der fiegierung folgte; eine Tochter heiratete den König J urOme
TOB WcfltftleiL üad deiHMNdi laumte der König FriedHob L die mannraftnn-
Ufihe Liebe.
GdsellBohaftlicher Verkelir mit Weibern.
189
nach VoBenchmg dts Edtni gesoliwliolit und oiolit toU befriedigt
Ein Urning, dossoD LebenBgMobichte Soholi TeiOfFentliohte, bat in
mehijähriger Ehe nur zweimal mit seiner dnrohans nicht hftssüohen
Frau den sexnellen Akt ausgeübt, da die fleischliche Vermischnng
mit einem Weibe ihm Widerwillen und Ekel bereitete; ähnlich lauten
die Berichte mehrerer Patienten K rafft- Ebings.
Jedenfalls sieht man, dass perverser Geschlechtstrieb keineswegs
mit Impotmtia coi uiuii verwechselt werden darf, dass mithin Urninge
anch Nachkommenschaft za zeugen im stände sind, da ihr Samen
normal ist.
Manche sind in anstÄndigen Damen o'esellschaften gern gesehen,
ich kenne solche, die eine Art Salonlnwi n bilden; oft freilich nur
dadurch, dass sie es infolge ihrer abnormen Veranlagung besser
als normale Männer verstehen, sich an Weibergesprftchen zu beteiligen.
Oft kommt die Beliebtheit der Urninge bei einigen Damen, wie mir
mehrfach mitgetdlt wurde, auch daher, da«s ne gerade die gesell-
schaftlich etwas vemachlftssigten Damen in ihrer Unterhaltung be-
gfinatigen, dam sie sich z. B. mit alten Hagestohinnen, die andern
Herren oft wenig fympftthiaoli aind, gesellechaffclieh leoht gern
beeohäftigen.
Dar homoseiaelle Hann wein die Sohdnheit einer Frau reobt
gut an benrteileii; er Irt radi gern mit totecesiantea Fianen der
Unterhaltiuig wegen losammen; aber es fehlt hierbei das ahudielie
Moment Selbst einer schonen Frau einen Enss zu geben, kostet
den wahren Homosexnellen ebenso viel Überwindoni^ wie es gewöhnlich
dem Hann nnangenehm ist, einen andern Mann ra küssen, selbst
wenn dieser sieh dnroh SebOnheit ansaeichnet Natflriich kann der
Urning trotzdem eelbst Qegenataad der Liebe eines Weibes werden, ja,
es können fxa ihn gerade dadnrcli nnangenehme Situationen geeehaffen
werden, da er beim beaten Willen nicht in der Lage ist^ die Liebe
an erwidern. Sa giebt einzelne feinftihlige Weiber, die den Unung
80 in sagen intdtir dorebadianeD, obwohl es ihnen eelbst nicht gans
zum Bewnsstsein kommt Eine feine, gebildete Dame erklarte z. B.
Herrn N. N., nachdem sie ihn öfter gesehen, dass er ihrer Über-
zeugung iKicli nie ini stände sein würde, auch nur eine Spur von
Liebe oder Leidenschüft für eine Dame zu empfinden. Einem anderen,
bereits in hohem Mannesalter stehenden Urning ist dasselbe mehrfach
gesagt worden.
190
Verkehr der Urninge unter einauder.
Ich komme jetzt zur EiOrterung des Verkehrs der Urninge
unter einander, sowie der Art und Weise, wie sie sich kennen
lernen. Sic geben gewöhnlich aa, class sie sich auf der Strasse und
an andern Orten auf den ersten Blick ^) erkennen. Es ist dies
eines der vielen Märchen, die die ümmge erzählen und selbst
glauben. Viele lernen sich allerdings durch die Augensprache und
das Mienenspiel auf der Strasse kennen. Es ist dies genau der-
selbe Vorgaiir,'. der beim Manne stattüudet, der nach einem ihm
zusagenden Weibe sieht, wodurch dieses auf ihn aufmerksam wird.
Wenn ein Urning X. bei einem anderen Manne Y. vorbeigeht,
der ihm gefällt, so ist er ganz ebenso geneigt, sich nach ihm
umzusehen. Y. wird natürlich auf das Umsehen und auf seine
Beachtung durch X. Gewicht legen, wenn er selbst Urning ist,
sodass nicht in mystischer, sondern in ganz natürlicher Weise
ein gleichzeitiges Umsehen und Aufmerksamwerden auf einander
stattfindet. Dass aioli die Urninge auch im Gedränge zuweilen daidk
Aneinanderdrängen und an gegenseitigem Betasten erkennen, ist äoher.
Bekanntschaften der Urninge und besonders der Mitglieder der männ-
lichen Demimonde werdeii sehr häufig dnreh die Aoffordenmg dn Glas
Bier su trinken eingeleitet, die von dem Ftestitaierten an den XFining
gerichtet wiid, ebenso dnrdi die Etagen, wie epit es ist» dnrok die
Bitte mn Eener for die Zigaire n. s. w.
Die Urninge haben in Berlin besümmte Offentiicbe Lokale, in
denen de vorwiegend Terkehren; mir sind mebreie Berliner Bestan-
rants bekennt, darunter eines der renommiertesten nnd besnohtesten
Bierlokale der Friedrichsstadt ZnweUen begegnet es ihnen, dass sie
ihr Lokal wechseln müssen, wenn sie in angeheiterter Stinmiung die
Grenzen des Schicklichen überschreiten, in Fistelstimme sprechen
oder sich mit Weibemamen anreden. Im allgemeinen ist aber ihr
Verkehr in den angedeuteten Lokalen ein anständigerer im Vergleich
mit früheren Zeiten geworden. Solche Vorgänge, die vor einigen
Jahren einen grossen Frozess gegen einen Bestaurateur und viele
Diese Anirabe ^eht darch fast tilh riücher, die über konträre Soxual-
nrnpfindting handpln; sie steht in verschiodenen Autobiopraphien von Homo-
hexuelieu; e« ist, wie Herr N. N. uiir mitteilt, (Ur den Urning fast ein Dogma,
dan einsr den andern anf den enten Blifik erkeaat N. N. mIM and «odm
objekive Urninge halten diese Bebaaptong für ginsüch falsch. Ober die Be-
df^nt'ing: des Blickes für die Erkertnnn^ seelisclier Z't^tRnde Tgl. Joseph Landa-
be rg: Die Wahrsageknnst aas der menschlichen Gestalt. 3. Anfiage. Berlin
1895. S. 171— löl.
Geselliges Lebea der Urninge.
191
Minar nnifadh«p Gute hwroiriflliBD, sebeinen jetet m diesen Lokaten
noi selten Toniikoinm0n.O Der Unemgewdhte erkennt flbrigens die
Hemosexnenen an den iMtieffiBnden Oiten ksnm; nur wenn ein Ein-
geweihter ihn aaftnerkssm maeht» dann kann er ihr Lebea nnd Treiben
genau beobachten, er sieht dann selbst^ wie von einem Tisoh zom
andern hinüber „geliebäugelt" wird.
Die Urninge bilden oft kluiui' Kroise vun 3 bis 12 Persouen, die
freuüdBchaftlicli mit einander verkehren; doch unterliegt dies, wie man
sioh denken kann, mehr oder weniger individuellen Schwankungen;
manche vermeiden es geradezu, mit anderen Leidensgefährten, ab-
gesehen von dem sexuellen Verkehr, irgendwie zusannnen zu kommen.
Bei ihren Zusammenkünften kommt es auch zu ofüziellen „Verlobungen",
die sie, die Wirklichkeit nachahmend, feiern. Es besteht mitunter
zwischen den T^rumgeu eine gewisse Anhan'jlichkeit. Als z. B. einmal
vor einigen Jahren einer starb, gaben ihm bei semer Beerdigung zahl-
reiche seiner Schicksalsgefährten das Geleit und sorgten in jeder
Weise fUr eine wfirdife Leichenfeier.
Baas es anoh zu einer Hochzeitsfeier kommen kann, ist vor
einigen Jahren allgemein bekannt geworden, als eine derartige Feier
von einem reichen amerikanischen Urning in Berlin veranstaltet wurde.
Der Vorfall kam nur Kenntnis der Polisei nnd wurde in den lages^
Vor welligen Jahron wurde in den Beiüner BUtttom die IfitteUnng ge-
macht^ dass ein Schanklokal dutoh die Polizei geschlossen wnrde. Der Bericht
über den Vorfall lautete: ,Das Innere des Wirtshanaes bot in Bnzaß auf Ans-
btattaug und Verkehr etwas Eigenartiges. Das zur ebenen Erde gelegene Lokal
heetend ras einein Vorder» und eiBem Hintenimflier; ee wer ivaBent geeduneck-
voU m^festettet und hatte anoh seinen Klavienpieler. Der Verkehr setste sieh
fast nur ans der holden Männlichkeit znsarriraon, welche sich teilweise sogar in
weiblicher Kleidung dort einfand. Doineii^ sprechend trugen die dort bediensteten
Kellner gleichfails meistens weibliche Kleidung und mnssten auch ihre mäaniichen
NanMB ftUegeiL Und wahrUeh, wer die dicke Bertha mit ihrefi lehwanea Loeken
and roten Strümpfen an den Tischeu vorbeiboschen sah, wer andererseits die
lange Anna zn beobachten Gelegenheit hatt«, der musste glauben, fesche Kellno-
rinnon vor ni^-h ?u hal)en. Unter den CMsiten herrschte die srösste Eintracht, und
,Marie!* , Bertha!^ klang es unter ihnen hmüber und herüber. Der Wirt sah
seine Gifte gern, denn sie knameilen nidit und fUUea seine TaNhen. Was
Waader, dasa er da seinen Gästen eatget^nkoin und fnr den 12. dieses Monats
ein Inn^prnfest durch ein reich ausgestattetes Plakat anp el:«ndi^'*: hatte. Ah
Preis war Geschenk ausg-oselzt worden. Rpvier- und Kriminalpolizei waren
aber bereitä seit eiiuger Zeit auf den liebenswürdigen Ort aufmerksam geworden
und lietten forlgeeettte BeiAacliCaiigen angestellt Biese iMkbea da 1HieReaeheB>
des Material für die Schliessung der Bäume gelielort Das Treiben in diesem
Lokal bilf!ft ein würdiges Gegenstfiek zu der ver knnem gemetdeten HooJueit
des Amenkane» X.*
192
Hbdmitifdtr»
blättern mitgeteilt Die Zeitongsberichte aber dieae HoelueitflliBier,
die tliitsäohUch beabeiohtigt war, Unteten folgendeniiaaeii:
«Mitte Dezember 18<>1 erschienen drpi rlei^Tuit gekleidete Herren
iu einem bekanntfin Lukale Moabits mit der Aufrage, ob der Wirt für
den 26. d. M. seine Säle zu einer Hochxeitsfeier her{?eben könne. Sie
erhielten einen zusagenden Bescheid, und ein Saal wurde bereits am
18. Dezember in eine Kapells umgewandelt. Das hierzu nötige Inventar
hatte die Möbelhandlnng von M. geliefert. Tapezierer hatten einen Alt&r
enidlteti Glrtner rdiohen Blamenflor herbeigesohaffti und da der Tag
gekmnnMn war, an dem dar Wirt aaina vomelmai Otate erwaitela,
trafen sonlehet Kriniaalboanita mit dem Kommietw Hü Her an der
Spitaa «in, walebe dem enobrookenen Wirt mitteOten, daee die m tränende
Brant der Amerikaner X. eel Alsbald rollte dann aaeli Equipage auf
Eqnipage tot, deren Inaaaaen snm groeaen Teil in DamenÜeidnng er-
sehienoi, aidi aber qpfttar als lanter Mftnner tfwieaen. Ein 'W^fßn
brachte den GMatlidieo, wie aidi apftter ergab, einm Dr. Y.; soletit
fhhr daa Bva«tpaar tot. Der Brftntigam, ein ftfiherar XTlan Z., trug
prenaaiadie Generalaomform, die "Bnealt — der Amerikaner X. — rauschte
in weiaaem Atlas mit Myrtenkranz und Schleier in den Saal, ehrfnrchts-
TOll von den Anwesenden begrüsst. Die Kriminalpolizei hatte angleich
mit der Festgeaellachafb die Kapelle betreten, und als man ihrer ansichtig
wurde, überging man den beabsichtigten Trauakt und schritt sofort mr
Tafel, welche für 4n Persoiipn gedeckt war. Bei dem prachtvoller Fest-
mahle tioss der Champagner in des Wortes wahrer Bedrutunt: ni Strömen.
Nach der Aufhebung der Tafel ging man, wie gewöhnlich hei Hochzeiten,
zum Tanze über. Das , weibliche' Element überwog bei der „Hoch-
zeifsfpier" bedeutend. Die Kosten trug X., welcher ein dickes Packet
von Hundertmarksrheinen zu diesem Zwecke mit sich führte. Die An-
zeige über dvn Vorfall soll von einem hochstehenden Geistlichen bei der
Kriminalpolizei erstattet worden sein. Diesem war durch einen der
Tranzeugen eine Mitteilung zugegangen. Wir wollen nooh bomerken,
daaa die Braut, X., die aonal ein kiiftiger Bart sierle, dieaen der Feier
anm Opfor gebraeht hatte."
Die HoBioaaxiielleii lieben es, onter einander Gesellsohaften
zu TeianrtalteD, wo sie aleh ungeniert bewegen kdnnen. Gern kommen
äe in kleinen Kreisen nutmmeD. Sie veranstalten wohl aneh einen
kidnen EaffeeUatseb, zn dem nnr etwa ein Dntiend Personen an-
gelassen wild. Bei derartigen ZnsammenkOnften tritt das Weibisehe
in Jeder Weise hervor. leb stfttie mieh auf gnto GewahrsminneT,
wenn ieh ehdgee ersfthle. Bei ehiem selchen ffatheWatseh i. E irird
zonlohst nnr Kaflbe getninken; sehon darin aeigt sieb, wie ^e Lente
Gcaelltcinftiii und Bllle.
19a
ndi in der Thai dem weiblieheti duurakter näheni, da dooh Hftnner
oeh BieM bei EaffeegeeeUsobaften in Teieinlgea pflegen, diese Tielp
mehr ein Voixedhi des weibliehen Qeeolileehte sind* „Bei dem Feit
nsien die Lente mit Hamboxger Hänbehen und lelbst mit Sebfiaen
bekleidet. Jeder nabm seine Handarbett vor, der eine itiekte, der
andere stiiekte, der dritte maehte eine HUcelarbdt nnd dergL mebr.** *)
Den Oeq^rftehsgegenstand bilden hierbei nleht etwa Dinge, wie sie
tmter Mftnnern üblich sbd, also politische, wissenscbaftliGhe Fragen;
Tielmehr ist es der echte Klatsch, wie ihn die Weiber kennen; Liebea-
geschichten, Eifersnchtsscenen u. s. w. Die Leute seil ist werden hit'rbei
zutraulich zu einauder, es kommt zu verliebten Berülirunp^en u. s. w.
Ausser den kleinen Gesellschaften yeranstalten me grossere Balle,
die mitunter mehrere hundert Teilnehmer aufweisen; das weibliche
Geschlecht ist hier gewöhnlich nur schwach vertreten,*) hingegen
gehen die T^rninge selbst zum grossen Tdl in weiblicher Kleidung.
Alle denkbaren Kostüme sind hier vertreten, Keitkleider, Ballet-
tänzerin, Zigennerin, Spanierin, Chinesin. Das Baiikostflm ist für den
TTrning ein Gegenstand grosser Sorge; einer sucht hierbei den anderen
zu übertreffen. Einer erklärt, bevor er zu einer ürnmgsgesellschaft
geht, nachdem er sich mit anderen beraten hatte, wie er sich kleiden
solle: „Aber Ihr sollt mal sehen, wie ich hento Furore maolien
werde'^ Mit Yorliebe tarnen bei diesen Ballen Mftnner mit Männern ;
die weibisehen fiewegongen treten hier mit grdsster Dentliobkeit
berfor.
Der Homoeexnelle liebt solche BAlle und zwar deswegen, weil,
wie einer mir sagte, er dooh das ganie Jahr hindafeb »Komödie^
spielen msise, nm sieh niebt vol Teiraten, anf einem soleben Balle
aber idnen Empfindungen freien Lanf lassen dflrfe. Dass die foin-
fBUigeren Homoeexoellen es vermeidso, sieh bei solehen Gelegen-
bdten Cffentlieb wa seigen, branoht kanm erwihnt an werden, nnd
es werden daher hieran gewObnliefa nnr solobe Personen Teil nehmen,
die entweder auf niederer sozialer Stnfe stehen, oder die sieh dooh
aber das Urteil der Menge leiohter hinwegsetwn.
In der Welt der Urninge eiistieren ansgesproehene Standes-
') Die obijren MitteiluoRen habe ich voo einem mir als durchaus glaub-
würdig bekanuton Urning erhalten; ganz unabhängig von ihm erziUüten mir
vaAvn ganz spontan, ohne itm ieh die ADgiben in aie bintineiamiiiierte^ Ahn-
lichea. Es sind mir mehrere Urninge bekannt, die gdegnililidi einen eotehen
Kaffeeklatsch in ihren Wohnnngen Teranstalten.
^) \y\ii meisten dort befindlicbeu Weibor g-chören za den Homosexuellen, ftbex
die im letzten Abschnitt gesprochen werden wird.
Moll, K«atr. BtsortMivfladnBg. |3
194
unterschiede. Zwar will keiner anefknuien, daee «ndeve fiomo-
sexoelle über Ihm stehen; wohl aber bettaehtet er den in eosialer
Beaehnng unter ihm Stehenden ale etwas Geringeres. Ein jüdischer
XJnüng erUftrte mir, dass es unter den HomoseKnellen kemedei sntir
semitisohe Strttmnngen gibe; ein anderar Urning eiUftr^ dass er mit
vielen Adligen verkehrt habe, nnd daas Oberhaupt kein Adetoatols
hflirsohe. Derselbe betraehtet aber unbemittelte Uininge oder Hand-
werker ftr weit unter ihm stehend nnd spiioht von ihnen und von
ihren OeseUsohalteD mit einer gewissen Qeringsohitsoiig. Obrigens ist
es gani intereesant, zu beobaohten, wie jene kleinen Änsierliehkeiten,
die man in der gewöhnlichen Welt findet» auch bei HomoseineUen
eine BoUe spielen. Sbenso wie die „ganz feinen Leute** in Gesell-
schaften das Yorredit haben, zu spät m kommen, ebenso liegt es
bei den Homosexuellen. Je feiner sie sind und je höher ihre liang-
stufe, um so mehr haben sie das Recht, bei ihren Gtätlischaftiu uüd
lidllt'ii erst zu später Stunde zu erscheinen. Die sozialen Unter-
schiede der Urninge werden hingegen nicht selten durch die besondere
Art ihrer Leidenschaften zeitweise verwischt, indem mancher, der sich
in der besten Stellung befindet, sich zu niederen Individuen hin-
gezogen fühlt. Eine dauernde Vermischung der Standesunterschiede
dürfte aber auch hierdurch nicht herbe ii^t fuhrt werden. Es liegt
Tieimehr der Fall ähnlich wie beim iieteroseiuellen Verkehr. In
sozialer Beziehung recht hoch stehende Männer, die sich geberden,
als ob alle Welt unter ihnen stände, sind ja, was den Geschlechts-
trieb betrifft, häutig ganz anders gesinnt; es kommt ihnen gar nicht
damuf an, die schmutzigsten Weiber zur Befriedigung zu gebrauchen.
Wenn sie anoh im geschlossenen Räume keineswegs das Weib fühlen
lassen, dies sie über ihm stehen, so ändert sich dies sehr häufig der
Welt g^^ftber: ein Weib, das sie früher mit den zärtlichsten Kose-
namen benannt haben, das ihnen zur Befriedigung ihres Geschlechts-
triebes diente, scheinen sie auf der Strasse kaum an kennen. Es gehOrt
diese Erscheinung sn den konventionellen Lfigen der Eoltnimensehhät
Interessant sind endlich noch die hi ITmingskreisen hensohenden
Benennungen. Unter den Ausdrfloken, mit denen die Urninge
sioh an beseiohnen pflegen, ist emer der merkwflrdigsten der, dass
sie den Urning als „vemimiftig'* beieichnen. Es bedeutet also: X. ist
auch venifinllig, soviel wie: X. ist aueh Urning; T. ist unvemfinftig
hosst: T. ist kein Unung. Um ändere Elemente von den Urningen
SU nnteracheiden, bezeichnen sie sidh auch als n^t"', aber nur dann,
wenn sie sieh vollkommen sum Manne hingezogen ftthkn. Mit dem
Bftnumwuigen.
195
Ausdnick „echt Sachen sich die Urninge besonders Ton den Mit-
gliedern der männlichen Prostitution zu unterscheiden, da bei dieser
eine Menge Individuen vorhanden sind, die keine sexuelle Perversion
darbieten. Femer haben die Urninge fOr den gewöhnlichen Verkehr
attoh noch die Redensart: „Der ist auch so'\ um damit wa mgien,
dass die betreffende Person Männerliebhaber ist.
Sehr häufig und in Berlin ziemlich allgemeiii nennen aicli die
ünÜDge im gegenseit^eii Terkehi TmteD, mitunter anoh Sohwesteni.
Bar letsteie Anadraek aoU in Wien aUgemdner. aab, wie ein Patient
Krafft-Ebinga mitteilt Es aoheint» daaa die Beseiehnnng Tante
international iat Li Pkris findet aieh naoh Coffignon gleiehMa
der Anadrock 2Ma. W|]irend Ihn aber einige dort allgemein auf
^ Homoaexoellen ausdehnen, ist dies nach Coffignon^) nioht ziohtig;
er wendet ihn nur Ar eine bestimmte Gruppe von paanven Fftdeiaaten
an, und zwar ftr di^enigen, die sich der Faderaalae zum Zweck des
Gewinnes und der Erpressung hingeben, wobei sie, um die Bekannt-
aehaft von üimngen kiehter au maoheu, auoh in intimai Verkehr
ndt einer Prostitnierten treten. Von dem in Berlin am h&ufigsten
gebräuchlichen Wort Tante haben die üminge auch das Adjektiv
tantig abgeleitet. Sie sagen z. B.: X. ist tantig, fOr: X. hat das ge-
uerte, weibische Benehmen eines Urnings.
Um den einzelnen unter den „Tanten" herauszuerkennen, erhalten
viele in den Urningskreisen einen besonderen weiblichen Namen.
So heisst der eine Lieschen^ der andere Martha u. s. w. Um ein
Lieschen vom andern zu unterscheiden, erhält jedes noch einen Spitz-
namen, der von irgend einer Eig-entilmlichkeit hergenommen ist. So
heisst z. B. der eine das Henl^elliesühen, weil er die Arme oft wie
Henkel in die Hüften stemmt. Die weibiiclien Vornamen, die sie
sich unter einiinder geben, haben im allgemeinen keine wesentliche
Bedeutung; doch ist es immerhin charakteristisch, dass fiie jüdischen
Urninge gewöhnlich einen jüdischen Namen bekommen, selbst wenn
ihr wirklicher Name keineswegs jOdisch ist; so spielen Namen wie
Sarah, Kebekka, zur Bezeichnung jüdischer üminge in den Eieiaen
der Urninge eine Bolle. Aach sonst pflegen sich die ümmge
weiblich zu beaeiehnen; sie branohen mitunter aelbst den Familien*
namen in das weibliche übertragen. Sie sprechen z. B. von einer
M ttUer'n, einer Sohulae^n, um damit den MoUer oder Sohulae hdasenden
A. Coffignon: Paris vivant: La Corrtipiion ä Paris (Le Demi-Monde
^tkmtea — SaitU-Lasusn — Le Ckamtaga, äo. tte.) — JVm. fi. 880.
18*
VerttchioMene» Weseu.
üming za iMidehnoi. Audi nach der Penoiii mit der der üming
seiDell verkebTt oder Mher verkehrt bat, wird der ihn bettiehnende
Name nicht selten gewählt. Emer, der früher ein Verhflltms mit
einem Baron X. hatte, irird z. B. noch lange nachher die Frau
Baroniu genannt.
Diu Urninge kenueii bich iu Berlin und andern Grossstiidlea
ziemlich genau ; wenn sie auch nicht immer unter einander verkeiireu,
so spricht es sich doch in ihren Kreisen sehr bald herum, wer Urning
ist und wer nicliL, wobei aber zahlreiche Irrtümer rorkommen.
Normalen Männern gegenüber sind die FminL^t" in Bezu^ auf ihr
sexuelles Leben verschlossen; sie geben ungern über ihr geschkclit-
liches Gefühl Auskunft. Es ist nicht leicht, ihr Vertrauen zu ge-
winnen, da man ihnen fast überall, wo sie ihre Veranlagung er-
wähnen, mit Hohn oder Vf-rBchtiinfr begegnet. Leute, du' mit Hohn
behandelt werden, werdeu allmählich misstrauisch gegen andere. Das
Misstrauen vieler Taubstummer ist wahrscheinlich zum Teil durch
Verhöhnungen bedingt, denen diese unglücklichen Menschen bedaner-
lieb« Weiee mitunter ausgesetzt sind. Ebenso aber wie sich Taub*
stamme, wenn sie einen ernsten Freund gefunden zu haben glauben,
fest an diesen anschliessen, ebenso sind HomosexoeUe, wenn sie Ver-
sohwiegenheit und fiinsioht von einem anderen erwarten, m weit
gehenden Anskftnften bereit
Tarnowsky') meint, dass peiiodiscbe Fiderasten noch fiel
mebr Torschlossen seien, als die anderen. leb konnte diesen Unter-
schied gleiohiUUi maohen; besonders Bpreehen diejenigen kaum mit
einem dritten darüber, die nur gelegentlich an sexueller Perrersion
leiden.
In grossen Städten wenden sich nach Tarnowaky*) die Urninge
bei Infektionen und bei ttinliehen Veranlassungen mit Vorliebe an
dnen und denselben Ant Ob dies Cur Berlin sotrlilt^ kann ich
nicht nut Sioherheit sagen; mir ist swar der Name eines solchen
Antes genannt worden, doch sdieinen mir die besQglichen Angaben
nicht gana inTerlftesig-
') 6. Tarnow.tky: Die krankhaften Erscheiunngen des GeieblechteifainM.
Eime forpnsi>ch-;* y hiatriBChe Stodie. Berlin 1886. & 48.
^) Ebenda 8. 4.
lY. Sexuelles Leben der Homosexuellea
Nachdem ich das Leben der Homosexuellen im allgemeinen ge-
schildert habe, erörtere ich jetzt ihre besonderen seinellen Verhält-
nisse, ihre Liebe, sowie die Art der geschlechtlichen Befriedigung.
Die Liebe des Urnin^'s ist oft excentrisch; fortwährend denkt
er an den von ihm peliehten Mauu, er folgt ihm auf Schritt und
Tritt und sucht seinen Gefühlen in Liebesbriefen luid Aufforderungen
zu Steiidicheins Luft zu machen. Seine Liebe reicht mitunter bis zu
einer Vergötterung seines Geliebten heran. Die Glnd'selif^keit, die
geliebte Person zu sehen, spiegelt sich in seinem ganzen Angesicht
wieder, ganz ebenso oder ?ielleicht noch stärker als bei der Liebe des
Mannes zum Weibe. Durch seine Liebe ist der Uniing auch fähig,
seinem Qeliebten die gidssten Opfer zn bringen, und es ist deshalb
die Liebe der Urninge mehrfach mit der des Weibes zum Manne ver-
glichen worden. Ebenso wte des Weibes Liebe machtiger und aof-
opferuDgavoUer als die des noimalen Mannes ist und diese an Innig-
keit übertrifft, so soll nach Ulrichs ancli des Homosmiellen
Idsbe nach dieser Biehtnng höher stehen, als die des weibliebenden
Hannes.
Kicht selten geht die Idebe des üniings bis zu einer ToUstlndigen
Hingebung seines eigenen Wesens; er kann weder den Befehlen noch
den Wttnsohen seines Geliebten widerstehen; er wird ein Werkseng
in der Hsnd desselben; es kommt im, dass der Qeliebte den Homo-
semellen dadmcfa in nnwflrdiger Weise ansbentet, gans ebenso, wie
bei der heteroseznellen Idebe oft der eine Teil sich durch seine leiden-
schaiUiohe Liebe gans und gar zum Sklaven des andern macht
Dieses OefOhl der Abhingigkeit des Urnings ist ihm oft dentlieh be-
wnsst nnd erwOnsdit Wir beobachten hierin bereits deutlich den
m
LBtdmwnhaftlifthe Liebe.
Allfang des später genauer bosprechenden Mat^ochismus und der TOB
Krafft-Ebing bei Heterosexuellen beschriebenen HöripfVeit*)
Wenn sich der Homosexuelle von seinem Gellebten trennt, indem
er den bisherigen gemeinsamen Wohnort veriasst, so entwickelt sich
nicht selten ein lebhafter Briefwechsel, in dem natürlich die Liebe
die Hauptrolle spielt In den schwärmerischsten AnsdrQoken sind die
Briefe abgefasst. Die Überschrift ist mitunter so, wie wenn der Brief
an ein Weib gerichtet wäre, und ebenso besteht die Unterschrift oft
in einem weiblichen Namen, wie ihn der Betreffende in seinem Kreise
bei den „Tanten*' gerade fahrt*) Schon Tardien<) hat aaf die
leidenschaftliche Korrespondenz der Urninge hingewiesen.
Die Liebe yon Urningen, die sich in der Jagend entwickelte,
bleibt mitunter das gaoie Leben*) hindoioh bestehen. leh weiss toh
solchen HSnneni, die ihien ersten Geliebten viele Jahre, ja Jahnehnte
nicht mehr gesehen haben, und dennoch leigte sidi beim Wiadßc-
sehen das Fener der eisten liebe. Bei andern p0egt ehi intimer
Liebeebmid mehiere Jahze nnmiterbiochen in währen.
Diese sohwtxmerische Liebe ftussert sich oft sohon in froher
Jugend. Knaben haben eine an Idebe grenaende Znneigong m
Altengenossen, die sich in der Sohnle seigt^ nnd Aber denn seinelten
Hintergrund, obwohl die Kinder niweilen kanm das sechste oder
<) Ate HSrifrkeit beechieibt Krftfft-Ebing in der Pstgekopatkia BOBuaiu
(8. 14S) ein Liebesverhältnis, bei dem der eine Teil so vollst&ndig in dem Banne
doR andem stoht, dass er als ein absolutes Werkzeug desselben betrachtet
werden kann. Sehr häufig (indot man eine solche Hörigkeit bei Prostituierteo,
dift von ihrem Odivbtoi (der gewfthnlioh «ia ZnliXlter iit) dtdudi voUsttadig
ftbhingig werden. Siehe »nch: B. Krafft-Bbiag: Bemetkoagea Uber ge-
schlechtliche Hörigkeit und Masücbiamns. S.-A. ans den Jahrbtlohern für Psych-
iatrie, 10. Band, Heft 2 und 3. NVh Paul von Gizycki (Das Weib, Frag-
mente aar Ethik and Psychologie aas der Weltlitteratnr. Berlin 1697. S. 763)
erUiile beieifB der Bnüaer IVdiieiberioht Kam Jahn 1800, da» die Znhllter
«iMtedieiie» meht benUfee jonge Miimer leien, welebe alt liebhiber pro-
stitnierter Franenspcrsonea aoftretea uid eiaea |ie]rehokgia<di bedwitwamea Bin-
flass anf sie ausüben.
') So »ah ich den Brief eines Herrn X. an seinen Freund Y. mit der An-
rede „Sflsie Anmt" und der ÜatefMhrift »Deine Bavtha". Die mir flelchfUb
gWMigte Photographie einet üniaga entkielt auf dar Bfl^^MlIe all Widmaag
aa aeiaea Oeliebtea die Vene:
.TniTner schneidig, fesch und chic,
So hat man bei uns Damen Olficic.*
') Ambroise Tardien: £Hude medico-U^aU mrles attentats aux itueurs,
Parü 2858. S. 127.
«) AlMiaga beswelile i<A, ob diee bei «laaemdim Zmaameaiehea der
IUI wIn.
LriteaadttlUidM Liebe.
190
fliebeiile Lebnugalir übereeliritteii haben, kdn Zweifel bestehen kann.
Sie Enahen geben aelbst sfUet oft an, dase sie bei eolehem Verkehr
mit Altengenoasen Erektion hatten, und dass sie sieh bereits als
klehie Kinder gegenseitig an den Qenitalien spielten. Ein Urning,
dess^'Erankengesohiehte Ton Kr äff t-E hing Terfilfontfidit warde,
«lUirte, dass er mit 10 oder 11 Jahren, als er eine Sebwaimerei fttr
^en hflbsohen Knaben gefasst hatte, jene sfisse Sehnsädht empfand,
iH» fKr die liebe oharakteristisoh ist Besonders hftnfig erfUiren ivir
Ton Homosexaellen, dass sie mit ihrem Nachbar in der Schule ein
inniees Verhältnis gehabt haben, dass neben einem bestimmten
Kiialien zu sitzen ihnen i^ossen Reiz gewährte. Auch die Geschlechts-
organe spielen hierbei mitunter schon frahzeitig eine Rolle. Es kommt
vor, dass noch vor der Entwicklung von Sper})ia bereits eine Flüssig-
Iceit sezcmiert wird, die wohl als Samenl) lasen- oder Prostatasekret
anzusehen ist; aber auch ohne Flüssiglieitserguss sind mitunter die
Geschlechtsteile schon frühzeitig bei Berühruncf durch den Geliebten
der Sitz eines Wollust bereitenden Kitzels; solche Angaben sind
mir von verschiedenen Seiten gemacht worden. Indessen mnss
auch hier, wie schon öfter, an das Stadium der ündifferenziertheit
des Geschlechtstriebes erinnert werden, das, wie Max Dessoir^) mit
Recht betont» sehr leicht eine frOhzeitige HomosexoalltAt Tortaasohen
kann.
Wie gross die Leidenschaft der Urninge mitunter ist, und wie
sehr sie im stände ist, bei ihnen alle edleren OefQhle znrUckzadrftngen
und schlechte Handlungen selbst nahe stehenden Personen gegenüber
herbeiznfahren, soll folgender Fall zeigen, der mir aus Berlin bekannt
ist Ein hiesiger Urning X., an dem niemand eine sohleohte Charakter^
eigenaehaft m entdeoken Tsrmoohte, ist in einen andern üming Y.
verliebt; beide haben schon lange ein Verhlltnis mit einender. Wie
es aber aneh sonst leicht Torkommt, so tritt bei ihnen oft ehi Streit
ein, der nach einigen Tagen beendet ist und sie nur noch inniger an
einander kettet Dennoch hat X. die BefBrehtnng, dass er die Liebe
des T. imd damit diesen selbst einmal verlieren kflnnte. Um dies
IQ Tsrhindem, wird yon X. ein geradesn niederträchtiger Plan ver-
folgt Er wiU aflmlioh den T. mit seiner, d. h. X*s Schwester ver^
heiraten* X. behauptet, seine Sohweoter sehr sa lieben, er ist fest
?on dem schweren Unrecht, dasa er Ihr antiinn will, oberzengt; er
weiss, dass T. nicht im stände sein wird, seber Sohwester in der
') Max r)p«^nir: Zur Psycholog-ie der Vifa .«^.T»rtr//>. S-A. aus der Ali-
gemeinen Zeitschnft riir Faychiatrie and Medizin. 50. Band. S. 2.
200
ÜDglteklMha Liebe.
Ehe zu genugeD, aber des X. Leidenschaft für Y. ist za gross, um
derartigen Erwäguogea Gewicht zq Terleihen. T. ist^ wie ich duroh
den X. salbst weiss, ganz eohter Urning, der zu Weibern noch niemals
eine Spnr von Zwneignng gehabt hat; dennoch sucht X. eine Ehe ta
stände zu bringen, weil er den T., wenn er sein Schwager wird, ohne
jeden Verdacht stets in seiner Nfthe haben kann. Durch einen Streit
nrisehen X. und T. Ist seUieislieh die Heint verhindert worden.
Immetliin aber dürfte der ümstaad, dass X. emstUoh den Plan hatte
und die AnsAdurong vorbereitete^ efaaraUeiistisch KU die Ifsoht der
Leidensehaft sein*
Von der sohwftnneriseheii Liebe der Urninge soll aaoh folgender,
mii von einem nniischen, etwa 38 Jahre alten Ante X. sogesendeter
Erankheltsberiöht sengen. Bs handelt sieh hier am einen Fall von
ungloeklieher Liehe, indem der betrdfende Ant einen andern Haan
liebte, der offmhar anoli ümingsnator besass. Indessen Üand X. hebe
Gegenliebe; vielmehr schenkte der andere später seine Liebe einem
dritten Manue, mit dem er ein intimes Verhältnis anknüpfte, und mit
dem er auch später zusammen wohnte. Über diese Verhültiiiääe
schreibt mir der Arzt folgeudes:
, . . . Ln Jahre 1886 lernt« ich dem kemioi, der meinem Libfln
den entsdheidendea Bihalt gegeben hat Er war jung, liebenswürdig,
eine KfinsUematnr , er hegte CBr mich eine zarUicH leidensdhafUiohe
Neigiug, voll Anfopferung and Sorge für mein Wohl, aber es war die.
Liebe nicht; ich ah«t nahm seine scbwürmerische Sympathie für eine
grosse Leidenschaft, wie ich sie selbst ihm entgogeDbrachte. Der Irrtum
war nm so leichter mOgUob, da sein Wesen za mir der Liebe nm ein
Haar ähnlicli sah.
,Aus diesen PrHmissen musste sich mit Notwendigkeit emo Reihe
von Konflikten entwickeln , die für mich so grausam und zei störend
wirkten, dass ich seitdem keine btunde melir froh war: Heiterkeit,
Schlaf, Arbeitslust, Interesse, alles war vernichtet; der Grimd war der,
dass er mit mir gesclaiechtiich nicht verkehren mochte. Es geschah
wohl im Anfang einige Male, aber dann wirkte jeder Versuch lu diesem
Sinne, der von mir ausging, gerade gegenteilig. Diese ewigen Yer-
söhm&hnngen, dies« tOÜM^e Yerietsen mwier Bnqpfindungen, die sieh ja
nur auf ihn konsentrierten, braditen raioh &8t um; dabei blieb er immer
derselbe Freondliehe^ GlUage sn mir. leb snebie nadi Chrflnden ftr sein
Yflzhalten; wamm gefiel ich ihm hSrperlioh niehtP Wae hinderte, dass
ieh einen Beis fttr ihn hatte? Diese Oedankeii qnXlten nnoh naenlhflriich,
Teg imd Naehi
,1Sndlieh, naeh fturehtberen inneren Kämpfen schrieb ich ihm, dass
201
ich ihn nicht xnelir lehen wolle; er kam ecrfioit sn mir, weinte wie ein
Kind mid beeeliwor mioh anf den Knieen, ihn nieht n TenhMBen; astOr-
lieh war idi sehwaoh, mid allee blieb beim alten. Eine Zeitlang ging
ea nun, dann erwaditen die alten Wünsche wieder in mir; denn die
Liebe, die sich auf einen Gegenstand geworfen, ist zu sehr an die Sinne
gebannt, aU daas aie dieaelben ignorieren könnte. Kein anderer konnte
mir ersetzen, was er mir versagte; neue Konflikte, neue Qnalen. Trennen
konnte ich mich nicht von ihm, nnd doch besass ich ihn nifht, dabei
waren wir immer zusammen. Er hatte keine anrlerfn Bekanntschaften
und liebte mich, wie er f'ag'te, über illas. Ich rn;i( hte mehrmalige Ver-
suche, mich aus dem l'anne zu befreien, die jedoch ic^mer dasselbe
Schicksal hatten; aber dar Nichtbesitz, dieses ewige Greifen nach einem
schönen Wahngebilde, das bo nahe vor meinen Augen schwebte, und das
ich doch nicht erreichen konnte, machten mich seelisch zu einem anderen
iJeiischen. Der Argwohn, der nagende Zweifel untergruben memeu
Frieden; die vielen Bätsei, die mir jeder Tag aufgab, suchte ich zu
USaen nnd sermarterte mein Gehirn mit einer Antwort, die mich be-
mhigen idlt&
tOrei Jahre hatte das nnu gedauert, ieh war physisoh ebenio wie
pqrehisch nuniert; d» lemte er einen jongen Mann kennen, die Liebe
sog in sein Hen ein. Er eniUte mir, nadidem die Ne^ong nngeAhr
drei Wochen beataaden, eines Tkges selbst das Torgefidlene. Alle
Bimonen, die in der Hanseheabnist wohnen, waren ton dem Angenblidre
an in mir eufctaelt» ieih bitte ihn am liebsten ermordet nnd dann nach.
Der Gedanke, daas aUes, was ieh seit Jahren ersehnte, jetst einem anderen
gewihrt wflrde^ daas sein Sinn nnd sein Ken einem anderen gehörten,
machte mich fast wahnsinnig; es blieb mir nur übrig, das Glfiok der
beiden mir mit krankhafter Phantasie auf das schönste auszumalen zur
eigenen Qual. Was ich früher empfand, hatte sich verwandelt in den
Wunsch nach Vergeltung,*) wenn ich selbst es auch nicht über das Hen
brächte, difs aii^^zuführpn Eigentliche Eifersucht habe ich nicht empfunden,
da der dritte mir nichts genommer battr\ was ich besaSS, ond mein
Lebensglück nur von dem zerstört war, den ich liebte."
Hioimit endet die Schüdenmg, die nüi der betEefEsude Ant X.
TOB Minem aeeliseben Zustand gab. Idi hibe den Heim penÖDlieh
ge^rodieii mid onus bemeiken, dass ieh selten «inen eo bedanems»
werten Heneohen gefunden habe^ wie diesen von Seelenqoalen heim*
gesaebten X BesondeRS verfblgte ihn der Gedanke, sieh an dem
enden, der ihm die Liebe Tenreigerte, dafür tu lidien, dass er Ihn
so Isnge hingehalten hatte, ohne ihn wissen in hissen, ob er ihn
liebe oder mdht Hordgedanken tanebten in ihm auf mid nahmen
- ) Der BrieÜBchreiber meint damit Ermordong des von ihm Geliebten.
902
IbgttAIkdwXialw.
zeitweise den bedauernswerten X. vollständig geftagen. Naeh einiger
Zeit sohiieb or mir irieder am säneni Heimatsorti^ md dieser Brief
Ist elMiifidls in muiöher Besiehimg diarakteristiselL Ich wtO einige
Zeilen mitteilen:
, . . . Die loiternden Vurstelluugea einer verrateueu Leideiischalt,
Immd mich nicht einschlafen, sodass ich genötigt bin, hin und vrieder
snm C9ilfn«lhydrat sn gidfoL Meine Trftome sind nur eine FortBetzoog
der WirUieiikeit und geben ihr an 8elimenliaftt|^«it nichtB neeh. Wie
das einmal enden soll, ist mir noeh uoht recht Uar; aber elementare
Empfindongen geben wobl immer ihren eigenen Qang. leb bebe schon
daian gedacht, fllx immer Ton hier forUngehen und wtbrdc es aneh ümn,
wenn idt nicht wllsste, daas mein Dimon miirttst. Die emsige Temnnft*
gemisse Lilsnng des Konfliktes ist der Tod, «ber drei Henscben, denen
ich allea bin, würden mit dann sa Gmnde gehen.*
X. hatte meine Hilfe und meinen Rat erbeten, um die ihn fol-
ternden Gedanken zu verlieren. Wahrend Patient in einer au leren
Stadt weilte, als der von ihm früher geliebte, später so sehr gehalste
T., fühlte er sieb erheblich wohler, er verbrachte einige Nächte ruhiger
und konnte ohnp Schlafmittel schlafen. Aber als er in seine Heimat
zurückkehrte, iimierte mch dies wieder.
X. ist mehreren Familienmitgliedern dit: einzige Stütze, worauf
der letzte Satz des eben angefahrten briefes hindeutet. Er hat mir
später wieder geschrieben, und zwar nach Verlauf von etwa 2 Jahren
seit seiner endgiltigen Trennung von Y. Er hat es versucht und teil-
weise eneioht, dmoh seine Berofeth&tigkeit und Arbeit seine fia4die-
gedanken in yerlieren.
»In den letaten swei Jahren habe ich so daUngelditi mehr auto-
matisch als von eigenem Lebenstrieb nnd Ton eigttier Lebensfreade
besedt Mein Empfinden im allgemeinen ist dasselbe geblieben. Wie
es nngeiUir in einem soldien Gemfit anssiehti ist stellenweise recht gnt
beschrieben in dem Bnche tod P. Bourget, Fhffskioffie de Vammr
moderne. Ich halte das Bach iBr einen sehr anerkennenswerten Tersach,
der grosssn Neniose Liebe einmal wissensdiaflilidi systemataseh nähor sn
treten. Ich habe jetzt, viel BesohUtigung für mich, imd nur dies macht
mir flberhMipi das Leben erträglich. Mit der Zeit .«stumpft sich auch der
grOaste Schmerz ab, imd man begräbt sein Hera in der Arbeit. Gnty
dass man es los ist*
Durah einige Fragen siiehte ieh dis klinische Bild des FUles za
TerfoUstmdigeD. leb foge die Antworten, wie sie X. mir gab, knit
binzn.
203
10. Fall. X., 38 Jahre alt, leidet an konträrer Sexnalempfindoog,
abpr nicht diese als solche veranlasst ihn, mich zu konsultieren, sondern
es waren bestimmto Ideen, die ihn folterten, und die ihn an einen
bestimmten Mann, Y., fesselten. X. hatte diesen Manu geliebt, oline
dass er die Liebe erwidert hätte, vielmehr schenkte Y. seine Liebe
einem dritten, einem gewissen Z., der ebenso wie X. und Y. an konträrer
Sexualempiindung leidet. Die Erinnerung an Y. verfolgt nun den X.
ununterbrochen, seine frühere LfiidRnscbaft hnt sich zum Teil in Rach-
sucht verwandelt, die manclimai so stark wird, dass er den Y. am lieuüten
ermorden mOohte. Derartige, den X. körperHch und geistig ruinierende
Gedaak«!! ▼«nalaMteii ihn, sich ui mich um Rat zu wenden.
X. stammt von einer an einem Nervenleiden erkrankten Mutter, die
Ton hirfoingttdw JaHuSßgmn jgL Bs etgiebt sktb dies schon daraos,
dan X. ab «rwMhMntr Mmui lllMr teiDe smdl« Parrmon lenwr
Mutter lfitt«Uiiiig mMhen kooiktek da er bei dieifr mehr eis bei irgend
einer anderen PerMm Terefcindnis fOr aein onglftoikUdieB Sehiokaal finden
konnte»
Über aeäne aowfcigen VerhflUniaae gab X mir fdgende Anaknnft:
«Als Kind tmg ksh gern Aeaenkleider nnd q^ielte aOerhand weib-
Bohe Bolkn darin; doeh bat aidh diea in ep&teier Zeit ▼oUkommen ver-
Icien. Die Eitelkeit bei mir iat snm gnaaen Teile flberwandea, und
was mit ihr raienunenhBqgti die Snofat an gefallen, geliebt an werden,
bewondeit an weiden, ist faat Tevsobwonden. Die Bitelkeit fl^te aber
einnial, ebne dass iek ea atlbst «rkatuit bitte, eine groaae Bolle in nmnen
Leben. Die Koketterie, die eine sehr ti«%reifende Gemütsanlage ist and
sich ebenso sehr auf sexuellem als auf geistigem Gebiet findet, war eine
Krankheit meines jugendlichen Seelenlebens. Nach der f&r mich so
traarigen Geaohichte einer nnglücklichen Liebe hat eioh aber die Eitelkeit
ganz und gar verloren, wenigstens scheint es mir so; denn es ist mir
alles jpfzt ^anz gleichgiltig und freudlos geworden. Wäre dieser Znstanfl
der Freudlosii.'keit nicht vorhanden, dann würde ich möglicherweise der
Alte sein, da mau ja seinen Charakter niemals ganz verändert.
Was meiiii n Charakter betrifft, so sagt man von mir, ich sei freund-
lich, liebenswürdig im Umgang, Ich habe lebhafte Empfindungen, die
PhfuitasiG ist lebendig. Was ich mit Lißbe thue, geschieht mit Fleiss
und Beharrlichkeit; nie konnte ich unbcschaltigt sein. Mein Wille ist
aher leicht zu beeinflussen, jedoch mcht hange, da mich die Überlegung
gewöhnlich bald auf meinen eigenen Weg zurückfährt.
Iah habe im allgemeinen immer viel Selbstkritik geHbti bin dabei
aber anf ao nnefklirliohe Widersprüche in mwnem ganaen Wesen ge-
stossen, daas ioh mir amdi beute noch oft ein Bitsei geblieben bin. leb
habe in der Sohnle gnt gelernt, hatte viel Sinn für Sprachen, fttr Poesie,
Litterator nnd Philosophie. Alle Probleme, besonders die psyohologiscbeni
204
OlttcUidw liebe.
interessierten mich immer, Innge bevor ich wnsste, daBB ieh selbst ein
unglückseliges psycho -pathologisches Problem bin.
Musik ist meine grosse Liebhiiber'^i. Ich habe pir- immer sehr
priii iiiich betrieben. Besonders ziehen mich aber Kompositinner ernsten
Inhalts an, bei <^pnen es viel zu denken giebt, in denen viele Themata
kunstvoll kombiniert und verarbeitet sind. Chopin z. B. würde mich
mit seiner Gefühlsschwärmerei auf die Dauer nicht befriedigen. Dennoch
spiele ich gelegentlich auch die Stücke dieses Komponisten gem.
Eigentliche Päderastie habe ich nie getrieben. Manuelle Befriedigung
genügte mir vollstlLndig. Insbesondere war meine sexuelle Befriedigung
mit einem Künstler, zu dem ioh micli blngezogen fBUte^ nur ntennelL
AUordings weiss idi, dass gerade diestf andern gegenüber immer pftde-
ras&idie Neigungen Iiatte» mir gegenftber ab«r nicht Meine Erlebnisse
mit der Ftranenwelt lassen sieh dahin insammenftasen, dass idi stets der
passiTe Teil war. Neugier, Eitelkeit, Unkenntnis meines eigenen Hertens
▼eranlassten mich, laweilett die Sadie xn bt^gflnstigen. Idi hoffte immer,
dnxch ein normales Liebcsrerhlltnis von meiner krankhaften Anlage sn
genesen. Den Oesohleohtsskt konnte ich nadi einiger Anregong dnreh
Alkohol') gans gut ansfUhren; indessen das seelische Moment, der eigent-
liche geschlechtliche Reiz fehlte. Weibliche Schönheit liess mieh kalt
Beim K<ntns hatte ich übrigens nicht die Vorstellung eines Mannes ; durch
energisches Anpressen des Weibes und meehanische Bemühungen in dieser
Weise gelang es meistens, Erektion hervorzurufen, der dann auch bald
Ejakulation folgte: manches Mal missglückte auch das Experiment. Seit
6 Jahren verkehre ich nicht mehr geschlechtlich mit Frauen, weil ich
selbst sehr wenig davon habe und die Sache auch sonst keinen Zweck hat*^
Wie mftohtig die Leideiiaehaft des üioinge sein kann, dürfte
wohl aus dem wiedelgegebenen Briefa Uar lier?oigelien.
Die Zeitk wo der TTming glüeklioh lieht, hat ftür ihn etwas
Erhebendes. geistiges nnd kOrperUehes Befinden wird hesssr,
ArbeitsflUiigkeit nnd Leistnngsfähigkeit nehmen zu, gaos ebenso wie
btt einem noonalen jungen Manne glückfidie Liehe oft sehr günstige
Einwirkung s^gt Doeh wird ftbr den Urning die Sitoation sehr
traurig, wenn er keine Gegenliebe bei dem Manne findet dem er
') B. Tarnowsky (Die krankhaften Erscheinungen des GeschlechtssiDnes.
Eine forensisch-paycbiatriscbe Stadie. Berlin 1886. S. 60) meint, dass mancher,
der in aeinem gewöhnlichen Zustande einen perversen, sexneUen Akt nieht ana-
fahren würde, sehr leicht dazu im Bauscbcuätande Texanlasst würde, da ihm die
Selbatbeherrschnug fehle, nnd die sinnliche Regiorde gesteigert sei. Ich Tcrfi^tfe
ansspr ilem obt<»en Fall noch über andere Beobachtungen von Häonem, die unter
normalen VerhiJtnissen nicht iin stände sind, den gewöhnlichen Geschlechtsakt
animfilhTra, die es aber in Beasdunstande kSnnen. '
l>auor der Beziehougou zwischen Homosexuellen.
205
seine Neigung geschenkt hat. Es kann unter solchen Umständen
zu SelbBtmordgedanken, ja zum SelbstmuKä kommen. Mir sind zwei
Fälle von urnischen Männern bekaiiut, die in Folge unglücklicher
liiebe zweifellos ihr Leben freiwillig geendet hätten, \Yenn nicht
Verpflichtungen gegen Angehörige sie zurückgehalten hätten. Dass
mancher nicht aufgeklärt« Selbstmord von Männern in ungläckUcher
Liebe zu Männern seinen Grund hat, ist wahrscheinlich.
tiber die Dauer der Beziebongen zwischen Homosexuellen teilt
mir der eine folgendes mit:
«Mit AnBralime ewes eiaugeB hftbe ich niemals einen kontiir
SexiuUaD gdbumt, d«r nidit «in »TtrlülltBis*, d. h. dne Lieb«uffilre,
ein« ^mMSgnag ta itgend «nein Ifano hatte. Alle «ndem haboi wedgstens
xwd oder dm solche Ndgongen gehabt, nnd die meisten Homo-
sexuellen haben viele gehabt Die mdsten dieser Ne^ongen be-
stehMi nur ttne Zeitlang und haben nur wenige Jahre Dauer, nnd es
Itomint BOgar selten dabei vor, dass diese Leute nicht in derselben Zeit
mit anderen Männern geschlechtlichen Verkehr babon. Ein früherer
Freund von mir bat solche Beziehungen g^e;]^enwilrtig mit einem nn-
verheirateten Mann, der '> .lahre jünger ist als er. Es begann das Vpr-
hältnis vor 4*/^ Jahren, und die Neigung scheint, noch g«'br -iv^rm zu
sein. Mein Freund ist Musiker, und s<:'in Geliebter OpemsUngcr. Wenn
sie zusttuimen sind, dann habuji sie nichts uiit anderen Miinnern zu thun,
aber wenn sie getrennt sind, dann schliessen sie sich auch anderen an.
Ein anderer Freund von mir luitto vorher T) Jahre bindurch ein Ver-
hältnib mit emem verheirateten Mann, der augelUhr dasselbe Alter wie
er hatte. Aber er war sehr eifersüchtig auf meinen Freund und wollte
niemali, daaa er Yericehr stit anderen haben sollte, selbst wenn sie für
lange Zeit getrcont waren. Hein jetziges Yerhlltnis nnd idi, wir ^d
damit einTentsoden, daas wir geBchleehtliohen Yerkehr mit anderen
Minneni haben diifen, wenn wir von einandw getrennt nnd. Bin
anderer hat eine Aniahl solcher Keignngen gehabt» eine bestand 9 Jahre,
nnd wlhrend der enten 5 Jahre dieses nenigShrigen Verhlltmases hat
er niemals einen andern Mann berfihi^ ^ glanbt, daaa anoh sein Ge-
liebter ihm ebenso tren war. B« einem anderen HomosexneUen hatte,
als idi ihn kennen lernte, die Neigung boreits 21 Jahre bestanden. loh
kenne swei verheiratete Msnner, beide wohlhabende Rentiers, swisdten
denen eme solche Beziehung zwei Jahre bestanden hat. Kemer von
ihnen würde angeben, dass der andere geschlechtlichen Verkehr mit
anderen Männern hat. Zwischen zwei anderen, die ich kenne, hat ein
solches Vorhültnis 7 Jahre bestanden ; aber beide haben sehr freien Ver-
kehr auch mit anderen Männern Ein anderer hat mit einem jungen
Mann 7 Jahre gelebt; sein jüngerer Freund mehr als 8 Jahre. Aber
206
Platomfiche Liebe.
ersterer schliesät sich dabei auch an andere Maiiner aa, die sein (ieliebter
niobt kennt. Zwei unverhainiieto M&aner, GeschUftscompagnons, die beide
ungeföhr 45 Jabra alt aiadf baben «tm 11 Jiibn mMmmen gelebt, aber
jedem Toa flin«n war es geatattet, geechlechtliehen Verkehr mit andereB
an haben, wenn er es wOnaehte. ESn Qymnanaldirektor nnd em Branacei-
bedtser adner Bekaimfaehaft, beide miTerhaizatet) haben wie Mam ud
Weib 18 Jahre avaammen Terkehrt Man mnaa jedoclk bertUdnehtigeii,
daSB gearade YerijUltniaae ▼<« laqger Daner mia TerhlUtniimlaaig viel bekannt
werden; knn danerode Neognngen werden wahrBCbeinlich aohneU ver>
geaaeo, und man hOrt wenig Uber lieb Aber daaa fast jeder Homoaezoelle
solche Beakhnngen hat oder gdiabi hat| das kam keineni Zweifel
nnterlisgeo.*
Wenn auch aus den Berichten vieler Urninge hervorgeht, dass
sie einer tiefen Leidenschaft für den geliebten Mann filhig sind, dass
sie ihm grosse Opfer zu bringen vermögen, so scheint es mir dennoch
fraglich, ob sie einer das ganze Lebend dauernden Liebe fähig sind,
wie weibliebende Manner, zumal da ein Hauptbindemittel, die Gründung
der Familie, vollständig fehlt. Selbst ein Urning schreibt mir über
diesen Punkt: „Eine treae Tante ist eine Contrnflicfio in adiecfo:
chaque tante varic; fol qui a'ij fie. Allerdincrs behaupten alle Tanten,
sie können treu lieben; aber wenn sie ehrlich wären, müssten sie das
Gegenteil gestehen.** Es braucht wohl die Frage nicht ernstlich er-
örtert zu werden, ^e man sich zu dem Projekte von Ulrichs za
stellen hat, der die geaetsUobe BiDfahrang der Ehe swisohen Urningen
in Vorschlag brachte.
Die Liebe der Homoiexnellen ist mitunter hauptsächlich auf die
psyekisohe Seite besehzftokt, d. h. sie ist niokt darauf gerichtet,
einen eexaellea Akt yoinmekmen; wenigstens kommt ein devartiger
Wmuch ihnen nicht zom Bewuiteein oder bleibt viehnehz; me mir
ecksint, nur eine gewisse Zeit latent Von einem Urning, der g»-
echleekfliek nur mit normalen llinnem Terkekrsn kaam, weies iek^
dass er dennook ein besonderes KVerhaltoia** mit einem Ürnäng kat^
das aber so in sagen platönisek iei
Es dürfte wohl hier der geeignetste Ort sein, einige Worte über
die platonische Lie be zu sagen. DLiriiber, was man hierunter zu ver-
stehen hat, hört miin gan?, verbchiMilciu' Auslebten. So oft das Wort
gebraucht wird, fast ebenso oft kann man beobachten, dass der es Aus-
sprechende keine Ahnung von dem arsfariuiglicheD Sinn bat Schon
') D. h. bei danmidoiii ZunnmenlebeD.
I
flahüdielM lielw.
207
Meiners') Uagte darfiber, den er am dem aUgemeinen uirioliligeii
Oebxandie des Amdrueki «platoniaoiie liebe* dhe^ wie wenig maii eitdi
um die walure Bedeutung diaaer Wfiiter 1»ekfiniineit habe, in einer
Arbeit ana dem Jabre 1738 von Yetier*) heiaat ea: Ex äUegidis hiaee
tg^paret amarm, de quo agere eonsHim, dupUeem esse. Est seUkä vd
a) hiiUU$Uiudia a, IHaianiem vd,
h) Srnt^ümtSt quem eHam JPkyaieim cKesrs jwssMnms.
Ans der FortaeCimig dieser Arbnt g^ aber hervor, dasa der Ver^
faaaer aaeh nur die befearosexnelle Liebe unter «ner platODiaahen ver-
steht. Yoltaire*) identtfisiert die aokratiscibe Uebe mit der platcmischeu.
Unter der sokra&cben Liebe aber Terateht man wohl überhaupt keine
heterosexnelle, sondern die Liebe, die Sokrates an seinen Lieblingen
empfuDden haben soll, und von der die einen meinen, sie sei sinnlich,
die anderen, sie sei rein geistig gewesen. Jedenfulls hat Voltaire damit
vollkommen Recht, dass platonische Liebe in erster Linie nur ein homo-
sexuelles Verhältnis hezeichnen kann. Neuere Autoren, z. B. Lenhossök,^)
Hermann Klcncke*) und riele andere haben diesen Gesichtspunkt voll-
stündig verloren. Ho meint erstcrer : ,Bei der platonischen Liebe scheint
der Gemütszustand des Liebenden ein reines, von allen Be«i;ehrungen
freies Gefühl, das seine Befriedigung in sich selbst enthii't, ine Wonne
in der stillen Bewunderung, in der begeisterten Hochachtung des geliebten
Gegenstandes findet." Klencke versteht unter platonischer Liebe die
Liebe, bei der kein sinnliches Begehren stattfindet, wo es den Liebendon
genügt, die- gegenseitige Zuneigung zu erwerben, und wo durch den
Zügel der Vernunft tmd Sitte jede sinnliche Lust sofort bekämpft wird.
Haass*) memt, es gebe eine platonis^ lAebe und swar in dem £Snne,
dass das Traditen nadi wirUicber Befriedigung des Triebes entweder
dnreh dunkle Vorstellungen, z. B. von Entweihung der geheiligten Person
der Oeliebten, oder durdi einen bewnssten Vorsata, gftnalioh unterdrflckt
wird.
') Christoph Meiners: Betraditoagea Uber die Hfeanetliebe derOiieohen
nebst einem Aussage aus dem Ha t mahle des Hato. Venniaebte philosephiflohe
Sduifteo. 1. Teil. T.pipzitr 17V5. S, 00
') Joannes Matthaeus Vetter: Duijiertalio inauffuralü medica de
mortü OfnaioHü. Brtangae MDCÖLXXXVIL S. 10.
Voltairei AmMmmmmt« pkilo$ej^4qme, Artikel Amam aoenUqM in
Ommxif fomjMfs de Vollaire, Tome trenie-septicme. Ootha 1786. S. 254,
- ) Michael \ou Lenhotisok: DarstoUung des mensohUdien GemUta.
a. Aoilage. ä. Bd. Wien 1834. S. 366.
') Hermann Klencke: DÜtetik der Seele. 8. neu durchgearbeitete und
Tenaehxte Auflage dea Bndiea; Vit menaobltehen LeideBaohaflan. Ldpstg 1878.
S.S96.
- ) J. G. E. Maass: Versnch über die Leidenschaften, theoretisch oAd praktisch.
Zweiter oder beaonderer Teil. Halle und Leipzig 1807. ä. 292.
206
flttoiiadw iMbe.
*
Wiegand^) spridit sich ziemlich aosfohrlich über die platoniscdio
Liebe aus. Er trennt sie einerseits T4M1 der Freundschaft zwischen Mann
und Weib, erklflrt aber andererseits auch dia Anaiohi ffir irrig, dass
platonisch« Liebe nur eine SchOnfärbiuig jenes nnnatürlichen, unter dem
Namen I^derastie verrufenen Lasters sei, dessen Vorhandensein bei den
CTriechen Wiegan d übrigens nicht bestreitest. Im Anschkiss hieran
schildert der Verfasser seine nicht ganz leicht verständliche Auffassung der
platonischen Liebe. Wenn ich auch die ÄTiffassung dieses Verfassers,
die hier wiederzugeben zu viel Kaum beanspruchen würde, nicht für richtif?
halte, 80 hat Wiegand doch mit Recht auf das Irrige tks gewöhnlichen
Sprachgebrauchs hingewiesen. Flcury'^) spricht z. B. von platonischer
Liebe, wo ps sich um eine gewöhnliche Leidenschaft, eines Mannes um
ein Weib handelt, und das Weib, obwohl es den Manu gouv. gern hat,
»US kluger Berechnung sich ihm nicht hingiebi Das ist natürlich ein
Tollstftadiger Missbraoeh diases Wortes,
Wenn mc dm Ursprung der phitmusobtii Liaba ia Piatos Sehiiflsii
stodkren, so gabOrt sv deren Begriff unbediagt «in VorbUtais vom Msmi
mm Mann oder zam Jüngling, so dass man von plaioiiischar Lioba «aigani-
lioh niemals odar doofa nur in übertragaosm Sinne bei amsm yerbiUnis
vom Mann «un Weib spreeken kann. HOssli braiudit platomseb« Liebe
sogar fiHr gleiofabedenteod mit mannminalicher Liabe^ und flbnlieb drftokt
sidi Symonds^ ans. H. T. Finok^) hat im Ansofaloss a& George
Grote die gleiche Ansieht geBnssert Auseinander gehen HSssli nnd
Finck durin, dass ersterer die auf geistiger und körperlicher Zuneigung
beruhende Liebe mit dem ihr anhaftenden sinnlichen Triebe betont^
während Finck mehr die leidenschaftliche Glut romantischer Liebe ohne
körperlichen Geschlechtsakt hervorhebt. Meines Erachtens gehört es aber
zum Begriff der platonischen Liebe, dass nicht etwa die Homosexuellen
von ihrer Neigung, den sfTuellen Akt auszuführen, durch sittlicbp oder
strnfrocht liehe Bedenken al)£{ehalten werden. Wenn wir eine platonisi he
Liebe anerkennen, so ^viinle ts vitliinlir tu deren Begriff gehören, dass
gar nicht die Neigung zu einer sexuellen Handlung besteht
- ) Wilhelm Wiegand: Die wis^en^^'^^haftlicho Bedentimg der platonischen
Liebe. £me in der Gesellschaft für Wiääuoschaft xuid Kunst zu Gieeson ge-
haltene Voilesvng. Sammlang gemeinTetstiDdlicher räBensohaftlkhar YorMIg«^
herausgegeben von Rud, Virchow und Fr. v. Holtzendorft BerUn 1877.
Mauric e de Flenry: Fntroduetion ä la Medoeme äe t^etpHL thimim§
edUüm. Poris ]S97. S. 372-383.
- ) John Adiliügtou Symouds in dem Aufsatz: 2he Danteaque and
FUOome BmU of Lof/ep der in dam Baehe: M Me £y ef Bhie md ofAwr IVote
Etaays, Loii'hn 1^0.1, enthalten ist S. 61.
H T Finck: Romantische Liebe und persönliche Schönheit. Ent-
wickelung, orsüchlicho Znsammenhtfngu, geschichtliche nnd nationale Eigenheiten.
Beatseh von Udo BrachTogeL 1. Band. Breslau 1890. S. 101.
Erotomame.
209
Eine derartige platonische Liebe sn Tantehoi, ist soliirar. Sie
mit Freundschaft zu identifizieren, wäre falsch; sohOB die Eifersucht,
die hai jener mitspielt, trennt sie von dieser.*) Der gewöhnlichen
geschlechtlichen Liebe, deren Ziel der Geschlechtsakt ist, kaiiü man
6ie auch nicht gleichstellen, da sie doch allgemein in dem Sinne
anfgefasst wird, dass sie die Entstehung körperlicher Begierden aus-
schliesst. Ich kann, wie ich schon sagte, nicht zugeben, dass man
unter platonischer Liehe eine solche verstehe, bei der sittliche oder
soziale Motive die Ausführung des sinnlichen Aktes zurückdrängen,
denn dies wäre nichts anderes als lie gewöhnliche Liebe, bei der der
geschlechtliche Verkehr nur deshalb feliite, weil gewisse Gründe gegen
ihn sprechen, bei der aber der Drang dazu vorhanden wäre, Krafft-
Ebing*) bezweifelt ebenso wie andere Autoren die Existenz einer plato-
nischen Liebe. £s fragt sich nur, ob hierbei nicht eine irrtümliche
Vezallgemeinenuig stattfindet Mir scheint die platonische Liebe bei
Homosexuellen nach den mir gemachten Mitteilungen möglich, min*
deetens als eine Episode in der Liebe, charakteiisiert durch ein un-
bestimmtes Sehnen ohne bewussten Trieb zum gesohleehtlichen Akt
£e giebt aber hier wieder eine besondere ¥oim, wo zwar der Trieb
m Uiperlioben Berflhnmgeii» ni Umanaimgen und Edesea beetelii,
aber die Genitabrgane keine Bolle epielen. Es' eoheint ndr, daas bei
den bomoeexnetten Minnem diese Art der platonisoben liebe bei
wettern hinfiger Ist, als die^ bti der die Sinne gar keine Bolle spielen*
Ja, loh kann das Vorkommen der letsteren Ait moht mit absoluter
Sioherhdt bebanpten, wihrend lob jene Form (ebne BeteOignng der
Genitalien, aber mit Ndgong zn kOiperlioher BerObrang)*) als zweifel-
los hinstellen kann. Analoges findet sieh Obzigens andi bei Hetero-
sexoellea.
In manoben fUlen gebt die Liebe des Uniings zn seinem Ge-
liebten so wdt» dass wir Ton einer Brotomanle spreohen kAanen,
d. h. einer seelischen Störung, die steh als Erregung des ganzen
seelischen Verhaltens mit erotischem Grundzuge zeigt Am heftigsten
- ) Weu Lenheis^k «u i. von JEBüNiiNitt bei dar VnuidMball ipndifla,
M ist diw aln Amdrack Akt ein« gaiut «nto« Etsehdauigf alt es die Eüleitiidit
in der Liebe ist.
- ) B. V. Krfifft-Ebing: Psyehopaihia sextiah's, mit besonderer 13«rück-
aidUigODg der konträren Sexualempfindoog. £iQe klinisch-forensiache Stndie.
ft. Auflagt^ Stattgurt 18M. 8. 18.
- ) Herrn N. N. ist diese Fmm aus eigeaer BiMmiog als lange Zell daaend
bekannt.
Moll. Smtx. SnaalMspfladiuig. 14
210
Spradigkeit
■oU sie saöh Tarnowsky') Im solcben Umingen vorkommen, die,
miter Ftaaen aufgewadheen, der VerfUiraiig darcb FIdenetea eni*
gangen sind. Bei der Brotomanie^ treten eexneUe Gedanken toU-
stftndig zarflok (Ideler), nnd es zeigt siob die Liebe weeentüeh in
einer exaltierten Bewnndernng der geliebten Person. Die Bewonderong
kommt abrigens in einigen Fällen vor, ohne dass wir von einer Bro-
tomanie sprechen können. Ebenso wie das Weib am Manne das
Männliche in der äusseren Erscheinung, die männlichen Eigenschaften
seines Charakters, Mut und Entschlossenheit liebt, ebenso wird mancher
Urning hierdurch am lebhaftesten gereizt.
Auch sonst sind in der humosexnellen Liebe des Mannes alle jene
Eigentümlichkeiten zu entdecken, die wir in der zwei^schlechtlichen
finden. Schlauheit und besonders die Neigung, dem Mannt' recht be-
gehrenswert zu erscheinen, veranlassen bekanntlich oft das Weib, sich
spröde zu zeigen und Kftlte zu heucheln, selbst wenn die Liebe sehr
leidenschaftlich ist. Ahnliches finden wir unter den Urningen. Ein
Urning X. lernte einen anderen Y, kennen; kaum hatte X. bemerkt,
dass T. seine Augen auf ihn geworfen hatte, als er ftnsserlich Gleich-
giitigkeit zeigte und sich dem T. dadurch noch begehrenswerter
machte. In Wirklichkeit hat sich nach kurzer Zeit zwischen beiden,
obwohl X. verheiratet ist, ein inniges Verhältnis entwickelt, das, wie
es bei solchen „ Verhältnissen niobt eelten geschieht, durch gegen-
eeitige Geschenke aofrocht erhalten wurde. Bei sololien Qeeohenken
Bpielen Sehmackgegenstinde eine Hauptrolle; dann nnd «inn ireiden
anoh, wie eehon erwähnt^ Tom Manne selbst Teifertigte Handarbdten
gegeben*
Kan darf sieht glauben, dass es bei den Uebesrerhftitiüasen
der Fnünge ganz ohne Stroit abgeht Im Gegenteil» laUreiohe
ZAnkeroien spielen hierbei eine Hauptrolle; an ihnen ist grösstenteils
dieBifersneht sehnld. Wo es Liebe giebt, da giebt es Eifenmeh^
und wenn es wshr wire, was Ronssean annimmt, dass der Wilde
B. Tarnowsky: Die krankhaften ErBcbeinungen des GeschlechUsinnes.
Eine foniuisch-psjcbiatrische Stadie. Beiüu 1886. S. 68.
^ Unter ,fErotoiiiaiiie* wmdan alleadiqgi guia wmibitAtn» Znatfnd» be-
. idntohen. So hat Pinel gerade die suinliohe Seite als ein Cbaiakteristikum
der Krankhf»it b'^ir'^icbTift, wobei sogar die obscfinsten Anträge, unanstSlndige
Gesten n. b. w. die iSccne beherrschen. Indessen betont G i 1 le t (in La Monomanie
1645, 8. 90) mit vollem Recht, dass es sich hier offenbar um eine ganz andere
Iffektion iMiidelt, als hei der Erotomaiii^ wie sie Eequirol anfhaete. Die
letztere ist oben gemeint Gill et sieht ein typisches nnd meisterhaft durchge-
fährtes Beispiel dieser Erotomanie bei hetensexaeller Neignng im DonQnixote
von Cervantes.
JBüfarauoht
211
frei ron EiflnBacht sei,^) so kennen wir, glaabe lc|h, Im Ihm anoh
Bidit Ton Lidbe spreobfln, die manehmal mit dem OeaeUmshts-
tneb venreobseU wird. Das Auftraten d«r Bifemioht In der mann-
mftnnliclien Liebe kann um so weniger anffalleD, als, wie wir wissen,
die Eifersucht oft die Folge einer überschwenglichen Liebe *) ist Da
wir nun bei Urnmgeu vielfach nicht nur den Geschlechtstrieb, sondern
auch das Gefühl der Liebe gesteigert ünden, so kann uüö die Itei
ihnen bestehende Eifersucht in keiner Weise verwundern. Einige
Mitteilungen aus der Welt der Urninge sollen die Eifersucht zeigen.
Es giebt unter den tlminpen einzelne, die so zu sagen ge-
feierte Schönheiten sind, ebenso wie es in der Damenweit stets
einige Mitglieder giebt, die den Glanzpunkt bilden, und deren Besitz
sich die Männer streitig machen. Ein solcher vielbegehrter Urning
M 7. R. Herr X., ein Sauger; er hat ein festes Verhältnis mit Y.
Nun werden von anderen Urningen alle möglichen Mittel angewendet,
um X. und Y. von einander zu trennen. So sucht Z. sich dem X.
auf jede Weise zu nfthern, um mit ihm ein Verhältnis zu beginnen;
Ueine Yerdifthtigungen des Y., der mit andeien Männern verkehre^
weiden angewendet, um Hisstcanen hervorzurufen. Als Z. auf keine
Weise sein Ziel erreichte, wendete er das in Unungkreisen sehr ge-
füiehtete, aber auch oft beliebte Mittel an; er drohte nämUoh dem X^
di88 er Ihn auf der 8tiane Oifentlioh als Pftderasten baeiobnen
wflzde,*) wenn er nicht mit Ihm gesehleohtüoh verkehren wolle.
Yen den vielen ISfermohtaaeenen ad eine^ die mir von dem be-
tdligten X. enftU^ wnrde^ hier wiedergegeben. X., dar schon lange
mit T. sexuell verkehrt, kommt eines Tages m ihm, nachdem ihm
') Diese Ansicht Rou.sseaua ist wohl nicht ganz richtig, da zweifel-
los die Eifersucht sich, wenn auch nicht in demselben Grade wie beim Kulfur-
menschen, so doch immerbin gelegentlich auch bei dun sogenannten Wilden zeigu
Interemtnte Notizen hierabar giebt Alibert {Physiologie de» Psrnkm, H.
Paris 1837, S. 614 £), der tueh auf EiferHUolit witer Tieren, etenio wie Bvffon,
hinweist. La PorouBo hat, wie Alibert erT\-ähnt, sehr nn'^i'o^proc'heno Eifer-
sucht bei den Koiiaken gefunden, die sogar auf einfachen Ver Jacht hin ihio Frauen
tüteten. Ebenso hat Noyer auf einen Krieg hmgewiesen, don mehrere Stamme in
Geyina natereiiiaiider ftthrten, und der «ueelilieHlkli dmeh ISftisaeht faonineeht
wnide. 8. A. Tieeot (Abhandlung von den Nerven und ihren Krankheiten, a. d.
Frrxnz übersetzt von F. A. Weber. Wintcrthur und I^oipzig 17R1 2. Bd S. 367,
Annif rknnp:) meint andererseiti, dafis eine Nation desto eifexs&chtiger sei, jegrttbet
und dümmer sie ist.
- ) fimile Laurent: L*9mcur morMfe, &ude de Peyekotogie pathokfifm,
floH^ mi. 8. 206.
- ) Die Urnioge beseiobneo eine solohe öffiButliebe BloeMtnlhmg nie FIdeiwt
mit „Anfbieten".
14*
212 BÜBisiioht
belaiint geworden war, dass T. die Besaohe «neB sewieien Z. empfangen,
ja sogar Geaolieidro von diesem erlialteii habe. X. war Aber den
Yorftll aehi eziegt Als er ni T. kam, war daa ente^ daas er ibn
fragte, ob er je ein Gesohenl; von Z. erhalten habe. T. bestreitet es,
ond nun erklärt ihm X., indem er ihm sein Taschenmesser zeigt:
„Dein Glück; denn mit diesem Messer hatte ich Dich auf der Stelle
erstochen, wenn es der Fall gewesen wäre." X., eiQ ausgesprochener
Urniiig, der mir den Vorfall mitteilte, ist eine sehr erregbare Natur;
er halt es für möglich, dass die Eifersucht ihm einmal den Verstand
rauben und ihn zu einem Verbrechen gegen seine „Flamme" fahren
könne. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit an den Fall, der vor
mehreren Jahren in Amerika spielte, wo ein boraosexucUes Weib eine
leidenschaftliche Neigung zu einer Frau hatte und diese ermordete,
als sie einer „Heirat" mit ihr widerstrebte.*) Forel'-) hat gleich-
falls in einem Falle ein Gutachten anseestellt, wo ein neunzehn-
jähriger junger Mann einen Mordversuch gegen seineu Freund mAchte,
als dieser sich von ihm zurückziehen wollte.
Solche krankhafte Affektzustände infolge von Eifersucht können
bei sonst sehr ehrenwerten und charaktervollen Leuten auftreten; die
Leidenschaft der Liebe kann den Urning ebenso blind machen, wie
sie im Stande is<^ bei normal fühlenden Menschen QegenTorstellongen
zurückzudrängen und verbrecherische Handlungen hervonomfen. Mit
Beoht Iftsst JBuripides*) Helena die Worte spreehen:
Zeos,
Des Mseht dn andani GSttflcn überlegen iat,
Doch nnterthan d«r Liebe.
. Wie gross oft die Eifersucht ist, soll noch folgende Scene zeigen.
Ein Urning X. verkehrt sexuell mit Y. Wenn X. den T. nach Hause
begleitet bat und Y. nicht wünscht, d&ss X. mit ihm hinauf in sein
Zimmer konune, so ist dieser gewöhnlich misstranisch; er denkt als-
dann, dass Y. einen anderen Mann bei sich habe oder erwarte. X.
bleibt dann nieht selten an der Hansthür des Y. bis tief in den
- ) N&here Angaben über die entqtrecheQde Littenitor siehe bei Albert
Moll: üntorenuhungen über die LübHo eemta^w, 1. Baad, St Teü, Berhn 1886»
8. 707, Aamerkang 1 und SL
- ) Aug. Forel: Zwei krimiiulpsychologiscbe Fälle. Ein Beitrag zur Kenafe-
nis der Ü1iei|KUgtiosti0de swiedhea Yerbreehen nttd Iiiiuinu Sepftntabdraok
ans der Zeitschrift fttr Bshweiser Stnfrecht Zweiter Jabzgang, «ntes Heft.
Bern 1889. S. 21 ff.
") Die Troerinnen, Vers
Sümodit
218
Koigeii hinein stehen, um sieh davon m fibeneogen, dus niemand
hei diesem aber Naeht ist Wenn anderaxsdts X «ugeht» mus er
sehr TOrsioihtig sein, nm nicht den Yerdacht des T. sa enreoken.
Sobald X dfbnn mit einem anderen Manne snsammen gewesen ist,
so g^nbt T., dass es sieh hierbei tun einen Unüng handle» der mit
X Tsrhehie; es giebt dann die heftigsten Yoiwflife^ nnd T. untersagt
es sehUesslioh dem X, Uberhsnpt Ofteis mit einem vid demsdben
Manne znsammsnsQkommen.
Ein anderer Homosexueller, X.., der ein Verhältnis mit T. hat,
wirft dann nnd wann einen Blick auf andere Männer. Der sehr
eifersHchtige Y. pflegt dafür den X. in reichlicher Weise mit Ohr-
feigen zu bestrafen; doch meiDt X., dass ihm die Schläge, die er von
seinem Geliebten empfange, sehr angenehm seien, „da er doch daraus
die Liebe desselben erkenne".^)
Zu der Anlage der Urninge zur Eifersucht mag ausser der leidea-
schaftlichen Liebe auch die nervuse Disposition der Leute Veranlassung
geben. Wie eine Zwangsvorstellung kann der Gedanke, dass der
Geliebte ihm untreu werde, den Homosexuellen beherrschen. Immer
mehr setzt sich der Gedanke fest, er raubt ihm Appetit und Lust
znr Arbeit. In einem mir bekannten Falle ging die Krre^^ung des
Urnings durch die Eifersucht so weit, dass seine Umgebung emstUch
den Ausbruch einer Geisteskrankheit befürchtete.
Tarne wsky betont, dass die Üminge gerade auf die Weiber
beständig eifersüchtig seien wegen ihrer Erfolge beim männlichen
Geschlecht, wftbrend sie selbst ihre Neigung, einen normalen Mann*)
als liebhaher zu haben, nldit befriedigen können. Ich habe diese
eigentllmfiohe Eifersneht gegenüber dem Weib gleichfalls iLonstatieren
können. Dass mitunter die anseheinende Eifersneht des Hannes auf
das Weib aneh euien recht prosaisehsn nnd materiellen ffintergrond
hatk zeigt eine gans hftbsohe Beobaehtong von Panl de B6gla,>)
- ) In Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht ist Ä-ualoges über
die sweigeschlechtliche Liebe erzählt „Die alte Sage Ton den Bussen, dass die
Weiher ihM Ehemiimer im Verdaeht hielten, es mft tiiideni Weihern wo. halteii,
wenn sie nicht dann und wann von diesen Schläge bekftmen, wird gewöbnlicli
für Fabel gehalten. Allein in Cooks Reisen findet man, da^s, als ein englischer
Matrose einen Indier auf Otaheite sein Weib züchtigen Rah. jener mit Drohungen
auf diesen losging. Bas Weib kehrte sich wider den Engländer, sagte, was ihn
das •ngdie o. bl w.
- ) Tide Uninge lieben nur niehtwniiidw MfaiBef and weidon mm aaderen
HwnoBeraellen geradezu abgestossen.
'I PruI de Regia: Lu ßat-Fvnds de Cotutantitu^le. IhwM^me Edition,
ßeritn iöÜJ. Ü. 2b4.
214
Fdygamiache und moaogiiniw^hw ünuage.
wo ein tfirkisoher jonger Beamter, der als Geliebter eines Paschas
gate Oarriere gemacht hatte, lediglioh ans peEaönUcfaen QrQnden
eifenOehtig war, ab der Piaeha seine Gmist einem Weibe lawendete.
Dass andereisetts bei Homeeexualitit des Mannes das mit ihm ver-
heiiatete Weib gegenüber einem Geliebten des Mannes keine BiÜBr-
toeht zeigt, ist sehr erUArlieh; wenigstens finde ieh, dass in mehreren
mir bekannten VlUai das Gefühl der Bifersaeht yollstindig von dem
Abschen nnd dem Ekel aorflckgedringt wird.^)
Ebenso wie der weibliebende Mann nicht in gleichmässiger Weise
alle Weiber liebt, vielmehr, wenn die Liebe eine wahre ist, nur ein
Individnnm liebt nnd mit diesem zeitweise oder dauernd, s. B» in
der Ehe, schien Geschlechtstrieb befriedigt» ebenso sehen wir, dass
der mannliebende Mann nicht mit allen Mfianem hi gleicher Weise
seniell verkehrt; er fühlt sich viehnehr oitwcder nnr sa ganz be-
stimmten Männern oder auch nnr m einem Ihdividnnm, selbst anf
Jahre hinans, hingeiogen. Beim wtibliebenden Menne kann die
Neignng in einem Weibe so weit gehen, dass anderen gegenfiber
geiadesn seinelle Impoteni besteht; in demselben Grade finden wir
diese Eisoheinnng auch bei manchem üining wieder. Viele XTininge
sind allerdings mehr polygamisch veranlagt; sie verkehren bsld mit
diesem, bald mit Jenem, haben keinen standigen Geliebten, wfthrend
der monogamische üining nnr sein „Verhältnis hat, das gelegentUok
sn hmtergehen ihm allerdings keine sehr grossen Gewissensbisse
verursacht
Abgesehen hiervon beansprucht der Urning auch \m dim vun
ihm zu liebenden Mann gewisse Eigeiiscliafteü, die nach der Indi-
vidualität der einzelnen Urninge verschieden sind.
Viele können mit anderen Urningen nicht verkehren. Ein
Herr erkläxte mir, dass sehr häufig Urninge dies wissen und deswegen
dem von ihnen geliebten Manne die eigene Natur verberLjen, um ihn
nicht abzustüäsen. Einem Urning ist es öfter begegnet, dass er mit
Leuten, die er nicht für homosexuell hielt, geschlechtlich verkehren
Dies ist anah ia TrimAlohios Gaitmahl der Fall, wo Fortunata, des
Trimalchio Oattin, ihrem Manne Torwürfe macht, als er auf einen schöoea
Knaben losslttizto nnd ihn längere Zeit küsste. Anf die EntrQstnng seiner Frau
entf^egueto Triniaichio, doss er ja den Knaben nicht spiner Schönheit we?en,
sondern aus andern Gründen, besonders weil er &o gut dividieren könne, gekirnt
habe; ame Angabe, die wohl Trimalchio selbst nicht geglaubt haben dttifta.
Mfligniig fon Uiaiilgaii sa HMeMaaziulliii.
215
wollte und mit Molg veitehrte; in den Angenblieke »ber, wo die
BetnffiHiden fhm sagten oder er ob entdeekte, diBB de ümiiige seien,
war jede gesohleehtliGlie Euegiuig gesehwimden.
Naeh dem Eindmcfc, den idi gewonnen haH soheint es mir,
dass ein sebr grosser Teil der üminge, wenn sie die Wähl hfttten,
am fiebaten mit beterosexaellen Manneni Terkehren wfirde. Der eine
sagte mir, daas er am liebsten mit Mtnnein, die sieh an Weibern
bingezagen fBUeii, verkebren wtbde; er müsse aber davon abstoben,
weil ein soleber ICann sieb nieibt leioht daan bergebe, mit einem
Urning sn verkebren, ausserdem aber sei es ihm selbst peinlicb, einem
Niflbtnming*) einen gesehleohtlieben Akt sninbieten. Andere aber
kSnnen, wie gesagt, gar niobt mit einem anderen Urning Terkebren,
sie sind auf normale Männer angewiesen, und es bat sieb ans diesem
und aus anderen Gründen in grösseren Städten eine m&nnliche Halb-
welt üntwickelt, die zum Teil aus für Geld feilen normal veranlagten
Männern besteht Wie sehr die meisten das echt Männlich - ) lieben,
geht auch daraus hervor, dass ihnen gerade ein Äletubruin virile
permaynum dessen Besitzer lie^unders begehrenswert macht. Ein
Urning, dessen Krankengeschichte Krafft-Ebing beschreibt, konnte
mit originär-homosexuellen Männern nicht verkehren, war aber geneigt,
mit gezüchteten UmingHH und mit normal fühlenden Männern ge-
üohlechtlicbe Akte auszuführen.
Ebenso wie der sinnliche Trieb beherrscht viele Homosexuelle
das seelische Verlangen, die geliebte Person ganz und gar zu besitzen,
Ton ihr wieder geliebt zu werden. Aber nicht nur soziale liück-
sichten treten hier in den Weg, sondern aacb oft der eben ge-
nannte Umstand, dass der Urning gern von einem nichtumisohen
Manne geliebt sein will und dies natürlich unmöglich ist. Die Nicbt-
erfflllung dirses Wunsches ist für den Urning die Quelle grosse
Leides, ja der Versweif Inng. So unsinnig nnd nnmöglicb es ibm
Ulrichs oaDnte die Uflnner mit notmaleoi Gesohlechtstrieb Dioninge,
abgeleitet Ton Diono; vgl. die Stelle ans Piatos GflfltmaU 8. 89.
- ) Dodi giebt ei hier wolil Ausnabmai. Daimuf weist moh der ümatand
hb, dass im alten Born die Kaiser oft verschnittene Knabon mm st^xnellcn Ver-
kehr wählten, ebenso wie heute die Wohlhabenden in Marokko, vgl. S 102. Viel-
leicht geachieht das Entmannen, um die Individuen ULnger jung zu erhalten.
]b iit dk BtffWSQguig Entmumteir' donb elnigf B(nBO0exnelle analog der Tor-
liaiw einiger Kniwii fftr Kutriezte, wrarttber besoadfln aus dem alten Rom und
dem Orient gelegentlich berichtet wird. Gustav .Tfigf er (Entdeckung der Seelo,
8. Auflage, 1. Band, Leipzig 1884, S. 203) nimmt ao, diese Vorliebe der Weiber
für Kastrierte käme daher, dass der Geschlechtsakt ohne Folgen und ua^ olied
des Küstnlim lange Zeit erigiert UeÜiC.
216
BobeiBt, 80 erklärte mir ein älterer üming, er habe im stillen noch
immer eine leise Hol&inng, es kOnne einmal ein normaler Hann ihn
lieben II
Über das Alter STerhiltnis der bei der Minnerliebe BeteUigten
ist manehes Unnehtige gesehlieben worden. J. B. Frledreieh^
meinte^ dass bei der FSderaetie gewofanlioh ein Älterer Hann mmbnm
mmiäere m amm jwmiis, Doeh ist dieses AltersrerhSltnis keines-
wegs in allen oder aneh nnr in den meisten Flllea forhanden. Die
beiden ünsnofat labenden sind oft in nngefihr gleiohem Alter; es
ist andererseits bei der Pftdetastie mitonter der passive Tefl alter*
Der Irrtun kommt wohl daher, dass im alten Grieoheoland hftnfig ein
LiebesFerhlltnis swisehen einem lUteren Hann nnd einem JOngUng
bestand, wie es ans der häufigen Liebe des Ldurnn nnd SefafUers
herrorgehen mnsste^ Doch gab es aneh bei den Qrieofaen viele Aas-
nahmen, und oft haben wir, wie wir sahen, bei jüngeren Leaten, die
uns in der Geschichte als Freunde begegnen, das Recht, ein sexuelles
Verhältnis uDzunLlimeu. Ähnliche Zustände finden sich heute mit-
unter in Lehranstalten, Gjmuasien, besonders aber in Pensionaten
von jungen Männern. Allerdings scheint es, dass im alten Griechen-
land Ttm^e? besonders begehrt waren. Indessen darf dies nicht falsch
verstanden werden. Wir wenden als Übersetzung des griechischen neue
das Wort Knabe an; gewöhnlich aber bezeichnete nat^ den heran-
wachsenden Jüngling, und es finden sich bei den alten Griechen
zahlreiche Angaben, die Zeit vom Beginn der Pubertät bis zur Ent-
wicklung des Bartes sei für die Knabenliebe die schönste. Diese
Zeit würde sich ungefähr vom 15. bis zum 18. Jahre erstrecken.
Man darf sich nicht dadurch irre leiten lassen, dass mitunter Jtalg
auch jüngere Knaben umfasst Auch heute können wir beobachten,
dass die Homesexnellen in Bezug auf das Alter, das sie bevorzugen,
venohieden veranlagt sind. Der eine liebt mehr junge Leute, etwa
un Alter von lö bis 18 Jahren, der andere Erwachsene, gescblechts-
reife^ körperlich vollkommen aoegebildete Minner, nnd, wie schon
- ) J. B. Friedroioh: Eandbooh der geri(ditalnm«ha& Fkazis. fiegsndnnf
1848. 1. Bd. S. 273.
') Offisieil wurde in Athen aus dem nafs ein Itptjßoe mit 18 Jahren.
Ohamtard (Fkes §f Qmrtittme» «k Ib <Mm. Suppiimmit am Votfoge^
dfAmdum* et (TAnimor. Quairüme edüion. Ibm» IwMiiiM. Airw 261».
S. 110) nnterschoidot, was das Alter betrifft: Pais Ms zu 14 Jahren, Mellephebos
mit 15 Jahren, Ephebos mit 16 Jahren und Eiephobos mit 17 Jahren; doch ergiobt
die Anwendung des Wortes nv/V m den alten Schriftstellern, dass in dem Worte
ndeimslie das Alter viel weiter ansgedduit wird.
Alter der hemoaeznal OeUebten.
217
froher eiwUmt^ kann nur bei dieser letattoreii Neigang von einer reinen
Umkahnuig, einer Inversion des OeBcUeohtetrielM« die Bede sein. Es
giebt aber aneb Männer, die sieb in gesobleehtsnmeifen Knaben hin-
geiegen fühlen. Erafft- Ebings) betont ansdrflcUicli, dass er-
waobaene TTninge niemak anreifen mtamlieben Individuen eieh an-
wendeten, im Gegenaats lu WQalSngen, die Knaben bevorsngten. In-
deasen Hart aicJi dieaar Sati nioiht veraUgemeinern; es scheint vielmebf,
daaa es hier weitere Abweiehungen giebt Ebenso wie es anf patho-
logisoher Qnmdlage Mftnner giebt, die sioh mm weibUohen Geaohleeht
hingezogen fohlen, die aber nieht eiwaebaene, sondern unreife
mdehen bevonmgen, ebenso giebt es Homoaeiadle, die nidit mit dem
erwachsenen Manne, sondern mit unreifen Knaben zn verkehren geneigt
sind. Man mms mit der Schlussfolgerung, dass solche Leute sittlieh
defekt seien, vorsichtig sein. Solche MänutT bevorzugen etwa das Alter
onter 14 Jahren. Früher nahm man oft an, dass diese Neigung bei
liomosexuelien die gewöhnlichste sei, indem man durch das Wort
Päderastie zu dieser falschen Auffassung verleitet wurde, da man es
einfach mit Knabeniitbe übersetzte. Hinzu kommt, dass gerade solche
Fälle oft zu gerichtlicher Anzeige gelangten und infolgedessen über-
hau mehr In kannt wurden. Da nmi das grosse Publikum im all-
gemeinen natürlich nur das kennt und berücksichtigt, wovon es öfters
gehört oder gelesen hat, so ist es nicht wunderbar, dass es diese
Neigung zu unreifen Knaben für das Gewöhnliche hielt. Ich glaube,
dass solche Neigung zn unreifen Knaben gewissennassen in leichter
Andeutung oft vorkommt, besonders bei psjrebosexuellen Hermar-
phroditen, dass aber eine durchgreifende Neigung mit vollständigem
Ausschloss des heteroaexaeUen Elements doch wohl viel seltener ist,
als die zu halb und ganz gesohlechtsreifen Mftmien, und wohl nur
bei stark degenerierten Personen vorbmunt
Waa das Alter betrifft, ao aoheint ea flbr^na, dass üi manehen
Lindem die homoaexoella Neigang an erwaohaenen Mftnnem nioht
aUgem^ bekannt ist Ein dorchans mverlia^ger Beobaohter aohreibt
mhr I. B. aus Nordamerika fblgendea;
,Ein Kriminalbeamter aus dem südlichen Teil der Vereinigten Staaten
von Nordamerika, der in den letzten 10 Jahren liunderte von miinnlichen
proaÜtaieriea Barschen verhört, verwarnt und verurteilt bat, schreibt
') R. V. Kraf ft-Eb iug: Psychopalhia sfrimlis, mit besonderer Bcri^ck-
üchtigtiDg der kooträren Sexuale mpßndong. £iue kliniaeh-forensisobe Studie,
9. Auflage. Stuttgart 1894. S. 2ö5.
218
Htitfgtaft dsr EnaliaBliebe ia Amerika
das Überhandnehmen des Lasters dem Binfiass italienischer Magazei so
und behauptet, daas in New Orleans allein ]uiiid«te von halber-
wachsenen Barschen existieren, die TODI homosexuellen Qesohlechts*
verkehr leben. Bei der Erwähnung homosexuellen Verkehrs zweier Er-
wachsener erklärte er jedoch: Nerer heard of such athing — excqit
on second thoughts, that Alice Mitchell case in MemphiSf btU
ihey u erc hoth ivomen.
,Die reine Mannmilnncriiebe,^) wie sie in Deutschland häutig vor-
zukommen scheint, ist in den Vereinigten Staaten, wenigstens in der
südlichen Hälfte (südlich von Neuengland) nicht nur selten, sondern sogar
unbekannt. Ich könnte Ihnen die Adressen vieler erfahrener Arzte und
Juiüsten schicken, die Auszüge resp. t Übersetzungen üus Ihrem Buche
über die konträre Sezoelemptindung mit grö&stem Erstaunen lasen. Ein
früherer Biohter, der die Yevteidigung der Mörderin X.^ leitete, sagte
mir, daae ibm fHUiere BektimtsdiaA mit Ihnni Werke seine Aufgabe
sebr erleielitert haben wttrde, da er dann den Fall ab niebt ganz alleiii-
■fcebend bfttte bebandeln können. Seine langjährigen Er&hxungen, Stadien
und Eocrespondensen bfttten ihn aber nur mit einem Analogon neoerea
Datoms bekannt gemadhi Der Herr iit klassitoh belesen, nnd naoh
einigem Naohdenken attierte er die Bemerkung der Hetire des Perikles,
dass Knaben nur geliebt wQrden, so lange sie Weibern gUehen nnd so
den Qesehleiditstrieb irreführten. Das — setste er binsn — sei auch
Seme einzige Erklärung für diese Yerirrang. Ein anderer Juristf nut
dem idi Über diese Dinge spnMdi, drückte sich ihnlieh ana. i am sure,
sagte er, ihat I could find ym a thousand men wAo would helieve
such fads only >n the high authority of that Dootor, hui
would tchoUy faü to comprehcnd them, though they consider pae-
derasty quite as natural as concuhinage and from their
own stnndpoint of taste perhaps pref er ahle.
, Sollte dieser T'nterschied ein Beweis sein, dass die Perversion der
Instinkte in Kordeuropa weiter foii^eschritten ist als in irgend pinem
Teile der neuen Welt? Denn auch in vielen Gegenden Südamerikas ist
der geschlechtliche Verkehr erwachsener MKnner meines Wissens unerhört
selten, obgleich der geschlechtliche Misbbruuch der Knaben und die
Knabenliebe in allerlei Varietäten ganz zweifellos ist Sollte die Thätig-
keit allzueifriger Kriminalisten angehende Päderasten zu forensisch weniger
gef&hrliohMk wetteren Yerimmgen getrieben haben, oder sidlta rieh riel«
leidit diese Verirrang sns dem Easenienleben der enuopiiscfaen IGlitib«-
Der Brieftehveiber meint bienuit «iie l4ebe in Tollkonmien ansgeteaebeenen
mlonlieben Individuen im Gegensabs sa der Heignng lo helb tuiveifen oder eben
eist geschlü'^ht-^rrifen jungen Lallten.
£s handelt eich um einen kriminellea Fall, der seiner Zeit viel Aujbohea
erregte.
Häufigkeit d«r KubenUebe in Europa.
219
ittttep «rUiren laia«n nod ans dtr «TentneUai Vcmrlmiig einte w ent-
iri«k<Ueii NdgongP*
Hiergegen ist jedoch zu bedenken, dass anch in Deotschland die
vollständige Inversion, d. h. die Neigung zu erwachsenen Männern
z. B. im Alter von über 30 Jahren, seltener ist als die zu halbreifen
unter 20 Jahren, und es ist weiter zu berücksichtigte n, dass anch bei
uns ursprünglich diese Inversion vollständig unbekannt war und man
allgemein nur Homosexualität mit Neigung za ganz oder halb un-
reifen Knaben annahm.
Teilweise in Widersprach mit den zuletsst erwähnten Mitteilungen
sdireibt mii ein anderer, und zwar homoseineller Herr:
,Wm das Alter, BheetuidiTMliXitnia und Besolilftignng betnfifc» so
glaube ieh, daas man ftberaU Homoaexaelle finde! Der jüngste, mit dem
idh verkehrte, war 28 Jabr, der Slteste 62. loth habe mehrere Mtanv
gekannt, die 28 oder 24 Jabr alt waren und habe von eiinm oder sweiMi
gehört, die ent 18 Jabr alt waren. loh habe anch einen Mann von
70 Jahren gekannt, Labe aber über ältere nichts gehOrt An dieser
Stelle mochte ich auf eine Ansioht» die no^ vielfach, edbst nnter Anten,
verbreitet ist, aufmerksam machen, nftmlidh aof die Mgenannte Knaben*
liebe. Niemals habe ich von einem Mann in Europa gehCrt, dass er
einen Knaben liebte, und ich habe viele über diesen Punkt gefragt. Mein
Freund Y. bat niemals von einem Homosexuellen gehört, der einen weniger
als 22 Jahre alten Mann geliebt hätte. Mit kaum einer Ausnahme ist
der Bart Notwendigkeit.*) Im Interesse der Waiirheit und der wissen-
schaftlichen Porschnng, die sich an Thatsachen halten muss, sollten alle
Forscher auf diesem Gebiete ihre Mitteilungen und Schlüsse duroh That>
Sachen belegen.
,\Vafi jedoch den Orient betrifft, so erzälilt mir Y., dass dort die
MHuner Knaben vorziehen; aber in Europa oder in Amerika hat er niemals
davon etwas gehört Dies ist auch ein Grund, weshalb der Europäer
wenig derartige Leute im Orient findet Ein Herr in Persien sagte zu
Y. sogar: «Ihre Oberlippe — er meinte danut seinen Sebnurrbart —
ist Ihr Ffaioh.*
Eine erwähnenswerte Erscheinung ist die, dass einzelne Urninge,
je älter sie werden, um so ältere Individuen zu ihrer Befriedigung
wünschen; viele sind in jedem Abschnitt ihres Lebens immer nur zu
ungefähr gleichalterigen hingezogen, also 8 jährige Knaben zu Sjfthngen
Knaben, mit 20 Jahren besteht Neigung zu 20jfihiigen Jflnglingenu*&w.
Wird von anderen Urningen b^thtten. Vgl. Albert Molh Unter-
sachaogen über die Libido sexualis X, Bd., L Teil Berlin 1897. & Itki ü.
220
BeMada» ChaohmdnriditiiDgtB.
Bei vielen tritt im höheren Alter wieder eine Neigung zu jilngeren
Individuen auf; während anderseits sehr oft beieits bei Kindern Neigung
in Enracbsenen beobachtet wird.
Der Geschmack der einzelnen Leute ist auch sonst Terschieden.
So liebt ein erwachsener chmtlieber Herr, der vollständig blond ist,
nur jüdische Knaben, die noch nicht älter als etwa 16 Jahre sein
dflifen. Von vielen weiss ieb, dass sie lobnste Arbeiter lieben, ein
uderer wird nur von gans lerinmpten Individnen angesogen; der
eine liebt nni Schwane, der andere Blonde^ Haache Urninge können
nnr mit Mlnnem verkehren, die Bftrte haben; der eine erklärte mir,
dass er besonders Uftnner mit YoUbftcten liebe, aber aneh Mlnner
mit Enebelbirten kSnnten ihn noch reisen, nnmOglich aber sei es
ihm, bei einem Manne Befriedigung sn finden, der gar keinen Bart
habe. Ein Homosezaeller inssert sich hierClber folgendennassen:
»Der Geschmack ist unter den Homosexuellen ebenso verschieden
wie unter den normalen Männern. Was mich selbst betrifft, so wünsche
ich mir nur Männer von 35 bis 50 Jahren von mittlerer Grösse mit
eisengrauem Haar und Backenbart. Ein Fi imd von mir hat aucii nur
Neigung für das mittlere Alter. Ich kenne einen Mann, der nur für
M&nner mit dickem Bauch Neigung hat, einen andern, der nur MBdsw
mit weissen Zfihnen wünscht, einen dritten, der übrigens in hoher gaeell-
schalUicher Stellmig ist und ans ausgezeichneter Familie atammt, der mir
Bediente wd gewöhnliche Arbeiter liebt» Tereofaiedaoe andere, die bot
m Offisieren oder anderen Leoten in Umfonn Neigung haheo, nnd Ton
einem habe ich gehOrt» der sieh Pdiieibeamte wftnsohte. Der Geeehmank
ist eben TevsehiedoL*
Zu erwähnen ist überhaupt die Vorliebe einiger für das Militär,
besonders für die Kavallerie, eine Krscbeinnn^. die an die Bevorzugung
der Uniform durch iiiaiirhc Wcilser iriniiert. So sehen wir, dass
einige Urninge durch die Uniform in dem Grade* angezogen werden,
dass sie mitNichtmilitärs überhaupt gar keinen sexuellen Verkehr suchen.
Merkwürdiger Weise kann in einzelnen FAllen die homosexuelle
Liebe selbst auf Blutsverwandte gerichtet sein; so enrfthnt Babow
einen Fall, wo ein Urning seinen eigenen Bruder zum Gegenstand
seiner Neigung machte. Hiermit verwandt ist die Beobachtung
Krafft-Ebings,^) der einen Fetiechieten beschreibt^ der mk in die
foese seiner Sohweater verliebte.
^ R. Krafft-Rbing: Psychopaihia sexuaiü, mit b^nderer Berück-
aichtigung der konträren Sezualempfindong. Eine kUnisch>foreosiBohe Stndie,
9. Anliege. Stnttgut 18M. & 181.
BeifipieL
221
Ja dem falgendeii Fall kam es bei dem homoaexoelleiL Patienten
gleiehflEins m sexaeUer Neigung und leitweiee zom Verkelir mit dem
eigenen Bruder.*)
11, Fall. X, 31 Jahre alt, Jurist, macht flnsserlich einen durchnns
männlichen Eindruck. Ära Körper, besonders an den Schenkeln, zeigt
er dichten na;ir\vuchs ; die Brust ist allerdint^'s; fast gar nicht beha;irt.
Die Brustwarzen sind klein, die Brust ist ohne Fettpolster, Haltung und
Gang sind durchaus nnlnnlich. Erbliche Belastung lässt sich in der
Familie dos Vaters nicht nacbv, i ^ n. Der Vater selbst ist früher äusserst
sinnlich gewesen, gilt für einen Egoisten bis zum Extrem und für grausam
in seinen ganzen Anschauungen. Er ist heterosexuell und hat für jedes
Weib mit iVischem Gesicht Interesse. Er gilt für rücksichtslos bei Be-
finediguBg seiner Lost and bat yiel£kdh mit anderen weiblichen Peraonen
nalMii semer Frau geBcblecbtlieh Terkehrt Die Mutter iii dne Dane
mit ttreng religiösen Ansehamingen, die sogar etwas an Exsentrisitftt
grensen. Sie gQt für rSokesfiohtig, wobei abw nt berfldcsiehtigeii ist«
dasB sie die ebdiebe Untreae ibres Mannes sebr scbwer empfindet Was
die Gesobwisfeer dea X. betrift, so sind die Sobirestem Yerbeiratei Die
eine Ton ibnen batte tot der Verbeiiatnng mehrere, allerdings nur
platonisobe Liebsebaften. Bin Bmder ist AUcoboliker. Sonst ist in der
Familie des Z. nidits naobweisbar.
X. hat einen Hersfebler. Er ist stroig erxogen worden, snmal da
die Familie viele Entbdumngen durchzumachen batte.
Des X. jBrinnemng reicht bis in das 4. Jabr sorück. Er batto^ damals,
von den Eltern wenig beaufsichtigt, vorzugsweise mit älteren Kindern
Verkehr, sowohl mit Knaben als Mädchen, wobei Betasten der Genitalien
ganz gewöhnlich war. Der Bruder des X. spielte in seinem
sexuellen Leben die Hauptrolle. X. erinnerte sich, dass er, 7 Jahre
alt, eine ungewöhnliche WoHnst empfand, als er im Bette seines Bniflers
lag und seinen ganzen Körper ünd besonders die Genitalien an des Bniderj»
Leib pressen konnte. Audi dci Bruder scheint sexuell nicht ganz normal
zu sein oder wenigstens gL \s zu sein ; dtnn *;s gewährte ihm einen
gewissen Genuss, wenn X. ruembrum Mium i. e. frait is in os proprium
itnmisii und X. that das gern nach dem Grundsatz: do ut des. X.
empfand Genuss, wenn der Bruder scm i>crutum in os suscejni. Vom
8. Jalure an sdUief X. stets mit dem Bruder zusammen, und jede Nacht
opferten beide wenigstens eine Stande der WoQiist aof Terscbiedene Art
Nie fand bierbei Fidecastie statt, die anob jetxt noob dem X. sebr wider-
lieb isl^ X. nabm blnfig des Braders membnm in os ainm; als aber
0 In seiner Bede fllr Pnblins Sextins erwibat Cieero (7. Kapitel^
dass Clodias sexuelle Beziehungen stt seinem Bruder nnd BablsebaAen mit
aeiaen Schwestern nnterbalten habe.
222
der Bruder mannbar geworden wu, beendete X. den Akt aofanell vor der
Eyaknlationf und swar wann beide dartfber flbereingekommen, da ee den
X. widerlidi nnd abetosBend war und dem Bmder keinen besonderen
GemiBB gewihrt bfttte, wwn der Akt Unger fortgeaetat worden wln.
Obsehon der Bmder den X. früh über manches belehrt hatte, woher
die Kinder kämen, batte X. doch damals noch keine deatUchc Yor-
siellung von der Zeugang. So ging das 4 Jahre lang, bis zu des X.
12. Jahr. Im Gegensatz za früher vermied X. bald allen sexuellen Um-
gang mit anderen als seinem Bruder, und zwar schon deshalb, weil der
Bruder ihm als das Ideal der Kraft galt und ihm mit seiner Körper-
st&rkfi gf'waltig imponierte: ,Moin Bruder tmi,^ mich auf seinen Achseln
oft schwimmend über die Don;iu*'. Dies bedeutet« für X. den Inbe-rriff
der Stärke. Zweimal besuciito ein Scbulkanierad des Bruders diesen:
als er ihn aber nicht zu Hause fand, lud er ohne weitere Umstände den
X. ein, ihn zu masturbiereo, was X. beide Mal tbat. Ejakulation ist bei
jenem nicht erfolgt. In diese Zeit fallen auch gewisse Zerwürfnisse
zwischen den Eltern des X., die in unglücklicher Ehe lebten, llierbei
teilte dem damals 12 — 13jährigen X. dessen Mutter alle Einzelheiten
des ehelichen Lebens mit, soweit dieser es nicht schon aus den ZAnkweian
erfehren baftte» nnd twar fhafc ea cBe Mutter deihalb, um den Yafter dea
X. wegen adnea Tie1£Mhen Ehebmcha bei den Eindeni ansoaohwlnen.
X. hat aber heute noch die Empfindung, daas dieaea Toigahen aemer
Matter ihn Ton dieaer abatieaa, and daas dadnrdb eine gewime Yezaoihtnng
dea Weibea überhanpt bei ihm entstanden sei
Naeh nnd naeh wandte sich des X. Bruder von diesem ab und den
Frauen an. Er Terliebte aieh, 28 Jahre alt» in eine Dame und heiratete
aie kune Zeit daranf. Die Ltebsohaft erweokte dea X. Eifeisuehi Ab
er aber au bemerken s^bte» daas die Braut asmea Bruders ihm (dem
X.) gnstig nioht fiberlegm sei, wurde er weaentixah ruhiger.
Bis dahin lebte X. aiemliob ungexwungen. In der Schule einer der
ersten, bei allen Spielen einer der tollsten, waghalsig und ttbennttig»
konnte er es dooib an Kraft mit den gleiohaltrigen Knaben nieht auf-
nehmen» da er an S^wlehlicb war. Durah Schnelligkeit, Biegsamkeit
und besonders durch List suchte er sttnen Mitschülern die Wage su
halten. Mit Mädchen spielte X nur, wenn keine Knaben da waren. In
Handfertigkeiten, Stricken, Nähen mit allerlei Maacbinen Tersnohte X. es
Mädchen gleich au thnn. GeacUechtlichen Umgang mit fremden Kindern
mied X. konsequent; er war auch nicht intim ^'^nug mit ihnen, und
ausserdem zog ihn keines der fremden Kinder an, zumal da seine Neiining
zum eigenen Bruder bestehen blieb. Vom gemeinschaftlichen Baden hielt
sich X. fern, weil es ihm zu ISrmend zuging, nnd weil er fürchtete,
w^en seiner klemen Gestalt ausgelacht zu werdwi.
Als X. 14 Jalire alt war, änderten sich sein Wesen nnd sein Charakter.
Beispiel.
223
Die Pnberttt hatte sich sduiell «ütwv^elt; er wurde in jener Zwt
Hokiach and aUeo leinen AngebSrigen gegenäber aehr Bpits. Br war
auch mcht mehr ao satranlich wie firflher. Li j«o«r Zeit sah X. einen
kioatiseben Eesselflidker auf einer Wiese liegend onanieren. Aspeäus
mm vaÜB «xeUamt^ und er Tirsnchia daheini dasselbe
m thnn. Znm ersten Male trat IJfakulation ein. Von da ab mastorbierte
er wöebeniUch etwa einmal. Er glaubt nioh^ daas er dabei an irgend
etwas gedacht hat Die Masturbation hielt er geheim; ein Wansch naeh
Verkehr mit dem Weibe wurde damals in ihm niidit isge. ,Übrigais
achtete ioh die Frauen nicht als hoclistfhond genng, dass ich si« so
intimen Umganges mit mir gewürdigt hätte. *^
Ein Lehrer des X. war ein äusserst kr&ftiger, ontersetater Hann,
85 Jahre alt. £r war treuodlich zu X., trotz seiner sonstigen ranben
Art, und für diesen Lehrer hatte X. bald eine besondere Empfindung von
Liebe. Er erinnere sich zwar nicht, dass er in der Nfibe des Lehrers
sexuell en-egt wurde; sicher sei f^s nher, dass der Mann ihm körperlich
gut gefiel und dass besonders die engen Hemkleider des Munnes, die seine
Beine schiirf markierten, ihm fdem X.) f'!n bt-conlpres Wohlgefallen ver-
ursachten. Als einem tllteren Mitschüler emst die Beinkleider zerrissen
waren, nähte sie ihm der Lehrer an der Naht dicht unter den Genitalien
zu. X. erinnerte sich noch, wie sehr er sich darüber Urgertc, dass er
die kleine Arbeit nicht leisten durfte. Em .kudeier Lehrer des X. war
gleidifalls sehr gut zu ihm. Er wai- pedantisch, und sonst etwas weibisch;
nie kam dem Z. in dessen NBhe aaoh nor die geringste Spar YOn Er*
regung, und dofih war der Mann ihm gegenüber, wie Z. bente glaubt,
«offitUead nngeniart
Ln Alter von 17 Jahren begann X. seme üniTersitfttsstadien. Er
hielt M aber hierbei Ton allem gesellsohaftliohan Verkehr fem, und
awsr wesentlich ans matariellea GrOnden.
20 Jahr alt, lernte er dnen Kollegen kennen, der ihm besser als
süle anderen gefieL Bas Leben bradite beide swar bsld anseinaader;
rie selirieben sich jedocb noob Öfter in etwas llbertriebenem Stil X.
besachte den Freund so oft wie mllgliidi nnd war stets von dessen Wesen,
«das fOr alles Ont« and Edle begeistert war*, eatillekt Aach als es
dem Betreffenden später schlecht ging, hat X. ihm noch manchmal aar
Seite gestanden. Zu sexuellem Verkehr ist es »wischen den beiden nie
gekommen. X h&tte sieh gescheut, ihn sa provozieren, und nur einmal
machte er einen kleinen Versuch, indem er des Andern Taille umfasste
und ihn fest an seine Brust drückte. Dieser ging aber gar nicht darauf
ein, und X. wir froh, dass er gar nichts von seinen Absichten gemerkt
hatte. Der Betreö'ende ist übrigens heterosexuell and verkehrt gesdilecht-
liüh nur mit weiblichen Personen.
X. gab sich immer mehr der Einsamkeit hin. Eines Tages ging er
224
tpBxuma; er war jetit 21 Jahn alt. Da traf «r aof dem Httmwege
mit einem üim wohl bekamtan Kanfinann ttuaauDen, Dieaer aali wttrdig
«08, hatte einen weinen Tollbart, war aiark gebaut nnd hatte ,pridiilg
schwarze Äugen". Er lad den X anm Abendbrot in eine Wirtadhaft
ein. Obwohl er durch Hanger stark erschöpft war, lehnte X. es ab^
weil ihm das Wirtshausleben zuwider war. Darauf schlug der Kaufmann
dem X. einen Spaziergang in Öder Oegend vor, was dieser nicht ab*
schlagen konnte, ohne unhöflich zu sein. Auf einer Bank setzte sich
der andere, angeblich ermüdet, hin nnd nachdem sich X. ebenfalls nieder-
gelassen hatte, ergrifi jener scüne linke Han(l, um ein Geldstück hincin-
zuscliielHni. X. glaubte, dass er dies ihm gilbe, weil er wusste, dass es
Sfinen Angehörigen schlecht ging. Aber als X. danken wollte, merkte
er, dass der Kaufmann seine Gonitalieu entblösst hatte, und dass er
nun nach des X. Haud griii, um sie heranjcufuhren. X. war ihm zu
Willen ; er zitterte aber, ob vor Lust oder Scham, weiss er selbst nicht.
Uahrcud X. den a,ndein raasturbierte, ^nll dieser mit der eigenen Hand
nach des X. Mcmhrum, zog es hervor und manipulierte an ihm. Bald
trat bei dem andern Ejakulation ein. Er schob den X. nun sachte weg,
rnnigte sidi, mnannte und kflsate ihn, nnd verlieea raadi den Ort| mit
d«n X. ein Zneammentreffen fftr den niehaten Tag veralnedend. X. hielt
die Yerabrednng nicht inne; vielmehr wich er dem Manne stets ans,
nnd als er es einmal in einer sehmalen Gasse nicht thnn konnte, trat
jener Mann la ihm heran nnd ennöhte ihn, «ihm doch wieder eme {"rende
tu madiea* X. sehSrnte sioh nnd wurde fiber nnd Aber rot. Er wieh
dem Manne noch mehr sna^ Aneh heute begegnet er ihm nodi manch-
mal; do<di hat er sieh ihm nicht wieder genBhert X. meint: »Hfttfce er
mir damsls kein GMd gegeben, so wfirde ich wahrscheinHdi mit ihm
wieder gegangen sein.* Gennss hatte X. eigentlich damals nicht, weder-
als er aktiv noch als er passiv th&tig war. £r hatte awar Erektion,
aber es war bei ihm zu keiner Ejakulation gekommen; nur bei dem
Abschiedskuss, den ihm der andere gab, hatte X. bei der Empfindung
der bärtigen Lippen des andern ein angenehmes GefühL
X. war unterdessen 24 Jahre alt geworden. Er lernte eine Witwe
kennen, die ihm nicht gerade sympathi r]i war, die aber fflr ihn einoi
schönen Körperbau hatte. Nach etwa 7 Monaten ungeswungenen Ver-
kehrs bradite sie das Gespzftch auf die geawungene Enthaltsamkeit der
MBnner und s^te ganz allgemein, „dass sie nicht engherzig abschlagen
könne, was Männern Freude mache," Eines Tages ging X. an ihrem
Hause vorbei nnd benutzte die Gelegenheit, ihr einen Besuch zu
machen. Sie empfing ihn, sohim Ihifm succincta. X. schloss die Frau
ohne weitere Umstände in seine Arme; sie vHrlangtc i iueu Kuss, den X.
aber nur ungern gab. Länger zu bleiben, liatte er keine Zeit. Beim
nächsten Besuche nach einigen Tagen ging er schon weiter. Sie empfing
B«q»lel.
225
Qm wie das erste Mal, presste ihn fest an sich, und er Terlaogte von
ilir den Koitus. Sie stellte aber vorher die Bedingung, cUtfS er ihr drei
Küsse geben solle, und dass er ante eiacukUionem memX>rum extrahat.
X. übte den Koitns mit ihr ans ; aber er mnsste ihn nnterbrechen, da
die Frau eine Schwilngerung boftirchtotp. Des X. Wollustgefiihl war
während des Aktes so gesteiger;. le c-x os vorher nie gekannt hatte,
und nur dadurch war die Frt init l eeintriichtigt, ,dHss die Frau allzu
häutig Küsse verlangte und l»e8üüders auch durch die immer wieder an
ihn gerichtete Frage der Frau, ob er sie denn nicht auch innerlich liebe,*
Dies war aber bei X. nicht im entferntesten der Fall. Die Ejakulation
des X- erfolgte uunuttelbar, nachdem er sein Mctnbrutn herausgezogen
hatte. Koch zwei Mal übte er mit der Frau in den folgenden Tagen
den Koitus aus, und swar mit Tollstem Genuas; aber stets war es um
ein Ccitm inkrruptus»
Die Frau war ilim aonsfe m jeder Weise «itgegen gekommen. Ohne
dasB ne et Yerlangfee, kflsste X. tie jelit aneb, and swar» wie er aaftlirtk
freiwillig ,siir Belolmuig*.
AoBBSir diesen drei Fallen hat X* den Koitus niebt mehr ansgeflbt
Br mnsste die Stadt» in dar «r damals lebte, bsld yedassen. In samem
neoen Wohnort sachte er hier nnd da AnknUpfongsponkta bei Frsnen,
aber nidit bei ICldohett, und swar bei diesen nioht» weil er Tarmntetei
dass sie ihm sn sohwer sntgegenkomoMB wtlrdso. Er hatte aber nixgenda
Erfolg. In einem Falle bitte er es, wie er glaiibt» enraiahen kdnnan:
aber da waren gesellacbaftiiche Gründe im Wege, die ein ungeniertes
Zosammoikommen unmöglich maclitt n. In der Zeit des sexuellen Ver-
kehrs mit jener Frau stand des X. Freundschaftsverhältnis mit dem
soerst genannten Kollegen nooh in sdhOnster Blflte. In OffontUohe Httoser
xa gehen, um dort den Koitus ausmüben, wozu er oft von Freunden ein-
geladen wurde, brachte X. nio fertig Zuerst hielten ihn, wie er glaubt,
moralische Gründo al-; sj iltLr aber war es nur der Umstand, dass er
Ansteckung förcliti und bt -onders, weil ihn das G esch&ftsmftssige des
Betriebes abschreckte. „Auch hiitt« mich das Geld gereut.**
26 Jahre alt, lernte er einen andern Mann kennen, nennen wir
ihn Y. Der Betreffende war ein KoUefife von ihm. X. gewann den Y.
lieb, und er that ihm trem dies oder jenes zu Liebe, ohne dass der
andere es merken sollte oder merkte Im Fnvatverkehr war X. dem Y.
gegenüber verschlossen, aber nicht aus Berechnung, um ihn zu reizen,
sondern nur aus Vorsicht, Trotz alledem wuchs die Neigung des X. zu
leidenschaitlicher Liebe an. Seine Zurückhaltung verlor sich, und er
suchte bei jeder Gelegenheit mit Y. zusammenzukommen. Einmi^ gingen
bnde snsammen spasieren. Da kamen lia Ton Fachgesprldien aaf aU*
gemeiBe Lebenssnsohannngen nnd sdilisssliob fragte 7. den X., ob er
meht sein Fraond sab wollte. ,Ioh traute meinen Obren nicht tor
Moll,
15
226
BeiapisL
Freude und Glück. Wir umarmten und küssten uns. Zum ersten Male
hatte ich Cennss vom Küssen, und ich glaubte mich im siebenten
Himmel Und wenn ich jetzt zorückdeiike, so ist jenes der seligste
Moment meines Lebens gewesen.*
Y. steht in demselben Alter wie X. »Er ist mittelgross, SnsPfrlich
mSnnlich entwickelt. Er hat .\ugen, die so hlirkon kfinnen, wie nicht
leicht nin zweites Paar, was sowohl Männer wie Frauen mit Ivct-ht von
ihm sagen. Seine Brust ist dicht behaart Membrum (üque testtcidi
normal.*
Beide suchten nun zusammen zu wohnen; sie hatten aber kein gemein-
sames Schlafzimmer. Eines Abends, als Y. bereits im Bette lag, bemerkte
er, diiss X. noch wach war. Er rief ihn zu sich herein, und X. folgte
freudig der Aufforderung. Sie unterhielten sich über einige Dincre, die
den X. betralcii, über einige unangeaehoie ISachnclitea, die dieser er-
halteu hatte, und Y. tröstete den X. mit innigen Worten ; er mahnte ihn«
doch Mut für die Znknnft sn IttboL HlMwif sog «r d« X Kopf aa
sdne hloBse Bnut, drOdde ihn fort aa lieh, bU er Om nadh eUr« eiiiir
Yiertditande wiador von sieh gahen hie«. .Seiideni hab« ieh üm oll
gebeten» mir Fbti sn macliMi Ar nuino Wangon aa lainer Brost. Br
gawSihrta aa gfitig. Wir kllBitan uu iii jadam HoigwgraH, oft anoli
nun AbendgniBa. Dar aina trat ohna ^Qnnliolikait in das Zimmer das
andam, doob ao, daaa der andere nioikt im Mlg^igA flbaxraaoiht wnrda.
War man gani im Betti so hatte ein Beandi niehta ünangenahmea an
ach. Einmalt erinnere ich mich noch, trat ich zu ihm, als er bereiti
schlief. Er lag halb aufgedeckt auf seinem Bett. Dabei schien der
Mond in das Zimmer. Ich wurde heftig angeregt, spürte deatliche
Erektion und hatte überwältigenden Genuss von dem Aüblick meines
Freundes. Gern h&tte ich mich der Länge nach auf ihn hingeworfen;
aber ich fürchtete sein Erschrecken, seinen Unwillen und am Ende auch
seine Verachtuiig. Öo bedeckte ich ihn ganz sachte und zog mich zurück.
Ganz ungeheuerlich erscheint mir beute diese niftine Überwindung.*
Eint.-; T;iL[es mnssfo X dem Y. eine kleine Wunde, die dieser sich am
Beine zugezogen hatte, verbinden. Bei dieser Gelegenheit sah und be-
rührt« X. des Y. Genitalien. X. hatte heftiges Herzklopfen, aber Erektion
trat nicht ein. In der Folge wurde Y. mit Gew^ihrung und Erwiderung
von Liebkobuiigeü etwas sparsamer; und als X. ihn eines Abends mehr
als gewöhnlich küssen wollte, erwiderte Y.: ^Bu solltest eine Frau haben,
dar du «ne Stande lang gute Nacht sagen könntest*. X. meint, dass
Y. früher als er selbst schon bemerkt haben mflase, dass die Lust snm
gegenseitige Efissen einen aexnaUen HinteKgnmd habe. ,Ieb spSra
bante nooh genan wie snr Zeit dar aitten BxUflnmg den Zanber dar
NSha meines Fraondes. Sein erster nnd nioht an ecachflp&ndar Yonng
iat Henanagttta. Nie ward« ieb midi lueiin mit ihm messen kSnnen.
BeispieL
227
Wo ieh «lUvai Gvki absiohtUoh ihnei thut er es, weil et sieh bei ihm
TOB idbft ergiebi Er hii nrende «a Poene, wBhmid
SDHigt Im TbMior intazMiiert ifaii das Sohauspiel, ud «r ttfgt Empfin-
daBgen mit lioli meh Hrase^ wilurad utf miob alle diese Dinge keinen
Eindiuek maohen. Er Hebt den Tans; ick will absolut mchts von diesem
wissen. Snne Nedkerei mit jnngen Damen bat stets den Anschein der
Wafarbaftigkoit; ich wflrde dam gar nicht im stände sein. Er raaoht,
idi nmcbe niohi lob bieH mich frflher Ar «nen gutartigen tf enscben
ton nicht geringer Qnalitftt, bis ich in neoerer Zeit edcannte, wb
egoistisch, wie charakterlos und unmännlich man mitunter durch sein
£rbübel| das Uraingtum irird. Schon mehrfach war ich nahe daran,
mir Yon meinem Freunde zu erbitten, dass ich eine Nacht bei ihm im
Bette zubringen dürfe. Aber idi, der Stolzere, der Hochmütige, soll
darum betteln? Nein, lieber ginge ich zu Grande. Mein Freund würde
es mir vermntlich ginv'lhrf n. und empfände er Ekel, er würde ihn unter-
drücken; ist er doch so hi rzcnggrit! AIk v ob seine rjfite nnd Milde 80
stark wäre, da&j sie die Verachtung überwinden kömitr? Fröiliuh, wonn
ich mir so vorpbilosophiere, welchen Zweck doch eigentlich das arm*
seiige Leben hat, wenn der innigste Wunsch, obwohl erfüllbar, mir ver-
sagt bleiben rouss; wenn ich mir immer vorstelle, wie wenig Freude ich
bisher gehabt, so kommt man zu emeoi nahe liegenden Schluss, nämlich
dem Abschluss.*
In neuerer Zeit sind dem X. wieder Änerbietungen von einer Dame
gemacht worden, die ihm unter anderem erklären liess, er wäre ixir sie
eine Sünde wert; sie schrieb ihm auch ungeniert, dass sie ihn liebe, dass
sie aber des Alterauteiüuhiedes wegen — sie ist ülter als X. — es be-
greiflich finde, wenn er nicht an üeirai denke. X. traf öfter mil der
Dame znsammen, aber es kam zn keinem sexuellen Akt .Wenn sie mich
gebeten haben wQide, wien Abend bei ihr sn bleiben, d. k. sie dorek
einen Koitns so «freOMi, so bStte idi es ihr gewthrt.* Aber freilicb,
meint X, wire bei ikm der Qennss nidkt annlkemd so gewesen, wie er
es sieh bei seniem Frennde TonteUt. Und doch meint er| mflstle der
kdipeiliche Bdi bei einem Weibe viel mehr wollnsteiregend sein. Bei
X. smd es llbiigena^ wie er i^anbt» nicht so sehr die Oemtslien des
welche ihn reis» wflrdsn, sondern sor der Umstand, dass die Genitsli«!
der Teil sind, den dieser ihm nicht preisgiebi Und immer wieder stellt
sidi X. dabei in der Fhantsne vor, wie er mit seinem Freunde zii<
sasunenfiegen wollte, wie er am liebsten, sein mentbrum an des Freondes
K(hper gedrückt, bn ihm sein mOchte. , Dabei wollte ich ihn küssen,
bis mir die Lippen weh thäten, und das Ganze sollte Stunden lang
dauern. Ob es zu Ejakulation käme oder nicht, das wäre gleichgiltig;
ich wäre befriedigt. Ob ich ihn nicht doch noch einmal darum angehe?
Die AltemaÜTe ist ja sehr eiaüaoh; entweder ich entsage dem glühendsten
228
EinlltiBS dflv YeilBliraiig nf die Art der Befktodiginig.
Wanaohe, oder iflli ▼erlnre oder mIi« dodk aa& Spiel, in ▼«rliem
die AditDiig meiiieB besten Fkrandes. An dieeem aber Ubige ieh w
mlditig, daaa ioli bis jetet ibm gsgenftber konerlei Andeutung feilen
liess. Wie eigentfimlioh: Mtsa nennt sich Freund, teilt sioh alles mit,
nur was beide am meisten bewegt, wird verschwiegen.*
X. masturbiert jetrt monatlich etwa 2 Mal, also nicht mehr so oft
wie früher. Wenn er längere Zeit die Masturbation unterlisst, was tn-
weOen vorkommt, so erfolgt Pollution im Bett, oft ohne Traum. Sexuelle
Trfinrae hat X. überhaupt fast nie. Meistens erfolgt die Pollution im
Halbschluiumer und gewöhnlich nach vnranfgegangener geistiger Onanie.
,Tjetztere mir abzugewöhnen, gebe ich mir keine Mühe; denn sie giebt
dem Geistp Erholung, und, wie ich meine, edlere als manche Loktüre.
Me ipmm nndum m speculo videre permiujnam voluptaietn viihi o/feri."
Sexuell filhlt sich X. leicht erregbar. Er hat bei dem geringsten
Gedanken an homosexuellen Verkehr oder beim Küssen eines Freundes
Erektion. Hingegen macht merkwürdiger Weise der Anblick badender
M&nner auf ihn nicht so viel Eindruck. £r rieht immer nach der
BSektnng, ubi m$mbnm drds eti.
Vom Bliok der Srkennnng, Aber den üminge so hftufig Aseln, ist
bei wie er Mndriloklieh erUArt, keine Spur ▼oriunden.
Die Art und WeiM, iri6 der Uiniiig Im Gwolileoktnerkelir mit
dem Hmiw saue Befriedigung soxät tmd findeti ist venohiedeii.
Welolie Art der Befiriediguog jemand im einsebMD Nie wiUt^ irt
▼on zahlreichen M omenteii abh&ngig, unter denen die Terftthrung wohl
auch einige Bedeutung hai Ob überhaupt ausser der Aneinander-
lagürang der Körper, ohne dass Zufälle und Verführung mitspielen,
eine bestimmte Art der Befriedigung (z. B. Itn7Hissio inemht i in osj
durch den Urning bevorzugt wird, halte ich nicht für sicher. Beim
normalen Geschlechtstrieb nehmen wir an, dass die Neigung auf den
Koitus gelichtet ist, d. h. auf Immif^sio nmnbri m vanirmm. Dass
auch hier Verführung; und Nachahmung als Gelegenheitsursachen eme
Rolle spielen, halte ich nicht für ausgeschlossen. Üass aber, wie
Ludwig Heinrich v. Jakob') meint, der Mensch (iie Befriedicfung des
Geschlechtstriebes nicht durch die Natur, sondern durch die Kunst
lerne, das dürfte ein Irrtum sein. Vielmehr habe ich an anderer
Stelle schon gezeigt» dass wahrsoheinlioh gerade die Neigung, den
- ) Ludwig lloinrich v. Jakob: Onuidiiss der ErieJunngs^Seelenlehte,
4. Aasgabo. UaUe 1810. S. 272.
Verechiddduiieit der Befriddigong.
229
EdtoB ansmflbeii, d. L wumbnm iumutien m ffoginam auf «iner
eingeboreiieE Dkpodftion bendit Nicht nur spiedieii hierfür Be-
obaofatangen in der Tierwelt, wo wir finden, dass der Koitns ohne
Einwirlrang von Beispiel oder Verffthrung ausgeübt wird, sondern auch
manche Erscheinungen aus der Pathologie des Menschen.'} Auch
Ed. V. Jlartmaiui') rechnet in seiner Philosophie des Unbewussten
die normale Art der Geschlechtsbefriedigung, d. h. den (JoUus per
iXLginatn zu den im Menschen liegenden und ihm angeborenen In-
stinkten; das Wirken des Unbewussten bildet nach dem genannten
Philosophen die Geschlechtsteile zusammenpassend und treibt als
Instinkt zu ihrer ricbtigen Benutzung. Angeiioitimen, dass dies
richtig ist, so fehlt natürlich jedes derartige Moment für den homo-
sexuellen Verkehr, bei dem der Zweck der Fortpfljmzung weder bewusst
noch uiihcwusst auf die Art der Befriedigung einen Einfluss übt.
Dass man unter solchen Umständen beim B'ehlen des Zweekes der
Fortpflanzung zu etwas ungewöhnlich scheinenden Arten griff —
Nero liess nach S. Aureliaa Victor einem Mann sogar ein Stück
Fleisch heraiiBsolmadeiii') um ihn dadurch ^ormare in mtdieremf* — ^
][ann ebenso wenig verwundem, wie der gelegentlich vorkommende
analoge Vorgang in dem heterosexuellen Verkehr, wenn Schwlagerang
vermieden werden soll, obwohl selbst bei dem Wunsche, sie la yei^ '
hindern, der Instiiikt nach Bd. t. Heitmann som CMtesjMr vaginam
drängt
Es Ist mir ftbngens wahne]iein]i<di, dass die Art der Befiriedigong
bei den ümingen sa ▼ersofaiedeBsn Zeiten nnd an Terschiedenen Orten
Tsrsoliieden ist^ dass i. B. In Faiis, als Tardien*) sein BucJi sebrieb,
die FSderastie bftofiger war als gegenwSrtig in Berlin.
Folgende Beobachtung soll zeigen, wie sich bei einem Ürrnng in
dessen verschiedenen Lebenszeiten der geschlechtliche Akt gestaltete.
Genaueres hierüber bei Albert Moll: UntersnofalDlgeil ttber die LQrii9
texualü, 1. Band, 1. Teil. Berlin 1897. S. 96—310.
^ Eduftrd Uartmann: Phüoäophie des Unbewussten, 8. Auflage,
1. Band, PhSnonenologie des TTDbewiiH(ii. Berlin 187a 8. 190 £
- ) Es sei bei dieser Gelegenheit onriUint, deas Phi lernen und der Dichter
Alnxi?; finnn Mann Namens Klisophos erwähnton, der sich in eine marmorne
Eil(ls;iiile vcrli- bf: battr. Kr lip«H sich in dem Tempel m Samos eiuschliessen,
und au die Steile der (ienitaUeu der £:>tatue befestigte er ein StUck Fleisch, um
auf dieee Weise den Eoitns nnefibea sn ktanen. (Paal Horeaii de Teures
ßu Äbarratiotis du »ens gemsique. Troisiime edition. Pcurü 1883» S. 196b)
- ] Ambroiae Tardien: jfilftMis miäieo46gah turln ttUentati amnumirt,
Parü 1858,
230
BaiqdflL
12. Fall. X., etwa 50 Jahre alt, ein l ^lcannter Kftnstler, führt saine
perverse Anlage aof die frOhesie Kisdeszeit zorfiok. Die ersten Oe-
danken in Besog inf annelles Leben kamen ihm im Alter von 10 oder
11 Jahren, wo ein junger Mann Y. X.s Hand erst in seine, d. h, Y.B
Hosen und dann an den Geschleobtsteil licranfüLrte. Das Anfassen des-
selben, sowie besonders aach dos Anfassen der Haare und später deren
Betrachten war für X mit besonderer Wollust verbunden, X, fühlte
von da ab immer fiiicn liesondeieü Drang, männliche Genitalien zu sehen,
ohne sich aber irgendwie dabei etwas zu denken. Ais er älter wurde,
machte ihm auch die sonstige körperliche Berührung m&nnlicher Indiriduen
grosses Vergnügen, ohne dass er sich aber einem bestimm tön Akt hingab.
Später liebte er eä, besonderö Freunde an seine Wangen zu pressen, and
allmählich empfand er auch em Vergnügen daran, ttberhaopt seinen Körper
an den eines anderen etwa gleidydterigen Hamwi ^enaiBlegen. Itaiab
war er fidi dabei heften bewnnt) dan er irgend einen bestimmten Akt
ansfllbren wollte, j» er batle bis m seinem 20. Jahre gar keine Empfindong
davon, dass er bei diesen ümarmongen vnd Berflbrangen Sameneignss
haben konnte. Siat in sainem 26. Jabre, als er mit einem VwmA»
raaammen im Bette lag nnd ihn sehr liebkoste, eorput men^bmmgite
mum apprimens ad corpus amki, empfind er plOtslieh, dass Samen-
ergass mit Wolkisligeiflllil etlblgte; hierbei »ging ftr X* eine gsni neue
Welt anf*. Nie batte er TOrber Onanie getrieben, nor des Nachts baitte
er bei wollüstigen Tdlomen, die stets Männer betrafen, öfter PoUntionett,
niemals aber Samenergass in wachem Zustande gehabt. Auch jetzt noch ist
er sich nicht bewosst, dass er irgendwie mit seinem GUede einen besonderen
Akt aasführen mttsse. Immissio membri in anum ist ihm widerlich;
apprimere memhrum alicui parti corporis alterius gewährt ihm grosse
Befriedif^^n^; hierbei liebte X. es, si aller inrtinihii, ipseq\te succumbit.
Aus den sonstigen reichhaltigen Mitteilungen von X. erwähne ich
noch folgende. X. halt es für müglich, dass sein eigener Vater hoino-
sexuelle Neigungen hatte; als sicher kann er das jedoch nicht angeben.
Sonst sind wesentliohe erblich belastende Momente in der Familie nicht
nachweisbar.
X. selbst ist ein sehr ehrenhafter Maim, der Zeichen von Effettmiatio
nicht darbietet. £r hat mit vielen schönen Weibern gesellig verkehrt,
hätte auch in der Jugend oft Gelegenheit znm Koitos gehabt, aber er
hatt.e nicht die geringste EmpfindunL' für das weibliche Geschlecht.
Einzelne Versuche, geschlechtlich mit dem Weibe zu verkehren, sind
fehlgeschlagen; es kam bei X. nicht einmal zur Erektion. Nor einmal
hatte er, als ein Wdb llQgere Zeit digUis eius membrum frieuU eine
geringe Brektion, die aber in wenigen Seknnden «fader vergangen war
nnd an «ner Immissh mem&ri nioht benutrt werden konnte.
Ton sonstigen IHgantllmlidik«ten des X. enriOme ioh noeb die^ dass
Peripliensche Vorg&uge.
231
ar vwlilltmtiDftsing objekti? iife, di« HomoMxuHtlt flir «ms kraddull«
Enelwiiiiuig halt» ab« doch daran YoikommeD sthr 1lb«rlrmbt und sie
bMondos Ii« maaem aammnnt, die ihm dnndi üueii Benii nalie rtehen
imd infolgedeeBtti sehr frenndlidi ni ihm smd. Er hsife sieh dabei, wie
er sdbrt angiebti sishoii oft gettnsoht» ist aber doeh noeh immer geneigt»
heterosexnelle HSnner, die in der Offentliehkeit woUbekaiint sind, ffir
Üminge sn haUaa.
Senell rerkehrte X. mit einem jnngen Hanne Y., der sich an-
scheinend nnr nm Geld zu verdienen dem X. hingiebt. Y. ist ver-
lobt» X. hftlt ihn flr heterosexoeU, glaubt aber docb, dass er sich in
sdner, d. h. des Y. Gegenwart, sexuell errege! Es hängt diese eigen-
tümliche Vorstellung des X. vielleicht mit einer gewissen Eitelkeit, die
sonst in anagesproohenem Grade bei X. nicht vorhanden ist, znsammen.
Die Vorgänge an den GenitaUen sind bd Befriedigoiig im all-
gemeinen dieselben, wie die bei BeCriedigang dorch den normalen
Koitus, es tritt bei den üraingen Erektion, Ejakulation mit WoUust-
j^föhl ganz ebenso auf, wie beim normaleu Mann. Doch ist mir
angegeben worden, dass es bei manchen Urningen überhaupt üur
bis zur Erektion kommt, und ich weise auf den eben beschriebenen
Fall hin, bei dem selbst noch im 25. Jahre, wenn auch bereits nächt-
licher Samenergr^iss eintrat, der Akt in Wirlciichkeit nie weiter als
bis zur Erektion kam: diese gewährte jenem Herrn ein gewisses
GefQhl der Befriedigung, Spftter allerdings war auch für ihn die
Ejakulation hierzu notwendig. Es tritt übrigens etwas ganz Analoges
mitunter bei der Heterosexualität ein, wo es in den ersten Jahren
der Geschlechtsreife gleichfalls oft nur bis zur Erektion kommt und
erst sp&ter die Ejakulation zur Befriedigung beansprucht wird. Es
kommt dies oft genug bei „platonischer Liebe" vor. Von ihr aber
gilt das, was Samuel Richardson*) sagte: „Freondsohaften, die
siob bl4MB mit Absichten anf den Oeiat swiBohen Manns- nnd Weibs-
personen von wirklich edlem Herzen angefangen haben, haben sieh
oft sehr kOipedieli geendigei* An sich ist die Erektion zur Voltendong
des Aktes beim ITniiiig nicht so ▼(dlstfindig nOtig, wie beim nonnslen
E^^tos, qwa nmAnm aatj^ m eowiiifi fMm twwnKlitor. NatOrlicfa
geht aber oa>bhlDgig hier?oii, d. h. ohne dass sie einen bestimmten
Zweek liat^ die Erektion der Igskalation beim Homoseznellen Toiaiis,
^ Berta Samuel Biehardsons, VerIhMeis der PanKda» Olariew nnd
(ha Oiaadiaoiii genMinattbdge Lehren der Tagend nnd der gnten Sitten. Aus
seinen gesainton Wetken aater ihre gehfirigea Hanpttitel gebradit. Leipsig
1767. S. 78.
232
FUantlit.
da die peiiphenMlieii plijiiAlogisohMi Yoiginge dieielbM riad, irie
beim lunmaleii Kinn.
Die g'ewöhnliche Annahme ist die, dass der Geschlechtsakt beim
Urniri^'^ darin bestehe, unum metribriim suum in anum uUtnius im-
mUltrc; dieser Vorgang wird eigentlich speciell als Pftderastie be-
seiohnet. ludessen ist es ein grosser Irrtum, za glauben, dass dieser
kkk das Gt wühnliche sei. Einige Autoren, wie Krafft-Ebing
nehmen s(>t::tr an, dass nur bei sittlich defekten Männern die Pä-
derastie vorkommt Ich kann nach allem, was ich gehört habe, dem
nicht ganz beistimmen. Nach den mir gemachten Mitteilungen unter-
liegt es für mich keinem Zweifel, dass Immissio monhri in anum
gelegentlich unter den Urningen vorkommt, ohne dass ein sittlicher
Mangel besteht FOr Terhaltnismässig selten muss ich die Be-
friedigung auf diesem Wege dennoch erklären. Bas Gewöhnliche ist
ttbrigens bei dei Päderastie nicht, dass jemand eine Neigung hat,
immUtere membrum m rectum aUerius, vielmehr findet meist das
Gegenteil statt» indem es einzelnen Urningen einen besonderen Reiz
gewfthrt, wmMsione mem&n alter ius in anum proprium sitavUer affid;
bierbei pflegt dann der betreffende passive Urning selbst Samenergnss
za baben. Viele flben den päderastiseben Akt nnr ein oder das
andere Mal geirissennaaaen mr Probe ani. Sie baben dies oder
jenes davon gebört nnd erwarten infolgedessen bierbei einen b^
Sonden grossen Gennss. Naohdem sie aber die ISntt&Qscbnng bei
dem Akt selbst eribbren baben, kehren sie nie mebr m ihm sorack.
üm das EkeUkafte") des Aktes zn mildem, kommt es aneb vor, dass
nomuM amm <täoHbus Mmmi; meMbrum mienbm o2eo mfrieant,
ui faeSe pmdrd m» mam; eodem modo prokibeiU ne faeoes mmibro
- ) R. V. K r fi ff t - Eb i n 2: : Ps'i/rfjripathirr srrtiah's. mit bcsrmderer Berück-
sichtigung der koutri ren äcxualeinpäudiiog. Eine kUuiach-forenaische Studie,
9. Auflage. Stuttgart S. 255.
- ) Wenn ieh dem Bnuudia der meisten Schriftsteller filier FIderutie folgen
wollte, so müsste ich wich erat am Beginn dieser Anseinandersetznng den L^er
um „Entijchuldignng* bitten wegen dos luhaltes dprs^Ihün Indessnn wird wohl
kein Mensch verlangen, dass man bei einer Abhandlung; über k iitr trj Sexual-
empfindang einen der wichtigsten Punkte, die Art der Befiiediguug übergebe;
daher laaie iob jede CaptaHo hmmoUntk» Ibrfc und atelle es dem ErmaaBan des
loami anbeim, wie er über daa folgenden Abachnitt denken will. Nor möchte
jeder vorher uocb einmal erwägen, ob der normale Beischlaf beim Weibe nslit
gleicbfaliä Yor^artsr ist, der viel KkeUiaftee bietet| dessen Besdureibong aber
nichts desto weniger hantig nötig ist.
BetopIeL
233
mÜH posmL 8a^ paedenufia ifa fit, iU eodem tmtypore, guo X
mummt mmbnm m amm 7, X eirmiidiidat manu menämm F.
«tf mm tnamatt^ret, dtm ipae eiaeitkit aemm m amm, Sdion
H. Fr&nkeP) schilderte den Akt genau, wie ihn der Fidenst Blank
ansabte; dieser liegt auf dem Ba^en, drängt den Steias naeh fom,
öbteffit una mam Borokm vm^trumque srnrn, vi ab aHtero «mn^
Iwbeaiur, atque altera fnan« mmbnm stupratoria m proprium atmm
inducit. Eo modo alter credit, se coitum cum femina facere,
JJaäs bei erworbener Tuderastie, wie von Tarnowsky an-
genommen wird, die Erektion rasch mit Samenenileeraiig endige, so-
dass der Geschlechtsakt immer sehr kui^e Zeit dauere, ist nicht in
allen Fftllen richtig.
Nochmals sei erwähnt, dass diese Art der Befriedigung selten
ist Man könnte vielleicht einwenden, dass viele Urning* mir die
Wahrheit über diesen Pnnkt nicht sagen wollen, weil der Akt als
solcher strafbar ist und sie deshalb dif S.icbe rjelunumis be-
traohten. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig; denn viele haben
mir andere Arten der Befriedigong angegeben, die ebenso strafbar
aind wie die Päderastie; es hinderte sie also die Furcht vor Strafe
nicht mir Angaben hierüber zu machen.
Der Vollständigkeit halber, erwähne ich noch, dass nach Mit-
teilung einiger Homosexueller die Päderastie häufiger ist als nach
den übereinstimmenden Berichten der überwiegenden Mehrzahl der
HoauMeznellen ansnnehmen ist So betdnt der Mann, auf den sich
die folgende vüa ssmalts besiebt^ aosdrOeUicfa die Hinfigkeit der
ndexastie.
13. Fall. X., 35 Jahre alt. In einem kleinen Städtchen geboren,
verlebte X. dort seine ersten Jugend- and Schuljahre. Schon früh ent*
wiekelto sich bei üud in Tcctindmig mit lebbaltar Flisatasie eine starke
SinnliofakaiL Als 10 bis ll^Oiriger Knabe hatte er heftige Erektioneii,
wobei seine «rotuehen Keognngen auf beide CMbleohter gerkhtet waren,
haaptsftoUieh aUardings anf Knaben. Ss traten Erektionen besonders
bei dem gemeinsehafHichen Beden und Znsemmensehlafen mit endenn
Knaben snC 12 Jahre alt gebrsndite ihn «n älterer Scbttler einige
Male snr pessiren Päderastie, ohne dass X sidi Aber deren Bedentoog
klar war. Dann wurde er stur Onanie verfährt, der er aber nur in
') Hieronymus Frinkel: Homo moUis, Medizinische Zeitont?, horans-
gegeben von dem Terein für H^Unuid« in PreosBen. S8l Band. Berlin,
1. Jaoi lä53.
234
BeuqneL
MaaM uili«iin fid. .Daas iok aia übarliaiiiii ktnnaii lamta, irt
wobl, ao aaltaan m aiioli Uingaii taiag, Ar mich tnm Olftak aoagaaeUagan,
da UHk Itai mainor flinnliehkail oIum Bafriadigmig deraalban kaum dan
Yarataad bahaltan Idltta/ Ln übrigra war X. ein gans wncmalar Knaba,
wild und unbtndig, maohta in dar Sohnie aber gute Fortschritte. loa
12. Jahre kam «r auf das Gymnasium, wo rieh zwei ältere Mitaobfllar
arotisch mit ihm za schaffen machten, ihn auf den Schoss nahniMi, um-
armten, küssten und dergleichen. Sie behaupteten, er hfttte so etwaa
hingebend Weibliches an sich, was sie anzöge. X. hielt das Ganze nar
ftlr eine Spielerei, ausgeübt in Ermangelung von etwas Besserem, ob-
gleich sich bei ihm gegenüber einzelnen t^pr Freunde eine lebhafte Zu-
neigung zeigte. Dem Verkehr in Damengesellschaft gmg er möglichst
aus dem Wege, und nur ungern und spät nahm er Tanzstunde. Aus
iiusseren Gründen wechselte X. die Schule. Auf dem neuen G^^mnasium
herrschte ein ziemlich freies, studentisches Treiben, an dem er viel Ge-
schmack fand. Seine Freundschaftsgefühle, namentlich für hübsche
Kuübeu, enlwickelttru sich xmiuüi' mehr. Er war eifersüchtig, wenn sein
Günstling gegen einen andern freundlich war. Mit 17 Jahren Tolhtog
cor dan aofean Koitu bei mm W«ba; ar war biltar aoltliiBGlit imd
IliUta aiöh aiigeekelt ,Da8 alao war dia hOehata Womw dar Liebe.*
Ea hat Jabra gedanezt» bia er dia Sadbe wiederbolta.
Nadi einigen Jabran kam X. naeh «ner UaiTeraititartadt Sr wurde
sofort Ton aemen «ahhPMohen Freonden, Stadentan, in ifaran Kreis gezogen.
Er lebte mit ibnen als Stndent, ging ina Kolleg nnd abenda sor Knaipoi
wo er ale flotler Zeeber, leidlicher SSnger, »Tereideter Fealdiohter** nnd
guter Kamerad raebt beliebt war* X ^nbt» dasa er dnreh diaaea Leben
erat apftt über seinen aemeUen Zustand aa%ek]flrt wurde. Er war so
got wie nie aDain. Er wohnte mit den Freunden maamman nnd war
aleta unter AolUoht» sodaas er keine Gelegenheit hatte, iweifelbafte Be-
kanntaehaften zu machen. Er ging ab und zu zu Dirnen, und als ihm
dies, an und für sich Ekel erregend, durch wiederholte Ansteckung ver*
leidet wurde, suchte er galante Abenteuer mit Kellnerinnen et& avf^
hatte aber hierbei keinen Genuss und hat ea snm grflaaten Teil nur ans
Eitelkeit gethan, um den Freunden zu zeigen, d^s er «eui ebenao Ter-
flnchter Kerl wäre, wie sie"; dies gelang ihm auch.
Zu dieser Zeit machte X. die Bekanntschaft eines ISjlhrigen Juristen
T., der bildhübsch, von eleganter gr<^er Figur und aus guter Familie
war, in den er sich rasend verliebte, und dem er sich auf jede, aber
dezente Weise zu n!them versuchte. Bald verband beide — X, war
24 Jahre alt — innige Freundschaft. Als X. den Y. eines Abends, nfich-
dem rr bei einem Streit sehr warm für ihn eingetreten \s'ar, nach Hause
begleitete, kusste Y. den X. unvermut+'t aul das heftigste ab. X. hatte
sofort Erektion und erwiderte die Küsse ebenso leidenschaftlich. Wie
BeiipieL
2S5
im TraniDe ging X. von T. Die Erektiini Icdute ttett wieder, wenn
X. oder T. das Küsten wiederholte; und X. sachte h&nfig nur tu diesenL
Zwecke mit Y. eUein la sein. Von Weiterem hielt X. sieh streng znrildr,
selbst wenn es ihm schwer fiel, wie z. B. bei einer gemeineehaftliolien
Reise. Ob der betreffende junge Kenn damals geahnt bat^ was in X.
Torging, weiss dieser nicht
Zur insseren Ablenkung seiner Sinnlichkeit verkehrte X. darauf
mehrere Jahre mit einer Nfiheriu, die ihn dureh grosse Wollust reiste.
X. , spielte gewissennassen nait ihr", ohne das zu finden, was er gesucht
hatte. Er war schon so ziemlich überzeugt, dass er nicht normal ver-
anlagt wftre. Der frühere Freundeskreis war inzwischen in alle Winde
zerstrent, nnd X. war damals ziemlich viel sich selber überlassen. Als
er eines Ahen*!s — er war 30 Jahr alt und lebte in Berlin — in etwas
animierter Stimimmg nach Hanse ging, schloss sich ein junger Mann
au ihn an, der bald merkte, da^s er noch einen Neuling vor sich hatte.
Nur zu gern Hess sich X. verführen, wenngleich er sich am nScUst^n
Tage wie ein Verbrecher vorkam. Nacli Li Wochen wdgte. er den zweiten
Versuch und wurde bald dreister. Die ersten Bekanntschaften waren
na^Udh klnfHohe Subjekte, die durch au£fallendes Benehmen andere
anlodrtsa. flndUdi gelang es dem X., einen ansUndigen, swar tfnfooben,
aber gut iDfinanieirien jungen Hann kennen in lenien, der ihm Auf-
Uimng Aber seinen Zustand und die bezügliohsn Berliner Yedilltnisse
gabt ilfir war, als ob mir eine ^ide Ton den Augen genoramm wurdel
Fbst 8 Jahze lang war idi in Berliu umhergelaQfen und hatia ILbersehen,
dass Tausende wie ioli Tersnlagk waren und Tille mir gern gedient
hittin.* Msnfllie sondobsie Annäherung Älterer Fezsonen an ihn in
frflheren Jahren wurde ihm nun Uar — so hatte ihn i.B. ein Gjm-
nasiallehrw hlnfig ohne Gnmd auf sein Zimmer bestellt, Ihn auf den
Sehoss genommen, gestreudielt und sehr viel geküsst. Die Potenz dem
oben erwähnten Mädchen gegenilber erlosch, obwdil X damals den
liomoeexueUen Verkehr noch sehr m&ssig betrieb, von dieser Zeit an fast
gsns. Der Verkehr mit dem Mttdohen wurde ihm zur Qual, und er
gab ihn unter der Angabe, krank zu sein, ganz auf. X. trat dann in
Beziehungen zn einem juno;r'n Maler und war entzückt, endlich jemand
7.U luibeii, der ihm an Bildunf,' gleich stand. Beide hatten auch gemein-
scJiiiftliclie, gfScUschfiftliche Beziehimgen, sodass ßie nnanffsUig verkehren
konnten. Der Gefahr, sieb ernstlich in den Maler zu verlieben, entging
X. glücklich, da er bald genug seinen Leicht'^inn erkannte.
Vor 'S .Jahren machte X. auf der Pferdebahn die Bekanntschaft
eines neunzehnjährigen Kaufmanns aus anständiger Familie, der für ihn
und sein Seelenleben von grösster Bedeutung wurde. X. erfuhr hier,
dass auch bei Homosexuellen ,die Liebe Lust and Leid kcunt und ihre
höchste Entwiokelung in Hingebung und Aufopferung entfalten kann.
236
Ich erlebte das höchste Olück und das grOaste Leid und war mehr als
einmal dem Selbstmord nahe, als ich nach anderthalb Jahren das Ver-
hältnii lOlte." Er erlebte einen Tollst&ndigen Roman mit Trennung, Yer-
Böhnunpr, neuer Trennung, .und selbst der ven^terische Hausfreund fehlte
nicht". Schwere Seelenkämpfe, die den X. auch körperlich zurückbrachten,
waren notwendig, beide auf den Standpunkt zu bringen, auf dem sie
jetzt yerkf'hron: gegen einander Freunde and Vertrauta in jeder Be-
ziehung zu sein.
Seit Auflösung des intimen Verhältnisses lebt X. nun als , fröhlicher
iScbmetteriiug" (vor neuen ernstlichen Banden habe er sich bisher sorg-
lichst gehütet). Eine ziemlich grosse Anzahl austAndiger junger Leute
aus allen Stünden iin Alter von 17 — 22 Jahren verkehren gern mit ihm,
und X. bedauert nur, dass er sich iiiuen nicht mehr widmen kann, da
er den Verkehr mit Altersgenossen und in Familien nicht aufgeben darf.
Hit Uteren Hexran yeKkohri X^ wenn sie ihm nioht allxa nnsjmpathisoh
nnd. Die von OleieligBiiiuitai besMideni bamebtai Lolnle, BlUtt «. i. w.
besadit X. niehti dn ihm dies AnfibUflnde tud Weibische, wis es »di
dort breit aueliti veiriiasst ist Dass er selbst einen weibisehen Zog an
ndi habe, nBmlicih den Trieb, sidi anderen hinragaben, salbst nut
Bchmersen, nnd andere in befrie^gan, dessen ist er sieh woU bewnsst
Es haben jedenftUs seine sonstigen Bekannten nieilits an ihm bemeikt;
ne wandern sieh hOdbsbeiis» dass de nur wenig t^on seinem Gasdileobt»*
leben ftberhaiipt bemerken. X. schiebt es dann auf die stfinaisoli rvt*
lebte Jagend.
Erwlhnt sei nodi, dass X. gsm Qadiohts maohti die er snwailen
Mich seinen Areonden widmet, and dass sdn diobtarisdies Tslent mdit
selten snerkannt worda.
Herr X, madit mir nodi ein^ Bemsckangen Uber die Homosemslitlt
im allgemeinen, die manche falsohe Ansohanang darüber richtig stallen
sollen. Er hat sieh viele An&eichnungen gemacht and berfidonditigt in
seinen Zossmmenstellangen sanächst nur solche Penonen, mit denen er
mindestens sweimal sezaell verkehrt hat, und deren Persönlichkeit ihm
sonst auch gsjiz genau bekannt ist (Gruppe I). Seine Aufzeichnungen
erstrecken sich auf über 100 derartige Fälle ans verschiedenen Ständen
und Altersklassen. Die meisten standen in der Zeit, als X. sie kennen
lernte, im Alter von 18 bis 22 Jahren: dorh befand sich damntar auch
ein schon 55jähriger Mann. Einige der jüngeren Leute sind spiit i der
Prostitution anbeim gefellen und jetzt fleissige Besucher der bei männ-
lichen Prostituierten beliebten Punkte. Ausserdem hat X noch Auf-
zeicliiiuiir'on iiher 40 Personen, mit denen er nur cmmul verkelut hat
(Gruppe 11), und vüu denen 4 zur Prostitution gehören. Von den Be-
kaimtschaften des X. sind mit Ausnahme TOn 4 oder höchstens 5. aUe
^eebt*, wie er dsh «asdrfiskty d. h. horaosemall. Sie wann bei weitem
237
som grtatan T«fl aaT«ili«nt«L Einer, der Terheiratet war, sndite ee su
vetlMaiidiiibeBi d» X. den Yerkelir mit VeriieinKleten aocgftUig Termeldel
Die BekaaniadieAen hat er aUe aelbst gemaditt nie dnroh En^eUmigen
dritter. Was die Zahl der Behanntaehaften betrifil^ so sei sie noeh Ter-
MltniBmlinng gering, da er ent spit ftber die YerhlUtniaae anfgeltKxt
wurde. »Hfttte ich im Alter von 18 bis 20 Jahren meine jetzigen Er-
fahmogen gehabt, so vrfkn die Zahl dreifach so gross ; aoeh jetzt wftre
Kie wohl bedeutend grdflser, wenn ioh mieh nicht streng Ton den be-
kannten Lokalen u. s. w. fem hielte."
Auch über die Häufigkeit der Päderastie qncioht sieh X. aus. Die
Angaben über die Immissio mentbri in tumm, die man ja jetzt als
Päderastie bezeichnet, treffen seiner Erfahrung nach nicht zu ; wenigstens
nicht, soweit sie die aktive P&derastie betreffen. X. bezeitihnet die
folgenden Zahlen als absolut zuverlässig. Von den etwa 100 Per-
sonen, mit denen er Öfter als einmal verkehrt hat, haben den Akt an
ihm 60 vollzogen; von den 40 Personen, mit denen er nur einmal ver-
kehrt hat, haben mit ihm den päderastischen Akt 27 ausgeübt. Von
den ersten 60 Personen lassen sich 10 auch ]>assiv gebrauchen. Die
27 Personen df»r andern Gruppe kennt X. zu w♦ nIL^ um über sie An-
gaben muchen zu können ; er ist aber fest überzeugt, dass verschiedene
von ihnen sich auch di i pasbivt'ii Päderastie hingeben.
Der Eiiivvfknd, h^ss die Verführung auf die grosse Zahl der päde-
raütibcheu Akte Eiulluss gehabt habe, triilt nach X. nicht zu bei den
Personen der ersten Gruppe, mit denen er öfter verkehrt hat; sonst
vflrden diese Personen den ihnen unbequemen Akt doch nicht wiederholt
hahen. Er entspreche vielmehr in den meisten ^flllen deren eigenen
Wflnsohen. X. glaubt bestimmt, dass von den restierenden 40 Personen
der Gmppe I noch versdiiedene die sktire Fftderastie per anum toU*
stehen wflrden, wenn die Qel^genhsit gthistig wiie. Direkt perhorresoiert
hsiben den Akt nur 10 Personen der Orappe I, die alle sdir weibiseh
▼exsalagt waren. Was die passire PBderastie nnd ihr Yorkommen be-
trifltt so sei sn bemerken, dass die Furoht Tor Sehmenen imd Ei^
knnkongen viele sorltolihslte, nicht die Fnreht tot don Oesets: denn
an den Gedanken, stets mit einem Fusse im Zuchthause zu stehen^ ge-
wöhne man sich ja albnählich. Der Trieb sei eben mftchtiger als der
Paragxnph. «Ich habe mich bei jemand, der ausschliesslich durch aktiven
Koitus per anum seine Befriedigung findet, und den ich seit Jahren als
glaubwürdig kenne, erkundigt, ob er immer das Gewünschte fUnde. Er
erklärte, dass er r>0 bis HO nicht zur Prostitution gehörige passiv ver-
anlagte Menschen ki iii:en gelernt habe. Der Herr ist ungewöhnlich potent
nnd vollzieht den Ak; vier- bis fünfmal in etwa zwei Stunden. Er ver-
kehrt zur Zeit ausser mit mir mit einem Mitgliede emer fremden Ge-
sandtschaft und einem GrossindufitheUen.*
23S
LnniMto in os.
Naob X. aelMiBt <iwniiiflh aneh die paobe Fidwtstie hlofigw vaa>
snkommflii, ab «ügnioiiixiieB wird. Beweisen, wie bei der aktiven Flde-
raefcie, Unne er ea allerdIngB niohi. Beifiglibh dieser aeieB aeine Angaben
jedoch sieher, wie er immer wieder betont.
So pontiv sieher übrigens X diese Angeben »ttdi macht» so stehen
aie dvrohnas in Widersprach mit den von vielen andereD Seiten mir ge-
machten Mitteilangen ; iefa bin einstweilen der Ansicht, dass X. den ihm
hBufig SU Gefallen erwiesenen päderastischen Akt, der ja seinw Neigung
m eotaprechen scheint, mit einer direkten Neigmg des andern zur Pftde-
nstie verwechselt X. hatte sich übrigens einmal eine sohwere Sjphilis
bei der pasBiven Piderastie sogasogWL
Em bereits eiwihnter ünung teilt über die Neigung zur Pideneiie
nnd flberhAupt in Bezog auf die Befriedigung folgendes mit: *,Wie
der homosexuelle Tiieb sieh bemerkbar maoht, ist eine Saohe von
Wichtigkeit Soweit m^e eigene Erfiihnmg geht — und die, mit
denen ich darüber gesprochen habe, bestätigen meine eigene Ansicht
— besteht das erste Verlangen nur darin, zn lieben, zu liebkosen,
einen Mann zu küssen. Der Wunsch, mit einem Manne zusammen,
zu schlafen, kommt erst später. Die erste Form des Gesehlechts-
verkehrs besteht dann meist darin, dass man membnim mter [eniora
immiUü und die warmen nackten KOrper mit einander in Berührung
bringt. Einige Homosexuelle qrehen überhaupt niemals darüber hinaus.
Die zweite Form ist der Verkehr per os (Intviissio in o,s); dies ist
die gewöhnliche Form. Nur wenige werden Päderasten {Imnussio in
anum); ihre Zahl ist unter den Homosexuellen sehr klein. Vun den
27 Männern, mit denen ich verkehrte, ist nur ein einziger Päderast.
Unter den 965 Männern, mit denen mein Freund Y. Verkehr gehabt
hat, hatten nnr 57 Inrntissio in anum ausgeübt Die anderen 908
ftbten hauptsAoblioh den Verkehr mit dem Mund, einige wenige (Y.
weiss nioht genau die Zahl), nnge&hr 66, membnm wier femom
üUerius pommt.
Männer, die zur passiven Päderastie geneigt sind, onanieren oft
sehen in froher Jugend, thon dies aber nicht nur in der Weise,
memdriM» /nosnt, vielmehr geschieht es bei ihnen mitnnter so,
Die Päderastie fährt mitunter zu ükera am Bektom, die be-
sonders ?om geilohtstntliehfln Standponkte diagnostäseh sehr wichtig
sind; es kann aneh in einer Gonorrhoe des Rektums kommen.')
') leb erinnere mich, in meiner vStudienzeit einen Fall gesehen zu haben,
bei dem die Diagnose tad Gonorrhöe im DatmkaiuJ gestellt ww, die durch dea
Aktiv» md ptmäm PIdtntiM.
239
Nochmals sei darauf hingewiesen, dan wohl in vielen F&Uen die
Yerfühmng*) sehr viel duu beiträgt, wflnii die Befriedigung doioh
mmisaio jpmis m amm gesagt wird.
Das Wort Fidenstie beieieliiiet jetzt, wie bereits enrUmt, in
Dentaoldand nemlioh allgemeiD nur Lnmiisio mmbri m amm dnes
mlmdieheii IndiTidiiaiiiB. Bd diesem Akte ist aktiv is, qui immiUU
und passiv is, m eitim amm mmUHiur. Die meisten Antoien
nadien eine gang sofasife Soheidnng, indem sie annehmen, dass, wenn
iwei plderastisoh mit einander vedcehieo, es so gesohehe, dass der
eine stets aktiv, der andere stets passiv sei Aadi Coffignon,")
der Stndien auf diesem Gebiete gemadit liat^ seUiesst Siek dieser
Tremiong an und mtSaai, dass sie bei weitem dentlieher sei, als bei
dem komoseraeiien Yerkehr von Weibern mit euiander. Ifir scheint
es, dass bei den Weibern die Trennung eher sehlrfer, jedenfUls idcht
sehwftoher ist Deijenige, der passiv ist, wird mittmter als Kynäde
oder Bathicus bezeichnet; doch wenden andere dieses Wort nur für
solche an, die sich für CJeld hingeben. Mantegazzd^) braucht den
Ausdruck Cinedi gerade für die aktiven Paderasten und nennt diü
passiven BoUici. Ich kenne einige Fälle von Päderastie, bei denen
die Trennung von aktivem und passivem Teil nicht durchgeführt ist,
und es fallen diese mir bekannten Fälle um so mehr iut> Gewicht,
als die Päderastie gar nicht so häutig ist Wir sahen schon, dass es
eine Keihe von Urningen giebt, die zur passiven Päderastie neit^en
und deshalb die Erektion des andern benutzen, um sich befriedigen
zu lassen. Dass aber, wie angegeben wird, derjeniLre, <ler der passiven
Päderastie ergeben ist, mehr als andere Urninge ein weibliches Ver-
halten zeige und sich in dem Verhältnis mit seinem Geliebten immer
als Weib nnd passiv betrachtet, kann ich nicht für li^ditig finden.
Ich will eine von mir gemachte Beobachtung hier snfükzen, nm meine
Sehanptong doroh ein Beispiel wa stütsen.
14. Fall. 2m Berliner üzning Y., d«r ein intimes YedilliniB mit
X. hat, liebt es» von diesem dnrok Pldentstie b^Hedigt ni wecdea, wobei
trichterförmig eingesogenen Äfter gestützt werden sollte, d« umo auf passive
Fidenstie dM BelnffBiideii Mldoai.
D. h. da^ ü qui immittit, verflUiKt ist if> o«^ amm tmmiUüur,
hat vielleicht eine besondere Anlage hierzu, worüber noch ffesprochen worden wird.
') A. Coffignon: Paria vimtU: La Corruption ä Parin (Le Demi- Monde
— Les Soutenewra — La Police des Maeur» — Brasseries de Femmes — FiUes
gaiamk9 — Sami'Lmun — le Cftonlat^^ «te. ete./ An*m. 8. 888.
")Paal Mantegazza: Anthropologisch-kaltarhutorische Studien Uber die
Geschkohf«!verhältni8Re des Mensobeo. 8. Auflage. läosig autorisierte deutsche
Ausgabe. Jena. S. 119.
240
BaiififlL
T. peasiT iifc; Bonit aber apult gerade T. in dieaan Liebeeverlidtua eine
entacbieden aktive Rolle, indem er s. B. mit Vorliebe wtembfWH summ
m 08 aUerius immüiU, während der iindere, X., qui tmmbnm tu amm
immütit, sonst ganz paaaiT iat Seine Hauptneigong ist ea s. B., tU Y.
immütat memhrum in 09 von X.i wobei X. aelbat Samenergnsa hat»
ohne dass stärkere Friktionen an seinem Menihrum vorgenommen werden.
X. hat niemals sexuelle Neigtingpn für diis Weib empfunden. Er ist
körperlicii gut entwickelt, macht einen etwas zerfahrenen Eindruck nnd
darf auch im grossen nnd ganzen als eine leichtsinnige Natur bezeichnet
werden. Er ist sonst ein gutmütiger Mensch, der aber ru r iu m ernsten
liebensbcrufe nicht geeignet ist. Der Vater des X. soll an Himerweichoog
gestorben sein.
Jetzt verkehrt. X. leidenschaftlich mit dem genannten Y., der eben*
falls nie Neigung für das Weib gehabt haben soll. X. steht volisUndig *
unter dem Einflüsse des Y.; wenn dieser durch geschäftliche Interessen
gesnrungen ist, su reisen, so r«at X. gewöhnlich mit; beide wohnen dann
in demselben Zimmer. Nor wenn X. gezwungen ist, mekrare Tage von
T. getrennt an leben, macht er sich keine groaaan Oewiaaeoabifla«, aooli
einmal mit einem andern Hanne geaablechfUch an yerkelixen, Ittrobiet aieb
dabei jedoeb sebr, daaa T. Yerdaebt aebtfpfen könne. Ea iat deswegen
andi wirUidi aehon an h^gen Soenm awiaohen buden gekommen, wobei
X. mehrfuh TOn T. geaohlagen worde.
Es kann nach dem QeMgten nicht Terwundern, daw in vielen
FftUen bei der Faderastie nur der eine, beaonders der paaaive Teil
zar Befriedignng gelangt, da der andere zwar durch Annäbening in
die geliebte Person Erektioo erreicht, im übrigen aber der Akt nicht
yoUendet wiid, weil ei dem QefOhl und Trieb des zweiteoL nieht an*
gepaesl ist
Biohtig mag es übrigens sein, dies viele üniinge tkberbanpt
mehr passiv in dem gansen senellen Verkehr anibeten; so meint
Ulrichs, dass der Urning es mehr Ueht^ omaimt in werdest als sa
nmaimen, wUirend der normale Mann die aktive Umannnng Torsiehe.
Ich habe gesagt» dass in vielen FftUen die Art der Befdedigong
des Urnings von Verfühning abhAngt Idh mOchte hier dne kleine
Einsohxftnknng madhen. Ich glanbe nftnüiofa, dass die Neigong lor
passiven Piderastie wenigstens in vielen FftUen nicht bloss der
YerfQhrung ihre Entstehung verdankt; ich halte es vielmehr fbr
wahrscheinlich, dass eine bestimmte in dem Individnmn liegende An-
lage die passive Päderastie mindestens begflnslagt. Ylelldefat liegt
es bei ihr ähnlich wie bei der später zu erwfthnendra Fli^eUation,
bei der durch Geisselung der Notes beim heterosexuell empfindenden
241
Mann der QeidilBolititrieb ndtonter angeregt und der Akt an Bnde
geführt wild Yielleiclit ist beim pasuTen Paderasten anaaer der
NeiguDg zum Hanne gleichzeitig ein bemnderer, anf die Nerven des
Jims nnd dee Bechm aoBznflbender Beis nötig, der Ton dem andern
Manne anegehen mnas, um jenen zn befriedigen.
Hftnfiger als die Päderastie iat die Befriedigung dee Urnings
durch Immissio penis in os viri diledi. Hierbei ist ein mehrfacher
Weg möglich. NonnuUi immitiunt totum memhrnm in os alierius,
ut 7ion soltan glatis includaiur; alii solnm <jlandem unuiiffimt, ut
litigtia et labris aUerius tangatur, dum memhri altera juirs manct
extra cavum oris; sae^ haec pars eodem tempore circuniciuäUur
manibus viri dilecti.
Es giebt auch l'riiiiige, die hierbei das Passive mehr lieben; so
sind mir mehrere In kaiint, die nur die Neigung haben, memhrum
alierius in os proprium suscipere, 7ie(pie ojdani mcinlo rtm in-oprium
immittere in os alterius.^) Üer erste Reiz ist ihnen adäquat, um
sexaeli erregt za werden. Wenn nun ein solcher passiver Urning
mit einem hierbei aktiven g^ui immiUU menibrufn verkehrt, so tritt
bei beiden Befriedigung ein, es entsteht zuweilen gleichzeitig bei beiden
Ejakulation mit Orgasmus. Mitunter aber ist dies nicht der Fall, da
beiden dieselbe, s. B. die aktive Rolle das Erwünschte ist. Manchen
Urningen iat es eben gar kein Reiz ntembntm alierius suscipere in
CS pntprkim; sie tfann es aber dennoch, weil dafinr der andere sich
bei ihnen re?anobiert und den ihm adfiqaatenBeis amraadet Es sei
hierbei nooh erwähnt, daas, wer aktiv iat nnd dab^ b^Medigt wird«
gewOhnlioh gleiehMa Yen dem andern irgendwie an aeinen eigenen
Genitalien berohrt wird. Oft geeehieht diea s. B. dadnreh, dasa daa
Bein oder daa Knie dea andern an die Genitalien dea alüven heran-
gedrOefct wird.
Biaciilaiio semims «m hoe fHodo ssg^iUHoms pkmmgue nm in as
aUsrÜM fU, sed msmltnm extraihihtr eodem tempore quo ekicukiHo
meipU. Bei einigen Urningen geht aber die Pervenion acweit,
mm seUm tmmisnb membri sei eÜam ekteklaHo semmis aUerius m
es proprium ihnen die etwikneehte Befriedigung gewährt, ja loh weiea
▼on mehreren (piorum maxima vobipfas est ssmen ätterius ekmlaium
wi OS proprium devorare. Itarisskm is 0» ekKUkteU semm I» os
aUerius mUt, ut hic semen devoret.
Die Beiriedigung durch Immissio membri in os ist, wie uochmdls
') Vgl. den FaU S. 169.
Moll, KonU. ScxualBinpandaag. l(j
242
MutmO» Onaiii«.
erwähnt sei, bftoflger als die Päderastie. Is qui sttscipif mcmbrum
wird FeUaior genannt, ein Aasdraok, der gioh sohon bei Martial
und aneh sonst bei den Alten fttr Kinder nnd SUaven findety die
man m diesem Akte braaohte. Die Aniiobt Tainowsk/Bt^) dass
der F&deiast nnr deswegen sich in einen FtUatar verwandle oder
einen FdkUor heransiehet damit der Akt slob xeoht lange binziebe,
ist niobt richtig; es giebt vidmehr Urninge, denen die geschilderte
Axt der Befiiedigang die einzig zusagende ist, und denen sie ¥oin
Anfang an einen b«i weitem grOeseren Beiz gewihrt» als die von
Tarnowsky als gewohnlieh angenommene Plderastie.
Eine grosse Gruppe von Uinmgen libidmm eo modo exjple^, ut
vMus iuxia olferum atbei; üle purnU membfym imttr fimora atterms
flMfN&rti fnotmUmr wqme ad eiatndaiimm. Diesen Akt nennen die
Franzosen mfeaaer (Tarnowsky).*) NomuÜi concvmilmißi rnttm-
brumque applicarU alicui parti corporis alterim. Es kommt auch
vor, homosexualis semen eiactdet in axülam viri diledi, wobei
dieser, mn den Reiz möglichst zu vergrössern, bracchimu corpori
appremit. Die häufigste Befriedigung scheint neben dem Aneiuander-
legen der Körper übrigens die zu sein, die man als mntnelle
Onanie bezeichnet. In hoc aciu alter nlfrnus ntritthrum tnanu
friccU usque ad ciactikäionem; die gegenseitige Oiiame kann bald
gleichzeitig, bald abwechselnd geschehen. Es kann auch die Erregung
des Masturbierendeu öü heftig werden^ dass er selbst, ohne von dem
andern berührt zu sein, oder nur bei einer ]<ur7en zufälligen Be-
rührung Erektion mit Öamenerguss und vollständiger Befriedigung
bekommt Die mutuelle Onanie machen Urninge, cubarUes^ nuro
sedentes vd siarUes. Bei der gegenseitigen oder auch bei der ein-
fachen Onanie des X dniob Y. interdmn moHus masMiaiiUiß vaadino
vd oleo linitur.
Manche lassen sich übrigens dnreh einen normal veranlagten
Hann masturbieren ; besonders da, wo es sieh nm die bezahlte
miitnliche Demimonde handelt» ist dieser Vorgang sehr hinfig; hier
tritt keine mntnelle Onanie dn, da der andere ein normaler Haan
ist| der sieh dnich den Urning nicht reizen Usst, vielmehr snm
weibliehen Oeschledit hingesogen wird. Hanehen aber liegt daran,
dass anoh der andere gescUeohtlii^ zun fflele komme, d. h. Qakolatiön
hab& Sie halten sieh sn diesem Zweck bezahlte Individnen mit
6. Tarnowsky: Die krankhaften £ncheinuageu des Ge8chl6Cht8siane8.
Eine iorensiflch-paycliiatxiacho btudie. Berlio 1886. S. 89.
OntiiiaL
243
Domialein Trieb; die letsteran dnd dann gennmgen, um es nun
CteeoUeditsakte kemmen so lasseD, sieh in der Fhantane ein wdb-
Ucihee Wesen TonastelleB.
Sine Anzfthl üininge be&iedigt den GeeehleohtBtrieb lediglieb
dnroh Onanie,^) m der eie eiob geswongen seilen, wenn es ihnen
an Gelegenbdt felilt» ndt Hfinnem so vezkeiiren. Insbesondere weist
idi Ton Homosexnellen, die in Ideinen StAdten wohnen nnd doh nnr
in dieser Weise befriedigen. Die Onanie kann aoeh dnreh andere
Momente, z. B. nngOnstige pekuniäre YerhUtoisse, Foreht vor Strafei
ScIuungefÜhl Tenirsaebt werden, wodurch der ühung abgebalten wird,
zum sexnellen Verkehr mit Httnnem flbemgehen.
Ebenso wie der normal fQhlende Mann bei der Onanie oft mit
dem Gedanken an Weiber onaniert, so stellt sich der Urning dabei
den Mann vor, der ihn gesclikühtlich reizt. Auch iindet man, daas
Homosexuelle sich zur sexuellen Erregung Bilder, besonders gern ana-
tomische Abbildungen der uilI unlieben Genitalien verschafifen, da dies
ftLr die Homosexoellcn ebenso pikante Büder sind, wie für den nor-
malen Manu nackte weibliche Gestalten.
Ein Urning, dessen Krankengeschichte K rafft -Ebing berichtet,
trieb die Onanie auf merkwürdige Weise. Da er einen Geliebten
nicht fand, so stellte er sich vor einen grossen Spiegel, um seine
eigene Gestalt darin zu sehen. Während er sich nun betrachtete,
onanierte er und stellte sich dabei vor, wie viel schöner es doch
sein müsse, einen wirlclichen Geliebten ?or sich zu haben. Ich habe
mehrere ähnliche Fälle kennen gelernt nnd einen davon aooh ver-
öffentlioht.*) Überhanpt darf nioht vergessen werden, dass allerlei
Extravaganzen ebenso wie im heterosexuellen Verkehr oft genag be*
obachtet werden. Ein Patient Krafft-Ebinga giebt ao, dass er als
13jAhriger Knabe smnen Penis m cspnprium susdper» potuU,^) wobei
er deh natQdioh stark bUekte; dabei kam es sehlieaslieh m Ejakulation.
Wichtig ist es m wissen, dass derselbe Urning nieht stets in
gleicher Weise die Befriedigong sneht« Tiehnehr ist ihn bald diese,
') In einzelnen Schriften von Homosexaelleii wird die Onanie der Urning«
überhaupt boslritten; dies bov.ei'^r aber nur, wlf 'UK'T!vpr!ä?Riq; <1omrtige Arbeiten
sind. Die zahlreichen Mitteilungen, die Urninge selbst bereit« gemacht haben,
beweisen die Hänfigkeit der Onanie bei ihnen.
») Albert Holl: Unfteraoehimgen tb«r die XftMA» mmmKb, L Band,
1. Teil BerUn 1897. S. 80.
•) Nach MitteilaniT üerni N. N. wird dies von mehreren ümingen an-
gegeben ; doch glaubt er, daäs es aich hierbei oft um eine gewisse Eenommiaterei
bandle, die sich tkvi eiaea aolohoi Punkt verinren kann. Vgl. Fall ^ 8. 10.
W
244
Venoiiiadeiw Artin dar BeAMdignsg.
bald jene Art der Befriedi^ng erwOnsdit Es kann dies natArlioh
Dioht auffallen, da der Zweck*) der normalen KohabitatioOi mag er
beinust odar nnbewnsat sein, fehlt Wemi vir bedenken, daes aub
beim heteioBexneUen Verkehr allerlei abnorme Bei|e anf^neht
veiden, ao wird ans dies nooh viel weniger bei dem hcmoseinelleii
in Venrnnderong aetien. So erUiit ea aioh auch leiehi^ daea manohe
Homoaexnelle in Tereofaiedenen Lebeneabeehnitten Tersehiedene Arten
der Befriedigung an&nohen.
Zn den aonderbaien Arten der aexaellen Befriedigong gehdrt die»
bei der ea ftberhanpt ftr den Betnienden nieht notig iat» mtMbrum
summt oofpofB oftarMw in BerOhnmg an hiingen. Viele haben bei
einfatohen ümacmmigen dea anderen Hannea nicht nnr Erektion,
eondem aneh Ejakolatiim mit Orgasmne. Bei andezn iat nicht ein-
mal Umarmqng nOtig, aondem ee genügt dn einlkchee Berühren dea
geliebten Hannes, um alle sexaellen Vorgänge auszulosen. Noch
andere verzichten selbst anf die Bertthrang; ihnen genügt es, den
andern Mann, besonders nackeud, anzuseliiii, wobei es gleichfalls zur
Ejakulation konunt Bei dem Betrachten des andern Mannes spielt
fast stets dessen Membrum eine Hauptrolle, zumal da der Anblick
desselben mitunter genügend erregt, um ohne weitere Berührung Be-
friedigung hprbpi/ufnhren.
Dass wir gelegt ritlich noch von (inrlcren Arten der geschlecht-
lichen Befriedigung erfahren werden, ist wahrscheinlich. Meyhöfer')
berichtet den F«ll eines Mannes, der beim Betrachten der entblössten
Nates von Knaben Erektion mit Orgasmus und EjakaUition bekam.
Ich werde in dem Kapitel über weitere Ferversionen bei Homosexuellen
noch Genaueres aber allerlei Befriedigungsarten mitteilen.
Die Falle, wo sich der Homosexuelle ohne körperliche Berührung
befriedigt, erinnern in mancherlei Weise an den „ideellen Eoitoa", den
Hamme nd') beschrieben hat, und der, wie ich angeben kann, aaeh
in Berlin ausgeübt wird. Es ist dies ein Vorgang, zu dem ehie
ausserordentliche Thätigkeit der Phant^ie gehört. Ein Herr X., der
aich in dieser Weise befriedigt, iat Ktnatler.^) Der Akt besteht in
- ) D. h. die Fortpflanzung.
- ) Zeitschrift für Medizmalboamte 1892, Heft 16.
- ) William A. Eammond: Sexuelle Impotens beim mlimlieheD und
weibUchen Geschleohte. DaotMha Amgab« von Leo Saliagsr, 9. Aaflsga.
Berlin 1892. s. in.
- ) Der UoTV bat den Vorirrin!?- HrTm IV.>f. Max Dessoir eraählt, dem ich
die Notiz verdanke; Krafft-jblbiQg crw^at (S. öO der Psychopathta seacualü
9. AafL) dm Torgang and hllt ihn für das Zmohsa ssxoeUer HyperiMhesie.
Sexu^e Neurose.
245
folgendem: X. setzt sich einer schönen Dame, die angekleidet ist,
gegenober und stellt sich nun vor, dass er mit ihr den Beischlaf
ausübe; diese Phantasievorstellung wirkt in Verhindung mit dem
Sinnescin drück, den die weibliche Person hervorruft, so stark, dass
es ohne absichtliche Friktion zum Samenerguss mit Befriedigung
kouimt. Dieser ideelle Koitus he&iedigt den X. bei weitem mehr, als
der thatsäcblich Torgenommene.
Mitunter entsteht durch Onanie u. dgl. eine solche Neurose
des GpnitaLsysteiTis, dass die (einfache Umarmung, Berührung- oder
sogar Betrachtung des Mannes zur Erektion und Ejakulation genügt
Derartige Individuen sind aber von dem sexuellen Akte nicht be-
friedigt, sie klagen über Mangel an Wollustgefühl. Es handelt sich
hier um Zustände, die mit der Impotenz mancher Individuen dem
Weibe gegenober eine nahe Verwandtschaft haben. Mitunter genügt
bei Bolchen Urningen die Yoratellnng der Qesohleohtsoigane eines
Mannes, Ejakulation zu erzeugen.
Über die Häufigkeit,^) mit der die Homosexuellen den Ge-
schlechtsakt ausüben, lassen sich ebenso wenig wie ftki den weiblieben-
den Hann bestinunte Angaben machen, da sie individiieU wechselt
Wahrend emige Infölg» ftrar HyporasChesie den AU häufiger, ja
mehrere Haie innerhalb Ton 24 Standen ToDfQhren, sehen wir andere
den seiaellen Yeikehr nnr alle 8—14 Tage oder noch seltener ans-
fiben* Natfirlioh finden sieh alle Zwischenstufen.
Ob es üminge giebt» die m ihrem ginsea Leben keinerlei seznellen
Akt ansfttbran, d. h. weder Onanie noch Terkehr mit Mftnnem treiben,
ist schwer m ssgen. loh kenne keinen, der auf genaues Befingen
mir gegenüber jeden sesiaflUen Akt bestritten hfttte; Indessen wfire es
- ) Oanz ebenso wie dip sexuelle Leistungsfftbickeit dem Weibe gogenflber
für maochen Mann der UegcnatAnd der BenommiAterei ist, ebenso bildet die
Ilbigkeit, feobt oft den Geschlechtsakt mit dem Manne ansxaübeo, für den Homo-
■wraelien nicht teHen den Inhalt seiner FiaUerei, wobei eine kleine Übertreibang
ihm ebenso wenig Gewissensbisse verursacht, wie dem wcibiiebendeu Manne. In
letzterer Beziehung findet sich bei Alwin Schultz (Das höfische I>ebon zur Zeit
der Minnesinger. 8. Autlage. 1. Band. Leipzig 18^. ä. 581) eine für die
damalige Zeit oharakteristieche Erzählung: ein Unterthan Karls des Grossen,
OliTier, war in XonstantiiMpel und wurde tob dem dortigen Kaiser gnt auf-
genommen. Da renommierte Olivier mit der Bemerkung, er wolle, wenn er
bei des Kaisers Tochter schlafen dürfe, ihr hundert Mal seine Mannf^akraft be-
weisen. Olivier wird zu der Jungfrau gelegt, wobei er es bis auf dreiaiigMal
gebneht heben tolL Ein inderer, gleidtliUft inteniM&tMr IUI findet sieh in
Jak Surehardi Dioräim (L 8. 889, Angebe von Thnnene). Hier wird enShlt,
dass Orsini Lanfredini, Sohn des florentinisehea Gesandten in Som 1469
246
Trftume.
ebeuBO fIBr den HomoMxaeOen dtnkliar, wie es Torkommen soll, da»
enraelueiie, in der Bhlte der Jalixe stellende nonnale lUmier jeden
Terkehr mit Weibern und jede Onaide nnterlassen. Jslirelange Ab-
stineoi hmni aber mehrflush im homosexuellen Verkehr Tor.
Bie Trftnme der Urninge haben, soweit sie von erotischer Natur
sind, fast nur Männer zum Inhalt, und ebenso wie bei dem normal
fühlenden Mauue der Samenerguss bei dem Traum eintritt, ddss er
sich geschlechtlich einem Weibe nähere, tritt er beim Urning dann
ein, wenn er sich einem ihm sjnfipathischen Manne nähert.
Fast in allen Fällen von konträrer Sexualempfindung übt Membrum
alterius einen wesentlichen erregenden EinÜuss aus; ja es scheint dies
in wt it liölierem Grade der Fall zu sein, als die Erregung des normal
fühlenden Mannes durch die Genitalien des Weibes. Ein mir be-
kannter Urning war bereits im zehnten Lebensjahre sexuell so sehr
erregt, dass er sich des Nachts erhob, zu dem Bette eines mit ihm
in demselben Zimmer schlafenden Kameraden ging und dessen Bett-
decke in die Höhe hob. Er betrachtete hierbei die Genitalien seines
Schlafkameraden, deren Anblick ihm besonders dann einen hohen Qrad
?on Wollnst verschaffte, wenn das Glied sich in erigiertem Zustande
befand. Er aclitete dabei genan daian^ dass sein Kamerad weiter
schlief und eilte, wenn dieser etwa erwaobte, sohlennigst in sein Bett
surbck, mn nioht entdeckt in weiden.
Legrand da Sanlle*) erwUmte bei einer Disknssion den FsU
eines Stndenten, der sich m Ifitamsm bingeiogen fiDUte. Er empfond
auch einen Bdi bei GemUden sowie Statnen, die naekte Mftnner
reprisentierten* Ein Haaptenegnngsmittel bOdete es tär Um, den
Penis eines Mannes m. erblioken, der gerade in seiner Nfihe üiin
Hess.*) Offenbar ist diese Kategorie nnr ein TypvOj der sioli niciit
^) Amiaies nUdicO'ps^eholoyiques lö 76. Uuiquietne serie. Tome qutnxieme,
- ) Den Beis bildete nicht das UrinlamD, aondera die hierduroh gebotene
Gelegfenhoit memhrum alterius riderr. Eine merkwürdige Erscheinnng bei vielen
ürningen ist die, dass «?ip riebt nur indenies üh ttthrum alterius Reiz enipfinden,
Boadera bei dem Zeigen der eigenen Qeuitaiien. Herr N. N. macht mich auf
difiM Enahtiinuig anflnoiluaiii. Worin der Beis b«tdit» ist tdiwer in eiUiMn.
JedenftOi soUeil viele Uminge dnan Oeauss darin finden, wenn sie anderen
Männern, seien es nonnale oder homosexuelle, ihre eiprenon Genitalien oder anch
den j'finzf^n Körper entblns«t znig-pn df^rfen. ICs eruinert dies lebhaft an dio
Exhibitionisten, die wu aus der Litterator schon kennen, und die vor Fer-
Bonen dM Mndfirea Geeoblediti otlentatty Om Genitalieii «aÜMmm. Lfttögne,
Schaehardt, Liman, Pelanda u. a. haben darüber Inumiitische Beiträge ge-
liefert. Ganz b' sonders instruktiv ist das hierauf bezügliolie Kapitel IB Krafft*
£bings Fsychopathia sexuaiü (9. Aufl. & U7IL).
B«s d«r toitiUtti.
247
wltoi uäg^\ man sieht Mlimer in Offenflichen BedQrfiiisaiuttalten, die
Gelegenheit enohen, die Geaehleehteteile neben ihnen oiinieiender
Htainer la fixieren. Mit emer gewissen Baffinieriheit irissen einselne
die Gelegenheit xa finden, wo sie solche Scenen beohachten können.
Chareot nnd Hag n an erzählen einen Fall, wo ein Mann neh anf
eine Bank am Fluss setzte, Ton wo aas er die Badenden betrachten
konnte. Er that dies unter dem Vorwande, Skizzen aufzuaehmeu uud
zwüi scliüü iü einem ziemlich jugendlichen Alter.
Viele Urninge können überhaupt zu einer wahren Befriedigung
ihres Triebes nicht gelangen, da der Wunsch, ein Weib zu sein,
die ganze Sccne beherrscht, mithin irgend ein sexueller Akt des
körperlich männlichen Urnings zur Befriedigung nicht ausreicht
Letzterer ist dann stets auf PhantasieTorsteUongen augewiesen, in
denen er sich selbst als Weib vorstellt.
Die Urninge sind nicht bloss zu geschlechtlichen Akten zu
einander hingezogen, sondern auch andere Arten von Annäherung-
linden statt; einfache Umarmungen und Küsse, die sie sich gegen-
seitig geben, sind ihnen selir angenehm. Bei dem Küssen der
Urninge unter einander spielen dieselben Momente eine Holle, die
auch beim Küssen yon Mann nnd Weib stattfinden; der woliost-
erregende Contadus linguarum, wie er beim Küssen von Mann nnd
Weib oft stattfindet, aeigt sieh aoeh tiei den Urningen.
y. Mämüiehe Prostitution.
Wie (kr Trieb des Mannes zum Weib dazu führte, eine Klasse
von Weibern zu schaffen, die die Befriedigung dieses Triebes für
Qeid gewähren, ebenso hat die homosexuelle Neigung der Urninge
eine solche Menschenklasse nnter Mannern erzengt, die die ziemlich
ausgebreitete männliche Prostitntion bildet. Dass sohoo sar
Zeit der alten Jaden m&niüiohe Individuen for Lohn feil waren, Ist
wabnoheinlioh. An einer Stelle^) des alten Testaments heisst es
s. B.: „Und haben die Knaben um Speise gegeben und dieMigdlein
um Wein verkauft und vertrunken. Ähnlich heisst es an einer
andern Stelle*): «Unter der Borg bnate er ein Spielhaos*) und ?e^
ordnete, daas eleli die stftrketen jungen Gesellen darinnen oben
mnssten. Äseliines spricht sich sobon gegen die Pidenstie nos^
bei der sich der ebe dem anderen fOr Geld hingebe, nnd ans einer
Stelle im Gastmahl Piatos geht nach Hng deutUoh henror, dass das
erotische Yerh<nis eine gewisse Ihnlichkeit mit einem gewöhnlichen
Ttaischhandel hatte. Über die PMatation m Bom bringt Forbiger*)
einige Belegstellen. Tibnll klagt in einer Elegie über die Untreue
seines gransaman Knaben, der dnioh Geschenke besiegt ward. Anoh
hente sehen wir, dass die mftnnfiche Prostitntion sehr ausgebreitet ist
Wir haben sahMche Mitteilungen Uber sie ans Terschiedenen ans-
>) Joel m, 3.
") Das zweite Bach der Maccabäer IV, 12.
- ) Nach J. Jeannel (Die Proatitation ia den grossen Städten im 19. Jahr-
handert and die Yetniditiuig dar vaoaiiiGhan KnmkhdteD; deutaidi von Fried-
rich Wilhelm Xfillei, Magea IBS», 8. 18) iat Bpielhtn identisoli ndt
Lupanar.
- ) Albert Forbigor; QcUaH uud Rom. Topuläre Darstellung des üff ent-
heben und hauHÜchen Lebens der Griechen uDd Bümer. 1. Abteilung: Rom im
Zeitalter der Anteoiae, 1. Baad, 9. AuHage. Leipzig 1876. a 87(.
TMibflD dir PioitituiertoD.
249
Iftndischeii groBMn Stldten^). In neuem Zeit bat Coffignon be-
sonders Uber die mlnnliobe FKMtitiition in Paris ansfOhrliohe SGt-
teäangen gemaeht Dort haben onige dieser Prostitmerten, die
sogenannten petU-jisus, ibr Hanptaugenmeifc auf die Hotels geworfen;
sie snohen da, wo reicbe Fkemde ibr Absteigequartier nelunen, als
Grooms eine Stelle an erbalten; naeb wenigen Monaten sehen ist es
dann dem Betreffenden gelangen, dne foste Enndsebaft sieb in er-
werben. Es kommen die Kunden zu bestimmten Zeiten nach Paris,
um ihie sexuellen Triebe bei dem jungen Mann zu befriedigen.
Es scheint übrigens, duss auch in anderen Grossstüdteu ilutcl-
bedienstete sich gern zu solchen Akten hingeben. Aus Nordamerika
sclireibt mir ein Herr: „Im Gegensatz zu London nnd europäischen
Städten scheint mir in Amerika die lasterhafte Aasschweifung zwischen
Männeru weit geheimer betrieben zn werden. Jedenfalls wird man
auf den titrassen von derartigen Individuen (mftnnlichen Prostituierten)
fast gar nicht belästigt Trotzdem kommt es natürlich vor. Als ich
z. B, nach Chicago kam, brachte ich zwei NSchte im Hotel 711. und
hier licss ich mich zweimal von t-inem jungen Hausdiener masturbieren."
Wie ein Patient Krafft-Ebings behauptet und wie die Mitteilungen
auch zahlreicher anderer Homosexneller lauten, besteht in fast jeder
grossem Stadt ein sogenannter Strich far die männliche Prostitation.
In Bezug auf England meint Raff alov ich,*) dass die Homosexnalitätf
die männliche Prostitation dort seit Beginn der Geschiobte des
Reiches bestanden und dass gegenwärtig die Homosexualität gani ge-
wöbnliob ist and die männliche Prostitation eine beUageoswerfce
Ansdebnnng erreiobt bat Über FrosMtnÜon in sttdenropSisoben
Lindem nnd denen des Orients babe lob beieitB im ersten Kapitel
- ) MitteiiungeQ hier aber machte Tardien (Etüde mfdico-legcUe sur
aUmlaiB ata murnn), der in einea eibbrenen Kriiaiiudbeaffiteii, C. Basse-
rolles, oilnibw ein« gute Quelle hatte. Carlier, IMherer Chef der Pferieer
Sittenpolizei, hat wertvolle Beobaehtongea Terefreotlicbt. Vgl. auch Taxil: La
pru^fHnii'm contemporatne, 1884. Znm Vergleiche mit der weiblichen Prostitu-
tioa sind zu empfehlen Parent-Dach&telet: La Prostitution dam la mile de
Bari$, 1857; Beepine: F^ekotogü mOunUt, Baad UL, Parii 1868; beeoadeis
aber Jeannel: Ih la pnaUtulion puMigi»^ ein Weifc, dae ins Dentiohe ftber-
tragen ist und auch Ifitteilungen Ober mSnoliche Prostitotion bringt Louis
Fianx: Lcs ^fa^soris df toleranee. 1s»r fermetnre. Troisumc Milion, Paris
1896, 10. und 11. Kapitel. A. Coffignon: Paria vivant: La Corruption ä
Park. (Le Dtmi-Mtmek lee SonOmmn — la P»Ue» du Mmn BnmuH«»
tk Femmes — Füks galantes — Saint-Laxare — le Qiankuf« tU. tHo,) PaH$»
- ) M. Andre Raffalovich: Oli .sfudfi solle Psicopatie sessuali in
Jnghilterra. Archirio deüe Pncofolie »esewUi woL L fotc, 13 0 14. 1—lS,
LÜglio 1096. 8. 17».
250
Sammelplfttie der Piortitaierteii.
gesproeboD. Dass die raaimliolie Frostitation in Italien eebr hervor-
tritt, ist allbekannt Chamim X. Mouls^) beriebtet iogar, dan ibm
in Eiroben Borns und Neapels ?on Priestern Jonge USdcben and
Knaben angebotsn worden seien.
Was die grossen Städte, Berlin, Paris, Neapel n. s. w. betrifft,
so sei erwfibnt^ dass eine Jbisabl bomosexaellef Mftnner idtweise
diese anfnioben, nm bier ihren Gesobleehtstrieb zu befriedigen, was
sie in einer kleineren Stadt nioht leiofat thnn kennen.
Es bestdien anefa fast flberaU Yersammlmigsloksle IQr die mfinn-
liohen Prostitderten. In Berlin giebt es bestimmte Stellen, wo sich
die Mitglieder der männlichen Halbwelt anfbalten, nm sieh Torflbei^
gehenden Urningen anzubieten. Es sind dies, beil&nfig gesagt, mehrere
Bedürfnisanstalten, sowie einige andere Punkte der Stadt. Es soll
früher sogar eine Art Bordell für die männliche ProstituÜuu in Berlin
gegeben haben, wo ein älterer Mann die „Oberaufsicht" über die da-
selbst getriebene Unzucht fahrte, und wo es natürlich wesentlich auf
Erpressung abgesehen war. Ul rigens wird in einem Buche, das vor
mehr als 50 Jahren erschien,'^) bereits berichtet, dass die männliche
Prostitution an ganz bestimmten Stellen ihre .Saminel|)lätze hatte.
Damals waren es in Berlin nach diesem Buche das Kastanien-
wäldchen hinter der Neaen Wache und der Kaipfenteioh im Tier-
garten.
Die Mitglieder der männlichen Demimonde sind zum Teil
seraell normal. Es giebt zwar anoh Homosexuelle, die sich für Geld
anderen Männern hingeben; aosser ihnen aber findet man viele
heterosexuelle Individuen, die zum Teil ancb verheiratet sind; sie
betrachten Qesohleohtsakte mit Mämiein als »n beqnemea Mittel
inr Bereicherung.
Auch die beteroflexnellen Mitglieder der mflmilidien Fnetitation
nehmen niebt selten ein dnzefaans wetbisohes Anssehen an. Um sieb
kenntUcb m madieo, sebminken sie sieh, pndem siob, tragen anf-
fiillende Kleidung. Naeb Kranss*) gingen bereits im alten Oriedben-
') Chaminc X. Mouls: Mystbres de la Papaute. Deuxüme SÜHen,
BrtucdUs 1873 S 53 Allerdings ist das Buch vom Parteistandpnnkt ans gt-
schrieben, und mau wird deshalb nicht aiiea fttr olyektiv riotitig za halten
brauchen.
- ) Di« Ptaititattoii ta Berlin unil ibxe Opln. Nadi amtUohea QaeUen «ad
Erfahmngeu. In historischer, sittlidier, mediiliuiebdr und poliidtldMr Beifohimg
beleuchtet. Bi rlin lft46. S. 209.
•) A. Knill SS- Die Psycholorru' dea Verbrechens. £in Beitrag zur Er-
fjduUDgsaieeleukuüüe. luümgeu iöh4. S. 177.
Somatiache EigentOndlohkeiten.
251
land die E^ynAden, um Mfamw anzolockeii, weiblich gekleidet^ mit
geflo<]litai«D Haarai n. 8. w. llitonter iat es lüeht gaai Uar, weshalb
die heteroseneUeiL prostitnlerten Mbuier das weibisdie Yeihalteii
des TTniiDgs naohahmen. Zum Teil mag der Onmd darin liegen,
dasa de den üimng auf sich anftnerlnam machen wollen. Hmzn
kommt wohl der Umstand, dass manche Homoseinelle es lieben,
bei solchen Männern sich zu befriedigen, die weiblich gekleidet sind.
Ein liiiuptehrgeiz der Halbwelt ist es, sich möglichst lange künstlich
jung zu erhalten; wahrscheinlich nimmt auch zu diesem Zwecke der
prostituierte Mann zn Toiletteukünsten, ähnlich wie das prostituierte
Weib, seine Zuflucht.
Über d en äusseren Habitus mancher homosexueller Prostituierter
spricht sieb KurellaM aus. Ebenso wie bei Verbrechern seien bei
männlichen Prostituierten beispielsweise oft genug die sckundfircn
sexuellen Cbaral^tere wenig ausgeprägt. Die Hüftbildung zeige weib-
lichen Charakter, die Hände seien klein und rundlich, der Bart fehle
oder sei spärlich, das Haar sehr dicht u. s. w. Ich bezweifle es, ob
diese Beschreibung geiade wai die mftnnliohen Prostituierten zutrifft,
imd möchte annehiiieDf dass genau dieselben Charaktere bei nicht
prostituierten Homosexuellen mitunter gefunden weiden. Ich bin eher
geneigt, in ihnen ein Begleitsjmptom der Homosenalität als der
Prostitution zu finden. Doch scheint eine Bemerlnuig von Havelock
Ellis*) Ar die Anfibssimg Ton Karella zu sprechen. Ellis spricht
hier von der Gjnftkomastie, die unter Yerbreohem yerhiltniumllssig
hAnfig seit wie s. B. Lanrent in Paris beobachtete. Bei der grossen
Yerwandtschaft von Proetitaiertsn und Yerbieoheni, die ja beide in
gleiehmlssiger Weise manche Degeneiatlonsiäehen an sieh trsgen,
wtie es immerhin denkbai^ dass weibMie Bigensehafhm bd MInnem
eher im Zusammenhang mit der Neiguig snr Brostitatioii als mit
der Homoeexoalit&t stehen.
Das Alter der mlnnliehen Piostitaiecten schwankt gewöhnlich
twiaehen 17 mid 80 Jahren, doeh giebt es auch Utsie, ebenso wie
es in manohen FlUen jüngere giebt Bs ist skandalös nnd irideriioh
XQ sehen, was ihr mnreifb Jungen rieh diesem elenden Bnrarbsnraige
hingehen.
H. Karella: Mataigeaeluchte de» Verbrechen. Grondztlge der fcriaii*
Hellen Anthnpologie and Kriadaalpafehelogie. Ttr Geildiliiiite, ftyehieter,
Jvdstcn nnd Yerwaltnngsbeamte. Stuttgart 1893. S. 85 f.
- ) Havelock Eilig: Verbieelieir nad Yeriireohea. Deatiohe Aaagibe too
KarelU. Leipzig 1894. S. 96.
252 Znhiltoiton.
Abgaseheii von den sonstigett immonüisobeii Bigtnsoliafleo, die
mok in gldoher Weise bei der mSnnlifllken und veibliohen PMetItatton
finden, eoU ee bei jener anob eegeDaiinte Znbilter geben, d. b. Minner,
die von einem andern Manne geliebt weiden und ibien Lebensanter-
balt dnteb des letatorea Terkftafliobe Hingabe an Mlnner gewinnen,
leb fimd in einem gnwaen Fflderaatenpioseaa, der Tor einigen Jabien
in Berfo ttettfimd, bierttb« Andentnogen, die mir dweb weitef«
Moimationen fftr einige Falle bestätigt worden.') Jedenfalls erinnert
einiges an das Zahältertnm. Es wurde mir von glaubwürdiger Seite
erzählt, ein älterer ^lann habe mehrere Knaben darauf abgerichtet,
sich 7.U Uiizuchtakun Männern hinzugeben; jener Mann stellt sich
dann uls den Protektor oder Vormund der Knaben hin, macht den
Leuten, die mit den Knaben geschlechtlich verkehrt hah» n, Vor v?ürfe,
sie hätten das Wohl, die Zukunft, die Sittlichkeit deraelbeu ruiniert,
und nun beginnt die Erpressung. Die erpressten Gelder bekommen
natürlich nicht die Knaben, sondern sie werden Yon dem Manne im
eigenen Interesse ?erwertet
In der männlichen Halbwelt giebt ( s t init^c iiiternutionale Berühmt-
heiten, die sich in der Hauptstadt bald dieses, bald jenes Landes
zeigen, überall aber in ihren Kreisen gleichmässig gefeiert werden.
Überhaupt fmdet man mitunter ein Lidindnimi, das so zu sagen den
Mittelpunkt einer Gesellsobaft bildet, um das sich diese vollständig
dreht Zuweilen wird einer von den kftufliohen Männern durch einm
gnt sitnierten Urning yoUständig ausgehalten« erhält freie Wobnnng
o. 8. w. gegen die Verpflichtung, sich jenem allein hinzugeben.
Die mimiliebe Demimonde bat eine groate Abnliehbelt mit der
weiblifiheo. ¥ut aUe Eigenacbaften, die man bei dieser findet» Innn
man aneh bei der mfianlidhen wabmehmen. So ist ea etwas gern
gewöbnliebea, dass tin Mitglied der mlnnlioben Halbwelt dem anderen
den Bang dadnxdi absulanfen sncht, daas er den Freia dfftekt n.8.w.
Die Urninge, beaondera di^snigen, die rieh für Qeld hingeben, lieben
es, mit den SteUnngen der Mlnner, mit denen de YeAehien, m
prahlen; ebenso wie es bekanntlidi in der weiblioben Halbwelt fBr
einen greesen Sieg der Mitglieder gilt, wenn rie sagen können, dasa
de mit einem Graftn oder Forsten verkehrt haben, ebenso spielt
dieser Bbrgeiz in der mfinnlioben Demimonde eine nicht ungewöhn-
liche Bolle. Besonders bezeichnet mancher m&nnliche Prostituierte
Trotc mehrfaoher dahiagehmder Angabea besweifle ida noch daren Za-
Terläüsigkeit.
PdiMl ind nrntimtioii.
253
iiielit nur dteMn oder jenen Qnfen, sondern aneli beetimnite Prinzen
als eeinen Liebhaber.
Andi an AnfdringUohkeit pflegen die minnliahen Proetitnierten
den weibfioben nlebts naohnigsben. Sie snohen die Anfinerkeamkeit
roft ümmgen auf jede Welse auf stcb an lenken, nm dann den ein-
gefongenen Vogel ?or dem seiaeUen Akt mOgUobst dudi Wein-
trinken n. 8. w. anssabenten.
Besonders beliebt ist es bei manehen Urningen, sieb dadareh
Aber üue Sdiiok8al8geabrte& emponobeben, dass sie diesen das An-
nebmen Ton Geld für saneUe Akte nacbsagen; viele, die für den
sexuellen Verkehr Geld nehmen, bestreiten dies in der Hoffnong, sich
dnrc)i eine solche Lüge eines grosseren Ansehens in ihren Kreisen
zu erlreuen.
Im allgemeinen dürfte die Prostitution unter Mauuern in den
leüten zehn Jahren bedeutend zugenommen haben. Ein Urning, der
die Verhältnisse aus früherer Zeit sehr ^'t iiau kennte beklagt es, dass
jetzt in der Liebe so viel Geschäftsiii;issi.,'es sei, und spielt strts den
Lauiküor temparis acti, „da es in früheren Zeiten noch viel wahre
Liebe gegeben habe."
Die männliche Prostitution ist eines der traurigsten Sitten-
bilder, die es giebt. Es sei erwähnt, dass die Polizei gegen sie
nicht m demselben Masse einschreiten kann, wie gegen die weibliche.
Ich werde in dem Forensisches überschriebenen Kapitel diesen Punkt
beeprecben, da die gegenwärtig bestehenden gesetzUchen Bestimmungen
der Polizei' zwar Waffen gegen die weibUobe, aber nicht gegen die
männliche Prostitution liefern. Der fierliner Kriminalpolizei kann
man wohl die Anerkennung nicht versagen, dass sie gegen Ans-
schreitongen homosesneller Personen und besonders gegen jede Be-
lästigimg des Pnbliknms vorgebt, soweit sie biena ^esetilich im
Stande ist. Wenn ein franaOsischer Autor, Lac Gersal, sagt» dasa
die Folixei Männern, die sieb dnrob Dennnsiation anderer ibr ntttsltcii
erweisen, das Recht gebe, ibr sokratisebes Gewerbe ohne allza groase
fieläatignngen ansäben in dürfen, ao bewdst das nur Lelebt-
üBTtigkeiti mit der manoher im stände ist, Beschnldigangen gegen Bo-
börden an erbeben.
Es ad nochmals auf die nicht gerade sehr lablreioben, aber doch
dann md wann vorkommenden Fälle hingewieaen, wo Männer in
Weib er k leid nng gehen, nnd die IVechheit soweit treiben, sich von
Männern gebranchen an lassen, während diese keine Abnnng haben,
daas sie ea ndt einem männlioben Ihdividonm in tiran haben. Der
254
8. 158 genannte Fall von H. Fränkel ist ein solcher, ia eiiifiiiL Fall
▼on WestphaP) schemt die Sache Ähnlich gewesen su sein. Auch
ein Patient Kt afft-Bbings giebt an, dass er einen jungen Mann
kenne, der in WdberUeidnng junge Mftnner anloeke; er liest sie
hierbei in dem Olaaben, dass er ein Weib sei» und unter dem Yor-
wande, gerade die Periode zu haben, Teranlasst er jene, ihn psr os
zn brauchen. Em Mann, der selbst in WeiberUeidem öftere aof die
Stcasae geht, um daduroh Minner ansnlecken, yersiefaert, dass es gar
nicht 80 sofairer sei, Mftnner Uber das GeeeUeeht sn tinsehen. Er
erUfirt, dass Mftnner die ganse Nacht neben ihm im Bett Segen und
dabei mehrere Male den Geschleehtsakt ansahen konnten, ohne eine
Ahnung da^on zn haben, dass sie das mit einem Manne thun. Es
sei nni nötig, dass er anfangs ia sdner Kleidung von dem andern
für ein Weib gehalten werde, dann mache sich alles weitere ganz von
selbst In neuerer Zeit ist mir ftbrigens ein ganz einwandsfreier Fall
mitgeteilt worden, wo eiu absoliit lie tt r u^i ex u eller Herr gleichfalls in
dieser Weise durch einen m&nnUchen Prostituierten getäuscht wurde.
Die männliche Prostitution ist auch nach anderer Biehtnng hin
mit der weiblidien rerwandt Sowie es in dieser Mitglieder giebt, die
nicht nur für ihre Hingabe sich bezahlen lassen, sondern bei dieser
Gelegenheit auch Diebstahle aasftthren, ganz ebenso findet sich dies
bei prostituierten Mftnnem; nur ist die Yerkonunenheit hier woM noch
grosser. Das kann nidit verwundern, wenn wir bedenken, dass, wer
durch einen prostituierten Mann geschädigt wird, viel eher dies lei-
heimlichen dürfte, als der durch ein prostituiertes Weib Benachteiligte.
So kommt es, dass käufliche Mftnner die Leidensehaft des Urnings
zu Diebstfthlen benutzen, weil eben dieser sieh gewöhnlich hütete An-
zeige zu erstatten. Er fttnditet ja, entweder selbst mit dem Straf-
gesetz in Konflikt zu kommen, oder doch durch öffentliches Besprechen
seiner mannmftnnlicben Liebe moralisch tot gemacht zn werden. Die
Furcht vieler Urninge hiervor ist so gross, dass Subjekte, mit denen
sie verkehrt haben, ein methodisches Erpressungssystem an ihnen
ausüben. Der Erpresser') (auch Bupfer genannt) droht dem Urnmg
') C. Westphal: Die konträre Sexnalempiinduiig. Symptom eine« mh-
rnpatLischen (psychopathischen'i Zn-tandes. Archiv für F^yohiatlie ond NervMl*
kraukhoiton. 2. Band. Berlin 187Ü. S. 97 IT.
Die französische und internationale Bezeiciiuung ist Chanieur, die £r-
pniSQiig hfliiHt Chankiff9m
ErpreiMitiiiiL 255
mit Aiisaige und Utost noh für Bein Sohweigflik eine gioaie Somme
sahlen. Die geciehtiiehen Yerhandlimgeii, die in Befün and andeien
grossen Stldten seitweise stattfinden, beleuchten dies xor Qenfige.
Ein Besmtoi enfililte mir über einen blutjungen Erpresser fol-
gendes: «loh glaube, dass er gar keine gesobleobtli^e Ferrersion hat»
wohl aber des Geldmerbs halber sieh Pfiderasten sor Yerflngang
stellt Wenn er nim einmal «nen solchen Mann gefiungen bat, so
geht die alte Erpressungsgosohichte los. Er droht ihm mit Anseige
wegen widematilrlieher Tlnsncht, da ihm selbst schlimmsten Falls an
einigen Monaten Geföngnis nichts gelegen ist, der andere aber wegen
seiner besseren sozialen Stellung durch eine solche Verurteilung ruiniert
würde. Dieser sucht die Sache deshalb mit Geld tot zu machen, was
ihm aber so leicht nicht gelingt Wenn er dem Erpresser Geld
bietet, so kommt dieser nach einiger Zeit wieder und verlangt neues".
Bis zum Selbstmorde werden schliesslich Urninge durch Erpressung
getrieben, auch müssen sie mitunter enorm hoho Suramen -- ich
hörte einen Fall von 60000 M. — zahlen, nm den anderen zum
Schweigen zu bewegen. Mir sind mehrf^rt' Yfilh genau bekannt, wo
die erpressten Gelder grössere Suiunien hetrugen. Ein Herr h;it an
einen Mann, mit dem er einige Male geschlechtlich verkehrt hatte,
im Laufe von einigen Jahren bereits 8000 M. bezahlt Lediglich um
einen Offentliohen Skandal zu reimeideo, zieht der Mann es vor, seinem
Peiniger immer noch Geld zu zahlen, obwohl strafbare Handlungen
niemels Torgekommen sind. Von einem andern Herrn weiss ich, dass
er seinem Erpresser bereits gegen 40 000 M. besahlt hat Der Er-
presser reiste jenem Herrn von einer Stadt rar andern nach nnd ist
leider erst, nachdem der andere am diese grosse Smnme geprellt
worden war, rar Anseige gebracht worden; schliesslich worde er wegen
Erpressung bestraft.
Wie Ulrichs^) mitteilt» haben sieh einige Fsiiser Erpresser ?on
dem doieh Erpressong gewonnenen Oelde sehr fein eingerichtete
Landh&Qser bei Paris ,gekanft Mag anoh manche Angabe Ton
Ulrichs Übertdeben sein, so ist doch an der gemeingefthrlichen Ans-
breitong des Elpressertoms nicht ra sweifeht Mancher Sekt, den
man m Bestanrants trinken siebt, wird, wie ich tou raTerlftssiger
Seite eifthre, dnrch so erpresste Gelder besahlt Dass die meisten
Erpresser straflos ansgehen, ist natQrlieh, da der Gerupfte gewöhnlich
K a r 1 H e i n r i c h U 1 r i c h 8 : Oladiu^ Furens. Das Naturrütsel der Umings-
iiebe und dor Irrtum ab Gesetzgeber. Eine TroTokatioii au den deatacben
JniisteDtag. Kassel 186& S. 86.
BtpiWMrlnin.
selbst dann den Totgang bestieitet oder sehvetgt, wenn die Behörden
Yerdaeht auf Erpxessong haben.
Ich bttiurln bd dieser Gelegenhflitf dass aoeli tt» andor» C^iMsüiGtat
der Erpxessang Torkommt^ die sieh auf den Verkehr mit unreifen
Mftdehen besieht Dass oft hierbei dem Betreffenden eine Falle gestellt
wird, isi sicher. Meadmsl hsudelt es sich um Iftdchen anter 14 Jahren,
maadimal aber anch nm solche iwischen 14 nnd 16 Jihren, mit welch
letsteren mir nnter bestimmten Bediagongen ein seiaeller Takehr stnflos
ist. BipressangsTersache sof Grand des Verkehrs mit nnrdfen Mädchen
bilden ein Analogen sn den Erpressongsvemiohen, die neh an angeblichen
oder thatsHohliehen homoseacoellen Verkehr ansehliessen.
Die Krpreäbiing ist für die Urninge ein Damoklesschwert Es
kommen heute fast nur solche Fälle von widernatürlicher Unzucht
zur gerichtlichen Kenntnis, die etwas mit Erpressung zu thun haben.
Öonst pflegen sich Urninge, die miteinander verkehren, bei gericht-
lichen Schritten natfirlich nicht gerade gegenseitig den strafbar 'ii Akt
vorzuwerfen; sie geben i^^ewolmlich, wenn der Fall zur Kenntnis der
Behörden kommt, nur die mutuelle Onanie zu, sodass sie straflos bleiben,
da ein Zeuge für eine strafbare Haudhiug nicht vorhanden ist. Onnz
anders liegt die Sache, wenn der Urning mit einem Erpresser verkehrt.
Oft hat er nur die Wahl, sich von dem Erpresser um sein Vermögen
bringen ni lassen und schliesslich doob nooh gerichtlich belangt ni
werden, oder durch Selbstmord zn enden. Die Welt sieht oft nmr
das änssere Glock; sie beneidet diesen oder jenen, weil er sich in
angesehener Stellung befindet nnd mit Glücksgütem gesegnet ist^
Wenn sie eine Ahnung davon hätte, wieviel Elend hinter dem
äusseren Glänze und Flitter sich häufig abspielt, so würde mancher
anne Mann andere um ihr Glllek nicht beneiden* Mir aind Fille
bekannt, wo naoh anasen hin alles nur Fraefat ie^ wo ein idealea
Olüok nnd Znftiedenheit in beatehen aohelnt nnd doch der wahre
Gennas des Glflckes dnich den Umatand gestört ist, daaa durah die
Ihdiakietion oder dnroh die NiedertrSohtigkeit Irgend eines Individnoma
der aaacheinend ao glfteUlohe Mann ui einem Angenbliofc nm aeln
ganaes Ansehen gebraeht werden kann. Ich kenne EUle» wo daa
Vezmfigen, anoh wenn es aehr gross ta aein acheint^ alch zom Teil
bereite in den Hilnden von Erpiesaem befindet, anm Teil der Banb
derselben an werden droht
Man gUuibe lüoht» daaa die Erpreaanngen nur Ton offenen An-
gehörigen der mftnnliohen Demimonde anageabt werden. Ea giebt
Tielmehr Männer, die sich, anscheinend ohne Geldgewinn zu beabsich-
ISummmitiim«
257
tig«ii, SDgebliolk mb Liebe dem XTniiiig hmgebeB» Baohber aber diesen
durch Erpreesmigeii anebeuten.
Aber selbBt wenn dieser lein biBherigea YennOgen geopfert hat,
entgeht er dem Bcpreseer nicht Dieeer weiss jede neu erworbene Smnme
sofort wieder zn entdecken nnd dem Bedanemswerten zu entreissen,
der stets in der BefAnhtiing leben mnss, dass er wieder von seinem
Pemiger Yorfblgt wird nnd sohliesslich doch noeb seine soiiale
Stellang einbflsst Naeh dnigsn Einselheiten, die mir tLber die Br-
presser mitgeteilt wurden» mnss leb bemerken, dass die Urninge diesen
geradem TOgelfitei ausgeliefert sind.
Der Weg, den der Erpresser einsehlagt, ist Tersobieden. So
kommt es vor, dass ein üming X. mit einem Manne T. einen sexaellen
Akt aasübt, der bereits unter das Strafgesetzbach fällt X. glaubt,
mit Y. ganz allein zu sein ; plötzlich, wahrend des Aktes, erscheint
ein dritter, Z., der bisher versteckt war, er kummt luuLer einer spa-
nischen "Wand hervüi, spielt den Entrüsteten und droht mit Anzeige.
Natürlich handelt Z. im Einverständnis mit Y.; dennoch thut Z. so,
als ob er den Y. und den X. anzeigen wollte. Y. bietet nun dem Z.
alles Mögliche, Schuldscheine, Geld, Uhr, um sein Schweigen zu er-
kaufen; dadurch wird auch der erschrockene X. schnell dazu ge bracht,
dasselbe zu thun. Ues X. Identität wissen din Beiden sofort genau
festzustellen; sollte ihnen dies nicht gelint^^en, so folgen sie ihm big
in seine Wohnung;, imd nun kann er ihnen nicht mehr entgehen.
Es giebt unter den Erpressern auch Ägeiüs prorocateurs, gewöhnlich
junge Männer, die die Aufmerksamkeit des Urnings auf sich zu ziehen
suchen, mn ihn zu irgend einem sexuellen Akte zn veranlassen.
Natürlich ist anoh hier wieder alles so vorbereite^ dass unmittelbar
nachher die Eipressungen iliren Anfang nehmen.
Wenn man bedenkt, welche schwere sittliche Schädigong ein
solches Erpressungssystem daistellt, das dorob das Gesetz gegen die
widematSrliche Unzucht gestatst wird,*) so mnss man sich die ftage
Torlogen, ob nicht dieses Qesets mdir Schaden als Nntsen gestütet
hat; es Ist dies ein Fmikt, den ich qiftter noch besprechen werde.
') Dass das Gesotz die ErpreBSong' bogfttnstig-t, ist klar. Dass sie aber durch
jenes allein herrorgerufen wird, wie die Umioge annehmeo, und mit seiner Be-
eeitigimg sofiiit Mthwiadea wird, ist da Irrtum; es geht «Um iehon dantia
herror, dan aadi hi Llatoa, wo der ManinnBnaliehfl Qeidiledittvarkeiir fk«t-
gegebcn ist, wie in Frankreich, dennoch Erpressungen vorkommen. Vgl. hierüber
A. Coffifrnon: Paris virant: La Corrupiion n Paris, (Le Demi- Monde — leg
ShtUeiieurs — la Police des Maura — Brasserün de Femntea — FiUes galantes
Moll, Xenlr. Snnnl«iq^««B. 17
258
Behörden und BrpranertDB.
Mit welcher Strenge die Gerichte*) jetzt gegen die Erpresser vot*
gehen, mOge folgender Fall zeigen, der vor einigen Jahren in Berlin let-
handelt wurde. Ein jnnger, aohtzeh^jähriger Menseh, F., hatte einen
Herrn X. eines Abends kennen gelernt, indem er ihm vorschwindelte»
dass er obdachlos sei. X. nahm den P. mit nach seiner Wohnung
und Mheint hier mit ihm geschlechtlich verkehrt za haben. P. be-
gann non — ioh folge dem Berieht aber die Veriumdliuig — teham-
loee Erpreeenngen. Die einzelnen Summen wniden allm&hlioh immer
giOeaer, sie ettegen von 60 bis anf 600 Haik. Die Familie lebte von
dem Gelde, das der Erpresser heimbxaobte, beteiligte sieh aneh an
den Eipressnngen, indem sie den X. gleiehftUs um taneend Mark er-
leiditerte. Sohlieeelidi hatte P. noeh die Frechheit, ganz direkt dnes
Tages goldene Uhrkette, Pinoe-nez und alles baie Geld, das er bei
X. Torfond, zn nehmen.^ Obwohl der schon vorher bestrafte P. bei
') Man findet öfter Mitteihugeu in likttern über derartige Erpressor. So
gtug vor iiieht langer Z^t folgende Notis dnreli die BerUner Zeitungen, die
flbrigens den thatsächlichen Yerhältnissea entspricht: «Ein gefährliches Indiri*
duum ist in dem angeblichen Diener Johann F. wegen einer Reihe schamloser
Erpressnagen in Untersöchongshaft cfpnoTnmon worden. F., der in Verbrecher-
kreison unter dem Namen Schollenkuli bekannt ist, weil er stets in der Livree
eiaes hemduffUdiai Beitkneehts mit Spoven an den Ftttien einhefatobieit)
gelidifc zu denjeaigeil Personen, welche aus dem SoUammo der Grossstadt Gold
schöpfen, indem sie r:ewi88on Ausschweifungen dienen nr\>\ aladann ihro Opfer
mit der steten Drohung einer Anzeige oder eines öffentlichen Skandals luuHpressen.
Der Verhaftete operierte hauptsächlich in den freqneatesten Strassen der Jb'riedrich-
itadt, imd der Staatnauwaltsohafb wie der Uniaalpollsd dfliflo viel daran liegen,
irann sich solche Personen melden, mit da&en F. Anknflpfnngen Tersucht haft.*
Es ist in dem letzten Sntze darauf hingewiesen, dass sich solche Personen
melden sollten, die von diesem Erpresser goschSdigt sind; indessen muss man berück-
sichtigen, wie schwer es Leuten, die angesehenen Qe^lschaftHkreiaon angehören,
fillen mn«, iioh dorcih Meldimg efaieni ttfltotlidien Skandal anainsetaen.
Der Berliner Kriminalpolizei mnss entschieden naohgemhmt werden, dass sie
diskret wie irgend möglich derartige Angelegenheiten behandelt. Dennoch kann
man die Scheu der Personen, durch Mitteilungen an die Behörde sich einer Bloss-
steiluug auszusetzen, wühl begreifen. Man hat eben hierbei die Öffentliche Meinung
an benSokiichtigen. Ale m «inigat 2Seit bei Bpandan ein Mord rertbt war,
wurden gleidifidb durch die ZdtttBgen FnaeB aufgefordert, sich zn melden, die
von einem Manne da^rlhst angesprochen oder genotzüchtigt worden wSrrn Man
wird verstehen, wie schwer es für eine anständige Frau sein muss, hierüber Mit-
teilungen an Behörden zn machen, obwohl doch nicht geleugnet werden kann,
da» «ina Beatiafiuig dea betreffenden Indvridiiiima oder dooh eine Brndttefaing
dOBaelben dadurch erleichtert werden kann.
•) Mir ist ein Fall bekannt, tf^r in einer ausländischen Hauptstadt spielte,
wo gleiclifalls mehrere Erpresser einen Mann, der mit ihnen geschlechtlich ver-
kehrt hatte, auf offener Strasse vollständig ausplünderten. Zwanzig Schritte davon
Standen PeMsaibaamta, aber der Hann war so «ingesdittolilar^ nnd dia ftpnaiar
BehCrden und Erpressertom.
259
Begehung der StrafUutoiL noob nioht das aditnhnte Lebemjahr
ToUendot hatten wurde er doch la neben Jahien Geftagnis Teniiteflt.
Wenn auch die Geriolite in Besag auf die fldhe der Strafen die
Gefthrtn des Efpiessertama liehtig würdigen, so seigen ae doeb in
anderen Besiebongen einen Mangel an Ventlndnifl. Kann man es
doeb beobaobten, dasa ein Biobter Erpresaongen deebalb nicht an-
nimmt» weil der, an dem der Bipreesongsvenneh verllbt wnrde, dem
andern erat Geld gegeben bat Dadnroh wQrde dessen Olanbwflrdig-
kdt Tor Oeiicht gerbiger. Das leigt eben» daas die Richter in der
Seele dieser Erpressangsopfer nicht zn lesen vermögen, und dass ihnen
die thatsächliohen Verhältnisse unbekannt sind. Der Betrefifende
fürchtet, ob er den Akt begangeu hat oder niclit, die öffentliche
Besprechung der Angelegenheit und sucht eben deshalb die Sache
mit Geld aus der Welt zu schaffen; wenigstens hofft er bei jeder
Zahlung, dass dies die letzte Summe sein würde. Wenn dann doch
die Erpressung später zur gerichtlichen Beurteilung l:ommt, so liegt
in dem Umstand, dass der eine zunächst dem Erpresser Geld gegeben
hat, auch nicht der mindeste Auhaltepankt dafor, dass er vor Gericht
weniger glaubwürdig oder gar straffällig sei.
Übrigens ist es nicht ausschli»'.sslich die Drohung, eine Anzeige
zu erstatten, womit der Erpresser sein Opfer fängt £s giebt namlioh
Falle, wo er mit einer Anzeige wenig Erfolg haben würde; fftr solche
Fille haben die Erpresser ein anderes Mittel bei der Hand, das auch
als* „Anfbieten** bezeichnet wird; sie drohen nämlich dem Umlag,
dass sie seine ümingsnatur und dessen sexuellen Verkehr mit Männern
Ofibntlich bekannt machen wollen, indem sie es ihm auf der Strasse
naebmfen oder in anderen Kreisen erslblen. Diese Leute wissen
genan, dass sie bei der grossen Yera^tang^ die in der mensehlleben
GeseUsobaft gegen die üniinge benscbt* diese mimögliüh maeben,
wann sie ihre Nator bebannt geben. Katfirlieb nehmen die Eipresser
keinen Anstand, dnreb Einsebfiebtemng selbst Minner anssnpltindem,
die nie mit einem Manne seneU Tsrkebit haben und sezneU gani
noimsl sfaid.
waren Hes Sirillsrhweigeiis dieses Mnanes bo sicher, da-s« sie »»inen sfilrhon Raub-
aofall wagea konnten. Den Fall hat mir der in dieser W'eino auügeplünderte
H«rr Mlbft tnMhÜL
VI. Sexuelle Perversionen als Komplikation
der kouti*äi*en Sexualempfindimg,
Ma& kann die Homowmalittt ent dann richtig würdigen, wenn
man die weiteren aaf deren Boden bestehenden sexnellen Perversionen
mit denen vergleicht, die bei heterosexnellem Triebe vorkommen. Es
ist eine auffalieaiie Kr^cliemung, dass Kich im Anschlusä au die
Humobexualit&t, die den Mann zum Manne zieht, genau dieselben
Perversionen linden, die wir bei dem Heterosexuellen beobachten.
Besonders duroh die Arbeiten Krafft-Ebings 0 sind uns Er-
scheinungen bekannt geworden, die sicli bei M&nnero ünden, die das
sexuellti Gefahl zu Weibern lanzieht.
Während unter normalen Verhältnissen die Geschlechtsteile des
Weibes dem Manne einen llaujttreiz gewähren und der Eoitns als
Mittel zur Befriedigung gilt, selien wir, dass dies unter abnormen
Verhältnissen nicht der Fall ist- Es giebt Männer, für die den
Hauptreiz des Weibes entweder ein bestimmter Körperteil, der mit
dem gewöhnlichen sexuellen Verkehr direkt nichts zu thun hat, oder
auch ein Kleidungsstück oder ein anderes Objekt des Weibes bildet;
Krafft-Ebing bat mit Lombroso, Binet und Max Dessoir der-
artige Fälle als Fetiaohiamus bezeichnet Wir können also einen
Gegenstand- und einen Eörperteilfetiachismus unterscheiden. Eine
eolehe Treunmg ist dnrehana mOglieh, da x. R for Stiefelfetieohiaten
der nnbeUeidete Fosa gewObnlioli ohne Beii iat| andereneiiB Hand-
ietisohisten duroh die blosse Hand, nicht aber duroh den Handschoh
gereist werden. Wenn wir uns bei Mftnnern nnd Vmamt nntenidhteD,
80 werden wir finden, dass üwt alle ftir Irgend etwas eine besondere
Vgl. insbesondere ausser der nenesten Auflage der P'-ffchopfähia sextialis
die Neuen Foischungea auf dem Gebiete der Pgychopat/na ntxualü. 8. Aull.
Stot(«Mrt 1891.
261
Vorliebe haben. Das eine Weib beronugk blonde, du andere dnnUe
Haare; die Individnalittt spielt in der Hetenuesoalitlt ebensowohl
wie bei der Homoaeziialitftt eine gione Bolle. Oft genng ist ee irgend
eine anittUende Bigenaohaft, die den Beiz ansaht So hat TieUeidbt
Sohrank^) nieht unreoht, wenn er steint^ dass Ftoetitoierto mit Be-
sonderheiten mehr gesnoht werden als andere. Ifit Beeht hat aneh
Krafft-Ebing, dem wir die angehendsten Stadien über den ?eti-
sehismns verdankeD, darauf hingewiesen, dass viele FiUe dnrohans
nicht in das Gebiet des Pathologischen gehören, Tielmehr finden wir
oft genüg das in physiologischer Andentnng, was nur, wenn es in
einer gewissen Übertreibung Yüikommt, als abnorm und krankhaft
angesehen werden darf.
Andentnngen des zuerst zu betrachtenden Gegenstandfeti-
schismus sind m häufig, dass die einzelnen Fälle kaum beachtet
werden. Es ist bekannt, dass mancher, der ein weibliches Wesen
liebt, Gegenstfmde, die von diesem stammen, mit Küssen bedeckt,
2. B. Handschuh f.', einen empfangenen Liebesbrief u. dgl; von den Polen
wird erzählt. d;iss es bei ihnen Brauch war, auR Damenschiihen Wein
zu trinken. In diesen Yoigaogen haben wir deutlich den Beginn des
Fetischismus.*)
In dem gelegentlichen Eflssen von Gregenst&nden einer geliebten
Person doifen wir aber etwas Krankhaftes nicht finden; wir würden
sonat dam kommen, bei &Bt allen M&nnem eine dauernde oder zeit-
weise sexuelle Perversion zu finden. Was die noch in das Gebiet
des Normalen gehörenden Fftlle von dem krankhaften Fetischismus
nnterscheidet, ist besonders der Umstand, dass es sich bei ihnen um
Nogmif an ehier Person handelt» dass ein Eleidnngsstfiek des Weibes
') Joaef Schränk: Die Prostitution in Wien in historischer, adininistrativor
und hygienlioh0r BeiidMing. % Bud. IMe Adnüaistimtiott und B^gjtene d«r
Prostitution in Wien. Wiea 1888. 8.818.
- ) Handle hierher gehörige Yergftnge finden sich in der Physiologie der
Liebe von Paul Mantegazza (a. d. Ital. von Eduard fingcl), und zwar im
ILapitel, das Die erhabenen Thorheiten der Liebe überschrieben ist. Ich fahre
tiijf» Stellen hioraiis an, da oio di« aUgemoiBwi fotiodiistiBelien Neigangen dor
Menschen «ich aosierliaib d«r Liebe chamklairisieron: JDie Liebe ist knabenhaft,
weil sie religiös bis zum Aherglanben ist; keine Religion hat je eine so sinnlose
Götzendienerei gehabt, wie die Liebe. Sie allein hätte panz allein ans sich
heraus die Götzendienerei erfanden, wenn dieso nicht aas unendlichen anderen
QMDen llue Hahrung gezogen hitt«. 96? dio Liobo ist alloB gehelUgt» wh die
Band, das Ange, der Gedanke der geliebten Fafooii gotiofiiBiL Wer godeokt
tt\rht norh dr^: TüVelfi über den Besitz eines Rosenstrauches, von dem sie oino
Blume geplläckt? Wer möchte die oozShligen Narrheiten der LiebesgOtsendifliioni
nennen?"
262
FitiMliviMliar fatiMUnmu.
nur deahalb gekflsst «iid, wäl dB der geliebten Fenon gehOii Bei
dem patholo^eobea I^tiBoliiaiiine ist Itingegea die löebe in dem
Gegenetand das, was in den Vordergrand tntt und die gerne Soene
beherreolit; liierbei eind die k(»rperiiehen imd geistigen BIgenaeliafteii
der sngebOrigen Person swsr nioht immer gleicbgfltig, treten aber
entedbieden in den ffintergnmd. Der StieliBifetisobiimQSi wie ibn
Zola in Tliereee Baqnin besebreibt» vobei der betreifende Hann den
eleganten Stiefel seiner Geliebten mebrmals kosst, gebort biemaeh
noeb in das GMrfet des Normalen, beeonders da die Sebnsndit^ den
Eoitns ausznfObreD, den Mann erfüllt Hingegen sind dnichans krank-
haft die Fälle TOn Fetischismus, in denen der Koitns nicht das Ziel
der Libido ist, diese vitimelir nur iu dam Wuusclie besteht, sich au
einem Kleidungsstück oder an einem anderen Gegenstande sinnlich
zu ergötzen. Ich halte es hierbei fflr gleichgiltigt ob der Gegenstand
einer dem Manne bekannten Person gehört, oder ob sich der Fetischist
mit seiner Phantasie eine Person zu dem Gegenstände hinzukonstmiert
Ebenso ist es für den Begriff des Pathologischen unwichtig, ob der
Fetischist die Stiefel mit Wollustgefflhl nur betrachtet» befahlt, kosst,
oder oh er an ihnen masturbiert.
Bei dem Gegenstandfetischismus spielen eine Hauptrolle Stiefel
und weisse Wftschegegenstände des Weibes, z. B. Ta-scheiitücher.
Indessen scheint es, als ob unter bestimmten Umst&nden die ver-
schiedenartigsten Objekte zum sexuellen Fetisch werden könnten. Nor
ist fest zu halten, dass bestimmte Objekte beeonders beTomgt werden,
so dass die zolUllige Assoziation nicht in allen Fallen die aosschliess-
liebe Bolle spielen dürfte. Unter anderem ist eine Reihe Ton Fällen
bekannt geworden (sie beben aneb vom Teil krimineUo Bedentang er^
langt), in denen Männer dnrob Taschentücher oder andere Wisebe
Ton Weibem angebxM worden, s. B. ein von W. Passow*} mi^
geteilter Fall Die Leidensebaft for Tasohentaeber kann so weit geben,
dass ein Mann Tollstlndig im Banne des Tasebentoebes stebt Eine
weibliebe Person sagte mir: „leb kenne eüien Herrn; wenn ieb ibn
in der Feme sebe^ so brancbe lob nnr mein Tasebentnob bervor-
snsieben, so dass es ans der Tasebe etwas berani^gnekt^ nnd ieb bin
sieber, jener Mann folgt mir wie ein Hnnd seiner Herrin. leb kann
bingeben, wobin ieb will, der Herr wird mir unmer naebfolgen;
er kann in dner Drosebke fidiren, er kann bei der Brledignng
') W. Passow: Oeistesstörung, die Ursache anffallender Diebstähle. Viertel-
jabrsBchrift für gerichtliche Medizin and öffentliches Sanitätsweseu. Heraus-
gegeben m Esiflobcrg. Neae Folge, 28. Band, 1878» S. 64.
TMobentnohfetUohimas.
263
einet aelur niohtigen Geeelilllee eein: wenn er melB TteehenkiGli er^
bliekt, Usst er alles Im Stiefa, mn mir, reep. dun TaeehentnolL sa
feigen." Dieser TasohentaehfiBtieehiflmiis kann in TeraeUedeiier Weiee
rar eezaellen Befriedigung benutzt weiden. Die einen fOhlen sieh
getrieben, Taschentücher TOn Weibern za stehlen und zu Hause in
ihrer Wohnung zu sammeln; sie machen nichts weiter mit ihnen,
soweit mir bekannt ist, und sind durch deren Besitz und Anblick
glücklich. Taschentuchdiebstähle aus fetischistischen Neigungen haben
mehrfach die Gerichte beschäftigt) die übrigens in neuerer Zeit dabei
ziemlich nachsichtig zu verfahren scheinen; auch in Berlin haben
solche Prozesse gespielt. Bei einigen Fetischisten ist es nicht aus-
schliesslich (iie Befriedigung am Besitz, die den sexuellen Reiz aus-
macht, sie wollen mehr von dem Taschentuche haben. So weiss ich
von einem PetiscbiRten, der leidenschaftlich Taschentücher von weib-
lichen Fersoneii zerbeissL und bierltei sexuelle Befriedigung erlangt.*)
Der Taschentuchfetischismus hndet sich auch bei homosexuellen
Männern,') so dass es sich hier um eine doppelte Perversion handelt,
erstens um die Neigung zum Manne und zweitens um den Taschenr
tuchfetischismns. Analog dem fall des Fetischisten, den das Taeebeit-
tuch des Weibes reizt, und dem aus diesem Grunde der normale ge-
schleohtÜohe Verkehr mit dem Weibe, d. h. der Eoitos, keine Be-
firiedigung gewfthrt, liegen b«m mannmftnnliflhen Verkehr die FUle
der FetiseUiteii, die Taaefaentttelier Ten MAnnem lieben. Sie werden
weder dueb Hderaatie noeh dnreh rnntnelle Onanie gereist, die
Oesehkehtsorgane des Miumes sind ibnen ebenso abatosseod, wie die
Gesehleohtsoigane des Weibes dem Fetisehisten, der die Tasehea-
tndber der Weiber liebt In weloher Weise sieh ein soloher Hann
geseUeehtlieh beiUedIgt, mag folgender Fall, den ieb ra beobaobten
(3elegenbät baite^ seigen:
15. Fall. Es handelt sich hier tun einmi Mann X., einen Hand-
Wfrlff-r, etwa 40 Jnbn" alt. Er ist von kräftiger Statur und kam wegen
vtT.si hiedi ner neurasthcnischer und hypochondrlsciier Heschwerden zu mir;
er klagte über Kopfschmorz, ?!cbw*'r(' in den Beinen, Maiigel aa Arbeits-
lust, Rückenschmerzen u. s. w. JNachdem er eine Zeitlang bei mir in
') Der Fall ähnelt sehr dem eines K.naben, den CA. Diez (Der Selbstmord,
seine Ureachen und Arten, Tübingen 1838. S. 21) erwähnt, bei dem es sor
l^dniktioii kim, mui «r Fnmenwisdbe mrIm,
') Ein besonderes Kapitel widmete dem Fetiachismos bei Homosexuellen
Panl Garnier in meinem Bu; he: Les Feiiehistes pervertu tt htoerÜ» MaeueU,
Observatiotu medieo-l^yalea, i'aris 1896. S. 91—174.
264
Behainllung gewesen war, mncht« er mir interessante Angaben über seine
Vita scxuaJis. Körperlich bot Patient keine Abnormität dar.
Niemals hatte X. irgend welchen Trieb zum Weibe; schöne Münner
hingegen übten von jeher einen ganz besonderen Reiz auf ihn aus.
Mutnelle Onanie oder Päderastie hat Patient nicht getrieben, hingegen
übte er sehr liüulig und auch noch m der Zeit, während er bei mir in
Behandlung stand, Onani« ans. Sein Uaaptyergnügen und die höohBte
Wollturt beiUod MukM. Ar den Patiaatai darin, data er weiaie Wlaehe,
gans bemaden aber weisee TaBcfaenifloher tob hftbacheii MimMni
juhm, in ilunii mmbnm simm tmohU und mm mastnrbkrte. Zu
diesem Zwecke entwendete er Öfter swnen Freunden Taidientfleher; er
Woeste lehr gut eine Sntdeokiing dei Diebitablea la Terhindeni, indem
er ateta eines aeJner eigenen Taaelieataöber dem betnifendeB Fkennde
snrftoklieBBi nm daduroh Ar den Fall der Entdeekong den Sehein einer
Verwecbaelnng n erregen. Wenn er einmal kein Tasohentooh an dieaem
Zwaeke batte, so onanierte er und stellte sieh hierbei mittelst seiner
Phantasie ein Taschentndi oder andere w^sse Wäsche von Mtnnem
lebhaft vor. Den Koitus mit Ihtellis pu^ids hat Patient öfter aus-
geführt, aber stets ohne jeden Trieb dasu mid ohne Wollustgefühl.
Erektion nnd Ejakulation trat nnr dann ein, wenn Patient wlUirend des
Aktes an das Taschentuch eines Mannes dachte; noch leichter war ea
dem Patienten, den Koitns ansTnfiihren, wenn er sich das Taschentuch
eines Freundes mitnahm und während des Aktes in der Hancl hielt Die
erotischen Trfiume beziehen sich nicht auf den Koitus und nicht auf das
weibliche Geächlecht, vielmehr tritt die i^akulation im Traume immor
nur bei der Yorstellang von Wftaohe von Männern ein.
Auner weisBer Wflsohe bildet oft die FussbekUidtmg*) des
W^bee den Gegenatasd der Liebe des ÜotiaolnfltiBelien Mannes; das-
selbe leigt siGh aneb bei bomosonienem Trieb. Chaiakteristisoh ist
eine Beobaehtong Krafft-Ebings, wo der Patient lohon im AHer
▼on vier Jahren ror allem die sohSn gqraftitea Stiefbl Ton Bsit-
knedhten liebte, nnd swar leigte sieh diese Enoheinung gans
besondeis im Trenm. Diesem Patienten ist eine msnnmiinnliehe
Idebe, wie sie Urninge sonst empfinden, snwider; er aeigt lUanem
gegenflber in sosgesproefaener Weise fetisdiistisehe imd aoeh manehe
<) Bin Ydksaberglanbe giebt in Hessen sls Idebesmitlel die Aitweadnng
eines Stiefels oder Schuhes der geliebten Person an; man trägt ihn acht Tage
lang selbst urrl pieVit ihn flann \vi( iler zurück (Ad olf Wuttko: Der deutsche Volks-
aberglanbe der Gegenwart, Berlin 186y S. M4). Zahlreiche andere Angaben, die
mit gewissen pathologischen Erscheinungen der Liebe eine Verwandtschaft seigeu,
finden sieh in demselbeB Baehe. Darnach spielt in BSImen aneh ein watess
Tuch als liebesmittd eine BoUe.
t
HeteraMonMllw Oggwatandfetigohiamna. 265
mtMohistisidiei} SrnpfiDdungon. fiir hat i. B. die Neigong, seiDen
Stenen die Stiefel lu Uamd, la iriduen, de üuen ansuielien.
In das GeUet des Stiefeifetisehisiiins bei üniiiigen gebort ainii
ein FaH, der mir Ton einer Bebdrde mitgeteOt wurde. Es handelte
lioh am einen gebildeten Herrn in aogesdiener Stellung, der einen
Offiaier mit Briefen bellfltigte» sodass dieser sieh schliessUeh sa die
Polisei wandte. Der Herr, der naeh dem ürteO eines kompetenten
Beobaehters Umiogsiiatiir besass, hatte den OfBsier in sehwlnneiiseher
Wöse mit Briefen verfolgt nnd ihn gans enstiieh mn die Erianbnis
gebeten, ihm doeh nur die Stiefel patnn sa dibftn.
AnflUleod ist, dass mandie üminge fir den Fetisehismns, sowie
fBr andere sexuelle Penrersionen, ausser der reinen kontrSren Sexaal-
empfindung, nur ein mitleidiges Lächeln, ja Verachtung haben. Der
eine erklärte mir, dass er es geradf zu verächtlich finde, sich an den
Stiefeln eines Mensclieii aufzuregen, dass ihm aber die bumosexuelle
Liebe selbstverständlich und sittlich erscheine.
Im Gegensati sa den oben erwihnten Flülen von Gegenstand-
fetischismoi^ bei denen der Eoitas trott heterosexaeller Neigung ?er-
absohent wird, giebt es andi solche^ in denen der Eoitas das Ziel
der lAbiäo ist, aber der Trieb sam Beisdhlaf ganz oder teilweise
?on einem bestimmten Elddangsstttek oder dner gewissen Eleidnngs-
art abhtngt Hierbei mtlsste man eigentlich wieder nntersdheiden,
ob die Eleidangsart nnr vor dem Eoitos snr Erregung der lAbiäo
nötig istk oder anoh während des Beisehlafos erfordert wird.
Das bierflber Torliegende Material genügt indessen nooh nieht, am
diese Seheidung zu machen. Einige Beispiele, die mir bekannte
Männer betreffen, werden die erwähnten Erscheinungen erlftutem.
Ein Herr A., im Alter von 2G Jahren, erklärt, daas er mit einem
vollstiindig nackten Weibe den Beischlaf nicht vollziehen könne;
dieses muss wenigstens mit einem Hemde bekleidet sein.
Ein anderer Herr fühlt seine Libido nur dann erwachen, wenn
das Weib mit weissen Unterhosen bekleidet ist-
Ein dritter, Herr B., teilt mir mit, dass ihn eine f^ewisge
Kleidungsart des Weibes sexuell sehr errege; er schildert sie in
folgender Weise: ^Das betreffende Weib muss entweder ein kurzes
Tuclyackett oder einen langen Eegenmautel von ganz donkler Farbe
Vgl. asten.
HtüNnatntiv GegvwtendAtiidiiimttE.
tragen; die Taille mius gleiohfaUs dunkel nnd wenn mOglioli eng
geeehnflft lein; der Beck darf niohi viele Falten luiben, wU andh
donkel sein; indeaaen iat hier die helle Farbe nioht ao unaympaihiaoh
wie hd den anderen Eleidmigastdcken'*. Ferner beronogt B. el^
gantea Sohnhweik, lange Stritanpfek weiaae BeinUelder ond weiaaea
Hemde- Soweit ea B. Torheiaehen kann, wählt er aieh som Eoitna
nnr Weiber, die in der angegebenen Weise gekleidet aind.
Ein vierter, Herr C, ist ein besonderer Liebhaber des Sammets.
Er wird dnrch schöne Weiber in normaler Weise angezogen, ganz
betiüudtTs iiber erregt es ihn, wenn er die Person, mit der er sexuell
verkehrt, m bammetkleidung antriöt. iiier ftllt auf, dass nicht so-
wohl der Anblick als die Berührung des Sammets die Erregung ver-
nrsacht. C. sagte mir, dass, wenn er mit der Hand über die Sammet-
jacke einer weihlichen Person ftreicbe. dies ihn so sehr sexuell errege,
wie ('S auf andere Weise kaum erfolgen köiiue.
I^.iii fünfter Herr, ein Arzt, sagt mir, dass Lackschuhe ihn ent-
schieden erregen, dass ausserdem eine engg;esrhnilrte Taille, besonders
aber ein an den Hüften reclit breiter Kock ihn sexuell reize.
Ein anderer erzählt mir dasselbe von seidenen iüeidern; ins-
besondere versetze ihn aohon das Bausohen eines Seidenkleidea in
sexuelle Erregung.
Wieder ein anderer Terkngt Bekleidung mit seidenen Strümpfen
nnd überhaupt eleganteste Toilette. Letaterea wird von vetaehiedenen
Seiten angegeben.
Herr Professor Ottomar Bosenbach in Berlin teilte mir einen
Fall mit, der hierher gebort Es handelt aieh am einen Stadentent
der nnr dann mit einer RuiBa pubUoa den Eoitoa anaUhen konnte^
wenn de einen aeidenen Mantel nnd einen aeidenen Sonneoaohlim
hatte. Herr Ptofesaer Boaenbaoh fügte hmsn» daaa an der Bieh-
Ü^eit dieaeET Angaben kein Zweifel bestehen konnte.
Derartige FftUe wie dieletatgenannten, bei denen der Geaohleohta»
trieb anf den Koitna gerichtet iat« amd, wie mir acheint» in auaaer-
ordcntlieh grosser Zahl vorhanden. Obwohl mancher Fall hiervon
aohon an den krankhaften gehört, so weiden wir doch, gUmbe ioh,
kanm alle aia aoldhe anaehen kennen, nnd aioherlich weiden wir
diea nieht thnn können, wenn eme Art der Sleidnng nnr geeignet
ist, den Geschlechtstrieb zu vermehren. Wir entgehen so am beeten
der Schwierigkeit, die sich sonst daraus ergeben würde, dass die
Kleidung d&a Weibes entscluedeii ganz aügeniem den Sexualtrieb
steigert.
Homooexaeller OegenstandfetisoliisiuuB.
267
Qain ahiüicliA Vorgänge dud, wie Im! d«r Liebe des Maimes mm
Weibe, finden wir beim homosexiiellen Triebe. Anoh bier flbt die
Kleidang einen weeenflieben Binflues auf üb Erwecknng imd die
Steigerong des Triebes ans, und zwar zeigt deh dies in yersobiedenen
Abstufungen. Von einem Urning weiss ich, dass er nur dann mit
dem andern sexuell verkehren kaun, wenn dieser durch schwarze
Strümpfe und Lackschuhe die Ltbuio des ersteren angeregt hat
Der gesohlechüiche Verkehr hierbei ist aber der gewöhnliche nnd
besteht in mutueller Onanie. Zum Einfluss der Kleidung gehört auch
die Vorliebe mancher Urninge für das Militär. Bekanntlich zeigt
sich in der Liebe des Weibes eine ähnliche Erscheinung; es ist noch
nicht ganz aufgeklärt, weshalb gerade die Uniform auf manche weih-
liche Personen eine so hochgradig erre<^ende Wirkung hat Viel-
leicht reizen hierbei die an die Idee der Uniform sich anachliessi nden
Vorstellungen von Mut und Entschlossenheit; nach dem Mechanismus
unserer seelischen Funktionen kann die Vorstellung von Mut un-
bewusst bleiben nnd dennoch die entsprechende Wirkung ausüben.
Wahrscheinlich spielen aber noch andere Momente eine Holle, z. B.
dae straffe Anliegen der Uniform und das dadurch bewirkte stärkere
Hervortreten der Formen. Hierfür spricht u. a.^ dass auch Lakaten
oft genug das Ziel der Libido sind. Bei der Liebe des Urnings zum
Militftr oder nun Uniformoel^ qnelen Uiidiebe Momente mit Jeden-
iUla giebt et üminge, die am fiebsten svr mit llilitiipenoiMa vei^
lEduran. Endlich gehört anöh wohl in diese apesielle Kategorie der
Wnnach einaehmr, mit liinnera in Terkehxen, die veiblidh gekleidet
sind. Wir haben zwar gesehen, dass diese Neigung keineswegs all-
gemein ist» aber es giebt dooh dum nnd wann Urninge, die dnreh
Personen in M|ii>nfirMaiiimig nicht geröat werden, wohl nber Eixegong
isigen, wenn die mlanliehe Person in wdblidier Kleidwig eisoheinL
Bndlieh wflide ieh hieriier anoh diejenigen reehnen, die ttber-
hanpt dnroh nnbekletdete Hinner nicht erregt werden; die EUle
smd anseheinend selten, kommen aber Tor. So sohreibt mir ein Urning
hierflber: t, . . • Mezfcwnrdiger Weise maehte der Beix sioh nnr bei
bflUeideten Hftnnem geltend, wahrend mieh gänzlich naekte, wie sie
sich im römisch-russischen Bad zeigen, ziemlich gleichgiltig Hessen,
höchstens ein kunstüsthetisches Interesse in mir erweckten.*' Im
heterosexuellen Verkehr ist die Neigung zu halb oder ganz bekleideten
und Abneigung gegen unbekleidete Weiber gar nicht selten ; solche
Falle schildern Hamm und, Kr äfft -Ebing u. a. Ich weiss von
einem Ehemann, der stets nur dann bei seiner Frau potent ist, wenn
268
di6M ihn dnnh ilm Toilette teilt, die sie aber wtiuend dei Äktee
nielit ablegen darf. Bbenao wein lob von mebreien aodeieii FUlen,
wo Hinner nu mll bekleideten Fiaoen koitieien und der nieht be-
kleideten Fran gegenflber ?olUnmunen impotent nnd. Einige befor»
logen bierbei wieder bestimmte Toiletten, und besonden wird Be-
Ueidnng mit ÜBiner eleganter Toilette mebrüMb als etmdiiio «Nie gma i
nm angegeben. Aneh Howe^ beriehtete Ton einem Manne« der nur
mit ToIlBtftBdig angekleideten Personen gesohleohtlich verkehren
konnte.
Besonders gehören m die Gruppe des Gegenstandfetischismus
auch diejenigen Fälle, in denen das Weib einen bestimmten Stoff,
¥or allem Sammet, Seide oder Pelz tragen mnss, wenn der hierfSr
empfängliche Mann erregt sein soll Mir sind analoge Fälle aus dem
mannmftnnlichen Verkehr, die sich auf Neigung zu derartigen ätoffen
beziehen, nicht bekannt geworden.
Ich sagte oben, dass es ausser dem Qegenstandfetisohismus aach
einen Eörperteilfetisohismus giebt Sowie den Hauptreiz fär
den Urning in jenen Fällen ein Gegenstand des geliebten ManueSi
Taschentuch oder Stiefel, bildete, so ist in diesen Fällen ein Körper-
teil des Mannee der Gegenstand der Liebe des Ominge;*) die Geni-
talien des andern spielen hierbei nur eine untergeordnete, jedenftdlt
nicht die BoUe, wie beim gewöhnlichen Urning. Qani besonden wird
der Fuss dee Mannes vom Urning beronogti sowie ja der Fma anoh
bei heteroaexneller Neigung und gkichnitigem FetiaeMsrnna oft eine
weaentliöhe Bolle spielt
Die krankhafte Fonn des KOrperteOfetlaobismiia gebt aUmiMeh
in die nodi normale Vorliebe f&r irgend einen aohftnen oder besonden
gestalteten EOrpertdl über. Der eine befonugt blondea Haar, der
anden eine kleine Hand, ein dritter «nen bObsehen Hnnd. Die
Bomanaobriftsteller haben hierüber eine Menge von Beobachtungen in
ihren Schriften verwertet; ao beschreibt Belot, wie Erafft-Bbing
- ) J. W. Howe: Exctssive Venerff Mn^mUiHm and OotOmmet, Kiw-Ymk
1884, 8. 86 (nach Fero zitiert).
- ) Die Eisdieinung des Körperteilfetischismns findet ebenso wie der Oegen-
slHidfstisohisinss im Volkssbeiglsttbsa mSm Vtttrataag. kAöU Wvttks
(JL e. a 848 f)M«t: Dis bei waitms maiileD listwimittel bestaheD ditfai, dsn niaa
der geliebten Person irgrend etwas von dem eigenen Körper, Haare, Nftgel etc.,
im Essen oder OetiSnk beibringet» dftdarcb werde rie an die erstere Peiwm an£i
engste gefesselt
HtkvnwmUtt KltapotailiMMUinui.
269
«wlhiiti in houdie de Madame X.** mn» SdiwiimeMi ftr dm
Mund. Dms die Yorllebe Uta: ZOpfe so weit gehoi kum, dass ein
Bielwtald dadnidi hemigemÜBn iriid, ist sieher und geht n. n. ans
einen Fall von Angnste Yoisin, Socqnet nnd Motet^) hemr.
Einen Merber gehörigen Fall habe ich*) sellttt TerOffentlnfat
Als pathelogisoh betraehte ich hier alle Fflle, in deaeo die
L^ido nicht auf den Coüus per vaginam gerichtet ist, wo vielmehr
irgend ein anderer Akt, z. B. Stessen mit dem Fuss, Mastnrbation
mit der Haud, Coittts inter mammas u. s. w. den lieiz gLw;:\hrt
Hingegen scheint es mir nicht richtig, diejenigen Fälle als krankhaft
ZQ bezeichnen, in denen jemand ein besonderes Vergnügen darin
findet, den einen oder anderen Körperteil zu küssen, zu berühren oder
zn betrachten; vielleicht gehören hier einige FftUe schon in das
Gebiet des Abnormen, ohne aber krankhaft zu sein. Würden wir
solche ij'älie ohne \vL'U(;res als pathologisch betrachten, so lie<;t die
Gefahr nahe, die Grenze von Gesundheit und Krankheit panz zu ver-
wischen, da natürhch der Geschmack einzelner Männer verschieden ist;
der eine liebt einen schönen Mund, der andere helles, ein dritter
dunkles Haar, dieser ein grosses Auge, jener einen kleinen Fuss. Dass
verschiedene Eörperstellen auf einzelne den Hanptreiz ausüben, sollen
folgende Beispiele zeigen.
Ein mir bekannter Arzt, der niemals irgend welche krankhafte
Neigung der Libido an sich beobachtet hat, gab mir auf dahin ge-
richtete Fragen an, dass der Oberarm weiblicher Personen ihn
ausserordentlieh enege; hierbei ist aber die Libido immer nnr anf
den Ceihu per vaginam gerichtet Bei diesem Akte pflegt freilieh
jener Heir den Oberann des Weibes viel su drflokeiit m herflhreo,
wohl aooh sn küssen.
Bui anderer Herr, ein EflnsOer, nird besonders Ton einer Stelle
des mensehllohen EOrpers enegt, namlicfa von der Qzense swisohen
dsm behaarten Kopf nnd dem Maoken, da wo der atftAere Haar>
wnohs aufhört Diese Stelle wird übrigens aneh von einigen firan-
sOsiscihen Schriftstellezn, n. a. von Gnj de Haupassant als be-
sonders snm Kflssen einladend beieiohnet
Bin dritter Herr wird, sobald er ein weibliches Wesen mit einem
^ äocieU de Midecine legale en France. Scc^e du 13 Janvier 18U0. Auguttie
Veitin^ J. Soequet e( Ä. Moiet: MlUU tiuiUai de P. . . poursuivi pour atoir
eatipi le» natteji de plwtieurs jeunes filier; in: Annale» dfkggihte pubUqm tl
mMecinc h'gak. Troisihur srrie. Totnr XKUf. Paris ISfW. S. 331 ff.
') Albert Moll: UüUrmchva^n ühot iix^ Lünäo eexuaUSf 1. Band, 2. leiL
Berim ibö8. S. 775 £.
270
EouoMxmUttr Kfiip«rtei]lbtisQliuqna.
Zopf erblickt» sofort hochgradig sexuell emgt; offenes, selbst sehr
sohOnes fiasr Tennsg diese Wirirong uioht n miflleii. Was diesea
Herzn sonst noch ansn&ofanet, ist seine YoiUebe fBr dts Ohr. In-
dessen moss dieses, nm ihn ra reisen, klein sein, die Hosehel darf
vom Kopf nicht sehr ahstehen; ÜBmer darf das Ohrlippohen nicht
dnrohstoehen und nicht mit Ohrringen Tersehen sein.
In allen solchen Ftilen Termag ieh eine krankhafte saxnelle
Permsion nicht zn erblicken, wenn nicht eine gewisse Grense des
KOrperteilÜBtisdusmns^) überschritten wird. IHese in besthnmen ist
allerdings hier deshalb nioht leicht^ weil Uber den KiOiperteilfeti-
sobismiis bei Trieb inm Eoitns noch wenig siidieres Beobschtongs*
material vorliegt. Ich mochte den Yeisnoh machen, den Beginn des
Pathologisdien dadurch festsostellen, dass als krankhaft alle diejenigen
FftUe betrachtet werden, in denen die sinnliche Wshmehmnng eines
bestiilimten Eörperteiles oder dessen willkflriiahe bewosste YoisteUnng
eine nnerlftssliche Vorbedingung fQr das Anftreten der Lihida bi In
derartigen Fällen würde das Weib als Ganzes nicht genügen« Libido
hervorzurufen, was aber beim normalen Geschlechtstrieb der Fall sein
moss. In den pathologischen i'älkii würde also sozusagen das Weib
nur ein Anliängsel des bestimmten Körperteiles sein, während dieser
für den betreffenden Mann die ganze Scene beherrscht.
Die Erscheinungen des KOrperteilfetiscbismas finden sich ganz
ebenso bei homusexnellen wie bei heterosexuellen Männern.
Besonders wird der Fuss des Weibes zum Fetisch des Mannes
und dementsprechend bei homosexuellfr Liebe der Fuss des Mannes-
Einem ^Vlanne bereitet es besondere ^Vollust, die Zehen eines jungen
Mannes zu küssen; hierbei tritt Ejakulation mit WoUustgefühl ein.
Das LecVen und Küssen der Füsso wird bei Urningen öfter gefunden.
Einige haben hierbei eine besondere Vorliebe für schweissige Fttsse,
während ich von anderen weiss, d;iss sie diese verabscheuen. Von
einem Urning hörte ich, dass es ihm grosse sexuelle Erregung ver-
ursacht, in einem Kahne zu fahren und hierbei die entbldssten fasse
des Schiffers zu betrachten.
- ) Ein auswärtiger Herr toilt mir mit, dass »einer Ansicht nach der Begriff
des Vctiiölilmras aur auf Geg«B8tinde, nicht auf lebwide Oawab«, also anf Kfirper-
teil« avtgedehnt werden dürfe, da dies dem Sinn des Wortea Fetisch widenprechau
Indessen ist dies nicht richtig. Das Wort Fetisch wurde zuerst durch de Brosse
(Du ("iilti- (Irx (Heus fit ichcs. Pari ft 1700, deutsch von Pistorius, Stralsund 1786)
in Uuüaul gebracht; es bezeichnet dies Wurt aber nicht nur leblose Gegenstände,
saodani isdi Tiere, Tiger, SoUaagca iL s. die einen heaoaderen ZuBünMU-
haog mit dar Bdigkn haben. (Meyers XanrenatioDdeznHm.)
BenpioL
271
Es wild mir Ton mehmen Seiten anch angegeben, dass die
Obers ohenkeit beeonden wenn die Hosen straff ansitzen, sexuelle
Btrepug hervorrofen. Tarnowsky^) berichtet, da?^ bei einigen
Mlmifiii mit kenMrer Sexualempfindaog gerade die Hinterbacken
mid der After anderer Mftnner einen abnormen Reiz ansflben. Schon
Albert*) bat 1859 FUle aDgeftthrt» wo Sohollehier ihre SehiUer auf
die Hinterbaeken Mhlogen, da sie durch deren Anblick in sexuelle
Srregimg versetst wurden. Wahrseheiiüioh hat aber nicht nur der
Anbliek der Hinterbaoken, sondern anoh das Bewnastsein, dem Knaben
Schmerz msnfilgen nach Art der spAter sa besprechoiden sadistischen
Neigung hierzu gefthrt Tarnowsky glaubt» dass diejenigen Minner
aktire Päderasten seieD, die sieh za den Htntsxbaoken anderer Mftnner
besonders hingezogen fühlen; indessen halte ich diese Ansieht für
irrig. leb habe KUmer gesehen, auf die die Hinterbacken des andern
einen besonderen Seis ansftbten; sie liebten es, dieselben za drücken
nnd zu befohlen nnd worden dabei in sexoelle Erregung yersetst; es
wire ihnen aber dnrohans widerlieh nnd abatoesend gewesen, «•eiR^nwi
immUien t» amtm. Dass gerade derartige Personen, die dnrch die
üfates gereist werden, wie Tarnowsky m^t, keine weibliehen
Neigungen haben, »t nicht immer richtig; die Annahme beroht auf
der irrtOmlicher Weise veraUgemeinerten Einteilung der Urninge in
aktive und passive.
I>er folgende Fall wird neben manchen anderen Eigentümlich-
keiten einen Armietiüclixämuä auf homosexueller Grundlüge er*
kennen lassen.
16« Fall X, 88 Jihre alt» Klhisfiler, ist hochgradig erblich be-
lastet Was iho selbst betrifft, so bezeichnet er sich als selff nervös,
nnd er gUt auch dafür. Onaniert hat er nicht viel, etwa nur vom 13.
bis som 17. Jahre. Von da nh hi.t er 6 Jahre absolut abstinent gelebt.
Was seinen Charakter anlangt, bo ist er schroff und leidenschaftlich, aber
auch energisch und dabei gutmütig. Das Talent des X. wird von Fach-
männern sehr geschützt. £r raucht nicht, trinkt wenig and lebt nur
seinem künstlerischen Berufe.
X. wurde schon als Kind von 6 Jahren zu gleichaltrigen Freunden
auffallend stark hingezogen. Spater — es war wohl in der Tanzstunden-
zeit, als X. 18 oder 19 Jahre alt war — erwachte auch eine gewisse
')B. Tarnowsky: Die krankhaften Eisoheuraogea des Geschlechtssinnes.
liae fbrensüch-psychietrieebfl Btadie. BeiUa 1888. 8. 19.
- ) Albert: mahaadliing ana Wellatt Bltttor flr geriehiUcfae AatlivoHogie
von J. & IHednieh. la Jahrgang^ 1860. 8. Heft. 8. 77.
272
Nflignsg ÜBr das wwbiNli« GtMfalMbt, dooh war de nifllil aahr stark,
und ,fli« war woU mehr dnidi Lektflie vaA das Beupiel aaiD«r KaiMnte
Sun anerzogen word n^, hne tiefere Wnnal wa schlagen. X. lernte
kun darauf zuerst die Liebe von Mann zu Mann bei andern kennen,
ohne selbst ein Ycrhiiltnis 4^iiiMgthfn oder geschlechtlicheil Verkehr ans-
zuüben. Er schwärmte aber um diese Zeit heimlich fär junge Fleischer-
burscbon die ihm ihres netten Kostüms nnä ihrer Kraft halber gefielen.
8chanj und Furcht hielten indessen X. zurück, sich diesen liurschen zu
näliern. In dieser Zeit wuchs des X. Geschlechtstrieb zu ininn i ^Tö«serer
Stiirke und wurde, wie er glaubt, durch die bestündige sechsjährige ge-
waltsame Unterdrückung so heftig, dass or sich immer nervöser und
elender tulilte. Onanie trieb X. in dieser Zeit gar nicht. Er ist im
Gi«genteil überzeugt, dass die furchtbaren Gemüiskampie und die gc-
waltsame ZnrfiekdUmmang des Triebes den Grund sn seiner auch heute
nodh bestehenden hoehgradigen Karvotitftt gelegt haben. Diese war
Torher mobt so peinigend; er war fielmehr frflher TerbflUoismtesig ge-
sond. X. iend endlich einen Kameraden, mit dem er anweOen, and swar
etwa alle irier Woohen dnmal, mntneUe Onanie tarieb. Von da ab liessen
andi die nerrOsen Scscheinmgen naeh; aber es erwadite bei ihm die
Funht vor Sntdeeknng, die selbstrerstindlieb nieht dasa beitnig, ihn
ToUstftndig gesnnden so lassen. Diese Ängste das Gefühl, in den Augen
der Menschen als Verbrecher dazustehen, verleiht vielen Urningen etwas
Düsteres nnd sehldigt deren Obarakter sofs Tieftte» erkiftrt X
Er behauptet, dass er im Umgang mit mnnem ger nioht den
pbysiaehen WoUnstreis sndie, Tielmebr glanbe er, dass eine Art kfinit-
leriscben Gennas» ihn snr mntaellen Onanie f&hre. Er meint hiermit
den Genuss, welchen der Anblick eines sobOnen Armes ihm gewBhrt
Der Freund des X. muss sich bei dem sexuellen Akt setzen. X. setzt
saoh rittlings über dessen Kniee. Nun reizt es den X. vor allem, des
Freundes entblösste Arme, die möglichst kräftig, aber zugleich zart sein
müssen, 2U sehen, und zwar in Bewegung und in Thätigkeit an seinen
(des X ) (Tenitalien. Zu diesem Zwecke beleuchtet X. die Arme seines
Freundes nuj^^liohst hell. Diese allein sind es, die den X. interessieren.
So können bei ihm auf der Strasse die nackten kräftigen Arme vorüber-
gehender Metzgerijurbchen eine sehr heftige sexuelle Erregung hervor-
rufen. Der Drang des X., bei einem Manne einen schönen nackteu Arm
zu sehen, ist, wie er selbst ungiebt, noch besonders krankhaft. Wenn
er mit einem Jüngling spricht, so kann er oft kaum dem Triebe wider-
stehen, den Ärmel vom Azm nirfleksadnifw. ffiebt er dam «nen
sebOnen naekten Arm, so bekommt er sofort Erektion. Er ritterl^ ist
wie gebannt und mnss den Aim beitftndig ansehen. Er beseiobnet dies
als eine dnekte Zwangsvoistellnng. Bei seiner übezmissig eingebildeten
Phantasie leidet er nnter derartigen Neigongen sehr, besonden da er
Rfif|ilo!.
273
seinem spesielleo Triebe nur selten nsdigeben ksniL Bei allen seinen
seocaellen Akten beherrscht den X. der Qedanke an den sohSn«! Ann.
Dieser mnss aber ästhetisch SddiÖn SMU, und X. glaubt, dass er mehr
geistig Ate rein sinnlich davon erregt werde. X. weiss wohl, dass andere
Urninge, so auch ein ihm bekannter, für das Membrum virile schwärmen,
dass sie dessen Gestalt u. s. w. besonders interessiert. Ihn Ifisst dieses
völlig glcichgiltig ; ja es ist ihm beinahe ekelhaft, ebenso wie der Anus,
der ihm freilich am ekelhaftesten ist Schon der Anblick würde ihn
anwidern. Auch die Nachahmung des ( oitus intrr fcmora kann den X.
nicht befriedigen. Aber da der Manu, mit dem er gelegentlich verkehrt,
dies verlangt,, so ist X. in einer gewissen Zwangslage. Allerdings be-
ansprucht er gelegentlich, ut amicm hrucciimm denudutuui irUer sua
(X) fcmora in adu sexuali conducat. Das eigentliche WollustgefOhl
bei dem gsnsen Akte ist dem X. niolit so «iaktig. Er beobscfatet viel-
melur wlhrend desselben das Hnskelspiel der Alme and schwelgt dabei
in einem gewissen EnBSl|(ena8s, Das KUnsÜerisoiie sw ihm die Hanpt-
sadie. X. hat anoh, wie ich hier anfilge^ Talent für Haleareu
Er snoht dss Gemfttsleben seiner Frennde sn ergründen nnd za
Tsrfeinem. Dieses Ersiebansdie bilde für ihn einen grossen Beis, nnd
er habe oft das QlAok gehabt, sehr bUdongsfidiige, gathernge Jünglinge
an finden. Er freue sieb, banptsSohlioh mit Fleiseherbnrscfaen Terkebrt
an haben; n« seien in der Stadt, in der er lebt^ meistens die Sdbne
wohlhabender Eltern, sodass Er])res8ung ausgeschlossen ist. Ausserdem
bringe es ihr Handwerk mit sich, dass sie sich gut zu sexuellen Zwecken
dgnen. X. hat in den letzten Jahren, seitdem «r dem Triebe überhaupt
nachgiebt, oft sehr innige Verhältnisse mit solchen jungen Leuten gehabt.
X. fühlt sich seinem Oclicbtfn gegenüber mehr als Mann, nicht als
Weih. Er liebt bei ihm besonders das Kaive. £r sucht ihn zu leiten
und zu beherrschen X. glaubt, dass seine homosexuelle Neigung auch
mit seinem künstlerischen Schaffen, auf das ich an dieser »stelle aus
Iiiskn tion natürlich nicht eingehen kann, zusammenhängt. Aus diesem
Grunde würde sein ge^ikUiler Lebensberuf ungemein leiden, wenn seine
Neigungen sich je änderten.
Auch mit lern Weibe hat X. geschlechtlich verkehrt, aber mehr tun
die Sache einmal kennen 7,u lernen als aus Neigung. Den Beischlaf übte
er zweimal aus. Er hatte hierbei nicht den geringsten Genuss, sondern
nur Ekelgefühl. Er verlor von da ab sogar das Interesse für Weiber
völlig, und es ist ihm nichte widerwärtiger als ein erregtes Weib. Anoh
die weibliehe KOrpeifinm findet er langweilig nnd nnsohltn. Der sexosUe
Vetkebr mit einem Weibe kommt ihm wie eine SamenTenchwendnng Tor.
Wai die UiniMr betrift, so ist bereits früher erwtimt, welebe Art
er besondeni liebi X. fügt noeh hinsn, dass die liHoner möglichst dem
griecthisohen SciiOnheitsidesl sieh idOiein müSMn. Das ihn reiaende Alter
274
ist 18 bis 24 Jahre. Knaben reizen den X. ebensowenig wie die Weiber.
Päderastie verabscheut er vollständig. Die geschilderte Onanie ist ihm
das liebste, doch glaubt er beobachtet zu haben, dass sie ihn mehr an«
greife als der Coiiiis inter fewora. Wober dies kommt, kann er selbst
nicht jrenau ange'iLrt: wahrscheinlich werdo das Gehirn infolpfe der ge-
spanuteu Aufmerksamkeit und des Schauens bei der Masturbation durch
den anderen mehr erregt. Im allgemeinen findet aber X., dass der
sexuelle Verkehr mit Männern ihm zuträglich ist und ihn sogar körperlich
kriiftigt. Auüli sein Geist werde dabei besonders gehoben. Nur das
Gefühl, von den meisten, die noch an Vorurteilen leiden, verachtet zu
werden, oder gar die Farcht, mit den Geriohten in Konflikt SQ kommen,
deprimiert das Seelenleben. Bs iat dem X. ein Urning bekenn^ in dem
die bestindige Furcht vor Ibitdeekang lOrmlioh eine Art YerfolgongB*
wabn ersengt baba Sein ümingtom an sidi beklagt X. nieht so sehr,
aber das Vorurteil der ihn umgebenden Welt ist Ar ihn die flsapi-
nrsaehe daf&r, dass er sieh so nnglflcklieh fühlt *
Wenn X. dem Trieb llngere Zeit niofat naebgegeben hat» so stdlen
sidh bei ihm nenrOse Sdmienen im unterm Teil des Rückens ein, die
aUmihlidi n«di der Magengegend hin ansatrahl«! uid in Msgenkrampf,
Srbieohen nnd bisweilen auch in Kolik übergehen. Diese Leiden ver-
schwinden jedoch, sobald X Gelegenheit hat, dem Triebe nachzugeben.
Am schlimmsten werden aber die Schmerzen, wenn der Trieb heftig ist
nnd die Befhedigong nahe bevorsteht, aber durch irgend einen Zufall,
etwa Gewbsensbisse, Furcht vor Entdeckung oder auch Nichterscheinen
des erwarteten Geliebten verhindert wird. Dann fühlt sich X. mehrpre
Tage ernstlich krank und matt, hat Flimmern vor den Augen, Koptdruck,
fieberartigo Zustande, übermässiges Herzklopfen. Schlaflosigkeit u. s. w.
Die Befriedigung des Triebes hinterlasse zwar auch »une gcviisse Mattig-
keit, aber diese sei eher woUlthuend und würde vielleicht noch geringer
sein, wenn nicht die ewige Furcht vor Entdeckung bestünde, die es zu
einem inüiigen Genuss nicht kommen lasse und das Nervensjräitim be*
ständig reize.
X. behauptet, dass alle Urninge, die er kennt — es sind aber nur
wenige — durchaus Ehreaoiünner und künstlerisch veranlagte Naturen
seien. .Wenn wir schlecht werden, so hat uns die Welt meistens dazu
gemacht, da sie das, was fOr nns dss Natfirliehe isl^ als nnnatSrlich Un-
znstellen sucht* X. fühlt dentlieh, dass in ihm ein immer grosserer
Welt- mid HensohenhasB heranreift, je mehr er sieht» dass man ihn
sofort wenn seine Neignng bekannt würde, yaraobttti wflide, nnd es ist
ja nie aosgtsdilosBen, dass einmal vom Gericht wne Vorontersonhuig
gegen ihn «nOffiirt wird. Bestraft kltante er ja nie werden, wie er an-
giebt, da er keinen strafbaran Akt vollsiehe.
Was den Pfttientea persOnlicli betrilll, so mffohte «r gem in eine
fieiflpieL
275
grotw Stadt gehtn. Fnilioli mdnt v, dan dort EipremuigeD bAnfigar
TOrkosunaü als in einer kleineren; in der Stadt, wo er jetzt lebt, seien
Bfpgewimgen überhaupt gänzlich unbekannt. X. fühlt sich aber in der
kleinen Stadt sehr vereinsamt, obschon er eine Reihe von Bekannten hat.
Er entbehrt vdllig des Familienlebens. Eine Ehe za schliessen ist ihm
wegen seiner sexuellen Abnormität unmöglich. Wenn er ein weibliches
Wesen fände, das von seinem sexuellen Znstande genau unterrichtet wäre
— das wäre für ihn eine absolute Vorbedingiincf — , das einipennasseu
Geld hätte und womöglich wie er horaosexucll wäre, würde er sich
wohl entschliessen können zu heiratt'u. Das gäbe freilich nur eine Vor-
nunftehe, und deshalb betont X. auch den Geldpunkt; denn ohne von •
der Sache in materieller Hiuhiulit einen Vorteil zu hüben, wurde er seine
Freiheit nicht aufgeben. Auch brauche der Urning, um einigermaäsen
unabhängig leben zu können, Geld. Ein Urning und eine Urnigin müssten
naoh Anaiidit des X. treffliek tnsammeiipaeBen und sieh in der Ehe ver-
tragen. 0as Waram sei ja klar. (leh mOohte diege BeibaiqptiiBg do«h
aidit ^baaludi f8r richtig halten, da udi kaum annehme^ daaa ea sum
QlHiiik daer Ehe beitragen kann, wenn aieh jeder der beiden Tefle ander-
weitig befinedigti und dies wflrde dooh Bcblieaalich dw Fall aein. Wenn
auch die Eifersoidit hierbei nieht mitapielt, so wflrde dooh eine dritte
oder aogar ein« vierte Penon so in die aheHeiien Yexhiltnisae eingratfen,
daaa wohl katun von einem wirklichen Glflck die Bede aein könnte.)
Die Kenntnis Ton der konträren 8exiialempfindi|ng hat in den letaten
Jahren nadi der Beobaditiing des Z. im Volke adu: angenommen. Fast
alle jongen Leute wflssten von der fiadie, viele fafttten sogar bereitB
praktiBehe Erfithnugeo aof dem Gebiete gemacht; kanm einer aeUfige
etwwge Wflnsohe ans. Auch wisse das Volk bereits, daas derartige
ÜTeigOngen, wie sie sagen, ,im Blut liegen*, d. b. angeboren sind. Nach
des X. Ansicht verfeinere sich der Charakter der Burschen im Umgang
mit gebildeten Urningen; Nachteile habe er nicht bemerkt. In Italien,
wo er sich aufliielt, wird die Tbat nn sich nicht bestraft. .Geschieht
sie jedoch an einem öffentlichen Orte, so verfällt sie wieder weit härterer
Strafe als in Deiit^chlHnd, weshalb denn auch vielleicht noch mehr als
bei uns dort Erpressungs versuche gemacht werden. Sicherer ist man,
wenn man sich seinen Geliebten mit in ein Bordell nimmt. Zwar ver-
sucht dieser dann wohl auch eine Erpressung, weiss aber, dass er vor
Gericht Unrecht erhält, und giebt sich daher bald zufrieden. In meiner
Vaterstadt kennt die Polizei zwar die meisten Urninge, scheint sie aber
mhig gewahren in lassen, so lange kein Offentiiohar Skandal dadmoh
entsteht. Ich selbst habe hier einen Bekanntenkreis von hcMshgebildeten
F^unilien, die alle om meine nnd anderer Leidensohaft wiasen. Es scheint
also, ala ob ^e wissensohafUiohen Werke dartlber anfUirend gewirkt
bitten: denn man beurteilt hier die Sache »iemlioh müde. Nur der
IST
276
Beispiel
gebildflto Hittdatand, d«r nichts U«it und daher konaerratiT bleiht» urteilt
nooh hart Es ist eigentttmHoh, daaa der nomale Philister den ünoDg
geradezu nicht bloss yeraohtet, sondern noch mehr hasst. Der Philistw
wird sein Mitleid eher einem MOrder als einem ümil^ schenken. Die
grössten Feinde der Urninge sind wohl die Lehrer, besonders die Gymnft»
siallehrer, die ja bekanntlich ewig die sittliche WelUurdnnng retten ni
müssen glauben. Wir Urninge selbst können uns in unserer Lage natür-
lich nicht selbst helfen. Das ist fast unmöglich, das mü?««^n für uns die
Ärzte thun. Es ist bei uns aber gar nicht so «chwer, auch bei den
normalen Mensclien Veralaiidnis für unsere Eigentümlichkeit zu finden,
nur müssen wir es klug anfangen und durch andere Eigenschaften des
Herzens und des (joistes den Defekt put zu machen suchen. Ich finde,
dass die Urninge unrecht thun, ihiv Leidenschaft gebildeter Gesellschaft
gegenüber zu verheimlichen. Wird es verheimlicht und es kommt eimuul
durch die Polizei doch snr üntdeelning, so steht der Betreffende völlig
TerlasseD da, hat er aber seine Bekannten TOifaer schon eingeweiht, so ist
einem Skandal die Spitse abgebrochen. Diese Einweihnng ist sehr loicibt
herbeianflShren; msn brauchi nnr die Lektflre dw Bflcher Ton Kr äfft'
Ebing, Moll u. s. w. seinen Freunden Tonmschlagen, und man wird
finden, dan die meisten dann Terstindnis für dio frOher als ein Laster
angesehene Bnohe gewinnen. Wenn man dann eingesteht» dass man an
<. diesen ünglttcUichen selbst gvfadrt, so wird man in diesem lUle nicht
barsch verurteilt. Wir alle, vor allem die Urninge, die sich nur durch
mntnelle Onanie befriedigen, sollten eine Mitteilung nicht scheuen, da
ihnen ja die Polizei ftberhaupt nichts anhaben kann. Wenn der Staat
dann sehen wird, wie selbst unter seinen geschätztesten Mitgliedern die
Sache im Schwange ist, rauss er wohl oder übel den bekannten Para-
graphen streichen. Vor allem ist dabei dem Urning aber ein wirklich
ernstes Benehmen :iii/ui L:tpn und jede weibische Ängstlichkeit, die nur
abstösst, ist zu vermeiden. Abhilfe, Befreiung von dem furclitljaren Joch,
daä jetzt noch auf uns lastet, kanu nur geschaffen werden, wenn sich
sämtliche Urninge den Ärzten entdecken.*
Ausser dem Fetischismus zeigt sich in der mannmännlichen Liebo
auch der Masochismus, den Krafft-Ebing in neutrer Zeit be-
buiititTS geschildert und zum Teil erklärt hat. Der Name stammt
von dem bekannten ßomanschriftsteller Leopold v. Sachei-Masoch,*)
Krafft-Ebing hat den Namen Masochistnos gan£ analog der wissen»
schaftlichen Wortbildung Daltonismus (von Dalton, dem Namen des Entdecknrs
der Farbenblindheit) gebildet. (B. v. K.rafft-£bing: FsychojxUhia sexuaim.
mt beaottderer fierflcksiohtigajig der kontriren Sexaalempfindnng. £ine Uiniidi-
foteoaisohe Stodii. 9. Anflsge, ßtnttgart 1884. 8. 88. 8. Anmerknng.)
ÜMOchtMiiM bei HetnoMnuIlciB.
277
der in ämgen seiner Nmllen mit VoiUebe sohilderti irie dn Mann
den Hanptreii darin findet^ dem Weibe ToUetSn^ nnteräian ni ran,
und wie des Hannes WoUnst darin besteht, von dem Weibe gemias-
liandelt an werden.
Die Keignng an Ifisabandlungen zeigt sieh oft in dem Wnnselie,
von der geUebten Penon gesohUgen an werden. Übrigens hilt
Krafft-Bbing die masoohiatisobe Neigung des Mannes fttr eine
Perversion, die gerade mit der kontrtien Sexaalempfinduug grosse
Ähnlichkeit habe ; er rnemt nindieh, dass die Neigung, dem andern
nnterthan zu sein, bei der seelischen Seite des sexuellen Lebens dem
Weibe znkomme, der Wunsch zu herrschen hingegen dem Manne.
Wenn dies sich nun iu der aDgedeiitetcn Weise umkehrt, indem, der
Mann dem Weibe unterthan sein will, so könne es sich nur um eine
gewisse Form der konträren Seiualempfiudung handeln; denn ein
Element, das au sich dem Weibe zukomme, vrerde nun in krankhafter
Weise auf den Mann übertragen. Auf die Rerechtieung dieser geist-
reichen Deutung, die ich nicht für einwurfsfrei halle, will ich hier
nicht eingehen.
Dieselbe Auffassnnjr wie Krafft-Ebing hat übrigens Ram du Ur
am Ende des vorigen Jabrljunderts, wie es scheint, gleichfalls gehabt.
Bekanntlich hat Jean Jaqiies Rousseau sexuelle Erregung dann
empfunden, wenn er von dem ihm syrripathischen Weibe geschlagen
wurde, und bei der Analysierung von Kousseaus Liebe zeigt sich
nach Bamdohr überhaupt, dass er ToUständig wie ein Weib fühlte
nnd liebte; er wollte in jeder Beziehnng mehr passiv sein.
Masochistisdhe Ideen und Gedankon uigen sich mitnnter in der
Litterator. Hervorragende Dichter biefton uns anf den Masochismus be-
zügliche Stellen. Wir kOnnoi aber nur bei d«ig«nig6ik Dichtem die
gleiche Empfindoogsweise voraussetzen, bei denen wir annehmen dürfen,
dass sie Selbsterlebtes in ihren Dichtungen schildern. Dies dürfen wir
7.. B. bei Goethe vermuten, und zwar besonders auf Grunil spinpv eigenen
Angaben. Dass er die von ihm geschilderten Liebesemptindungen auch
erlebt habe, ist eine Memung, die bekanntlich von vielen Litterarhistorikern
geiade in Beaug auf Goethe ausgesprochen wurde. Ganz besonders
dürfen w^ir dann jene Aunahrae raachen, wenn eine ganz konkrete Situation
in einer Dichtung gezeichnet wird. Die hieraus sich ergebenden Fol-
gerungen habe ich Hir Goethe mit Bezug anf sein Gedicht .Lilis Park*
sowie die Diehtung »Erwin nnd Ehgaire* go2ogcu. Wenn man die Yotmib«
aetnmgen anerkennt, die bisher so oft bei Goethe gemacht wmrdea, er
habe lebe Liebeagediohte erlebt» dann messen wir ans dem Gedudiie
Lilie Park anob Mhliessen, daes Goethe daaials maeoohiatiaohe EmpfindnngB-
278
Xtioohinmu in GeetiiM IXehluifaii.
wttM gehabt hat nnd iwar gvgoBfiW Li IL Sin loloher uaUmmtg
Mwoehisaini kann dudiMia TOrkoinnieii nnd Btabt niolit in 'Widaiapnush
damit, daaa aieh sonst bei der betreffendeD Person andere Gefflhle naoh-
wcisen lassen. Sonderbarer Weise hat meine Allllaasmig bei einigen
»Entrüstang* hf^rvorgerufen. Ein Herr wollte sogar weinen; ich hoffe,
dass ihm die Thrinen leicht geworden sind. Pas Gedicht Lilis Park,
wo Goethe schildert, dass ihn «alle sieben Sinne jückeu*', als er sich in
der Situation eines BUren von Lili getreten fühlt, dnss er, rIs sie ihn
schlug, Jn Wonne sich ,neu geboren" fühlt, sind Darstellungen, die
wir hi iito ohne weiteres als masochistiseh b* : eiühnen dürfen. Inwieweit
überhaupt raasochistische Ideen pathologischen Charakter tmgen, ist eine
weitere Frage, die nicht das geringste mit der Thatsache als solcher zu
thun hat. Ebensowenig wie Lilis Park ist das Stück Erwin und Elniire
nur die Schilderung eines koketten Mädchens; vielmehr enthält es die
Darstellung eines Mftdchens, bei dem gerade die Sacht, den Geliebten
wa qnVlen, TOThwraolit. Hierfllr spredien u. a. Stellen wie:
Man schonei einen Freund, ja man ist hOflich
l'nd sorgsam, keinen Fremden zu beleid'gen;
i)(i' h den Geliebten, der sich einzig mir
Aul ewig gub, den schont' ich nicht, und konnte
Mit schadenfroher Kälte den betrüben.
Ob nun Goethe dlp wahre Lili in den genannten beidon Werken
zeichnete, oder ob ♦ r nur ein Bild von ihr pnb, wie er sie sich vorstellte,
l&sst sieh schwer intscheiden. Im ersten Falle würden wir bei Lili
sadistische Züge linlen, im andern Fall, den Runkel') annimmt, nicht.
Aber die Wonnoemptindungen Goethes bei der Schiiderang einer
sadistischen Lili in Lilis Park lassen sich nicht wegdisputieren.
Erwähnt seien bei dieser Gelegenheit noch einige Stellen bei Goethe,
auf die ich von einem Heim hingewiesen werde, und die eine stark
fotisehistisclie Fftrbmig seigen; dodi enthalten sie meinea Snditens noi^
keine solohe Sohildemng des Fetisoldsmas, dass wir sie als pathologisch
anfiaasen dftrften. Die StellMi} um die ee sieb kandetti finden siidi in
Wühebn Heisters Lehijahren. In 5. Kapitel des 6. Bnehes sdiwlrmt
Serlo von den FaatOflfelchen der Philine:
„Ein reisender Gegenstand! rief Serlo: das Hers liftpft mir, wenn
idi sie anseile.
Welobe Yerzackangenl sagte Philine.
Es geht nichts über ein Paar PantOffelchen von so feiner, schöner
Arbeit, rief Serlo; doch ist ihr Klang noch reizender als ihr Anblick.*
Gerade hier geht ans der weiteren Beschreibung deutlich hervor,
') Ferdinand Eunkel: Goethes Liebesleben. Nach einem Vortrage
Dr. Albert XoUa Der Zeitgeist, Montag 12. Desember 1888.
279
daflfl M iIqIi nur um dne Btarke MMMdKÜTe Thltigkeii handelt, die näk
an das Hören beziclmagsweiso Sehen der Pantoffeln knüpft, und dai» sie
in lebhaftester WeiM dem Betreffenden die Tnlgerin vor Augen fuhren.
Etwas stärker, aber noch keineswegs ins Patholdgiwihe übei^gehend, ist
die Schildemng im 10. Kapitel desselben Buches.
,Eben war er (Wilhelm) im Begriff, sich auszuziehen, nach seinem
Lager zu gehen und die Vorhänge niifznschlagen, als er zu seiner grOssten
Verwunderung ein Paar 1 rauenpruitutirln vor dem Bette erblickte; der
eine stand, der andere lag. Es waren Philinens Pantofleln, die er nur
zu gut erkannte Kein Schlaf stellte sich oin; er setzte die Pan-
toffeln auf seinen Tisch, ging auf und nieder, blieb manchmal bei dem
Tische stehen, und ein schelmischer Genius, der ihn belauschte, will ver-
sichern, er habe sich einfin grossen Teil der Nacht mit den aUerlielMten
StttlsdMii bewihlflagt, er Übt lie tiäk einem gewissen ÜBteresse sitgesehen,
behandelt, damit gespielt und sich erst gegen Morgen in seinen Kleidern
anfii Bette geworÜBn, wo er unter den seltsamsten Phantasien ein>
aehlommerte.*
Masochistische Erscheinungen habon zu verschiedenen Zeiten be-
standen; es hat aber cfewisse Perioden gegeben, wo der Masochismiis
des Mannes glciübsam epidemisch war. Hierher rechnet ein Patient
von Krafft-Ebing besonder*? den höfischen Frauendienst im Mittel-
alter, wo anscheinend eine sklavische Unterwerfung unter das weibliche
Qeschlecht stattfand; doch bestand schon zur römischen Kaiserzeit,
wie ans mehreren römischen Dichtem herrorgeht, die gleiche Er-
scheinung in schwftcheiem Qrade. Von den damaligen römischen
Elegikem wird, wie Ramdohr hervorhebt, die Geliebte mit Vorliebe
als die Gebieterin beseiolinet, an die der Geliebte mit Ketten als ein
SUave gefesselt so.
Die Demütigaiig gegenüber der andern Person, die Unterwerfung
anter ne, kann in verschiedener Weise geschehen; sowohl psychisch
wie auch physisch.') Der Woneeh «niger, dnroh selbstempfimdene
körperliche Sehmenen*) aexaell en^ m werden, steht jedenfidls, wie
') Es sind mir in BerHn mehrere ProetftDiette bekannt, die Verkehr mit
Männern in der Weise ansQben Ha^s der Mann zu ihnen kommt und sie beauf-
tragt, ihm ohne oder mit Fesselung vorwurfiBvoUe Beden und Scbeltworte m-
somfen. Die SitaaÜon mnss hierbei möglichst der Wirklichkeit entsprechend
naobgeahmt wefden. Dm Weib datf dabei nidit laduuif damit die Uliubn
nlgUchst wenig gestOit werde.
•) Unter normalen Verhältnissen zeigt sich, wie ieh g-lauhe, eine gewisse
Andeatnog des kdiperUcben Schmerzes mit Wollostgefühl zuweilen beim gewöhn-
lieben Beisohlaf. Wenn d«r Bunenengoss des Maanes nageAbr gleichseitig ntt
den Kontmklionen der weiUioben Scheide erüDlgt, denn giebt es ein gewiaeB
280
MiwwIriwBq» bei HomoMKuallen.
Krafft-Ebing mit Bucht betont, dem Maaoohismas sehr nahe, oder
^ bildet mitanter sogar eine bestimmte Form desselben. Sie kommt
bei Heterosexuellen nicht selten als Flagellantismus, d. h. als
Wnnsoh, von dem geliebten Weibe gegeisselt sa werden, Tor; be-
sonders die Schlüge anf die Notes spielen hierbei eine Rolle. So sei
an ein bekanntes Bild von Hogar th ezinnerti das die dritte Zeiehnuig
des Weges der BnUerin ist An der Wand befindet sieh mischen
Betthimmel nnd Erde eine Bote, deren genauere Zwedte G. C. Liohten-
bergO eingehend schildert nnd die eben der Flagellfttion*) dient
Oslander") erwShnt die Keigong jnnger HSdchen, sieh Sehmenen
nunfDgen. Es gtbe sogar einzelne junge Franenihnmer, ^die nm die
Jahre der Mannbarkeit Haare, Taohlappen, Strohkntael, Qlasscheihen,
Kadebi n. s. w. Tcrschlnokten, bloss um Qnalen auf sich sn nehmen,
die andere ul Yentweiflung bringen wMen" . . . Ans der Lust in
leiden, erUSrt es sich, warum manches junge Mädchen sich auf einmal
80 geneigt zeigt, sieh an einem angeborenen Gewftdhs oder an einem
chronischen Übel, das es yorher Jahre lang mit Geduld trog, operieren
zu lassen, und die sdhmenhafteste Operation mit heroischem Mut
anshalt
Ganz gleiche Erscheinungen finden wir nun ancli bei Homo-
sexuellen. Ein mir bekannter Herr, der mit einem andern Urning
ein Verhältnis hat, hegt den Wunsch, von seinem Geliebten gemibö-
haudelt zu werden, und, um dies zu erreichen, sucht er dessen Eifer-
sucht zu erregen. „Eine kleine Eifersuchtsscene", erzählt er mir, nbnngt
ZusammcntrefTen von Schmerz nnd Wollast: die ZusammenBehnageil der Mq^
lulrt^iir der Scheide drücken anf den Penis und besonders attf die Olans nnd
Lewirkou hierbei eine entschieden schmerzhafte Empfindlichkeit, die aber fast
gleichseitig, beaididcn wtan dar gehmers aieht xn sttit ist, als Wolliut ein-
ptenden winL
») William Hogarths Zeichnungen. Nach den Oripinalen in Stahl ge-
stochen. Uit der vollst&ndigen Erklärung derselben Ton 0. C. Lichtenberg.
Heransgegeben mit Ergänzung und f ortsetzung desselben nebst einer Biographie
Hogarths von Frans Kottenkamp. 8. AeflAge. Stvt^iart 1867. 8. 189£.
- ) Flagellation der Naia wurde bei manchen Schriftstellern schon vor Ittogeiw
Zeit als !?cxTiPlles Erregting^mittel darpestollt; vgl. z. B. J. H. Meiboniins:
Von der Nützlichkeit der Goissolhiebe, wovon die erste Ansj^abe 1639 erschien;
ferner Thomas Bartholin: de t^u flaffrorum, 1670; K. F. Paullini: FUt^eUum
iMitf 1696; D : Daa Oeiasshi nnd aeine Einwirknag auf den OesoUecht»-
trieht nna dam Franz. 1788. Gelegentliche Andeutangen von sexueller Erregung
durch Schllge anf dan Käiper, baeondera die Naie», finden sieh vieUiuh, aneh bei
Heine.
') Friedrich Benjamin Osianüor: Über die Entwickelungskraukhoiteu
hl den BUttanjahian daa waibliohen Qaadiladita. 1. Teil. 9. Aoagaba. Tilbbigaa
ISSOi S. 6B~68.
281
den QeUebteii gewitbnlidi in hochgradige Aufregung, bei der es eohUeee-
lieh m SdhUgen kommt; SohlSge »her sind mir, wenn aie von jenem
Manne Icoumen, die Qnelle grossen Veignfigens. loh TOfgehe mii-
nnter Tor Wolliut, wenn mieh mein Freond sohllgi**
Ich will je4rt einen FaU anftthien, der zienüieh dentiich diese
masoehistischen Ideen im Zusammenhange mit der kontriien Senal-
empfindimg seigi Zwei Ideen beherrschen den Patienten; erstens
der Wonsch, ein Wdb sn sein nnd mit dem geliebten Hanne den
BeiseUaf aassalKben, zweitens aber der Wunsch, von dem geliebten Manne
misshandelt za werden. Selbst die AnsQbnng des Beischlafes hfttte
für den Patienten nur dann dnen gewissen Beis, wenn er damit
gleichseitig dem geliebten Manne einen GefUlen th&te.
17. Fall. Über Nervenkrankheiten in der Familie ist Genaues nicht
zu erfahren. X. uiaciit einen hochgradig neurasthenisuheu Eliidi-uck und
teilt über sein sexuelles Leben folgendes mit:
,Ieh habe meiiieii Oesohltchtstrieb fost immer nur daich Omuiia
b^edigt; die gesöUechflichtii TorsteUniigen, welche mich hierbei be»
harraohen und erregen, sind giobsinnlicber Natur. Anfönglich, d. h. un
Alter von 10 — 12 Jahren, bestanden sie in der Idee, daas idi, ToUkommen
in der Gewalt einea Mannea befindliefa, von ihm in yorachiedener Weise
erregt wttrde, indem «r x. B. mit meinem Glied qnelte^ Mit xunehmender
Beife WQxde die Bolle, die idi meiner Yoistellnng nach im geadilecht-
liehen Verkehr spielte, immer Shnlichwr der des Weibea. Aber neben der
y oratelhmg wirklioher Begattung waren andere ebenso wirksam, oft nooh
wirkaamer. Dahin gehören die EiaetUaHo seminis in os, Coitus inUr
femoru, Oscula data ano toH^ue eorpoH. Vor allem aber machte aich
bei mir der Wunsch geltend, von dem ersehnten Manne geschlagen zu
werden, und zwar auf die Nates. Ich glaube, dass ich mir wirkliche
Mis^handlungen mit Wollust gefallen lassen würde. Mit der Zeit sind
diese VorstellTinp'en abgeschwächt und denen eines liebenden Weibes
ähnlicher geworden. Ich sehne mich nach der Begattung, weil ich darin
ein Zeichen der Liebe erblicken würde; aber der geschlechtliche Verkehr
würde, wenn ich freie Wahl hätte, nicht so reiner Natur bleiben. Auch
jebst noch würde ich glücklich bei der Eiaculatio in os sein, und ebenso
wfirden die Schläge zweifellos Samenerguss zur Folge haben.
, Gegen die anfregeoden Vontellongen dieser Art kann ich mr Not
ankämpfen, wahrend der Kampf gegen die Laidenaofaaft an rieh, die ach<m
dnnh das Znaammenaain mit dem Geliebten gereist wird, nnmSglich ial
Ich kenne nSmlich einen Herrn, mit dem ich ttfter geaeiUig aosammen
bin, nnd so dam mich eine leidenaöhalUicha liebe erftaat hat» ohne daaa
dieaer Mann, der hetercaeneH Teranlagt iat» eine Ahnnng davon hat
Der Schmers Aber die ewig Tenchmihte Liebe ist fiirehlbar und wohl
282
geeignet, zum Wahnstim zti treiben. Dann varmdlit man wohl, daroh
oTianistiiohe Baficiadignog sich Ruhe zu verschaffen, aber man sinkt da*
durch nur tiefer in der Selbstachtung und yerliert infolgedessen eine
Waffo im Kampfe gegen die Leidenschaft, die mit elementarer Gewalt
auftritt. Sie ist wohl deshalb so heftig, weil mnn in dem geliebten
Manne alles sucht, Liebe, Freandschaft, Vorbild und s nnliehp BeMedigung|
wilhrend das Weib sich mit einem Teile dieser Wünsche begnügt.
, Meine Rolle in meinen A ji. ti llunj?en ist stets passiv. Auch der
Gedanke an die FAaculatio in aimtn ist mir nicht fremd. Selbstver-
ständlich muss ich hierbei den passiven Teil bilden ; aber auch bei diesem
Akte beherrscht mich die Yorstellung, dass ich, mich zu diesem Akte
liingehend, dem geU«btni Hanne einen Gefallen thue.
.S&mflicha VontaUmigtti haben sieb bei mir ans «igeiMiii Antriebe,
fmbeeinfliusi dmeh Sofariften oder Yerffifanuig, entwickelt and sind nie
in die Wirklichkmt Tcrwandelt wwden, obwohl mir in nmner Jngend
einige Male die Yenmdrang nahte; aber ich hatte Widerwillen gegen die
befaraffenden Hlnner. In meinen THomen habe ieh selten mit sinnlinhen
Yoistellangan m Idbnpfen. In der Zeit bis som 18. Jahre haben mich
hier und da romantische Trftnme ?on erwiderter Liebe ohne ainnliefae
Beimischung erregL Jetzt leide ich an den Schmerzen tiefer, unerwiderter
Leidenschaft, die mich mitten im Schlafe anfiiohreofcen. Dabei qpftre ich
physische Schmerzen in der Herzgegend.
„Eine Erklärung f£Lr meine Abnormität habe ich nicht, obwohl ich
unendlich viel darüber gegrübelt habe. Es ist eine sklavische, bis zur
Auf^rubf' der Selbstachtung gehende ünterwürfi'j^lvp't unter den Willen des
Geliebten, die mit einer üppicfen, überreichen Phantasie Hand in Hand
geht Die Natur hat der Befriedigung des natürlichen Triebes durch
irgend ein geheimnisvolles Versehen den Weg verschlossen; deshalb dringt
die Phantasie auf immer neue Äusserungen des tierischen Triebes. Das
Schlimmste aber ist die leidenschaftliche Liebe, die Verstand und Hers
nnteijocht, die Eifersucht bis zum Wahnsinn entflammt und vergeblich
alle Krifte nun Kampfe anfrnft*
Sehr nng^fleklioh fDhlt mdi Patient darfiber, dass die homosanulle
Leidensöhsft im Volke so sehr Yeraohtet isi Er fthrt fort:
»loh eilhhre immer wieder von neaam, mit welchem beleidigenden
Yerdacbt man dieser seltsamen Form des Seelenlebens begegnet, die dnndi
ihre dementave Gewali nüdi immer mehr etsohreckt und tief unglücklieh
macht*
Billige dütetische Massrageln» die ioh dem Patienten bei der Kon-
snUalion Terordnet hatte, hatten nur Torfibergehenden Erfolg. Besondeis
aber hat es den Patienten ebenso wie liele andere sdur wohltfaitig berflhrt^
als er oftdir, dass er nicht allein an koatcirer Seiaalenqpfindmig leidet^
sondern dass er noch viele Leidenqgefthrten hai Er schreibt daraber:
BdipieL
283
all itt mn groassr TrmI^ durch Um YttmitUlinig sa witsto, dus ich
nicht lUein dastehe mit mdiMiii Jammer. Ea trigt sehr m wrimtt Be«
rahigang beif m wiaBen, daaa noch Tide andere an deraalbeii Krankheit
Von einem anderen Urning weiss ich, dass er nur dann sexuell
befriedigt wird, dass es nur dann bei ihm znm Samenerguss mit
Wollustgefühl kommt, wtau der Mann, mit dem er zusammen verkehrt,
ihn mit einer Bürste auf dem Rückt n bluti? reibt; weun dieser Akt
fehlt, so erfolgt bei ihm keine Befriedigung. Auch sonst sind einzelne
ähnliche Beobachtungen reröffentiicht worden. G. Frank Lydston*)
erwähnt den Fall eines Mannes, der bei hefti<»en Schlägen auf die
Naies dann sexuell erregt wird, wenn ihm diese Schläge von niedrigen,
«dimutzigfen Subjekten gegeben werden.
Ich erwähnte bereits, dass nach Erafft-Ebing der Fussfetischis-
mus oft nur ein Urvierter Masochismus ist Das gleichzeitige Vor-
kommen dieser Abnomiitäten bei einem HomoeexaeUen zeigt der
folgende Fall:
18. Fall X., 35 Jahre alt, Beamter. Äusserer Habitus und die
Gewohnbeiten dee Patienten abd dondbana minnHdL In adnem Bemf
aeigt er riemliobe Energie. Xr Mdet aber an aehwerer Nenraatbenie, an
binfigan AnftUen Ton Melanofaolie imd Ihediim vitae. Ferner iat er
bftnig Ton Zwangaroratelhmgen geqolli Ein Brader dea Yeteva iat
bemoBenielL Smiat iat niehta BelMtendea naehwaiabar.
X hatte bernta im 7. Jabre Anwandinngen Ton wdnldeten Qonlen,
ohne daas aemea Wlaaena ngend eine ftoaaere Einwiricnng, etvra dnroh
H&rchen oder dwgleiehen torbanden geweaen wtoe. Er Mb aicb ein-
gekerkert, Yon grimmigen Minnem mit eisernen Stangen geschlagen, nnd
ähnlichen Spuk. Bald trieb er anch eine Art Onanie, ohne aber dabei
iigmd welche sexuelle Vorstellungen zu haben; sie bestand im Anlehnen
seines Membrum an einen Kasten, Stuhl oder Tisch. Zuerst daranf ge-
kommon ist X., wie er glaubt, dadurch, dass er eine gewisse angenehme
Kinpfinciung hatte, wenn er sich im Bett auf den Bauch Ip^rtp; von Ver-
führung sei keine Spur gewesen. Jeder denkbare scbädliclip Kmfluss war
auch, wie er glaubt, von ihm weit entfernt, und bis in sein Lebens-
jahr, wo er in die Schule kam, hatte er kaum mit jemand anders ver-
kehrt. Den Angehörigen des X. fiel es bald auf, dass er sich in so
aut'falleuder Weise mitunter mit dem Membrum an einen Tisch anlehnte
und hierbei Friktionen machte. Er wurde dafitr iiioht aelien gestraft,
- ) £rwähut in Alienist and Neurologiat, April 1891^ von Kieraan: Psycho-
284
Beiipi«!.
goaehlagen, aber nie auf die Notes i aaefa hat er dergleichen nie mit
angeaehen.
X. kam mit 10 Jahren in die Sohule. Er blieb hier in sexueller
Hioflieht laDge gant neutral, obzwar lieh ein Ifitsohüler in ihn yerliebte.
Aber auf einer kleinen Gtobirgsreise, wo er einen Esel ritt, gab ihm
der hflbsohe £8e||ange einen unauslöschlichen Eindrook. Häufig träumte
X. von ihm, und er sah ihn in seinen Armen. „Eine neue Welt schien
mir aufgegangen.* Dieses Bild wurde durch ein anderes abgelöst, als
X. gelegentlich mit seineu Eltern in einer anderen Familie einen Besuch
machte und hierbei einen anmutigen Knaben aus guter Gesellschaft kennen
lernte. X. brachte einen halben Tag mit ihm zu und verzehrte sich
nachher in Liebessehnsucht nach ihm. Er schümte sich aber bald dieses
GeluhL> und gab acht, es nicht zu verraten. Koch mehr aber trat dieses
Gefühl bei X. auf, als sein neuer Freund in dieselbe Schule kam wie er
selbst und er ihn häufiger sah. Da befiel den X. «in kleiner Anftll Ton
SaditnraB. Er sehlug und kneipte den Knaben, ao dasa dieser ihn tOx
einen abBo1ien]idie& Menaeliett hielt »Wie konnte er ahnen, daas es ana
Liebe geschakl 80 sentOrte ich mir aelbit mein GUk^." Bald verUebte
sich X. in einen andon Ibaben, wid er benahm sieh fortan Terstlnd^fer.
Nie hatte er aber snoiefast eine Ahnung, dasa hei seiner Neigung ein
sexnelles Moment mitspielen kltone. Auch ton seiner Onanie^ die er
forttrieh, nar ihm nur donkel bewnasti daas es imredht sei Er hat bis
nun 17. Jahre diesen Oegenstand unter Kameraden oder sonstwie nie
erOrtezo gehOrt
Bereits im 18. Jahre des Z. aeigte sieh tum ersten Ible ^jakulaltoD.
Er wunderte sich sehr darfiber und glaubte lange, er sei der einzige
Mensch in der Welt, dem so etwas passiere. Endlich fielen ihm Bücher
in die Hand, und er wurde darüber an%eklart. Vorstellungen bei dar
Onanie (Ejakulation hat X. immer nur durch die bezeichneten Muii*
pnlationen, niemals durch Friktionen mit seiner Hand hei*vorgerufen)
traten nun auf und wurden ausschliesslich masochistischer Natur. Das
Leitmotiv war dabei die Idee eim^s Lehrjungen, der vom Meister oder
Gesellen misshaiideit wird. Mitwirkte dabei, dass in der Stadt, wo X.
lebte, solche „patriarchalische Zustände" unter den Handwerkern ge-
wöhnlich waren und oft erörteil wurden. X. stellt« sich nun immer vor,
dass er als Lehrjuiige oder auch als Schiffsjunge zu den schmutzigsten
Arbeiten gezwungen werde, dass er oft mit Hunger, Prügel, Einsperrung
mit Fesselung gestraft nnd genötigt wflrde, in der dflrftigBten Kleidung,
bsrfusa lu gehen. Geschichten und gelegontliohe Berichte, wo derartiges
thatsftddioh Torkam,' steigerten diese TonteUungen«
Was das erwähnte Barftusgehen helrilit, so sj^elte ein Fossfistiaehismus
stark mit Am Knaben und Jüngling war und ist dem X das liebste
der nackte Fuss. Der Anblick schon kami ihm Erektion Yerunachen.
285
Der sduBnIugBto Junge ist ihm mterenant^ wenn er btrfim gebt Da-
gegen imd ihm bei gereiften Mlnnem und bei Weibern blosse Ffisse in*
different, wenn nicht zuwider, ebenao auch bei kleinen Knaben« Man
sieht hier, wie eng dieser Fetischismiis an das Geschlechtliche geknüpft
ist. Nur gesehleohtareifa^ aber noch anbärtige Jünglinge können den X-
sexuell erregen, und nur von diesen liebt er, den blossen Fuss zu sehen;
nur mhhp wünscht er in seinen Phantasien zu Zengen oder Ezekntoren
seiner Erniedrigung.
X. hielt seine Lehrjungenideen für nart-ellpn Wahnsinn nnd hielt
sich für das einzige Wesen in der VS'elt, das so beschaft'en sei. Keine
Vernunftidee kouiite ihm etwas helfen. Die Sehnsucht nach Scenen, wie
die beschriebenen, war unwiderstehlich; trotz aller Selbstverachtung führten
sie den X. injuiei wieder zeitweife zur Befriedigung durch die Onanie,
und an& neue wurde seine Leidenschaft andererseits durch den Anblick
barflanger Jungen genihrt.
Li seinem 22. Jahre gab dem X. ein Wechsel in der Lebensweise
Teienlaesong, sieh dnrdh ftnsserste Selbsfeilberwuidang mehr als ein halbes
Jahr der Onanie an enthalten. Aber er kcmnte eioli in dieser Zeit der
geistigen Onanie mcbt enrehren. Ideen von «rdaldet«i Sehmeisen kamen
bei X in der Naebt) und seUiesslieb begann aach wieder die firfibere
Onanie. Ecst 6. Jahre spftter konnte X. wiederam dieselbe Abstinens
dnrehaetMn.
Loh 28. Jahre erftdur X. Midlieh bei uner üniTenitBtsTorlesang die
Wslnlieit ikber seumi sexneUen Zustand. Bis dshin hatte er wobl ton
Fiderastie Temommen und gelesen, aber nie dergleichen anf aich beaogen,
obwohl er, wenn ea die Gelegenheit mOgUoh maehte, bereits mehrfach
mit Knaben, die er liebte, zusammen geschlafen hatte. Nie war ihm der
Oedanke an eine seznelle Bofriedignng mit Knaben in einem konkreten
Falle gek(munen. Er fühlte immer nur eine Art Leere, eine Sehnsucht
nach einem unbestimmten Etwas. Diese Sehnsuclit suchte er durch er-
zwungene Gedanken an Mildchen zu stillen. Da öffnete ihm, wie erwShnt,
eine Universitätsvorlesung die Augen. Er hört« zum ersten Male, dass
HS kontrür ScTiT^lle jyf^be, und dass deren Zustand vielleicht ein Unglück,
aber kein Verbrechen sei. Als X. nun so seine Natur erkannte, strebte
er danach, ihrem gebieterischen Drange Genüge zu thun. Er hätte damals
oft Gelegenheit dazu gefunden; aber er wusste doch nicht recht, wie.
Den Verkehr zwischen Homosexuellen hatte er sich immer nur unter dein
gewöhnlichen Begriff der Päderastie vorgestellt, die ihm jedoch zuwider
war. Es erschien ihm zuwider, jemand einen solchen Dienst znxomnten.
,HUte ich gewnsst, dass die Beftiedigong mpraan anch dnroh eine Art
Beisdilaf stattfindet in mindestens ebenso Istbetischw Welse wie beim
ncnnslen Koitos, so wBre ich Fener nnd Flamme ftr die Ansttbong
meiner Katnrreehte geworden.* 8o aber gab nun X. die HoAnong auf
280
normale Befriedigung auf und suchte immer mehr Ersats in masocliistiBcben
Orgien, wobei er zur Selbstflag«Uatioii gelangte. Dann machte X. den
Versuch, diese Leidenschaft los zu werden, und zwar durch tan m halber
Verzweiflung unternommenes Experiment im Bordell mit einer Puella;
aher er betrachtete diesen ganzen Akt, der völlig miss^lückte, von anfang
an nnr ,alR eine anständige Art von Onanie*. Die Erektion blieb voll-
kommen aus, obwohl nicht gerade Horror vorhanden war. Etwas später
fand X. endlich einen Freund, Y.. auf dessen Verschwiegenheit er baute,
und er brachte es zum ersten Mal> I rtig, ihm einen Antrag zu machen.
t)aH Ivesultat war, dubs V. des X. Zustund mit Tiiiautu bekiagLe, aber
Beine Bitte um masochistische Befriedigung abschlug. X. war mehr be>
Mhlmb ak m^lficklioh. Indstseu wurde «r dock k«ok«r «od bei guter
Gelegenheit wandte er sich an einen Freund, der ihn aber mit Hohn ab-
wies. Der ICaaoohiamiia nahm unterdeesea bei X. immer mehr in. «loh
glaube, ieh wlve gdieilt w<Mrdeii, wenn es nur an einer aeitweisen Ver-
«urUiehuDg meiner Trftana bitte kommen IcOnneo.* IL meint anob, es
wise das gar niebt so unmöglich gewesen. Aber es fehlte ihm dar Mut
an einer daranf abiielenden üntemehmiuig. SoUiesslicdi wnxde die innere
ünsofriedenheit nnd Bnegung so mitrtifiglioh, dass X. sich seinem ersten
Freunde^ T., noch einmal näherte und ihn dazu brachte, eine Komödie
mit ihm SU spielen, in der X. als der misshandclte Lehrjunge figurierte.
Die Scene wurde in den nächsten Jahren noch öfter wiederholt, aber
ohne Erfolg. Dem Y. war die Sache begreiflicher Weise zuwider. Er
war auch zu weichherzig, den X. wirklich zu schlagen, und er musste
von diesem immer von neuem angegangen werden, es wirklich zu Ihun.
X- erklärt hierzu: , Überhaupt muss ich die Ansichten anderer Patienten
bestätigen, dass Betnedigung nur möglich ist, wenn der aktive Teil die
Misshandlung mit Lust vollführt. Übrigens bilde ich mir ein, dass, wenn
mich ein Li'idensgenosse zu solcher Rolle aufforderte, ich sie gewisser-
massen als Arzi mit Selbstüberwindung duicbtühren würde, eben weil
mir die Stärke des venmlassenden Dranges bekannt ist, und ick getraue
ioix zu, den Betrtffsnden in kurieren.*
Noch einmal hat X. die Gelegenheit wahrgenommen, einen anderen
jungen Mann sich zu Willen zu machen. Er versuchte mit ihm die
Päderi^tie, aber es erfolgte Ejakulation erst mit Zuhilfenahme der Lehr-
jungenideen. Diese verfolgen den X. immer noch in anregelmässigen
Perioden, gans betiiibond manchmal, wswi er a3k«»bo]isehe OefaADke an
sich genommen hat und bei grosser Biiic, nnd besondcra bewirkt bei
ihm der Anblick eines baxfilssigan Jungen Erektion. Die besten Yorsitae^
der jeist wiJcbentiioh migefthr ein- bis sweimal an^^eftthrten Onanie an
entaagen, schtttem an der Unmöglichkeit des X.t seinem Bamf Simst nach-
sngehen. Er kann sich nnr anf diese Weise aeitweilig von seinen Ideen,
geknechtet an sein, befireicn. Warn X. sich befriedigt hat| wobei er stets
Nfliguiig sa ekeUiaftra Akten.
287
Schuhe und Strümpfe ablegen inuss, nm sich etwas in die Scene hinein'
zuversetzen, so zeigt sich häufig eine gewisse lieruliigung in seinen Ge-
danken. Znr Anstachehing seiner Libido malt sich X. nait einer Phantasie,
die eines bessereu Zweckes würdig wäre, immer neue Scenen ans; ja, es
kommt zu noyelllstischen und dramatischen ÄDSiltzeu der Feder, die er
nach erfolgter Befriedigung ans Scham vernichtot. Doch sind diese Ge-
fühle unabhängig von der echten ürningsliebe, die es ihm anthat, wenn
er mit einem hübschen, strammen Jangen, besonders aus der Arbeiter-
klasse, »n samm enkommt. Nur mUmi ist übrigens X hierbei sofort ver-
Ikbt Oft dMurt «b Wooh«iif bis die Sympatlde enraoht, nnd Üb daliin
hat «r immer heransgefanden, ob der Betreffende OhacBlrter bentat Wenn
«r markti daas der Betreffende denen entbehrt» so fttblt er dch aofort
abgestoaaen. X. bttt beBondera Mush anf Belnliebkeit; ftUer Atem lud
ihnliehee levBUIrt ihm Bofort jede DlnBioiL Er habe aohon, da er hiennif
grOBaan Wert legt| für maaeben platomsdh Oeliebteo den Zahnant besahli
Auch andere Akte glaubt Krafft-Kbing auf den Masochismns
zuröckführcTi zu müssen, und besonders meint er,') dass gewisse ekel-
hafte ii indlungcn in dem Wunsche der Selbsterniedrigung und der
Demütigung dem andern gegenüber ihre Quelle haben. Das Ekel-
hafteste, was mir von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, besteht darin,
dass ein auswärtiger Urning von dem Wunsche beseelt ist, asciäa
applicare ad anum alieritts. Es kommt bei diesem bereits in den
50 er Jahren stehenden Urning während dieses Aktes zur Erektion
und Ejakulation. Von anderer Seite werden mir nooh gani analoge
F&Ue berichtet
Ebenso wie es Männer giebt, die seineUe Neignng nun Weibe
nigeD, aber Befriedigung nur dann finden, si «rmom muÜens
M&NNit so giebt es anoh gelegentiieh einen Üniing, der nnr dann
seinell befriedigt wiid, s> äUer mmiitU wrkiam m 09 proprkmk
Dieser ekelhafte Akt Tennag bei dem Betreffenden Sameneignss herrop-
znbringen.
Es sind in der Litteratur öfter Fälle von sonderbaren Neigungen
des Appetits veröffentlicht worden, die man als Pica bezeichnet;
njitunter sind sie auf den Genuss ekelhafter Dinge, selbst von Kot,
gerichtet. Solche Fälle sind u. a. beschrieben von Tb. Clemens,*) der
R v. Krafft-EbinR: Psijchopaihia sexualis, mit besonderur Berück-
sichtigUDg der konträren Sexnalernpündoog. £ine kÜDisch-forensische Stadie.
9. Auflege. 8tatl«vi 18BI. & 188£
- ) Tb. Gl e mens: Eine efgmitfiiiiliahe Fonn tun Fioa. Deateohe Mediabial^
aeknng. Ifli AprU 1688. Nr. 18. 4 Jaktgaag. 8. 205.
288
sie mit der Padeiaitie veigleieht, und Ton Otto Soltmann,*) der
AhnÜGbeB aohon bei einem vieqUiiigeii Enabeiit giii tdU proprias
faeeeBt beobachtete. Ich halte es keineswegs fOr sicher, ja selbst nieht
fOr wahrscheinlich» dass es sich hierbei immer nm sexaelle Voiginge
handelt, glanbe vielmehr, dass oft abnoime and krsnkhafte Bcgungen
des Ai^petits vorliegen. Dsss man aber oft genug nieht In der Lage
ist^ mit Sieherhelt ein Urteil darüber absngeben, ob eine Perrenlim
der Libido seacualia oder des Kabrongstriebes vorliegt, mfige ans der
AnsseniDg von Weikard*) hemrgebeiit der zur Piea einselner
schwangerer Fraaen die Sehnsucht rechnet, einem schönen Mann ein
Stück aus dem Schenkel zu beissen. Über die Kombination von
Hungergefühlen mit dem Geschlechtstrieb beim Luslmurii mil Antliro-
pophagie spricht auch Flechsig.*)
Im Gegensatz zu den Perversiouen des Appetits und gewissen
zweifelhaften Fällen bietet der folgende ganz deutlich das sexuelle
Element dar, und zwar gleichzeitig mit homosexueüem Triebe.
19. Fall. X-, Gatsbesitzer, 38 Jahr alt. Patient ist erblich sehr
stark belastet. Der eine QxoasTater starb aa einer Geisteskrankheit; ein
Bruder dieses Grossvaters war in der ganzen Familie bekannt, weil er
mit Vorliebe auch noch im vorgeschrittenen Alter Strümpfe strickte. Der
Bruder der Grossmutter vättirlicherseits war geisteskrank ; seine 1 Kinder
sind teils geisteskrank, teils haben sie dorch Selbstmord r?eendet. Die
Eltern und deren sämtliclic Geschwister haben leicht erregbares Temperament.
Die Mutter litt viel an Schlaflosigkeit Die Ehe der Eltern ist muster-
l^ltifj. Der Vater des X. hat sich sehr nm die Erziehung seiner Kinder
g(>kummert Ein älterer JJruder des X. ist, wie er glaubt, gleichfalls
homosexuell^ er ist sehr eitel und hat viel weibische Eigenschaften, tr>
mit Yoilieb« lange Str&mpfe wie em Wab. Der Yater des X. ist, wie
dieser selbst und alle seine Brflder ansserordentliaii selisinhaA. X. hebt
a. B. hervor, dass, wenn a mit semen BrAdem das Seblafaimmer teilte
ndi jeder geniert^ sich bei Lioht sn eatklmdeii, dass aber die Sehamhaflag»
keit gerade gegsoAber den Brftdcni, nioht aber gsgmfiber den Schwestem
- ) Otto SoltMann: 45. Jahresberldit der statioottren Klinik imd Foliklimk
des Wilhelm- Aagnsta-Hospitals in Brealan nebst klinischen Bemerkungen. Nach
oincm Referat in der Deotschea Medisiiudieitung vom 5. April 1883. 4. Jabrgaag.
Nr. 14. S. 188.
- ) IL A. Woikard: FhOoBopliiflche Aizenejkunst oder TW Gehreohen der
Sensationen, des Verstandes und däa WiUeiiB (ft. Band vom philosophisohea Ant).
ftankfurt a. M. 1709. S. 134.
•) Paul Flechsig: Gehirn und Seele. Rede gehalten am 31. Oktober 1894
Id der Universitätskuche zu Leipzig. Zweite vorbereite, mit Aomerkaogeu oiid
fiiuf Tafeln Teneheae Augabe. Leipzig 1896w & 108 £
289
beobachtet wird. Der cino Braclcr macht floissig Handarbeiten, stickt und
hSkelt. Eine Schwester dos X i?t liomosexiiell ; sie hat fin VorhiiUnis
mit ihrfr früheren Gonvernaatc, die eir^en sehr milnnlichen Eindruck
macht. Die Gouvernante und die Schwester küssen sich sehr hüuiig, aber,
wie X. genau weis.s, immer nur, wenn der Ehemann der Schwestor, die
seit drei Jahren verheiratet ist, nicUL anwesend ist.
Im Alter von 3 und 4 Jahren hat X., wenn er sah, dass sein Vater
Urin lassen wollte, häutig die Gelegenheit benutzt, dessen Genitalien
zu sehen. X. erwähnt, dass ilim das Gleiche von einem dreijährigen
Engländer, dessen Vater Urning ist, bekannt ist D«r dreijährige Junge
l&oft hiufig ra seiiur Hnttor und sdbreit: ^1 wami to see my papa's . . . .*
X* lut b«rwtB im Alter TOn 5 Jahren Erektioneii gehabt Im Alter toh
7 bis 8 JahMn sndhte er aeine damala 5 Jahre alte Sohweater an ver-
anlaaaeB, membrum mum in os suadjpere; das (hat aie jedoch nidit.
Im Alter toh 9 Jahren hatte X. sehr hefläge imd hinfige Srehlioneii in
«ner* Badeaiiatalt bdm Anbliek dw Genitalien aweier llteren Henen.
Sdion vorher hatte er Teraiifiiht, ala «in Freund dea Vateraf mit dem er
in demselben Zimmer schlief, in der Familie anwesend war, deaaen
Genitalien zu sehen. Wenn dieser Freund sich anskleidete, aoh wusch,
pflegte X. mit Vorliebe, wie ganz unabsichUioh, auf dem Boden zu spielen
und zu knieen, während er in Wirklichkeit nur nach den Genitalien hinsah.
Sonderbar ist, dass X., der sehr hBufig Gele^rpnheit ^fohabt hätt«, im
Geschäft seines Vaters die Genitulien von ArbLitcru zu sehen, nie eine
Gelegenheit aufsuchte, dies zu thun. Er empfand nie das Bedürfnis
dazu, obwohl gerade diese Leute sich nicht geniert hätten; hier wäre es
ihm am leichtesten möglich gewesen. Indessen hatte X. trotzdem eine
hüchgradige sexuelle Erregung, ^uando hos hamines foriuUo urinam
reddentcs vidit.
X. kam im Alter von 9 Jahren auf «ine liealschuie, nachdem pr bis
dahin zu Hause von einer Erzieherin unterrichtet worden war. Er war
damals noch sehr schwächlich uud lüiufig leidend. Er sollte eines Tages
iJlein in seinem Zimmer schlafen; er bat damals einen anderen Pensionär
Y., to bestm Turner des GjmoasiQma, der 14 Jahr alt und sehr wfld war,
bei ihm in schlalin. Beide sebliefen snaammen in demaelben Zimmer, und
als der Höingen kam, begab sidi T. in des X. Bett, um ihm dies nnd jenes
an enfthloi. Wie es mm kam, weiss X. nioht; plOtslidi hatten beide
IdCftige Erektion, und Y. forderte jetst den X. aof, Mt eomodo sueeumbai
quo yue (Y) m$ubnm immUtere po88U. Das gelang jedoeh nieht
Dscanf wurde X. Ton Y. snfgefordert, bei ihm dasselbe so thu. X. Ter-
suohte es, hatte aber gar keinen Genuss daran. Obwohl X. bis heute
sehr häufig aufgefordert wurde, aktive und passive PBderastie aossnflben,
so konnte ihn trotzdem niemand mehr dasa verfOhren.
11 Jahr alt, begann X. an onanieren, nachdem einige Mitschfiler es
Moll, Xoiitr. SedMlmplIadaiif.
290
bereift mAmn Jahre Torher geUuui und ibn bis dahin vwgebfns tu
Y«rf&hten Yemudit hatteiL Im Alter tob 18 Jabren bohrte er mnea
Tages dorcfa die Holswaad des BadeaiiBiiLers era Looh, um seinen eigenen
Vater beim Baden m beobachten nnd hierbei sdne Oonitaiien m sehen.
X. hatte dnmuk andh (SMegenheit, dem Koitus eines liieren Mannes zu-
xnsehen. Der Vorgang erregte ihn gar nicht, hingegen trat heftige Er«
regnng in dem Angeahlick ein, als er die Genitalien dieses Mannes sah.
,Ich wusste alles immer so schlau einzurichten, dass ich niemals ertappt
wnrdc: ifh wussf^' ja, diiss ich Tinrecht that.* Auch der Anblick der
Genitalien männlicher Tiere regio dcu X. auf, Tind dies ist auch heute
noch der Fall, desgleichen die Genitalien an Skuipiuren.
X., der in der Schule zwar nicht sehr fleissi«;, aber einer der bu-
gabt«äten Schüler gewesen war und besonders in der Mathematik Tüch-
tiges geleistet hatte, verliess im Alter von 17 Jahren die Schule. Er
kam als Volontär aufs Land, und hier verLiobte er sich in den Guts-
inspektor; er hat es ihm jedoch nie gezeigt. Er masturbierte jetzt häufig
und besonders gab er sidi der geistigen Onanie hin.
In Alter Ton 18*/s Jahren wollte er den ersten Koitos ausüben,
der aber, obsobon er es immer wied«* Teisaditei misslang. Darauf
stellte sich X. tot, dass er in den Armw jenes Gntsinspelctors liege, er
stellte sich dessen OenitaHen tot, und sofort traten heftige Erektionen
ein. 8ed guandoeunque membnm infnditeere eaneAaiw, ereetio
eesaU, Der Vorgang Terorsaobte bei X Oe!Bbl von Ekel, dss noeb
einige Tage anhielt. Nach dem Vocgsng wurde ihm ra«nt gans Uar,
dass er wohl anders geartdt sei als andere Hknner, dsss er xa einer
Kategorie von Menschen gehöre, die verspottet und verachtet werden.
Es trat Lebensüberdruss ein. X. bradi jeden Verkehr ab und lebte
allein für sich hin. Er wurde ruhiger und stiller, und nur in seinem
Beruf sprach er das Notwendigste; den Angehörigen fiel dieses Wesen
des X. auf, und sie p:aben ihn nun in ein grösseres Geschäft. Hier ver-
lieht -^ich in den Geschäftsinhaber, cinrn bereits bejahrten, alten Herrn
mit grauem Bart, der von des X. Leidenschaft nie etwas merkte. Nach
Verlauf eines Jahres vorliess X. dieses Geschäft, um sich beim Militär
zu stellen, er suchte dies aber so lange wie möglich hinauszuziehen, da
er jedes Mal befürchtete, dass er bei der Stellung Erektion haben köimte,
wenn er andere nackte Leute silhe.
Nachdem er für unbrauchbar erklilrt worden war, entschloss er sich
ganz plötzlich, nach Afrika zu gehen, weil er annahm, dass dort die
M&nner nackt gingen. Er kehrte aber nach einiger Zeit wieder nach
Europa snrfick und bauchte das Gut, auf dem er zuerst gewesen war.
Hier unterhielt er sieb lange Uber den betrcflinidia Gulsinspektor. Bei
dieser Oelegenbeit bOrte er sa seiner Übeirswdnng, dass der Oats*
mspoktor» in den er sich firUbar Yarliebt bette, Üming sei, und dass er
Beisiüel.
291
wegen seines homosexiiollen Verkehrs für geisteskrank erklärt worden
sei und sich im Irrenhaus befinde. X. wechselte jetzt sehr hanfig seine
Beschäftigung. Er trieb fortwährend Masturbation und ergab sich auch
witireim dem Trank. Bei der Masturbation stellie er rieh immer vor,
er hatte «aoi geliebten Maua in aeiam AzBHm imd Keblcoite iho, er
besähe mid betaste dessen Oenitelien. Nie veisetste sidi X. in die passiTe
Bdle, dass jemand das bei ihm thftte.
Eines Tages, als sich X., 27 Jahre alt, in einem Pensionat beiand,
encdiien dort ein neuer Pendonär, ein iltem, distinguiert aussehender
Herr mit kahlem Kopf ond gnman Vollbart» 67 Jahr alt »Ihn sehen
und mioh rasend in ihn ▼erlieben war eins. Anf den Strassen lief ich
ihm naeh wie ein Hnnd. loh hatte niemals Gelegenheit, ihn aninsprechea;
idi hatte es wohl aneh gar nidit gewagt Wir waren Zimmeniachbani.
Des Kaohts konnte ieh nidit schlafen; immer mnsste ioh an ihn denken.
Ich hatte einen förmlichen Heisshunger danadi, seine Genitalien sa kSasen;
mehr wollte idi von ihm nicht Ein Magenleiden stellte sich, vielleicht
dnroh Zufall, zu jener Zeit ein. Mich widerte alles Essen an. Ass idi
etwas, so brach ich es wieder ans. loh zog fort ans dem Hause und
dachte, ich würde den Mann vergessen. Schon vorher hatte ioh oft
versucht, meine Leidenschaft dadurch zu stillen, dass ich sein "Wasch-
wasser nfffue urlnam hihi. Auch Haare aus seiner Haarbürste habe ich
genommen und gegessen. Das Fortziehen half nichts. Als ich nach
drei Wochen mehr tot als lebendig war, entschloss ich mich, dem Zu-
stand dadurch ein Endo zu machen, dass ich ihm folgendes schrieb: ich
wäre krank, ich müsste umkommen, und er wäre der einzige Mann,
der im stände v,are, mich zu kurieren, und zwar dadurch, dass er mir
urinam suam daret, ut cam bihere jmsein. Ich würde ihn dafür be-
xaUen, wenn er es verlangte. Ich wollte ja noch mehr von ihm; aber
das wagte ioh nicht, xa schreiben. Mein Brief war anonym. Ich bat
ihn nm eine Znsammenknnft an einem bestimmten Fiats. I>er Hiann, Y.,
erschien pflnktHdi; «r sagte mir, es sei etwas BigentOmliches, am
was ich ihn bttte; «r wflxde jedodi gern meinen Wnnsch erflUlen, wenn
er mir dadurch kelffni kOnnte. Idi gestand ihm dann etwas qiitw, dass
«r mir uor dann nütsen wflrde, wenn «r mir t» <w meum urinam «ni>
miiterti. Er erklärte, er wolle es Tenmoben, er glaube jedoch nicht,
dass er es kOnne; denn er würde wohl dabei Erektion und Ijjaknlation
haben. Ich dachte: tun so hesser; denn das war es jn, v-a^ kh wollte,
nnd ich bat ihn, es zu probieren. Er kam mit mir auf mein Zimmor
und erklärte mir dort, dass er zuerst versuchen würde, mich durch
leichtes Streicheln meiner Haare gesund zu machen. Das machte er auch,
ich wurde aber nur noch mehr erregt. Ich !?ank ihm zu Füssen, nperui
eins hracas atque eins menttdam in os meum siiscepi. Eiaadatione
facta semen viri demram. Der Mann sagte, dass er mich am
19*
292
Beispiel.
iddisleiL Tage wieder besnohen würde, nm diese eigentilinli<die Sadie
weiter m. bespredien.* X. konnte den nlkdisten Ttg kanm wwaxten
und schlief nur wenige Stunden des Neohts. Am nächsten Tage trafen
eich Ix'ide und unierhielten sidi über sexuelle Dinge, ohne einen Akt
anSKuföhren. Kech etw* 3 Tagen fragte der andere, Y., den X., ob denn
das, was er vor einigen Tagen gethan hätte, wirklich so schön sei; dann
mochte er es selbst einmal vprsuchen. X. dachte sich dabei weiter gar
nichts. Er f;!;laubt<^ immer noch nicht, dass Y. homosexuell sei. Sed lue
semeti alterius in os proprium immifti noluit. Um noch mehr zu-
sammen zu seio, beschlossen beide, zusammön zu wohnen. Dor neue
Freund des X. war eifersüchtig, er glaubte dem X. auch nicht, dass
er dessen erstes , Verhältnis** wilre, obwohl er «u Misstratien gar
keinen Grund hatte; X. erhielt von dem andern den Beinamen Vampyr,
der ihm den letzten Tropfen Lebenskraft aussauge, und wurde dann vou
ihm selir acUecht behandelt T. schlug den Z. Als T. einmal hatten
woUtCi dass X. maitbnm «mm fdHaret, leimte X. dies ab. T. sookte
den X. nun aof alle mOglidie Art und Weise wieder anftuegen ond au
TeriQkren. Nach einiger Zeit mnsate X. verreisen, und er bekam dann
^ jeden Tag einen Liebesbrief. X. sollte wieder sn setnem Freimde snrttck»
kehren, der ohne ihn nidit leben kOnne. Er hatte aber Torher schon
durch T. indirekt neue Bekanntschaften gemachb T. war nSmlidi hiafig
allein aasgegangeo, nnd X. war ihm dann oft gefolgt. Hierbei entdeckte
X. verschiedene Plätze, auf denen sich andere Homoseraelle henimtrieben.
Er sah hierbei auch, dass Y. ihm durchaus nicht treu gewesen war, dass
er vielmehr mit mehreren jnngfm Menschen von 16 bis 18 Jahren homo-
sexuell verkehrte. X. machte auf diese Weise die Bekanntschaft eines
andern Herrn, und es entwickelte sich ein ernstes Liebesverhültnis zwischen
beiden. Der andere war ebenen Fflhdor wie X. Beide küsst- n sich
leidenschaftlich ab, und X. wurde hierbei schnell in einen raoschähnlichen
Zustand versetzt.
X. hatte nur diese beiden, im übrigen, wie er meint, sehr ehren-
wnrton Männfr kennen gelernt. Er fing aber bald an, «ich seines Treibens
zu schämen; er konnte keinem Menschen mehr ins Gesiebt seben und
glaubte, jeder sähe ihm seine Homosexualitiit an. X. wollte deshalb
gern seinen Wohnort verlassen, that dies aber nicht Nunmehr aber
machte X., der unterdessen das 30. Lebensjahr erreicht hatte, Bekannt-
schaften mit den verschiedensten Leuten. Besonders lernte er eines
Abends in einem Konzert einen Hen-n kennen, der den grösstcn Eindruck
Ton allen auf ihn gemacht hat Es war ein grosser, sehr schlank ge<
waehsener Herr im Alter Ton 65 Jahren, mit weissem Tollbart» Kahlkopf
ond geigentttmlioh fttrohterlidien Angen*. Der n«ae Frennd, Z., war
für X das Ideal, wfihrend Z. in den Augen anderer ftr abaohreokend
hisslioh galt nnd man ihn das Blanbarigeaicht nannte. Auch Z. ist homo-
Tiirf«|pirf.,
293
sexuell. Jedesmal wenn X. sich ihm näherte, wurde Z. grob. Wenn X.
sich aber ihm nicht näherte, kam Z. zu ihm. X. kann sich das Benehmen
dee Mannes aach heute noch nicht erklftren. Vielleicht habe er einmal
«änen Ttonnd des Z. beleidigt und dieser habe sich durch grobes Be-
nehmen dafür rächen wollen. Z. suchte nber auch dem X {gegenüber
zu verbergen, dass er homosexuell sei. Kr f^laubte, dass X. es nicht
wisse, wiihrend dieser es bald genug erfuhr. Eines Tages, als X. dem
Manne nachgolautt n war, drohte dieser ihm mit der Polizei, wenn er ihn
nicht in Buhe hesse. Während der ganzen Zeit, wo er dem Z. nachlief,
konnte X. mit keinem andern Manne sexuell verkehren, obwohl er sehr
bedürftig war. Eines Tages inucbte X. die Ijekuautachaft eines andern
Urnings, ujit dem er sich über Z. aussprach. Dieser neue Freund des
X. wollte den Z. nun unschädlich machen, indem er ihn der Poliaei an*
Beige, um iha tmi Geföngnis za bmgen nnd aidi dadordi den X. aUein
SU ezlialten. X. lunderte den andern daran, indem er erklärte, dass allee,
was gegen Z. ontnnommen wQrde, andh gegen üm selbst nntemommen
wflrde.
Nadh einiger Zeit wmde X. krank. Sein NerrenflQrstem war, wie er
meint, dmreh die fortwährenden sexuellen Aufregungen der lotsten Jahre
▼ollstittdig seirütfcet; sein Gedächtnis wurde scbwftdier. Alle möglichen
Uittel mnsste er anwenden. Dennoch hat er ununterbrochen die If astnr-
balioo im stlrksten Masse fortgesetat Er wollte dch die OireumGinon
madien lassen, um sich von der UastorbatiMi au befreien, unterliess es
aber, da ihm geasgt wurde, daas es gar keinen Zweck hätte. Immer
wieder kehrte er zu massloser Masturbation zurück, die ihm den grOssten
Genuss bereitete, viel mehr GenusB, als er je in dem htmiosexuellen Ver-
kehr gefunden hatte.
X. giebt noch als besondere Axt seiner Neig^g Folgendes an. Er
wird nur von Männern der besseren Stände sexuell erregt Sie müssen
einen Vollbart haben, der entweder graumeliert oder ganz grau oder
weiss ist. Ihr Gesicht muss intelligent sein. Die Genitalien eines solchen
Siteren Mannes sind für ihn immer sohÖn, ob sie gross oder klein, ob
sie erektionsfUhig sind oder nicht.
X. fühlt solchen Münnem gegenüber auch vollständig raasockistisch.
Er möchte der Sklave eines solchen Mannes sein. Er ist beim Anblick
derartiger Muaner oft wie gelähmt, so dass er nicht sprechen und da-
durch nicht mit ihnen bekannt werden kann. Er fühlt sich übrigens
heute als Urning durchaus nicht unglücklich, wihrend er das anÜBUgs
wsr. Wson X. sieh als FeiUiior eine Zeithmg nicht befriedigt, wird
er, wie er behauptet, magenkrank; es tittten Kopfsohmenen u. deigl. ein,
er bekomme SohwindelenoheinnngttL Dies alles lege sich erst, sobald er
durch einen Hami befriedigt werde musqne aemm da/orai, X. konnte
trotsdem heute auf homosexuellen Verkehr vendchten, aber nur, wie er
294
snglebt, duTcb Msiiturbation. Nicht die Sehnsucht nach Befriediguag
des Gc8chlecht8tri6be.> mache ihn unglücklich, vielmehr mache ihn die
^NiciiibcMedigtmg des Geschlechtstxiebes mageukrauk.
X. glaubt, dass, während er bisher nur zu älteren llBonarn nch
hingezogen fühlt«, jelit «mt Nagung zu jüngeren Knaben b« ibm nuf-
trete, und er Arditet^ dass er sich spiter nur m jüngeren Knaben kuti-
gezogen fHUen wflide. Seit 8 bis 9 Monaten beobaehtet er, daas er
Ton 10- bis lljlhrigen Enabwi, wenn er sie bnm Urinieren sieht, sehr
bald sexaeU erregt wird. Er f&rdhtet luenron einen nnglttokliohen Ans-
gang f&r nch ans sosialen imd forensisohen Gründen.
In den letsten 8 Jahren hat X. veh nnr ro Mioneni hii^esogen
gefttUt) die selbst abnorm waren, sonderbarer Weise aber uoht nnr an
homosexuellen, sondern auch zu solchen nicht normalen Männern, deren
gesehleohtliche Neigungen beispielsweise auf kleine unreife Madchen
gingen. ,In ihren Augen liegt der Ansdrack des ÜQglftokliehseins, der
mich magnetisch anzieht.*
X. ist ein äusserst nervöser Mensch. Er klagt über grosse Oedächtnis-
schwiicVio. Blutandrang nach dem Kopf, häufige grosse Heilbarkeit, Magen-
verstimmungen, die er angeblich nur durch Deroratio scinirus bessern
kann. £r leidet jetzt an grosser Energielosigkeit, ist nicoschenscheu und
macht einen sehr zerfahrenen Eindruck. Er hält eine Heilung seiner
kontrilren Sexualempfindung für ausgeschlossen und will auch gar nicht
mehr heterosexuell werden. Vor 10 Jahren hätte er diesen Wunsch
noch gehabt, heute jedoch nicht mehr. £r will keine Nachkommenschaft
haben, will nieht heiratsn, und es llge ihm deehslb anch gar nkiits an
dem Verkehr mit Midehen. Er glaubt, dass ein junges Midohen, des
noeh nnberührt ist, ihn so weit sexneU wregen könnte, dass «n Koitns-
versnch gelingen würde. Trotsdem wflrde er doch den Koitos nnr als
eine Onanie per vagmam betrachten.
Icli will nun noch einen Krankheitsfall beschreiben, der einen
Studenten betrifft, der einen durchaus intelligenteu Eindruck macht.
Ich gebe die Schilderung so, wie sie sich aus den spontanen Mit-
teilungen des Patienten und aus den Antworten darstellt, die er mir
auf besondere Fragen gab. Man wird aus diesen sehr klaren Angaben
zwei Hauptmomente erkennen: erstens eine gewisse ideale Liebe zu
Knaben von zwölf bis fünf/u im J;iliren, zweitens die Neigung, sich
bei einem sonst recht ekelhaften Akte, der Defäkation^) der Knaben,
- ) Einen Fall, der mit dem hier zu schildernden manches Verwandte bietet,
hatte ich Gelegenheit, durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. Mittenzweig
in Berlin bei einem hetero»exneUen ludividnum zu beobachten; wenigstens glaube
loh, den IUI so deuten sn mtliNn. £me amfflhriwhe MUtkaHon dszftber findet
sich in Moll: Unterandimigeii Aber die lAkiio mmtM». 1. Bd. 9. lUL Beilhi
1890. & 887- 880.
B«iiiiiaL
295
geschleohtlicb za erregen. Ich glaube, dass der fall genügendes
Inteneae bietet, um ihn aosfObzlidb mitmteilen.
20. PalL Fitet X., 28 Jabze alt, stammt wm eiaw Ftmili«!, die
«r Mlbflt als nerrOi beseiehnet Die Hvtter leidet «dion seit Ungerer
Zeit an fast pexiodiaoh anftretanden Ihmgungs- mid Sehwlchesiistlndeii,
Sehwindelaoftllen nnd Harabaklemmmigeti, Erscbeiamigeny die von ftniUeber
Saite als norOs beseidmet werden; aosserdem sind noch andere be-
lastende Momente in der Famüie der Mutter Torhandoi. Ans der Familie
dea Yalers Tennag Patint niehts ttber Ner?«akrBiikheitBn aozogabeii.
Ss sollen weder Trunksucht oder Epilepsie, noch Selbstmord oder Geistes-
krankheiten (mit Ausnahme eines Falles) in der Familie vorgekommen
sein. Die Geschwister des Patienten sind geeond.
Patient selbst ist von kriftigem, nntersetstnn Körperhau und erfreut
sich einer guten, durch keinerlei Exzesse geschädigten Gesundheit Er
hat früher Masern, Brechdurchfall und Gelenkrheumatismus durch-
genuu&t, hat aber keinerlei nachtenige Folgen davongetragen. Nur fiir
nervös erklftrt sich Patient selbst. X. hat in der Schule viel gearbeitet
nnd war fast stets der erste in seiner Klasse; er lügt aber hinzu, dass
dies weniger seine eigene Tüchtigkeit als die schlechten Leistungen
der Mitschüler bewirkten. Er ist, wie er erwähnt, sehr religiöSf betet
auch jetzt noch sehr häufig, geht aber selten in die Kirche.
Mitunter war die Nervosität schon w&hrend der Schulzeit so stark,
dass er periodisch lebensmüde war und pessimistische, inisanthropiscbe
Stimmungen hatte. £r war schon damals zu traurigen Affekten geneigt
und hatte eine leicht erregbare Natur. Be-onders erwähnt Patient noch
seine t.ist un Manie grenzende Pedanterie in der Schulzeit. Seit einigen
Jahren ist es zu »o ausgesprochen krankhaften Zuständen, wie er sie
selbst beseichnet, seltener gekonunen. Dann und wann zeigen sich aller-
dings noeh die angefthrten BrBehehmngenf wenn audi in sohwleherem
Messe nnd fSr Leicbe, die den Patienten nicht genauer kennen, in kaum
eikennbarem Grade. Jsk GeaeDsehaft ist Patient wenig mitteilsam.
Was die geistigen und C&ianktereigensoliaften betrifit, so schildert
sie Patient in folgander Weise: ^«h eitreue mieh leidlieh guter Anlagen
und iwar so siemlieh fOr alle Gebiete wissensohalUioher ThAtigkeit, doch
^ube ich nidit» dass ich fDr ixgend eines ein besonders herrovragendes
Talent habe. Glosse Yoxliebe habe loh f&r Spraoben, Mathematik, Physik,
Philosophie, kurs gessgt filr alle Fkober, die mehr AbsbraktionsTennllgen
alB Gediehtniskraft Toraussetssn. Wihxend ioh fOr jede Art geistiger
Arbeit stets lebhaftes Ihtermse gehabt habe» bm ich dem realen Leben
und seinen Anforderungen erst in der letzten Zeit näher getreten. In
körperlichen Fertigkeiten habe ioh nie viel geleistet. Für Ansserlich-
ketten hatte ioh bis vor kuisem nur Yaraehtnng. leh bin eine weiob
296
angelegte Natur, liebe die Einsamkeit, mag nur mit wenigen auserlesenen
Menschen vorkehren, habe viel Sinn für Romantik, Poesie und Musik, bin
sehr ideal und religiös gesinnt, zeige eine strenge Auffassung von Püicht
und Moral, strebe nach allem Guten und Schönen, verabscheue alles
Gemeine und Rohe, und könnt«- trotz dieser vortreflFliohen Eigenschaften
so denken und handeln, wie Sie aus den folgenden Blättern ersebeu
werden."
Über st'm geschlechtliches Leben macht Patient mir folgende Mit-
teilungen: , .Schon seit zwei Jahren bin ich von der Perversion meines
Geschlechtstriebes überzeugt. Ich hatte wohl schon früher mam^bmal
den Gedanken, dass bei mir der Trieb nicht ganz normal sei; aber zu
der Überzeugung einer Tollst&ndigeD Perrertion bin ich erst in neuerer
Zeit gekommen. Ich habe emrat Fall mit einer derartigen VUa aexuaiis,
wie er sich bei mir abspielt, noeh nirgends gelesen oder gdiOrt. Oh>
gleich ioh fdr aiiBgeaeichnete Yertreterinnen des wnblichen Gkschlechts
dne lebhafte Znneignng empfinden kann, mich sogar zweimal Ton einer
Art ?on Idebe habe hinrausen laaaen, so wird doch bei mir durch den
Anblick oder die Vorstelliug «nes selbst schOnen Weibes niemals eine
gMcUeehtliche Brrsgimg ansgelOsfc.* Die beidra FSlle, auf die Patioit
Boing nimmt» und bei denen er raie Art Liebe empfunden an haben
glaubt, schildert er so, dass er allerdings dabei die Neigung und den
Wunsch hatte, die betreffenden weiblichen Personen zu küssen, dass aber
niemahj der Koitus für ihn irgend welchen Reiz bot Was X. sonst in
diesem Falle unter Liebe versteht, ist nicht ganz leicht tvl verstehen.
, Niemals sind in meinen •wollüstigen Traumen, wie sie mit dem nächt*
liehen Abgange von Samen verbunden zu sein pflegen, Weiber in ver-
führerischen Situationen aufgetreten. Ich habe nie Lust verspürt, eine
Puclia inihliai zu besuchen. Lokale mit Dameubedienung haben für
mich niclil den geringsten Heiz, vieimehr sind sie mir stets ekelhaft ge-
wesen. Die Liebesgeschichten meiner Mitschüler erschienen mir höchst
albern, Tanzstunden and B&lle waren für mich Schrecknisse» und nur
snssorordeiitiieh selten lasse ich nnoh bewegen, eine sns Heeren and
Damen bestehende Qesellsohaft an besndien.
Kan wird sdion hieraos ernten, welche Diagnose bei mir sn stellen
ist: ich kranke an der siDoliehen Znneigung zum eigenen Geschlecht, ioh
bin im eigentlichen Sinne des Wortes I^ernst» Liebhaber Ton Knaben.*
«Sie TermSgen nicht, sich voitnstellen, wdche Welt von Gedanken,
Wflnschen, Oefllhlen nnd Tneben die Wlfarter Knab^ juä:, Puer, Gargon,
Bojf, BageuMO ftr mich omschliessen; am diesen Begriff dreht sidi fittt
sU mein Empfinden nnd Streben; jedes von diesen Wdrteni, nnd mOge
es in einem nichtssagenden Batie eines Obenetsongsbaches stehen, mit
mir die ganze Summe von Yorstellangen, die sich im Laufe der Zeit
diesem Begriffe assoaüert haben, wieder ins Bewosstsein, und es kostet
297
mich eine Anstrengung, die wilde Schar zurüaksaBchenchen. Diese Ge-
daokenreihe zeigt ein wunderbares Gemi^icb von grober Sinnlichkeit
und idealer Liebe, sie verbindet meine niedrigsten und höchsten Triebe,
sie enth< die Schwäche und Stärke meiner Natnr, meinen Fluch und
mein Glück Ein Knabe meiner Idee ^\ürde allen Seiten meines Wesens,
meiner Sinuenlust und meiner geistigen Leistongsföhigkeit ein geeignetes
Objekt darbieten; ich würde in ihm gewissermassen meine Ergänzung
tiuden Tind mit ihm vollkommen glücklich sein. Meine Neigung erstreckt
sich besonders auf Knaben, die sich in den sogenannten Flegeljahren,
etwa im Alter von 12 bis 15 Jahren befinden; doch ist auch ein etwas
geringeres oder höheres Alter zulässig. Nur selten liegu ich iür Jüng-
linge, z. B. für Studenten, eine ähnliche Empfind ung ; dann aber ist un-
eirlladicAM iMingung, daai tte nodi fast bartlos sind und keinen ge>
acUeehflichen Umgang mit Weibem gepüugen haben. Falle ich von
eineon jungen Manne, der mir bis dahin nicht gani gleidigiltig gewesen
ist, das Gegenteü ei&hre, hOrt meine besondwe Znneigong xa ihm sofort
ant Dass ich nntor den Knaben die schOnen nnd intelliganten bevor*
sog«, ist begreifUeh. Namentlidi liebe idi donlrle Haam mid Augen,
aactsn EOrpatban, waisse^ weiche, unbehaarte Haut und foxdore ein Ar
allea Edle empfibigliohea Gemftt, Denn, wie ich schon andeutete, snoht
meine Liebe nicht nur Befiriedigong der Sinnlichkeit, sondern auch
mindestens in demselben Grade geistige Gemeinschaft. Idi will nicht
einen Proetitnierten, sondern einen Freund oder Sohn, dessen Seele idi
lieben, den ich bilden und zu einem vollkommeneren Menschen erziehen
kann, der ich selbst gern geworden wäre. Das klingt paradox, vielleicht
- erscheint es sogar als Mittel, den Kern meiner Leidenschaft, die gemeine
Sinnlichkeit zu bemiinteln. Doch welchen Zweck hütte es, Herr Doktor,
Sie täuschen zu wollen 'i Wenn ich auch zugeben will, dass ich mich
manchmal, wenn die Sinnlichkeit gar zu mächtig wird, mit dem Eusser-
liehen Genüsse an einem weniger idealen Knubeu begnügen würde, so
würde ich doch an diesem kurzen Kausche keine wahre Befriedigung
verspüren, ich würde mir ebenso verächtlich vorkommen, wie mir immer
die jungen Leute erschkiHii nnd, die bei fitrsasendinien ihr laebea-
bedfirfids sn stillen venn9gen.
„Solange ich selbst jenem glücklichen Alter noch angehörte, d. h.
noch jünger als 15 Jahre war, hatte ich keinen sehnlicheren Wunsch,
als einen gleich empfindenden Frennd za besitsen. Tdi habe gesodit,
gehofft, gewartet, geklagt, bin entlansaht worden, bin vor Sehnsaeht nnd
Twrsweiflung bald vergangen — wd habe den Freund nidit gefimden.
Selbst noch spfttor lebte die Hoffirang msnchmal wieder auf, aber noch
heute harre ich vergebens, ond es steht jedenfslls fett^ dass ich midi
jenes Theten BrkennimgBhliQkes der üminge nitdit rOhmoi kann, von
dem man in einigen Selbstbekenntnissen liest. loh kenne persanlidi
298
keinen einzigen Leidensgenossen; es ist auch frsit^lirb, ob mir durch solche
Bekanntschafton viel geholfen wäre, da ich eben tiue ganz absonderliche
Vorstellung vou der Homosexualitüt habe. Wie Sie sehen werden, ist
mir mit den gewöhnlich nls Piiderasten bezeichneten Laoten wenig mehr
gemeinsam, als die siunlichti Indifferenz dem weiblichen Geschlecht gegen-
über, und oft frage ich mich: fühlt denn kein zweiter Mensch im Erden-
nind ebenio wie du? Stebst dn mit deinem krankhaften Gelüste allein
in der Welt? Bist du nooh ein Parin unter Park«^ oder iit es Mi
mOglieh» daae eine andere Seele glMdMa Verlangen ampfind«^ daai ihr
Tielleiolit nnerkaimt lange neben einander gelebt babt ? Iah wflrde raaend,
wenn idi nne Oelegenbeit rar Eireiehnng aeinea bOohaten OlUdcea ver-
aftomt bitte; denn aie ist nnwiederbringlich dabin« Hanta wfirde ein
Frenndaehaftabiind, wie iob ibn ala Knabe eraabnte, adfawerlioh an atande
konunen, aelbat wenn iob den Geaocbtett noeh finden aoUta. loli glaube
nicht, dass mich ein Altersgenosse reizen würde, auch bilde ich mir daa
Umgekebrte nicht ein. .Stadentenben eigieb dich drin, sie ist ver-
aabwonden und dahin*, habe ich in melanaholisoben Stunden oft in der
Erinnenmg an meine Knabenaeit mit ibran nnerfttllt gebliebenen Idealen
geaungen.
.,Das Tranrif^'a dieser Erkenntnis kommt mir namflntlirh recht
schmerzlich zum Üewusstsoin, wenn der fröhliche Früliling /um Liebes-
genuss einladet oder der heuli-sidr Ht i Iistvand über die Vergünglichkeit
irdischer Freuden klagt — und icii habe nicht nur keinen Freund,
sondern auch keinen Knaben gefunden, den ich mir zum Freunde er-
ziehen konnte, ja nicht einmal einen Ivuaben, den ich zur Befriedigung
meiner Sinnlichkeit verwenden durfte. Wie oft habe ich im Sommer
Ausflüge in dl« Umgebung von St&dten gemacht und an den Seen und
Flüaaen naob badenden Knaben gefioraobt; doob atata kehrta erfolglos
sorflak, moobte ioih welohe geflinden habni oder nicht. Dann eiftaata
miflib wider ^^en im VHnter daa onwidwatabliabe Verlangen, jene von
den Knaben gewiasermassen geheiligten PUtae ao&QSiidien; meine Lieb»
linge aind veiscbwiindan, kalter Wind straieht fiUber die eisigan Flntn,
an den«i ne sieh an aobOneren Tagen tummaltan. Daa Hera will mir
brechen vor Webmnti nnd idi kehre von einer aolaban in^ter&brt in
einer Stimmung heim, ala ob ieh mein Tenerataa und all mdn Olüak
begraben hAtte.
„Wenn ich mich jetit sur Beaohreibung meiner sinnlichen Iiiebe
wende, will ich betonen, dass meine Angaben über den Umgang mit
Knaben nur Gebilde meiner Phantasie sind und noch niemals*) — ans
den angefitüirten Gründen ihre Yerwiridicbuug gefonden haben.
') Eine gelegentlidw aber nur zoDtllige AasDahme findet sich emfbnt; aie
hat aber fllr den Patienten aaeh aieht die foUe Befiriedigong gabnefat
200
Meine Sinnlichkeit ist merkwürdiger "Weise nicht an die Genitalien
gebunden; alle meine wollüstigen Vorstellungen beschiil'tigen sich mit
diesen Teilen nicht im geringsten. Darans pr^ipht sieb schon, dass ich
niemals Onanie getrieben habe, und dass ich inimissio nienthri in anum
ebeutjo verabscheue wie ein normaler Mensch. Jede Art des auch nur
imitierten Beischlafes ist für mich ohne Reiz. Mich erregen au dem
Körper des Knaben besonders zwei Teile: sein Bauch und sein
Oes&88, und zwar ersterer als BebUtw dal Yerdaaangstraktas, letzterer
■Is Mger d«r An^gangsOffiiung des Denoee. Von den T^tntiTen
Lelteniproseflsen lan Knaben intereieiert mieh keiner aanaliemd so wie
der Vtfkof SMner Verdaumig und der Vorgang sriner DefMcation. Es
ist mj^enblidi, in weldiein Qnde mioh dieser Tdl der Pbjsiobgie von
Jqgend anf besdbsll^t hat Wollte ieh als Knabe eine pikante anf-
ragende Lektflre kaben, so suchte idh mir in des Vaters KonTecaations-
lexikoa Artikel auf wie Verstoplang, Hartleibigkeit, Anftreibnng des
Leibes, HSmonhoiden, Fä<XS n. dgl. Fielen mir mediainische Bficher in
die H&nde, so wurden diese Kepitel förmlidi TersoUiQngen. Keine
Funktion des Körpers schien der genannten m Bedeutung gleich zu sein,
und daher fasste ich ihre Störungen als die bedenklichsten auf, die über-
haupt im Lebensmechanismns vorkommen könnten. Die Schilderungen
alier Krankheiten konnte ich mit ruhigem Blute lesen ; aber die Be-
schreibung einer Darmverschlingung verursacht mir noch licute fast Un-
wohlsein. Es war mir ausserordentlich augenelim, von den Personen
in meiner Umgebung zu wissen, dass ilire Verdauung in gutem Zustande
war.') Ein Mensch, der seine Verdauung nicht genau überwachte, er-
weckte mir wenig Vertrauen, sodass ich umgekehrt schloss, böse Menschen
müssteu sich durch eine erschreckliche Gleichgiltigkeit in diesen wichtigen
Dingen auszeichnen. Noch mehr als bei gewöhnlichen Sttfbliehen inter-
essierte mioli dieser Punkt bei Leuten, nm deren Leben sich etwas Ge-
heimiuSTOlles, Mystisches wob, i. B. hei Zaaberem in MBrchen, bei Leuten
enderar Nationen nnd dgl. Auch hfttte ich g«n anthropologische Stadien
Übrnr mein Lieblingsthema angestellt, w«m nicht sa meinem Verdrösse
die betreffenden Werke darftber in der Bega! mit StiUnhweigen hinweg-
gegangen wSren. Doch erinnere ich mi<di mit besondeier Genogthnnng,
einmal im Olobm gelesen in. haben, dass irgend eine wilde Völkerschaft
Erde isst nnd die Leute dabei einen stark aufgetriebenen Leib haben*
Auch interessierte ich mich sehr für die EartoffelbBrndie dar wie die
Irl&nder fast nur von Kartoffeln lebenden Bewohner armer Gegenden.
In Lidianergeschichten und ähnlichen Erzählungen vermisste ich Mit-
teilungen über den Verdaanngaznstand meiner Halden, wenn sie in der
■) Das Bewuistaehi, dass der andere kriaa gnta Veidaannjj: bat, ist fBr den
Patienten voaageaehm; andereieeits ist es f&r ihn aagenebm an wiasent dass bti
dem BeCiefieaden die Vaidannng in Ordmug ist*
300
BdapUL
Gefangenschaft schnuichteten oder sonst in eine ungewöhnliche, der Ge-
sundheit nicht förderliche Lage geraten waren. Daher habe ich kein
Buch für wt rivuller gehalten als jenen Fünfundzw(in7igpfennigschmöker,
in dem ein junger Mann nnch cint'ai Schifl'brnrh im Klsmeere lange Zeit
in einer engen Schneehütte leben niusst.e, wobei gewissenhaft vermerkt
wird, dass er Störungen seiner Verdauung wahrgenonnnen hatte. Keine
Unsitte empört mich mehr, als die namentlich von den Damen geübte
Thorheit, in Gesellschaft die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse
ans übel angebrachter Schamhaftigkeit zu unterlassen. Auf einer Eisen*
bflhnfalirt Idde ieb aduneoUiche Qualen b«i dem Gedanken, deaa einer
der lütreiaenden an der Verriditong einer dringenden Kotdnrfb rer-
liindert sein kl}nnte; eher wttrde idi ruhig im atande sein, jemand ver-
adunachten wa adien.
,Ea iai begreiflidi, daaa idi meiner eigenen Yerdanmig die grOaate
Anfinerkaamkeit widmete^ Mit peinlidier Oewiaaenhaftigkeit hielt idt
ateta darauf, jeden Tag nt einer beetinunten Stande StnUgang m hnbai;
war die Sitsong einmal nicht redit an meiner Zufinedenheit anagefidlen,
80 fühlte ieh mich — weniger phyaiach als yidmehr pqrchiach — nn-
behaglich. Zn diesem gewiaa gaos nfltslidien hygienischen Interesse ge*
sdlte sidi in der Pnbert&tadt siemltch unvermittelt dn sinnliches. Etwa
seit meinem 14. Lebensjahre gab es ftr midi keinen grösseren Genuss,
als meinen Stuhlgang unbekleidet vonsuniahmen (was ich jetzt nicht mehr
thue), nachdem ich TOrh«: die Ausdehnung meines BondieE sorgDiltig geprüft
hatte. Auch war ee mir wichtig, die Menge der ausgeschiedenen Fäces
zu kontrollieren, was ich mit besonderem Wohlgefallen auch jetzt noch
zuweilen thue. Da sich diese Prozedur auf dem Klosett nicht recht mit
Müsse vornehmen Hess, lief ich im Sommer zu dipsem Zwecke in den
Wald, entkleidete mich an emer verborgenen btelle und Iröhnte hier
dem wollüstigen Genüsse einer ordentlichen Stuhlentleerung. Oft ver-
band ich damit ein Bad an einem heimliehen Plätzchen des Flussufers,
das eine Badehose entbehrlich machte. Ich erschöpfte dann meine
riiautasie mit dem Ersinnen veischiedener besonders genussreidier Varia»
tionen, sehnte mich oft nash dner einsamen Bud, um inuner nackt
hemmanlaufm, meinen Ldh mit grossen Mengen von Nahrungastoffen sn
beladen, den Kot mfiglichat lange anrflcknuhalten und ihn dann in einer
ralBniert erdaditen Stdlung von mir gebot »t kOnnen. Bei dieaen
Handlungen und Ideen hatte idi vidfadi hakige Erektionen, apiter auch
mandnnal Samenergnss; dodi spidtoi, wie Mihon vorhin gessgt, ^e
Oenitslien in meiner Vorstellung gar keine BoUe, ihre Snregungen waren
nur vidmdur unbeqnon und gewlhrtm mir gar keinen Beis.
»Bald aehnte ich mich bd mmnoi heimlidien »Orgien* nach der
GeseUsdiaft geeigneter glddislteriger Knaben; doch bestand sdion damals
der deutliche Wunsch, nidit nur einen Genossen meiner Lddenschaft,
301
eondent meh nnen inrUidhea Freund zu habon, den ich sowohl sinoKch
mit ailkir Glut lietmi «Is auch geistig mit gamnr Hingabe Twehren
konnte. Da Ton einer gegoiseitigen Kastnrhation od«r Fideiastio nicht
die Bede sein konnte» so hitto sioh unsere sinnliche lache auf Küssen,
Umanneo, Liebkosen und — i^eichsam nun Ersatz des Eoitns — auf
graiemsame Ausfahrung des Stuhlganges beschrftnken mfisscn. Aber das
wlre für mich schon vollkommene Seligkeit gewesen. Eine innigere,
vertrautere Gemeinschaft als der unt«r vier Augen an einem lauschigen
Orte mit allen Finessen vorp^enommene Stuhlgang war f&i mich gar nicht
denkbar. Ich will Sie mit dem nnästlietischen Inlialte meiner wollüstigen
Trilnrne verschonen. Ich habe auf diese Weise wenigstens in meiner
Einbildung befriedigenden TTn^rrans» mit schönen Knaben raeinos Alters
gepflogen; aber Wirklicliknit wurde mein Traum nie. Immer und immor
blieb ich allein,') ohne Genossen und daher ohne wahren Genuss. fJinc
ilJne lacrimae ; die Erregung an dem eigenen Stuhlgang geschah nur
fauie de mienx.
,Dass meine mit der Stuhleuileerung verbundenen Handlungen und
Gedanken unkeusoh und verwerfUch waren« wusste ich recht wohl. Ach,
wie oft habe idi mich, wenn der Rausch Terflogen war, reuevoll aofi
Knie geworfen, Gott um 7ers«lmng gebeten, und Besserung gelobt! Einige
Wodien hindurcb miterdrflcikte ieh mein Yerltngen; sber schliesslich wurde
es wieder su miebtig, ich sudite nudi durch allerlei SdieingrOnde vor
mir selbst sn rechtfertigen und erlsg dem Laster Ton nmunn. Bass ich
sexuelle Aussohweifimgen trieb und su Enshen gesoUeohtliche Liebe
hatte, das wurde mir erst viel spiter klar, eis idi die Bedeutung der
Erektionen als Zeichen der sexuellen Erregung erkannte. Bis dahin hatte
ich nie daran gedacht, dass ich konträre Sexuslempfindung bedtase. Das
wurde mir erst durch die Lektüre des Werkes von Casper und Limau
zur furchtbaren Gewissheit. Unter den erschütternden Eindrücken dieser
Erkenntnis entstand ein Selbstbekenntnis, das ich einem Arzte ablegte.*)
«Nach dem, was ich auf den letzten Seiten umständlich ausgeführt
habe, werden Sie sich ungefähr eine Vorstellung davon machen können, in
welcher Weise ich Knaben zur Befriedigung meiner Sinnlichkeit verwenden
würde oder wenigstens möchte. Nehmen wir einmal an, mir stünde ein
geeigneter Knabe für diese Zwecke zur Verfügung, und es wären mir
') Einmal hatte allerdings Patient ueh Gdegenheit, sieh bei der Defäkation
anderer männlicher Personen vollständig zu erregen. Er sah zwei Kna^len in
einem Chansseegraben in freier Natur dofäziercn. Hierbei errpfjtc sich X. sexnell
in HO hohem Grade, dass er selbst Samenergusn hatte. taud dieser Vorgang
Tor etna swet Jehien statt Sonst waren es gelegentlich SrinnernagiTtffstelluugen
oder Phantasiegebilde, oder die von ihm selbst hesehriebetten Vorginge beim
Deftzieren, die Erektion mit pelo^entlichena Samenprfrnss znr Fol^e tiatten.
') Eino Fablikation Uber den Fall durch den angedeuteten Arct habe ich
bisher nicht gefanden.
andi BOmt alle ümstSade gfinsttg. Idi wflrde ihn in ein Torher daatn
eiogeriditetes Zimmer Imngeo, ihn aifUeiden, bnden nnd inniehsi
einer eingehenden kOrperHehen ünterBachimg mituneiehen. Keine Anf-
merlnamkeit w urde sich anf seine untere KSrperb&lfte konzentrieren. loh
gehe die Oberschenkel entlang nach oben, wo sie znm Damm znsaramen-
stossen, befühle seinen Unterleib, streichele die Hinterbacken nnd betaste
die Aflerspalte. Namentlich aber ist es die Form des BaucbeSi die mein
c:nn7Ps Interesse in Anspruch nimmt. Jp mehr diese auf eine grössere
Kotanhäulung im Darm schlic??'-ii lüsst, desto h(>her steigt mcinp Er-
regung, besonders, wenn eijn Füige meine Vermutung bestiltigt.. Ein
anderer ist kaum im stände, sich auszudenken, welchen dilmoniscben
Rpiz die Vorstellung eines schönen nackten Knaben mit einem infolge
langer Stnhlverhaltung gefüllten Darm auf micli ausübt. Der Ocdnnke
daran bringt mich in eine sehr heftige Erregung, eine leidenschaftliche
Glut strömt durch meine Adern, mir zittern die Glieder vor qualvoller
Begierde. Idi werde nicht mfide, diesen Banch zu befUblen und zu be-
tnehten. Heine Leidentohaft iossert sidi in stfMIsdhen lAehkosungen;
der ICnabe onus Yeraohiedene Sfcellnngen nnd Lagen einnebmeiif nm die
tohOnen Formen seines Körpers^ namentlidi nb«* die bewnssten Teüe, reobt
gnt xnr Anschraimg ra bringeo. Noeh dne Steigemng erfthrl der
sonderbare Gennss doroh die Beobaehtnng der Deftkation. Sollte fBr
eine reiohliobe StdUentleernng nicht genng 8tdf im Dann des Knaben
angehftnft sein, so fettere ich ihn mit allerlei Nahrongsmüteln, die er-
fahrungsgemüss viel Kot geben, wie Kartoffeln, grobes Brot, Hülsenfrüchte,
Obst u. dgL Wenn mOglich suche ich zwei bis drei Tage lang jeden
Stuhlgang zu verhindern, damit der Leib sieh recht fülle und die DefiU
kation recht reichlich ausfalle. Wenn diese schliesslich eintritt, ist es
mir nun ein unbeschreiblicher Oenns«, den Austritt des Kotes — der
zifmlif-h fp-^t sein muss — aus dem After zu bpobanhtcn, Dabei lasse
it Ii den Knaben allerlei Larron und Stellungen einnehmen, die mir be-
sonders viel lieiz gewähren könnten.
„Derart sind meine wollüstigen Gedanken beim Anblick von schönen
Knaben ; in dieser Weise sucht meine sinnliche Natur ilire Befriedigung,
solehe Bilder zaubern mir die nilchtlichen SamenergieS8ungen vor. Im
entscheidenden Momente erwache ich und merke nun die Ursache meiner
Erregung. Auch mein eigener Stuhlgang macht manchmal den Inhalt
eines solchen Trauraes aus. Denn wenn ich auch nicht mehr, wie in
früheren Jahren, verfahre, so gewilhrt mir doch immer noch meine Stuhl-
entleerung einen sinnlichen Reiz, der namentlich kurz vor dem Austritt
des Kotes sehr gross ist, sodass ich gar nicht selten in Yersachtmg
komme. Ich mnss annehmen, dass die Nenren meines Mastdarms mit
denen meines Penis in einem anormalen Zusammenhange stehen; denn
sonst kann ich mir nicht erkltreo, wamm ich bei gefülltem Mastdarm
Beispiel
303
l«ichter erngbar bin als bei leerem, warum eine gcschleobUidie Krregnng
infolge der besduriebenen Yorstelliuigea b« nur nidbt selten StnblgaDg
herronnft» korSf wamm dieser mmderlioihe Zoeammenbang zwimdien
leteterem nnd Brektion llberltanpt vorhanden ist leb wiederbole, daas
ieh bis jetst nooh sieBials Gelegenheit gehabt habe, mein saweilen kaum
va beswingendes Verhuigen an befriedigen;') ich weiss nicht» ob die fftr
jeden normalen Menschen ekelhaften Vox^taige ftlr mich in Wirklichkeit
ihren Reiz behalten w&den. In der Meinung, dass mich vielleicht ein ein-
siger Tersuch ffir immer Ton meiner Perversion heilen würde, habe ich oft
genog beschlo<;sen, einen solchen zu nntemehmen; aber stets fehlte es
mir an Mat oder Gelegenheit. Ausserdem kann ich mich moralischer
Bedenlcfin nicht erwehren, obwohl ich das Sittlichkoitsgefühl des Knaben
selbst auf Kosten des Genusses nach Möglichkeit schonen würde; einen
sittlich nicht mehr zu verderbemlf n Ixn ibpn zu verwenden - dagegen
erhebt wieder die bessere Hälfte meiner I jeidenschafl Einspruch; aber es
gewfthrte doch wenigstens etwas, wenn auch keine volle Befriedigung.
„Vielfach habe ich darüber nachgedacht, weshalb nicht ebenso gut
Mädchen mir Genüge leisten könnten. Ja, oftmals muss ich mir ge-
stehen, dass diese in mancher Beziehung den Vorzug verdienten; ihr
Körperbau ist sierlicdier nnd behllt mne weichen, schtam F(»men andi
im sptteren Alter hei, dem ümgange mit Weibern stehen nicht entfernt
die Schwierigkeiten entgegen wie dem mit Knaben; aber weder diese
noch andere Betrachtungen können an der Thatsache meiner Knshenliebe
etwas indem; sie besteht eben sller Temnnft smn Thvlse. Alle die
mich an Knaben so heftig reisenden Yorstellnngen and mir im Zn-
sammenhange mit enNm weihlicben Wesen ebenso widerlich wie «nem
normalen Menschen. Einen Qrund für die Berorzngnng der Knaben
möchte ich darin sehen, dass bei diesen der Unterleib fast nnr Ver-
dannngsorgane birgt, während er bei Mttdchen noch für andere Organe
eingerichtet ist, die meinen Empfindungen nicht zugänglich sind. Femer
vprspreche ich mir in geistiger Beziehung von Knaben mehr Genuss als
von den für geistige Arbeit weit weniger geeigneten Mädchen; ich will
eben alle Seiten meines Wesens durch den Gegenstand meiner Liehp be-
friedigt wissen. Endlich erklärt sich die Vorliebe für die sogenannten
Flegeljahre wohl daraus, dass in diesem Alter das normale, mir un-
verständliche Geschlechteleben fast noch gar nicht in Betracht kommt,
der Körper /.arter und schmächtiger ist als später und der Unterleib
besser durch seine Form den Füllungsgrad des Darmes zum Ausdruck
bringt als in spftteren Jahren, wenn sich reichlicheres Fett angesetst hat
Femer glaube ich, dass Knaben in diesen Jahren schon Tersttaidigw nnd,
') Der in der Anmerkung S. 301 genannte Fall ist deshalb nicht als eine
wahre Befriedigung zu betrachten, weil nur der Akt in der erwünschten Weise
«tattfand, hingegen die Knaben für X. nicht den eigentlichen Reiz gewährten.
304
Beiq^eL
ohne dadnreh ihre kindliche Harmlosigkeit und Naivetät eingebüsst m
haben; Tind wer sollte nicht Sehnsacht nach den Jahren fQhleiif in denen
einem ^e Kxftfte wachsen, sich Ideale nnd Triebe in der jnngen Brost
regen, man noch mit Unbefangenheit nnd ohne Yonuteil das Leben an-
schaat nnd noch von trüben Erfahrungen und Leiden aller Art verschont
geblieben ist? Ein Verkehr mit jungen Seelen erhrilt jung und frisch,
bewahrt sicher vor philiströser Verknöcherung und giebt in Fülle Gelegen-
heit zu segensreicher Wirksamkeit. Warum sollte ich mir einen so an-
genehmen Umgang nicht wünschen?
,Gern würde ich mich über die angeregte Frage noch weiter aus-
lassen, doch will ich 7.um ächluss eilen, zumal da ich alles Wesentliche
ül)er meinen Zustand tresagt zu haben glaube. Zum Schluss will ich
noch einige Worte darüber sagen, wie ich selbst meinen Zustand auf-
fasse. So viele schwere Stunden mir auch meine Krankheit schon be-
reitet hat, so oft ich auch über meiu Unglück geklagt habe, die sexuelle
Perversion empfinde ich gar nicht besonders schmerslicb; meine Leiden
haben ihren Gnmd viehguebr in der NachtbefH«dignng meiner Sehnsiiaht.
Ich w&M nicht, ob idi ohne weiteres in euie Heilnng, selbst wenn diese
mOglidi wBre, einwilligeo wSrde. ICt meiner krankhaften Liebe wflrde
ich memen Sohmors, aber ?ie]lei(At anch meine Frende verlieren. Viel-
leieht würde ich hoffiningB« ond wunschlos sein, ich Wörde weniger Ver«
anlassnng som Sdndigen, aber anch weniger Anssi<^ haben, einmal Ckites
m tbnn, meinem Streben wftre das Ziel genommen, mein Lebensinhalt
▼emichtei lob yeispüre kerne Lust, nonnalen Geschlechtsgenuss zu
suchen, lieber ertrage ich die Qualen der ungestillten Sehnsucht. Sin
Betäubungsmittel habe ich in anstrengender Arbeit kennen gelernt. Immer
freilich kann man dieses nicht anwenden, selbst wenn man noch so fleissig
sein wollte; es giebt doch Stunden, in denen die innerste Natur sich
stürmisch Bahn bricht, sei es, dass mich Musik zu elegischen Erapfiadungen
anref^t, sei es, dass ich auf einsamen Spaziergangen rnpinen (ledanken
nacliuänge oder der lebhafte Kuniruck von Naturschönheiten mich eine
mir in Liebe zugethane, mitgeniessende Seele gar schmerzlich vermissen
lässi Dann drängt sich freilich die bange Frage auf: wirst du niemals
lieben dürfen? wird sich für dich nie ein treues Herz erschliessen, sich
dir nie ein Mund zum Kusse der Liebe darbieten ? wirst du immer,
immer all' deine Liebe wie ein Verbrechen verbergen müssen, kflbl «r-
sdimnen nnd im Innern vor Glut yergehen, nieht ein einziges Mal ^e
Maske abwerfen und dich einem geliebten Wesen TOn ganaer Seele hb'
geben dfixfen?
Doch genug hiervon.*
Es sind also swet verschiedene Momente, die fBr den Patienten
widitig sind: erstens will er den von ihm geliebten Knaben belehren,
unterrichten, wohl andi kflsscn; awutens will er ihn deftsieren sehen,
Uasochismiu vnd Fetischiamtu.
305
nMihd«m er sicih dvreli üntersodiiuig des ünteriabaB, dei Ama il b. w.
■Q ilim sexuell erregt bat.
Auch die KlcidDDg des Knaben hat einen gtwisSMi Einfliiss auf den
Faitieiiteii. Eine Pagentracht würde ihn z. B. ansserordentlidi geschlecht-
lich ervBg«, während ihn aonrt die Kleidung des Knaben nur als Vor-
stofe zum nackten Knaben reizen würde.
Die Kotgedanken kamen dem Patienten, als er 14 Jahre alt war.
Sie traten, wie er als sieher angiebt, zuerst im wachen Zustande auf.
Die schwärmerische Zuneignn:' m p^leichalterigen Knaben hatte aber bereits
früher bestanden; Patient kann sie ganz genau bis ins 10. Leben^ahr
zurückverfolgen.
Die nächtlichen Tr&ume dos Patienten mit Samenerguss finden anter
der Vorstellung statt, dass ein nackter Knabe oder er selbst dofaziere,
doch steUen sich nur etwa alle sechs Wochen einmal derartige Tra,ame
ein. Die erstui nSobfliGhen flameneigOsBe traten ein, als Fatisnt 17 Jahre
alt war; aber sie fanden nnr selten statti und niitanter lagen mehrere
Monate daswisohen. Auch am Tage tritt jetst nooh gelegentlich Samen*
etgoss ein, und swar bei starker Enregong dnrdi DefitkatiooSTOrgttnge,
dodk hat X. hierbei keinerlei besonderen Goratt. -
Patient ravcht wenig, trinkt etwas, aber nicht viel; «r kann pfeifen
und hat, soweit sich aus einer genauen Fragestellimg exgieht, keinerlei
besondere weibliche Gewohnheiten.
Krafft-Ebing*) bringt auch viele Falle von Fetischismus in
Beziehung zum Masochismiis und glaubt insbesondert'. dass der Stiefel-
und Fussfetiscbismus lediglich in der sinnbildliclieii Eedeutimg des
Fnsses und Stiefels seine Quelle habe. Der empfangene Fiisstritt ist
ein Sjmbnl für die Erniedrigung, und dieser Wunsch dtr ei^^onen
Erniedrigung beherrscht den Masochisten, wie wir sahen. Es kana
nach Krafft -Ebing, ohne dass dem Stiefelfetischisten der Zusammen-
hang zwischen der Liebe zum Stiefel und dem Wunsche der Er-
nisdrigang bewusst ist, dennoch ein solcher Zusammenhang bestehen,
und er meint eben, dass dieser nnbewusste Zusammenhaag die Quelle
des Stiefelfetischismns sei, dass dieser also durch den unbewusst
bleibenden Wnnsoh der Erniedrigung bedingt sei. Manche Erschei-
nnngen sprechen zweifellos dafQr; so mehrere mir bekannte Fälle,
wo Mfinner gleichzeitig Stiefelfetischisten und Masochisten sind, sie
werden sexuell ebenso Idoht dnreh Stiefel, wie dnreh das Bewusstsein,
von einem Weibe gedemütigt za werden, enegt Es wttrden demnnoh
- ) R. V- Kraff t-ilbing: P»yt/i4>pcUhia serualis. Mit be&ünderer Börück-
Bichtignog der konträren SexaalempfiDdiuig. Eine klinisch-forensische Studie.
9. Auflage. Btvttgart 18M.
Voll, Kontr. SsnudfavSadini.
306
Masouhismiu und Fetischismiis.
gewisse i^Ile von dorn oben beRprochenen Fetisohismos gleichzeitig
zum Masochismus zu rechnpn sein.
Bei dem engen Zusammenhang, in dem unter pathologischen
Verhältnissen Geruchsinn und Geschlechtstrieb stehen, sei immerhin
darauf hingewiesen, dass vielleicht der Fuss- und Stiefelfetischismus
mitunter dem intensiven Gerüche, der den Füssen und den Stiefeln
anhaftet, seine fintstebimg verdankt, oder wenigstens dadaroh begänstigt
wird.!)
Der Zneanuneiihaiig Ton tvm» und Stiefelfetischiniiiis mit dtu
MModuBmns findet steh jedflnfalla sehr htofig, und es sei anf die Beden»>
art «unter dem PantolTel stehmi* hingewiesen. Der Pantoffel gilt hier
als das Symbol der Herrsohaft, vnd die Frau, «iter deren Pantoffel der
Hann steht» führt Aber diesen die Hensohaft.. Die Beziehongai swisehen
der FossbeUeidmig des Weibes mxd dem Regiment in der Ehe sind Mhr
all Ludwig Friedliindcr^) meint, dass bereits bei den Römern der
Pantoffel das Symbol der Herrschaft der Frau über den Mann war, und
er beruft sich hier auf die Konunentarien, die Jahn zur Ausgabe des
Persius geschrieben hat Plutarch^) berichtet im fünften Kapitel der
LebensbeschreiV.iinp des Acmilius Paulus, dass dieser mit der Papiria
verheiratet, war, luss er sich aber nach vieljähriger Elie von ihr srhiftd.
Als er gefragt wurde, weshalb er diep ^»^than, habe er :i.ut si meu »Schuh
gezeigt, den die Römer Calceus nennen, mit der Bemeikung: .Ist
er nicht zierlich, ist er nicht neu; aber keiner von euch weiss, wo er
meinen Fuss drückt.'
Ausführlicher berichtet über das Symbol der Fussbekleidung als
sexuelles Element Rndolf EleinpauL^} Nach diesem Autor ist die
Fossbeklddnng geradeso als das Symbol der SelMBilefle angesehen worden.
Eine Tfirkin, die tod ihrem Kanne gesohieden werden wiU, weil er sie
anf mnatfirliehe Wdse brauohte, seigt anf die Frage des Kadi, weshalb
Wenn dureh Krafft-Ebing aooh nicht alles erklärt ist, so halte ich
doch seine AnsAhnoiflaa über den ZoeammeBhang von Fetisehismos nad ]laso>
ebiinnu für den wichtigsten Fortschritt, den wir in dem theoretlsohai Stndiam
der sexuollon Perv- rpionen gemacht haben. In deren Erklärung ist damit ein
grosser Schritt nach vorwärts gethan, es ist das frühere aosechlieulidi kasnistiflche
Studium damit für die Theorie fhichtbar geworden.
- ) Ludwig Friedlin der: Üantdliiiigen ans der Sitteogesehiebte Rmm
in der Zeit von August bis Ausgang der Antoniae. 6. Annsge» 1. Teil. Leipsig
1888. S. 470.
- ) Des Plutarchos von Chaoroneia vergleichende Lebensbeschreibungen.
Aus dem Griechischen übersetzt mit Anmerkungen von Joh. Friedr. Sal. Kalt*
Wasser. 8. Ten. Magdelmrg IBOl. 8. 76 f.
Rudolf Kleinpanl: Sprache ohne Worte. Idee efner aBgMWefawm
Wisseaschaft der ^raohe. Leipaig. S. 108 1, 307 1, 885 f.
Symbolik der Fusabekkidiiog.
307
sie gesckioden werden wolle, nichts vor als ihren Öchiih, wnhoi sie ihn
verkehrt hinhiilt. Der österreichische Diplomat Augier «Thisiain de
Busbecq habe auf diese SymlHlik in der Türlcei hingewiesen. Die
modernen Araber sagen nach Joh;iiia Ludwig Burckhardt, wenn sie
eine Frau Verstössen: Sie war mein rantoffel, ich habe ihn weggeworfen.
Kleinpaal berichtet weiter ans dem SfiUelalter: Als der tapfere Ritter
Polypliem der Dame eeuieB Heneni leise Liebe auf dem TonüerplatK
beweises wollte, stecikto er üven Idemen goldgestieltten FeaMel auf
«amen Helm» and die Sahweater dea Kaiaen ndat^ den siegreiohaii Bifcfcer
folgendermaaaeii an: ,Henr Bitter, Ihr atellt eneli weder nnter den Papst
noeb imter den Kuaer. Hur bedfirft niemaiidea Söhnte 1 Euch rmnag
kdn Mann m flberwiaden, aber unter dem Fantoffel steht Ihr doohl*
Man habe, meint Kleinpaul, die Redensart ,miter dam Pantoffel atehen*
auf diesen Yorfiill zurückgeführt, aber sie habe einen tieferen gesdilechi»
lieben Sinn, indem der Pantoffel ein uraltes Symbol der weiblichen Bdiam
sei. Die Beziehungen des weiblichen Ftisses mm Geschlechtsleben ver<
gleicht Kleinpaal geradezu mit den Beziehungen der Uppen, die ja
durch den Kuss und das Schnäbeln der Vögel bewiesen würden. In
engem Zusammenhang hiermit stiindo «nch, wifi er meint, die Vorliebe
der Männer für hübsi hp kleine f üsse. Er erwähnt hier die Erzöhlunp^
aus dem AltertuDie, dass die fcböne Rhodopis einst in Naukratis hndete
und ein Adler ihie Öandalen aufhob, damit wegflog und den Schuh dem
König von Ägypten in den Schoss fallen liess. Überrascht von der
Niedlichkeit der Sandale, ruhte der Köni|^ nicht, big er die Eigentümerin
derselben ausfindig gemacht baiit;, und sobald dies geglückt war, machte
er Bhodopis zu seiner Königin. Gewährsmänner hierfür sind Strabo
nnd JLlian. Ich erinnera hier aneh an daa Gedieht «Der SehnhV) ^
in neuerer Zeit wieder TerOffentlicht wurde, und dessen Yeiftsser moht
fest an stehen schont. Auoh hier wird die Soiheide des Ifildshens mit
dem Sohuh Terglieben. Auf die Bimerlrang von Eftthehen:
Dein grosser Fuss würd' doch nicht paasen«
Sieh' nnr, dar Schuh ist viel zu Uein
erwiderte der andere:
WiUst Du mir Deinen Schuh nur borgen,
Den Sehaden, Kftthehen, trag ich schon
Das Mädchen sich nicht l&Dger sträubet,
Sie ruhiger es überlegt,
Sie denkt, der Schuh mir doch verbleibet,
Wenn ihn ein Anderer auch trägt.
- ) Veröffentliobt in «Ventoasene Kinder der Mosen*. Leipzig. S. 76 ff.
808
Vixoiloopiew
Sie pflegt ihn öfters zu verborgen,
Ward er auch weiter mit der Zeit,
Sie macht sich df^sbalb kein« Sorgen;
Die Matter merkt nicht, dass er weit.
Jedeofidls sei auf di6M nMikwflidlgeii BaMkongen nriaohen
Stiefelfetisohisnii» und ICasoohismiu besonden hingewiesen.
Es sei noch kurz erwähnt, dass schon Tardien*) 1858 einen
Fall veröffentlichte, wo ein Mann besondere Wollnst dabei empfand,
wenn er von einem andern Mamie mit dem Fubse ;nif den Podex
getreten wurde, und dass nach demiselbeu Autor mitunter Päderasten
vor schmntzigen Kindern niederknieen und ihnen leidenschaftlich die
Füsse küssen. Endlich sei des historischen Interesses wegen noch auf
masochistische und sadistische*) Neigungen von Nero hingewiesen.
Nero hatte sich eine Art Spiel erdacht^ das in folgendem bestand.
Er Hess sich in das Pell eines wilden Tieres nähen und kam aus
emeni Behälter heraus; in diesem Zustand stürzte sich der Kaiser auf
die Schamteile der an einen Pfahl gefesselten Männer und Fruiu'n.
Schliesslich Hess er sich, nachdem er. wie Sueton^) berichtet, seine
wüste Lust gebüsst hatte, von dein Freigelassenen Doryphorus er-
legen. Diesen nahm er sich dann zu seinem Gemahl in derselben
Weise, wie er den Sporns sich zu seiner Frau genommen hatte, und
ahmte auch die XOne ¥on Jangfiaaen hierbei naohl
Es giebt eine besondere Perversion des Geschlechtstriebes, die
sich bei hetaro- und homosexuellem Triebe findet^ und die ich noch
nicht genauer besohiieben finde. Ich will sie als Mixo skopie be-
zeiolmen, von fjUiig = die geschlechtliche Vereinigung und mt^mtur
zuschauen. Bs giebt nämlich, — ich erwähne zun&chst das, was sioh
auf die heterosexuelle Gesohleohtsempfindung bedeht — Ifftnner, die
ihre Befnedignng nor darin finden, dass sie einen andern den Eoitns
mit dem Weibe ansfthzen sehen. Vielleioht sind manohe solche Fille mit
dem Masoehismns^) Terwandt, den Kraf ft-Ebing so genau gesohildert
') Ambroise Tardiea: £tude midico-ligcUe sur tes (UlentaU auxmo^$.
Paria 185S. S. 127.
') Soetoos AistiblognipliieD, Terdentsoht Ton Adolph Btahr. 6b Bodi,
99. Kapitel.
- ) In der .Yenus im Pelz'* u. a. beschreibt Sacher-Masoch gmz analoge
Vorgänge. Ic)i führe folgende Stellen an : „FUr mich liegt im Leiden ein seltsamer
Bai% die Tynuinei, die OxBiuaiiikMt «nd vw aUem die Tieoloeigkeit eiaoe sehSeea
Weiliee fbeht mein« Leidengchaft sehi an.* . . . „Üm einen Vtiui Ittr immer sa
309
bat, Qttd 68 besteht da Btii fiir den Mann rieü^bt darin, ditt er
leidet^ indem er das Weib in dem Besitn eines anderan ^ht lob
weiss Terscbiedene derartige Falle, wo Männer in dieser Weise ihre
sexuelle Lündo befriedigen.*) Ähnliches wird auch bei der homo-
sexuellen Geschlcchtsemptinduiig beotiLiehtet, uud Tarnowsky-) hat
eineu interesdanttu liiurhcr gchOritrcn Fall beschrieben. Es handelt
sich um zwei Bräder, die ein Manu dazu abgerichtet hatte, einander
zu masturbieren ; er selbst sah zu, wobei er sich mitunter auch selbst
päderastisch beteiligte. Bei diesem Patienten tritt der Zustand übrigens
nur periodisch anf.
Tiberius soll sich in Capri gleichfalls dadurch sexuell erregt
haben, dass er sc xia lie Akte von jungen Leuten ausfahren liess, wobei
er nur zoscbaote.^)
Naeh dem Masochismus bespreche icb jetzt den Sadismus, d. b.
jene Erscheinung, die den Gegensatz zum Masochismus bildet, und
bei der der Geschlechtstrieb in der Neigung liLsleht, die geliebte
Person zu schlageL, zu ui isshandeln und zu demütigen. Der Name
kommt her vom Marquis de Sade, dem berüchtigten französischen
Kumanschriftsteller (1740 — 1814), der, wegen Sodomie, Giftmischerei
und anderer Greuel zum Tode vt rurteilt, im Gefängnisse Komane
schrieb, in denen Wollust uud Grausamkeit als verwandte Erscheinungen
geschildert wurden. Zahlreiche Schriftsteller haben auf die nahen
Beziehungen zwischen Wollust und Schmerz hingewiesen, und unter
pathologischen Verhältnissen in dem Schmerz des einen eine (Quelle der
fesseln, darf maa ilim nicht treu sein. Welche brave ist je so augebetet
worden, wie eine Hetire? In der Trealoaigkeit eines geUebten Weibes liegt em
scbmenhaftw Bds, die hSdiate WoHut*
El giebt anoh IUI«, wo M&nner ihre Haaptwollost dabei finden, dass sie
duas muiteres genitalia tambentes af^iciunt. Ob es sich hier nur um Wüstlioge
handelt oder am eine Perversion des GeHchlechtstriebes, die anoh bei anderen
Xlniiexn TOikommt, kann ieb nach dem hiaherigeu Katerial nküht «Btsoheiden.
Andi beim Sadismus, auf den iob Booh sn sprechen komme, geachielit die sexnelle
Erregung mitunter durch das Zuschauen, indem irgend ein {(rausaraer Akt, den
ein Weib an einem andern Maua oder an einem Tiere oder aach an einem Weibe
verübt, die Wollust des Mannes erregt.
') B. Tarne waky: Die knnkhafteii BneheinunKen des OefleUeehtniiinei.
ISne forensisch-psychiatrische Studie. Berlin 1886. S. 41.
') C. Siietoni Tranqu illi De rt'fa Cacsarum libri VUI. Libri lerli! cap. /.7.
Doch sind die Mitteilungen Suetons nicht gaox zuverlfisaig, worauf mich u. a.
Uerr Dr. üäberlin aufmerksam machte.
310
8*diimtt8.
Wollust iar den aüdöreu gefunden: Vogel,*) BlnmrOder, Krafft-
Ebing, Lombroso u. a. Zahlreiche Beispiele finden wir dafür, dass
der Schmerz des andereu Lost in demjenigen erweckt, der den
Schmerz znfQgt Dass aber die Znfnp^ung des Schmerzes gerade mit
den (Ipschlechtsfunktioueii im Zusaiumeuhang steht, das ist das Typische
des Sadismus. Wir würden also zum Sadismus nicht irgend eine
rohe oder grausame That rechnen,-) süudern nur solche Handlungen,
bei denen der grausame Akt eiru' Aiiregung oder einen Ersatz fttr
den Beischlaf*) bildet. Hierbei scheint es freilich nicht in allen
Fällen notwendig zu sein, dass an den Genitalien der Detaiiiescenz-
prozess abläuft; vielmehr scheint es einzelne Falle, insbesondere beim
weiblichen Geschlecht, zu geben, wo ohne bemerkbare Erregung an
den Genitoliwi doch eine eexuelle Grundlage bestimmter grausamer
Akte angenommen werden moes, das heisst, wo diese zum Sadismus
gerechnet werden mflssen. Bei der Liebe finden wir oft Andentangm
des Sadismus in der Thatsache, dass der eine liebende dem andern
Teil recht gern in Neckereien und Scherzen kleine Leiden zufQgt.
Sehen Knigge*) meinte, dass besonders Frauenzimmer ein gewiaaes
Teignflgen in kleinen Neekeieien finden und gerade den Pereoneib
die ihnen am tenenten auid, zecht gern nnrahige Angenbliofce mnehen*
- ) 6. O. Vogel: Em Beitrag aar gerieb taärzdichen Lehre von der Za-
recknnngafUhigkeit 2. Auflage. Stendal 1825. S. 184 f. Weitere Littenliir-
angibeii in: Albert Holl: Oatertadmqgaa ftb« die Libiio mxuaK», 1. Bind,
9, Teil. Berlin 1898. S. 701—708*
-) Wenn daher (in P%s?o/'>'7;> rh V Ammtr modern^. Fragments d'un ourrage
de (Jaude Larcher, reeueüiis et yuUu^ par Faul ßourget, Faria 1891) ge-
sagt iriid: „n y a eonune «m cadMim jerioimel dam nUn eonyiw'iaiiw dam
aBriakm »ortet de dotdem^, so lat dies nur mit dar oben geeebima Bin»
MbrSnknng richtig.
- ) Es kanu vorkümmen, dass der Sadibt bei dein grausamen Akte, z. B. beim
Schlagen, Würgen oder Blntigsteohen des Weibes, b«im Schlachten eine« Tittea,
SimeoergfiM hat; es ist abw aoeh möglich, dass der graOMine Akt nur als Ein-
leitnng znm Koitns, d. h. zur Erregtmg der Libido, benutzt wird. Hierher gehört
der Fall, den Eduard R. v. Hofmann (Lehrbuch der {gerichtlichen Medizin.
Mit pleichmäasiger Berücksichtipiir^? der deutschen und österreichischm Gesetz-
gebung. 7. Auflage. Wieu und Leipzig 18U5. S. BIO) und B. v. K.rall t-£biDg
(Psyckopathia uxmaH», mit bwondertf BertdcBiehtigung dw koBtriiea flexnal-
empßndnng. Eine klinisch-forensische Studie. 9. Auflage. Stuttgart 1894. S. 86)
mitteilen. Es handelt sich um einen Hann, der sich bei Prostituierten durch
Martern und Töten von HUhnern anburegeD pflegte. K&hereä findet sich über
Sadismus in Erafft-Ebiugs Psyehojpathia aexualis und in deaiselbea Autors
Nenea Foieohiingeii auf dem Gebiete der AyeAe^MCM» «MMola». 8. Auflage.
Mtgart 1891.
- ) Adolf Freiherr v. Knigge: Über den Umgang mit Menschen. Naoh
dem Ongmaitext beiauagegeben von V. Borends. Gen 1888. S. 176.
Sadlimiii bd Betaiwexiulkn.
311
Die Ton dem sadistiseben Hanne unter pafhologiBolien YeifaUt-
niesen an der weiblichen Penon verabte Handlung, die efeterem
senelle Bebiedigong Tenchafit» besteht bald In SeUSgen, bald in
YenrandoDgen, Besudelung aller Art, Fesselung des Weibes, endlieh
selbst im Mord, der als Lustmord bekannt ist Dass Notxooht mit-
unter auf sadletiseher Grandlage beruht^ ist wahrsoheinlioh. Interessant
ist ein Fall, den Erafft-Ebing anfahrt: tüa, Mann hatte nur ein
einziges Mal beim Eoitas ein WoUustgefiUi], and zwar trat dies ein,
als er sich ein Stuprum gegen ein Mädchen zu Schulden kommen
liess; kurze Zeit darauf übte er mit derselben Person nach deren
Einwilligimg deu lieisciüaf aus» uime aber dabei Woliustgefuhl zu
haben.
Wie viele Vorgänge in der Geschichte auf sexuelle Perversionen
überhaupt und insbesondere auf Sadismus zurückzuführen sind, das
läset sich mit Sicherheit kaum sagen. Wahrscheinlich aber ist es,
dass viele grausame Akte der Weltgeschichte in der sexuellen Sphäre
ihre Entstehung haben. Wenn wir die Thaten Iwans des Schreck-
lichen lesen, so drängt sich der Gedanke auf, dass bei diesem
Herrscher die sexuelle Libido manches zur Grausamkeit beitrug. Es
bchemt dies um so näher hegend, als von Iwans Sühne Demetrius
angegeben wird, dass er sich an dem Anblick der Tudeszuckungen
und des Blutes von Schafen, Hühnern und Gänsen mit Vorliebe ge-
weidet hat £s findet sich diese Erscheinung auch heute bei manchen
sexuell perrersen Indindneiv indem bei ihnen die Zuckungen von
Hohnem und Gflasen wfthrend des Schlachtens Erelition mit Samen*
ergoss hervorrufen.
Schon unter physiologischen Verhältnissen giebt es Vorgftnge
beim Koitus, die vielleicht eine Andeutung des Sadismus sind, wenn
auch die bewusste Absicht, Schmerz zuzufügen, hierbei nicht vorliegt;
dies ist 2. B. mit dem festen Aneinandeidrfioken und Fressen wahrend
des Beieehlafr der Fall Es kann hierbei sogar sn Bli^tigbeissen
kommen, wenn, wie Bonbaad in seiner Schilderung des Koitus sagt,
der Belssende im WoUustdelirinm ganx und gar den andern Tdl ver-
geese. Genau dasselbe findet sich auch bei dem Verkehr von Urningen
unter einander; idh hatte Gelegenheit, bei onem derselben gani
deutlidi solche Verletnmgen lu sehen, die beim sexuellen Akt herror-
gebraeht worden waren. In Beaug auf einen Urnmg wurde mir er-
laUt, dass er Wollust dabd finde, seinen Geliebten su missfaandeln;
doeh bsatiitt jener dies und leugnete nur gegenüber sogar seine
umiadiB Natur, Uber die freilich kein Zweifel mSglioh ist
812
SmUsduui bei fiom<Menielln.
Von anderer Seite sind sadistische Akte auf homosexueller
Grundlage veröffentlicht worden.^) Ein Fall, der wohl in dieses Ge-
biet gehört, wurde von Gyurkoveohky*) beobachtet Es handelte
sich um einen 15 j&hrigen Knaben P-, der einen 14jährigen Freund B.
hatte. Bei diesem war von der Mutter beobachtet worden^ dass der
EOrper, besonders die Oberalme, Hinterbacken und Oberschenkel mit
blauen Flecken bedeokt wuen. Es stellte sich heraus, dasB P« duieh
Geld den B. zu bewegen wusste, sich heftig kneifen zu lassen. Wenn
ß. vor Schmen weinte and schrie, wurde er von P. mit der einen
Hand geschlagen, während dieser mit der andern onanierte; er er-
klärte, dass ihm Hieshandlnngen des Freundes bei gleichzeitiger
Uaetnibation der grOeste Gennas seien. P. iat EpUektiker und hoeh*
gradig bdaetet
Foigender von mir beobaehtete Fall wflide gleiehftUa bieilier
gehören:
21. Fall. X., 31 Jahre nlt, aus wenig belasteter Familie, hat
gegenwärtig sexuelle Neigung zu Mimnern, die etwa im Alter von
17 — 22 Jahren stehen. Bartwuchs würde ihn bereits stören. Es kann
nicht geleugnet werden, dass X. ,aach eine gewisse Neigung zum weib-
lichen Oesolileobt bat; er sagt, dass eine hftbaehe Dame ^ kOnen ibm
dardiaiiB sidit nnangeuehm wtre. Abgeatoaeeii wird er enteehieden von
den wablicihen Prostitiiierteiit ebenso aber andk von dMk mtunliehen. Katar'
bttiaehen flben am eiheetea einen seznellen Reiz auf ihn m». PoUnftiaieB
dee Nachts treten stemlicb selten snf, X. erianert ftoh mehrerer
Trttome, die er dabei gehabt hat Sie beaogea sieh einige Male, wie er
genau m wissen glenbt, entschieden auf weibliche Personen, mitimter
spielten aber auch minn]iche eine Bolle. Die Onanie übt X. schon
ziemlich lange aas nnd zwar £ut immer mit verschiodenen ^lantasie-
Torstellungen. Besonders reizt es ihn, sich einen Mann, den er gern hat,
im Geschlechtsverkehr mit dem Weibe zu denken und sich die Lust vor-
zustellen, die beide Teile empfinden. Ausserdem aber ist für X. eine
besondere Idee err«'fjend, an die sich gloicb/eitig das sexuelle Empfinden
kuüpft: es ist dies der Gedanke an eine Hinrichtung, und zwar ist es
die Hinrichtung eines ihm sympathischen und ihn sexoell erregenden
Man f^bte fMOier mitnater, wenn ein Homeeexaeller an einen niinn-
liehen Individanm eine Körpeanrerletaang oder sogar einen Mord atufQbrte, dass
dies eine besonders bei Homosexuellen vorkommondo gremeingefiüurhche Handlung
sei. Indessen iat dies, wenn es auf sexueller Basis beruht, eine besondere, seltene
perverse Handlang, die in analoger Weise, wie oben augedeutet, auch
bei beterosezaellem Triebe vorkommt
- ) Victor Oynrkovechky: Pathologie nad TheESfie der ntanUchea
Impotenx. Wien and Leipng 1889. S. 80.
SMÜnmii bei HfflMffltMnMM<>iir
313
MaaneB, die er ndh hierW stets nut Vorliebe in der Phantasie Toxstellti
so dass er maiatens die Mastnrbation bei der PhaniasieTorsfeellnng der
HiariditiiDg «nes ibm sjmpathisdiMi jnngett Hannes aoaf&brt Li den
nSchtiiehen Trftomen haben diese Hinriehtimgsideen übrigens gleichfalla
Bedeutung bei X erlangt; die PoUntion erfolgt aaweÜMi beim Tnutme
der Hinrichtung.
X. hat niemala mit einer männlichen Person verkehrt, aber auch
den Koitus mit einer weiblichen Person hat er nie ausgeübt. Er kann
selbst nicht angeben, wieweit seine Pf;rversion zurückreicht, da sie sich
gar.7. allmählich entwickelt habe und er sioh erst aiemUoh spät über die
Bedeutung seiner Ideen klar geworden sei.
X. macht sonst einen durchaus miinnlichen Eindruck. Alkutalls
kann er als leicht nervös bezeichnet werden ; aber im übrigen ist jeden-
falls von Zeichen der Effemination bei ihm nichts nachweisbar.
In der Litteratar sind auch sonst Fälle Ton Sadismas mit homo-
sexaoUer Neigung bekannt geworden. Sie betreffen teilweise Knaben,
denen Misshandlungen und Verstümmelongen zugefügt wurden. Seiner
Zeit bat besonders der Fall Zastrow Aufsehen erregt , über den
ülricliB in „Incubus" ausführlich referierte; Zastrows N^oigung
geborte wesentlich unreifen Knaben; kriminell wozde er durch Akte
Ton Grausamkeiti die er an Knaben Torgenommen haben sollte: Biese
im Gesicht, Abedmeiden der Testikel, Diosselang.^)
ülrioha*) hat im AnsohluBS an diesen Fell in „hmbmi" noch
eine Beihe anderor aadiatiaeher Akte Yon ünungen ana Teiaehiedenen
Zeiten geaammelt. Er erwähnt den Hagiater JoUns Pellanda an
Landaberg, der 1713 die Enaben so nnb&ndig Hebte, daaa er ihnen
aoa Wottnai in die Wangen biaa; feiner einen Urninge der vor Wonne
Jaoohate^ wenn beim OeaoUedhtaakt der Ton ihm miaahandelte Mann
sieh Tor Sduners krflmmte; er erinnert an J. GOrrea* Anaaproeh:
nDer Zengongsliiat iat Terwandt die Mordlast*^; Ulriche erwflhnt den
Marqnia de 8ade, der aeine granaamen Handhmgen an Knaben
ebenae wie an Ifildchen Tembt hatte.
Magnan*) beriohtet yon einem jungen Manne, der die Keigung
^ Vielleicht gehdrt hierher auch ein von Lim an im Handbach dergericht-
Uehen Hedisin TwOffsntiiohter Fall, wo dn Hann einan Knaben, mit dem er
rnntnelle Onanie getrieben hatte, am Penis so ferletste^ dasa eine danenide BntF
atellung bei dem Verletzten dadurch hervorgerufen wurde.
- ) Karl npinrif^b ülTicbs: Incubits. Urningsliebe und Blutgier Eine
Eriirteraug Uber krankhoxte Gemtttiiailektion und Zorechnuagsfübigkeit. Verauiasi>t
dnroh den Beriiner KriminaHhW toii Zaatrow. Bit 15 ElUflii Terwandter Natnr.
Leipzig 1869.
- ) f.' Session erimineUe nwrinde, übersetzt von Dr. Lewald, Bete's
InreMreond Nr. 3 and 4. Sep.-Abdr. & IS.
314
8idiBiiiiu bei HoaMnuflUen,
liatte, Ffanen oder Snftben Floadi abxaiolmeidflii und dies eehliese-
Hcli bei eich selbst Chat Vorwiegend waren allerdings bei dem Hanne
heterosexnelle YorsteUnngot, aber es waten aooh homosexnelle nieht
ansgesdhlossen. Bbenso reofane ieh hierber einen Fall von Eiernan.
Es handelt sieh om einen etwa 70Jibrigen Mann, der in sezneller
Besiehnng gegenfiber dem Weibe wenig oder nidhts empfindet^ hin-
gegen dnreb Sehläge, die er einem kriftigen Manne oder Knaben
giebt» boohgradig gesohleobtUoh emgt wird. Der Mann war im Stande^
den Beisehlaf anesutlben; sber es geschah dies besonders nur dann
mit BeficiediguDg, wenn der Mann sieb Torstellte, dass ein anderer
Mann stark gepeitscht würde.
Hierher könnte man wohl auch einen Fall rechnen, den Alexander
Peyer^j in Zürich beobuciitete. Der Geschlechtstrieb eines hier ge-
schllderteu ÜLinnes X. wunle nämlich durch zwei besoudere Dinge
angeregt: durch diu Aübiick schöner, wohlgepfl^fter Fingernägel und
dorch das Zusehen bei Kaufereien und Balgereien von Scb ulk nahen.
Besonders das letzt€re reizte den X. in hohem Grade und führte bei
ihm zu Ejakulation, üie Begierde, sich solchen Reiz zu verschaflTen,
war bei ihm so gross, dass er oft die Zeit erwartete, zu der die
Schüler aus der Schule kamen, um sich ihre Kautereien anzusehen;
ja er gab ihnen Geld, damit sie eine solche Bauferei in Seena letzten.
Der Mann stammte aus einer nervös belasteten Familie und war
selbst mitunter an der Grenze des Irreseins angelangt. Wahr-
sclieinlicli liegen auch hier sadistische Neigungen vor. Es können
nämlich solche Neigungen sich auch darin zeigen, dass der Betreffende
nicht selbst als der thfttige oder leidende Teil erscheint, sondern dass
er die geschlechtliche Erregung dann empfindet, wenn ein drittes
Individanm gemisshandelt wird. Auch auf heterosexaeller Basis
kommen solche Fälle Tor; bei ihnen liegt die Sache dann 80, dass
ein Mann X. sexuell durch eüi Weib T. besonders dann erregt wird«
wenn dieses sich einem dritten Individnom, Z. gegenftber, gmnsam
zeigt Hierauf beruhen Fälle, wo Mftnner sexuell erregt werden, wenn
das Weib einen andern Mann soblftgt nnd missbandelt» oder aneb
sieb irgend emem Tiere gegenfiber rob nnd graossm lägt Eiaeii
IUI, wo ein Mann nm erregt wird, wenn das Weib einen Ksofa
sehlaobtet, babe ieb ?erÖifentIiobt*) Bs smd mir noeb mehrere andere
M Alexander Peyer: Ein Beitrag znr Lehre von der konträren Sexnal*
eiupiindung. Httnchener modisinische Wochi nschrüt, 10. Juni IBdO, Nr. 23.
') Albert Moll: Uiitor8achiiii)$eu über die Libido sexsualis. 1. Band, 2. TeiL
Berlin IfiOB. & m
BaiafieL 315
Fälle bekannt geworden, z. B. Fälle, wo Männer sexuell erregt werden,
wenn das Weib einer Taube den Kopt abreisst, ein Huhn 8chlachtet,
ein Pferd schlägt oder spornt ii. s. w. Analoga dieser Fälle auf
homosexueller Basis besteben gleichfalls, iüeihei würde z. B. der
folgende Eall gehören.
22. Fall X, 23 Jalne aU^ Btanunt rat emor otwas nervOsen Familie.
8ohw«rertt XnaUittten toU«ii »bw in der Familie niehi TOigdconuneti
sein. X. erinnttrt «iefa, dut er bereits mit 7 oder 8 Jalureu geeddeoiit-
Hcha Neignqgen in Ifibmem batt«^ nnd swar aind ea beaondera Hfiimer
m Pferde^ die ibn geaehleehtlieh emgeii. Über aeine H eigmigea erkUrt
X. folgaodea:
„Ala Bjiabe yoo 12 — 18 Jabrea wurde leb, aoweit icb midi erinnere,
daa ante Hai aexne]l erregt» nnd zwar dnreb einen SobntimaDn, der aun
PCnrd aponte. Idi ipraob darilber mit «nem Sebolkameraden, m dem
miob eine nnerUirüeb übertriebMie Sjrmpatbie damala lunaog. Bei aeiner
Wiederiiolnng der BeMdireibnug dca Yovgaogs beim Sponien batte ieh,
wie schon vorher, Erektion. Derselbe Knabe erkltrte mir anoh die
OnaoiOi die Uh nnn mehrfach ansübto und zwar immer unter der Vor-
atellang von spornenden Reitern. Sp&terhin trat das Kelten mehr zurück
und die Person des Reiters mehr in den Vordergrund. Kr&ftige sohOne
Männer regen mich auf, besonders im Reitkostäm mit prall anliegenden
Hosen nnd Lackreitstiefeln, die bespornt sein müssen. Die Phantasie ist
80 mttchtig, dass mich auch schon blosse Reitstiefel oder Spor^'n auf
sexuelle Gedanken bringen können. Die grösstc AnfrcLunEf rufen aber
schöne Männer zu Pferde hervor, besonders wenn ich sehe, dass der
K«iter sein Pferd spornt udtir sonst seine Übermacht über dasselbe fühlen
Ifisst. Das i'bantasiegebilde bei der Ontmie ist folgendes : Ich sehe einen
Beiter, einen schönen Mann, meist einen solchen, den ich wirklich gesehen
bebe, wie er dem Pferd die Sporen in die Weieben etösst» dass es blntet,
nnd er daaaelbe dabei am Zfigel sorflekbilt, aodaas dem Pferde der
Sobaom vom Manie trieft
^ regen mieb aneib aonat elegante nnd aebOne Iftaner aaf; be-
aondera aebOne KavallerieofBsiere, aber aneb Leute anderen Staadea» die
Kraft nnd Mfenalidikalt ▼«mten.
,Jeb reite aelbst bier nnd da« nnd bebe regelmlang eine Iljaknlatiott
zu Pferde. Ldi behandle dann das P&rd aelbat in der oben angedenteten
Weiae.
„Die Onanie betreibe ich hie bente immer nnter derselben Vor-
stellung. Die schädlichen Folgen zeigen sich in grosser Nervosität, die
sich wieder zeitweise in Schlaflosigkeit, Angstgefühl, ungemein leichtem
Schwitzen, Schlalfheit, Willenloaigkeit nnd Arbeitannlnat, sowie in
kindischer Eitelkeit äussert.
316
„Mein seneller Verkehr mit dem Weibe beaehcBiikt sidi bia heut«
raf 15 bis 20maligeii Bdeohkf bei (HfisntHoben MLdehen. Derselbe ist
regelmSasig vor sich gegangen; dodi mnsste ich in letzter Zeit oft die
erwähnten Phantosiebilder sa Hilfe nehmen, um Erektion and Ejaknlation
m eneicben. Zu ersterer bedurfte es fiberdies »lertt menueUer Friktion.
„Welbisoibe Anlegen bette ieh eigentlich immer. Als Kind nihte
ieb gern Fnpi>enUeidcr und beschäftigte mich mit häuslich • wirtsehafV
liehen Dingen. Aber ich fand auch Gefallen an Knabenspielen und liebe
sehr den Sport: Bedfahren, besonders nat&rliobfieüeni Tomen, Schwimmeo.
^en Fonds von Liebe — die natürlioh ran von allen sexuellen un*
Isateren Trieben ist — , über den ich verf&ge, habe ich nahen Ver-
wandten, insbesondere mehreren Qescliwlstem, und der Kunst in jeder
Form« besonders der Musik und dem Drama, zugewandt.
„Ich bin jetzt 22 Jahre alt. Seit ich mir meiner sexuellen Per»
Version bewusst bin, f&hle ich mich, wenn ich allein bin, recht traurig
darüber, obzwar ick hoffe, daes ich davon geheUt werden könnte. Mein
höchster Wunsch war immer, gesund zu sein und auch zu scheinen, d. b.
kräftig und gesund auszusehen. Da ich rop'me sexuellen Anlagen, be-
sonders die Onanie, als ein Hindernis erkenne, möchte ich sie unbedingt
beseitigt wissen, und zwar entweder dadurch, dass die natürliche Lust
zum Weibe eintritt, oder dass der Trieb günzlich unterdrückt wird, oder
endlich, als letzt« Eventualität, falls das nicht gesundheitsschädlich, durch
Verkehr mit dem Manu."
In diese Kategorie des bomoeenelleii Sadienras dfliften woU
ancii maacbe EUle gehören, die niobt weiter vigaeiuohaftikdi ge-
wflrdigt weiden, und die wir nur ans Gerichteverbandlnngen kennen,
s. B. der Fall, wo ein Peetgehilfe B. dnioh die krankhafte Qaickt,
Kinder in prflgeln, anf die Anklagebank kam. Er aelileppte ^en
Knaben anf eeine Stnbe, wo er ihn „prafte^ und als der Sehfller in
der Kaiaergesehiehte nicht genügend bewandert war, sHohtigte er ihn.
Wegen der Miaehandlung wurde B. in einer Geldstrafe Temrteilt.^)
Der Fall erinnert nngemehi an mehrere Ton Albert*) TerOlfenfliohte
und schon fiHher orwihnte FiUe, wo der Yorsteher einer Briehnngs-
anstalt mehrere Knaben angeblich deshalb schlug, weil er feststellen
wollt«, wie weit man es mit der körperlichen Zachtigung treiben
kOune, um m ciuem pädagogischen Werk die Greoze genau zieheo
zu können.
') Frankfurter Zeitung vom 12. Mai 1897.
- ) Albert; Missliaudlung aus Wollust, Blätter Tür genuhtlicbe Authro-
polugio, henmsgogeben vea J. B. Friedrei^, lOi Jahrgang 1859, 8. Hell, 8. 77.
Sadismos twi HomoB«xn«llML
317
BndlidL sei hier aas einem Baehe,^) aa deswu Titel and Inhalt
man lonet viel&eh Anetoaa nehmen wiid, das aber olfonbar auf
Giand genanear Infonnationen gesofarieben ist^ dn Fall erwShnl^ wo
ein alter Herr eine eigentflmlioh sadistische Scene sn dreien aoffbhrte.
Ein Enabe Ton etwa 16 Jahren musste eintreten, sieh entideiden und
dann am Tisehe Fiats nehmen, an den sich anch der alte Hann
setste. Anwesend mnsste femer noch dn junges Weib sem, das eich
aber nur passIr verhielt Der Eoabe mnsste als ein SehuljuDge auf-
treten mid hatte eine Lektion herzosagen, und nan empfimd der be*
treffende alte Hann ein besonderes Vergnügen, den Knaben, so sehr
dieser anch schrie, zu sclilagen.
Zwei historische Notizen seien noch an dieser Stelle gegeben, die
als Sadismus mit Homosexualität aufgefasst werden dürfen. Tiberins
liejs« Männern, nachdem er ihnen viel Wein trinken gegeben Ijuttr,
das Schamglied so zasammenhinden, dass sowohl der zurückgehaltene
Urin als auch die fest angezogenen Schnüre ihnen starke Schmerzen
verursachten. Der andere Fall spielt im Mittelalter; der berüchtigte
Prozess fand im Jahre 144o zur Zeit Karls VIT. in Frankreich statt.
Ein französischer Marschall Gilles de Laval, Sir de Rayes,^) hatte
hunderlti von Kindern genotzOchtigt und getötet, darunter viele Knaben.
Er wurde zur Strafe dafür 1440 verbrannt Was die Ätiologie be-
trifft, 80 ist das Geständnis von Gilles de Laval interesssnt, der
behauptete, er sei durch die Schriften von Sueton, der die sexuellen
Verirrungen der römischen Kaiser beschrieb, veranlasst worden, wider-
natürliche Unzaoht and perfeisen sexaeUen Verkelur zu treiben.
Einen Fall will ich noch besonders schildern, der einen mit
konträrer Sexaalemphndung behafteten Herrn betrifft Der Fall ist
sehr merkwürdig in seiner Art, er hat viele Behörden beschafticrt und
ist mir von mehreren derselben freundlichst mitj^eteilt worden. Es
ist nach dem Verlaufe des Prozesses, der Gericht und Polizei in
gleicher Weise in Anspruch nahm, zweifelhaft, ob es sicli um einen
Dommenjnngenstreich oder nm einen krankhaften Vorgang handelte.
Das Interesse, das der Eail*) bietet» ist jedenfalls kein geringes.
MSmoim de BeHh» Lmty nMtil6» tUt^mim». NouvMe UUitm ühuMe
pat R Bonnet BnaxUes. S. 114 C
In neuerer Zeit hat Huysmana ia Li^Bae das Leben und die Hand-
langen des UarscbalU ge»chiiderL
') & ist identisch mit dem vun Lewin im Neurologischen Zentralblatt
1891 Nr. 18 TerSlbiitUcbleii FalL
318
FoBMiwcher fall voa MModuaras.
Kk hjuiilelt sich um ciiitu Herrn X., der mit kontrilrer Seinal-
empfindung beb.iftf't ist. X. lebte im Auslände und hatte von da
aus einen Diener Y. engagiert, ohne ihn persönlich zu kennen. Nnn
liess X. in der Provinz eine Villa mieten, in der er den Y. wohnen
liess, wübrend er selbst im Aaslande blieb* Von hier ans erteilte er
dem y. brieflich den Auftrag, einen gewissen Z. durch Gewaltthatig-
keit zur Päderastie abzurichten. Z. wfktde, wie X. dem Y. brieflieh
mitteilte^ zu Y. in die Villa kommpo und ?:w;ir mit einem Briefe von
X.; an dem Überbringer des Briefes sollte alsdann Y. sofort seinen
▲nfbng ausfuhren. Die Instruktionen, die X. dem Y. erteilte, sind
80 merkwürdig nnd so cynisoh, dass man, wenn man nioht den Ant-
gang kennt, den X. für «Inen der gemeingefilirfiohsten Menschen
halten rnosste. loh lasse die Anweisungen Im einielnen folgen. loh
bemerke nur, dass idtk alle anstOssigen dentschen Ansdrfloke nnd be-
sonders die lahlrdohen der gemeinsten Spraehe entlehnten Worte
lateinisoh wiedergebe. Die Instroktion ist Yon X. dem glaofafaUs
nmisohen Y. gegeben behnft Abiiehtang des Z. zur Fiderastie.
% 1.
Oleioh am ersten Abend, w«an Da ihn glftoUioh beim Stahlen der
aüberoen Löffel abgtfasst hast,') sohliesse alle Thoren ab nnd sage ihm,
daas Da ihn als ^tabnben sofort ins Gefilngnia bringen laaaan wirst
Nun sagst Du ihm noch, dass Da von mir seine Briefe, die Du vf>r*
brannt hast, gesohiokt bekommen hast, and daaa Da damit auf die Poliiei
geben wirst.
Non wird er sohaaderhafte Angst kri^en and Didi am Gnade and
Batmhendgkeit betteln.
Jetst sagst Da ihm, dass Da ihn nicht anseigen wirst; ab«r er soll
als Knecht ohne einen Pfennig Lohn bei Dir dienen, solange Du willst
nnd nebenbei Deine Mordrw aeiB and alles sich gefallen lasaen, was
Dir beUebtl
S2.
Wenn er einwilligt, so mosst Da ihn gleich am ersten Abend sahm
maehen. Da siehst ihm seinen Bock ans and bindest ihm die Hlnde
wie einem Gefiuigenen fest auf den Bflcken. Dann siehst Da ihm seine
Stiefel aas nnd seine Strfimpfe^ nimmst ihm alle seine Sanken weg nnd
ttast ihm nichts als seine Hosen nnd sein Eemde.
>) Der Betxeflimde sollte wat diese Weise anseheinend geswoagen werien,
sich allen Misshandlangen zu nnterzichen ; vgl. ucten die Stelle, wo gesagt wird,
das» er nur die Wahl swisehen ÜlMMrgabe an die PcUaei und der Sklaveiei habe.
Fonnsisolier Fall voo MMoohiumm.
318
Dann rufst Du Deim Kam« raden, die im Hause wohnen. Ihr setat
Euch gemütlich hin und trinkt das Fässchen Bier, das ich Euch für
diesen Festabend schicke, und raucht die Zigarren, die ich Euch senden
werde.
Wenn Ihr alle so iu der richtigen Laune seid, eius vcslem delraJutls
et faciiis quae vultü. Erst muss er Euch allen die Füsse waschen, und
^am kdtmt Hu- semen eiaculare in ekts 08 dM mida deure naHlms
vestris, wie es Eaoh gerad« SpwB maehL
Mit Htm. Kerl kOmit Ihr die grihnten Qeeoluchtea maohen; dena der
tot sicih alles gefiiUen.
§4.
In der Nacht wird er an die beiden Ketten gelegt, eine um den
Hals und eine vm den Fuss; denn wenn er anAiieift, ist es out Deiner
ganzen Hcirliahkeit ans.
§ 5.
Znm Schlafen bekommt er ein Bund Stroh und eine alte Decke;
kein Bettt
g6.
Jeden Abend moss er Bnoh allen die Fflsse waschen, was im heissen
oonuner eine grosse WoUthat ist
§ 7.
Bei Regenwetter darf er mit Pantinen laofen» damit er eich nicht
erk<et
§ 8.
Jeden Morgen lässt Du ihn rasieren und giebst ihm zu diesem
' Zweck 10 Pt
§ 9.
£r dar! nur reden, wenn er gefragt wird.
§ 10.
Wenn Dn ausgehst, oder wenn niemand an Hanse ist, legst Du
ihn an die Ketten; dann kannst Du sicher sein, dass er nicht wef^inft
oder Dommheiten macht
S 11*
Wenn Da ihn prfigekt, dann machst Dn das auf rassische Art:
Da stallst eine Iieiter liemlioh steil an die Wand ond bindest ihm
die Füsse unten an ond die Binde Uber den Kopf an die Sprossen.
Dann ddrahw eius vestem. (Denmdas eum, si vis.)
Mitten am den Leib kommt auch oin Strick. Dann nimmst Du
Deine russische Peitsche und ziehst ihm ein Paar über die NcUes
demidaias* Prflgele aber niemals mit voller Kraft, denn er ist ein sehr
320
WorauktAun Fall von llliooliuimiis.
schwächlicher Bengel, und was ein krlltiger Manacb gar aiollt fthlt,
thnt ihm schon forohtbar weh.
8 12.
Bei jedem Uqgehomm wird er geprl^geltt
S 13.
£r hat jede Arbeit zu verrichten, die im Haase nötig ist.
% 14.
Shm werde ich Dir niMdi einige Arten Ton Yei^gnAgen aofsdireiben,
die man eben nur in Rnsdend nnd in der Türkei kennl
§ 14a.
Die Arten sind zwar ein bischen gemein, aber wenn man einen
Ki'vi liat wju Du, den man zu allem gebrauchen kann, so soll man sich
dieses Wollustgefühl ja nicht entgehen lassen.
Hier in Russland muss man i'ih- solchen Gunusä ein riesiges Geld
xahlen nnd Da Glücklicher kannst es umsonst haben.
§ IIb.
Denudas te ipsum eumque. Leinde coltocas te in vetUre cUlerque
pedes tuos lingm latnbere ddbet^ praecipue inter digitos et planUm
lotigum tempus; si eredionem hohes, decumbis eo modo ut edier una
manu memhrum tnum aJtcraque fesiicuhs fuos fricct; codcm tempore
naies tuns himhcrc debct linrfumnqn/! immiticre in anum tarn profunde
quam poteM, qnmd eiactUcUionem seminis hohes, Id esi pukherrimwn
guoä habere possis,
§ 14 c
Denudas eunt ciiisque manus iUetfas posf terrjum Hijasquc quoquc
pcdes ; coUocas cum m dorso, facietn supcriorcm, niemhrum in eius os
immitti^] sie seimn iuum eiactdatur, ei non licet exspuere semen;
potius membrum tuum in aUerius ore manet quioad devoravU uUimam
gutUm, SimpUd moda aä hmc ßnem pervman potes, Imte immäo
dUmis Caput, si 8§mm eiaaUalur; üa deM deoorare uimm wUt
Das ist tOzkisebe Sitte.
§ 15.
Wenn er alles gelernt hat, schreibst Du mir, dann komme ich
selber, überzeuge mich nnd sahle Dir 500 M. Eztra-Belohnong.
Am mekten liegt mir daran, daas er limgtta lambere pfOsU atgue
in eius os semen riaculefur, dum smen non exspmL Die Regeln hast
Dn jeden Tag dnrehsnlesen, damit nicht das kleinste vergessen wird.
hk diesem Babh Ist gaus genau angegeb«!, was Du mit Dflinem
Knecht sn maohen hast, nnd ich bitte Dich su Deinem eigenen Vorteil,
alle meine Anordnmigen gans wOrtliflh bis ins Ideinste sn befolgen.
VfHMuMMr IUI Ton Ibaodiiimiia.
321
g 16.
Zur Nahrnqg giebvfc Du ihm yiü Mileh, Sehwanlirot, WaiBer, Bier,
OeuflM, Kobl, Rftbflo, Erbsen, Karfeoffetai; Sonntags nur con w«itg Flaisdu
§ 17.
Jeden Sonntat? Vormittap von 10 bis 12 ist seine freie Zeit, da
kann er ausgehen. Da kann er auch Stiefel und .Strümpfe anziehen.
Aber sonst in der Woche niemals. Wenn er aber nicht Funkt 12 Uhr
zu Hanse ist, wird er geprügelt.
§ 18.
£r hat also bei Dir vor allem zu lernen :
1) Garten- und Toldarbeit verrichten.
2) Kleider und Stiefel putzen.
8) Treppen scheuem.
4) An der Kette nachts zu schlafen (Kette um den Hals und
am den Fuss).
5) Semem Henn die FQsse wnicben.
6) Z/f m 08 semm mneiatur atque ipse aemm deoard.
7) Pedes natesque lambere.
Ich halte Wort mit allem, was ich versprochen, das weisst Dn, also
nun halte auch Da Wort and vollziehe wOrtiioh alle diese meine Befehle.
§ 19.
Jeden zweiten Tag schreibst Du mir ganz genau mehrere Seiten
lang, wie sich die Sache mit Deinem Knecht macht, und was Da mit
ihm anfängst.
Diesen Brief muss jedesmal Dein Knecht auf die Post tragen und
iwar eingesohrieben aufgeben and Dir den Qaittungsschein bringen. Ich
will nftmlich, dass er genau wmss, dass Da mir fertwihrend sohreibat,
damit er sieht, dass alles anf meinen Befehl gesdiieht.
§ 20.
Wenn er Euch abends im Hanse bedient, vcstcni ih trahcrc dehet.
Im Hause als Euer Knecht hat er nadits immer YoUstBndig naokt,
höchstens im Hemd zu gehen.
Alle diese liegein wirst Du jeden Tag genau dardilesen, damit
nichts vergessen wird.
Teile mir sofort mit, ob Du bereit bist, gewissenhaft bis ins kieinste
alle Vorschriften in den beiliegenden I'apieren auszuführen.
Hiermit übergebe ich Dir meinen früheren Diener zur Bestrafung
für alle seine S^itabahmstreiche. Alle seine Sachen mit Ausnahme von
Hemd, Hose and Pantinen gebOren Du:; aodi alles bare Geld, das Da
bra ihm findest, ist Dean Eigentam.
Za allem, was Du mit ihm machst^ hast Da meine Znstimmnng.
Voll, Koalr. WnatOamitmbam. Sl
822
FoteMiaohar Fall JtaaooUiaiiis.
Kr hat die Wahl! Entwpclfr ohne Widerspruch, ohne Lohn, alle
Deine Befehle 711 erfüllen, oder von Dir sofort der Polizei als Dieb über-
geben za werden.
Da bist kÜDftig sein einziger Herr ond Gebieter ohne Gnade und
Jßrbarmen.
Am 21. Au^nist komme ich selbst, jeden Mittwoch und jeden Sonn-
abend erwarte ich Brief mit Bericht umgehend. X.
Dies amd die Befehle, die X* dem T. brielUeh nutgeteUt hatte,
um den Z. sor Fldeisetie absoiiditeii.
Bs war nim bereite Ton T. in X.'e Auftrag eine YiUa gemietet,
in der er den Z. erwartete, am aeinen Auftrag annoftUiren. Z. aoUte
einen Brief dee X. an T. Oberbringeo, ond der Überbringer aollte eben
Ton T. gleieli featgehalten werden. In der Thnt traf einee Tages in
der gemieteten Villa bei 7. der Z. mit «inem Briefe Ton X. ein. Doch
gelang es dem Z., selir bald wieder das Hans an Yerlanen nnd sa
entkommen, sodass T. seinen Auftrag nicht anefUiren konnte.
Was aber nun in der ganzen Sache das Merkwürdigste ist, ist
der Umstand, dass sich nach kurzer Zeit durch dm üntcrsucLungen
der Behörden herausstellte, dass X. und Z. eine Person waren. Es
hatte mithin X. dem Y. eine Auweiaung gegeben, ihn selbst, d- h, den
X. zur Päderastie durch Zwang abzurichten und ihn zu misshandeln.
Soll man bei einem solchen Vorfall nun annehmen, dass X., wie
er es darzustellen suchte, sich nur einen Scherz habe machen wollen,
oder soll man den ganzen Vorgang auf masochistische Neigungen des
X, der an konträrer Sexuaiempliii luug litt, zurückfahren V Dass X.
verschwand, als die Sache mit semer Fesäelnng und Misshandlang
ernst werden sollte, das steht mit der Annahme des Masochismus
nicht in Widerspruch, da ihn vielleicht die Persönlichkeit des früher
von ihm nicht gekannten Y. zu wenig lockte, um ihm gegenüber den
Sklaven zu spielen. Auch wäre es möglich, dass X. trotz seiner
masochistischen Neigungen im letzten Moment Furcht vor den Miss-
bandlungen bekam. Einfach einen Scherz anzunehmen, das scheint
mir bei so weit vorgeschrittenen Vorbereitungen nicht richtig. Wenn
man nicht Masochismus ^) anninmit, so bleibt nur übrig, den ganien
Vorfnl! nns anderen Gründen auf eine vollständige Zoredinange-
nnfiUiigkeit des etwa 30 Jahre alten X. loraekanfOhren.
') Di» Annahme des Masocbismas ist durch InlomiatimMIl, die loh privatim
Aber den sonderberwi Fall erbaUen habe, bestätigt worden.
Neigung lo Oadflni.
323
Naohdem ich Im Torhergehenden unter den sexuellen Perrenionen,
die sieh an die kontdU» Sexnalempfindung aneeUieseen, den FetieahianraB,
den Ifasoeluemiu nnd den SadismiiB beeproetaen habe^ will idi nnn
zum Sohlnes nooh kon einige weitere Perrenioneii beiflhren, die
wiedemm eine vollkommene Analogie snr eeiaeilen Perrenion Im
heterosexoeller Neigung bieten. Ebenso wie es heteiosexnell fühlende
Mtauier giebt, die niobt zum ansgewscbsenen Weibe, sondeni in un-
reifen Midehen^) sieh getrieben (Ahlen, ebenso giebt es Uniinge, die
nieht den Mamii sondern den Knaben lieben. Bass diese besondere
Neigung bereits im alten Griechenland bekannt war« sei hier nochmals
erwähnt. Es geht dies schon daraus hervor, dass Pausanias in
Pia tos Gastmahl ein Gesetz verlangt, durch das die Liebe zu Kmdern
verboten wurde. In Linir gerichtlichen Verhandlung, die 1856 in
Aniiens stattfand, kamen diese Dinge besonders zur Sprache. Es
war dort ein Mann angeklagt, der gewohnheitsmässig kleine Knaben
zu sich lockte, um mit ihnen unsittliche Handlangen vorzunehmen.
Tardieu berichtete ausführlich darüber.')
Nicht in allen Fällen wird, wie man gewulmlich annimmt, von
den Homosexuellen der Verkehr mit unreifen Knaben verabscheut. Be-
') £ioattlbeiteii Uber die Prot>titutioD der Mind&rjahrigea siehe bei F. F. A.
Beraud: Lea fiUe$ pubtupia de Bari» el PoUee qm h» regit. U, Pom et
LeipK^ S. 211; bosonder.s aber bei Luuis Fiaux: Les Maisons de
Tolh-nnrr T.*^fr fenneture. Troisu me Mition. Paris 1896. S B4— 87 und flf.
Ferner über euglische Zustände die berühmten Enthüllungen der Fall Mall Gaxette.
(Sensatiooelle Enthülliiagen aus London nach Berichten der Poll Mall Qaxette.
VoUHindifO Übersetanag m» dem Englisoben voo FlrolaeBor Friedrieh Dornech.
Hamborg: S. 10, 18, 82 n. s. w.) Femer: Behrend: Die Prostitution in
Berlin. Erlangen laW, S. 221 und 222, der auf Grund von Berichten einos P li. ni-
beamten Tal bot Zahlenangpaben Uber die Prostitution der Minderjfthrigcn ia
London maehte. loh entnehme diese Mitteilungen dem Bnehe: Du W«db, Fragmente
aar SthÜc and ftycibologie am der Welttitteratnr, lienwgQgebeii vcq Paul
T. Gizycki. Berlin 1897. S. 6t)2. Ida Grftfin Hahn-Hahn (OrienCalisohe
Briefe, 3. Band, Berlin 1844, S. 330 f.) berichtet von Ehen bei Arabern, wo 40
oder öO Jahre alte Männer neun- bis zebiyähhge Mädchen heiraten. Vgl. auch :
PaalBernaTd: JDtot oMmfoto ä Ia ptNiwr mr Im jwMIm filke, Paria 1886 mi
0. Commenge: La Broetüutim dan^tfine ä Parie, Pari» 1697, wo nhl-
reiche Stellen des eralen Kapitels die ProetitatiOD nodi nicht geaohleohtBieifBi
Mädohen betreffen.
- ) Andere hierher gehörige F&lle finden sich in Oaspor nnd Limaui
fiaadtaieb der geriohtUohea Hedialn; maaebe derartige flUe und mit Sadismiig
Terinmdea, der gerade im Verkehr der Homosexuellen mit onrelfea lQ»beii Sfler
•fonukommfin scheint als bei fiexuellera Umgang mit Erwachsenen. Vgl. auch
das Gutachten Caspers im Falle der Ermordung; des Knaben Hanke dnrch
Johann Oieser: Johann Ludwig Oasper, Klinische Novellen snr gericht-
lidüB Xediata. Naoh eige&ea Ezfmhrangeiu Baiün 1868. & 999—804.
21*
324
Nfigimc ra uuraiCni Knabm.
flonden Mbes wir, dan viele Urninge in Quer eigenen Knabenseit m
nngelShr gleiebalterigen Knaben neigen, ako ancli an niolit mauntMoea
Fenenen. Es mag dies in lahlreiolien FlUen mit dem Stadtnm der
Undiffetensieräieit dea QeBohlechtBtriebea aneammenliingen. Bei er*
wachaenen ToUkommen geeebleohtareifen Homoaexaellen tat die Neignng
an ganz nnrdfen Knaben seltener, kommt aber gdegentlieli vor. Ea
ist aebver an entseheiden, ob diese Ffille mebr oder wemger patho-
logisch lind ala die EUle von Znneigang an erwaobienen Mlnnem.
Max Deaaoir hat daranf biagewieflen, dasa geiade Knaben, die noeh
nicht die Zeiehen des Mannes haben, ioaseilieh mehr Ähnlichkeit
mit dem Weibe haben ala der Ifann. „Daa Weib enHnrnt sich, wenn
es gegen die Mannbarkeit voirflckt, von aeiner anfioglichen Konstitution
weniger als der Mann. Fein nnd zart, behalt ea immer etwaa von
des Kindes Temperament. Das Qewebe seiner Organe verliert nicht
ganz seine ursprüngliche Weichheit,** sagt Roossel*) Havelock
Ellis,^) dem wir wohl das beste neuere Werk über die anthro-
pologischen mul psychologischen Differenzen der beiden Geschlechter
verdaüken, iluasert sich flLulich : „Dass der erwachsene Mann viel
weiter von dem kindlichen Typus divergiert als das erwachsene Weib»
ist im allgemeinen sicher wahr." Es wäre also immerhin denkbar,
dass die Neignng zu solchen Knaben, wenn sie auch in sozialer Be-
ziehung viel gefährlicher ist als die zu erwachsenen Mäunern, dennoch
eine niedere Stufe ^) des Pathologischen darstellt, da die Diüerenz
- ) Rou***l: D» femmef etHuiiSrSe au phyaique et au morol. BAL du
Dame§ /. S. 7 und 8 (Ich zitiere nach Paul v. Gisycki: Das Weib, Vag-
mmt» rar Ethik nnd Paj'cholois:t(^ ans der Weltlitteratur B-^rlin 1897. S. 167 f.)
- ) Havelock Ellis: Mann und Weib. Antbropolopiacho nnd paycholofrischo
Untersucbuiig der sekundären Gfucblecbtsauterschiede. Deutacbe Aasgabe von
Htm Keralla. Leipzig 1894. & asa Mit Beeht tritt tibrigoiis Harelook
Ellis an dieser Stelle der Auffassung Spencers nnd anderer entgegen. dM
'\\>i^> fci ein nn entwickelter Mann. Es wSre v^rfehlf, n-TS ;!er Annabtrip, dasa
Weib aud Kind sieb in mancher Beziehung ähneln, diesen Schlu.'ifl zu ziehou.
- ) Doch sei daraof hingewiesen, dass auffallend oft bei Schwachsinnigen
liomo- und hetaraeexaelle Akto mit Kind«ni TOrkomuiMi. ladeaMB ad ftodeimeiti
bemerkt, dass vielleicht bei den veriUHtBiemiaeig häufigen HandlnnKren , die
Schwachsinnige an unreifen Kindern vornehmen, zu beräcksichtiKeu ist, da«3
Schwachsinnige weniger leicht dem Drange widerstehen. Es könnte vurkummeu,
dass ein Mann mit normaler Intdligem und ein Schwachsinniger in gleicher
Weise dtudi unnife Kinder sexuell emgt werten, dees aber der Boxmel In-
telligente eher dem Drang widerstehen kann als der Sehwachsinn if^e Zur
Kft??ni.^tik vor^l u. a. C. Möli: Über irre Verbreeher. Berlin 1888. S. 19-23;
ferner A. Leppmann: Die Sachverständigen-ThAtigkeit bei Seelenstörungen.
Bin km geHiaetes Bandtoeh fikr die ttstlidie Ptaxie. Beriio 1890. B. 96 C
und 116 C
Keigong xm mmiftii Kuben.
325
sviaehen dem gMohlechtBunieifon Sji&beE und dem gesohleolitBraifeii
Wfltbe gmger ist als die swisehen dem gesddeehtsfeifen Wdbe
und dem geBolileelita»i£B& Hanne. Obsclion in dieser Weise
der miteife Knabe gewisse Analogien mit dem gesoiüeehtBraflni
Midehen bietet^ sdieint es doeb, als ob anssebliessliehe Neigmig
m soleben nnieifen Knaben nnr anf sebweien pathologischen Yei^
ladenmgen berohe, wahiend gewisse sexnelle Beisbaikeit doi^
mixeife Knaben in Verbindung mit der Beisbaik^t dtudi gesohleGhts-
leife Fnmen oft genug aneh ohne Degeneration ? orsakommen scheint
Es ist sehr sohwer, bierttber eine absolat sichere Meinung auszusprechen;
ich berufe miob aber bei dieser meiner Mitteilung anf zahlreiche
Erkundigungen und Beobachtungen.
Grosse Ähnlichkeit mit der Neigung der Urninge zu unreiföu
Knaben zeigen die Weiber, die sich mit unreifen Knaben sexuell er-
götzen, wie es in einem von Anjel*) veröffentlichten Palle lag.-)
Eine sehr merkwürdige Beobachtung mri auch von Magnan') er-
wähnt. Es handelt sich um eine 28 jährige i'rau, die zu ihren kleinen
Neffen, daruntiT einem, der erst 2 Jahre alt war, sexuelle Neigungen
hatte. Tarnowskj*) führt einen Fall an, wo ein 26 jähriger Mann,
der übrigens hochgradig psjchopathisch gewesen zu sein scheint, mit
einem 2j&hrigen Knaben Piderastie triebe Der Fall ist S. W. Miene
jewski entnonunen.
Als Gegensats an diesem Trieb zu nnrslfen Knaben seien noeh
diejenigen angeflUnt, bei denen nurNeigong m alten Mftnneinmit
gmnen Birten bestebt^ wie ee in einem mir beinnnten Fall liegt» der
^) Anjol; über «igentOmliobe AnlSlle pervcraer Sexnalenregnog. Arehir
mr F^reliiatiift and NrnvakmikhelfteiL 15. Btnd. Beilio U84. 8. 598.
■) Hierher gehörige fWe, wo erwachsene Weiber mit unreifen Knaleu Un-
zucht trieben, finden sich mehrfach in der Litterator. Tardieu hat 10 derartige
Beobachlongen gesammelt, darunter solche von Devergie und Casper. Es
kaaddte lieh tfeals nm Knaben im Alter von 6 bis 18 und um Weibw Im Alter
T<m 18 bis 80 Jahren. M eietens wenn ei Dienstboten, die mit ihnm anvertraaten
Knaben das Verbrechen begangen hatten; in einem Fall von Casper aber war
es sopar die eigene Mutter, die ihren nennjährigon Sohn mifsbrauchte. In der
GyMolugie (Oynfiologie oder das Uesciiieuhtsleben in seinem ganzen Umfange,
4. AnOage, 6. Band, Stuttgart 1843, 8. 856—858) wird lehon ein IUI beriehtet,
wo eiiie Schweanehirtin mit ihrem 12jährigen Sohn Blatschaode trieb und diesen
veHeitete, auch mit einem lljibrigen Mädchen geschlechtlich zu verkehren.
'} L'ubse.ssi(m rrtminelle mortridei äbeiaeUt von Dr. Lewald; Bets's
Irreofreond 1892, Nr. 3 und 4.
- ) B. Tarnowsky: Die krankhalttiu iimcbemungeu des Geschlechtssumes.
Eine fovemdicb-peyohiatnaeha Stndie. fialin 1888. 8. 48.
326 fltohwmiiihlBJimg.
einoi jungen Juristen betriift TarnowekyO UUt es in Bemg mt
die p^ebiadie Entertong fbr einen besonders seUimmen Zustand,
wenn sieh der Urning anssofaliesslioh m alten liinneni hingeiogen
flIUt Doch kann leb dem niebt beistimmen, da die Stirke der De-
generation bieran niebt gemessen werden kann.
Unter den weiteren Perreraionen, die sieh bei bomoeesneller
Neigung finden, erwibne ieb nocb, dass aneb Statuen dem Urning
einen grossen Beis gewibren können. Statoen von Mtanem sind flir
maneben TTming so erregend, dass er sie oft kSsst Biner erUfat
allerdings, es babe ibn stets geärgert, dsss an Stelle der Genitalien
sieb an Statoen FMgenUfttter*) beAnden. Über einen Orieeben wird
bei Athenäns ersSblt, dass er dob in die Bildsaale des Gnpido
verliebt hatte und mit ihr den Geschlechtsakt vollführte. Viele dieser
Fälle gehören zweifellos zur Hyperästhesie des Geschlechtstriebes. Es
findet sich meistens mclit eine eigentliche Neigung zu den Statuen
vor, sondern diese sind ebtu nur im stunde, die sexuelle Libido des
Betreffenden zu erregen. Esquirol') und Jos. Nie. Jäger*) rech-
neten übrigens solche Fälle zur Erotomanie. „Bisweilen haben die
Erotomanen ihre Znneigung und Liebe auf Gegenstände bezogen,
welche diese nicht einmal erwidern konnten. Alkidias von Rhodus
wurde von Liebe für die Statne des Praxiteles ergriffen, und
Variola erzählte etwas AliuUches von einem Einwohner von Arles,
welcher zu seiner Zeit lebte."
Es wird erzählt,**) dass die Leu In n sclulndung (Nekrophilie) bei
den alten Ägyptern öfter vorgekommen sti, indem die Einbalsamierer
die Leichen schöner junger Frauenzimmer hierzu benutzten. Infolge-
dessen wurde später durch Gesetz befohlen, dass solche Leichname
nicht früher als nach 3 oder mehreren Tagen den Balsamierem über-
wiesen werden sollten. Auch die Leichenschändung beschränkt sich
nicht auschliessliob auf Leioben des anderen Gesobleobts. Kr äff t-
£bdDda S. 20.
^ Bbi answirtiger Üniidg teQt mk daiMlbe mit; ilin Srgerto es, daas dis
frfiker offenen GenitiUttB tob StatiUB Id Italien sptter dnndi FeiginbllttBr nae-
dw&t wurden.
■) Eaquirols allgemoino nnd spozifHe Pathologie nnd Therapie der S<^leu-
störungen. Frei bearbeitet von Karl Christian Hille, nebet einem Anhang
klitifclMnr nnd eriinftenMler ZualtM von J. G. A. HeiorotL Ldpsig 1887.
8. »6.
- ) Jos. NMc. JSgror: Seeleoheilkimde, gestüUt anf piyoliologiBdie Orand-
afttse. Wien lUS. 8. 256.
") Gynäulogie oder das Oesohlechteleben in seinem ganzen Umfange. 4. Auf-
lage, 9. Baad. Stntigait 1S48. S. 8S.
Leidheimbkudong.
327
Ebing nduid; die LetohenBoblodiiiig la den fladigtlaoheiL Ak^n.
Sehr bekannt iit der 1849 von S. Hioh6a>) TeidlEmtliolite Fall des
Seigeanten Bertrand, der Leichen mit Küssen bedeokte, heiste, mn-
annte ond eebftndete; aneh lersofanitt er Leichen in Stücke, mn bei
dersn AnbHdc sn mastorblenn. Derartige Akte nahm Bertrand so-
wohl an weiblichen wie an mBnnlichen Leichen vor.
Es finden sich noch nUreidhe Perrersionen aof dem Gebiete
der HomoseKoalitäi Ton einem üroing weiss ich, dass er gar nicht
beanspnicht, dass der andere s^e Genitalien berühre, ee genügen
ihm allgemeine Beiamgen seines Tastsinnes. Er liest sich mit
Yoiiiebe den Körper, die Stirn, den Nacken dnreh den andern Hann
atreicheln; hierbei kommt es bei ihm cor Erektion nod schliess]i<di
in Samenergnss. Seiaelle Erregung durch derartige Bdsongen des
Tastonnes kommt auch bei heterosexaeller Neigung vor.
Das Umgekehrte findet gleichfalls statt, nämlich dass gewisse am
anderen ausgeführte Reizungen den Urning bis zur ]^iakulation er-
regen. So wurde mir ein Fall mitgeteilt, wo eiü Muim seine Libido
daduruh befriedigte, dass er einem anderen Mann das Ohr innen leckte.
Es trat hierbei bei dem Leckenden Samenerguss mit vollständigem
Wollustgefühi ein. Offenbar haben wir es hier mit ganz analogen
Fallen zu thun wie im heterosexuellen Verkehr, wo allerlei individulle
Differenzierungen v orkommen, und wir haben hierbei besonders zu
berücksichtigen, dass oft genug die l.rregung des l ineii Teils erres^end
auf den anderen wirkt, so dass die Reizung verschiedener Stellen der
EOrperoberflftche bei X. durch Y. zunftobst den X. piimftr erregt und
dann erst den Y.
Ich schliesse hiermit das Kapital von den sexuellen Perversionen
auf dem Boden der konträren Sexualempfindung, obwohl ich sie
keineswegs erschöpfend geschildert habe; um dies zu thun, wftre ein
eigenes Buch nötig, weil die besonderen Perrersiorii n vermöge der
Individualität der Mfnschen ausserordentlich zahlreich sind.
Besonders lehrreich wäre eine Vergleiohung der sexuellen Per-
versionen in den rerschie denen Zeiten; die Bücher, die über die
Oeschichte der Liebe handeln, bringen hierüber leider nichts. Dass
aber die Perveisionen dennoch zu yerschiedenen Zeiten in gewissen
Grenzen yariieren» halte ich für wahrscheinlich, ond ee dürfte dies
') Hicbea: Des ävpiations maiadives de Vappiiit L' Union
nOdieaU, 17 Mä»t IM. 8.886.
328 Ifiiiiflius d«r ModA auf d«a flasohtoohtrtiiek
schon aus dem Wechsel der Kleidermoden hervorgehen. Den Eintiuss
der Kleidung auf den Geschlechtstrieb habe ich erwähnt ; der Einfloss
der Mode aaf den Geschlechtstrieb und der Einfloss des letzteren auf
jene scheint mir sveifollos.^) Daas die neaesten Moden oft der Halb-
welt ihre Entstehung verdanken, und dies sich nnsere feinen Damen
gar nicht genieren, jene nachzuahmen, ist festgestellt. End elf
Schaltie^ sagt hierüber: „Es ist eine bekannte Sache, dass viele
der nenesten Moden, die wir an Unterröcken, Eleiderbesatz, absurden
Hilten eta wahrnehmen, lediglich von den berüohtigtiten Gelebritäten,
von den Heldinnen der Pariser Halbwelt» herrOhten, gleu^wohl aber
som drakonisohen Geaeti f&r die ganie eeliOne Welt eihoben worden.
Sa ist notorisob, daaa die aegenannte aohOne Welt in Fteia dieae
Quelle der neneaten Moden kennt und aieh die toaangebeaden
Exemplare der Halbwelt expieaa som Ifnater nimmt.
') Vher den Fotischisraus, der sich auf Klfidung bezieht, bringt die zweife
Auflage voa Krafft-Ebings Neaen forschungen auf dem Gobieto der Paycko-
paUda tauali», Stattgut 1891, wicktigea Material.
') Rudolf Schnitze: Die Modenarrheiten. Ein Spiegelbild der Zeiton
und Sitten fSr das deutache Volk. Berlia 186& 8. 4.
VIL Psychosexuelle Hermaphrodisie.
Wir haben beniti mefazfiieli geseben, dass es eine AnsaU mlim-
fiober Indmdnen giebt^ die bald la Männern, bald zn Weibern sexuell
blnneigeB. Sobon Casper spxaob von soleben Mftonem; er fUirte
dieses Abweichen aber auf eine Übersftttigang doreh sexuelle Exzesse
mit Wdbem znrOok. Er kannte wohl nooh nicht die Fftlle, bei denen
die iDanUiafte Yerankgang zur psychischen Hermaphrodisie Ton An-
fang an bestehtt nnd wo je nach den Insseren ümstfinden bald das
minnliohe, bald das weibfidie Individnnm begehrenswert ist Im
Altertom, besondeis bei den Griechen, scheint es saUreiche Mfinner
gegeben zn haben, die zn den psychischen Hennaphroditen gehörten*
Ich glanhe, dass das Studium der psychosexnellen Hermaphrodisie
ausserordentlich wichtig ist und auf die Psychologie der Liebe selbst
noch stärkeres Licht werfen wird. Es zeigen uns bereits dia bisherigen
Büobachtun^'eü über psychosexuelle Hernniphrüdisie, dassein Indinduum
zu verschiedenen Zeiten sexuell vollständig anders empfinden kann.
Die gleiche Erfahrung lässt sich auch in dem heterosexuellen Verkehr
machen. Es kommt vor, dass ein Mann z. B. zeitweise masochistisch
empiindet, zeitweise aber nürmale Liebesempfindungen hat; dies kann
TOn der weiblichen Person, die in dem Manne die sexuellen Em-
pfinduDgen erweckt, abhängen. Es kann daher kommen, dass der
Mann einem Weibe gegenüber masochistisch, einem andern gegen-
über normal föhli Ich glaube, dnss dieser Punkt sehr wesentlich ist
und anscheinende Widersprüche in Charakteren erklärt. Es kommt
aber auch vor, dass selbst derselben weiblichen Person gegenüber der
Betreffende zu Terschiedenen Zeiten verschieden empfindet Einen
Fall von periodisdiem Süefelfetischismns habe ich*) genauer be-
schrieben.
AlbertMoll: UntersuoliuAgen über die Li&ido sexualis, 1. Baad, 1. TeiL
Berlml807. 8. S84-fl88.
380
AtetofliDgvD dar Eomosexaaltttt
K rafft -Ebing') sacht die Terschiedenen Stufen der angeborenen
konträren Sexaalempfindung möglichst 7on einander abzugrenzen, indem
er vier Fonnen annimmt 1. fsycbOBexaeUe Hermaphrodisie; hier
bestehen bei vorwiegend bomoiexneller aneh Sporen heterosexueller Qe-
aohledhtsempfindung. 2. Homo8exualitftt(im engeren Sinne); jede Neigung
zum andern Oeaohleoht ist gesohwnnden, es besteht nnr sexuelle
Nägong imn eigenen. S. Effemination; anoh das ganie pqrchisehe
Sein ist der kontriren Qesohlecbtsempfindang entsprechend geartet
4 Androgjnie; hier nfthem sloh selbst die KOrperfoimen degenigen,
weldie der abnormen Qeschlsofatsempfindnng entsprieht Diese Ein-
teilnng von Krafft-Bbing Ist praktisch, und man wird sicher die
meisten Ellle mit Ldchtigkeit in eine dieser Gmppen nnterbiingen
kennen. Dennoch begegnet man snweilen Schwierigkeiten. So sah
ich IVÜe von ansgesprochener Sffemination, Mftnner, die sich in ihrem
ganzen Wesen als Weiber seigten, dennoch aber seitweise mit Weibern
sexnell yerkehrten nnd hierbei befriedigt wurden. Derartige Leute
worden also gleichseitig Grappe I nnd III angeboren.
Ich mochte jedenftUs den Begriff der psychoaexneUen Herma-
phrodisie etwas wdter ansdehnen, als Erafft-Ebing. kä kenne
eine Beihe Ton Fitten, bei denen entschieden die heterosexuelle
Neigung dberwiegt, dann und wann aber homosexueller Trieb aoftritt
Ich möchte derartige Leute ebenfalls zur psychischen Hermaphrodisie
rechnen, obwohl Krafft-Ebing') annimmt, dass bei dieser die
heterosexuelle Geschlechtsempfindung nur rudimentär vorbanden sei.
Überhaupt würden wir gut thun, alle diejenigen Leute, bei denen
entweder in einem bestimmten Zeitabschnitt bald Neigung zum Manne,
bald zum Weibe auftritt, oder bei denen in eiuer grösseren Lebens-
periode nur Neip:uno: zum Manu, in einer anderen grösseren Periode
nur Neigung zum Wt il^e sich zeigt, nicht von der psychosexuellen
fieimaphrodisie zu treuneu, da die Übergänge hier ganz allmählich sind.
Wir können natürlich nicht erwarten, dass die konträre Sexual-
oinjitiTidung von der normalen durch eine unüberbrückbare Kluft ge-
trennt sei. Weder GeistesstOrongen noch andere abnorme psychische
') B. T. Erafft-Ebing: Paychopathia »exualit, mit besonderer Berttck-
sichtignng der konträren Sexualempfindung. Eine klinisch-forensische Studie.
9. Auflage. Stuttgttt IWi. S. 19», SBl, 248» 9B8, 968, 87&
^ Bbend«, & 948.
Übergang iwiiohai nomudw und kootrlrar SexnalMopfindimg. 831
Znstlnde und g«ni seliTolF und obne Übergangsfoimen vom norauden
Zustande geschiedeD; «beiaU finden nir lalilidohe Zwisehenstofeit
SoUdie sehen mt demgemäes aach liei den uns ttesehlAigenden Er-
aclieunuigen* Von den leiseeten Anklingen an die Liebe zum Manne
bis znr sosgespioeheaen mannmtamUehen Liebe finden wir atte Grade.
Nur ganz voilibergehend tritt bei dem einen, wenn er znIftUIg
einen ihm sympathischen Mann erbliekt, die Neigung auf, diesen sa
berflhren. Unmittelbar nachher ist sie wieder Tersdiwnnden, nm
nie mehr, selbst htam abermaligen Erblicken jenes Mannes zu er-
scheinen.
Ein zweiter fühlt schon einen lebhafteren Trieb und wird jedes-
mal von homosexuellen P^inplindongen erfasst, wenn er einen be-
stimmten Mann siebt, während er sonst sexuell vollstäiKiip: Tiormal ist
Eiin dritter wird nicht beim Anbliclc nur eines Mannes, sondern
einer bestimmten Kateq'orie von Männern, /. B. grosser Miumer mit
hellen Mondt'n Haaren sexuell erregt, während er, wenn er solche
Leute nicht sieht, sexuell normal empfindet. Ein lUjähriger Herr,
der an dieser form leidet, beschreibt mir seinen Zustand in folgender
Wose:
28. F»1L , . . . Mem Leiden bMtead darin, dsss ioh unmerwShrmd
zwischen d«ni miimliehMi mid weibUdien Empfinden hin imd her ge-
worfen wnrde^ der mlnnliche Kttrper einen nnwiderstehlichen Beos auf
midi ensfibte nnd meme Fhestasie «rhititei wShxend ich mich dabei nach
der Umanmmg eines Weibes sehnte. Sobon seit nemer Kindheit hattvi
benrorragende mftnnliche and weibliche Schönheiten mich mächtig ent-
flammt. Ich habe Sttt msinem 7. Jahre masslos onaniert, wobei ich mir
oft männliohe Personen vorstellte. Zweimal hatte ich mich ans diesem
Wirrsal heraus gearbeitet, jetzt ist es mir nicht mehr möglich. Eine
erhitzte Phantasie bplSstifrt. mich, die mir hlonde, kraftige, blüliende
Männer als ausserordentlich begehrenswert erscheinen lässt; ein Zustand,
der mich entsetzlich quält, dem ich abi r nicht entrinnen kann. Besonders
verwirren mich kräftige männliche Schenkel und Tailleneinschnitte; ebenso
anch ein hervorragend grosses männliches Glied . . .•
Der Mann, dessen Autobiographie ich einen Teil entnommen, war
später vollständig von seinen homosexuellen Neigungen befreit. Es ist
jedenfalls merkwürdig, dass brünette Männer ihn durchaus gleichgiltig
Heesen nnd dese nur ein blonder, ,echt gemsmsoher* Koi^ ihn erregen
hoonte. Der Petient» enf den sidi diese Zeflen beuehen, bietet sonst niehtSf
wes besonders intereesiert Des gsnse Wesen dee Fstienten ist etwas
sifehtiertk doeh hsUe ioh es moht Ar ansgeMhlossen, dsss dies mit seinem
Bemfe — Patient ist 8Bager — im Znsammenheng steht Patient hat
332 Vorabe^Kdieade heten»exiull8 Iri«be bei HbmoMztuUeiL
geschlecbtlich mit Weibern and mit Männera verkehrti hat Bxusk tohon
passive PliderasÜe getrieben.
Über erbliche £elastuiig io der jb'amilie lässt sich uicbts ermitteln.
Ein anderer seigt gini gleloIuiiiMige Neigungen, bald nun
minnlichen, bald nun weibHoben Geaohleebt nnd wird unabhängig
davon, ob es südi am brOnette oder blonde handelti dai«h edhöne
Vertreter beider Geeobleofater angelogen.
Es giebt aber ancb weitere TanaHonen, indem in tiefen FUlen die
kontrftre Sezoalempfindnng stärker herrorfeiitt, nnd sieh nnr geiegent-
lioh beterosezaelle Triebe »igen. Hitonter sind diese, wie Kr äfft-
Bbing herrorhebt, nnr im Tiaom Torhanden nnd treten sonst gaai
in den Hinteignmd.
Bs ist eine im Leben vieler Urninge beobaohtete BEseheinnng,
dals sie, obwohl sonst rollstftndig homosexneU, doch einmsl eine hone
Episode üues Lebens haben, wo sie sieh sn einem Mxichen Iiingezogen
fahlen. Ich erinnere hier an den 8. 9 geschilderten Fall eines ans-
gesprochenen Urnings. Er verkehrte einmal mit einem Mädchen, das
er auf Liiiem Maskenballe keniicu gelernt hatte, da er sehr zu ihm
hingczügeu wurde; aber er fühlte sich unmittelbar darauf zurück-
gestossen: kurz nach dem Beischlaf war ihm das Mädchen so widerlich,
dass er es Üoh, um es nie wiederzasehen. In einem andern Falle
hat ein Urning zwar die heftigste Leidenschaft für ein Mädchen ge-
fasst und glaubte auch, dass er sexuell dasselbe hätte befriedigen
können, aber gerade dieses Mädrhon war ihm durch soziale Verhält-
nisse unnahbar, und eine zweite heterosexuelle Neigung trat nicht
mehr eiu. Derartige Angaben hnden sich in den Lebensbeschieibangen
verschiedener Urninge.
Einige sind von der Zwecklosigkeit des Verkehrs mit dem Weibe
überzeugt; sie erwarten selbst bei vorübergehender Neigung doch mit
Sicherheit die Bückkebr aosschliesslioh homosexaeller Neigung. X. hat
mehrfach den Beischlaf bei Weibern mit Erfolg und mit Wollust»
gefnhl ausgeführt» er glaubt dennoch nieht, dass es ihm je gelingen
würde, vollständig von der Liebe zam männlichen Geschlecht los-
sokommen, da schon der Anbliok eines ihm sympathischen Mannes
seiuelle Regungen in ibm veranlssse. X. erklftrt, dass er jetzt nie
melir den Yersneb machen werde, zum heterosexuellen Veritelu: flber-
mgehen, selbet wenn er einmsl eine Neigung dain veispftren sollte.
Andere bemohen sieh bingegen, solche Episoden mm Terkehr mit
HSdoben su benntsen.
hk einigen FiJlen müssen wir die homosexnelle Neigung als
Fuiodisoh uftnlMide HbnoMimliHtt.
838
periodisch anftietend nuelien; Tarnowsky^) besonders hebt solche
Fflie hervor. Er veigieicht sie mit den Dipsomsaen, und zwar be-
sonders desbslb, weil dort ebenso das Bewnsstsein der TXnfittiigkelt
la indeistehen TOiherrsche, wie bei der IMpsomanie. Interessent sind
die Beobaditangen von Tarnowslj,-) dass es Leute giebt, die an
peiiodisoher konträrer Sezaalempfindnng leiden and es genau vorher
wissen, wann der Anü^ wiederkonunt; sie treffen dann Vorbereitungen,
um den Anfall vor der Umgebung in das tiefste Geheimnis zn hfillen.
Kra ff t- Ebing meint, dass psychosexuell hermaphroditischo
Existenzen j?ar nicht selten sind. Da derartige Individuen gewöbiilicb
recht gut iii der Ehe leben und nur zeitweise vielleicht ihrem Weibe
gegenüber etwas kühl siud, so sind sie nicht besonders auffallig. Ich selbst
weiss vuii KhemiiimerD, die so veranlagt sind, und zeitweise mit dem
Manne, zeitweise mit dem Weibe verkehren. Zufälle spielen bei der
psjchosexucllen Hermaphrudisic eine grosse Rolle. Ein Mann, der
gegenwärtig mit einer weiblichen Person ein festes sexuelles Ver-
hältnis hat, verkehrte früher fast nur mit Männern, und er wird
auch jetzt noch zu männlichen Personen hingezogen, wenn er mit
seinen friiheren Bekannten und Geliebten znsamm 11 kommt. Sobald
dies vermieden wird, ist er von homosexuellen Ideen frei.
Der folgende Fall betrifft einen verheirateten Mann.
24. Fall X., jekst etwa 40 Jahxe alt» ist Terheuniet PstieDt
war bis som 22. Jahre, wie er mdat, ToUstftadig keosoh; er hatto aaoh
niemals bis dahin Pollutionen. In diesem Alter ging er das «rsfce Hai
zum Weibe. Onanie hat er nach seiner An^be niemals vorher getrieben,
hingegen hat er sie von dieser Zeit an öfter ausgeübt.
Patient hatte, wie er meint, bis zu seinem 22. Jahre niemals sexuelle
Erregnngen gegenüber dem Weibe oder Gedanken vom Weibe. Wohl
aber erkliirt er, dass er sich vor dieser Zeit vielfach zu Freunden hin-
gezopen fühlte, dass eg aber lediglich ein«» platonische Liebe gewesen
sei; ausser 7,11 Küssen sei es niemals zu einem körperlichen Akte ge-
kommen. Besonders blühte diese Neignng des Patienten, als er 16 Jahre
alt war. Von seinem 22. Jahre ab ging Patient gelegentlich zum Wribo,
wo er sich eine Gonorrhöe holte : aber sehr bald gab X. den Verkehr
mit Weibern wieder auf. Patient suchte auch keinerlei Verkehr mit
HSnnem, obwohl er sich zu diesen hingezogen fühlte. Sexuelle Akte
mit solaben ansgefibt sn haben oder anszaftben, bestreitet Patient
Patient, der seit mehreren Jahren Terheiratet ist, flbt den BeiscUaf
') B. Tarnowsky: Die krankhaften Erseheinnn^^'on rles Qeechleehtscmnes.
Eme forensisch-psychiatrischo Studie. Berlin 1886. 8. 38-50.
•) Ebenda 8. 4a.
334
Verlieintote pBjdioaanidls Benn^^iioditeii.
mit seiner Fran durchschnittlich jeden zweiten Tag aus. Der Koitus
gelingt ohne alle Phantasievorstellongen. Die She ist kinderlos, doch
meint X., dass hieran die Frau schuld sei, die eis OeMnniitterleiden habe.
Patient selbst giebt als besonderes Symptom bei sich an, dass er
niomaLs in Gegenwart anderer urinieren könne, eine Erscheinung, die er
auf seine SchamJiaftigkeit zurückführi Indessen scheint mir dies doch not h
fraglich, da ich Personen kenne, die sonst nicht schamhaft sind, aber
dieses Öyniptüui gleichfalls darbieten. Auffallend ist bei dem l^atienten
die ausserordentlich starke Behaarung des Körpers, die das Gewöhnliche
bedeutend übersteigt. Ferner ist eine auftaiicnd leise Sprache bei dem
i'atienten vorhanden.
Was die Familienverbältoisse betrifft, so ist bei einem nahen Ver-
wandten «n Selbstmord yoigekonunw, dessen Motive nicht an^eklirt
nnd. Femer mont dass «och sein Vater in Gegenwart anderer
nidit ünn lassen konnte; anlbUend sei eme grosse Schamhafögkeit des
Vaters gewesen.
Auch der t'olgendü Fall betrifft einen veriiciruti ten, psychosexuell
hermaphroditischen Mann. Aus seiner Selbatschildening, die durch
Antworten auf einige besondere Kragen ergänzt istt ergiebt noh
folgendes:
25. Fall. »loh bin 87 Jahre alt Meine Jngend Tetlief wie die-
jenige der meisten Kinder wohlhabender Familien, traumhaft und glftek-
lioh, ohne besondere Merhrnale. Sdion Mb madhte nflth ein Zng tu
künstlerischer Thätigkeit, besonders snr Malerei, bei mir bemerkbar. Idli
fühlt« mich nie aufifoUeod ZQ einem von beiden Geschlechtem hingesogMi;
Knaben wie M&dohen waren mir als Spielkameraden willlDonunen, wenn
sie an meinen meist tollen Streichen teilnahmen. Reiten war stets meine
Lieblingsbeschäftigung, und je wilder es dabei herging, um so lieber war
es mir. Oft rrrpg^e ich Aufmerksamkeit durch meine Passion für Blumen;
auch hatte ich viel Sinn für weibliclie Toiletten, was sich jedoch in
späteren Jahron mr\7, verloren hat. Auf der Schule war ich stets der
Anführer von dummen Streichen; das Lernen wurde mir sehr leicht,
jedoch leistete ich nicht Entsprechendes, was mir von meinen Lehrern
häufig Yorgehaltca wurde. Zärtliche Jugendfreundschaften hatte ich
eigentlich nur zweimal, jedoch arteten sie niemals sexuell ans. Ich war
anch hftofig in Mfidohen Terfiebt, die meist viel Itter waren als iob. Sie
bildeten das Ziel meiner Wllnsdie und Sehnsoshti besonders in gesohleeht-
lieh« Besiehung. Onanie habe ioh nie geliebt^ obwohl ich sie seit meinem
dreisdmten Jahre kannte und anch getrieben habe, Niemals fand ioh
jedodi Befiriedignng darin, Mne Beobaditong, die ioh bis auf den heutigen
Tag bei mir maehen konnte; dnm zun Notbdielf onaniere ich jetst durch-
schnittUch alle vier Wochen einmal.
835
»Als ich, etwa 17 Jahre alt, nach eintr grossen Stadt kftm, fand
ich das erste Mal Gelegenheit, mit Frauen geschlechtlich zu verkehren,
übt© auch den Koitus mit Genuss aus, hatte jedoch nachher meist einen
Abscheu gegen die Betreffende; aber, wie ich glaube, war dies mehr der
geschäftsm&ssige Betriebi der mich ahstiess, als die weibliche Fersou
an sich.
,Meine Passion f&r das Beiten bestand fort, und ich beobachtete, dasB
allmählich auch eine Passion für Reiter ontstand, jedoch nur fär solche
unter meinem Stande, also Reitknechte, Kutscher u. s. w. Doch mussten
dieselben, um mir zu gefallen, mit eng anliegenden hellen Reithosen und
hohen Stiefeln versehen sein. Ausserdem mussten sie einen durchaus
männlichen Wuchs, sowie blonden Schnurrbart haben und überhaupt in der
Gesamterscheinung einen kraftigen und männlich schönen Eindruck her-
vorrufen. Andere interressii^rten mich gar nicht. Ich Hess mich mit den
von mir beschriebenen Rtiteru gern jii Unterhaitungen ein, und derartige
GespriUdiB hattm h&uüg etwas Anregendes für mich. Dass dabei ge-
lohkehüidM Bzregnngeii hmrakamflo und TieHtiokb nne Hauptrolle
spielten, merkte iok etst, als ich einenk der Reitknechte im Oespiftcli die
Hand anf annen Obendienkel legte imd er hierbei heftige Erektionen
bekam. In demaelhen Angenhlieke trat hei mir daaselhe eia Endirocken
und enOtend trat ich mrflek; jener merkte wohl mnne Beitttnong und
Ngte: .Das iit ja mditB SeUimmee, kommen Sie nur nthig meder."
Wie im Traum ging ieh nadi HaoM, itete an die Worte imd den
Sprecher denkend. Wie gebannt ging ioh am nftohaten Morgen an die-
selbe Stelle. Hier kam mir der Reitknecht sohon enl^gen, jedoch sa
Fnä^ und freute sich offenbar, dass ich gekommen war. Ich bebte am
ganzen Körper vor Wollust, der Reitknecht schloss mich in seine Arme
und bedeckte mich mit heissen Küssen. Ich hatte heftige Erektionen,
wagte aber nicht zu konstatieren, ob bei jenem ein Gleiches der Fall
war. Mit den Worten: ,Hier können wir nicht bleiben", zog er mich
vom Wege fort in ein dichtes Gebüsch. Dort entblösste er zunächst
sich und dann mich. Er legte mich sanft in das Gras und vollzog dann
mit mir den Coittis inter femora, wobei auch ich gleichzeitig Ejakulation
hatte. Hierauf erhob er sich, reinigte uns beide mit einem Taschentuche
und verabredete mit mir ein Rendezvous für die nächsten Tage. Noch
einige Male drflokte er mich unter heftigen Küssen an sich heran und
▼erliess miob daranf. Nie habe ioh ihn wiedergesehen. Eine tiefe Scham
hielt mioh von der Yerabredung zorflok, doch das mir ÜnerhOrtOp Un-
gknhliohe war gesdidien, und es verfolgte mioh hei Tage in meinen
Gedanken, bei Naoht in mdnen Triomen, und trota des Absoheoes hstte
ioh die heisseete Sehnsneht nadh Wiederholung des Aktes. In dieser
Zeit onanierte ioh hftufiger, stets in Gedanken an den einen Mann, der
mich so tief besohimt und doch so gifloklich gonacbt hatte.
Digitizeü by üoqgle
836
BaitpicL
aAUmfthlioh driinj:;ftr> gti h mir die Überzeugung auf, ich sei dodi
nicht so wie die anderen Männer. Ich wurde tdieil, floli meine Kame-
raden, konnte stundenlan;; ruhig sitzen und über meinen eigenen Zustand
nachdenkon. Jahrelang hatte ich keinen Verkehr mit Mannern mohr
Ich machte nun, etwa 2'» bhre alt, mein Exanien nnd wandte mich
meinem Beruf zu. Jetzt ul t*' irh aber iiucli den Koitus mit Weibern
ziemlich häufig aus; der rechte Genuss hierbei fehlte mir aber. Ich
inusste stets mit Sehnsacht an meine Episode mit jenem Reitknecht
d**uken, um /um Ziele zu kuuimon, was mir dann auch sehr gut gelang.
Ich zog mir auch eine syphilitische Erkrankung zu, und vielleicht trug
dieser ümatand dazu bei, das« mebe Neigung zum weiblidiea Gesdileaht
nooh melir Buk. laswiaeheo Balte ioh lehon doroili udere Berufe-
geuoesen, denen die mimnmfciinlifthe Zdebe ofiSmbar gir niditi Denes war,
daroii gdifiri Stete horchte ich, wenn ftber dcnnrtige Dinge gesproehen
wnrde. Von der Syphilis gahttlt, maehte ieh die Bekannteohaft eines
jnngni KaofinannSi der sidi gleidUUlt sa inbinem hingeiogen ÜGUilte.
Wir terkdirten gesdileditUeh miteinander^ doch hatte ioh, offen gestanden,
keine grosse Zuneigung m ihm. Ffir seine AnfUlnrngen aber, die er
mir im weitesten Masse zu geben verstand, hatte ich ein stets williges
Ohr. Er öffnete mir noch mehr die Augen und zeigte mir die grossen
Gefahren, in denen ich mich befand. Er ist nur noch bis heute ein
gnter Freund geblieben; aber geschlechtlich verkehren wir nicht mehr
mit einander. Meine Neignng blieb nämlich nach wie vor gerade solchen
Männern zugewendet, deren Stand unter dein meinen war, wobei sich
aber neben angenehmem Äussern auch ein biederer und guter Charakter
vorlinden musste. Mit Urningen zu verkehren, war mir, wpnn sie den-
selben Stand wie ich hatten, meistens zuwider. Ebenso würde mir ein
geschlechtlicher Verkehr mit normal empfindenden Kollegen nicht zusagen.
Vor nicht langer Zeit hatte ich auch wieder P/^ .lahre hindurch mit
einem etwas unter mir stehenden Manne, der gleichfalls eine leidenschaft-
liche Zuneigung zu mir hatte, ein Verbältais. Wir fibten den geschlecbt-
liehen Verkehr, CoUum tmUutm hUer femora, va, Pttderastie habe
ieh stets verabseheui Pas&Te Flderastie, die mir After angeboten wurde,
habe Uk nie geduldet, aktiTe hingegen swei Mal, aber nur geswungen
augeflb^ und bdde Male empfand ich nur Ekel, In den lotsten Jahren
hatte ida wenig Gelegenheit an geschleohiUohem Verkehr mit MAnnem,
und ich habe mir infolgedessra etwa alle vier Wochen mit Onanie ge*
holfen, wobei in meinen Vorstellungen und Gedanken stets ein Hann eine
Rolle qpielte.
bin seit mehreren Jahren yerheiratet Ob durch die Ver^
heiratuug oder spontan eme gewisse Besserung eintrat« weiss ioh nicht
Jedenftlls werde idli bei weiton nicht mehr so leidbt durch Mtamer ge*
sehleehtlieh erregt, wie Mher; ich suehe infolgedessen Mloner auch nicht
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Heterosexaelle Episode bei Homosexuellen.
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ttebr dl auf. Wenn andi meine Neigung mm Manne abgenommen hat»
■0 ist dooh niobt m gleicher Weiae die som Weibe gestiegen. Dodi
hoffe ieh nooh immer, da» die Ztmeigong zu meiner Fran weiter
nehmen wiid mnd ioh infolgedessen im stände sein werde, miidi danenid
vom gescUeditiiehen Veifcehr mit Ifibmem fem m halten. loh hatte
nioht die Absidit tn heiraten, habe es aber auf den Bat gewissenloser
oder wohl aach in diesem Fache onwissender Äizte getiian, und ich be-
finde mich heutzatagc in einer graoenhaften Situation. Es ist gar nioht
denkbar, Ihnen eine Schildemng meines Znstandes, besonders meines Ge-
mfltslebens, zu geben. Trotzdem mnss ich bemerken, dass ich mich nicht
impotent fühle. Ich bin im stände, ohne Phantasievorstellungen gelegent-
Hell mit kräftiger Erektion den Beischlaf fiiisznübcn. Es ist mir das
Beiwohnen bei meiner I i [\n keineswegs zuwider oder anaDgeoehmj im
Gegenteil, ich fühle mich dabei mitunter sehr wohl.*
Wesentliche Nervenkrankheiten sollen in der Familie nicht vor-
gekommen sein. Der Patient selbst macht einen wenig energischen und
leichli)UJDigt:n Eiiidrack ; er klagt über Unzufriedenheit und ist sehr leicht
erregbar. Es kommen bei X. gelegentlich auch nervüse Beschwerden vor,
doch kann nicht entschieden werden, ob diese die Folge einer neura-
sthenisohen Disposition nnd, oder ob es sieh lediglich vm FolgezoslAnde
seiner allgemeinen ünsnfiiedenheit hsndeli
loh habe hereitB erwlhnt, dan oft bei augesprodhener Homo-
sexiulitit «ine heteioiezaelle Keigiuig ala eine eimnalige Episode be-
obaehtet wird* Dies lag aoefa bd dem folgenden ? or, wo aller-
dinga m der Zeit dea nndüferenoerten GeecUeohtatiiebes aneh heteio«-
aeznelle Keigangen vorhanden waren, naoh der Diffeieniierang aber
der Trieb aneseUieBaliob bomosesnell blieb, mit Ananahme einer
Epiaode; denn der gelegentlich aneh apAter noeh mit weiblidhen
Personen anageftthrte Eoitna kann hieran nieht gereohnet weiden, da
er nnr mit FhaataaieTorsteilnngen gelang.
26. Fall. ,Ich erinnere mich, schon in der Zeit vom 6. oder 7. bis
gegen das 10. Lebensjahr Oef&hle intensiver Sympathie zu einzelnen
Perlen gehabt zu haben, die ich von denen der Liebe des Kindes zu
Eltern, Verwandten, Geschwistern und sonstigen Bekannten schon damals
wohl zu unterscheiden wusste. Drei Personen weiss ich ans joner Zeit
zu nennen, fl<»non gegenüber ich so fühlt«: einen jungen Musiker, einen
schon in reiferem Alter stehenden Prediger und eine kleine Spielgefh.hrtin,
die ungefähr ebenso alt war wie ich. Den Musikanten hörte ich in einer
Musiktruppe in einem Wäldchen unweit unseres Wohnortes spielen, bloss
bei dieser Gelegenheit sah ich ihn, und auch dies geschah nur ein paar
Male. Nie habe ich ein Wort mit ihm geredet, noch seineu Namen er-
M«ll, Konlr. SwEBilinpfljulaiig. 22
388
hhMoi» Aber des QtfShles starker Zjumgaag b« Mhiflni Aabliek ent-
ainne ich mich düitlieh. Auch dem Prediger gegenüber erflUtte mich
noch etwas anderes als Ehrfurcht, Vertranen oder sonst etwas, das der
Kategorie des Färcbtens und Liebens in gewöhnlichem Sinne eingeordnet
werden mag. Ich hfirte ihn einige Male predigen. Ss waren die ersten
Gottesdienste in meinem Leben, die ich nnter seiner Kanzel mitmachte.
Sie macMon auf mich einen tieff^n Eindruck. Das Lob Gottes in den
evangelischen Kirchenliedern, di»; ^^'ir dabei sangen, bezog ich stets in
meinem Innern auf den Prefllgcr. Kr sei so schön, so lieb, so wahr etc.,
wie in diesen Liedern ge.sagt war, dachte ich. Und von dem Super-
intendenten meiner Heimatsstadt, der mich getauft hütte und zu dessen
Gemeinde meine Elt+'rn gehörten, sagte ich mir oft, ihn mit meinem
Liebling vergleichend, or sei ein Bauer gegen den letzteren; doch sprach
ich so unehrerbietiges Zeug gegen niemanden aus. Oer Superintendent
war eine herronagcDde PeraSnUdikeit» ein geborener Kiichanfllrtt Ich
lernt« ihn ^Rter selir scbBtien nnd Yerehxeo. Noch bentay wo er lange
nicht mehr nnter den Lebenden weilt» mnss ich sagen, dass mir nie ein
Mann ▼osgekommen, der ein so aohünes und sngleioli in hohem Hasse
imponierendes, ethrftorchtgebietoides Ansssre besass wia jene geradean
l^xHdie Persönlichkeit Wenn seine Geatalt tot nur aaffamchte, dmrdi-
KQckte es mich stets wie ein elektrischer SeUag. Aber es war dies das
Gefühl der Ehrfurcht und des Erhabenen. Meine Neigung dagegen zu
dem genannten Prediger war erotischer Natur, wie auch die zu dem
Musikanten und dem kleinen Mftdohen. Das letztere und den Prediger
liebte ich, wenn ich nicht irre, zum Teil gleichzeitig. Die Freundschaft
zu jenem kleinen Mädchen setzte sich durch eine Reihe von Jahren bis
ans Ende dieser Lebensperiode fort, und ebenso das besondere Sympatbic-
gefühl, welches ich ausdrücklich von der Freundschaft unterscheiden
möchte, da eine solche, wie ich meine, auch ohne dasselbe existieren
kann, obgleich ich freilich in meiner Kindheit und Jugend kaum ein
Freundschaftsgefühl ohne jene Empfindung gehabt habe. An kleinen
Zänkereien, Versöhnungen, Emptindungen der Eifersucht meinerseits fehlte
es in unserem Verhältnis nicht. Auch entsinne ich mich deutlich, welches
Glück und welcher Stols mich einst erfäUte, als sie die einfachen Worte
TO mir sprach: «Du bist htlbsdi, dv bist lieb, da bist gut* Da meine
Schwestern andere Soholen beanchten als meine kleine Frenndin nnd ich
mit den jüngeren BrAdem derselben nldit besonders harmonierte^ so trat
unser Verkehr hinter anderen Kindorbeksnntsdiafien allmlUich znrilck.
Wur wmden nna fremd nnd sind es gablieben.
«Jetst fblgt die Zeit meinar Ehabenlieba. ^ mdahen fand sich
sobald moht wieder. Nadidem ich meinen erstai Untairidit Ton meiner
Mutter nnd dann in einem kleinen haadicken Kreise und in einer Elemente
schnle emp&ngen hatte^ kam ich in eine hOhare Piifstscfanl«. Zu meinen
839
Mitschülern im häuslichen Kreise empfand ich gar keine, zu einigen
Schülern in der Elementarschule nur schwache unrl flüchtige Neigungen.
In der höheren Privatschule schwiirmte ich bald wieder für einen viel
Üteren Schüler, der wahrscheinlich nie eine Ahnung davon gehabt bat,
da irir mir «in liilb«8 Jahr, wenn ich mich recht arinnere, in «iii«r
Klane sosamman wann und er Bioh wenig iim miok kfixnmerte^ Wenn
er ei dodi gealmt hat, so habe i^ es diesem ümstande vieUeicht mit m-
svsdmtbeii, dass meine sonst imerwiderte Neignng wenigstens damit erwidert
wurde, dass er mich nie neolcte, was die anderen Mitsdifiler in bobem
Hasse tbaten. Es wurdm diese Neckereien proTonert dureb ein weibisobes
Wesen, das sieb gerade^ wSbzead ieb jene Sebnle besaobte, etwa vom
11. bis 14. Jahre b« mir ausbildete. Ich hatte mich damals in der
That fast gans in die Bolle eines Mädchens hineingetraumt. Ich wünschte
ein Mftdehcn zu sein. Es kam in den früheren Jahren dieser Periode
vor, dass ich mich an Pappenspielen beteiligte, auch nahm ich es meiner
Mutter übel, dass sie mir verbot, bisweilen auch etwae zu n&hen. Neben-
bei betrieb ich freilich mit ;,'rosser Lust die Beschäftigung des Zeichnens
und Malens von I-andschaften, Häusern und Kirchen, sowie das Laub-
sagen. Das weibische Gebahren pr^igtc sich damals so deutlich bei mir
ans, dass es mir noch jetzt auf einer Photographie von mir aus jenen
Tagen und auch auf einer spateren noch entgegentritt und dass ein
alterer Mitschüler einst seinen Kameraden in der Schule in meiner Gegen-
wart den Vorschlag machte: ,Wir wollen doch untersuchen, ob er nicht
un Ende ein Mädchen ist," ein Vorschlag, der aber wohl in Folge un-
günstiger ftnsserer ümslllnde nnensg^tthrt blieb. Meine feinfilblMidey
dnrobans weiblich Teranlagte Untter kam von meinem weibischen Wesen
nnr nnaageoebm berührt worden sein; doch erinnere ich mich mchtt
dan sie mir je «msUich Yorwfirfe darüber gemacht bitte, ffingegm
kamen mir manche Ävssemngen darüber von ferner Stehenden sa Obren.
Da ich abw siemlidh fleissig war und anch im Klavierspielen gnte Fort*
schritte machte, so war man im gansen mit mir nfineden mid legte die
Sache wohl im wesentlichen einem Zufall zur Last Ich selbst muss
beote freilich anderer Meinung sein. Die Lektüre ärztlicher Schriften
Aber AnomaUtftten des sexuellen Lebens hat mich davon überzeugt» dass
die Anlage zu mädchenhaftem Fühlen mir angeboren ist. Lassen sich
doch die Ansätze dazu schon in der ersten Zeit meines ersten häuslichen
rnffrrirhts in einem kleinen Knabenkreise nacliweisen. Ich unterschied
mich (liiiiKiL^ schon von den andern, stimmte in ihren kecken Ton nicht
ein und zog mich auf mich selbst zurück. Ich habe nie eine Zeit durch-
lebt, in der ich für Pferde, Droschkenkutscher, Militär und dergleichen
geschwärmt habe. Die burschikose Art ist nie die meinige gewesen. Als
Hauptumstand aber für die Ausbildung der Disposition glaube ich folgendes
anfuhren zu müssen. Brüder, die mich ein wenig zur Nacheiferung
340
BaifpieL
kuliflDliifter Art hUUn ■iiqKini«D kOnncii, habe ieh ni« gdiaibi Der
Bohwesterlieh« Umgang batte meine nAdebenhafte Art bereite ein wemig
rar EntUtong kommen laeieii, ab ieb in die grOeeere Sebnle kam, nnd
ioli filblte mich daher in dieeer um so weniger wohL Aoieer dem von
mir BQgeeohw&rmteii Schfiler, der sieh um midi ucht bekUmmeni konnte,
feaadte mich dort nichts. Das Lernen befolgte ich nur, tun den Strafen
an entgehen. Die Schulkameraden siiessen mich ab. Dagegen be&nd
sich meine schwächere, jüngere, übrigene einige Zeit darauf verstorbene
Schwester, die ich sehr liebte, in einer viel glücklicheren Lage; denn
während der Geist jener von mir besuchten Schule, der mich al)stios8,
in der That ein sehr schlechter war, so fühlte meine Schwester steh m
ihrer Schule wohl. Alles, was meine Schwester mir dav ii erzählte,
heimelte mich um so mehr au, da ich schon mädchenhaft gestimmt war,
und so erstarkte in mir immer mehr der Wunsch, zu soin wie meine
Schwester, um in den gleichen glücklichen Schulverhältnissen leben 7.u
kÜnneu. Beide Vorstellungen, ein Mildchen zu sein und in der Schule
glücklich zu sein, konnte ich nicht trennen. Der Wunsdi, mich in dieser
Lage zn befinden, wurde mir VeranlaaBong, mieh in ffieeelba hinein-
avbinmen. So habe ich ee oft als Kind gemaobl Ieh wOnecbte a. B.,
fli^em Vater mOohte ein beeonders aohSner Garten, ein Hau n. a. w*
geboren, Dinge, die idi geeeben hatte, oder er mOcbte etwae ÄbnUcihea
beeitsen, damit i<di an den Heirlidhkeiten dieser Dinge teil nehmen and
mich dnreb dieeelben gesdimeidielt fllblea kOunte. Idi bildete mir nnn
ein, daie sidi die Dinge wirUieb so verbielten wie ieh es wQnsebte, nnd
swar nicht im Spiele, sondern im wirklichen tiglidien Leben. Ich ver-
suchte, meine Tnlume als Wirklichkeit zu schauen, nnd die Blusion ge-
lang mir Htm Teil nnd befriedigte mich. Hält man diese drei Gegen-
sttnde ansammen, meine weibiBche, mädchenhafte Anlage, meinen Hang
zur Dlosion im allgemeinen und meinen durch die angeführten Verhält-
nisse besonders erstarkten Wunsch, ein Madchen zu sein, so wird mnn
verstehen, wie <:nit mir auch diese SelbsttJlusclmng gelang, und wird aus
meinem psychiscii n Fühlen die äusserl che Effemination in Sprechweise^
Geberden und Neigungen ableiten können.
„Zugleich aber wurde in der nämlichen Schule noch ein ganz anderes
Fühh'H Husgelöst. Die Schüler, benahmen sich dort in unbewachten Zeiten
sehr unzüchtig Es wurde viel von obscrtnen Dingen gesprochen; die
männlichen Seiualorgane waren auf einem iSchultisch mit einem Messer
eingeschnitten, das Glied in » rigiertem Zustande dar>t«'llend. Es kam
vor, dass einer dem andern an den Penis griff, ja, es wurde geheimnis-
voll darauf angespielt, dass dieser oder jener seine Gesundheit eingebüsst,
zu viel von seiner Kraft verbraucht habe und dergleichen. Der Sinn
dieser Andeutungen ist mir erst später dahin aufgegangen, dass meine
16, 17, hOehitens ISjähi-igcn Klassen» oder Sehnlkameniden, da ütk ant-
841
soUienlidi die oberen KlasBen gemflmt aind, beniti skark den nsniiiUeD
ümgaDg mit dem andern Geschlecht pflogen. Damals verstand ich dies
freilich nicht. Aber ein solobes Benehmen wirkte auch auf mich, ob-
gleich ich weibisch war, lexaell eiregend. Ich bekam damals häufig
starke Erektionen nnd fühlte mich wohl und männlich dabei, indem ich
mir in solchen Situationen ganz klar über meinen Unterschied vom weib-
lichen Wesen war, ohne jedoch über dpn Gfbrauch des (Hiedes schon völlig
orientiert zu sein. Ein Mann zu sein, und zwar ein Roleber mit gut
entwickeltem Gliede und kräftigem Vollbart, wurde nn in Wunsch, und
das dementsprechende Gefühl wechselte mit dem weibischen. Bald er-
füllte mich das eine, bald das andere, wie dies leider auch während aller
späteren Jahre, als ich viel um ein beständig männliches Empfinden ge-
geben hütte, ganz unwillkürlich iuuuer wieder geschah, indem mich das
wdbischc Fühlen oft beschlich, ja miinnter daq'enige war, weMes midi
%ine Znilang völlig beherrschte. Besonders wer dies der Fall, wenn ieh
mieh geben liest oder wenn ich midi mttde oder angegrUfon filhlte,
,Zn jener Zeit stimmte ieh, von dem mJbmliehen FMden beseelti bin
«m1 wieder such in den burschikosen Ton meiner Mitscbfiler eSn, mid
swar sn ihrer hohen Zufriedenheit Dsram stund ieb auch gegan Bnde
dieser Zeit etwas beasor mit ihnen ala im Anfing. Da geschah es nun
Glilek, daas der Leiter der Anstalt diese angaben mnsate.
»Non kam ich in eine Schule, in der ein radikal anderer Qeiat
wehte, ffie worde von einem Pastor geleitet imd erfreute sidi eines
gnten Bufs, strenger Zucht und Ordnung. Diese Anstalt bereitete mich
für die oberen GjmnasialUBSSen yor, während die frühere Schule eine
technische Vorschule gewesen war. Eine Bestätigung für den schlechten
Geist dieser letzteren war es übrigens, dass mein neuer Schulvorsteher,
der Prediger, sich zuerst weigerte, mich aufzunehmen, weil ich aus jener
anderen Schule kUmo nnd er grundsützlif^ von dort keine Schüler nihme.
Zum Glück rnachto er iiiii mir eine Ansiiihme. Zu erwlihneu ist norb, da?«
ich in jener Zeit der beginnenden regeimässigeren Erektionen einige Mal-
onanierte, mit dem deutlichen Gefühl, dass dies unrecht sei. Ich achtet«
damals sehr auf das mftnnliche Glied und ward sexuell so stark erregt, wenn
ich dieses , Zeichen der MiiuDiichkeit*, wie ich es damals bei mir selbst
nannte, bei anderen deutlich unter engen Beinkleidern hervortreten sah,
dass bei mir Erektion eintrat. In ähnlicher Weise erregten mich nackte
Gefkalten von JQnglingen nnd jungen Mlbmem, wk idi adohe in der
Folgeadt beim Baden oft wahnahm; beaondan gesdiah dies, wenn ich
mit Bekannten aoMmmenbadete, wedtalb mir diea besondere wollüstige
Freude madite.
Mein Vater, der meine sexneUen Regungen bemerkt haben mnsste,
stallte mich einmal darflber anr Bede. Er fragte mich, ob mein kleines
Glied oft groaa werde, nnd er sagte mir, idi aolle es, wenn dies ge-
342
BeiqiieL
schehe, um alles in der Welt in Ruhe lassen, es sei das allerschrecklichste
im Leben, wenn ich danin mit den Hiindeu rühre. Dies war aber auch
alles, was ich je im Leben von meinem Vater über geschlechtliche Dinge
m hören bekam. Zwisdien mir und meinem VateTi der einen dnrd^ns
nftuiliebeii Eindmok machte, fiuid Iddar nie ein innigeiea YerhBltniB
statt Woher dies kam, gehört niehA hierher. Genng, dan dieie Thai-
•aohe mit gcMUecbtlielien Dingen gar nichte sn schaffen hatte, lUkduteni
TiellMoht insofern, als ich ihm doch inwnlen an simperli(di nnd weihiadi
enohienen sein mag, nm grosse Hoflnongen auf die Erhaltung seines
Namens nnd Hauses dnrdi mieh an setsen. Aber der Haaptgrond
nnserer Entfiremdnng war dies jedenfUls nicht In der nenen Sdiole
traten die physisch sexuellen Erregungen aber so wie so zur&ek.
Der Religionsunterricht des Pastors weckte eine dem entsprechende Ge-
fahls* und Sinnesrichtung, und diese liess jede andere Regung zurück-
treten. Aber freilich fasstc ich noch in derselben Schule sehr bald
eine schwilrmerische Züneignng zu einem meiner Kliissenlcaraeraden
und liebte ihn unter allen charakteristiscben Symptomen eines Liebes-
verbältaisses. leb machte gelegentlich meiner Mutter gegenüber in
lU'Zut; auf diese Liebe den Ausspruch: ,ich liebe wie nur ein Brüutigam
stiiif Braut lieben kann". Ich ging bis zu gefühlviüen Gedichten
und glühender Kifersucht. Auf diese Änsseruni? vuu mir erwiderte
übrigens meine Mutter, ich sollto mich doch schämen, so unsinniges,
überspanntes Zeug zu reden. Einst hatte ich mich mit diesem Freunde
an einem heissen Sommertage in ein kfihles, dnnkel gemachtes Zimmer
anrückgezogen, nnd wir legten uns beide anf ein Bett, tun ansanmhen.
loh empfsnd dabei die grOiste Wonne. Aber diMe war rein erotisch»
seeliaoher Natnr und gnmdTerschieden von jenen bereits erwähnten
physiseh-geschleclitlicfaen Begnügen, wie ich sie nennen wilL Dass solche
«rotisohe Wonnen Erektionen und Sameneigiiss aosUSsen, habe idi spftter
wiederholt «dahren. Damals aber kam es jedenfhlla nudii sn Samen-
eigais. Ich mochte 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein. Dtn es in
Folge meines exklosiTen Verhältnisses zu diesem Freonde sn Streitige
keiten kam, veranlasst durch Eifersucht zwischen uns, lag nahe genug;
aber dauernd kamen wir nicht aasemander, ja, ich erlebte es, dass mein
Freund auf dem Gymnasium, welches wir später gemeinsam besuchten,
eines anderen mit mir befreundeten Mitschülers wegen die nämliche
Eifersucht mir gegenüber geltend machte, wie ich sie einst gegen ihn
hervorgekehrt hritte. Mein erotisches Gefühl für ihn war nämlich all-
mählich erkaltet und hatte einem leidenschaftslosen, ich darf leider kaum
sagen freundschaitlichen Gefühl Tlatz gemacht; denn ich habe mich
einige Male ungetreu und un freundschaftlich ihm gegenüber zu gunst^sn
jenes anderen erwiesen, der in meinem Herzen an seine Stelle getreten
war. Das ausnehmend grosse und schön entwickelte Mentbrum virile.
Bcaipid.
S43
das ioh an eineiii firaheren Fremide kennra gelernt hatte, wirkte auf
mieli auch erregend nach der rein phjBiflcheo, oben gekennMichneton
Seite. Mit 17 oder 18 Jahren begann ich, ohne dass es irgendwie
notwendig gewesen wäre, mich rasieren zu lassen. Hierbei, sowie bei
meinen ersten Rauchversuchen auf der Strasse, die ich noch ohne Er-
laubnis anstellte, fühlte ich, auch sexuell erregt, mich wieder als Manu.
,In den oberen Klassen des GjTnnasiums, welches ich im 21. Jahre
absolvierte, und im Anfange memer sich umuittelbar hieran anschliessen-
den Studienzeit traten aber alle erotischen Gefühle zu männlichen Individuen
der Abwechselung halber einmal gegen eine Neigung zu einem weiblichen
Wesen zurück. Der Gegenstand derselben war eine Freundin meiner
Schwester, die viel im Hause meiner Eltern verkehrte, ein hübscheü und
mir in joder Hiiminht 80 maagendea Waacn, wie «a mir nie wiedw inner-
halb dea anderen OeadJeehta begegnet ist Keine Keigung zu ihr aohien
keine nnorwiderte in aein. Heine Freundin wenigstens ist sie gewesen,
aib aoldw hat sie sieb selbst mir gegenftbeor beseiehnet, nnd sie irftre es
noch heate, wenn wir wieder in Beaiehnng treten kannten. Dass sie je
andern als nnr freondsdialüieh mir gegenüber empfand, mnaste Uik ja
bald genng besweifeb. Diese soll gans die monige werden, keine andere
als sie, 80 hiess es in jenen schOnen Jahren bei mir; ja, ich Ibnd den
Gedanken, dieses mir tenre Wesen zu heiraten, damals so selb stvor stünd-
lich, dass ich meinte, es könne gar nicht anders sein ; doch glaubte ich
▼om Ziel der Selbatftndigkeit noch sa weit entfernt zu sein, um schon
ein Wort zu ihr darüber zu reden. Ich war so kindisch, dass ich den
Gedanken, ein anderer könne sie an sich fesseln, gar nicht in mir auf-
koiimieu Hess. Während meiner Universitätsstudien konnten wir uns nur
einige Male tlüchtig sprechen, und eines schönen lages ereilte mich die
Nachricht, daää sie sich verlobt habe. Sie verheiraUite sich und zog weit
hinweg von der Heimat. Ich habe sie nicht wiedergesehen. Ich habe
in der ersten Zeit recht schwer darunter gelitten. Audi meine Mutter,
die um meine Neigung wusste, empfand diese Enttäuschung schmeizlich
mit mir, wie ich wohl merkte, ohne dass wir direkt darüber sprachen.
Dieses Mftdehen ist meine einsige weibliche Neigung geblieben*
Wie. oft hebe iah ihrer noch in splteren Jahren mit seihnenlicher Weh-
mut gedacht
Aber doch mnsste ich mir spUer sagen, es war ein Glfloik, dass es
so kam; denn mH meiner normalai Arbeftskraft war es auch nm dieae
Zeit — das ist in meinem 22. nnd 28. Jahre — an Ende. Sie ist nie
wiedergekehrt, so dass von wiiUichar, die Kraft eines gesonden Hannes
eAebohenden Bemftarbeit nie die Bede bei mir sein konnte nnd dabw
aneh nicht Tcn det OrOndnng ennes Hausstandes. Bisher hatte ich meinen
Mdnngqgang in Anbetracht des hiofigen Schnlweehsels, der nicht Ton
mir abhing, sor Not lechtaeitig snrllokgelegt lob war nie Unger in
344
BeiapieL
einer Klasse gewesen, als dies vorgesclirieben war. Nun aber brachen
nenrastheniscbe Beschwerden, vor allem ein Mangel an jeder Konzentratious-
fUbigkeit nnd einseitiger nervöser Kopfsclnnerz in so hohem Masse bei
mir aus, dass von regelrechter Fortsetzung des Studiums nicht mehr
die Bede sein konnte. Diese Leiden waren in geringerem Grade schon
Jahn lang Toriutndeii gtweBen; nienMOid liatto darauf geachtet loh
sdbrt hatte- geglaubt, meine beatniidige Uüdigkeit dnreih Willeiiskraft
flbenriadeii an mfiasen. Heute wdn idi, dasB ieh bereUs in den swei
oberen QjntnaBialklaBNn durch PkiTatitiinden und d«ii iMstindig fbrt-
geaetaten Elavieniatemht neben den Sohnlpfliobten in hohem MasM Aber*
bürdet war, und daas mein dardh Krankheit gMchwftehter» an jader
hrlftigen Dnrduurbeitnng dnreli Tmnen nnd andere Leibes&bnngra ge-
hinderter Kfliper dringood der reditaeitigen Rahe bedurft hitte. Daaa
dies nicht geschehen war, rScbte sich in jahrelanger Arbeitsunföhigkei^
und trota aller Kuren iat meine Kraft nie wiedergekommen. Zudem ver-
folgte ich damals eine gana krankhafte religiöse Riohtong, durch die ich
meine Arbeit vollends vemaohlAssigte und auch meinem Körper keine
vernünftige Pflpge angedeihen liess. Als ich etwas wohler und vernünftiger
geworden war, beendet« ich das Studium, aber erst mit 2*> Jahren.
Hierauf nahm mich eine wisaenaehafUiche Arbeit und dann der Beruf in
Anspruch.
,In der späteren üniversitätszeit begannen wieder die alten homo-
sexuell-erotischen Neigungen in mir ihr Wesen zu treiben; ihrer Ab-
noimität war iih mir damals noch immer niclit bewusst, und ^war um so
Weniger, als ich genau dieselben InkliauLioiieu bei so manchen meiner Kom-
militonen beobachten konnte. Es waren einige Studiengenossen, unter
ihnen ein bildschöner Mensch, und dann ein junger Lehrer, für die ich
wieder erotisch fühlte. Meine Neigungen hatten jetzt oft starke Erektionen
Folge, ein paar Hai auoh Samenerguss. Auch die physische Erregung
beim Anbliek einea aehr nmfangreioken Penis bei einem muner Korn«
müitonen wiederholte aieh nodi einige Kaie. Ieh aoidief nnd badete mit
ihm aaaammen nnd hStte seine minnHchen Organe anaaerocdentlich gern
berflhrt; doeh da er, wie ieh wnaate, meht so «npfand, wie ich, so
adiBmte Uäi mich dessen nnd nnterlieas es. 'Doch stellten d«3k wollM^e
Erektionen genan wie Mhar bei diesem Anblick «n,
»loh hatte jetst das SO. Lebemjjahr amidit, loh hatte aneh jetrt
nnd swar an bedentend jflngeren Poraonen Neignqgen; so in Studierenden,
ja Bogar zu hübschen mir sympathiaohen KeUnen nnd Mnem mich regel-
mBasig bedienenden, sehr inteUigenten Barbior gehilf en. Anoh wo ea nicht
zu eigentliehen Neigungen kam, weil ich die betreffende Peraon nur flüchtig
sah oder aprach, empfand ich doch den Ansatz zu dieaen erotiaehen Ge-
fühlen in einem ganz besonderen Wohlgefallen an ihnen. Es waren stets
mftnnliche Personen, bisweilen sogar Knaben. Auch der Qegenatand meinsr
a45
Ictzfpn, lir intensiven Neigung war fast noch ein Knabe, zur Zeit iipstcs
freundschaftlichen Umgangs 19 Jahre aU. Ich selbst war damals 32 Jahre
alt. Wir trafen während eines gemeinsaaien Autenthaltes an einem Orte
in Belgien zusammen. Er war täglich an meiner Seite. Selten oder nie
hat sich ein menschliches Wesen mit solcher liebeus würdigen, mich hoch
beglückenden Zärtlichkeit au mich geschmiegt wie dieses reine, empfjing-
liche Kindergemüt, das in dem Leibe eines schOnen und intelligenten
Jfinglings woluto. Wir henlstt und kttsstm nm oftw "Mx bokam dab«!
Unfig BrdrfumeiL Ob es in Samenergüssen kam, waiaa idi aiebt mehr,
es adieint mir fiut walixBdieiiilioli. YoUstftodig naekt iah ioh meraen
jungen Freond nie, nur eannial mit Badehoaen aUcin beUeidet» beim
Baden in einem Flosa. Dies wiricte aber nidht mebr erregend auf mieb,
als wenn idh ihn sonst sab. Diese foegnng aber war mir die Frende
an der geliebten Peraon. Hein in Bede stabendes Yerbflltnis war rein
erotisoher Nator. Nach unserer Trennang korreq^ndierton wir mit
einander. Er selbst machte den Vorsdilsg daaa ond schrieb mir zuerst.
Seit einiger Zeit weiss ich nicht, was aas ibm geworden ist. Leicht
hätte ich es in Eifsbnuig bringen können; doch vermied ich es absicht-
lich, da ich in späteren Jahren bei derartigen Verhältnissen stets den
Grundsatz verfolgte, mich der geliebten Person nur so weit hinzugeben,
als diese sich mir hingab. Der andere musste sich zunächst nach mir
erkundigen. Ich förchtete, dass ich sonst demselben lästig fnllpn könnte,
und dazu bin ich zu stolz. Auch wollte ich solche vom Stan l[)unkt ks
Christentums und der modernen Weltanschauung abnormen, I tzitbungs-
weise imsittlichen, fillschlich sogenannten platonischen Freundschaften nicht
mehr begünstigen, als mir durch die Umstände unwillkürlich nahe ge-
bracht wurde. Ich empfand schon lange nur zu gut, wie sehr die mann-
männlidhe Liebe bei mir die Stelle der mannweiblidien vertrat; doch
glaubte ieh damals mit meautti nun sebcn so lange permanenten homo-
sexuellen Neigungen in der Welt attwn dainsteh«! und war mir selbst
ein trauriges BfttseL
,Zu seiner Lösung trugen in den letzten Jahren von mir gelesene
Schriften über diesen Gegenstand bei. Unter ihnen nenne ich besonders
die F&ychopaäiiia desMoKs Ton Krafft-Bbing und die koniribre Sezual-
empfindttng Ton MolL
»Ich bemerke noch folgendet. War eine erolasahe Neigung bei mir
stalle, so bestand sie siets allein; von sobwScboren Neigungen pflegten
mehrere bisweilen gleichseitig m existieren. Dem bereits erwihnten
Umstände, dass ich meine QefUde nicht geflisssntiioh nihrte, habe ich
ei vieUeieht lususdirtibent dass sie im sügememai siemlich schnell
weohselten, andererseits lag der Qrund dasu gewiss in den äussern Yer^
bttltnissen. Aber atioh da, wo mdne Oeftthle ni einer Person beständige
Nahrung hatten, kam seUiesslich eine Zeit, in der sie schwanden, nm
846 B«iapiaL
einer ruhigen Freundschaft für diese Person Plntx zu machen und sich
alsbald auf eine andere zu erstrecken und letzterer gegenüber wieder
aufzuleben. Oft gmg das Geluiü uuuh direkt von einer Person aui die
andere über.
«GegcQwiLrtig bin ich 37 Jahre alt Der jetzige Zustand ist folgender.
Bis beute hat mich jenM l«Be erotuwh gefärbte SympathiegefÜbl tu
jüngeren mtanlichwn Ptorvonen, wovon ioh tifmk — die Pertonen dttifem
kaum Aber 25 — 26 Jahr» alt aein — behanrliob baglettet Zu ainann
wlikHdh intimen YerhUtnia ist ea in den leisten fünf Jabren niefat ge-
konunen. Dies Gefühl tritt nur sor&ok hinter dem aneh immer wieder
anfUachendeD Wohlgefallen an ao^geeproehen mftnnliobem Äussern bei
gleiobfaUs jüngeren Penonen. Bei bereits eignasnden Ibanem mit
faltigen Qesiiditen empfinde loh dieaea Wohlgefallen nie. Hit diesem
letzteren Qef&hl verhält ea aich genau, wie in firfiheren Jahren. Es um-
fasst die folgenden Momente: das Wohlgefallen am männlichen Äussern
andereTi den Drang, ihnen darin zu gleichen, die Belebung des Bewusst-
seins, selbst fin Mann zu sein, öfter mit Erektion d^ Gliedes und
wollüstiger Freude daran verbunden. Auch eine gewisse rein sinnlich-
sexuelle Neigang zntn Koitus mit einer weiblichen Person pHegt nicht
ganz auszubleiben, lieilaufig erwübne ich, dass geckenhaft aussehende
MSnner mir widerwärtig sind und jenes Qeftihl nicht aufkoranipn hiss- n.
Klemmer mag ich nicht leiden, wenn sie beständig getragen werden, da-
gegen linde ich, dass Brillen bisweilen die Männlichkeit des Äussern
erhohen.
.Zweimal beschrieb ich meine erotischen Gefühle einem Arzt. Beide
Male wurde mir der Rat erteilt, mit Frauenzimmern zu koitieren. Ich
versuchte es, indem ich mir die eigene Mannheit dabei vorzustellen
suchte. Bis zur Erektion und Immisaio peniö kam ich wohl, aber die
Erektion ward nicht durch den Anblick des nackten Franenummers, des
Weibes herrorgemfen, sondern nnr dnicih die Vontdlong und den An-
bliok des eigenen Mannseins^ Znm Samenergoss und snr Steigerung dea
woUfiatigen Empfindens wfthrend des Koitus selbst kam ea nioht, ol^liidi
der ÄDSSerong der Franensimmer gemlss (es waren Ptostifcniflrte) ich
diese wohl befriedigt hntte. loh koitaerte mit emem FrfiserratiT; dass
ioh zeoht entklnsobt war, Tersteht sieh von selbst
»Nachdem ich dunsh die Lektflre obui genamter Bficher von der
anggestiven Beeinflussung, anch von der Autosuggestion erfahren hntte»
sprach ich mir besonders vor einem Koitus oft in meinem Innern vor:
„loh bin ein Mann mit kraftvoller Libido und Neigung zum Weibe, der
stets mit Wollust koitiert." Unter solchem Vorgeben besuchte ich wieder
einige Male Hordelle. Zweimal glückte es mir äusserlich besonders gut,
die Rolle eines , recht männlichen Mannes" zu spielen. Die Frauen-
sinuner schienen WohlgefaUen m mir zu finden. £s geschah dies im
Beispiel.
347
letzten und im vorvergangeoeu Frühjahr. Dazwischen ü'elang es einige
Male mchi Ich yersicherte dann den Dinien, ich sei heute nicht auf-
gelegt und empfahl mich. Zur völligen Erfolglosigkeit trug m diesen
i'äUen auch eine grosse körperliche Erschöpfung, wie sie oft üher mich
kommt, das ihrige bei. Beim Koitus im letzten Frühjahr war die
Erektion dne recht andauernde. Zweimal im Laufe von ungefähr ändert*
lialb Standen wurde der Akt ini sekeinttar hoker Beftiedigong einer mir
rdatiT gut gefaUeadoi Ideinen brünetten Italienerin Tollsogen. Als idi
das Glied zam »weiten Haie ikrem Leibe entMg, war es noob immer
stark eri^ert Sie aaokte die Bemerkaof , mein Mmbrum steke wokl
immer steif md bat mieb, reobt bald wiedersokommen. Sie wnssie
nidit, dasB es aubb diesmal xnm e^entliebeo Samenexgoss tei mir niefat
gekommen war.
»Nur während der lettten f&nf Jabre bebe idh Koitosversnobe so*
gwtellti nnd aneb in dies« Mi ganz nnregelmtasig immor wiedor erat
naeb Monate kuiger Untezbredbong. Bebr raseb bei mir eintretende
klteperliche und geistige Ersoböpfong, vor allem wohl dnreb meinen
neorastbeniichen Zustand bedingt, mein Mangel an Ooiosa bom sexoellen
Umgang and Gewisaensbedenken kielten mich immer wiedw lange
da?on fem.
iAls ich es aber im Frühjahr 1897 wieder probierte und dabei
zwei starke und lange Erektionen hatte, stand ich im Begriff, die Sache
nun regelmassig und energisch zu betreiben, und gab mich der Hoft'-
nußg hin, es werde nun bald ganz gut gehen. Doch konsultierte ich
wieder einmal einen Arzt; er riet floir von solchen Übungen als für tnich
zu anstr^'llJ.';end ab und empfahl mir, es mit der hypnotisch suggestiven
Behandlung zu versuchen, mich aber bis dahin allen sexuellen Keguugen
gegenüber ablehnend zu verhalten.
„So habe ich denn mit 37 Jahren noch nie zu meiner Befriedigung
und unter normalem Verlauf mit einer Frauensperson koitiert, noch auch,
yim meiner Kindheit natllilteb abgesehen, jemals enitüdi einem Weibe
gegenüber g^llblt. Der einagen Aoanabme ist gedaebt worden.
. Gegen wftrtig onterbslte ieh, obgleich meine Lebensweise eine sebr
sarOekgezogene ist, ▼eradbiedene Besiebongen va Penonen beiderlei Ge-
scUeebts, sowobl filteren als aoob gleiehaltrigen and jtingeren, denen ieb
den Namen von Ereondtöbaften wobl beilegen dari leb betone^ dass
diese YerbBltnisse obne jede Beimiachong jenes sflss-erotiBdien FttUens
sind. ISmge Tim ibnen sind Tetglaohbar der Fnicbt^ die sieb aas der
Bifite entwickelt hat, ans erotiseben Besiebongen hervorgegangen, andere
wiederom sind von ihren ersten Anfibigen an rein freandsebaftli^ ge*
Wesen, bedingt durch gemeinttme Literessen und Überzeugungen. Als
Student lernte ich im Hause einer mir sehr lieben, hochgebildeten Familie,
mit der ieb freondecbaftlicb verbanden war, ein junges Mftdchen kennen,
348
die Tochter des Haases. Sie besass alle ElgensehaRen, die ein weibliches
Wesen meinem Ideal gemäss haben musste, um einen Mann glücklich
zu machen. Sie war tief sjemütvoU, konnte an geistigen -wissenschaft-
lichen Bestrebungen mit feinem VerstUn*lnis teil nehmen, war dnrchaas
natürlich und in ihrem ganzen Wusen hingebend, selbstlos u. 8. w. Dazu
hatte sie ein nettes Äusseres and war sehr mcisikalisch. Die letztere
Eigenschaft' musste ich um so mehr schützen, als ich mich selbst etwas
eingehender mit Musik befasst hatte. Ich habe mich zu jener Zeit oft
darüber gewundert, dass ich ohne jede Spur von Liebesempfindang diesmi
livlittiswfirdigeii lüddien gegenabw blieb, obgleich oft mib ihm in
jenen Hftiue freimdBehaftliok Terkehrte. Die Zeit weibUohea
Neigung lag damals aehon einige Jahre rarttek, dagegen hegte ieh ein
atarkes bomoaexoelles Gefühl in jenen Tagen, dem gegenübw keine
Empfindung fttr mn weibliehea Weien aafkam.
«Endlieh erwBhne ieh unter mttn«i c^geniritartig«! Preondaehaften
noch eine. Sie besieht sieh anf einen Hann, der einige Jahn jflnger ist
als ich und bereite eine aehr angeaehene Stellnng im wiaaeaaebafiiichen
Iiebai gewonnen hat Meinem Onmdaatt getreu habe ieh mieh ihm Schritt
f&r Schritt nur so weit genBhert^ ala er es mir gegenüber ttiai Unser
Verldltnia würde nie bestehen, wenn es nicht von aeiner Seite gea(rfiaffett
worden wäre. Mir ist diese Fromidschaft vor allem wert wegen dea
ernst ethischen, idealen und zugleich objektiven, vorurteilslosen Wesens
meines Freundes, weniger seiner wissenschaftlichen Bedeutung wepf^n :
denn ich bin ein P'eind des Intellelrt^.iaHsmus, der einseitigen Betonung
des verstandesoaässigen Wissens. Mem Freund ist unverheiratet Es
besteht bei ihm ganz unverkennbar ein misocryner Zu^. Die Liebe zu
einem Weibe hat nie in seinem Leben einen bt dt ut • nd* n Faktor aus-
gemacht Aber doch ist er eine Äusserst harmoniscbe, kürj Irlich und
geistig gesunde Natur. Oft habe ich mich im stillen darüber gewundert,
wie dieser Mann, auch üusserlich eine ganz, atattliche Erscheinung, einem
so unharmonischen, den Typus der Degeneration repräsentierenden Menschen
wie ieh etwas anderea als Mifleid und ein ganz allgemeines Interesse ent-
gegenbringen konnte. Unsere Lebenssnsdbannngen nnd Übeneognngen
berflhren sieh allerdings, untecsebeiden sieh jedoch wieder in weseni-
lieben Fnnkten. Ich empfinde diesem Freunde gegenttber v<dlig leiden-
achaftdca» rein frenndaofaaftilidL Über semdle Fragen haben wir nie
eingehender geredet; er aehien dem auweichen sn wollen, obgleich er
auch die Litberatar dea anormalen geseUedhtiichen radena kennt. Ob
homosexaeUe Inklinationen bei ihm vorgekommen aind oder nicht» weiss
ich dnrohaos Bioht ro sagen.
Ich bin am Ende meiner Darlsgongen. Ich ftthre bloss noch sun
BdilnsB einiges ans memen, nun Teil schon yor der E«mtniBiiahme der
einschlSgigen Littraatnr über den betrdbnden Geguutand angeatellten
Gteichgntigkiit dw CtowiOeqMfc
349
Beflenonen ftber mein FflhUn uu Es war mir gafrisa, dan es swei
Weg» nun Kbitns swiaolien Uann nn4 Weib gebe: den erotiadien und
den pb^riadi searaeUai oder den aoganannten amnlinhen. Dasa der eratere
dam ftthrt) wnaate ich nidht nur nna der Littentar und vom Hörenaagen,
BOndem auch auf Grand eigener sexueller Gefühle erotischer Art, da
dieae gerade so wie der Anblick nackter männlicher Gestalten bei mir zu
Erektionen führten. Ich war überzeugt, dass der erotiache Weg der
beseligendere, edlere sei, auch nicht ohne Anknüpfung an das eigene
Fühlen gegenüber geliebten männlichen Personen. Aber doch Mtte auch
der andere, der sinnliche Weg, seine relative Berechtigung, mointe ich,
imd durch ein ganzes Munnesleben könnten sich doch keine Liebes-
empfindungen von romantischer B^chaffenheit erstrocken. Wie kam es
nur, so reflektierte ich oft, dass mir die direkt sinnlichen Gefühle
zum Weibe ganz abgingen, während ich diese doch bei allen denen,
die regelmässig mit weiblichen Personen verkehrten, unbedingt vor-
aussetzen musste. Die erotische Empfindung war wenigstens einmal
gegenüber einem Mädchen vorhanden gewesen. Da ich nun aber durch
den Anblick wkUv und bSrtiger UBnner im Bewnsstaein dea eigenen
Mannaeina geatBrkt wurde, und da dies von wollüstigem Gefühl beglntet
war, to fragte idi mich doch wieder: wie geaobidit es mir, daaa ich bei
dieaer WoUnat, die doch nur der Dordigang oder daa lüttel sur WoUnsi
angeaidhta dea weiblichen EOrpen aein mflaate, stehen bleibe nnd nicht
an der htsteren hindorchdrii^? Denn nie empfiuid ich dem Ifonne
gOgenftber wie dn Weib, aondem ateta wurde der Trieb, adbat nUtglichst
völlig Mann zu Sein, wie schon bemerkt dadurch gestärkt, wie ich denn
anoh bei meinen psychisch-erotischen Gefühlen nie die Rolle des paaaiTen,
sondern nnr des aktiven Päderaaten spielte, wenn ich so sagen darf;
denn Ton wirklicher Flderastie war ja nie dabei die Bede.*
Bei manchen p^yehoBmeUen Heimapliioditeii nigt noh, dass
das GesoUeoht des anderen flberfa&iipt keine Bolle spielt; sie fthlen
sidi sn einem gewissen T^pus bingesogen, es ist ihnen Nebensaehe,
ob dieser dnzoh ein nUUmliohes oder weibliches Wesen ver-
treten ist Hierbei ist besonders wichtig der Eopf ; so neigen manche
m einem blonden Kopfe mit knn geschnittenen Haaren nnd sarten
Gesichtssflgen, nnd dem BetreflCenden ist es nnn siemlidh gleidb-
giltig, ob der Eopf einem Weibe oder einem Hanne gehört Einige
können nur hei solchen Weibern sezaelle Erregung sptren, die in
ihrem JLnsseren eine gewisse Ahnlichkdt mit Mannem haben, z. B.
bei Weibern mit kurzen Haaren.
350
Wilbrandts Theorie.
Id seiner Snihlmig „Fridolins heimBehe Elie" sohüdert Adolf
WilbrandtO Professor Fridolin, der in psychosezaeller Be-
ziehung hermapbroditiech TOranlagt ist, and läset ihn eine Erklärang
för diese eigcntfimliche Affektion geben. Doch sei noch bemerkt, dass
Uei Fridolin nicht nur Neigung zum Weibe eintritt, sondern dass er
„zeitweise auch mit sich sell)st verlieiraiet ist," und dies wird eben
hier als heimliche Ehe beschneben. Wilbrandt lässt rriduliu zur
Erklärung folgendes sagen. Die Natur hat Mann und Frau hervor-
gebracht; aber es ist ein Irrtum, za glaaben, dass jeder Mann
dnrchans männlich, jedes Weib durchaus weiblich geartet ist. Was
Laien als Ausnahme bezeichnen, das ist, wissenschaftlich betrachtet,
doch mir Übergang und Zwischenstufe. Wenn man alle Men9rh<>n
neben einander stellen könnte, nach ihrer Hautfarbe geordnet, vom
hellsten Albino bis zum schwärzesten Neger, so wflrdc man nirgends
sehen können, wo die eine FLirbc aufhöre und die andere anfange;
ganz ebenso liege es mit den seelischen Eigenschaften des Geschlechts.
Wenn man von der stärksten Männlichkeit bis zur ausgesprochensten
Weiblichkeit die Menschen nach seelischen Eigenschaften geordnet
neben einander stellte, so würde man nirgends sehen kOnneUt wo das
Männliche aufhöre und das Weibliche anfange. Denn es giebt» wie
Fridolin meint, nicht Ausnahme«, sondern nur Übergangsmenscben,
die, was ihre Seele betrifft, eben so viel vom Manne, wie vom Weibe
haben. Es giebt solche, die männlichen Verstand und weibliches
Empfinden, andere, die weiblichen Geist und männlichen Charakter
haben. Da jedes Gescbleeht nsoh seiner geistigen Ergänzung strebt,
80 werden diese Lente ibre Brgftnsong sowohl beim Weibe^ wie beim
Manne sneben mllBsen. Nnn sei aber nnr ein Teil ibrer Seele
weiblieh, nnd dieser suche den Hann,, ein Teil der Seele sei mehr
männlieh geartet, nnd dieser snobe das Weib. Zeitweise kann die
mftnnliobe Hälfte der Seele der weiblieben genQgen, dies ist die
heimliche Ehe; aber danemd können sieb zwei halbe Mensohen nicht
eigäBien, dies ist nnr mit xwei ganien Mensoben der FalL ISn so
gearteter Fell ist Fridolin; er lernt eine reisende Frau kennen, sie
gefiUlt ihm, er kommt bis znr Entsflckiing nnd bis snm Ijrisoben
Gedicht; er beabsicbtlgt^ sie za beiraten. Er denkt nicht daran, dass
seme Seele auch eine weibliche Hälfte bat; doch naob einigen Tagen
tritt diese dentlicber berror, sie war gewissermassen vendst nnd ist
nnn hemigekommen. Diese weibficbe Hälfte der Seele lässt ihn m
') 2. Auflage, Wiea im Seito 4Ö ff,
FSychoBexuelle Hermaphrodisie vor der Pubertät.
351
^tr dMemdeii Liebe nun Weib niolit kommen, er mom enteagen»
md naeh nenn Monaten zeigt sich ein neues B&d. Diesmal wird die
weibliche Hälfte seiner Seele der männUeben untren; die weibliche
Hälfte verliebt sich in einen Mann. „Mit liebenswürdigen Jünglingen
zu leben, zu denken, zu schwärmen, wird mein höchster Genuss!
Ich fühle wie Sokrates. Ein Jüngling geföllt mir vor allem. Ich
suche ihn auf, ich träume von ihm. Ich sehne mich. Alle Merk-
malet alle Narrheiten der Liebe sind da." Aber auch dieser Zustand
dauert nicht lange, die milnnliche Hälfte seiner Seele verhindert eine
dauernde Liebe 7um Manne, aus dem Geliebten wird ein guter
Kamerad, aus dem Engel ein Mensch; eine dauernde Liebe giebt es
auch hier nicht, und jetzt ist wied^ die weibliche H&lfte der Seele
mit der männüchen verheiratet.
Die Ausführungen Wilbrandts sind in Form einer £rzahlang
gemacht; wie der Dichter erwähnt» ist sie aber naoli ihm gegebenen
MitteOimgen terftust
IoIl habe beobaehte^ dass bis zur Toilsiindigen Ausbildung der
Gesebleehtsteüe eine gewisse peyohisobe Hennapbrodisie b&nfiger ist;
dass die Neigung gewisser Knaben sn Knaben und Mfedehen mitunter
entsebieden einen sexuellen Charakter bat, dass aber später mit der
Entwickelung der Pnbertftt die Neigung lu Knaben mehr und mehr
sehwindet Dass hier in der That sebon vor der Vollendung der
Pubertät eine sexuelle Zuneigung stattfindet, gebt daraus berror» dass
sokhe Knaben ganz deutliohe Erektionen beim Zusammessein mit
anderen, bei der Betrachtung und Umannung ihrer Freunde haben.
Mr lühifig seheinen nur Falle ym p^chosexneller Hermapbrodisie
Tor der Pubertät bei sexuellen Perversionen. Ein Herr aus meiner
Praxis, dessen Krankengeschichte bereits in Erafft-Ebings^
Päychopathia sexmlis veröffentlicht ist, und der Stiefel-Fetischist ist,
litt bereits von Kindheit auf an Fetischismus. Als kleiner Knabe
wünschte er stets die Stiefel seines Lehrers zu küssen, er küsste und
drückte die Stiefel seiner Schulkameraden fest an sich und dergleichen
mehr; ebenso liebte er bereits damals die Stiefel von kleinen Mädchen.
Mit dem Eintritt der Pubertät ist die Neigung vollständig hetero-
sexuell geworden, indem er schliesslich nur noch die Stiefel von Damen
und zwar von hochgestellten Damen liebte.
R. V. Krafft-Ebing: Psychcpathia sejnialis, mir l>osonderer Berück-
sichtigung der konträren Sexnalempßndang. Eine klinisch-foreDsiflche Studie.
9. Annage. Stattgart 1894. 57. Beobachtung S. 123.
362
StiAe dfls lioouiMKaelltii TUebei.
Auch Niemeyer 0 betont, dass Knaben nutaatar eine Leiden-
schaft für andere Knaben haben, wobei der ümgaiig denelben etwa*
der Geschlechtsliebe ähnliches darbietet £8 sohant nach diesem
Autor hierbei eben der Geschlechtstrieb zu erwachen, aber während
er einen Gegenstand sncht, verirrt er sich noch. Man wird bieria
ganz dentUoh dieselben Anschauungen finden« die in neuerer Zeit
Max Dessoir aber das Stadium der UadiffiBNUsiertheit des Oe-
Bohlecbtstriebes auBgesprooheik bat
Die psyobosexuelle Hermapbrodine kaon dueh laUreiobe andere
Symptome kompliziert sein. In einem Fall von Boarneville*) und
Baoult bandelte es sieb um einen vieneb^jlbrigen jungen Menseben,
der lablreksbe Degenerationsaeieben darbot; bei ibm bestand sexuelle
Zuneigung zum welblieben Gesebleebt, ausserdem aber wurde bei ihm
aueb Flderastie und Sodomie mit Tieren, ebenso wie Kleptomanie,
Eoprolalie und dgl. mehr beobachtet
Selbst wenn ausschliesslich homosexueller Geschlechtstriel' l'esteht,
kann er in verschiedener Stärke auftreten; ebenso wie bei weib-
liebenden Männern der eine den Geschlechtstrieb stärker, der andere
schwächer spürt, ebenso liegt es bei homosexuellom Triebe. Nur
kommen hier Steigerungen des Triebes, sogpnfinnte Ilyperiistbesien,
wie PS scheint, häufiger vor. Nicht nur die Zuneigunt; zum eifi-cueu
Geschlecht kann alle möglichen Grade zeigen, sondern auch die Ab*
- ) Augnst Hermann Niemeyer: Omndflatee der Erziehung und des
ünterrichtB f!ir Eltern, Hauslehrer und Schulmännor. 1. Tcü. Neunte Ausübe.
HaUe 1834. 8. 80. Es soll auf dieses Bnch^ das die sexuellen VorgSogo vom
StuulpimlEt tor FBdagogik ecSrter^ hier hlugewiaeen wwdflB. Ftfn van dkr
SchnbneisteNl eiBrtairt der AntiHr diese FiegM; er flndet weder in den abaobiten
Vormeidon jeder Belehrung: der Kinder über den Oeschlechtstrieb noch in vielen
Vorwürfen den richtigen Weg, zum Ziele zu kommen, wenn man bei Kindern
Onanie unterdrücken will. Miemeyer weist auf einen Aosspruoh Quintiiiana
und auf Bonese an hin, um den ■ehgJli<Jien Effekt körporlicber Zöditigungen
ra demonstrieren und Erdeher vor ihnen sn warnen. Allerdings wird es selir
SOibwer sein, noch einen geeigTieten Ort für solche Züchtigungen ausfindig zu
machen, da sich nnter UwBtÜndeu auch an and^r Körperstellea schädliche
Folgen eintitelieu können. Pestalozzi meinte, eine Maulschelle zu rechter Zeit
sei fsr nieht mredit (Oedankeossminhuig. Lexikon pädagogischer, klnsslseher
philosophischer Citate und Sentenzen. Von J. Fr. Meissner. S. 6W). Ündessen
j;laubL'n ja einige Huiuanitätsfieunde, dass unRÜnstif^o Folgen auch daraus hervor-
^clicn könnten. Bc/Äio^Vvh Kousseaus sei bei dieser Gelcg:enheit auch noch
auf J. J. Houüseaus iürankeugeächichto, herausgegeben vuu Möbius, Leipzig
1689, S. 5-7, naHnerkssm gemaoht
BfftmiiiAtioa oliiift Honoitmlittt
853
nogmig gegenüber dem Weibe. I%e kann yon seineUer Frigiditit
bis smn ansgespioebeDen Horror gehen (Erafft-Bbing
Es giebt» m aohon Westphal Migte, eine nnfollkonuneae Fmi
von kontiSier SeKnalempfindung, bei der der leniene Trieb auf
das Wdb geriebtet ist, aber das Indindnam sonst den l^ns der
Effemination zeigt und ab Weib aufzutreten liebt kvßk diese Er-
scheinang kann periodisch anftreten. Der eine Patient Westphals,*)
bei dem dies der Fall war, gab an, dass, wenn er seinen Trieb znm
Anlegen von Frauenkleidern unterdrücke, er furchtbare Angstzustände
bekäme^ die erst uut dessen üefriedigung nucbiiessei]. Sexueller Ver-
kehr mit MÄnnerii kountti ihm nicht nachgewiesen werden. Dennoch
hatte er in seinem sonstigen Wesen ein fast ausschliesslich weib-
liches Fühlen. Mit einer Schanspielergesellscbaft zog er als Dame
in die Welt, und auch sonst liebte er weibliche Beschäftigung.
Mit Recht macht Westphal auf die Schwiengiieit aufuiurksam,
die in solchen Fällen besteht. Es kommt vor, dass Männer lediglich
deswegen Weiberkleider anlegen, um bei Diebstählen, die sie begehen,
die Polizei auf eine falsche Fahrte zu lenken. Dieser Punkt war
besonders in Westphals Falle zu erw!\gpn, da der BetrefTende
wirklich eine ganze Ileihe von verbrecherischen Handlungen ausgeführt
hatte. Dennoch kam Westphal zur Überzeugang, dass unabhängig
hiervon eüi krankhafter Trieb zum Anlegen weiblicher Kleidang vorlag.
Auch ans der Geschichte kennen wir derartige Falle, wo sieh
Männer ohne konträre Sexnalempfindong in Weiberkleidong zeigten.
Ich erinnere an die Belsen Ulrichs von Lichtenstein,*) der ans
Verehrung fOr das weibliche Geschlecht grosse Wanderangen in
Weiberkleidong machte and sich die Zöpfe nach Weiberari an der
Haube befestigte. Schon in der Bibel') finden wir eine hier zn er-
wibnende Stelle^ nlmlidi ein Verbot fttr Mioner, WeiberUeider m
tragen, da dies dem Herrn ein Orenel sei
- ) R. V. Krafft-Ebing: Psychopathia scjrualis, mit besonderer Bcrück-
siühtigUDg der kooträreo Sexualempfiadoiig. Kioe kimisoh-foreiiaiBche Studie.
9. Auflage^ StoMpit 18M. & »0.
') C. Westphal: Die konträre Sexnalempfinduog, Sympton eines neiin>>
pathischcD (p^ychopatbischen) Zu^tandeR. Archiv l&r Fsyehiatiitt ond lierven-
kraskheiten. 2. Band. Berlin 1870. S. 102.
- ) Alwin Schnitz: Das höfiaohe Leben zur Zeit der Minnesinger. 2. Auf-
l^pa. LBMd. Leipiigim & Sfl7.
Moll, KoBtr. SMOUriMipflodaag.
88
YIU. Ätiologisches.
Was die Unaohen der kontrftien Sexualempfindmig betiifft, so
werden deren sehr viele von den verechiedenen Schriftstellern an-
gegeben. Casper') teilte die M&nner mit kontniier Sexoalempfindang
in swei Gruppen, eine, bei der der Hang eingeboren,*) und eine,
bei der er infolge von ÜbereftUagong am nozmalm Koitus epiter er-
worben wnrd& Wir werden eebeo, daes die üjnteilnng Caapere
anob heute noch vielfaeb als nehtig anerkannt wird; anofa die Sohrift-
steUer, die sieh ihm nicht ganz anschEewen» pflegen ihm doeh teil-
weise m folgen. So nntersdieidet Oley*) ansser den swei Gnppen
Ton Oasper noch eine dritte, bei der der perrene Trieb dadaroh
entstehe^ dass der betrelTende Hann snerst nnr einige Male den per-
Jüb. Ludwig Casper; MiUBohe Novellen snr geriobtlioben Mediiin.
Berlin 1863. S. 34.
•) ADgeborra ist itran; genmDmen mr dw, was im AngtnUiek der Mark
▼orbanleii ist. Der Geschlechtstrieb des noKinaleii Henachen entwiekelt steh
cbcnao, wie der Bart des Mannes, die Brustdrüsen des Weibes u. s. w. erst lange
Zeit nach der Geburt, ist mitliin in diesom Sinn nicht angeboren. Ebenso wenig
würde dies von dem pathulogischen, von dem homoaexnelleu Trieb gesagt werden
kfinneii. Wohl aber kaim nonmde Gesekleditstrieb als eiwbt betrachtet
weiden, wenn er auch nicht angeboren ist, und ähnlich würden wir den homo-
aexaelleu Trieb als etwas Ererbtes zu bezeichnen haben. In dem Be^iff ererbt
liegt jedoch ein doppeltcb: erstens, dass die betreffende Eigenschaft von den Vor«
£fthren Ubertragen wurde, und zweitens, dasa sie bei Vorfahren and Nachkommen
gleidi iflt Da amt aber ein Sohn den IMeb mm Hanne von der Hnttor geerbt
haben kann, so könnte man gefsn das Wort ererbte Homosexnalität Einwände
erheben. Um Mis.sver-stiiudniBse zu verrnfiripn, dilrfro daher ii r Ausdruck ein-
geborene Homosexualität den Ausdrücken angeborene und ererbte Homosexualität
vonnudehen sein. (Qenaneies s. bei Albert Moll, üntersnchnogen über die
JMuh MMMÜt^ 1. Band, 1. IMl, Berlin 1887, a lOOft, 1. Band, S. Tdi, Berfin
1898, S. 472.) Job. Ludwig Gasper (L e. 6. 84) spraob aeboa von eiagebofenem
anstatt angeborenem Drang.
") Oley: Les aberratiom de l'itistitict aexttel apres den iravaux rtcerUs,
Jbnts phihtophique 1884 VeiL XVEL & 6«.
Siligeliomi« lud enrofbene kontiite SeauAlempfiiidiiiig. 355
Versen Akt Tersuchen wolle, wobei er allmählich den krankhaften
Trieb annehme. Auch Tarnowsky') erkennt eine angeborene und
eine erworbene Form an; nur hat er eine etwas andere Einteilung.
Er unterscheidet eine Perversität des Geschlechtssinnes auf Grundlage
erblicher Belastung und eine erworbene geschlechtliche Perversität.
Zur ersteren rechnet er drei Gruppen, nämlich die angeborene kontrare
Sexualempfindaog, ausserdem aher die periodische und epileptische
Fidenstie. Zur erworhenen geschlechtlichen Perversität rechnet er
ausser den leichter verständlichen Formen die geschlechtliche Per-
versität im Altershlödsinn und bei der progressiven Paralyse. Ziemlich
kurz spricht sich Mantegazza in seinen anthropologisch-kultnr-
historisohen Studien über die Geschlechtsverhältnisse des Menschen in
Bezog auf die Unaeben der kontriiea Sexaalempfindung ans. Er
mflint, da» alle sexneUea Ferrersitateii ans nrei Qaellen f&meni
entweder rtihrten aie von der Sehwierigkeit her, in normaler Weise
den Koitns ausnitben, oder von dem Wnnsoli, ein andoEes Vergnügen
m empfinden. Ändi Er äff t-E hing*) nnterseheidet die erworbene
kontrtie Sexoalempfindang Ton der eingeborenen. Br meint» dass
gewisse Tenudassuigen (die ansfährlieli spAter nooh besprochen weiden
sollen), besonden aber sexaeller Missbrandi und Onanie entsebeidend
sein können und bei noimsl fohlenden Indmdnen kontrixe Sexnal-
empfindnng sa enengen veimögen. Besondezs soUen die Einflüsse
snr Zeit der Entwiekelnng der Zengungsorgane bedenklich sein nnd
sehr leiüht, wie anch Tarnowsky erklärt, Ferrersionen bewirken.
Havelook Ellis*) onterscldtEt nidit die Bedeutong, welche Einflüsse
im Leben jRlr das Entstehen der HomosexnaUtBI gewmnen kAnnen,
wamt aber vor einer Übeisehltsong derselben nnd erklärt mit
Beoht» dass die Assoziations- nnd 8uggestionstheorien, die in neuerer
Zeit von einzelnen Seiten aufgestellt wurden, keineswegs genügen
können. Die Anschauung, wonach sexuelle Inversion durch den
früheren Einfluss der Umgebung oder der Suggestion zu erklären ist,
habe etwas Anziehendes, aber bei genauerer Betrachtung stelle sich
die Unzulänglichkeit dieser Auffassung heraus.
■) B. TftTsowtky: Die kranUuflen Ersohnnnngen d«s QeioUMbtniBiies.
Eilio foreQsisch-psychiatrLsche Studie. Berlin 1886. 8. 7—9.
- ) R. V. Kl iif f t-E b i> ^: P.fytfwpathia sertuUü. Mit besoudcrer Berück-
flichtigimg der konträreu Sexnaiempfindoiig. Eine kUnisoh'foreQsische Studie.
9. Auflage. Stat^:art 1894. & 196.
- ) Havelock Bllts und J, A. Symeads: Bas kontrftre OaiohleohtagafBU.
Deutsche AORgabe, beioigt uater Mitirirkang von Hans Karella. Laipdg 1898.
& 888.
$56 Kiugeboreae and erworbene koatr&re tiexualemptiuduai^.
Im Gegensatz zu der enrorbenen zeigt sich bei der eingeborenen
konträren Sexualempfindong die sexuelle Perversion Ton Anfang an,
ühüö dass vurlier irgend welcher Trieb zum Weibe beintrkbar ge-
wesen wäre. Wenigstens finde ich, dass die meisten Autoren da«
liriiu;i.re oder sekundäre Auftreten der Homosexualität als ent-
scheidendes Merkmal für die eingeborene oder erworbene Form be-
trachten, wenn sie überhaupt einen solch i'n Unterschied machen.
Und doch ist dies nur mit grossen Einschränkungen richtic^. Eine
sekundär auftreibende Erscheinung kann sehr wohl eingeboren und
eine primär auftretende erworben sein. Was den normalen hetero-
sexueiien Gesohlechtstrieb betrifft, so kommt er, wie wir sahen, ge-
wöhnlich überhaupt erst zur Zeit der Pubertät zum Ausbruch. Nun
kommt es aber auch bei dem normalen Triebe Tor, dass er sich
nicht ohne weiteres von Anfang an als ein heterosexueller Trieb
äussert. Max Dessoir^) meint, dass man im sexuellen Leben des
Menschen zwei Perioden unterscheiden könne, ein Stadium des un-
differenzierton und ein solches des differenzierten Geschlechtstriebes*
Vor oder zu Beginn der Pubertät sind nach diesem Autor die ge-
sohleehtliobeii Neigungen noch nicht auf das andere Geschlecht^
sondern oft genug nur auf das nächstliegende Objekt gerichtet Bald
seien dies dann Knaben, bald Mftdoben, oft auch Tiere. Erst später,
wenn die Pubertät vollkommen eingetreten ist, differenziere sich der
Trieb, indem er flieh beim normalen Mensehen aof das andere Ge-
fldileoiit riflhte.
ZweifelloB kommt dieses Stadium des imdiffereiaierteE Geiebleohta-
triabsfl oft Tor; finglieh erscheint ea mir aber noebi ob es in allen
Fällen, wie Haz Deasoir amümmti dem differea&erten Toraiiflgefati
nnd ob nieht vielmehr mitonter die HeteroseKoalität ohne weitoEea
ron anfimg an eintritt Jedenfalls aber kommt dieses Stadium aoeh bei
Personen vor, die später nur Nelgong snm andern Gesdileoht eaiir
pfinden. In. solehen Fällen kann es geschehen, dass der Betreiende
sonäohst homosexnelle Neigmigen hat, nnd dass erst sekondär mit der
DüfeEemdening des Triebes die normale HeterosesnaUttt eintritt
TtxMm ist meuies Eraebteaa aneh m solehen FäUen diese normala
HeteroseKoalität dne eingeborene Eigenschaft, die genau mo andere^
erst in einem bestimmten Alter eintretende, eingeborene Charaktere
nieht gleich bei der Qebort besteht, d. h. nicht angeboren ist Wenn
wir aber hier annehmen, dass der eingeborenen Heterosexualität in
M Max Dessoir: Zar Psychologie der Füa 9eiBUalü, S.-A. aus dex Zeit-
aclurüt lur FäyckiatriOj öO. Bftod.
Frimin Homoiaziuilitlt
357
dem Stadium der ITndiffereimeiÜieit des OeecUeohlstriebeB homo-
eemello Keigungen Toraosgehen, eo wird es keine 8elnrierigkeiten
benlteDi annmehmen, dsse einer eSngeborenen Homoeeiaalitftt andi
heteroeexneUe Ezsoheinnngen Toiangehen, du heisst eine sekondftie
Hemosenialitat ist niebt idenüseh, irle min dt aaidmmt, mit einer
erworbenen. Warn kommt, dass das Stadinm der ITndifferenzierfheit
des GescUeclitstriebes offenbar auch beim normalen Mensohen manche
indiTidnelle Differenzen in Bezug auf die Dauer zeigt, sodass wir auch
bei homosexuell YeranUgteu solche individuelle Unterschiede erwarten
dürfen.
In ärztb'che Beobachtung sind nun znm grossen Teil solche
Falle gekomiuen, die in dem angedeuteten Sinne die Homosexualität
primär zeigen, das heisst in dem gewöhnlich angenommenen Sinne zu
den eingeborenen ?,u rechnen sind. Aber abgesehen davon, dass auch
ans dem primflren Auftreten nicht ohne weiteres das Eingeborensten
folgen würde, kommt noch ein Bedenken hinzu, auf das Max Dessoir
gleichfalls hinweist. Kein Mensch erinnert sich in einem späteren
Alter aller Vorgänge aus seiner Kindheit odpr aus einer bestimmten
Zeit seiner Kindheit in gleichem Ma.sse. Die emen Ereignisse der
Kindheit smd verwischt, andere treten wieder deutlicher vor Augen.
Dies hängt zum Teil mit der Stärke der Eindrücke zusammen, zom
Teil auch mit dem Interesse, das die Eindracke bei ihrem Auf-
treten in der Kindheit erregten. Aber es kommt nicht nar das
Interesse hinzu, das die Ereignisse bei ihrem Auftreten erregten,
BOndem anch das, das sie noch später erregten. Wenn z. B. jemand
etwas im achten Leben^ahr erlebte, wird er dies viel besser in der
Erinnerung behalten, wenn üm dieser Vorgang auch im späteren
Leben noch interessiert^ als wenn dieser Vorgang ihn swar bei seinem
Anftreten interessierte, spftter aber nidit mehr. Da nnn den homo-
Mxnellen Hann solobe Vorgbige mekr interessieren, die komeseznell
gewesen sind, so kommt es, dass er aneh spiter sieh setner homo-
sezneUen Brlebnisse aas der Eindlieit viel mehr eiinneni wird als der
heterosezaellen, nnd so ist es erUtibar, dass komosexneUe Minner
sieh ihrer keteroaeznellen Erregongen ans froherer Zeit nidit mehr
eiinnem, obwohl rie bestanden haben. Wir werden daher mit einem
gewissen Skeptiaismns die Angaben jener üminge betrachten müssen,
die, am das üngeborensein ihrer HomoseiaaBtit an beweisen, alle
heteroeexneUen Empfindungen ans der froheren Zeit in Abrede stellen.
Abgesehen dafon habe ieh dnreh saldieiehe neneie Naohforsehnngen
die Übenengung gewonnen, dass sowohl bei Weibern als anob bei
853
IngalwniM Aidagtt im OM^liofatatriebas.
Mflnneni die iekundlro Homosenulittt ofk TOikomBiti und dass dia
Hftnfiglnat, mii dar man de triift, noUeidit davon abhlngt, in wakshea
Ereilen man die üniemiehnngen aneteUt
Was non die fitiologisehe Seite betrifft, so werden gegen die
BinteUnng in eingeborene und erworbene Form der konMien Seraal-
empfindnng ESnwendougen erhoben. Ea wird eingewoifen und iwar
IL a. yon Holunder,^) Meynert,^ BoBenbaob,*) Blenler,^)
Erftpelin,*) Friedmann,*) dass der abnorme GescUeebtstneb niebt
eingeboren aeia Unna. Wenn wir dieae Frage entsobeiden wollen, ao
mllBsen wir zoniebBt die Vorfrage befriedigend erledigen, ob flberbanpt
der Geaöbleobtetrieb eine eingeborene oder eine erworbene psyobiaehe
Funktion iat Ka wird behauptet, der GesoUeohtetrieb werde dadnreh
erweekt» daaa Sinneeetndrfloke anf den Henaehen einwirken. Wir
kAnnen nieht in Abrede stallen, dass ftosaexe Bbidraoke den 6e-
soblecbtstrieb erweeken, nnd kftnnen eine dahin sielende Behaaptung
deshalb nicht leicht widerlegen, weil ein Mensch, der äusseren Ein-
wirkungen gar nicht ausgesetzt ist, höchstens theoretisch gedacht
werden kann, aber in Wirklichkeit nicht vorkommt
Wenn wir aber weiter fragen, ob der Umstand, dass unter gt3-
wöhnUchen Verhältnissen der Mann sich zum Weibe hingezogen [ühU>
durch Keize bewirkt werde, die nach der Geburt stattfinden, so
mochte ich dies doch gründlich bezweifeln. Wir können luich d» r
eben gemachten Auseinandersetzung allerdings nur behaupten, dasa
die Anlage zum Gesclilechtstrieb angeboren ist, da ein Mensch, der
dauernd ohne Sinnesreize bliebe, in Wirklichkeit undenkbar ist. Dasa
aber unter solchen Umständen nach der Geburt gewissermassen nur
durch einen Zufall der Trieb des Mannes zum Weibe hingelenkt
werde, scheint mir eine höchst gewagte Behauptung. Hiergegen
- ) Alex. Hollander: Sa Bdirag tat Lehre von der kontrSron Soxnal-
enplfaldiuig. All^meifie Wiener medizinische Zeitoog 1882, Nr. 37, 38, 40.
- ) Theodor Meynert: Klinische Vorlesungen Aber Psychiatrie. Wien
1890. 8. 184. AuBserdem itprioht Mejnert über die Fn^e in dem OnCaehten,
dat in einem Antalie von BIrnbaoher wiedeiigegeben iik: FrieMoha Blitter
Ar gerichtlidie Medisin nnd Sanitatapolizei, 42. Band, Heft 1. 1891.
- ) firlenmeyers Centralblatt ftir Nerreoheilkande, August 1892
- ) MOuchener Mediziniscbe Wochenschrift 1882, Nr. 11. Blenler apricht
nch alletdipgi nur in dem Stmie üu, daai ein Teil der lUle, die biilMr ab ein-
geboien anliKelluBt wurden, in WMdkddnit eiat spätar erwoffben lind. Die
Differenz zwischen Bleuler und Er äfft- Ebing wäre also keine prianplalleb
») Emil Kräpelin: Psychiatrie 4 Auflage. Leipzig 1893. S 691.
- ) M. Fried mann: Über den Wahn. Eke klinisch-psychologische Unter-
•nehnng nebat einer DanMlang der »»malen Intelligenavatlnd«. meebaden
18M. Am
AlMMD«tk«8älMlie.
850
spfkht Behoa der Unstand, daas die Heteroeezoilitlt das GevSiiBHclie
iat; ferner die Thataaehe, daaa irir auch bei Tieieii ftet stets Neigong
nun andern OeaoUeebt beobachten können. Ea apreohen aebr viele
andere Momente biecffir, die loh*) in einer «uÜBbifieben Arbeit ans-
einandeigeaetit bsbe.^ leb nebme an, daas beim normalen Ifenseben
der beteroseKoeUe Trieb, oder wenigstens seine Anlage eingeboren Ist^
md dasa die gewobnlieben ioaseren Eindrücke hdebatens den Trieb
erwecken. Wenn solehe SinnesnndrQcbe aber ancb von Hfinnem nnd
Weibern anageben, ao wird doob der mit normaler Anlage geborene
Mann aiob beteroaeinell entwiekeln. Denn <ye normale Anlage des
betreffenden Mannes beateht in der Fftbigkeit, anf die sexuellen Reize
des andern Gesehleobta sexnell zn reagierett. Geben wir nach diesen
Ausfflhrungen zur Betrachtang der Hbmosexnalitftt Ober.
Es wird behauptet, dass sich ans rafftlligen Eindrücken gevnsse
Assoziationen*) bilden, die fllr die spätere Zeit die Art des Ge-
schlechtstriebes bestimmen. Es wird gesagt, dass sich aus der mulaellen
Onanie zwischen Knaben die kontriire Sexiialempfindung entwickele,
nnd es wird angenommen, dass ;ius Aiierziehung weiblicher (it ^^olm-
heifcen bei Knaben gleichfalls koutrüre Sexualemptiudung bervori^* he.
leb bin aber der Ansicht, dass, wenn diese äusseren Einwirl unf^en
die genannten Folgen haben sollen, in den meisten Ffilien eine ein-
geborene Disposition hierzu vorliegen dürfte. Ware du s nicht der
Fall, und würde die matoelle Onanie zwischen Knaben wirklich das
^ Albart Moll: üntenachungen tinr dio L&Üo $eatalü, 1, Band,
ITdL Berlin 1897. 8.90-810.
- ) Vergl. anch: ITavelock Ellis und J. A. Symonds: Das konträie
Goffr'hleohtflgefuhl. DeatBche Ausgabe besorgt auter Mitwirkong von fiana
Kurella. Leipzig 1896. 8.236.
') Meynnrt widtfrqnrioht tidi, wie ich glaube, in dem erwähnten Gut»
aehten. Denn eineneits sagt er — so ist dieses anch von Bleuler veistanden
worden — dass bei beiden Geschlechtern in der zerebralen Anlage für dm
Geschlechtstrieb kein Unterschied sei, und da.s.s die Richtanir, nach der sich der
Geschlechtstrieb später ieokt, abhänge von der Art der nach der Gebart statt-
findenden ISnwiilntngen. An einer anderen Stelle dca Ontaohtena aber apridit
aldi Meynert gerade in dem Sinne ans, dass nnr bei krankhaften Per-
sonen durch entsprechende Einwirkung der Trieb zu einem homoscx-ncllen würde.
Hiermit gäbe Meynort selbst zn. dass mindestens eine pathologische Disposition
nötig ist, wenn der Trieb homotiexuell wird. Wie HaTelock Ellis in seinem
gamainaam mit Symonda heraoagegebenem Bodie Daa kontrtie GeaeUeohta»
gafBhl, deutsche Ausgabe, Leipzig 1896, S. 1^7, Anmerkung 1, erwähnt, hat
auch Nficke lip'<tritten, dass Überhaupt ein geschlechtlicher Instinkt bestehe.
Dam aber hierbei oft genug nnr MissTerständnisse vorwalten, wozu nicht am
wenigsten der Begriff der angeborenen Yoietellungen beiträgt, darf wohl ohne
waiterea behnnptat werden.
360 Cbeitraibiing dir
WesentUdute sein, dann mOwte die Homosexualität eine viel giOsMie
AmdeluTing haben, und es mfleetan anoh tonst die sexoeUen Per»
Versionen bedeutend binfiger TOikoiimiflii, als ea der Fall iat Da die
meiateiiMenaebeii ment den QeseUedhtstiieb dnidb Onanie befidedigen,
ao nxOssten, wenn dieae AaaoiiatioBatbeorie riobtig wftre, die
meiaten Henaoben später den Trieb baben, dnroh eigene
Onanie aicb geaobleobtliob an befriedigen. Ba mflsate feiner
bei anderen, die dnreb Bdbnng an WiaebegegenatAnden die Onanie
anaaben, die Neigung an Wlsebegegenatftaden aebr bftnfig sein; ea
wtlide anderorseiftB die Neigung aum BeiaoUaf etwas Inssorst seltenes
sein missen, wenn aoa den ecaten Ebidrftoken, die anr Befriedignng
dea GeeeUeebtstiiebee fflbren, ebne beateben de Anlage danemde
Aaaoiiationen eziengt würden. Es mflssten adlebe Bebanptnngen über
Aasoaiationen nnd deren EinÜflfiiim doeh dnreb einige Bewdse gestfltsi
werden; man aoll niobt bloaa anf Grand üieoietiaeher nnd beqaemer
Spekulationen derartige Meimmgen ansspiecben.
Bedenken wir, dass die Anlage vieler Nervenkrankheiten') als
ererbt oder eingeboren betrachtet werden muss, selbst wenn die Krank-
heit erst lange nach der Gelnirt ausbricht: ich erinnere hier an die
hereditäre Chorea, an zahlreiche Fälle von Maskelatrophie, an
Psychosen n. s. w. Es steht also der Annahme auch einer einge-
borenen Anlage znr Perversion des Geschlechtstriebes gar nichts ent-
gegen. Hierbei ist keineswegs notwendig, dass die Perversion sich
anch bei den Asceucleuten zeiefp, ebensowenig wie dies bei anderen
eingeborenen Störungen der Fall ist; ich erwähne nur die Imbezillität.
Berücksichtigten wir ferner, dass nicht selten die erste Reg'üng des
perversen Geschlechtstriebes anftritt, ohne dass eine Ursache nach
der Geburt nachgewiesen werden kann, und zwar bevor sich irgend
eine heterosexuelle Neigung" zeigte, und dass mitunter Erscheinungen
vorkommen, die unter normalen Verhältnissen nnr bei Weibern auf-
treten, nämlich die Zeichen der Effemnatio, so befriedigt die An-
nahme einer e'mgeborenen Anlage aar kontiftren Sexnalempfindnng
viel mehr als die einer erworbenen. Einige Forseber eind zwar
anderer Ansicht und neimien nur eine erworbene Homosexualität an;
die Begründung einzelner solcher Autoren halte ich jedoch teilweise f&r
reebt aobwaob. Können wir ea doob tbafcsfteblieb sebon beobaobten,
'> Gmz ebenso ist auch die Anlage zum Bartwuchs ang'eboreii, obwohl g^e-
wöhoiicli der Bart erst viele Jahre nach der Qeburt wächst. Dass man durch
ZioMiiiBg der Haenraneln audi den Bertwoobi Tedündeni fcna, (rtebt dm mit
der aagdMmaeii Anhfe tondüns niobt im Widoqiiiiah.
ABgelMneno Anlag« mr HomoBwroaliUt.
3G1
dass ein Autor die MxnflUe Enegong und den enten SameneigosB,
die ein Mann beim Zneammenfl^ mit einem indem hat» als einen
Beweie dafBr aafthrt» dam der letiteie die sexoelle Ferreraien be-
wiikt liatU
Idi glanbe aleo^ dase in einem TeOe der FUle wenigstens die
Anlage 0 xnm liomoseniellen Trieb angeboren ist Damit stebt die
Mfl^ehkrit TeüstlDdig im BinUaag, dass bei sweekmlasiger Eniehang
die Anlage zur perversen Befriedigung yielleioht uuobftdlich gemacht
werden kann, ebenso wie wir doch eine angeborene Disposition zu
Nervenkrankheiten annehmen dürfen, die bei geeigneter konsequenter
Erziehnng bckämjjft werden kann.
Ich glaube aber, düss wir die Frage, ob ein Fall ätiologisch zur
erwurbcnen oder zur eingeborenen konträren Sexualempfindong gehört,
nicht immer entscheiden können. Ganz wesentlich wird die Ent-
scheidung noch dnrch ein längeres Bestehen des Stadiums der Un-
(lifTerenziertheit des Geschlechtstriebes erschwert werden, und femer
haben wir festzuhalten, dass auch die Untersctieiduüg der er-
worbenen Homosexualität von der psychosexuellen Hermaphrodisie
nicht immer mit Leichtigkeit gemacht werden kann. Dies gelit auch
aus der bekannten und gewissenhaften Kasuistik Kraff t-Ebings
hervor. Man betrachte z. B. den Fall, den dieser Autor *) als Fall 9G
beschreibt Erafft-Ebings Deutung des Falles als solchen mit
erworbener kontrarer Sexualempfindnng erscheint mir nicht ganz ein-
wandsfirel Jedenfalls seigen siob im Verlauf der Entwickelung dieses
Patienten Erscheinungen von pijchesezQeUer Hermapbrediae. Es
findet sich eine Periode bei ihm, wo er snm männlichen und weib-
lichen Geschlecht in gleicher Weise hingezogen ist, freUieh bier mit
der besonderen Abweichung, dass er sexuellen Trieb zum unreifen
Individuum empfindet Später aeigt sieh allerdings bei diesem Manne
ansseUiesalieb bomosexneller Gesobleehtstzleb. Aber anob dieser ist
Tielleiidit niobt gana rein; der Patient aelbat giebt an, dass er keinen
Sofrer tot dem Weibe empfinde, und es sebeiat» dass seine Ab-
ncigong gegen das weibliohe Gesebleebt in seneUer Beoeliuig keine
absolnte war. Es ktante mitbin dieser IUI mOdieber Weise als ein
>) AnsfOhrlich handelt über die angeboranen Dispodtioiiea beaondfln andi
mit BiflUohl auf aen OcseUeohtstrieb OUelt-Newin in ta Bocb „Über
littliche Diapoeitionen". Gras 1899.
^ R. V. Krafft-Ebing: Psychüpaikia sexuaHs. M t besonderer Berück-
aiohtigong der kontr&ren Sexaalempfindang. Eine kliDiscli-foronsifiche Studie.
^äxShg^ StiillgHtt 18M. 8. »Bf.
862 Snrorben« kcmMn 8eiiiil«mpliDdttDg und ptydw— iiwlla HflnnaphrodMe.
solcher Ton psychischer Hennsphrodisie*) gedeutet werden; vielleicht
liflgt anoh FortbMtebeB des luiUfferenuecteii GtaoliieobtttriebeB im
Sinne Hax Dessoirs vor.
Sin anderer IiU, den Krafft-Bbing YerOifontlielil (97. Beob-
aebtmigX ^ deaUieber als Pall Toa erworbener kontrtaer Semal-
empfindnng ebarnkteiisiert Der betreffende Hann bat iwar frflber,
als rieb der Geedbleehtetiieb lebhaft in ihm logte, Befinedignug in
Bordellen geeaebt; er bemerkte aber, daee, obwohl ihn der Anbliek
des naekten Weibes ergüttte^ dennoeb weder Orgasmus noob Brektion
eintraten, ja dass selbst die Erektion bei Mmmstapratton doieh dss
Weib ausblieb. Biese Beobaehtong kann, da der Kranke ansdrOeUieh
binsofagt, er habe naeb dem Verlassen des Bordells wieder den ge*
soUeehtliehen Trieb zom Weibe gehabt» in jener Zeit nur als ein
Fall mit normalem Gesehlecbtstrieb^ aber nemastbenisoher Lnpotens
infolge TOD Onanie gedentet werden, wShvend die Homosexoalitit erst
spftter anftrat
Indessen bemerke ich liier folgendes g-anz allgemein^)? ps scheint, als
ob ungenügendes Wollustgefühl bei d'^m Geschlechtsakte in vielen Fällen
auf eine sexuelle PerversioTi zurückzuiühren sei. Ich kenne wenigstens
Männer, die wohl einen unbestimmten Trieb zum Weibe hatten, die aber
trotz genügender Erektion und Ejakulation kein Wollustgefühl empfanden,
während dies im Verkehr mit dem Jilaimc, y.a dem sie als psychosexuelle
Hennaphroditen neigteu, in ausgedehnttjin Müsse der Fall war.
Ich meine nach dieser Anseinandersetznng, dass man wenigstens
einen Teil der FAUe, die als erworbene kontrftre Sexnalempfindnng
geschildert werden, mit genau demselben Beebt rar psyehisehen
Hermaphrodisie rechnen dart Ich lengne damit natfirlich nicht, dass
Fftlle von konfaArer Sexnalempfindong Torkommen, bei denen im An-
&ng der Entwiokelnng aassehliesslieb TUieb zun Weibe besteht,
wfthrend sidi später bomosexaelle Keignngen zeigen. Aber ebenso-
wenig kann das hinfige Vorkommen der eingeborenen kontiliea
Sexnalempfindmig bestritten werden.*) Bin hervorragender Kriminalist,
') Krafft-Ebing fasst allerdinj^ — und darauf bemht die Differenz —
die psychoBcxuelle Hermaphrodisie viel woniger weit als loh. Daraas erklärt es
sich, dass er solche Filld| wi« daa 96^ rar enporbeMa kontciren Seznalempfindnng
fOdhnttt
- ) Die BemerknnK bezieht sich nicht anf den zuletzt genannten Fall.
•) RelbstveretSndlich kann ich auf die Schriftsteller, die von der Psychologie
und von der konträren Sexnalempfindiug keine Ahnong haben, obwohl sie darüber
scüudbm, nioht emgeheo. fi«i ihnen findet mm noht oft WofCe wie: ,7arimu]g,
Fdgea von oasacliweUiHMlein Labflo, LiBter, Sdhemdichkeiinn" eta Die meiitea
363
der auf diesem Qebiete viele Erfahrangen hat, ist, wie er mir milr
teilte, dnrohaas der Ausloht, dass hei den meisten Fiderasten nnd
ününgen die Ftoryemon his in die früheste Eindhät nuHokdatiert,
nnd dass es sieh nm eine angehorene krankhafte Anlage bei ihnen
handelt
Wenn wir nnn aooh feathaltan, dass es Falle Ten erworbener
kontrtrer Sexnalempfindmig giebt, so sind dooh fiut alle Antoren
darüber einig, dass ein wesentliehes fttiologisehes Moment der er-
worbenen nnd der eingeborenen konttitoen Sexoalempfindang gemein-
sam ist Wir kannen es knn als das der p^chisi^en oder nerrdsen
Bolastnng nnd der Degeneration des Zentralnervensystems
obaiakteiiflieren. Morel, der den Begriff der Degeneration in diesem
Sinne einfllhrte, sowie Legrand da Sanlle, der Um weiter ver-
folgte, sind der Ansicht, dass bei den Nachkommen gewöhnlich
schwerere Formen der Degeneration auftreten als bei den Ascendenten.
Sind also bei diesen nur schwache Zeichen der Erkrankung des
Zentralnervensystems vorhanden, z. B. Hysterie, so kunn bei den
Desceiidenttiii schwere Geistesätöruug eintreten.
Sicher ist, dass sich in vielen Fällen von kontrftrer Sexualem-
pfindung — ob es sich nun um erworbene oder um angeborene Per-
version handelt — erblich belastende Momente auffinden lassen;
Krafft-Ebing, Rabow, Charcot, Magnan, Halban, Kowa-
lewsky, Bourneville, Baoult, Gley und viele andere Forscher
smd darin einig; Westphal Hess es nur unentschieden, ob man es
mit einem durch erbliche Belastnnf:^ herTorgerafenen neuropathischen
oder psychopathischen Zustand zu thun hdhe. Der Unterschied mag
klinisch von Interesse sein, für die Frage der Ätiologie spielt er
eine untergeordnete Kolie, da wir wissen, dass Belastung in gleicher
Weise bei reinen Nervenkrankheiten wie bei psychischen Affekäonen
vorkommt.
Aber auch viele andere Umstände bei den Ascendenten ausser kon-
statierten Nerven- und Geisteskrankheiten müssen als erblich belastend
anspannt werden, wie Trnnksucht, Selbstmord, Yerheixatong nnter Bluts-
verwandten. In dem Fall, den Charcot undMagnan beschrieben, wird
der grosse Altersnntenohied swisdien Vater ond Matter, der 31 Jahre
deraitigeu Schriften sind nicht vom Standpunkt kliniflcher Beobachtung, sondern
moralisiereiulei Sittenprediger geicbiieben, kenaen demnaoh wiflSiudnlQioh nidit
cnst genommen weideii>
364 Bedentnng der SyphfliB au bduteodes MmmL
betrag, als belaatend angegebflo. Die erbliche Belaatang kann sieh
ferner oft in Exoentrioittten in der Familie zeigen, beaonders iriid
wit exeentriflche BeligioaitBt mehifadL angegeben. Audh kenne ich
mehrere Fllle, wo Blntererwandtet beaonders aneb der Täter des
Urnings, als Lebeminner nnd Weiberhelden bekannt waren; Erafft-
Bbingi) giebt andererseits an, dass sioh in einigen FUlen konträre
Sexnalempfindnng anch bei den Asoendenten, wenn auch ui schwfioherem
Qrade, x^ge. Diese Angabe Erafft-Bbings wird in mehreren
lUlen, die ich kenne, bestAtigt ,
Als wichtig fOr die eiblidie Belastmig sieht Tarnowsky fsmer
die Syphilis an. Er fthrt einige hieranf bexQglielie Ftile an, dooh
scheinen sie mir nicht genllgend, nm bei der H&nfigkeit der Syphilis
in ihr ein pr&disponierendes Moment fOr konträre sexuelle Empfindung
zu sehen. Die grosse Ausdehnung, die Tarnowskj*) der erblichen
Veranlagung giebt, schwere Erkrankungen der Eltern, die sie zur
Zeit der Zeup:ang oder kurz vorher überstanden hatten, Typhus,
Pneumonie, Auilmie, geistige Überanstrengungen u. s. w. würden der
Belastung ein zu grosses Feld einräumen und ihr Einfluss scheint mir
jedenfalls in Bezug auf das hier in Frage stehende Leiden nicht
genügend konstatiert zu sein. Auch Lorenz') bat in seiner gründ-
lichen Stmiie über die Genealogie auf gewisse Übertreibungen der so-
eeiKinnt^ü erblichen Belastung hingewiesen, und er meint so^-ar, dass,
wenn man den Stammbaum noch weiter znrückverfolge, kaum noch
jemand lebe, der nicht eine grosse Menge von syphilitischen Vät^m
und Müttern bis vor 3—400 Jahren unter seinen Ahnen (gehabt habe,
da doch, wie Lorenz angiebt, auf Grund zuverlässiger Berichte die
Syphilis schon damals sehr stark verbreitet war. Auch sonst hat der
Yeifasser in Bezug auf Trunksucht und andere Momente Bedenken ge-
äussert, was die erblich belastende Bedeutung derselben betrifiti nnd
ich glaube, es ist gsns gntr wenn wir Mediziner uns daran gewöhnen,
anch Vertreter anderer Wissenschaften in derartigen Dingen etwas
zu Worte kommen za lassen nnd sn berfloksiohtigeo, da wir sonst
sehr leicht einseitig werden.
') R. V. Krafft-Ebing: Psyrhopaihia sexualtB, mit besonderer Beriirk-
bichtiguog der konträreu Sexualempimdaiig. Eine kltuisch-foreudiscbe ötadie.
9. Auflage. Stattgart IflM. & »7.
^ B. Tarnowsky: Die krankhaftoti Erschoinnngen des GceddeehtMinoM.
Eine forensisch -psychiatrische Studie. Berlin 1886. ö. So.
- ) Ottokar Lorenz: Lehrbuch der gesaoateu wi^eoscbaftlichen (Genealogie.
Stammbaum und Ahnentafel in ihrer geschiditlichen^ soziologischen und oatur-
wisseBsohafUiclmi Bedeutung. BaUn 188a a SeSi
DagwMimtioiHMiBli»D.
905
Eine beaomdeiQ Boüb spielt aUerdings bei dei heceditftren fie^
lastoQg mfttiwiiiii*! der AtaTtemae» indem Vater nnd Mntter toU-
ständig gesund sein können, aber bei Naehfenefaiuig sioli beiaiuetellt,
daes die Qnwaeltem nerrenlonnk waren.
Krafft-Bbing^) Htturt mehrere Punkte an, die seine Annahme
▼on der neuro- nnd peyöhopathiecben Belastung stfttien. Bs sind
im wesentliehen folgende: 1) der Umstand, dass bei kontrftrer
Seraalempfindong gewöhnlich das Gesehleehtdeben anflUlend Mh
eintritt; 2) dass die seeUsehe Seite der Liebe bei diesen Leuten den
Charakter des ÜberBohwengliohen hat ; 3) dass htofig Brsdheimmgen
von Nearesei Hysterie^ Nenzastitoi^ n. s. w. auftreten; in einigen
raien kommt hinzn, dass sieh bei eohwaoh entwiekdter Intelligens
oft eine hervorragende Veranlagang für Dichtkunst, Musik oder andere
Künste findet; mitunter gehen die Störungen des psychischen Gleich-
gewichtes sogar so weit, dass zeitweise oder dauernd geradezu Geistes-
störungen beobachtet werden.
Es ist keine Frage, dass anderweitige psychische und nervöse
Störungen in sehr vielen Fällen festgestellt werden können. Es sei
bei dieser Gelegenheit auf die interessante historische Thatsache
hingewiesen, dass einige römische Kaiser, die homosexuellen Ge-
schlechtstrieb zeigten, psychisch kranke und deg^ynericrte Individuen
waren.') Auch heute können wir in vielen Fullen Geist* sstCTungen
beobachten; so war in einem Fall von Westphal Folie circulairc,
in einem andern Schwachsinn vorhanden. In dem von Gock ver-
öffentlichten und in mehreren anderen Fällen traten melancholische
Zustände auf, bei einigen Homosexuellen sah ich deutliche
Zwangsvorstellungen. Auf die Fälle von konträrer Sexualempfindung,
bei denen gleichzeitig Epilepsie oder Geistesstörungen vorliegen,
komme ich spater noch zurück. Wir haben aber festiuhalten, dass
nicht in allen I'allen eine erbliche Belastung oder andere Krank-
heitssjmptome nachweisbar sind. Zuverlässige Autoren und gate
Beobaohter haben in neuerer Zeit gleichfalls diese Meinung
ansgeeproehen* loh erinnere nur an flaTOlook Bllis,*) fBmer
') K. V. K.rafft-EbiDg'; Psijchopathia scxualis, mit besonderer Berück-
sichtigODg dor konträren Sexoaleiuplindang. Eine khnisuh-forenfiische iStudie.
9. Auflag«. Stnttgaft UM. 8. m
- ) Wi od omo ister: Der CBatmiwaluiBiiiiL dar JnÜMh-GlaiutiaQheii La*
p«ratorenfamilie. Hannover 1875.
- ) Havelock £lli8: ikxual inversion with an anaiysis of Ikirt^'Üiree
mm 9aae$. BuUetin of thc Psyekologteal Sectton of the Medieo-Uyai Socteip,
puNiM ay OUrk BtlL Nm-Yvrk, Deemberim, Vok 3. Na, IT, YgL
366
an Garpeuter,*) Hoolie,*) BaffaloTioli.^ Aadi Tainowskj*)
flohemt luelit in allen lUlen eine heraditin Belaatong ÜQi Tor-
liegend wa halten. Was meine eigenen Brfidirangen betriiR^ so
mnaa loh gleiehfidis bemerken, daas mir in «nigen FUlen trota
genaneater Naohfoivoihmigeii die Festatdlnag «rblioh Mästender
Momente nieht möglich war. In der Minorität der FUle gelang mir
dies allerdings. Ea ist freilioh oft aiweiordenüioh aohwer, hierüber
aiehero Angaben in maohen, da aoeh in den Fillen, wo adiwere
nervdee BeUetong nicht zugegeben wird, dieae niidit aelten beateht
Seibat wenn man Patienten Aber die F^miilienmitglieder genan befragt»
80 erhftit man oft über Alkoholgenuss und Geisteskrankheiten keine
genügendeu Angaben, da der Patient absichtlich die ihm in der Familie
bekannten Krankheiten verheimlicht oder von solchen nichts weiss,
obvvuhl sie bestehen. Immeriim mu^a ich behaupten, diibss nicht
für alle Falle von konträrer Sexualempündung bei Männern der Be-
weis vorliegt, dass es sich am er) lieh belastete Individuen handle.
Hinzu kommt, dass die Ausdehn unc^ der erblichen Belastung augen-
blicklich bei einigen Autor» n so weit geht, dass mau erbliche Ver-
anlagung zu Nerven- und Geisteskrankheiten bei fast allen Menschen
nachweisen kann.
In emer Schrift von Libermann*) wird di« Vtibreitaiig der
FiderMti« in Chin» wat dem OpiomgebraiMh snrflAkgttfllhrt „üne des
prcmihres degrnireaomees monUes qu*(mkie Vuaoffe de Vcpkm eat la
dSpramHon du seiu g^iSsigue." Das Opiom bewirke zanaohst eine
HjperSsthede des Oesohleohtstriebes nnd fAhre dadnroh m BzeesBen,
die schliesBlidi bewirkten, dass die aatflrlichen VergnfigungMi nicht mehr
aar Befrledignng der Leidenschaft genftgea nnd widematOxliche Akte
aufgesucht werden. Wenn wir auch moht denen Glauben schenken
dOrfen, die dem Opinmgebranoh ittr etwas gans HannkMcs haltm, s. B.
andi: EaTelook Ellis and J. A. Symondst Das kraMie GewUeohtBireflUiL
DeatBche Ausgabe. Leipiig 1896. S. 208.
Edward Carpcntor: Eomogmie bn» and iU flaee tu a firm toddf,
ManchcMer S. 2;') ff.
') A. üoohe: Zar Jfrage der forenBischea Beurtoilong uxueller Vergehen.
NoerologisQheB ZentnIblAtt, Ift. Jahrgang, Leipzig 1896, S. ft7.
- ) Kare-Andr6 Baffalo^ioli: ürammn» et Ummam Atuk ntr
diffirentM manifestations de l'imtinet, sexuel. Lyon, Paris JSDG. S. 144.
B. Tarnowsky: Die krankbaften ErschoiDungen des GttBoUeclltSlinBas,
eine forensisch-psychiatrische Studio. Uerlin 188ö.
^) iL Libermunu: Lai Fumeurs d' Opium en Chine, ^ude medwaU.
PäHt 1892, Sl ean:
Der OeüofaleolitetrUb bei D«feoerierteu.
367
William H. Brmton,') ao dHrfle tti4aran«itB woU der nmdiliehe
Zmunmenhang iwitdieii Opinmgebcmoli und Päderastie Ton Liberiii»iiii
niobt genügend erwiesen sein. Libermann meint, dass erst za dar
Zeit, wo der Opiomgebranoh in China eingeführt wurde, die homosexuelle
Proetitiifcion in grösserem Masse fto^tretea sei; in den südlichen
ProvxBxen OhinaSi wo man weniger Opium ranehe, seien anch that-
tfehlich die homosexuellen Gewohnheiten weniger vorbreitet. Doch
macht Libcrinann eine Einschränkung, aus der hervorgeht, dass viel-
leicht nur dio grössere Oftentüchkeit der homosexuellen Prostitution da
bestehe, wo der Opiumgelnriucli herrscht, während möglicherweise die
homusexuelleu Akia im geheimen bei den Nichtrauobem ebenso betrieben
werden.
Hit der Featstdlimg der erblieben Belaeioiig und Entarfem^ k(
die Frage der Ätiologie nicht erledigt Es bleiben noob eine Bdhe
Ponkte» die tmUar sind, s. B. der Einwnif, wamm nicht alle Dege»
nerierten kontrtre Seznaleinpfindnng leigen. ITm dies sn Terstehen,
mnes man annehmen, dass bei den mit sexueller Perreiaion behafteten
DegBDerierten der GescUeehtstiieb der Loau mmoriß rmsteniiae seL
Ebenso wie bei dem einen erblich Belasteten sieh die Belastang nnr
in ZwangSTorstellimgen, bei einem andern in ej^eptisdten AnfiUen
ftnssert, so finden wir, dass sie sieh bei dem üming in der sexuellen
Perrersion leigt Wsiom in dem einen Fall die Degeneration sich
als Epilepsie, in dem andern als kontrftre Sexaalempfindung kond-
giebt, das können wir ebensowenig besntworten, wie die Erage, warun
der «ine bei der Erkältaog den Sohnnpfen, ein anderer aber den
Bhenmatismns dsTontrllgt
Von den meisten Autoren wird die erhliche Belastung als eine
Konstitutionsanomalie betrachtot, und zwar als eine allgf^rnpine Schwäche
des Nervensystems gegeniU^er fiiisseren Einwirkunfren Ks liüns:'" dann
lediglich von Zufiillen im Leben ab, welcher bpeziolle Krankheitszustand
sich entwickelt. Diese Auffassung der erblichen Belastung als eines ein-
heitlichen Znstandes ist abfir nicht im mindesten berechtigt. Es
spricht vielmehr manches dafür, dass in einer Reihe von Fallen das
erblich Belastende viel weiter geht und eine ganz spezielle Disposition,
das heisst eine Anlage sa diMia gans bestimmten Krankheitaznstande
erzeugt. Auf das allecdenflichate finden wir dies ja bei jenen FUlen
von erbHeher Belastung, die aidi gldchseitig dnreb körperliche De-
genenüontaeieiien flausem; denn wenn tacäk hier ganz bestimmte Ano*
') William fl. Brereton: The Trttth about Ophitn. Bring a Refutation
of the faiiaciof of tke Anti- Opium-Society and a JJefencc of Ute Indo-Chim,
OpmmlM$, SKoniMim, Lomhn 1888.
368 K<Nitr. 8exmÜ9Bipftn4 auf Chmndlig» ainsr HenuimiigilMldiug dos Mima.
malien, sei es in dar Formation des SohldeLs, sei es an andere
Stellen des Körpers zeigen, so wird kein Mensch behaaptem, daas dies
nur von Zufällen im Leben abhJlngt; vielmehr finden wir, daas hier
ganz spezieile Degenerationszustände und Konstifutionsanomalien an-
geboren sind. Und penHii dasselbe können wi; in Bezug auf viele
Ainktionelle ZostÄnde nicht nur vermuten, sondern mit crösstf-r Wahr-
scheinlichkeit behaupten. Hier/n berechtigt uns schon der enge Zu-
sammenhang zwischen Funktion und organischer Bildung. Aber nicht
nur für abnorme körperliche Funktionen dürfen wir di^en Schluss
machen, sondern auch für viele psychische Zustände. Wenn von erblich
belastenden Erseugem ein idiotisches Kind abstammt, so haben wir hier
einen dsafliidiea HinweiB dtnnf, dass die Idiotie eingeboren ist und dass
dieser Zustand nieht erst qiiter im Leben erworben wurde. Genau das«
selbe wie ftr diese rein idiotischen ZnstSnde seigt sieh aber ancb Ittr
die sobwioberen Grade dar ImbesiUitii Hier kann der Umstand, dass
das Kind in den eisten Lebeni||a]iran ndi gnt «ntwidcdt> nioht als ein
Gnmd daf&r angesahen werden» dass dia ImbasUlit&t nicbt auf einer ein-
geborenen Entwickelttngdiflnimnng des Gdbitns barobt Das Kind, das
oft genug dieselbe Ansbildong, dieselbe Srziebang wie andere ecliBlt«
bleibt trotsdem nadi einigen Jabren surtb^, und kemerlei Bamflhnngen
der Eltern vermögen hieran etwas zu ändern. Sollen wir nun glauben,
daas bei einem Soloben lUnde die ImbesillitAt etwaa Erworbenes ist?
Ebenso wie hier die Intelligenz in Folge einer eingeborenen
Hemmungsbildung: des Grhirn.s Abweichungen zeigt, können wir dies
für andere psychische Funktionen vermuten, und hierher würden
unter anderem auch die sexuellen Triebe gehören. Wir brauchen
nicht etwa anzunehmen, dass nun bis in jede kkinste Einzelheit
hinein die Entwjckelnng des Mensrhen bei der Zeugung vorans-
bestimmt wird; wir können sehr wohl den Einüussen des Lebens
noch eine grosse Wirkung zuschreiben. Noi gegen die Auffassiing
jener, die non solche eingeborene psychische Dispositionen leugnen,
mnss Einspruch erhoben werden. Die Beobaobtong der ganzen Tier-
welt nnd die Beobachtung der Menschen, ganz besonders aber anck
die vorurteilslose Betrachtung bestimmter pathologischer Erscheiniuigen,
s. B. der eben genannten Idiotie Iftsst diese extreme Auffassung als
onbegrOndet erscheinen. Ganz besonden steht es mit meiner Anf-
üttMing ToUkommen in Einklang, dass man «biunme p^dnaoh« Dj»>
poätionen mitmiter dnieh entspieehende eniehenaehe HaearegelB
zatOokdriDgea kann ; hier eiinneie ieh, mn ein Analogon anntliniien,
an die kflnatiidie TJmfinderang ererbter Ihstinkte in der Tierwelt
Wenn wir dies allgemein anerkennen, so werden wir ftlr manclie IWe
CMtgBshdtBQZBMlrai.
869
der kontrinii Sexualeiiipfiiidiuig uoht tMuxiä eine eingeboieiie aDr
gemehie EomUtatioBeeohwftche annuieluiien nötig babeo, eondeni wir
werden dann die Biepoeition rar kontriren Seznalempfindnng eelliet
ab eine eingeborene Anlage ansehen dtirfen. Es stehen sieh hier»
wie man sieht» Tersohiedene Ansohanoogen gegenftber. Ein Teil jener
Anteren, die das erblieh Belastende bei der kontrlien Sexual*
empflndong im allgemeinen zugeben, leognet nnr die speeiflsofae An-
lage zur kontriren Sexnalempfindung, wahrend ich sie, wemgatens
fat nan^e lUle, annehme. Weshalb bei dem Znsammentretot der
Keime von zwei Eltern mitmiter die Homosexnalitflt oder die kon-
trftre SexnalempfindaDg als Anlage geschaffen wird, in anderen Fallen
nicht, das können wir einstweilen ebenso wenig erklären, wie wir im
Stande sind, bei dem Zusammentrrten von gauz gesandon Keimen
auzugeben, weshalb der eine mehr Eigenschuften vom Vater, der andere
mehr Eigenschaften von der Mutter, der dritte mehr Eigenschaften
von den Giosseltem u. s. w. erhält.
Wenn wir nun auch die ererbte Anlage bei der konträren Sexaal-
empünduüg meistens als eingeboren annehmen, so können doch mit-
unter Gelegenheitsursachen das Auftreten der rerveision veran-
lassen. Selbst in den Fällen, wo wir die konträre Sexualempfindung
bis in die ersten Lebensjahre zurück verfolgen, können wir natürlich
nur finden, dass eine krankhafto Anlage bestand; dasa der Aus-
brach des perversen Triebes durch eine Geiegeuheitsursache erfolgt,
können wir eigentlich niemals ganz in Abrede stellen. Es wÄre
immerhin möglich, dass selbst bei einem kleinen Kinde die Berührang
der Genitalien durch einen Mann, wie sie zofiüüg stattfinden kann,
bei bestehender Anlage den Trieb weckt
Hammond') enftlilt von einem homosexuellen Mann, der sich
nnr der passiven Päderastie hingab und zu dieser dadurch gefOhrt
wurde, dass er als junges Eind einen Hund mit einer Httndhi sieh
paaren sah. Der kleine Knabe dachte, dass dies vom After aus ge-
schehe. Um den Akt nachzuahmen, fährte er jetzt einen Bleistift in
den eigenen After ein, wobei er eine Sohmerzempfindnngi ^icfaieltig
aber ein sehr angenehmes Gefühl hatte. SoUen wir nnn sagen, dass
dieser Knabe, der spiter passiTOr Pfiderast wurde, dnreh diesen sor
- ) William A. Hammond: Sexueiie Impotenz beim mnnnliehen und
weiblicheu Geschlechte. Deutsche Aiuigabe von Leo Saiinger, 2. Auflage.
Berlin IMS. 8. 84ff.
Moll, KoBtr. SesntaBftaAof; SA
370
Qeiegenheitsuniaciien.
iUIigen Anblick wa itiner Pemitioa kam? Es iit wohl sicher, dass
iigond eine Ähnliche Qelegenheitsaznche in Reicher Weise genagt
hitte^ bei dem Kuben, der Mk niemals zam Weibe hingezogen
ftlhlte, den homosexuellen Trieb und die Neigang zu passiver
Päderastie zu wecken. Ein normaler Knabe oder Mann könnte täglich
Berührungsreize innerhalb des Afters haben, ohne dass dadurch irj^t-nd
welche perversen Neigungen auf sexucUür iiaais entstehen. Wer m
dem genannten Fall den AiibUok der sich paarenden Hunde als die
Ursache der Honiosexualitiit des Mannes ansieht, verglast vullkummen,
dass das charakteristische Moment der Homosexualität nicht in der
Päderastie besteht, sondern dass, wie ich im ersten ICapitel gezeigt
habe, das Hanptmoment lediglich den KontrektatioDstneb betrifft, die
sexuelle Erregbarkeit durch den Mann. Wie aber aus dem Umstand,
dass jemand zwei Huiuie sich paaren sieht, ein homosexueller Kon-
trektationstrlLb entstehen soll, dieses Ratsei vermag ich nicht zu lösen.
Dennoch will ich nicht etwa bestreiten, dass Gelegenheitsursachen
ganz ohne Wert seien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass beispiels-
weise bei psychosexueller Hermaphrodisie eine Gelegenheitsursache
nach der einen oder andern Kichtong den Ausschlag giebt, wenigstens
fOr eine gewisse Zeit. In allen diesen Fällen aber müssen wir an-
nehmen, dass die Homosexualität gleichsam latent in dem Indindunm
ist und erst durch eine besondere Veranlassung, z. B. die Bekannt-
schaft mit einem sympathischen Kanne herrortritt Aber wir dOrfen
dieses Bewusstwerden der fiomoseznnlität nicht mit deren Aoftieten
Tcrwechsein.
Wenn ulrklich OelegenheitsnrBachen den Ansbmch des perversen
Triebes begflnstigen können, so mtissen wir annehmen, dass sie in
ansserordentücb grosser Zahl Torhanden sind, nnd wir dürfen nicht
hoffen, dass nix sie durch günstige Yorsichtsmassregeln beseitigen
können; denn das eine ist — wenigstens für die grosse Mehnabl der
FUle — sicher, dass keineswegs durch eine ijystematisdie YerfOhrnng
die kontiftre Seznalemi^dnng herrorgemfen wird. Wenn es anch
yoxkmmea mag, dass mitnnfer die Befnedigong des Gesdhlechte-
triebes dnrch Terftthrang wseentlich Twfrllht werden kann, so werden
wir doch in dar Majorität der FUle nicht hoffsn können, dass wir
dmoh richtige Yorsichtsmassregeln den kontrftr sexuell Yeranlagtcn
anf den nonnalea Weg werden führen können.*)
- ) TrotzJem mnm, wie im therapeatischcu Abschnitt ce^pipt werden soll,
natürlioh alles verBacht werden, was maa etwa gegea die Entwickelang des
hoowMonMlIeii Triebes thnn kann.
Gelegenheitsonftolieii.
971
Für unmöglich halte ich es auch nicht, dass eine bestimmte Art
der sexuellen Befriedigung bei bestehender konträrer sexueller Anlage
durch Geiegenheitsursachen begünstigt wird. Aber es ist auch muglich,
dass für gewisse iormeu, z. B. die passive Päderastie irgend eine
Anlage besteht. So ist es am leichtesten erklärbar, warum einzelne
Individuen von Anfang au nur durch passiie Päderastie sexuell be-
ficiedigt werden können.
Wenn wir Geiegenheitsursachen annehmen, so dürfen wir nicht
diejenige Gelegenheit, die Veranlassung zur Ausübung des perversen
Aktes giebt, mit derjenigen verwechseln, die den perversen Trieb
zum Ausbruch bringt Wenn ein Mann lange Zeit den homosezaellen
Trieb fühlt und bei irgend einer günstigen Gelegenheit den perversen
Akt an einem Manne vollzieht, so ist es natürlich verfehlt, diesen
Vorgang als die Gelegenheitsursache für das Entstehen des Triebes
zn betradhten* Nichtsdestoweniger wird mitunter dieser Fehler be-
gangen.
Als Beispiel eines besonders reranlassenden Moments bei einem
selbstverständlich prädisponierten Indiridnnm soll folgender Vorfidl
beigesetst werden, der mir ?on znverlAssiger Seite mitgeteilt woide: ein
Herr X., der immer nnr normal mit dem Weibe verkehrt hatte, war in
Paris nnd leinte dort eine Person kennen, die ihn anfforderte» mit ihr
naeh Hanse an gehen. Er geht an ihr hin, nnd da sie ihn ansaer-
ordentlioh idit, wiU er den Beischlaf bei ihr Toisnchen. Bei der
EntUeidnng entpuppt sie sieh als ein Mann, nachdem X. sie vorher
wegen ihres weiblichen Aussehens nnd ihrer weiblichen Elddong fttr
ein Weib gehalten hatte. Während sonst vnter anologen Yerhftlt-
niesen diese ebe Idee des Mftnnlichen genügen würde, den andern,
wenn er normal veranlagt ist» von jeder seinellen Berfihmng ab-
sosohrecken, lag es hier anders. Tioti der mflnnliehen Oemtalien
übte das weibliche Wesen dieser Person auf X. einen so grossen Reiz
aus, dass er sich schliesslich von ihr masturbieren Hess. Von dieser
Zeit an süU X. huuiüsexuelle Empiiuduagen gehabt haben.
Eine gewisse (aber nur äussere) Ähnlichkeit mit dieser Mitteilung
scheint mir ein in der Belletristik veröffentlichter Fall zu bieten.
Balzac') er/iihlt von einem jungen Mann Sarrasine, der sich in eine
Sftngehn Öambmella verliebt und von ihr wieder geliebt zu sein
scheint Eines Tages erweist sich Zambinella als ein Mann, der Sar-
rasine nur zum besten gehabt hat Letzterer klagt nun darüber, dass
') Balzac: Oettvres comp^tUt Farü 1883, Vbl, XXIU: Sarramm.
372
Moiaiiache« Koota^om.
Lieben und Qeliebtwerden fbr ihn jetzt den Beiz verloren bitte, da
ei immer nur au die imaginftre Frau denken würde, wenn er irgend
ein Weib sähe.
leb will im folgenden eine Beihe von Getogenhdtmmaebeo be-
spieoheD, oder vielmehr bestimmta Momente, die die Anftroten des
homosesnellen Tziebee begflnstigen edlen. leh bemerke vorweg, daes
ich manche dieser Angaben nicht fDr bewieeen ansehe; eine in«
verüasige Kasidstik für den Wert dieser vnftehUdun Momente ftbli
Eb scheint, dass mitonter ein Aotor dem andern die Angaben ab-
schreibt, ohne selbst zuverlässiges Material darüber zu bringen.
In erster Linie ist hier das moralische Kontagium*) und die
Verführung zu erwähnen. Tarnowsky') legt hierauf besonderen
Wert und behauptet, d&aä em Knabe, der mit konträrer Sexual-
') Dass das moralische Eontaginm dasa fuhrt, sexuelle Perversionen, znmal
kontiire Sexnalempfindang, n. echaffen, iit sine bisher nur theofetisoh «oge-
nonuneue and abgeleitete Behanptiuig« Die Hacbt der Nachahmung ist allerdkigs
für psychische Symptome keine geringe, und es prwähnt Vorländer, dass Ideler
und Alibert von einem eigenen Naohalunungätheb des Menschen sprachen.
Iten Verteeohen oft durch Nachahmung in grösi^rer Zahl vorkommen, wird
n. «. Bchon von Btqnirol uid Oi iandar angegeben. Dm» Bympbm» voa
Geistesstörung nnd Neurosea sich gleichfalls in dieser Weise zeigen, ist nicht
selten ebenso behauptet worden. Bonchat schlag aus diesem Grande anch
(in De la contagion mrveust) vor, solche Erscheinnngen nicht Tor Laien zu er-
Srteni} «beoio ipradken sich Sbrard/ Morean fil$, Bambosson (Pkfmm^m»
iierwiMf, «nfeUMMet» «f morem, leur tnmtminüm par eontagioit, Am 1883,
S. 198 f.) u. a. aas, um das moralische Eontagium des Selbstmordes zn bekämpfen,
während iJmile Dürkheim (Le Suifid^. fitttde de Soeiologie. Paris 1897.
8. 107 — 138) die Bedeutung der Nachahmaog für den Selbstmord nicht sehr
hoch muisohlagt«. Gaat tieher, glanbe ich, kann die Keigung rar Nadi-
ahmnng gelegentlich auch einmal dazu führen, perverse Sexualakte su pro-
bicron. Ob aber eine Perver^iun des Goschlechtstriebes durch Imitation herbei-
geführt werden kann, bezweifle ich. Für viele durch Nachahmung hervorgerufene
Erscheinungen ündct sich »elbst bei geistesgesauden Personen oft ein vor«
bereiteter Boden, so fOr den Selbstmord in dem htnfigen Elend, fOr das Ver-
> brechen in der Habsacht des Menschen; für das Auftreten hysterischer Symptome,
z. B. von Konvulsionen, findet sich die Anlage in der hysterischeu Disposition.
Ein solcher Boden fehlt bei dem normal veranlagten Manschen für den hofro-
scxuellea Geschlechtstrieb. Die Anlage zur heteruaexucüea I^eigung ist dem
nomudaa Manne bei der Gebart eingepflanit nnd kan, wie ich glanbe, aagedcliti
ihrer Macht nicht eiofuh infinlge fon Lnitalien dnioh «ine homoseKiMUe enetst
werden.
- ) B. Taruowsky: Die krankhaften Erscheinuugüu des Gesohleohtssinnes.
Eine forensisch-psychiatrische Studie. Berlin 1886. S. 63.
373
flmpflndDDg in eine giosee EniehnngeaDstalt kommt, idur leioht hier
die KttiUieit m Terbieiten vennOge. Manolief junge Memeh, glaabt
er, wild Ider anfimge den Akt mtr ToIUiUtien, «abxend er sidi die
Gestalten Ton Weibern denkt. Niebdem er aber oft genug in dieser
Weiee die Pldeiaatie^) anegeflbt hat, wihiend er aidi eine weibliche
Poion Toistellte, eoU aUmflhlieh aaeh die ganse CtowhleGhtRichtang
abnoim werden, indem uiter dem Emfloase der Gewohnheit eeUifles"
fieh die Faderastie als ein den Trieb Tellig befiiedigendes Mittel be-
trachtet wild.
YeifBhrt kann aber mdner Ansieht nach immer nnr derjenige
werden, der dam veranlagt ist Mögen dch non auch ^laben
gegenseitiger Onanie hingeben: wenn der normale Knabe Uter ge-
worden ist, reist ihn nur das Weib, der sexuelle Akt mit Mimiein
whrd ihm widerlieh. Ich weiss dies yon Tielen Fftllen, wo der frühere
sexnelle Verkehr mit männlichen IndiTidaen eine Perversion nicht
herbeiführen konnte.
Tarnowsky-) glaubt, dass der Wunsch, einer bestiniuiten Person
zu ülmeln, und »auch die Lust, durch aussergewöhnliche Handlungen
zu frappieren, eitle und geistesarme Charaktere mitunter veranlasse,
sich an abnorme Akte der Geschlechtstbfttigkeit zu gewöhnen, ohne
das8 dies durch einen inneren Trieb verlangt werde.
Ooffif^non meint, die grossen Fortschritte, die die Päderastie
in den letzten Jahren gemacht habe, seien zum grossen Teil auf den
Verkehr zurückzuführen, der sich zwischen dem Abendlande mit Asien
und Afrika mehr und mehr entwickelt hat; dies glaubt er ins-
besondere in Bezug auf England annehmen zu müssen. Coffiguon
behauptet, ohne es zu beweisen, dass auch in Deutschland eiue
wesentliche Steigerang des Uranismaa . in den letzten Jahren statte
gefunden habe.
Bass natürlich, wenn wirklich die Päderastie nütimter dnrcb Ver-
fthmng sieh lor^flansti aooh die Litteratnr hienu beiträgt and
') Es ist bei dem genannten Antor, so yMnliNistlich zweifellos Mine Arbeit
ist, mitunter nicht klnr, er ,Päderristio" in unserem Sinne filr ItNniissio membn
in anum riri oder allgemein 1^ sexuelle Akte auf Qnmd homosexuellen Ge-
schlechtstriebes gebrencht. Ebenso ist die Trennung der perreisen Akte Tom per*
venan Trivb lüdit dvföhgeHiliit; in niaiidiMi HüIhi kommt «• iiraifialloB fw,
dara ein normaler jnnger Mann sich von dem anderen mastorbieren l&sst, ohne
daiB aber Ueibei eine sameUe Pmenioii besteht oder sich iBfoJgedessen ent>
wickelt
- ) B. Tarnowsky: Die krankhaften Enchsinmngeii des OeeoUeobtasimiea.
Ebie IbMiMiicjippqrdiiatriMhe SMe. Beiün IflM^ & 60.
m
Hutuclle Onaiiie.
als ein ätiologisches Moment betnohtet werden mnss, kann nicht ge-
leugnet werden; besonders in neuerer Zeit, wo die belletristische Litte-^
rator, die sexaelle Perversionen betrifft, einen gewissen Aufsohwong
nimmt, wäre diese Möglichkeit immerhin vorhanden.
Tornow 8 ky nimmt in Übereinstimmung mit dem Vorheizen-
den als Orsaohe für die Verbreitang der Fiderastie die mntuelle
Onanie an, die in Scholen, Pensionaten, anoh wohl In Geftngnissen
ansserordenUieh hisüg s^ soll. Yeiaobiedette Uitteünngen Aber die
mntnelle Onanie hi Scholen ans nenezer Zeit bringt Hermann Cohn.')
Anaser den von niir hier nnd an anderen Stellen genannten Antoxen
bringt er nooh die liitteilangen Ton Bensemann, der Ton den
engüsohen pMe ickooU berichtet) dass die giOssten Laster in jeder
Anadehnnng hier ihren Wohnsiti haben. Das englische Intranats-
wesen sei nichts weiter als eine Easeinienmg jener bekannten Ans-
artnngen des Griechentnms, nnd je eher damit anljsertont werden
desto besser wei es. Durch das enge Zusammenleben von Knaben
ungleichen Altera würden Yerhiltnlsse erzeagt, wie sie in dem kaiser^
liehen Born an der Tagesordnung waren. Ahnlidi äusserten sieb
Fournier sowie sndere Autoren, auf die ich noch in sprechen komme,
ober Frankreich; und Aber Deutsohhind schrieb der Oymnasialdirektor
Schiller in Giessen, dass die Schüler ganzer Bankreihen die Taschen
der licinkleider durülibohrt hatten und gegenseitig wahrend des Unter-
richts die verderbliche Gewohnheit pflegten. Ob die mutuelle Onanie
an sich zur Uumoseiuaiität führen kann, scheint mir zweifelhaft Es
sind Thatsachen zur Stütze jener Behauptung nur in sehr geringer
Zahl vorhanden, und keineswegs beweisende; diese Frage ist daher
noch lange nicht gelöst. Ist auch seitens eines Knaben, bei dem
sich spater konträre Sexualtnj] tinduug entAvickelt, früher viel mutuelle
Onanie mit anderen Knaben getrieben worden, so dürfen wir doch
nicht ohne weiteres einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden
Thatsachen annehmen, nicht selten mag die erstere eben doch schon
vorher bestanden haben. Hinzu kommt, dass die mutnellc Onanie in
einigen Kreisen *j so sehr verbreitet ist» dass, wenn aus ihnen einige
Hermann Cohn: Wta kann die Sehnl« gee«n die KsitwlMtiMi der
Kinder tbnn? ßeferat dem achten internationilMi h|gieilisohen KongrsM m
Budapest erstattet. Berlin 1894. S. 4 -<)
- ) Ich könne eine derartige Epidemie aus einer Berliner Schale, wo ein
jetziger Schauspieler die mutuelle Ooanie in schamlosester Weise eingeführt hatte.
Obwolil ieh dio Kan» von sehr vielen Berliaer ITnüsgien wefas, a» konnte idi
doch unter den damaligen Sehfilen des 1»(nff«ndea Ojnmaaiw fon heiMv
llMig«! M Wdbeni.
375
ünuiige heiTorgpliPD, dies auch ohne mfllohUoheii Zmammenhaiig
mit der nratoeUen Onanie erkUrlicii ist
CheTalieY,0 Krausfl,*) Appert,*) Tarnowsky^) n. a. nefamen
als weiteie Onaehe dar kontrim Seznalampfindimg den Mangel an
weibliebem Yerkehr an. Wenn viele müinliehe Indi^doen mit
AnsaehlnM von Weibern*) lange Zelt vereinigt sind, soll es oft
Mick mir mit einiger Vahiaohdnliebkiit «millelii, Aam er Oniiiig geworden ati;
hiogegen weiss ich von vielen dieser Schttler ziemlich genau, dass sie jetzt ge-
schlechtlich normal empfinden und vorkehren. sind mir über verschiedenp
andere derartige Epidemien von mataelier Masturbation in Scholen^ Intertiatea,
PtoHdeiialm n. e. w. Witoikingen gemedit «eideii. Ol» VraeUnnKhangen haben, wo
ti« möglich waren, atate ergebeii, diaa ildi epiter Hut alle Sofaaiar hetavoMacneU
entwickelt haben und eben nur der eine oder der andere homosoxnell wnrtl©. Es
scheint übiigenB derartige Epidemien in Schulen zu allen Zeiten gegeben zu haben.
Dr. Bahr dt, der kons vor Aoabmch des siebenjährigen Krieges nach Schol-
pforta kam ud dort iwei Jahxe blieb, teilt mit, daes di« geiamte Enabenweit
diewr FBrstensclmle Ua anf ihn und etwa drei andere von dem griechischen
Laster rrfprhändet gewesen sei (Vohae /. 84. Band, R. 105). Ferner Oap.
Line F< rriani: MindeijiUirige Verbrecher. Deutsch von Alfred Enhemaun.
Bwlin lim. 8. 168.
0 J. Ch«Talier: Dm MiMi» de fo PenctmaUti. Vhumtim temdk^
Pityeho^hy Biologie, Soeiologie, Tfratolor/ie, Aliatation mcnicde, PayeMogi» awf-
bide, Anthropologie, Medeeim judieiaiirt. Brifact du Dr, Ä, LaeattagnB,
LjfW'Paris 1893. S. 199.
- ) A. Kraass: Die Psychologie des Verbrechenü. Ein Beitrag zor Er-
fiflwiBgweeleakoiida. Tttbingen 18M. B. 179.
- ) 6. Appert: Die Geheimnisse des Yerbradieiia, dea yerbreoher^ nnd
Oeflagnislebens, 1 Teil. T.ripziri: 1R.')1 S. 82.
- ) B. Tarnowskj: Die krankhaften Erscheinungen dea Oeaoblechtssinnes.
Biaa forensisch-psychiatrische Studie. Berlin 1886. 8. 07.
- ) IntawiiaBt iat, daaa andi bei Dante daa Fehlen von weihliebaoK Verkehr
alfl ürsaeha der Sodomiterei angeftthrt wird, nämlich in Vhtftrm XVJ, 87'-4ö,
wo einige ipegen dieses Lasters Bestrafte genannt aind.
Nepote fu deila buona Onaldradn :
Ouido Guerra ebbe nome^ ed in suo püa
fece col settfu) <u8ai c con la itpaJu.
L'aUn ehe appnuo a ma Vomma irita
Tegghiajo Äldobrandi, la mi voee
N^'l r/iimdo SU tiovria esser gradtta.
Ed io die poslo aon con ioro it$ &roee
Jaeopo Bustieueei fui; e oerto
La fUra nt^ßit dke ollre m«* mmee.
Oualdrada'a Enkel ma er, weit geehrt,
Hiess Guidognerra, und in c^inem Leben
Tbat viel er, ao mit Singheit wie dem Schwert.
Der, den nach mir den Staub du aiebat erbebeOf
Iat I^gghim'o, fttr deae Wannmganif
Um jatat nodi Dank dort oben aolUa geben*
376
nWiwiHwg der fliiirWnrlitflT
Hl sexueller Pemiaon kommen. Diese Fom soll nioh CheTaiier,
Ulriolis*) D. «. stets nur einen Torfllyeigdienden duisUer hslben
und jedeimalt wenn die inssenii Teililltnisse sieh wieder indem,
nomalem Oesebleolitstrieb weioben. Hierher reohnet 01ie?alier be-
Bonden Fenrenionen in grossen Armeen, Sehtflbbesatinogen, Geftng^
nissen,*) Instatnten, Erriehongssnstslten nnd EnnkenhAnsenL Tor-
now sky, der grossen Wert anf das moralische Kontagimn legt, er-
wfihnt^ dass gewohnliob viele gllnstige Beding üb ^en xusammentreffian
mflsseo, nm die Pfiderastie in Instituten m grosser Entwiokelnng
kommen za lassen.
Aach bei Heren kommt es tot, dass, wenn mir mlmdiefae sa-
sammen sind, sich der Oeschleohtstrieb yerirrt nnd, wenn anch
nur vürül)( rgehend, homosexaell wird. Zahlreiche Beispiele faierfBr,
insbesondere einige von Scitz vorzüglich beobachtete Fälle, habe ich
an anderer Stelle') veröffentlicht
Vielleicht ist die scharfe Trennung der Geschlechter bereits ha ,
der Kindheit von einem gewissen Einfluss auf das spätere Hervor-
brechen konträrer Sexualempfindnng; besonders zur Zeit der Pubertät
ist sie nach Annahme einiger öfters die Ursache davon, dass der Ge-
sohlechtstrit b des Knaben auf das männliche Geschlecht hingelenkt wird.
Ich möchte diese l'rage nicht endgiltig entscheiden. Wenn wir
hier eine gowisscnluifte und zuverlässige Antwort haben wollten, dium
nitlsaten ^\iv feststeilen, ob junge Männer mit konträrer Sexual-
empfindung auffallend häufig zur Zeit der Pubertät vom weiblichen
Geschlecht getrennt gelebt haben. Ich habe diese Beobachtung nicht
machen können. Andererseits wftre es aach möglich, dadoreh die
loh, der mit ihm auf glfliehor OntlenituT,
War BoBticacoi, tmd mein Weib vor allem
War es, das (tlhlloe mir mein Unheil schuf.
Der italienische Text ist nach Scartazzinis ÄtiSj:»tibo, der deutsche nach
Notters Überüetzung sitiert; die letzten Zeilen beziehen sich auf Rnsticucci,
der sich von seinem boten Weibe txcnneii mnsato und infolgedama der FUerastio
verftdlea sein sdL
- ) Karl Heinrich Ulrichs: Memnon. Die Oeschlechtsnatnr dM mann,"
liebenden Urnings. Momnon. Abteilnng 2. Schleiz 1868. S. 61.
- ) Ähnliches wurde von Berliner Oef&ngnisseu bereits früher berichtet
Siebe s. B.: Die SlMBeDlnat und fhn Opfer. Geschichte der Pio6tittttio& aller
Zeiten und VNksr mit geoansr Darlegung ihrer gegenwärtigen Form und ihrer
Ursachen in Berlin, Hamborg, Wien, Paris, liOndon nnd den anderen Qrossstädten,
nebst zoitgemRssen Vorfcblfigen zu ihrer Verminderung nnd Regelung. fieiMU-
gegeben von einem philanthropischen Verein. BerÜn 1870. S. 287.
«) Albort Holt: üntexnchuageii «her die JMh $mißK$, 1. Bind, & TnL
Berlin ISW. 8. 974.
Tfemnng der Öesohlediter.
S77
Frage za beantworteiii dass mt nntenndhen, ob jange Mianer, die
ata l^alwn in frsiaieia YwkeliT mit dam waibliolian Gesoblaoht ge-
lebt baben, wenigar ala andeia bei der kontcftien Sexnalempfindmig
beteiligt aind. "VieDeidit win ea wertvoll, beaondera featiDateUeD, ob
in den Gagendan Amarikaa,*) wo der Terbabr iwiBoban Knaben und
Kfldehan ein besondaia nngeswnngener iat» die bomoaenane Liaba
weniger gadeibi Wie H. T. Finok^ bariehtett iat gerade in Amerika,
wo Knaben nnd Uftdehen gewObnlicb in denaelben Sebnlen enogen
werden, die Tkennnng dar Gesebleebter fiel seltener als bei nns, wo
der Knabe imd aneb noeb dar Jlingling vom weiblichen TerlrebT mßg-
liobat lange zurückgehalten werden. Sie iat dort ao wenig dorcbgefnhrt,
daas, wie Finck meint, in den weatliohen Landschulen Amerikas jedes
Mftdchen seinen 14 bis 17jfthrigen Beau hat, wovon äbrigens nach
diesem Autor niemals üble Folgen beobachtet werden sollen. Es wäre
eine dankbare Aufp:abe, festziistcileu, ob bei solchen Verhältnissen
konträre Seiualempliudung schwächer gedeiht als sonst. Ich meine:
die Moralprediger, die stets für eine möglichst lange Trennung der
Geschlechter in der Kindheit und Jugend sind, sollten sich w ihl
überlegen, ob sie nicht dadurch den homosexuellen Trieb begünstigen.
AuchHavelock EUis'*) spricht sich mit grosser Entschiedenheit ge^en
die Trennung der Geschlechter in der Schule, und zwar gerade mit
Rücksicht auf den Geschlechtstrieb aus. Ein mir bekannter Herr,
der in psycho sexueller Beziehung Hermaphrodit ist, d. h. sich zu
Frauen und Männern hingezogen fflblt erklärte mir, dass er ent-
schieden auf seine strenge Erzieh img diese eigentümliche Perversion
zurückführt. Ea habe sich, so meint er, bei ihm der Geschlechtstrieb
schon zeitig geregt, dadurch aber, dass man ihn durch die Erziehung
▼ollständig von dem weiblichen Verkehr abschloss, habe sich sein
Gkschlechtstiiab den M&nnem ragewendet; später sei zwar anoh das
Weib ibm in manchen Beziehungen als ein Beiz erschienen, aber die
Neignng zum männlichen Geschlecht sei bestehen geblieben.
Soott*) glaubt, daas die £inbildong (i$Hagmaikm} eine grone
- y EnriUmt sei hier aber doch, datt auch ans Amerika in den letzteu Jahren
pinf f^rr^s^erp Roiho von Mittr'ilnngen betraCEand die kcmtrln Seociialemiifiadiing
gemacht wurde; vgl. Kiemans Arbeiten.
- ) H. T. Finck: Bomantiscbe Liebo and persönliche Schönheit. 2. Band.
DeotBoh van üdo Braebvogel BniUnt 1800. 8. 08.
') Havelock Ellis und J. Symoads: Das kontrlre Geschlechta^eftlhl.
Deutsche Augabe besoigt iiater Mitwirkaag Hans Karella. Leipiig 1888.
8. 860.
Colin A. Scott: Sex and ort, American Journal of psyeliology, Vol. Vll,
Nr, 2. 1896. B. «7.
378
Traumng der GwehlBohtsr.
Bolle in den meisten Fällen von InTorsion spiele. Ebenso, wie im
nonnalen Leben nach dem Lesen emer Noyelle zuweilen Figuren der
Erzählong nns wie als wirkliche Personen erscheinen, and wie der Leser
doroh seine starke Einbildong mitoater den Qeistassnstand nnd Charakter
des geseiohneten Helden annehme, so dasa er im eigenen Leben als
solcher handele^ so Hege es anoh im seraellen Lehen. Sowohl das all*
auhftaiige Znsammensein von Knaben nnd H&dohen als anoh der toQ-
stindlge Abschlnss der Knaben von den MAdoben kOone hiena fllhxeiu
S6gnin ') meint aber diesen Ponkt folgendes: tJQiumgw laprämäum
JmmcmlUi** äts Mea misBim ns immsss jamaia irikmäm U mim
äegri de üorruption qu$ Ja ,jmrßUU^ äes Mas oi^ Ü n*ff a giiW
ssfl^ les ffmhSbn» mmt IrolAfes eomme un ^ßottmmtaü»" Allerdings
inssert sieh S^guin hierbei nioht ttber danemde Folgen dieser Trsnnnng
der Geschlechter in der Schule. Wohl aber thnn dies in denüicher
Weise Sainte-Claire Deville^ nnd Sannii*)
Unter den ürsaehen, die in Griechenland so sehr an einer
Ansbrritnng der Knabenliebe btttmgen, erwihnto, wie beUtnüg be»
merkt sei, E. Meier*) besonders die soziale Trennung, die daseibat
im allgemeinen zwischen den Weibern und den Mftnnem bestand.
Die Weiber wurden zum grossen Tei], besonders auch in Athen, den
Tag über vollkommen Ton dem Manne abpjeschlossen. Ausserdem
wurde es durch die ganze Art der Ausbildung der Frauen unmöglich
gemacht, dass ein Mann durch seine Frau eine vollkonmiene Be-
friedigung und geistige Anregung erhalten konnte, wie es doch heute
oft der Fall ist. Infolgedessen wendeten sich nach Meier die
Männer mehr den Knaben zu, mit denen sie oft ein geistiges Band
verknüpfte. Auch für das Vorkommen der Päderastie bei dm Musel-
manen vrird als Ursache mitunter die strengere Abgesohlosaenheit
des Weibes im Orient angegeben.
Chevalier*) nmimt mit verschiedeuon anderen Autoren als
Ursache erworbener konträrer Sexnalempfindung die Fnrcht Tor an-
') IL Sdgalo: Safperü «f Itimowu mr Fümatiem äm mfimtt normaux
d «mormaux. Prefaee par Bourneville. Paris 1895. 8. 809.
-) H. Sainte -Ciaire De vi 11 e: De f Internat et de oon inflnmcr sur
i cäucatwn. iSeancetf et tr<amtx de l'Aoademie des scunces niorcUcs et poiUiques,
18?l 2»* Mmutn, Plana 1871. 8. 100.
') Reforme de l'tminuUum rudiomilt 1888. (Naob Chevalier zitiaii.)
- ) In Ersch- örub ers Realencyklopüdio unter dem Artikel Päderastie.
•) J. Chevalier: Une Maiadie de ta Peisunnalüe. L' Incersion nextuUe.
Psyehophysidoyie, iSodologief Teratologie, AUenatia» mentale, Psyciwloyie morbide,
Anthropologie, MUtauu ptHaiaira» Pirtfaaa diw Dr, A. Lueassagne. Lyon,
Fwial89a. asiB.
Btedit vm hotanMxiMllem Teikdur. fittltenliflbe bei InlhoL Gtistlieben. 37d
steokendeD Krankheiten beim Verkehr mit dem Weibe b.%
ebenso Furcht vor Schwängenung. In dieselbe Kategorie Hesse sich
wohl auch die Foreht vor Impotenz beim sexuellen Umgang mit dem
Weibe einreihen. Indessen finde ich, dass das Material, das diese
amgebliohen Uisaehen als thatsfiehliBh Torhanden beweisen eoU, sehi
mangelliaft kt Bs besteht ans gewisseD Diogen, die tob einem
Bnoih in das andern Ubergeben, aber dadoieh nieht bewiesen werden.
E. HofmannO Ahrt aUeidinga den Fall an, dan ihm 1870 in
Lmsbmok ein hrunineUer PIderast erfcUrte^ er werde Ton dem nor^
malen Verkehr mit dem Weibe ans Foreht vor Sohwingerong sorQck-
gehalten« entgehe aber im Verkehr mit Knaben eeldier Qefiihr. In-
dessen kenn doch ^e solche Angabe eines Angeklagten nicht als
Msssstah rar Benrteilmig dienen. Ich will nicht die Möglichkeit
bestreiten, dass in dem einen oder andern FUle die angeflQhrten
Momente von itiologischer Bedentang sein kOnnen, wenn waxih nidit
hAQfig; aber gans nndenkbar scheint es mir, dass ohne eine besondere
Veraalagnng ein erwaebeener Mann durch den Verkehr mit dem
Manne hefiriedigt w;rd, mag er ans welchen Gründen immer davon
abstehen, mit dem weibfietien Gesdiledite m verkehren.
Bass bei katholischen Geistlichen *) öfter Knabenliebe vorkommt,
wird von einigen, z. B. E. Hofmann,") darauf zurückgeführt, dass
deren Verpflichtung zum Gölibat sie die Polgen des nürmiilen Ge-
schlechtsgenusses fürchten lasse, und dass sie als Ersatz dafür der
Päderastie nachgingen. Es ist übrigens auffallend, dass die homo-
sexuellen Akte von Geistlichen, wenigstens soweit sie zur gerichtlichen
Kenntnis gelangt sind, sich fast stets auf unreife Knaben beziehen.
Vielleicht ist dies noch am ehesten so erklärbar, dass die oft an das
Eduard R. y. Hofmana: Lehrbuch der gerichtlichen Medizin. Mit
^ddhininigw Baftfikaiehtigimg der deataeheii und MemidiladMii 0«8ett-
g»btiag. 7. Änil. Wien mii Leipzig 1885. S. 166, 170 f. VgL ndi desselben
AntoTs Artikel PädeiMtie in £alenbnigi Beftl-Eocyidopädie der gcwmten Heil-
kundo. 2, Aufl.
- ) VgL Dante: U Inferno XV, 106—109, wo erwähnt wird, dass die wegen
Sodomitmi Bertraften oft GMstUohs teieo:
In SQHiina sappi ehe tuUi für eherci
B kUmiH gremü « di gran fama,
lyim ffi«iBMNo peoMto «I mtmdo larm.
Im Qftimn waren Alk» Mbr goldot,
YiA Gdstliche, geschmttckt mit grossen Ehren
Ton ^eiehar Sttnd' auf Erden gidoh beschwert.
3g0
Weib eiinneniden Oesichtszflge niinyer Knaben') hier sn den per-
lenen Akten ffübxen. In Being anf das Kemdbhflittgeiabde eiÜirt
Karl Jnlina Webei^: Yerbote« meb nie naokend an sehen,
nie an twej in Emeai Bette in ecUafen, — nie mit einem Manne
an Bpiedhen ebne Hfeaehweeteni — nie mit Knaben nmaogekeni die
nooh keinen Bart haben — kein weiblichee Tier in Mdneha* nnd kein
mlnnliflfaee in Nonnenklltetem ni dnlden — die Leibbinden der Kaini-
liner, alles dieses sptieht weit lauter, als alles gegen dieses nnnatflr-
liebste nnd sehreekliehste aller KlösteigelObde.*) Wie bei Beepieohnng
desCdlibata Boeqnet^) erwihntf hatte sehen der Heilige Bernhard
das Einreissen der ünsittliohkelt anf den Kampf gegen die Ehe der
Priester znrfickgeAhrt: ToOe de eedeakt konortibile eaimMm et
Umm tmmacNlii^, wnme repUs eam €(meiAmtt/riis, meeebiiosie,
aemini/luis, meUibus, maaaäorum etmeUbUeribua et <mm demque
genere immundorum?
In einem Bache,*) das 1795 in Berlin erschien, wird behauptet, doss
aeit etwa 10 .fahren in Berlin »jene verrufene Klassen von Münnern
immer mehr verschwände, die an Kupido» Altären der unnatürlichen
Liebe npfrrtpn." Der wichtigste Grund hierfür sei die dem Milit&rstand
zurückgegebene Freiheit, zu heiraten. :
<
AnflUlend ist der hohe Pkoaeatnä, der sieh unter den Laad-
stieiehem der Veieinigten Staaten finden soll Allerdings wird hier
■) Min erinnere eiob, deee bei mnellen Delikten gegen Miade^lhi^ fei^
biltnigmässig oft Lehrer beteiligt sind. Ea ist di&s wahneheinUeb anf die Ge-
legenheit zu hSnfiger sexueller Erregting durch das Zusammensein znrilck-
xufUhren. In einer Broschttre (Die öffentliche Sittenlosigkeit mit besonderer
Benehong auf BerUn, Hamborg nnd die anderen grossen StMte des lUSrdlichen
und mittleren Dentedhlend«, Beilin 1869, Seite 9B) wurde duaaf Unftewieien,
dass in der Männerstrafanstalt so KOhi die Zahl der w^en ünsndit veroiteilten
Lehrei eine verhältnismüssig grosse war. Einmal waren niobt weniger als
15 Lehrer gleichseitig dort, am ihre Strafe zu verbUssen.
- ) Karl Julina Weber: Die HAuberay oder geadiiehtliQh« DaiateUiuig
der KkMtaiwWelt, I. Band. Stattgart IBie. & 887.
- ) Vgl. auch: F. Am mann: Die Liebschaften des ehrwürdigen Paters
J. Marcll, aus der Gegellschaft Jesu, vne sie aus den Archiven der Provinz des
Obern Deutschlands in München ans licht gestellt sind. Zur Beleaohtong dos
Jeenitenotdena bemesgegeben. 9. Aniage. Bern 1888. Vnner: F. Mi rate r-
SeminargeheimniBse. Korioee Geaddehtn ana einem Bniehnagaiaatitate fllr
Sttidierendo. 2. Auflage. München 1896.
Luoien Boc^nel: Le OäÜKU eoeUtitutigue jmqu'au Ooneüe deTrmte.
Paris 1695. S. Iö7.
- ) Der Bsiadda^ eine pbidelegische, bitttniaehe nnd philosophische Dar-
atdlnng. 9. Teil Beriin 1768. & 478.
HooKMMxiuaität «uf GeiriBDinAt Oouto. 381
gende die Yoriiebe für Enabea so nähr betont Josiah PlyntO
bat darAber genaneie HDtteilongen genaehi Br sefafttet die Zahl der
Vagabunden in den Vereinigten Staaten anf 50—60000 und glaobt,
dass unter dieeen 5--0000 homosesneUen Veikehr axuaben. Die
EnabeD, die dazu dienen and bei der obigen Zahl bereits ein-
geschlossen sindf seien meistens 10—15 Jahre all Hier soheint
mauühes dafür zu sprechen, dass die Vorliebe für Knaben weniger
einer konstitutionellen HomusciuLilitat seine Entstehung verdankt, als
dem Weibermangel. Unter solchen Verhältnissen scheint in der Tliat
die Vorliebe für Knaben eher yorzulLommea als die fili erwachsene
Männer.
Konträre Sexualempündung kann ferner nach Tarnowsky und
anderen auch dadurch entstehen, dass die Ausübung der Handlung
für den Betreflenden ein Berufs zweig wird: um Geld zu verdienen,
wendeten sich normale Männer an Männer mit konträrer Sexual-
empfindung und erkrankten später selbst an ihr. Ob wirklich bei
ganz normalen erwachsenen Männern durch häufigere Ausübung des
perversen Aktes aus gewinnsüchtiger »Absicht eine konträre sexuelle
Empfindung erzeugt werden kann, ist mehr als zweifelhaft.
Qanz entschieden mnss ich die Annahme einiger zurückweisen,
dass Onanie die Ursache des perversen Triebes sei Es ist dies
eine filsohe Auffassung, bei der Ursache nnd Wirtnmg Terweohselt
werden; es sind eben sehr viele Urninge gezwungen an onanieren,
weil ihnen eine andere Art der Befriedigung fehlt
Wenn ich also auch der Ansieht bin, dasslfastorbation nicht als die
Ursache des Uranismns betnohtet werden kann, so mag dennoch die
Masturbation nütnnter ein begOnstigendes Moment sein. Besonders
der Umstand, dass der Urning im Boginn seiner sexneUen Eni-
wiekelnng bei der Masturbation jedeneit nnr an Minner denkte be-
günstigt Tielleieht die kontrtie Sexnalempfindong^ da sieh immer
mehr nnd mehr mit der seniellen Libido der Gedankd an Mftnner
verbindet Die Onanie ist anoh bu Heterosexoalitftt so biofig, dass
ans ihrem Vorkommin bei Homosesnalitftt nioht anf einen nrsleh-
liehen Znsammenhang mit dieser gesehlossen werden dar! Ein Antor
meint, dass sehon swei Tage alte Sftnglinge mitunter an onanieren
snehen; ein Dr. M., Gewährsmann Ton 0. Jäger,*) giebt Ton sich
- ) Havelottk BHi« and J. A.BjmoaAa: Das koatribr» Oaiolüeohtagertthl.
Danli^ Ansgab^ keaoigt unter mtwitkong von Hans Knrella. Leipsig
1806. S 969-S76.
") Gastav Jftger: Eotdeoknitg der Seele. 8. Auflage. 1. Baad. Leipag
1884. s. m.
382
Auäfiuhweifeudeti Leben.
Mlbst an, daas er «dion im Alter von drei Jahren onaniert iMbOi
wobei er sieii anoh beneiit fühlte. Wer ee bestreitet, je onaniort m
haben, hat ee nach Br. H. oft nar vergessen.
Der sefaftdliehe Emflnss der Onanie fQr Leute, die an konträrer
Sexnalempfindung leiden oder dazu disponiert sind, wird von Krafft-
Ebing*) und Leopold Casper"^) betont. Nach ihnen soll der
ästhetische, ideale, reme Zuls tlnrch ikii das ludividuum zum weib-
lichen Geschlecht gedrangt wird, durch Onanie leicht vernichtet
werden.
Ebenso wie Onanie werden bei vielen Schriftstellern aus-
schweifendes Leben, Cbermass des normalen Geschlechtsgennsses
als ätiologische Momente fftr konträre Sexualempündung angeführt
Auch Coffignon schliesst sich dem an und sagt, dass gerade in
den wohlhabenden Kreisen dies oft die Ursache fttr mannrnfinnlichen
Verkehr abgebe. Ich kann mich auch dieser Ansicht nicht ganz an-
schliessen. Die Behauptung, dass Wüstlinge, um einen nenen Keiz
zu finden, so oft zur Päderastie übergehen, dürfte kaum in dem
Masse richtig sein, wie man es oft angageben findet Schrenck-
Notzing meint, der Grundsatz Variatio delectai habe grosse Be-
dentnng fttr das geschlacbtUolie Leben. Sicherlioh kann dies nicht
beatritten werden; ob aber nonnal yerai&lagte Personen durch homo-
aexuellen Verkehr befriedigt werden, und ob ana zahlreichen hetero-
eexuellen Al^ten bei Heterosexuellen ein homoeenieiler Trieb hervo^
gehen kann, möchte ich einstweilen besweifeln.
Ea iat auch theoretiaoh schwer möglich, einen onftchlichen
Zaaammenhang iwiadhen Eieesaen dem Weibe gegenüber md dem
Beetehen eines anf den Hann geriebteten Geeohleohtstriebes an finden.
Wie soll ein ]f ann» der Tom Hanne eexueU abgestosaen wird, eines
Tsgea Ton ihm gesoUeohttiefa deswegen gereist werden, weil er Tom
Wdbe froher sehr h&nfig gereist worden ist? lob itann mir dies
ebenso wenig denken, wie iob mir yorstellen kann, dass
jemand, der sieh an Leekereien sn viel gegönnt bat, eines
Tages infolgedessen an ekelhaften Sachen, etwa an Straasen-
sobmnts Gennss finden sollta
Warn ftbrigens die Behauptung jener Autoren richtig, dass aeiuelle
Bxeesse behn Weibe sur kontraren Sexnalempfindung führen, dann
') R. V. Krafft*Eb ing: Psydiopafhin sc.malL'i. Mit besonderer Berttck*
siciiti^'iiDg di«r iontrllroa Spxualempfiadaiig. Eine lrlima<Ji.fomn»i««AA Stoäifi.
9. Aufla^'o. Stuttirart 1894. S. 196.
- ) Leo puli^ CAB^er: ItnputeiUia ei sleräiUis virüis. MüAchea 1890. S. 62.
Abstumpfung.
383
kannte nna «mgeMrt den Sddnss maöheii, daB8 gcBcUeelitliohe
AiusohweiftiDgeE in der maimmiiiiiliobea Liflbe dea Gflsohledlitetoieb
zam Wdbe MnOberfEthien, sodan maa ein leohl beqaeme« MiM in
der Hand hfttte, solche Männer zu heilen. Leider ist mir niebt ein
Fall bekannt geworden, bei dem aaf diesem Wege ein ESrfolg erieiobt
worden wäre.
Unter den Ursachen der Päderastie nennt Stark füiner die Ab-
stnmpfnng gegen den normalen Geschlechtsreiz in dem Rinne, dass
die Kontraktion des Sphmclcr Cunni bei derartiger Abstumpfung
nicht mehr genOgend sei, hinreichende Wollustreize auszuüben, und
deshalb von solchen Leuten die stärkere Zusanunenziehung des Schliess-
muskels des Afters «gesucht werde. Auch Mantegazza») meint,
dass die Päderastie mit Knaben darauf zurückzuführen sei, dass
manche Tndividnen während des sexuellen Aktes membrum r/uam
an{fusti:<so)tc < i/'fMniclusum luiberc l oluni, und dass sie deshalb den
geringen Durchmesser des Anus dem grösseren der Vagina vorziehen.
Sollte dies wirklich denkbar sein, so wäre zwar die Jhcdicatio
mulieris, id est immissio membri i» anum feminae erklärlich. Wie .
aber hieraus eine Boiederasiia pki pueri lierrorgehen soll, das ist
damit nicht erklärt
Gegen die Bedeutung dieies ätiologischen Momentes spricht schon
die Beobachtung, dass die PflderMtie ttberhaupt nur in der Minder^
zahl der Fälle bei Homosexuellen einen wesentlichen gesohleolitüclien
Beiz ansQbt Wenn das Glied bei dem Koitus nicht eng genng nm-
sdilonen ist^ so dürfte dies übrigens schon bei gsas normalen Per*
sonen dsn Gennss am Beisohlaf yermindem. loh glanbe nichts dass
dies nnr bei denen der FaU ist, die dnroh sezaelle Anssohweiflmgen
Qbeneist sind.
Hinsokommt nsch Stark anoh der Bmit-go6i des Afters. Es
mag vidleieht seini dass, wenn wirkUdi einselne Leute za dieser Art
der Befriedigung sich hingesogen lUüen, es sich nicht nnr nm
kontrtrs Ssznalempfindnngt sondern glmehieitig nm eine weitere
Perrersion des GesoUeohtstiiebes handelti die an die Eoprophagie
erinnert
Tarnowsky glaubt, dass manche Kinner, die an einer Hyper-
ftsthesie des GescUechtsrinnes leiden, mitunter zur akti?en Piderastie
gebracht werden können. Wenn ihnen ehmial die H Oglichkeit normaler
') I'aül Mantegazza: Anthropologiflch-knltnrbi<itArische Stadien üler die
Gesell I er htsvcrhältnisie des Menschen. 3. Auflage. Einzig autorisierte deatsohe
Ausgabe. Jena. ä. 121.
384
Oewöhntmg.
Befiriedigimg UBble, so mMtnrbierteii sie vkttnAst oder wendeton
neb an elnea paniTen Fftdeneieiii nm ao den nonnalen Beisohlaf
IQ enetnu. loh glaube aber, dasa dieser Autor bier entsebieden
m wdt geht; denn es dürfte wohl sehon bsi Tielea*) soleher
Leute idobt nur eine Hjperftstbeale des Geeebleohtstriebes, sondern
auch «ne Perveraion desselben Toifiegen, sobald sie, selbet bei hoch-
gradiger sexneUer Erregoog, wirklich den Trieb haben, einen Hann
ni ptdeiaatieren.
Gley hebt beaondeia den Einflnss hervor, den die GewOhnnng
an gewisse Genftsse aosftbt; er msin^ dass Sür^aenieUen BeMedigong
neue Beise an^efesneht werden. Dmeh Gewöhnung an sie bQde rieh
nun allmählich ein bestimmter abnonner Zustand aus und swar
konträre Sexnalempfindung, wenn der neue Beiz, den der Betreffende
geauclit hat, geschleclitlicliiT Verkehr mit Männern war. Auch
Tarnowaky meint, dass, je häufiger der Verkehr zwischeu Jünglingtu
und Knaben untereinander erfolge, um so eher sich eine konträre
Sexualempfindung entwickle.*) Ich muss auch hier wiederum hervor-
heben, dass ich diese Möglichkeit nicht liestreite, dass aber ein ge-
wissenhaft zusammengestelltes Material zur Stütze dieser Behaup-
tung fehlt.
Ich erwähne noch, dass bei einer schärferen Trenannof von Perver-
sion und Perversität, wie sie Krafft-Ebino^ vorL,'est:hhigen hat, maucher
Autor den oben genannten Momenten nicht würde die Bedeutung zu
teil werden lassen, wie es heute noch in manchen Rüchem geschieht.
Es handelt sich bei mancher angeblichen Peiveraiou in Wirklichkeit
nur um einen gelegeutUohen perversen Akt
Der Vollstäüdigkeit halber sei zum Schluss noch darauf hin-
gewiesen, dass sich ein Zasammeuiuing zwischen kdrpeiliohei Herma-
I) dmb mitniitar dtt FSH ohne Bemisioa Toskommt» bestaMlts ieh vstarlieh
aieht; dann kandfllt is Bi«h aber ueht an eine Perverrioii in Kraff t-Ebings
ttnd meinem Sinne, sondern um eine Perversität (v^l. S. 31). Bei einer solchen
Steigernng des Geschlechtstriebes kann es überhaupt zu allen möglichen per-
versen Handlungen kommen. In einem Falle, der in einer mittolgrossen deutschen
Stadt spielte, nnd denen Akten mir^yon der KönigUohen 8tMtNiiweltHh«ft saa
Stndiiim gewfihrt wurden, gab der Angeklagte an, daas er mit einer Ziege deshalb
Sodomie (^etriobcn habe, weil er geschloclitlich sehr eiregt Wir Wui geradft kein
anderes Objekt zu seiner Befriodigung hatte.
- ) Man vergleiche hiermit die entgegengesetzte Behauptung, dass durch zu
viel Verkehr mit Weibon kantrtre Seiniileinpfinduig bei lünnem enteUihe! Die
widnfliiiediendeten ftttelogiachen Uomeato Ar dieselbe werden angegeben.
Scmatiwfc» Fkndo-Bmii^mtiii«.
385
pbzodiBie und kontdto Sexnalempfindnng nicht featotellen Hot
Zwar hat 6I07 sein Yorhandensein bohanptet und stellte ebeneo wie
Chevalier eine besondere Gruppe der kontcftien Seraalempfindmig ani^
die ftftiologisch duoh Mmatisehe Hennaphiodiiie bedingt sei Znr
Untentatsnng aefner Ansieht fllhit er einen allerdings sehr merk-
wordigea IUI an, den Magitot un Jahre 1881 TeiOifentUehte. Es
handelte sich um eine Person, die sieh bei genaner Untersachimg
der Genitalien als Mann entpuppte, deren äussere Gesohiechtsorgane
aber so grosse Ähnlichkeit mit weiblichen darboten, dass sie
von Geburt au als weiblich betrachtüt worden war. Sie heiratete
infolgedessen einen Mann, nut dem sie sexuell verkehrte, hatte aber
gleichzeitig sexuelle Beziehungen zu Weibern. Auf Grund dieses
Falles machte Gley die obige Annahme. Indessen üude ich, dass,
ehe man eine derartige ätiologische Gruppe aufstellt, es doch nötig
wäre, die psychische Seite der Vita sextialis bei solchen In Uvi luen
genauer zu prüfen, um zu untersuchen, uh wiiklich ein auscresprochener
Geschlechtstrieb zum Manne vorhanden war, oder ob es sich nur um
ein gleichgilti^es Zusammenleben handelte.
Ähnlich liegt ein Fall, den Tourtiial') im Jahre 1856 ver-
ölYentlichte; es handelte sich hier gleichfalls nra einen i\üi von
somatischer Pseudo-Hermaphrodisie.*) Eine l'ersou war mit einem
Manne kirchlich getraut. Der Mann übte mit der Person öfter den
Beischlaf aus, wurde aber hierbei nicht befriedigt. Nachdem er viele
Leute am Bat gefragt hatte, wurde schUesslioh eine offizielle Unter-
suchung der ihm angetraaten Person vorgenommen. Hierbei stellte
sich heraus, dass man es mit einem Pseudo-Hermaphroditen zu thun
hatte, der aber Torwiegend männliche Bildung der Genitalien zeigte.
Dnrcb eine Einsenkung bei dem Psendo-Hermaphroditen war es dem
Manne zwar möglich, bis za einem gewissen Grad das Glied ein*
zuführen, aber nicht tief genug, om sor Befiriedigang sa kommen.
SddiesaUoh wurde die Bhe aufgelöst» weil festgestellt war, dass mau
es bei der fragUcfaen Person nicht mit einem Weibe zu thun hatte.
Merkwürdig ist deren Angabe, dass sie sexuelle Neigung lum Menne
■) Tiertoyahnselurift fttr gerichtliche and öffenüiche Medizm 188«, 10 Bd.
- ) Der oben gnaaate IUI ist, etMoso wie die neieteB ttteren Fille ans der
Littentnr, nls Hermaphrodisie oder Zwittertnm beschrieben. Nach neueren
Porschnngen ist die wahre Herinnphrodisie beim Menschen ungemein selten, und
bei weitem die meisten als iJeriuapbroditen beschriebenon Fälle sind in Wirklich-
keit ab FMwIo-Bennapliioditeii sn betnebteiL
Moll , koirir. Snwampfloauff. gS
hatte. Da 68 aioli nim m WuUkhkdt liei dem Fitodo-Heniu^
um einen Mann handelte, so wflide bemoaexoeUe Keigong beatanden
haben. Dooh fl^be ioh naoh Bnrahleaen dea ganien SUlea niebti
dam die Peiaon wirUieh Neigung som Manne hatte. Ea aeheint mii
Tiehnehr wahndheinlioh» dam aie dim nur yuzgab, um eine Ttennung
der Ehe in verhindeni, die ihr mateiieU eine mehr geaiofaerte SMlnng
gab, ala aie «mat gehabt hStte.
Aueh tan. anderer Fall bietet grom« ünteieamb Er lat m
Bobert Eroriep ^) mitgeteilt worden. Ea handelt aieh um eine
Person, die den Kamen Marie Boaina GOttlieh ftihrte. Bei der
iumeren Untersnohung der QeaeUeohtBoigane fud man eine
Hypospadie, wie man de fifter bei minnficfaen Feraonfln ala Hemmungs-
bildung antrifft Ein verkümmerter Penis von anderthalb ZoU Länge
zeigte sich gleichfalls, und als man per antm eine Exploration vor-
nahm, wurde genau der Bufuud konstatiert, wie man ihn bei normaku
m&nnlichen Individuen beobachtet; insbesunderi' war dio untere Fläche
der Prostata von normaler Konsistenz und Grösse. Dm vierund-
dreissigj&hrige Person war muskulös gebaut und besass harte
Gesichtszüge. Die Ko])fhaare waren nach Art der Frauen geordnet,
von Backenbart war keine Spur vorhanden; nur um den Mond herum
zeigten sich feine, kurze Härchen, etwas dichter ak sonst bei Frauen.
Bie Stimme war rauh, aber nicht tief Der Kehlkopf hatte eine sehr
scharfe vordere Kante, die Bildung des Schlasselbeines war m&nnlioh,
ebenso der Brustkasten und die Brustwarzen. Von Brustdrüsen fand
sich keine Spur, die Weichen gingen über den Rand der Hüftbeia-
kftmme auf die Hinterbacken flach über, Becken und Haften waren
von charakteristisch männlicher Bildung, ebenso wie Schenkel und
Füsse. Der Schamberg war dicht mit Haaren besetzt, die sich aber
nicht bia aom Nabel hinauf erstreckten, sondern auf die Stelle über
der Symphysis ossium puhis beschränkt waren« wie bei Frauen; sie
reichten aber nicht wie bei Frauen in die beiden Leistenfalten.
Henatrualfluss war nie emgetreten, nur sollen im sechiehnten Jahre
zu veiaehiedenen Malen und mehrere Monate hintereinander Kolik*
anfille ?oigekommen aein, die für Anaetohen der aich entwickehiden
Mmtmation gehalten worden. Die Fttnon hatte eich aehon vor
vielen Jahren einem Manne hingagoben, ea war aber bei den Ter^
aoehen anm Ecitna geblieben, wefl der Eingang in die Tarmeintliehe
') Froriep: Beschreibung eines Zwitters nebst AbbÜdimg der Ge^chlecbta-
teile deMelben. Wochenschrift für die gesamte Heilkunde, herausgegeben v<m
J. Ii. Oaaper. laSB» 1. Band.
SomatiBche Fseuiio-Hermaphrodisie.
387
Sebflide in eng war. Dennoch waiden die Yemelie Öfter, und nrar
angeUieh mit 1>e8ondeiem Tergnflgen, wiederholt Spftter gab doh G.
Ywmhiedenen HlnneRi hin. Obwohl 0., d« dimels fSr eine weibliehe
Person gehalten wurde, seine Scblafetelle mit den übrigen Mftgden
des Hauses in einer Kammer znsammen hatte, ja sogar mit einer
der Mägde in einem Bette schlief, wurden dennoch durch weibliche
i'crbonen niemals wollflsti^e GiMlaijkeü erzeugt. Kilulitliche PuUutioneii
waren wuhl öfter ein^^'-etreten und auch von wollüstigen Träumen be-
gleitet; ob diese sich aber auf das männliche oder weibliche Geschlecht
bezogen, konnte G. nicht angeben. Erst als G. 32 Jahre alt war und
nach Dresden in ein Krankenhaus kam, wurde konstatiert, dass er
m&nnlichen Geschlechts sei und an einer Missbildung der Geschlechts-
teile litt. G., der vullständig weiblich erzogen worden war, behielt
dennoch weibliche Kleidung bei und suchte auch fernerhin zur Be-
friedigung seiner Lust den Umgang mit Männern. Auch nach der
Aufkluninr^' Über sein wirkliches Geschlecht soll G. niemals eine Za*
neigung zu Mädchen gespürt haben.
Der Autor, dem ich den vorliegenden Bericht entnehme, Froriep,
halt es für zweifellos, dass G. ein Zwitter war, da hier die Vereinigung
von Merkmalen beider Geschlechter vorliege. Wenn auch der
Charakter des männlichen Geschlechts vorherrsche, so h&tten doch
gewisse Merkmale der weiblichen Büdnng nicht gefehlt, z. B. die
Bartlosigkeit, unbehaarte Brust o. s. w. Der Autor fügt ferner hinzn,
dass entoohie:^pn auch die Hjpospadie als ein Übergang an weiblicher
Bildung au^e£a88t werden müsse, wie aehon daraus hervorgehe, dass
manche Hypospadiaci als M&dchen gelebt hfttlen. Froriep fasat
feiner als Andeutung eines Obergangee xor weiblioben Nator in dem
vorliegenden Falle den Mangel aller Neigong mm Umgänge mit dem
weibliehen Geeehleeht auf und ebenso das Yerlaagen naeh dem
GesefaleehtSTerkefar mit Minnein. Froriep leugnet gans entschieden»
dass 68 sieh hierbei um eine aus der Gewohnheit heryoi^
gegangene ftlsehe Biebtung der Phantasie handele. C asper fogt in
einer Anmerkung lu dem AuÜMtts hiniu, dieser FaU sei deswegen
gani besondeis interessant» weU aus ihm herroighige, dass dei Oe-
soiileehtstfieb nieht» wie man Mher angenommen, die wahre Natur
eines Zwittern entseh^de. Man hfttte froher geglaubt, dass man nach
der Art des Gesehlechtstiiebes die Zwitter bald snm mtanficfaen, bald
zum weibliehen Geschlecht hhisureohnen mflsse, wihiend geiade dieser
Fall lehre, dass dn snm mannUchen Gesohlecht gehOiender Zwitter
in WkkUchkeit keine geacfaleehtllche Neigung fbr das Weib empfonden
85«
388
0onaftiicb0 fttudo-HtiBMiphiodlfi«.
bitte. Indoswn habe iob beieita an anctorer Stelle ^ daiauf biar
gewiesea, daea Theobald,*) der Göttlich ebenfiilla beobachtete, sich
im GegcoaatM so Frcriep dabin insaert, daaa Göttlich mehr Trieb
an Frauen als in libmem gehabt habe.
Eine besondere Ansicht bat in nsoerer Zeit Debierre*) ans-
gesprochen. Er cnrihnt, dass die wahre Heimaphrodisie tossent
selten sei, nnd dass die meisten hierher gereehneten lUle nur Fseodo-
Hennaphroditen seien; bei wahren Hermaphroditen sei dss Indivi-
dnnm hi psjcho-sendler Beiiehmig nentral nnd* gleiche Meiin den
Kastraten.^
Wenn ich die obigen Fälle, die teilweise gat beobachtet sind,
berQcksichtige, so scheint mir daraus folgendes sich zu ergeben. Es
handelt sich um Personen, die zur Pseudo-Hermaphrodisie gehören;
maü hatte während der ganzen Erziehung bei ihnen ein falsches Ge-
schlechtangenommen. Trotzdem ist es nicht einmal mit ahrsohelnlich-
keit erwiesen, dass sich ein homosexueller Geschlechtstrieb entwickelt
habe, da persönliche Interessen bei der Angabe über den Geschlechts-
trieb, besonders in dem einen Falle, zu sehr mitspielten. Immerhin
glaube ich, dass sich einzelne Fälle von Pseudo-Hermaphroditen finden,
wo ein homosexueller Geschlechtstrieb auftritt. An audrrer Steüe*)
habe ich ausführlich aber den Geschlechtstrieb der Päeudo-Hcrma-
phroditen berichtet.
Wenn sich bei einem Pseudo-Hermaphroditcn homosexuelle
Neigungen zeigen, so kann das drei Gnlnde haben: entweder es
handelt sich um ein zufalliges ZusammentreiTen, das wir aber bei der
verhältnismässig grossen Zahl von Homosexuellen unter ihnen kaum an-
nehmen dfirfeUf oder die Homosexualität ist bei solchen Psendo-Herma-
phroditen anerzogen; dies wäre denkbar. Da das wahre Qeschlecht
nach der Beschaffenheit der Keimdrdsen beurteilt wird, d. h. Individuen
mit Hoden als Männer, Individuen mit Eierstdcken als Weiber an-
zusehen sind, kann ein Irrtom vorkommen, wenn die ftossem Oenitslien
') Albert KoU: nntenaehnngen über die lAMio MeniaJw. \. Band, 1 TeU.
Berlin 1897. S. 118.
^ Guil. Carol. Fried. Theobald: Dissertaito inauguraU» mmUeO'
foretisis de Ikrmaphroditis. Cktmeiü MDCCGXXXIIL S. 26.
') CU- Debierre: J/ Hermaphrodisme. Strudiure, Fondiom, £iat psyeho-
logiqm et mental, ^tat ewit el Mariage, Dangere et BenUdee. Parte 189L & 18S.
Geoaoeree über den Geschlechtstrieb bei Kastraten s. Albert Moll:
Unterouchnngco Uber die LMä» eeaaialie, 1. Band, 1. TfltL fierlia 18S7. B. 74—84.
8. Teil 189Ö. 8. 422—424.
Albert Moli: Uateisachungeii über die Libido aejcualüt. 1. Band,
1. 3ML BwliA 1697. a lOCft
Fteado-Hermaplirodisie und Homosexnalitit.
a89
peoado-hennapliioditiM}]! geUldet lind. Es kann daim ein Kind mit
Hoden, weil die tneieien Genitalien denen des Wdbes gleichen, ffir
weiblich, ein Kind mit Eieretöcken, deeacn ineaeie GeidtaHen männlich
an sein echemen, ab männlich getauft nnd enogen werden. Seihst
wenn nnn in solchen Nlen die heterosexuelle Oesohlechtscichtnng
eingeboren ist, wäre es doch denkbar, dass durch allerlei kOnstliche
Einwirkungen nach der Gebart diese eingeborene Disposition an der
Entfaltung verhindert wird,^) ganz ebenso, wie Instinkte bei Tii;ren
durch Dressur umgeändert werden können. Dies wäre eme Möglich-
keit, Homosexualität bei Pseudo-Hermaphrüditen zu erklären. Eine
weitere Möglichkeit aber scheint mir darin zu beruhen, dass, wie
wir noch sehen werden, die Horn osexu alitat oft genug als ein kon-
trärer sekundärer Geschlechtscharakter aufzufassen ist Nun zeigt die
Erfahrung, dass Psi udo-lJermaphroditen auffallend oft nicht nur die
ansserpn Gpuitalien sexuell konträr entwickelt zeigen, sondern dass
auch andtre Eigenschaften des Körpers und der Seele dem falschen
Geschlecht entsprechen. „En mrme fmips, dit Geoffroy Saint'
Hilairc, que les arganes sexuels j'retmeni une ressemblame plus
ou moins marqiue avec ceux de Ja femme, Vorganisation tmt entiere
se tnodiße dam le meme sens et s^empreint verUablement cCun
caraäere feminin."^ Ein Indindnnm mit Hoden nnd äusserer weib-
licher Genitalbildnng zeigt z. B. einen Kehlkopf, wie er beim Weibe
Torhanden ist, Bmstentwickelnng nach weiblicher Art n. s. w. So
wäre es eben denkbar, dass in solchen Fällen von Psendo-Herma-
phrodisie auch manchmal die Richtung des Geschlechtstriebes be-
ziehungsweise des Kontrektationstriebes einen konträren Charakter zeigt,
das heisat, dass die Homoaexiialitit als einer der konträren Gleschlechta-
ehanktere anfinifueen ist nnd ans derselben QneUe wie die Paendo-
Hermaphiodiaie stammt, nicht aber dnieh diese bedingt ist. Diese
AnfiiusDng wird Tielleicht denen am sjmiiathiscfasten sein, die die
Homoeexnalitit ebenso als eine Begenerationaeischeinmig ansehen wie
peendo-hermaphroditische Bildungen nnd andere Abnoimit&ten an den
Genitalien. Wae die Istitere Frage betrifit, so meint x. B. Loflet*)
In Besag anf die Anomalien an den Genitaloiganen, dass sie ein
phjslscbee Dsgenecationsnidhen soieiif das sich boi den DegenexiBrton
I) Th. Bibot: Im MaladiBt ds la PlMmnoKli. Pari» 1886. & n.
- ) Henri Sietrd: L'AahiiiM MMilfo dam VB&piet kmuiiim. Parit
1892. 8. S46.
') Pierre Adolphe Loüet: Des atiomaliea des organcs geniluitjc ehex les
IXgSnMs. fhin fOHr k Doolont m nUdmm, Pian» 1889, 8.76.
390
Bpil«paie; AltenUOdiiBii.
UUifig finde. Sie UmeD bei diesen Öfter Tor ab bei den Geeonden«
ja sogar Öfter ile bei Zoatlnden m geieCiger Stttmng, die mit De-
genenllon niehte sn thiu' hKtfcen.
Es giebt eine Beihe Ton Krankheiten, bei denen sich nach
mehreren Autoren besonders häufig konträre Sexoalempfindang seigen
soll. loh nenne in enter Linie die Epilepsie. Tarnowsky^) hat sogar
ans dieser Verbindong von Epilepsie nnd sexueller Ferversion eine be-
aondsfe Erankheitsgmppe ftr letstere aufgestellt Derselbe Antor
glaubt dass bei einigen das Auftreten der kontiftren Seznalempfindnng
als p^ehtsohes Äquivalent der Epilepsie betraohtet werden könne,
nnd dass man demgemBss von einer epUeptischen Piderastie spreoiien
dürüB. Er berichtet Ton einem Mann, der sonst mit einem Weibe
gesohlschtlich verkehrt nnd nie eine sexuelle Penreision dargeboten
hatte» im epileptischen Zustande aber, nachdem er Wein getrunken
hstte, einen Ujflhiigen Knaben notiflohtigte. Der Akt entschwand
dem Gedftchtnisse des Hannes vollständig, und sp&ter wurden sexnelle
PerversitAten bei ihm nicht beobaohtet
Im AltersblOdsinn s^ sich die von Tarnowsky sogenannte
senile PSderastie Öfter; ja, es soll hier sogar die Abweichung des Qe-
sohlechtstriebss mitunter des am meisten hervortretende Symptom
sdn. Besonders scU eine gewisse rohe Ausdmoksweise Aber sexuelle
Verhältnisse, die sich auch in Unterhaltungen mit Knaben kundgiebt,
nach Tarnowsky diese Form oft einleiten. Solche Greise pflegen
mitunter die Knaben in gewisser Weise zur passiven Päderastie ab-
zurichten; doch soll es auch vorkomiüeü, dass bei der senilen Päde-
rastie der Patient sich zur passiven Päderastie hingezogen fühlt und
den anderen als aktiven Pflderasten benatzt. Es soll bei längerem
Bestehen dieser senilen Päderastie Öfter zn Notzuchtakten kommen.
Lange Zeit kann die Diagnose zweifelhaft sein, da sich schwerere
Störungen der Intelligenz anfangs oft nicht Avahrnchtiien lassen, nnd
man kann infolgedessen sehr leicht dazu neigen, einen solchen Fall zu
den kriminellen zu rechnen; auch soll bei der senilon Dmenz mitunter
Sadismus mit gleichzeitif^er konträrer Sexualemptindunff beobachtet
werden, indem Misshandlang von Knaben als sexuelles £negang8mittel
wirkt
Tarnowsky: Die kimUtafken EnMamDgui im GewikMMuias.
Sbie fiw«iiiMli-9S|da«triadhe Studie. Berlin 1B8S. & 91^6.
891
HoaiOMKiislittt «nf Qnmd Ton progreBsiver PazalyB« soll
mltimter sdum In eiattii Stidimn auffanteo, wo dieae noob nicht m-
kaiint viid (Erafft-Ebiiig). Naeh Tarnovaky mnas es besonders
Yeidaoiit emgen, wenn d«r Bsfeielfond« mit einsr gsirissen Offtohoit
von aeinnr gBseUeelitlidien Beftndigong spiiolit nnd sie in keiner
Weise vedielnilielit; domtige Ennke soUsn nach demselben Autor
ttberlianpt sdten Yenlehtsniasaiegeln treffen, die sie vor Entdeotaing
sdhtttHo, and dadmeh schon Yeidacht aof peyebisohe Erkianknng
enegco»
Aneh CheTalier') nimmt die paralytisehe Fiderastie am Anfimg
der progressiven Pualjse an, ebenso die bei der DemmtOa miÜis, sowie
bei einer Reihe ?on anderen Gehimkrankbeiten, wo mitunter die
kontrSre Sexualempfindimg nur vorübergehend auftrete; bei dieser
c;el( gentlichen Äusserung zeige sie sich dann oft von unwider-
bteblicher Gewalt. Erwähnt sei, dass, wenigstens soweit meine Er-
fahrungen reichen und auch entsprechend zahlreichen Angaben in der
Litteratnr, homosexnelle Neigungen bei seniler Demenz und pro-
gressiver Paralyse sich auffallend oft nicht auf erwachsene Männer,
sondern gerade auf unreife Knaben erstrecken. Auch kommt es
häufig vor, d&ss gleichzeitig Neigung zu unreifen Knaben und un-
reifen Madchen besteht, und dass sieh iüermit anoh der normale
Geschlechtstrieb verbindet.
Äucli Kinder mit «geistiger Entwit'kehinpshemmung neigen zu
homosexuellen Akten. iS'ach So liier-) treiben die Inibezüiea oft zu
zweien Üname ; ebenso kSmc bei ihnen Sodomitcrei vor. Viele
Imbezille bilden nach diesem Forscher wirkliche Verbindungen unter-
einander; sie wählen sich gelegentlich auch einen Idioten für den
sexuellen Yeikehr ans, doch werde dieeer dann gewOhnlioh passiv
benutzt.
Yen den zahlreichen anderen Geisteskrankheiten, bei denen sich
Homosexualität findet, will ich hier nicht genauer sprechen. Wer sich
hiccfDr interessiert, findet in £rafft-£bings Baoti, JPs^ekoptMa
aesDuaUa, genügendes Material
- ) J. Chevalier: ütm MaiadU de la Persotmaiite. L'Btpersüm sexuelle,
Authropologif, MtdfcimftidSeiain. IHfaee änDr^Ju Laeutaogne. Lifon, Pana
1893. S. 814-866.
- ) Paul So liier: Der Idiot tmd der Imbesilie. Inn Deuteche übersetzt von
Paal Brie. Mit eiaen Yorwort von C. Pelman. Hamborg und Loipsig 1891.
& 7a
392 Aagabliobe UitMludi dw FMtfiatia in GridelienUiid.
Des biBtoriflohen Interesses halber führe loh noch «ne Beihe ron
nnSdiUdheii Momenten an, die S. Meiert fOr das Auftreten der
Enabenliebe im alten Giieebenland ineammengeitellt hat Heier
glaubt — und dasselbe wird von zaUrdehen anderen SehriftateUem
gleielifalla behaaptet — dasa die Neigung der alten Qneehen, sieh in
Ideinen Assosiationen snsammeDinsoUiesaen, die Liebe unter
MSnnem sehr begOnstigen mnsste. Da, wo derartige kleinere Yer-
bindnngen von MSnnem misstraniseh dnroh die Staatsbehörden an-
gesehen worden, konnte naeh Meier die Ehabenliebe lange nicht so
popal&r werden, wie in anderen Staaten. Besonden wnrde sie naeh
Heier hi Athen nicht*) so allgemein, wie in anderen Iftaaten; es
sei dies anf die Herrsdhaft, die l^yrannen dort ansQbten, xnrflek-
sofllhren. Biese suchten nlmlkh derartige intime Terbmderungen
möglichst za bekUnpfen, w^ sie ihren eigenen Start dnroh sie be»
fdrchteten.
Ferner wird die Gymuastik als Ursache hervorgehoben; durch
sie wurden besonders schöne, blühende Körper bei Knaben und Jiiw^-
lingen erzeugt, die einen ganz anderen Reiz auf den Beschauer aus-
llbten, als die bei mangelnder Gymnastik erzeugten schwächlichen
Körper. So wird von einigen Schriftstellern, darunter Cicero und
Plutarch, angeführt, dass in Itn Gymnasien*) die Jünglinge sich zu
viel einander nackt näherten und dadurch die Knabeniiebe begünstigt
werden musste. Übrigens wird von anderer Seite, z. B. von Pocke Is,*)
mit Rücksicht auf heterospinelle Ausschweifungen im alten Griechen-
land darauf hingewiesen, dass auch das Weib viel weniger die
TJmrisse seines Leibes verbarg, als es bei uns der Fall ist. „Die
schönsten Büdaftolen der Griechen waren nackt; ihre schönsten
M. E. E. Meier : PSderaati«. AUgtOMilie £oc> lop idie der Wisseoschaften
und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet rrad
herausgegeben von J S. Ersch und .T. G. Gruber. Dritte Sektion, 0-Z. Heraus-
gegeben von M. H. E. Muier und L. i?. Kämtz. 9. Teil. Leipzig 1837. S. 187 f.
- ) Von •ndflno wird, tvie im hiftoiisehea Teil gvMigt Ist^ 4u Q^gmM
angegeben.
•) Fried. Wilh. Basil. v. Ramdohr {Verius J'^mnia. Über die Natnr
der Liebe, über ihre Yoredelung und Verschönerung. Dritten Teils erste Ab-
teilung. Leipzig 1798, 8. 188) ist der Ansicht, dass die Gymnasien keinen so
groesen Sinflnss auf die AnsUldnog der Fiderastie im altsn OrieohsBland ans-
fthten; er weist darauf hin, dass bei den Weibern dieselben Erscheinnugen be-
oh Flehtet wurden, sumal in Lesbos, ohne dass dieee homoeeioelle Liebe der Wdber
etwas mit den Gymnasien zn thnn hatte.
Kerl Friedrich Fockels: Über Oeiellschaft, QeieUigkeit ud ümgaag.
L Bend. Hennom 181«. & 8S6 f.
Aigttbliobe ÜiMehen der Pldmulie in GiiediMiliiid.
393
BoUerionoi durften lich Yor den Angen der ganien Nation baden
oder sieh In diesem Znstsnde der ünsdnüd Ton ihren Eflnsüem be-
sehenen nnd abbilden lassen. . . . Man betraebtete die sohdne Ge-
stalt eines Welbea als etwas TTnsdraldiges, Heiliges nnd Gottliehes«
nnd die Orieobinnen kamen hierin dem freiem Kationalgesehmaoke
so sehr entgegen, dass die sehOaera Partien ihres KOipera oft nnr
wie Ton ebem Lnftgewande nmhflllt waren o. s. w.**
In Dorien, resp. Sparta führt Meier als Grund die eigen-
tümliche Verfassung an. Da nimlich hier die Knaben schon
sehr zeitig, mit 7 Jahren, der Erziehung der Eltern entzogen
wurden, bildete sich sehr bald der Brauch aus, dass sie sich einen
älteren Alaun nicht nur üIs Begleiter und Freund, sondern aucli als
Führer nahmen, der für ihre gnte Ausbildung Sorge tragen musste.
Diese Trennung der Knaben von der Familie und ihre Annäherung
an andere Männer sollen gleichfalls die Knabenliebe begünstigt haben.
Endlich ^ebt Meier an, dass die edkre Form der Knabenliebe
durch die Nei(,ning junger Leute zu Studien begünstigt wurde. Die
Knaben fühlten sich zu ihren Lehrern sehr stark hingezogen; es
bildete sieh zwischen Lehrern und Schülern, da Geldhonorare nicht
gezahlt wurden, sehr bald ein edleres Verhältnis, das an Innigkeit
dem heutigen Yerhiliois von Lehrern und Sohälem bei weitem über-
legen war.
II. Theoretisches.
Im AawhlntB an die Ätiologie will ich noch einige Worte Aber
die theoretischen ErklArangsversuche anfahren, die von einzelnen
Forschern für die kontrare Sexualempfindung gemacht wurden. In
Piatos Gastmahl wird versucht, ( ine Erklärung der kunträren Sexual-
empliudun^ zu geben; Aristophanes ist es, der hier Auseinander-
setzungen darüber macht Er nimmt die Erkhlruiig von einem alten
Mythus her. Daroacb existierten früher drei Geschlechter auf der
Erde, und zwar gab es ausser dem mf\nnlichen und weiblichen noch
eines, das als Mannweib (androgynisüh) bezeichnet wird. Die Gestalt
aller Menschen war aber auch verschieden; es hatte ein jeder vier
Beine, zwei Gesichter, zwei Geschlechtsteile. Da die MenRcheu sich
gegen die Götter übermütig benahmen, wurden sie von Zeus
schwächer gemacht. Es wurde zu diesem Zweck jeder Mensch in
zwei Hälften geteilt; der Mann in zwei männliche, das Weib in zwei
weibliche und der Andiogyn in eine weibliohe und eine mftnnlifilie.^)
Mao möge bei diesem Hythuä aus dem Altertum duan denken, dasa die
uraprOnglidie iw«i((eieUedifUdie BeKluffiBiiheit des Xenaobeit beiiehii]igiw«to
seisor Vorfahren heute dQMh embryologische üntflnudnillgai «in« WCNBäiflll»
Stütze erfahren hat. Hermann Scheffler (Körper und Geist, Bptrachtaogen
über den menschlichen Orgaaismos nnd seb VerbältniB znr Welt io physio-
logischer, pathologisoher und kotmologiacher Beziehung, Brannschweig 1862,
8. 9M) meint ganule im Anaohliis« an «nilnyoloflfiaelie Tlmt«Mli«Bt «Di««« Be-
tiachtung ruft sogar den Zweifel hervor, ob die zwiegeschlechtliche Zeugung be«
reits bei den ersten rndividuen des M(^n?chengeschlechts wie überhaupt bei jeder
Tier- nnd Pllaazenart Torbanden war, oder ob diese Individueo, bei welchen ohne
I^age di« httharan Ixlftc nnd «dbitii Organe, ttberhanpt der ganze Körp«r iMi
weitem niobt io einem so b«deulaiden Marne wie heute «itwiokdt waren, nioht
in ihrem Organismus die zur Ausbildung der Nachkommenschaft ausreichenden
Keime selbstSndig entwickelten, was allerdings eine hermaphroditische Körper-
beschaffeoheit voraussetzt, welche erst allmählich in den Zustand geschiedener
Geechleohtar ttb«rgegangea ««in mSMto.* In j«B«r Zeit vom d«r Vorgang att«r-
dlngB gaos gewOhnlidi gewe8«n «ein, da«« man «ich «elbet befmchtot«, iri« j«n«r
Mönch, von dem Robinet, allerdinga mit starken Zweifeln, berichtet, der sich
selber beäruchtet hahen stiii (A. Debay, Ilistoire tioiurelle de l'Homtne et de la
Femme, depuü leur apparüion sur le globe terrtstre jusqu ä noa jours. IMxihne
mkm. Fam iaea, &14D).
TbeQiie det Bsmenidea.
395
HUfte anehte nim «ber die von Qu g^ramtei frflhor mit ütr
wboDdene HUfte an^ aaeb der de rieb sebate. IKqeiiigeii Mioner,
die einen Teil des androgynisefaen Geeddedbte büdeteo, eaebten ab
andeien Tbü den wdbiieben anf ; efe wniden welUiebend* Hingegen
winden die Hioner, die ans dem frObmi Boppelmaim entetanden,
irail sie nnn die andeie von ibnen getrennte mftnnliebe HUft» eoobten,
inaiDili^bQad.
Der Philosoph Parmenides versnohte, wie Yirey^) erwtbnto,
in seinem Werk siegl <pvaeaK gleichfalls eine Erkl&rang fdr die mann-
mftnnliche Liebe zu geben. Nach ihm bringt der Samen dur Eltern,
wenn er sich beim Gescbiechtsakt innig mischt, normale Körper her-
vor. Mischen aich dagegen die SamenflQbäigkeiten nichtt so werden
Wesen erzengt, die iu der Folge, gleichsam am sich das Fehlende zu
ersetzen, Personen ihres eigenen Geschlechts begehren, z. B. weibische
Männer, die andere Männer aofsnohen, um selbst männlicher zu
werden.
Ich will bei dieser Gelegenheit noch eine Erklärung' anfülireu,
die, wie mir ein gebildeter Urning mitteilte, in umisflien Kreisen
mitunter gcgeljen wird. Damach soll ein besonderer Einliuss der
Mutter wahrend der Graviditflt^) bei dem zu gebärenden Kinde die
Anlage zur konträren Sexualempfindung hervorbringen. Der Emfluss
selbst soll darin bestehen, dass sich die Mutter während der Schwanger-
schaft sexuell setii enegt leigt und lebhaft gesohleebtUohen Verkehr
J. J. Virej: Die Ausschweifang in der Liebo uod ihre Folgen lür Geist
ud Kfirpor. Oktoriich, BatorKesebiditlidh und UMdisiiusob datgeatdlt Am dem
nanzSsiscben T«n L. Hermann. Leipzig 18S9. 8. 60.
") Sin umischer Patient von Krafft-Ebing machte eine Ang"abe, die mit
der obijßren manche Ähnlichkeit hat; er meinto nämlich, dasa sein Vater bei der
Kobabitatiua eia Mädchen habe sengen wollen, und dass infolgedessen bei dem
■idi «ntwiekebdeii niiiiiUehe& FOtm weibliche BigeoiduifteD, insbeeondeie km-
ttire ScxaalompOndnng bezw. die Anlage faieizn entstanden sei.
Der Eiufluss der Psyche der Eltern auf das Kind wiihrend der Begrattnng'
nnd der der Mutter während der Schwangerschaft ist oft hervorf^ebot rn worden.
Ohne alle hierher gehörigen Angaben für bewiesen oder ior beweisend zu halten,
«rwIbiM ieb einig« als Analogie der obigen Theeiie. ZaUreiohe Ueilier geliSrigB
Notisen findet man bei I.A. Liebe ault: Z7</ Sommeü, Parit 1866; femer bei
Frarieres: Influenees ■matemdles^ 1862; bei Lucas: Traitr dr l'lu'rf'äite, Paris
1850, Liebeaalt erwähnt n a. folgende Fälle: Victor Ungo soll erklärt
habm, er habe sein poetisches Talent dem Umstand za danken, dass seine Matter,
als de schwanger war, eine lange Reise in amaeroidentlieh naleriadie Gegenden
gemacht hat. Maria Staarts Sohn konnte kein Schwert aoaserhalb der Scheide
sehen, ohnp nnwnbl zu werden; er aoll diese Idiosynkrasie dadurch erworhon
haben, dass seine Mutter während der Schwangerschaft Eixzio, ihren Vertrauten,
enteehen sab*
m
mit dem Hanne wünsdit» nnd swir gmd« ra der Zeit, wo sieh die
OefleUeoiltsQrgiiie des FOtns entwickeln. Wenn ee aich nmi un ein
mfinnliehee Kind handelt^ so eoU dieeer Binfliias sieh darin Inssem,
daas die an dieser Zeit hervoigetietene Keigong der Matter nun
Hann auch bei dem Fotos eine später sieh asigende danemde Neigmig
nun Hann herrormlt*
Kamdohr hat im voiigen Jahrhundert die homoeexaeUe Keigong
lu eigrttaden Teisneht; dooh sind mir die AosfiBhrongen des Aotors
nieht vollstlndig klar, sie sohonen mir im wesentliehen doeh nor
anf eine ümsohreibong, nieht aber anf eine wahre SihUbrong hinaoa-
lokommen*
In neuerer Zeit hat Hantegazza^ eine eigentOmüche Theorie
aofgesteiltb Er meint, das« der peirerse Geschlechtstrieb der TTtnioge
durch einen fehlerhaften Yerlaaf der Nerven bedingt sei, indem die
unter normalen Verhältnissen für die Genitalien bestimmten Nerrwi
sich bei den Pädcrusten im Mastdarm verbreiteten, und dass infolge-
dessen der sonst in den Genitalien ausgelöste "W oll li.st reiz bei ihnen
durch Reizung des Mastdarmes stattfinde. Doch hat Kruffl-Ebing
mit Recht diese Theorie bekämpft. Zunächst kounte sich Mante-
gazzas Theorie nur auf die passiven Pftderasten bezieben; diese
finden sich aber überhaupt, im Vergleich zu der grossen Ausbreitung
des üranismus, nur selten,'-') sodass die bei weitem meisten Fälle
selbst dann unklar blieben, wenn Mantegazza für die passive
Päderastie Recht hätte. Aber auch dieses ist nicht der Fall.
Es übt den Kelz für den passiven Päderasten das Mimihrum
virile aus; eiiis immissio in rectum giebt ihm Befriedigung. L)n)iissio
digitorum vel aliarum rerum würden dem passiven Päderasten keine
Befriedigung gewähren, wenn er sich nicht den Mann in seiner
Phantasie vorstellte. Es ist also foi diese Leute die Vorstellung
des Mannes das Wichtigste; diesen EemponlLt abenidit Mantegaasa
vollkommen.
Wenn aber auch durch Friktion des Mastdarms ") Orgasmus ent-
steht, so branohen wir nooh lange nicht an einen falschen Verlauf
der Nerven an denken. Es giebt Mlnner, km. denen WoUostgeflÜü
- ) Paul Maategazza: Aothropologisch^kulturhistoriBchd Stadien Uber die
Gflsofal«ektmiUltoiiM dM MmsolwB. & Auflage. Bioiig Mtoririoclt dsitiohe
Amgabe. Jena. 8. 190.
•) Viellfifht ist Päderastie in Italien hSnfigrer ftls in Deutschland.
- ) Von einem Urning wird mir mitgeteilt, daas eine Jmmi^sio profunda
memAr» t» rectum kaum vorkomme, und dass die Analöffnong uiuht wMentUch
ftbenohritlBtt wiide.
SeznoUo Pervenion als psycluuclici Vorgaug.
a97
dnroh andere peripheiisolia Baiie, i. B. dtadi IMohtee Berühren der
Rückenhaut, der Fasse, ja der Stimhant bervorgemfen wird. Solkn
wir deshalb annehmen, dass in solchen Fällen die Rücken-, Fuss- und
Stimnerven durch t ineii Entwicklungsfehler die sonst zum Penis ver-
hiiifenden Nerven seien? Die Projektion des Wollustgefühls, so weit
btii einem Gemciugefühl hiervon die Rede sein kann, findet endlich
auch bei den passiven Päderasten in membrum statt; es scheint, dass
nnr die Auslösung des Geschlechtsaktes reflektorisch vom Rektum
ausgeht. Überhaupt hat die Masturbation im Rektum nicht das
mindeste mit homosexuellen Neigungen zu thun. Der Irrtum, der
hierbei hftufig begangen wird, rührt her von der Verwechselung des
pädtrastischen Aktes und des homosexuellen Fühlens, die nicht
immer mit einander vtrbunden vorkommen. Daher wird die Onanie
jter rectum oft als A uto Päderastie -) bezeichnet. Selbstverständlich
kann die Autopäderastie gleichzeitig mit Homosexualität und mit
Neigung zur passiven Päderastie vorkommen. Es ist dann eben die
Autopäderastie als ein gewöhnlicher nutoonanistischer Akt in Er-
mangelnng eines Aktes mit einem andern Individuum zu betrachten.
So dürfte wohl der Fall gelegen haben, den Gristiani*) veröffent-
lichte. Indessen miiss Aatopäderastie ntoht mit Homoiexiialitit la-
ettnmentreffeii.
Ist also diese Theorie, die die Ursache der konträren Sexual-
empfindunc: m einer peripherischen Abweichung sieht, zurückzu-
weisen, so kommen wir zu der Annahme, dass es sich bei der sexuellen
Perversion nur um einen psychischen Vorgang handeln kann. Da die
peripherischen Sexualorgane an sich normal funktionieren, so können
wir in ihnen den eigentlichen Sitz der Krankheit nicht annehmen.
Gestört ist bei perversem Gesohleobtstrieb nur die Art und Weise, wie
die Psyche auf die Senudorgane wirkt Nun wirken auf die peri-
pherischen Genitaloigane anregend alle YorsteUnngen, die den Ge-
schlechtstrieb erwecken. Dieser wird unter normalen Yerhältnieeen
beim Manne dnxeh Yoretellangen herroigerofen, die dae Weib mm
') Arekivio di Paychiatria, Seienxe pmaii ed AtUropologia eriminaie. 1893,
fa»t, 4—5, wo titih «In Artik«! von Frig«rio: AMomaHä tmuaiif ÄvlapedmuHa
0 Bieudorumtsnw befinde!
•) Andrea Cristiani: Äutojmfernsiia in un afieiutio, affctto da follia
pcriodica. Arehino ddU pneopatie wsuali, VoL i, fasc. 13tl4f Luglio
1S96.
398
Oaliini ab Sita te AffaktioB.
InliaU balteii, Um ürniog dnrdh aolohe^ dl« (ton Haim lietceffiBo.
Es iit alio bei diesem der Binflius der Yontelliiiigeii «nf den Qe>
soUsohMrieb ein reflnderter. Wir mOssen daher den Site der kontdren
Sexnalempfindniig dabin verlegen, wo die Yorstettongen den Ge-
soUeohtstrieb weeken; dies ist aber naeh den Ansobanmigen der
modernen Physiologie das Zentralnerven^yslem, nnd awar das Qehlm.
Bs ist bierbet gans gleicbgiltig, ob die VoisteUnng, die den
OescUeehtstrieb enreetti anf einer augeablieUiohen Sinneswahmebmnng
beniht, oder ob es sioh bei ihr nnr nm «in Bilnnerangsbild, eine
Fbantasieforstellmig handelt Beide Arten Ton Yorstellimgen ver^
legen wir in das Oehim und zwar, wenn es sich nm eine bewusste
Vorstellung bandelt, gewöhnlich in die Gehirnrinde, obwohl die Akten
darüber, inwieweit bewnsste Vorstellungen m andereii Teilen des
Zentrahierveusyst^ms ihren Sitz haben können, noch lange nicht ge-
schlossen sind.
Zwei französische Autoren, Mugnan und Gley, gingen im An-
schluss an Ulrichs bü weit, von einem weiblichen Gehirn bei
ümingen ZQ sprechen; es soll das f^nuze Gehirn dieser Leute, troti
ihrer männlichen Geschlechtsorgrint , weibliche Eigenschaften haben,
wodurch das weibliche Empfinden und Fuhlen, das heisst die aus-
gesprochenen Erscheinungen der Effemination und d< r sexuellen Per-
version erklärt würden Krafft-Ebing weist diese Annahme znrflck
und stützt sich hierbei u. a. auf ein Sektionseigebnis, wobei sich
das Gehirn als normal erwies.
Auch bei anderen Obduktionen von Homoseinelien, z. B. bei
einer, die Recklinghausen machte, findet sich nichts über Eigen-
sehaften des Gehirns, die dem kontrflren Geschlechtstrieb entsprechen.
Ich glaube, dass die Frage dennoch nicht endgiltig entschieden
ist, ob wir beim Urning mitunter die Eigenschaften im Gehirn
wiederfinden, die gewohnlich das Weibes Gehirn zeigt.*) Dass
aber diese ganze Frage überhaupt nur dann in Betracht k&me, wenn
sich der betreffende Mann ToUstftndig In seinem ps{jdiisGken Yer-
') Diese Frago ist deshalb bosonders schwierig zu beantworten, weil wir
keine absüluten Difforenzeu zwischen männlichem und weiblichem (Tehirn kennen,
diese vielmehr mu relativ sind in dem Sinne, dass wir bei einer grösseren Zabi
von GeUnMn von Weibern und lolohen tob IttiuMra fewiMeDarohsehnittB*
zahlen erhalten, die für beide Geschlechter verschieden nnd. So ist nach
Schwalbe (Lehrbach Act Sr-mohgie, Erlangen 1881, S. i^^) (!er sa;:ittale Durch-
messer des Gehirns beim Mamhp durchschnittlich etwa 10 mm grosser als beim
Weibe; das Uirsgewicht des Mannes ist nach Bischoff darchhchnittlich 1363 gr,
dM des Weibes IMA gr*
LokftUsatioa des Qeadüechtstriebee.
399
battia ak Weib sägt, ist selbstfentiadlidi, und in diesem Sinne bat
aaeh Max Dessolr die Meinimg aoi^esprochen, dass, poinüir ans-
gedrflckt, ein Haoptproblam bei der Inutilnn Senudempfindang doch
das sei, feetnutellen» wie die Seele eines Weibes in den Körper eines
Mannes komme. Dessoir bezieht sich hier natfirlich nur aaf die
Falle, bei denen nicht nur der Geschlechtstrieb, sondern auch die
sonstigen Kigenächältoü deä Urnings an eine weibliche Veranlagung
erinnern.
Wenn wir nun annehmen, dass im Gehirn der anatomische Sitz
der Homosexualität ist, so wäre zn nntersuchen, wo wir die Affektion
lokalisieren müssen. E.s üpgt diese Frage besonders da nahe, wo nur
der Geschlechtstrieb, nicht aber die sonstigen Eigenschaften Ver-
änderungen darbieten. Ich berühre diesen Punkt, weil bei Auf-
Stellung von Theorien inbezag auf Lokaiisation im Gehirn oft Fehler
begangen werden und anoh über die Lokaiisation des Gesohieohts-
triebes beieits Andeatongen gemacht wuden.
Kfafft-*Bbing*) söUiesst aof eine nahe Ortliehe Aneinander-
lagerang der sexoellen Spbire nnd der Qemchssphftre in der Gebim^
linde^ oder doch auf eine starke Verknüpfong beider dnicih mlehtigo
Assosialions&sem. Bas Qeniefassentrom befindet sieh naoh Ferrier*)
in der Qegend des öyrus unemaku, nach Zuekerlcandl, via Erafft-
Bbing erwihnt, im Ammonshom. Erafft-Ebing schliesst anf die
Naofabaischaft jener Zentren, weil der Gemohssinn mttonter hn engen
Znssmmenhang mit dem Qesefaleeihtssinn steht
Krafft-Ebing erwähnt eine Arbeit von Althaus,') der bei
Tieren auf den nahen Zusammenhang von Geruchs- und Geschlechts-
Hinn aufmerksam machte, und bringt eine iieihe Einzelheiten, die
beim Menschen den Zusammenhang ?on Gernchssinn und Geschlechts-
trieb zeigen. So führt er den wollnsterregenden Duft der Blumen
an, den bereits Cloquet env ahnte; femer einzelne Falle, wo
Manner von Liebe entbrannten, als sie durch irgend welche Geruchs-
wahrnehmungen, die vom Weibe ausgingen, an dieses gefesselt wurden,
wie es bei Heinrich IV. von Frankreich der Fall gewesen sein soll,
') R. V. Krafft- Ebing: Psychopnthia srrtuilis. Mit besouderer Berück-
üchtignsg der konttÜLiea Sexualemplludaag. Eine klini^ch-foreiuiiicbo Studie.
0. Auflage. StnMgvt IBM. 8. M.
David Farrier: Vorlesongen über Hirnlokallaatioik. DeolMhe AwgalM
m Max WeisB. \^\]^7}^, TJTifl Wien 1892 S. 122 ff.
- ) Althaos: Beiträge zur Phytiolog^ie und Pathologie de« Oifaetorim.
Archiv för Psychiatrie. 12. Bd., 1. fl«lt
400
GesoUeohtstrieb und Geruoliuiiui.
als ec noli m die aoböne Gabriele Terliebte.') Angaben ibnlioher
Alt finden neb vielfsch. Cadet Devanx meintei die wollQstigBfee
Atmospbllre aei die des Wetbes. Naeh G. Jäger ^} ist die liebe llber-
banpt Geraohssaohe. „Wenn es gewdhnlioh doroh den Anblick einer
eehOnen Frau geschieht, dass man davon ergriflfen wird, so geschieht
dasselbe zuweilen durch eine melodische Stimme, einen anmutigen
Tanz, aber vor allem wird uns dieser Dunstkreis bezaubern."') Schon
die Alten erkannten die Wichtigkeit des Geruches fOr den Geschlechts-
akt. Nach einer Sage Warden die Lemnierinoen, weil sie die Opfer
für die Venus Terachteten, von der Göttin gestraft, indem sie ihnen
einen solchen Gestank gab, dass die Männer sie verliessen.^) Indessen
halte ich die Gründe der engen Be/aebung von Gerachs- und sexueller
Sphäre tlberhaupt nicht für beweisend. Erstens kDnnen wir von einer
funktionellen Verwandtschaft durchaus nicht auf die anatomische An-
einanderlac^iruiiL: gewisser Zentren schliHssen. Ausserdem aber
dürfen wir, wenn anch die Verwandtschaft der Geruf-hsempfindung
mit dem sexuellen Triebe vielfach nicht von der Hand zu weisen ist,
nicht übersehen, dass viele Gerüche überhaupt eine Beziehung zum
Geeohlechtstriebe nicht haben; wir müssten also annehmen, dass nur
das Zentrum gewisser Geruchsempfindungen in der Nähe des
Zentrums für die Sexualempfindtiiig liegt Ferner ist die Verwandt-
schaft der Geruchsempfindung mit dem sexuellen Triebe mobt grosser
als die vieler anderer fiiimeaeindxQcke, und wir müssten gaai ebeiiao
aof eine nahe Aneinanderlagerung des Zentrums für den sexnelleB
Trieb und dea Zentnuiii der Geaebtewahmehmong nvie der Tut-
wabmebmong BdUiessen; denn es kann niebt geleugnet werden, daas
der Genebtenun in einein viel engeren Zngammenhapge mit dem
GeseUeebtetriebe atebt» ab der GemebaomL Daa Anblieken einea
OOS msagenden Welbee wird mindestens ebenso sshr den Gesebleebts-
- ) Ich biu aber allen dernrtip-fTi histrri i l,en Ang-aben gegenüber misstrauisch.
Der Raosalnexus zwischen üerucbäeiuwirkuug und EntstehuDg der Leidenschalt
kaon zu leicht naobträglich wUlkfirliefa konstrolftit werden. Kau bimnobt nur die
lebhafte Fbantaeie der MeoecfaeB in allen Oiagea sn bertelndobtigeii, die die
Liebe betreffea, tun zuageben, wie leicht eia Irrtum hierbei möglich iat, sumal
wenn es sich dämm handelt. <>iTio etwüt nn n-owdbnliche Enoheiaiiiig, wie £r-
wouken der Liebe durch deu Geruuh zu begrüuden.
- ) Onatav Jäger: Entdeoknng der Seele. 8. Aafl. 1. Bud. Leipzig 1884.
8. sea
') A. Tb. Brück: De raimmpherr de Itt fmme d A M pititwiee in
Caipers Wochenschrift, 1833, 2. Bd., 8. 678.
- ) Bosonbaam /. e. S. 148^ der Autor beruft sich auf Dio Chrysosto-
naa n. a.
Theorie vuu Qall und Spnrzheim.
401
trieb in mu rege werden liseen, wie die Walunehmnug irgend eines
Ton diefflm Weibe anegehenden Qernoliee; dai AnfUilen, beiepiel»-
welse der Brflete, wiid ebenso nnser eexoelleB GtafUhl erregen, wie
es etwa die Wahrnehmung der Hautausdfinstung durch den Qeniohs-
sinn thni Earz und gut, wir müssten, wie gesagt, dann ebenso anf
eine nahe Aneinanderlagerung des Zentrums für den sexuellen Trieb und
des Zcntruuis lür den Gesichts- und Tastsinn schüessen. Ich halte aber
diesen Scblusi für verfelilt, weil ich es überhauftt nicht für notwendig
halte, dass zwei Hirnabschnitte deshalb anatomisch aneinander ge-
lagert sein mQssen, weil deren Funktionen in einem gewissen Kausal-
nexus stehen. Endlich aber fragt es sich, ob es überhaupt ein be-
stimmtes Zentrum für die sexuellen Emiiündungen giebt, oder ob
diege nicht vielmehr in zahlreichen, über das ganze Gehirn zerstreuten
Bezirken ihren Sitz hLiben.
Aus allen diesen Gründen halte ich eine Lokalisation des homo-
sexuellen Geschlechtstriebes heute für ebenso wenig mOglich wie die
des heterosexuellen. Ich habe vielmehr schon an anderer Stelle 0
darauf hingewiesen, dass es sich wohl nur um si^e wisse Leitungsbahnen
im Gehirn handeln kann, die beim Uomosexaellen und beim Hetero-
sexuellen Differensen zeigen.
Jhn Gall,*) Sparibeim nud Foncheri die aiob ihnen aaioliloaseD,
entspreduiid ilirer strengen Iio1fca1J8att<m8lehre andi für den <}eeclileo3its*
trieb eine bestimmte Stelle im Gehirn sneliteiii kann niobt ▼erwnndem. Sie
verlegten ihn in des Cer^Uum; nach einigen sollte man sogar die Starke
dee QeeeUeohtstriebes an der Ansdehnnng des Kl«nhims messen können;
diese aber soUte dnndi den Abstsnd dw J^tMessiis moBhiäei von ein-
ander benrteUt werden. Wenige LokeÜBationen fand Spurzheim so
sicher gestellt wie die des Zengungstrtebes {„Amatweness") im Eleinbiro.
George Combe^) bat, ohne einen Beweis zu erbringen, den genaueren
Sita des Geschlechtstriebes in die Mitte des Kleinhirns verlegt Spurz-
heim gab den Bat, dass Leute, bei denen das Cerebellum stark ent-
wickelt wfirc, keinen Beruf ergreifen sollten, der sum Gi^libat zwinge, da
bei ihnen der Gesohleohtstrieb zu m&ohtig sei.
')Älbert Moll: Untersuchtuigea über die Libido »exuaii^. 1. Baad,
2. Teil. Berliu 1898. 8. 333.
^ G alle Lehre ttber die Verriehtongen dee Oehims. Naoh denes in Drsiden
gdiatleaen Verlesnngen in einer fasslichen Ordnung' mit trewisHenbafter Trene
dargestellt von Karl August Blöde. 2. Auflage. Dresden IBW. S. 63.
') George Combo: A System of phrenok^y. äixih American £düion,
Boaton 1851. 8. 112.
Moll, KoBtr. SKailMtfSaSimtf.
402
Von vmehiedfliMii Autom, i. B. Bodolf Leabntolier') Irt Mhon
Tor Uqgvnr Z«t dieie Maiiiiing auf Qnnid timt*ohlieher Beftmd« Ar
ixrig «rklirt wordsn, und llinluli luit ddi mob Eftr") «ugMpioelwn.
Dm AviflUintiigeii B«B«diktt*) Ub«r die LoUÜMtioa dM kortUulen
GesoUflolittlebeni m diu liiik«i OoQipito»T«iiiponiI]app«D bedllzfivi wobl
kaum «nw «mUn bitik.
Eine besondere Thiene hat Gustav Jäger*) aufgestellt; sie
entspricht seinen Anscbuuungen über die Wichtigkeit des Gemobes.
Nach Jager beruht die Homosexualität auf einer angeborenen Speoi-
fitat der Seelensto£fe ; sie sind bei dem Homesexuellen derart be<
schaffen, dass sie mit den Seelendüften des Weibes in entschiedenster
Disharmonie stehen. Das Weib riecht den Urningen am ganzen
Körper übel, msbesondere die Brüste und der Schoss ; sie können das
Weib also anmöglich als Objekt zur Befriedigung ihres Geschlechts-
triebes benutzen. Hinc^egen stehen nach Jäger die Seelenstoffe der
Homosexuellen in Harmonie mit Persünert des pleicben Geschlechts.
Diese Theorie von Jäger ist auf der nchtigen Beobachtung aufgebaut,
dass der Geruch des Weibes dem Urning unsympathisch ist Dennoch
mosste Jäger erst beweisen, was er keineswegs gethan hat, dass der
Oeraolisaiiin allem den Geschlechtetneb bedingt Dieser ist vielmehr
Toa anderen Simien» beispielsweise vom Gesicht und Taetaiim gaos
ebenso abhAngig wie oben amemandeigesetit ist
£rafft-£bing sadit vom ätiologischen Standpunkt aas die
konträre Sexualempfindong in erkliren. Br meint» dass die eingo-
boiene k<mträre Senutlempfindong auf dem Woge der Vererbung
entstanden sei Er Tonnntet nflmlioh, dass der Aseendent vielleiGht
die kianUiafle Neigong zam eigenen Qesdileoht erworben kabe^
nnd diese dann als eingeborene kiaokkafke Eiseheinnng bei seinen
Naohkommen anflzete. Da die kontcflre Sexnalempfindmig in der
That mitonter bei potenten Leuten Toikommt» so ist die Theorie
Krafft-Ebings m beAoksiohtiigen. Sie basiert natflrliok aof
') Leabnacher: Pathol^rrie und Therapie der Qehün-Kiaiikheiteii. Fttr
Ante nnd ßtadiereade. Berliu lö^. S. 80 f.
- ) A. Bir: Der Yerbnohar in andixopologischer BeiidniBg. Leipzig 1886.
8. 19.
■) M Benedikt: AnthropologiBohtt BcAmde. Wiener modiBiMw Btttter.
1891, Nr. 1 (von B^t zitiert).
^> Gustav Jäger: Entdeckaug der Seele. 3. Aufl. 1. Band. Loipsig ISM.
8. S66.
KraSt-Ebings Vererbmigsiheorift. 403
Darwins Ansdhammgen. Darwin hat aUaidingB in seinen Werken, '
soviel ich finde, nirgends etwas Ton kontrifcrer Sexaslempfindung oder
Terwandten Eiseheiniingen erwilint Dennoob steht Eralft^Ebings
Theorie ganz im Einklting mit Darwins Lehren von der Yererbtmg.
Darwin sagt'): »Ich habe von anthentisohen Fällen gehört, in
welchen eine Sucht zu stehlen und eine Neigung zu lügen durch
i'amiiicn selbst höherer Struiilc hindurch ging, und da das Stehleu
ein 80 seltenes Verbrechen in den wohlhabenden Klassen ist, Sü
können wir die in zwei oder drei Mitgliedern derselben Familie auf-
tretende Neigung nicht durch eine zufüliige Koiiicidenz erklären.*
Gewiss können wir Analoges auch von der konträren Sexualempfindung
sagen, wenn sie auch nicht bloss in höheren Ständen vorkommt.
Wenn man schon eine solche Neigung zu stehlen für erblich hält,
dann wird noch viel weniger Veranlassung vorliegen, die Erblichkeit
der Homosexualität ohne weiteres zurückzuweisen. Der Umstand,
dass sich viele Homosexuelle nicht fortpllanzen, kann aus verschie-
denen Gründen, die ich an anderer Stelle') auseinandergesetzt habe,
kein hinreichender Grand sein, für manche f'ftlle nicht doch das
£rerbte anzunehmen.
Einsehie kasuistische Mitteilangen sind geeignet» Erafft- Ebings
Theorie zn stützen. So bezieht sich dieser Autor auf einen Fall, wo
ein kontrar sexuell empfindender junger Mann mit voller Sicherheit
behauptete, dass sein eigener Vater gleichfalls Umingsnatnr gehabt
habe. Ein anderer Patient von Krafft-£bing macht die inunerhin
interessante Angabe, dass sein Vater ^e sehr anflUlende Vorliebe
für schöne Bediente gehabt habe.
Herr N. der in der Yorrede genannte Urning, sdireibt mir
Aber diesen Fonkt fidgendes: habe ans der Blbliathek meines
▼erstorbenen Vaters eine gsnse Beihe Bttoher ftr nuoh heransgesnoht.
Mdn Vater maohte dann nnd wann Bandbemerkmigen in sdnen
BAohem; was mir aber anffielt ist der Umstand» dass die Band-
bemerkongen gans besonders xahlreioh an den Stellen sind, die Ton
kontiftrer Senalempfindnng handehi. Mein Vater bat innerhalb
weniger JTabre fünf Kinder gesengt, war also sweiMoe potent; ich
will anoh nicht bebanpten, dass mein Vater selbst perrers war. loh
^ Gbarl«8 Darwia: IMe Abstammmg des MMSoben und die genhlAolit'
liebe Zuchtwahl; a, d. Bug! Ton 3, Vietoi Oarns. 8b Aufl. Stottgvt 1878.
L Band, 159.
') AI bort Moll: IJütßTmchvagen iiher Libido $txuat4». 1. Bind. 8.TelL
Berlin 1898. 8. 406 ff.
98*
iU4
venmite iber, dm ein mte AnTenvandter MXoeE kontrir fflianlagt
war, und dam dcahalb diaaea Gebiat maineD Tatar iMMndaia
mteieaBiaita.
Gans basondeia wichtig iind abar Flllab die Lncaa') anüBlirtk
wo ai tkk um Yezerbimg dea Hangea aar Fideiastia bandalt Ein
Koch Toa seltener Begabong fta sein Fach hatte steka eine an
Baeerei grenzende Zaueigung za Fraaen, hierzu geaellte sich noch
eine Neigung zur P&derastie; ein unehelicher Sohn von ihm hatte
merkwürdiger Weise ebenso wie sein Vater eine Neigung zu beiden
Ges blecliteru, obwohl er vom Vater entfernt lebte, ja dieäeu nicht
einniLil kannte.
Es sei ferner bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass die (S. 06
erwähnte) Erkrankung der Scythen nach Herodot^) gleichfalls für
erblich galt Wenigst<3ns heisst es bei ihm: „Die Göttin Venus
sendete denjenigen unter den Scythen, die ihr Heiligtum in Askaion
geplündert, sowie deren Nawshkomrnen, die thrjXnn voC-aog"
Weiteres Material für die Erbhchkeit der kontraren Öexuai-
empündung liefert das Vorkommen derselben bei anderen Bluts-
verwandten : hierher gehören insbesondere auch Falle, wo sich bei
Brüdern konträre Sexualempündun^^ zeigt. Ich weiss mehrere Falle,
wo Brüder gleichzeitig an konträrer Sexualemphndung leiden. In
einigen andern mir berichteten Fällen sind mit einer gewissen Wahr-
scheinlichkeit bei Geschwistern oder Eltern homosexuelle Triebe an-
zunehmen. In mehreren Fallen wurde mir von M&nnem mit konträrer
Sexnalempfindang eine voUständige sexuelle Anästhesie von Brüdern
und Schwestern angegeben. Es findet sich auch in einzelnen Fällen
die Angabe, dass Schwestern gegenüber den Huldigungen der Männer-
welt eine unmerhin ganz nngewöhnliche Gleichgiltigkeit zeigen. In
einem EaUe Erafft-Bbings wird mitgeteilt, dass die Schwester dea
Patienten lUnnem gegenfiber halt sei» dass sie aber in eimwlne ihrer
Freundinnen geiadesQ yerliebt ersdieine.
Anoh sind mir FUla bekannt» wo andere paOiologische aazneUe Pei^
f arsionen bei mehreren FamiKenmitg^edem vorfcommeiu Ein Patient
mit SadismnSt dessen Enmkengesdiicfata Erafft^Ebing nnd apttar
ich selbst rerOfliBatliehtei hat einen Bmder, der gleiahfidls sadistische
<) Prosper Laeai: IhUU pküonfkiqm ef pAytvpfaytfiie it VBMgiU
fuOuntte dans k» t^at» de Sanli d- de McUadie du Systeme nerretix, arec Vappli-
ention mHhoiUqtic des lais dr la procreation au traitemetü gcmral de» affoetüm»
dorU eile est ie principe. Tonte pr emier, Paris 1847. S. 479 L
- ) fierodoti Gceduohte, 1. Bnobi 105. Xap.
405
Neigmigeii hat Wlhnnd der «iiie iMsonden gern das Wdb sebligt,
10 dass «8 Tor Sdhmen sobiait, liebt der andere es, daa Wdb
mit wSmsm Samen im Genoht an besudeln, was er öfter geühan
hat; es gewfthrt ihm ein GefUil der Beftiedigong, wenn das Weib
bierflber weint AhnUoh liegt ein Fall Kr äfft- Ebings, wo sich
gleiohfiyis die Veierbong sadistisdher Keigongen ae^ Der Mann
hat dentlidie gesehleehtliehe Begtmgen, wenn Hühner abgestochen
werden; sein Vater hatte eine Leidenschaft dalllr, M&dchen nnd
jungen Frauen die HInde fest msammentnbinden.') Bibot,*) der
einen grossen Wert auf die Erblichkeit legt, betont insbesoadere erb-
^ohe Übertragung Ton Abnonnitlten des Gesehleofatstriebes; er ftihrt
als Belag biecfilr lahlieiche Namen an, s. B. Alexander Tl.*) nnd
seine Kinder. Ähnlioh sprach sich Toulouse') aus. Freilich bringt
Erafft-Ebing seine Theorie mit grosser Reserve und stellt sie nicht
als etwas Sicheres hin. Es wäre als Einwaüii dagegen die Frage zu
berücksichtigen, ob das bisher vorliegende kasuistische Material zur
StüUb üitser Theorie ausreicht. Ich glaube, dass, wenn wir die
Häufigkeit homosexueller Neigungen berücksichtigen, doch die bisher
vorliegenden Mitteilungen über Vererbung einstweilen noch in zu ge-
ringer Zahl Torhanden sind.
Erwähnen wiU ich Doch, wie nch na Homoseicnellsr fiber die V«r-
erbnngsftage insaert) inmal da «r flüdgermaswn digektiT ftb«r die An-
gal«giDh«t im aUgememen dwkt
«Homosexuelle betrachten mit kaom einer Ausnahme sich als di«
Opfer der Erblichkeit, und wenn ihnen die geschlechtliche Perrersion
auch nicht vererbt sei, so glauben sie wenigstens, dass ihnen die Neigung
dazu durch die Geburt eingepflanzt sei. Ich kenne meine eigene Familien-
geaohiohte sehr genaui aber ich weias ?on Iceinem anderen Mitglied der
') In der zweiten Auflage von desselben Aut rs „Nrnpn Forschungen* findet
sich die Angabe eines Stiofelfetischistcn, dass sein Bruder und w^hrHnheinlicU
auch ein anderer Verwandter die gleiche Perversion habe. In einem mir be-
kannten Falle von St&eiblfefciaehiflmna ist ans mehreren Oründen der Yerdaobt
gerechtfertigt, da« die Qeechw ister gleichfalls sexuelle Perversionen haben.
- ) Th. Bibot: Die Xrbliohkeift, Deutsch von Otto Hotaen, Leipaig lS7d.
S. 104 f.
- ) Der Papst hiess ursprünglich Köder ige Borgia und stammte durch
aeiiie Mutter aua dem GeseUeohte der Boigla ab, deren Familiennamen er an*
nahm. Alexander war als Kardinal und Papst dnrch sein ansadhveifsndes
T^bf>n berflchtigt; uuter seinen Kindern sind au bekanntesten Cftaar Borgia
und Lncrezia Borgia.
- ) £donard Toulouset Lu Cause* dtiaJMie, PropkyUme et ÄmüUmetf
Birül89e. B.S7.
406
Schopwnlmwra IhMnie.
Familie, wo homosexuelle Neigongen bestanden. Der Vater meines Vaters
war ein sehr leidenschaftlicher Mann und bat viel mit Frauen verkehrt,
selbst noch nach seiner Yerbeiratang. Meines Vaters Liebesempfindungea
waren gleichfalls stark, und ich habe gehört, dass er, wenn meine MTiüer
in anderen Umständen war, mit anderen Frauen zu verkehren püegte.
Der Vater eines Freundes von mir hatte auch starke Neigungen zu
Frauen. Ich glaube, dass sein Vater konträr sexuelle Neigungen
hatte. Ein anderer Freund hält es für sicher, dass sein Vt*Ler auoii homo-
sexuell war, und ein weiterer hat ebenfalls Gründe zu glauben, dass
■da Ttttor IfiiiiMr fiabteu Ish ktaiw mam kooMir StxaalliD, cöimii tos
lifliniateii Htaik mit 9 Kind«!», deflsan Sltestw Bohn gleidUMls homo-
Benell ist Einige udere bonuweiuelle Mfianer lubeii mir enBUt» dass
Qm Yftier Uumer Toa starksn MziMUeD Heigangea warai. Ob nna die
Homoienudiiftt dazdli Mliehknt dimkt flbatngen wiid oder mM, die
Homoeutoellen glaobea jedenftlls, dasi der Haag dam ererbt tat*
Nach ErOrterunr^ der Vererbungsfrage will ich noch kurz auf
die dem Darwin isimis in nnincher Beziehung entgegengesetzte Theorie
von Schopenhauer hinweisen, die bereits im historischen Teil S. 8i
erwähnt ist. Sie sieht wie in allem so auch in der homosexuellen
NeiguDg einen bestimmtin Zweck der Natur. Schopenhauers An-
schauung ist in einer ausführlichen Besprechunt,' \) seiner Arbeiten
mit Kecht bekämpft worden. Die allgemeine örtliche und zeitliche
Ausbreitung der homosexuellen Liebe beweist nach Schopenhauer,
dass sie aus der menschlichen Natur entspringt. Er erwfthnt des
Aristoteles Behauptung, dass lUbiiier von Mitte der ftüfinger Jahre
ab schwächliche Kinder zeugten und daher das Fortpflansaiigsgeschäft
am besten aufgäben. Um der Erhaltung der Gattung zu Hilfe zu
kommen und das Entstehen elender Menschen zu verhindern, wandele
die Natal in jenem Alter den Trieb zum Weibe in die homosexuelle
Neigung um. Ih der erwShnten Beapreehnng wird dea Philo-
sophen fiehanptnng mQokgewiesen, daas Hinner in den Anfiager
Jidiren kräftige NaoU[onimen nicht nllten lengen können* Was aber
die HanptMebe ist» so irrte Sokopenbaner darin, daaa audi in dem
höheren Hanne»- oder Greisenalter gewöhnfiob homeeemelle Neigungen
lägen; wo diese beatehen, da sind sie Tielnulir, wie wir gesehen
- ) Psyche. Zeitschrift ftir die Kenntnis des menscblichon Seelea- wd
Gei-tr-slcVien'^'. Von Lndwig Noack. 8. Band. Leipzig 1860. Der iihcj nn«er
Thema handelnde Artikel ist überachrieben ,Die Mtiister Weiberfeiud und fVauen-
lob". Der ordinäre Ton der Besprechnngf der soweit goht^ Schopenhauer
dnnb d« Yoiwnrf der FMerasHe iMnimiaetseo, Terdleiit den adriMBten T»flel
troti der sachlich riehtigea Aeafthning«!!.
407
liabai, meist schon in der Kindheit vorhanden. Wenn sie aber
erat in den fÜnfiit^ieT Jahien oder später entstehen, haben wir viel
eher die Benolitiguig, an eine beginnende Qehirakrankheit zu denken,
ak das Symptom fta ein normales nt halten.
Anf derselben inigen Venmaseteong ide Sebopenhanere Anr
flieht basiert die Ton GynrkoTecbkyO ^ neuerer Zeit aosgesprooliene.
Er meint ninüicih, daaa nnter nonnalen phyiiologisehen Yerhfiltniasen
im apateren Ifannetalter der Geaehmaok Terdorben werden Der
Mann sei dann nieht mebr ao wihleriaeb nnd Terkehie mit Personen,
die er frflber entaohieden snroekgewieaen haben wtlxde^ aodasa er in
Besng auf Sauberkeit niöht mehr die firOhezen Anspraehe stelle. Bieaea
physiologiadhe Niedergehen des Geaehmadks ist nach GynrkoTechky
die üraaehe davon, daas sieh so hftnfig perverse Geaehlcohta-
empfindnng entidekelt In dieee Gruppe gehören naoh dem genannten
Antor alle jene Individnen, die, nachdem de Jahmhnte hindurch
sich ganz normal gezeigt haben, später ala Piderasten, Exhibitioniflten
oder dergleichen krimineU werden.
Nach diesen ErOrterongen irill ieh im folgenden noch einige all-
gemeine Angaben daxflber maehen, wie loh mir die kontrftie Sexnalp
empfindnng tbeoretiseh voiateHa Die meisten ErUirnngen kranken
daran, dasa sie nieht gentigend den normalen Geachlechtetrieb und
die Analogien der senilen Perveraionen mit anderen Fonktionen be-
rfleksiehtigen. Dies ist aber notwendig, wenn wir den pathologisehen
Ideb einigezmassen begr^fen wollen« Frdlieh wollen wir anefa die
ErklftrangSTersnehe betreib des normalen Tiiebea in ihrer Bedeutung
nicht flbersdiitBen, da aUe, die für diesen uid'fllr die Liebe ge-
geben wurden, mangelhaft sind. Weder die Behauptungen, daes
das Gleiche nnd Ähnliche sich aobnohe, nooh die, dass Entgegen-
gesetztes sich Sache, können genOgen.*)
Ich") selbst habe versucht, in einer Analyse des Geschlechts-
triebe« seine Entwickelung in der Stammesgeschichte zu verfolgen;
wenn ich auch nicht glaube, damit eine endgiltige Erklärung gegeben
Victor y. Oy urkovechky: Pathologie and Thcxapia der mSmütohen
Impotenz. Winn nnd Leipzig iaS9. S. 97 f
^) Näheres hierüber bei Gustav Teichmüller; Über das Wesen der
Liebe. Leipzig 1879. S. 17 II.
- ) Albert Moll: Uatanadivngeii Uber die IMh MmaUg, 1. Baad, L TtSL
BfliliBlfla7. 8.SB-4S.
408
Molli Theorie.
zu babeD, w ist doeh vielleicht das von mir gelieferte MateiiAl für
eine Erklärung mit yerwendbar. Immerbia rnftSMi wir stun Yer-
iMndnis des bomosexuellen Triebes vom beterosexaellen ausgeben.
Wie wir fisrner beiftcksicbtigen mOssen, sind die Scsoheinangen
der flomosexualität so Teraoliiedenaitig, dass man aohon o priori auf
eine einheitUohe ErUänmg aller dieser Enoheintmgen niobt wird
leolinen dttrdn. Die Idebe Ton Knaben -an anderen Knaben in der
Zeit der PnbertAt iet etwas gani anderes als die Neigong eines
Sftjflbiigen Mannes sn dnem Manne desselben Alters. Ebenso ist die
Keigmig eines Mannes Ton 40 Jahren zu einem Knaben von 16 Jahrsn
bftnm in derselben Weise zn erkliien, wie die an einem SSjibtigen
MannOi Ich gtonbe, es wird gat sein, m Beginn der BiUftrong so*
niobst fügendes festrabalten:
Wir dürfen annehmen, dass bei der sexoeUen Amdehong des
Mannes dnroh das Weib nnd des Weibes dnroh den Mann Heise in
Thltigkeit treten, die bei beiden Oesehleohtem verschieden sind;
denn anders wfin es nicht denkbar, dass der Mann durch das Weib
und nicht dnroh den Mann, betiehnngsweise das Weib dnroh den
Msnn nnd nidit dnreh das Weib geschlechtiich erregt wird. Wenn
wir nnn snnehmen, dass die beterosexuelle Erregbarkeit dem normalen
Menseben eingeboren ist, so müssen wir weiter annehmen, dass eine
Fähigkeit dem Menschen eingeboren ist, auf die Kelze des andern
Geschlechtes sexuell zu reagieren. Die Reize, die in dieser Weise
einwirken, haben durch die Kultureinflüsse fortwährende Änderuuguu
erlitten. Die Reize, die auf den Gesichtssinn treöen, sind beispiels-
weise durch die Kleidung und allerlei Toilettenkflnste zum grossen
Teil verdeckt worden.') Während wir ferner wissen, dass in der Tier-
welt Mannchen und Weibchen sich oft durch den Geruch sexuell
erregen, sind die Riechstoffe beim Kulturmenschen zum grossen
Teil durch die Kunst, Parfüms, Waschungen u. s. w,, unwirksam
gemacht. Dadurch, dass sich diese Abänderung und Verflccknng der
natürlichen Reizmittel in Tielen und fielen Generationen immer wieder-
') Willinm Marsball (Plaudereien tmd VorUügre. 2. äammlong. Leipzig
S. 227) moiut in eioer Abhandlang Aber die Trachten der Menschen, dass
Aer Kaiudi du fj^fUieh Toffhandctte oder aadi das nur «ngebUdete Mtltflda
mwdi einer Tkacht auf zweierlei Weise befriedige : entwodur er verindort körper-
liches, ihm von der Mutter Natnr frp>>nfpiii?»'< nnd gfSf'ebenes nnd nHtzt es nach
seiner Weise aus, oder aber er oimmt Fremdkörper, Stoffe irgend welcher Art,
um sie irgendwie mit seinem Leibo in VerbiDÜnng sn bringen, er sobaflt sich
eine Klridiinfp. BeidM ist, wie auui äeht, ein Altgehen von der Natur nnd dn
mttel, die Einwirtnng der nalurlidiett Beiie xq endiiraran oder m teiliindenk
MoUi Ilieorie.
409
holte, konnte es kommen, dass die Fähigkeit des Meneohen» anf die
natfirliehen sexuellen Reize des andern Geschlechts za leagieren, im
allgemeinen eine Absohwachnng erfulir. Dadurch erklftrt es sieh ancb,
dass in so vielen Fallen das nackte Individanm keinerlei sexuellen
Bdi ausübt, wolil aber das bekleidete. Wenn nun in dieser Weise
sehen im aUgem^en die FUügkeit» auf die natfirliehen Beise des
andern Gesehleehts in reagieien, abgesehwXoht ist^ mrdea wir es ims
denken können, dass sie in einsefaien konkreten Fallen noeh stärker
snifiektrat oder ganz versohwand, nnd dass dann ZofiUle im Leben
eine BoUe spielen rar HerbeifUming einer bestimmten Biobtnng
des Qesehleehtstiiebes. Wir haben dies insbesondere anch bei Fallen
von Fetisdhismns sn beroeksiehtigen. loh halte es aber ItLr wahr-
seheinliob, dass irir den Yerlnst oder die Abeehwaohong der ein-
geborenen heterosenellen BeaktionsfUilgkeH auch in einidnen Fallen
annmehmen haben, wo deh der Gesehleehtstrieb anf das mannliche
GeseUeeht riohtet Lnmerhin mOohte ich diesen ZnAIlen im Leben
doch nnr dne begrenste Wirksamkeit msefardben. Schon der Um-
stand, dass flberhaupt der Gesehleehtstrieb sieh anf ein anderes
Individnnm richtet, zeigt eine maehtige, eingeborene Disposition an,
da der Yerlnst der heterosexuellen Reaktionsfähigkeit ja sonst ein-
fach dazu führen müsste, dass der Geschlechtstrieb nur noch als ein
organischer Drang zur Entleerung des Samens empfunden wird, nicht
aber, dass er auf eine andere Persun sii Ii richtet. Das heisst, wenn
ich auf meine früheren Austinandersutzuugen liber den Geschlechts-
trieb zurückkomme, so würde die Folge die sein, dass der Detumes-
cenz trieb als ein isolierter Trieb zurOckbleibt, nicht aber der Kon-
trektationstrieb auftritt. Der Umstand, dass überhaupt der Geschlechts*
trieb sich auf andere Personen riohtet» weist zunächst auf eine ein-
geborene Anlage hin.
Zu diesen Erwägungen bctreflVnd die Abschwächung der ein-
geborenen heterosexuellen Reaktiülislähigicoit kommt aber noch ein
zweiter Umstand, auf den hingewiesen zu iiaben wesentlioh das Ver-
dienst Krafft-Ebings ist
Wir haben im ersten Kapitel (S. 3ö) gesehen, dass bei dem
homosexuellen Trieb lediglich der eine Bestandteil des Geschlechts-
triebes, nämlich der Kontrektationstrieb, abnorm ist, die peripherischen
Vorgänge an den Genitalien aber dieselben sind. Der normale ManUi
80 sahen wir, hat einen heterosexuellen Eontrektatlonstrieb, indem er
dnrch die apenfisehen Reise des Weibes dazu piptrieben wird, dieses
sn berflhreD, sn nmarmen nnd bei ihm schUesslieh seineUe BeMe-
410
FttiiiiiiniiiB und HMkidinnMi»
diguDg zu suchen. Er ZMgifirt auf die heteTOsexaellen Kelze, der
bomosexaelle Mann hingegen aaf die Beize des gieichen Geschiechta.
Wir sahen ferner, dass der heterosexnelle Eontrektationstrieb 20 den
•ekondären Geschlechtscharakteten zu rechnen ist W&hrend unter
normalen Verhältnissen ein Mensch mit Hoden die seknnd&ren Ge-
sohleohtscharaktere dee Mannes hat (Birt, mftnnliobe Kehlkopfbildung,
mtnnliche Skelefctbildiuig) giebt es einige mit nonmlen Hoden ver*
Sehens Menschen, bei denen dies nieht der IUI ist, bei denen Tiel-
nflhr die seknndiren Gesehleehtsohanktere mehr oder wnnigsr weib-
liflher Nntnr sind. Man nennt einen aolehen Znstand Feminismns,
ebenso wie der nmgekebite Znstand, bei dem ein Weib mlnnliehe
sefamdire GeseUeohtsehanktere hat, als Masknlismns*) beaeiehnet wnd.
Dass hierin aneb p^yehisdhe Bigensohaften geboren, kann niebt be<
zweifelt werden. loh will gar niebt anf den Streit aber das stlrkere
Vorwiegen der Intelligens beim normslen Mann und des Qeftlbls-
lebens beim normalen Weib nfther euigehen. Am denüiehsten sehen
wir diese seknndiren psyehischen Qeschlechtsehaiaktere bei manehen
Tteren ansgebilde^ ieh erinnere an den Bmtinatinkt der weibfiehen
Vögel, an den l^istinkt der Mntteiüebe hei wdUldien Singetieren»
an die Kampfinstinkte der Minnchen, aber andi an die Bmtinstinkte
mancher mftnnlichen Tiere, z. B. einiger Fische. Jedenfalls finden
wir, dass hier psychische Eigenschaften za den seknndftren Ge-
schlechtscharakt ren gehören, und in genau derselben Weise haben
wir zu dieseü sekundären Geschlechtscharakteren, wie schon mehrfach
angedeutet, den heterosexuellen Geschlechtstrieb zu rechnen. Vor-
aussetzung hierfQr ist natürlich, dass wir die Disposition far den
heterosexuellen Tri eh beim normalen Menschen als eine eingeborene
ansehen und dass wir nicht etwa nach dem Beispiele Meynerts')
glauben, dass der heterosexuelle Trieb eine erworbene Fonktion
darstellt.
Nun nimmt Krafft-Ebing an, dass entsprechend der bisexuellen
nrsprtlnglichen Anlage des menschlichen Embryos die sekundären
Geschlechtscharaktere beider Geschlechter in latenter Form beim
Menschen bestehen, dass aber bestimmte Umstände deren Kntwicke-
long Tcriundein. £r Tormutet z. dass die EntwlokeloDg der£Ler>
') Ch. Fere: Nervenkrankheiten nnd ihre Vererhnnf?. DeutBOke Ober-
Ktzoug yon Hubert Schnitzer. Berlin 1896. 8. 210, UAl o. a. w.
Theodor Meynert: KUniacheToilMigeB über Pftyehiattie. Wien 1880.
S. IB/L Vanwr in leiBm Gmaebtni, das Birnbaeher (Mdieiehi BUtter llr
gwiohtlichd Medisiii md Snilit^poliiei, 48. Band, 1. Hefl» INI) fwOffinUklit bat
KnA-Ebiagt Dentang der HomotenaliOL
411
aiOoke hemmend auf die Bixtentwiolnlang wirkt, andereiseito die
HodenentwiGkeliing hemmend anf die Anehildmig der BmetdrOeen,
md ui fthnlioher Weiee veimntet Krafft-Ehing, daee die Entiriofce-
Img von Hoden hemmend anf den Gesofaleehfstiieh wirke, der tarn
Manne hhüenkti die Entwiefceliing von mentoeken hemmend auf den
GeeoUeohtitrieb, der tarn Weibe hinlenkt Aneh HaTelook SUis*)
weist anf die Bedeutung der IneexueUen Anlage hm ond snebt die
Bedeutung dieses Moments ausfillurltoh zu erlAutem, wobei er noeh
eine Arbeit von Latamendi in Madrid erwihnt, die auf einem Ihn-
liehen Frinaip beruht
Berücksichtigen ^vir dies alles, so wird der in neuerer Zeit von
Krüff t-Ebing*) zum Teil im Anschluss au Jusef Mulkr-^) ge-
maobte \'t rsuch, die Homosexualität in ähnlicher Weise zu deuteu,
wie das abnorme Auftreten des Bartes beim Weibe, die Milchdrü^iea-
entwickelong beim Manne n. s. w. als ein glacklicher Gedanke er-
scheinen. Wenn wir bedenken, dass mitunter andere sekundäre Ge-
Rchlechtscharaktere dem falschen Geschlecht zukommen, d. h. konträr
entwickelt sind, so wird es uns auch nicht überraschen, wenn wir in
einzekien Fällen die Richtung des Geschlechtstriebes konträr ent-
wickelt finden, und wir können manche raile von Homosexualität
ohne weiteres als die Entwickelung eines konträren sekundären Ge-
schlechtscharakters, und zwar seibstveistftndlich auf eingeborener
Grundlage, betrachten.
Aber diese Erklärung wird nur für gewisse Fälle mOglich eeiu;
es dfliften in diese Kategorie viele von denjenigen Fftllen gehflren,
wo Ton Kindheit auf der Betreffende den kgntrilren Gesdüeehts-
efaarakter im weitesten Sinne des Wortes') leigt; dooh halte ieh es
anoh for viele andere FUle, wo der BeMbnde sonst mAonliehe
pi^ehisehe Bigeosebaften leigt, für waihnoheinliob, dass die Homo-
seznallttt ems eingeboiene Bigeosehaft ist Besonden wird dis Auf*
fassung der Homesexuslitit als eines eingeborenen kontrlien sekui-
Havelock EUia und J. A. Symonds: Du kontiftre Oeschlechtsgofühl.
Devtwdw Ausgabe iNNKngl iiiit«r JGtwirimiig v«b Bant Knrella. Leipiig ISSft.
SL S89f.
') R. y Krnfft-Ebing: Zur Erkläning der kontr'iren Soznalempfindang*.
SeparaUbdruck aas den Jahrbüchern für Psjchiatrie ond Nenrenheilkande,
18. Baad, 1. Heft
- ) Josef Kllller: Über Osmophagie. Uli Tcmeh snn weitttsn Anebm
der Theorie der Befraehfiaig «ad Tenrbnag: Stattgeit ISSt. & 40.
«) s. S. 16L
412 Knfll-Bbnigi DMtmg d«r ^tji^MmuXIm UvmtfhniStk.
dftnn Gesehleohtichflnktai da geilattet Bflin, wo ea sich um eine
«irkliobe UmkehnrngO des Owobleehtatriebes huidelt
Es bleibsn noob iUe FlUe zn srUftrsn, bei denen keine eigent-
liobe InTenion stattfindet Die leine InTeraieo, bei der der Homo*
leinelle so fliUft wie das nonnale Weib« Iftsst sieb« wie wir nhen,
in fielen Flllen anf das £ii)geboreasein eines kontrftren GeseUeehts-
ebarakters sarfleMIhTen. Das ist aber da» wo beispielsweiBe Neigung
tn jüngeren Leuten, z. B. 17— 18jährigen jungen Mtainem*) oder
psychosexuelle Hennapbrodisie besteht, nicht ohne weiteres mög-
lich. In welcher Weise diese Fälle zu deuten sind, mOchte ich hier
nicht weiter ausführen. Ich habe au auderer Stelle'^) darüber aus-
führlich gesprochen.
Viele Fällt', bei denen Homosexualität und Heterosexualität
auftreten, werden wir am besten verstehen, wenn wir annehmen,
dass eben die Keaktions-nüiigkeit auf die sexuellen Reize beider
Geschlechter besteht. K rafft -Ebing stützt sich in seiner zu-
letzt genannten Arbeit auf die Thatsache, dass der meuscblicbo
Embrjo ursprünglich bisexuell veranlagt ist Folgen wir dieser An-
nahme, so werden wir einzelne Fälle von psyohosexueller Herma-
phrodisie am ehesten anf ein Fortbestehen beider Arten der sexaellen
Erregbariceit zurückführen dürfen, indem, wie es unter normalen Yer-
bältoissen der Fall ist« die Fähigkeit, auf die Reize des gleichen Ge-
schlechts za reagieren, an der fintvickelnng gehemmt wird; das
heisst, diese pqrchosexnelle Hermapbrodisio besteht gieiehfisils in
einer eingeborenen abnoimen Keimanlago. Diese Anfikssung wird
besonders da geieditfertigt ersoheinen, wo die seineUe Erregbarkeit
dnreb geseUeditsreife Hftnner und dorob gescbieobtsreife Weiber
▼orUegt Viel weniger wird sie in den FiUen beftiedigen, wo bei Be-
stehen sonstiger heteroseraeiler Kelgongen homoseneUe swar bestehen,
bei diesen ietsteren aber Enabengesiohtor bevonngt werden* Aneh
Aber die BrUämng dieser lUle habe ieh in meinem Boohe dber die
Libiäo semtaUs gesproehen.
') 8. S. 33.
- ) Doch wird Öfter iiigegeben, dan viele jaoge Mädchen jangen lUnneni
den Tomig geben, die keinen etarken Bartwuchs haboi. Vgl.: Ober die 19ie ^
(4 Auflage. Berlin 1793. S. 3S9)i, WO angegeben wird, daas gaoz jnnge Mfidchon
Borte nicht leiden können. .Allein man kann f^nnt ^ennit die Zeit bestimmen,
wenn »ie Gefallen daran Gnden.* Der Verfasser des Büches war Th. G. v. Ui ppel.
- ) Albert Moll; TTntameliQiigen fiber ile Idbuh tauali», 1, Band»
a. Teil. Beriin 1S88. 8. 478 ff.
418
Viele Fälle, wo dauernde Homos "xnalitat besteht, sucht Max Detsoir
auf ein Fortbesteben des undifferenzierten Greschlechtstriebes zurück-
zuführen. Doch dürfte dies höchstens für jene Fftlle zutreffen, wo eio
auffallendes Fluktuieren stattfindet, wo bald homosexuelle, bald hetero-
sexuelle Neigungen vorhanden sind. Aber selbst hier kann häufig
genug eine wirkliche dauernde Uudifferenziertheit des Triebes kaum
angenommen werden ; denn sonst müsste sich der Trieb mit derselben
Leichtigkeit, wie auf m&nnlicbe oder wei bliebe Menseben, auch auf Tiere
richten. In Wirklichkeit ist dies aber jedenfalls nach Abscbluss der
Geschlechtsreife ein Äusserst seltener Fall, und deswegen werden wir nur
verhftltnismässig selten von einer dauernden Undiilerenziertheit des Triebes
sprechen können. Und in jedem Falle bleibt, auch wenn wir eine Fort-
dauer dieses Stadiums der Uudifferemierllieit uuehAen, die Frage zu
«kllrai, wamm in dieMn WUm die ausicUieisliolie HetevoMsnalittt
iiiolii dnrohbriditk da irir dodh geaehen baben, daas der Durclibnioh der
Releroaenuüitifc nur Zrit der Plibertit eine mogeboreD^ Dispositioii dea
aonDaleD Menadiai darstellt Auch bier würden wir ebne eingeborene
benehnngsweise ererbte DiapositionMi aobwer aani Ziele kommen.
Wie ich nochmals betonen möchte, dürfte einer der wesentlichsten
Umstände fär die Entwickelung sexueller Perversionen der sein, dass
dio nonnale sexoelle Reaktionsfähigkeit in abnorm schwachem Masse
Tererht ist Dasa dies nioht etwa einfach mit dem allgemeinea Be-
griff der Degeneration oder Assoziationsschwäcbe zu identifizieren ist,
wie einige zu glauben geneigt sind, darauf habe ich bereits in mein^
Bnohe über die Libido sernalis eingehend hingewiesen. Die hetero-
sexuelle Reaktionsfähigkeit ist ein eingeborener Besitz des normalen
Menschen, ebenso wie das Gehirn, wie Herz, Leber und Nieren. Der
Yerlnet oder die abnorme Sehwiohe dieser Eigenschaft kann bei
degenerierten Personen Yorkommen; de kann bei degenerierten Per-
sonen sohwaoh entwiokelt sein, ohne dass sonst eine abnoime
Assonationinhigkeit heateht, nnd anderersoite kann eine normale
Assoiiatlonafthigkelt nach anderer Biditnng bestehen» nnd frotidem
kann die Stlrke der normalen heterosexneilen BealrtiondUiigkeit fehlen.
Wenn ich anch in dieser Weise die heteroseineUe Beaktiona-
fihigkeit, das heisst, das Blementi das beim heterosemeBen Ge-
schleohtstrieb eingeboren ist» Air eine bestimmte Eigensdhaft des
nomuden Menschen haltci so geht natttrlieh darana nicht her?or, dass
diese Eigenaöhaft nnn etwaa ganz IsoBertes sei Im Gegenteil, sie
414
Boiiilie Ftilinitwf dM CtoioUMlitrtiifiM.
bietet nUniebe Bastehnngeii snm seelischen vad kOrpediehen Leben
des Hensoben. Und ktk möohte giende hier dann erinneBi, dais
man gnt fhnn iriid, den OeicfaleobtstriyBb nicht als eme ao gans flir
aioh stehende Funktion so betraobten. Dies wlre gerade ein FeUer,
der Termieden werden nrass. Die Biditong des GeseUeobtstriebes
steht einerseits anf einer Stofe mit den sekondlien Geeehleehts*
Charakteren, andererseits mit vielen anderen pegrobiscben Fblnomenen.
Er ist nicht in den Genitalien lokalisiert, sondern un Oehim, imd
deshalb werden wir es nicht sla nnbegreiflich hinstellen kOnnen, dass
sich mit mimdidien Genitalien weibScher and mit wdblichen Geni-
talien anch einmal mftnnlieher Geschlechtstrieb yerbindet
Der Hauptgrand dafQr, dass die Erscheinangen der konträren
Sexualempfindung so sehr auffallen, liegt darin, dass in sozialer
Beziebung nur wenige psychische Fuuktionen so eingreifend wirken,
wie der Geschlechtstrieb. Er ist bei den Kulturstaaten stets mit
einem gewissen Schleier verdeckt. Der Umstand also, dass er eine
wenig öfFentliche Kolle spielt, musste hervortretende Abweichungen
desselben erst recht auffallen lassen« Ganz besonders aber ist dies
deshalb der Fall, weil der Geschlechtstrieb eine Funktiou unserer
Psyche ist, bei der ein anderes Individuum verlangt wird. Dies
mnss natürlich die soziale Bedt utunir ( nonn steigern. Vom psycho-
logischen Standpunkte aus betrachtet sind Abweichungen des Ge-
schlechtstriebes ganz ebenso anzusehen wie Abweichungen des Triebes
zur Nahrungsaufnahme. Nur der Umstand, dass bei diesem eine
andere Person nicht verlangt wird, lAsst sie in sozialcE Besiebong viel
weniger bedeutsam erscheinen.
FOr gewisse weitere Eiscbeinungen brauche ich nach diesen Be-
merkongen eine ans fohrliche theoretische Auseinandersetzung hier nicht
zu geben, obwohl die kontr&re Geschlechtsempfindung) wie schon
Westphal betonte, keineswegs ansschUeasUoh den Geschlechtstrieb
umfasst. Insbesondere sind die Erscheinungen der Effemination
gieiob&UB von Wichtigkeit Auf die ErUftrung brauche ich hier nicht
einangehent da sich tut alle Ansfilhrungen, die Ober die reine Homc-
sexnalitftt gemacht worden sind, auch auf die Effenunation nmfaih
mukMdia anwenden lassen.
') Partes g&tUaUa, sivr trstes hnminihiis et fcminis uterm, propcnsiotiem
ad venerem cxcitare ncqueuril. Nani in pueria vetteris stimuUts seminis sccrctioni
conscrvatü. Sunt efiam f^rnkM^ ftuie Hne ut«rö flOlM A11M0 <ifall<llillt mtmi
fettant (Spursheim).
X Diagnostisches.
Die Diagüüse des bomusexuellea Geschlechtstriebes bietet
mancherlei Schwierigkeiten, so einfach sie auch bei oberflächlicher Be-
obachtung erscheinen mag. Eine ilauptgefahr, die Affektion zu über-
sehen, liegt in dem Umstände, dass über keinen Gegenstand so mi-
znverlässige nnd unwahre Angaben gemacht werden, wie über alles,
was das sexuelle Leben betrifft. Wenn die Zahl derer auch immer
mehr abnimmt, die Tripper and Syphilis fOr ein Verbrechen artsehen
oder befürchten, dass andere dieser Ansicht seien, nnd infolgedessen
diese Krankheiten dem Arzte verheimlichen, so liegt die Sache schon
anders bei der Onanie, die sehr häufin^ selbst auf Befragen des Arztes
in Abrede gestellt wird, wenn auch ihr Vorkommen in dem kon-
kreten FaUe sicher ist Aber es wird die Onanie, obwohl sie eine
Mittelstellung zwischen Laster nnd Krankheit einninunt, noch ver-
hältnismässig vid hAofigar zugegeben, als ein krankhafter Oesohlechts-
trieb, der, ein innenr seeluoher Vorgang, unabhängig yon dem
Wilton des Indifidmuns ist und daher nicht als Laster gedeutet
werden sollte. Dennoch Teranlasst ein falsches Schamgefühl viele,
mit der Wahrheit zurückzuhalten, und es kommt nach meiner Er-
tehning nicht oft vor, dass ein Patient anmittelbar nnd ungefragt
dem Ant über seinen abnamea Gesohleehtstrieb die Walirhelt sagt
leh kalie es mir deslulb snr Begel gemaeht, alle möne Patienten,
bei desen nur irgendwie die anderen angegebenen Symptome einen
Znsammenhang mit den geseUeohtlichen Funktionen tennnten lassen,
eingehend niefat nur Uber Onanie, sondern auoh über den Qesdblechto-
trieb an befhigen. Eine grosse Beihe toh Patienten pflegt allerdings
aelbet in diesem lUle mit der Wahrhat soraekznhalten; sie Uagen
wohl Uber Impotena, geben aber die wahre Ürsaohe, die abnorme
gesdileditliehe Empflndong, nioht in. Teils fidsehes Scham-
gefUil, teils Selhstttasohnng, die maneber Kranke liebte nnd dnieh
416
G«iiiiie VngßtMtang.
die ar rioh Ober setn Leiden huiwegBefieii irill, teils nngenaae
Be&tgimg duch den Ant sind die Umdien fttr du Yendiweigen
einee ftbnonnen Geschlechtitziebes. Hiena dflrfte selur oft aiioh der
Umstand kommen, dass das Yertrauen des Kranken inr Ver-
sohwiegenheit des Arites nioht gross genug isi^^) nm ihm Ifi^
tdlnngen ftber die allerintimsten Vorgänge aninTertiaaea.
Die meisten Urninge sind ausserdem der Ansicht, dass gegen
ihren sexuellen Znstsnd Qberhanpt niohto la machen sei, nnd ver*
meidtti es deshalb, sich wegtttt desselben an Ante so wenden.
Wenn wir die Ursachen des Mangels an Aufrichtigkeit und der
falschen Aussagen der Patienten festhalten, so ergeben sich auch die
Mittel, die wir Ärzte anzuwenden haben, um wahrheitsgemässu Aus-
kfinfte über den Geschlechtstrieb zu erlangen. Um das falsche
Schamgefühl zu beseitigen, thut der Anst am besten, die fraglichen
Erscheinungen als etwas Krankhaftes zu bezeichnen, das jeden Menschen
ohne sein Verschulden treffen könnte, und dessen er sich nicht
zu schämen hätte. Selbsttäuschung des Kranken wird am ehesten
dadurch verhindert, dass der Arzt ihn über die Bedeutung der
Affektion nicht im Unklaren lässt Das sicherste Mittel aber, um
eine Selbsttäuschnncr des Patienten zu verhindern, bildet eine genaue,
ganz korrekte Fragestellung in der nitti^n n Richtung. Um das
zu erleichtem und dem Patienten klar zu machen, worauf es an-
kommt, ist es gut, ihm eventuell ein oder mehrere Beispiele von
Pervorsion anzufahren. Bei einer vollkommen kontiftren Sexual-
empfindung dürfte der Patient sich schwerlich tauschen, es dürfte
alsdann die einfache Frage genügen, ob er jemals eine besondere Zu*
neigung zu Männern fühlte. In anderen Fällen sind weitere Fragen
notwendig. Der Ant wird dann in vielen Fällen Antworten erhalten,
die ihm die abnorme sexuelle Empfindung klar beweisen, und er wird
nicht selten von Leaten, die ihm aof eine allgemeine Frage keine
Mitteilung machten, solche bei genanen Fragen erhalten.
Em gutes Mittel, Aussagen der Patienten sn erhalten nnd sie
sQ wahrheitsgemassen Angaben an yeranlassen, besteht in der Br-'
forsehnng der Trftnme. Bs ist eine iriohtige Ersobeinong, die sich
aus den meisten Krankengeschichten ergiebt, dasa die erotischen
') Dies ist nach Äassenmgen mchranr Homosexacller der Uauptgrand; be-
Hnndcr.H ist es die; Farcht mancher, dass sie bei Preisgebung des Gobeimnisses
durch doli Arzt in eino straft ech Iii che L'utersucbuug vi-rwickelt werden köonteu.
Dass diese Bcfiiichtuug violo Uruingo davon abhält, sich dem Arzt zu entdecken^
Wir «nch Westphals Aoatdit
Diagnoiliidie Tfinrartaiig ilir THfaum.
417
Trftame gewöhnlich deneelben Inhalt haben, wie die Qe-
sobleohtBempfindangen im wachen Zastande.. Der Homo-
sexoeUo pflegt seine niehtliohen Pollationen unter Tr&omen m haben,
die Mlmier betreffen; der Fetieehist pflegt im Sohlafe Ton dem
KlcidnngHtflflk sa tiftunen, das er waohend besonden liebt Wer
die Bntstehnng der erotisehen Trftmne berUekaiohtlgt, wird hier-
ILber gewiss nieht eratannt aein.^) Freüioh giebt es Ausnahmen;
so hatte ein mir bekannter Urning, der waehend absolot nichts für
daa Weib an empfinden ? ermochte} dennooh mehreremale PoUntionen,
wahrend er von Weibern nnd sexuellen Akten trftQmte, die er an
ihnen Tonahm. Doeh waren m der bei weitem flberwiegendeii
MiüoTitit der erotischen Trftnme nnr Torstellnngen Ton sezaeUen
Akten vorhanden, die mit Mttanem anageltlhrt worden.
Wenn uuü auch emzclne Ausnaliniün vorkommen, sü kaüü es
doch nach den bisherigen Beobachtungen keinem Zweifei unterliegen,
dass pervers veranlagte Leute im allgemeinen auch perrerse Träume
haben. Halten wir dieses fest, so ergiebt sich, dass die Erforschung
der Träume unts über das sexuelle Empfludeu des Patienten ebenso
gnt Anhaltepankte gewahrt, wie Fragen, die den wachen Zustand be-
treffen. Da nun manche Patienten viel eher geneigt sind, perverse
Gedanken ihres Truumlebens als ihres normalen Bewusstseins zu-
zugeben — der ersteren schämen sie sich weniger — so ergiebt sich,
dass wir auf Fragen, die sich auf Träume beziehen, eher anfiichtige
Antworten erwarten können.
Es scheint mir deshalb praktisch, bei Personen, die irgendwie
einer sexuellen Perversion Tordftohtig sind, Nsdiforsohungen aber den
Inhalt erotischer Trftame anzoetellen, von denen ausgehend alsdann
dsa geschleohtlidM Empfinden im Wachen leiditsr beorteilt werden
kann. Welche Tragen Unmer der Ant an den Patienten stellt, nie-
mala gebe er sieh mit allgemeinen nnd ans weichenden Ant-
^ Geaeaens ftber di« KatihilinBg der «fottaetea Maaie xaid ttber die vos
schiedenoD Theorien sieho bei Heinrich Spitta: Die Schlaf- und Traam-
zustände der mensoblioben Seele. Mit besonderer BcrückBichtig^ng ihres ¥er-
hältsiasefi zu dea psychisohen Alienationen. 8. Ausgabe, fteiborg L B. 1892.
- ) B«ioaden kommt «e vor, dass, wenn sich durch eine rationelle psychische
Therapie die Perversion im wachen Zustand verloren hat nnrl normaler Gr!=chlrchts-
trieb einfretroton ist, die erotischen Tiäame noch lange dxe Perversion zum Inhalt
haben. Umgekehrt erzählte mir Herr Proteesor Max Dessoii von einem Hern,
der, obwohl an späfer entsttudenen perversen Ideen leidend, doch Bteta mit aor-
nalea IMnaea seiae Ftollatioaea hat
418
Wtrt d«r Udwang.
Worten zufrieden. Wer diee th&te^ würde maBchen hierher gehörigen
Eall übergehen.
Dass übrigens Erfahrung für die Stellung der Diagnose ?on
grossem Werte ist, dass erfahrene Beobachter in manchen Fällen
sexuelle Perfersionen, üisbeeondere die kontrflze Senalempfindung;
ohne genaue Fragestdlnng mit dner gewissen Wahneheinliohkeit
diagaoetisieren hOnnen, ist sieher. Es g^t dies sehen ans der oft
angegebenen Thatsaehe hervor, dass Urninge sieh mitunter gegen»
seitig sehr sehnell erkennen. Dieses Erkennen gesohieht kemeswegs
immer momentan, da in manohen TlUen sogar eine ttageie Be-
ohaohtong erfordeiiioh ist, um die Natnr des andern heurtdlen su
können. Doch unterliegt es keinem Zweifel, dass es gewisse Momente
giebt, duroh die man zuweilen in die Lage yeraetit ist, mit grosser
Wshrsehehdidhkeit aueh ohne eingehende l'tagesteUnng den Urning zu
erkennen. Die Äusseren Sennseiehen waren sehon den Alten bo-
kanni » . . . Der Gsag, der Bliok, die Stimme, der gesenkte Kopf;
das Bleiwdss, der Mastix und die rote Sdmdnke, womit Ihr
Budi zu Terschönem sucht, kurz, es wAre Idehter Auf Elefanten
unter der Achsel zu yerbergen als einen einxigen Gjnftden/' sagte
Lu( ian*). Bei Aristoteles, Polemon, und besonders bei Aristo-
pliaiu's üüdcü sich Stellen,') die auf den eigentümlichen Gang, die
Stimme, den Blick jener Leute hinweiäöu. Man wird auis deu
Scbüderungeu, diu icli im dritten Kapitel gegeben habe, die Wichtig-
keit dieser Symptome erkennen; man wird besonders Bewegungen
aller Art bei dem zu beobachtenden Indi?idaam berücksichtigen
müssen.
Was den Blick der Urninge betrifft, der bei ihrem Erkennen
eine so grosse liolle spielen soll, so habe ich ihn bereits S. 190 aos-
führlich als emen Blick des Interesses beschriebüU, in dem nicht»
besondere Geheimnisvolies liegt. Mit grossem Misstrauen mass
man die Angaben der Urninge aufnehmen, dass sie sich
stets auf den ersten Bliok herauserkennen. Die grosse Sicher-
heit,*) mit der die meisten Urninge behaupten, dass sie sich überall,
Lucians Werke. Übersetzt von August Paaiy, IL Bäadcheo. StuU-
gwt I88O1 8. 1488.
- ) Vgl. Caspor-Liman: HndMi d«t geriehtiloheii Mediiiii. 7. Avfl.
fierlin 1681, 1. Bd., S. 169.
In eiuer der bekanntesten Autobiographien von Urningen, die Johann
Ludwig Casper (Künit^che NoTellen zur gerichtlichen Medizin. Nach eigenen
Mtkmngn. Berlin 1868. 8. 85—89) TnAffentUdiie, aagt der VniBg:
gfttige Matiir hat lua eineii g^wkrai XniÜDkt futieben, der vm, glueh einw
4
ÜlMnehltnuiir ^ AngealiUflkidlagiioM. 419
in allen Lindein» in allen Sttdten, im Neiden nnd im Süden, im
Wetten nnd im Oaten olme wdtoieB inedemkemiai, aehdnt mix an-
begiOndei ni sein. leh kenne iwei Berliner üning^ die äeb mir selbst
als soMlie mit allen Bimelheiten entdeokten, die in demselben Kreise
lange Zeit miteinander veAehrten. und Ton denen trotidem keiner Ton '
der Hemesexoalitit des andern eine Ahnnng hatte. Dennodi be*
banpten aie^ besonders der eine^ dass sie mit tStUeker Sioberheit anf
den eisten Bliok andere TTminge keraoserkennen. Vor ^er Über-
trslbnng dieser sefanellen Diagnose kenn daker nioht genng gewarnt
werden. So wird mir von dnem jungen Hann, anfiugs der swanager,
berioiitet, dass er Tollstlndig das weibisobe Benebmen der üimnge
habe; es wird mir trotzdem von znvedftssiger Seite eizAhli^ dass
er sexuell ToDstflndig normal veranlagt seL leh kenne den Fall
niflht absolut sicher, aber nach dem, waa ieh davon gehört habe^
sohdnt mir an dem normalen Geschleohtstriebe kaum ein Zweifel
möglich.*)
Das Erkünnün der ürmngti beruht auf Übung, und es sind
auch normal veranlagte Menschen iiiurzu im stände. Kriminalbeamte,
die Erfahrungen auf diesem Gebiete besitzen, erklärten mir, dass sie
Homosexuelle oft erkennen, dass sie sich nur selten hierbei täusohen.
Die Urninge stellen es freilich so dar, als ob es sich hier um
eine besondere Fähigkeit oder um ein momentan wirkendes, von
unsom gewöhnlichen Sinnesorganen unabhängig'es Sympathiegeftüü
handle; dies ist abt^r falsch. Es ist, wie bereits erwähnt wurde, eine
Fabel, dass ein Urning den andern augenblicklich und mit ab-
soluter Sicherheit erkenne. Dass sich in Wirklichkeit Urninge mit
diesem „Erkennuügsblick" leicht tänschen, wird auch von anderer
Seite angegeben. Wenn dem typischen Urning, der an diesen Er-
Brftdsnohaft, vereint; wir finden uns gleich, es ist kaum ein Bliok des Angta,
wie ein elektrischer Schlag, und hat mich bei einiger Vorsicht oo<"h nip go-
t&oscht . . . Auf dem Eigi, in Palenno, im Louvre, in Hochschotüand, )n i'eters-
bnrg, ja bei der Iiandimg in Barcelooa fand ich Leute, die ich nie geselieo, d i e
in einei Sekunde »& mieh gebaniit waren, ich »n sie.* Aueh Ar uiden
•BXaiUe Perrersionon wird angegeben, dass die damit Behaltotoi ddi mIit schnell
gegenseitig erkennen. Ro behauptet p?! ein^r, der heterosexnpll eiDjifindet, aber
den S. 844 beschnobenea ideellen Koitus" ausübt ^ iu der neueu Auflage von
Krafft-Ebings Neuen Focaohtuigen hat ein Schnhfetischist sich, wenn auch
weniger bestinnit, die glelehe Vlhigkeit sogeiproolieii.
Einzelne, an das Weib erinnernde Züge kommen bei Hftnnem mit kelav»-
sexnollem Triebe öfter vnr So ^icbt es Männer, die coitum facientes ^'ffumbere
vohintf dum femitui supenncumbii. Ulrichs verCffentlioht einen interessanten
IUI, wo efn derartiger Maam ent denn befriedigt wird, wenn ein Biogen mit
dem Weibe Yonnsgehty wobei jener NUieislioh veterliegt.
87*
420
ffittnittd für dA DiagMM.
keanunggbliok gbuibi, ein Fall naohgewiesen wiid, wo er aob gtttnieht
hat, dann oklirt er mit Vorliebe, daes der andere wodne Notar nooh
niofat eifcitint habe*. Diese Angabe iat mir ? on veiaohiedeiien Seiten
gonaeht worden. Man kann darauf nur erwidern, daas aioh mit
aoldhem Unrinn aUea beweisen imd allea widerlegen Ussi
Wenn man die Diagnose der kontifiva SezimUmpfindnng doreli
Beobachtung stellen will, ao wiUt man Mena immer am besten
einen Moment, wo der andere sieh nioht beobaofatet glanbt Ton
allen Zeiohen, die sor Brksonimg des Umtnga angegeben werden, iat
fibrigens keines so wiohtig wie daqenige, das mir Herr N. N. mitF-
t^te. Der üming siebte wson er aioh frei gehen lisat^ mit Yorttsbe
m eam dinäiomm, uhi memhrum virile est, pnuatrüm onn»
vates «oInm mmnibrum, nm fcmtm wswftn' obtegimL Herr N. K.
giebt auf diesen Ptonkt viel mehr ala anf alle anderen.
Es giebt einzelne Urninge, die aelbst angeben, dam de niemals
von anderen ürningen in ihrer richtigen Nator erkannt worden seien,
und C8 giebt auch einzelne Homosexuelle, die keineswegs den An-
spruch erhcbeu, anderü Urninge aus dem Blick zu erkennen.
Viele behaupten allerdings, dass sie ohne weitertjs, sogar aus
Photügraphien, Urrnnge zu rrkennen vermögen. Ich habe deswegen
selbst eine ganze Reihe vun Versuchen angestellt, indem ich eine
grössere Zahl von Photographien Urningen vorlegte. Ihre Angaben
waren hier zum grössten Teil widt rsp rechend; dagegen wurden jwei
Photographien, die alls:emein bekauute Männer darstellen, von sämt-
lichen ürningen, die ihre Diagnose aas Photographien stellen zu
können behaupteten, für umisch erklärt. Ich habe indessen hierbei
die üeobachtong gemacht, dass diejenigen männhchen Porträts am
ehesten für umisch gehfilten werden, bei denen der Bhck stark nach
der Seite gerichtet iat; wenigstens ist dies bei den Bildern, die mit
grosser Sicherheit von allen Urningen fOr urnisch gehalten wurden,
der FalL Es kommt dies wohl daher, dass die Urninge gewöhnt sind,
anf der Strasse heim Vorbeigehen denjenigen ftlr homosexuell sn
halten, der sie von der Seite scharf ansieht Wer natürlich jeden
Uberhaupt für homosexuell erklärt, der wird kaum jemals einen Homo*
aexaellen übersehen. Es giebt in der That einzelne Urninge, die jeden
Menschen fdr homosexuell halten,. and diese sind immer sehr afeola
darauf dass sie nie einen Homosexuellen abersehen. Wer jeden
Hensöhen fOr geisteskrank bllt, wird natorüeli kednen Getsteekraaken
ftbersehen, wer für Jeden Tag Bogen ankondigt, hat aelbetfersttadlieh
jeden Bogen vorlier gesagt Es iat hier genan dasselbe wie bei den
Inrtüuier in der Dia^^uoad.
421
wihnigaidflD Tnxum der Fafl, die gewisse Iirrignisse immer Torani
gewoMt htHmf weU sie sie fttr jeden Tag anzeigten.
Auf mehieie leioht und hinfig begangene IrrtOmer in der
Diagnose der kontilien Sexnalemjpfindung moss ich jetzt binweisen.
OonorrhfteO des letrefleoden Mannes wurde von Westphal in
einem FkUe mit ünreelit ftr einen Beweis gehalten, dass ea deh nm
einen Mann handle, der nicht mit Mftnnem sexnell verkehre. Bs
kommt Gonorrhöe bei Homosexnellen vor, nnd zwar sah ich sie bei
mehreren Urningen, die ausschliesslich mit Männern verkehrten.
Der eine verkehrte sexuell mit einem anilern Mann, der sich bei
einem Weibe die Goiiorhöe zugezugeu hatte. Mmibnm suum potimis
iuxta )ihcmbruni (ilterius infizierte sich der eine bei dem anderen.
Ferner aber kommt Infektion öfter bei den psychosexuellen Herma-
phroditen vor; sie können sich ebenso wie jeder andere anstecken, da
sie zu gewissen Zeiten mit dem weiblichen Geschlecht verkehren.
Ferner kommt Gonorrhöe auch dann zustande, wenn der Homosexuelle
aktive Päderastie ausübt, da mitunter eine GonorrhOe des Uectum
yorlieg^t, an der sich der aktive Teil infiziert.
}!s muss ferner davor gewarnt werden, aus dem Verheiratet-
sein von Männern, oder aus dem Umstände, dass sie Nachkommen-
sch ift hahen, auf normalen Geschlechtstrieb zu schliessen. Zunächst
bleibt stets der Einwurf psychosexneller Hermaphrodisie bestehen;
aber selbst wenn diese ausgeschlossen ist, kann sich der Urning durch
kflnsüiche Mittel, z. B. durch Vorstellung eines Mannes, Erektion
verschaffen nnd den Beischlaf ansahen. loh kenne derartige FftUe»
nnd halte es für sicher, dass Urninge Nachkommenschaft zeugen können.
Der bösartige Einwand, dass der Vater der Kinder ein anderer sei,
ist in vielen Fftllen nicht berechtigt Es giebt sogar üminge, die
aioh ober ihre nngUUddinhe kontr&re Sexnalempfindong durch Freude
an Kindern binwegznsetMn snehen nnd ans diesem Omnde alles
flnin, nm den Beiaolikf analihen sn können. Daas nngemein hinfig
HomMemUe^ sowohl Ulnner a)a annh Weiber, verheintet aind nnd
Kinder haben, habe ieh in einem anderen Werl[e^ anagefilhit loh
') Is handelt sieh Utr natttriiflli nur um GinoiAOe der C^Mn^ nicht das
Rectum.
- ) Albert Moll: Uotenachaiigea Uber die Ubulo sejcuaiis, 1. Band, I.T0Q,
Bflf Ua 1897, S. fi98-iB8, vad fi. TaU, fiatUa im, 8. 406 od dOT-dSa
422
Intflmer in der DiagnoM.
teUte doit nulit imr FiUo toü yeifaeiiftteteo Itomoiexueneii Fkaveii mit»
lODdem bnohte «neh gaoi bMonden Berichte eines eMatam. imdy
wie ieh gbübe, sehr obJektiTeo VmingB, der auch mit anflUlflDd vielen
Terheinteten Homoeexnellen Terkehrt hatte. In neoerer Zeit
mir weitere Mitteiliuigen na«h dieser Biohtnng zugegangeu, nnd es
scheint mir, dasi die psychesenielle Hermaphrodisie bei sahl-
nddhen Terhdrafteten Mftnnem bestellt Ich weiss von Ittanem, die
FamDienitfeer sind, aber mit anderen Minnem sexoeU Terkehien,
und swar ohne daas sie materielle Yorteile davon haben. Dies
wird rieh wobt am ehesten so erklären, dass wir bei diesen Ehe-
männern homosexuelle Triebe annehmen, sei es nun mit Aus-
schluss aller heterosexuellen, sei es bei gleichzeitigem Bestehen der
letzteren. Beim Heiraten kommen oft genng als Moü? die Anf-
bessernng der materiellen Verhältnisse und ähnliche Momente in Be-
tracht. Mancher glaubt vielleicht auch, dadurch bei seinen Mit-
menschen die Meinung zu erwecken, dass er nicht homosexuell sei.
Es »088 JMenÜa eoeiuiM d genermuM vom normalen GoaeUeolito-
trieb gesohioden werden, DIcmb ansonehmeia btnoblagl hdiiesw^ die
Ffthigkeit zum Beischlaf; ee moss rielmehr der Trieb imn Koitus Tor^
liegen. Zur Heilung einer sexuellen Perversion reicht es inithin nicht
aus, dass der Betreffende mit Erfolg dem Koitus ansfUirft, was intftnüioher
Weise mitunter als geoflgend angenommoi wurd.
Man hat andererseits auch nicht das Recht, uun irgend welcher
weiblichen Eigenschaft von Männern auf eine Homoseiualität bei
ihnen zu schliessen, da weibliche Neigungen und dergleichen mehr
auch oft genug bei heterosexuellen Männern vorkommen. Bei histo-
rischen Persönlichkeiten käme man sonyt sehr leicht zur unbegründeten
Annahme der Ilomoseiuahtilt- Der Herzog August von Scichgeu-
Qotha lind Altenbnrg zeigte z, B. zahlreiche weihUche Eigenschaften.
In zwei Homanen schilderte der Herzog sich, seine (Jefühle und An*
sichten, seine Verhältnisse und Neigungen sogar in dtr iiolle fürst-
licher Jungfrauen. Auch seine Körperbildung neigte zur weiblichen
Natur.*) Trotzdem scheint es mir sicher, dass er heterosexuelle
Neigungen gehabt hat, wie u. a. aus dem unten genannten Briefweohsel
mit Thereae ans dem Winokel herroigsht
Briefwechsel eines deutaclien Pursten mit einer jungen Künstlerin, (Herzog
Ano-ust von ÖacliBon-Gotba und Altonburg und Fräulein aus dem Winckel)
herausgegeben von Wolf von Metzsch-Schilbach. Berlin S. 5 — 7.
Der Hmg regiert» Iflflt.
Differentftldtignniie.
423
Krafft-BbiagO betont» daa di« Diagnose der paychiaohen
HermapliTOdiaie Sdnrierigkdten beraten kann, da man sie leioht
mit der erworbenen kontriteen Sezaalempfindong ▼erwechselti bei der
nnter ümatänden Beate ftlUiefer normaler GeaebleolitMmpfindnng be»
Btdien bleiben kennen. lob bin der Anaiehti dasa dieae Differential-
diagnoae nieht nnr Sehwierigbeiten maohen kann, aoadem, daas wir
ea in den letiteien FUlen tbsteloUiob mit p^yohoaeineller Hermap
pbiodide an thnn beben, die aUerdings Ton der originiren psjobiadhen
Hennapbiodiale tbeoretiaeli getramt werden kann. Im konkreten EUle
dOrfte eine aolobe Sobeidong oft Sebwierigkeiten begegnen, weil in
manehen Pällen, die als erworbene konträre Sexnalempfindung mit
Resten heterosexuellen Triebes beschrieben werden, die perversen
Ideen bei genauer Nachforschung bis in die Kindheit zurackverfolgt
werden können. Maiulier wird deshalb geneigt sein, hierin eine ein-
geborene Homosexualität zu sehen. Wenn wir aber andererseits das
Stadium der Undifferenziertheit des Geschlechtstriebes berücksichtigen
und dabei bedenken, dass gewisse hümosexuelle Neigongeu in diesem
Stadium nichts mit der typischen Homosexualität zu thun haben, so wird
das Irrtümliche dieser Auffassung wenigstens für manche Fälle ein-
leuchten. Das primäre Auftreten der Homosexualität darf überhaupt nur
mit Vorsicht als ein Beweis des Eingeborenseins der letzteren betrachtet
wcrdeu. Viel wichtiger erscheint mir der Umstand, dass die Pubertät
beim normalen Menschen die Heterosexuaiität zum Diirchbruch bringt,
bei der eingeborenen Homosexuahtät aber diesen Erfolg nicht hat.
Hierbei ist jedoch ferner noch za berücksichtigen, dass das Stadium
der ündifferenziertheit des Geschlechtstriebes ebenso wie die Pubertät
selbst manche indindoelle Differenzen zeigt und bei dem einen etwaa
Iftngere, bei dem anderen kürzere Zeit dauert
Trotzdem wird man nitOrlioh immer yersncben messen, eine ge-
nanere Diagnose zn stellent und man wird also dann zu unterscheiden
beben zwischen eingeborener peyobiaoher Hermaphrodisie, erworbener
psychischer Hermaphrodisie, Homosexoalitftt und Fortdauer dea
Stadinma der Undüforenaiertheit dea Qeeobleohtstriebea. For die An-
nabme dea letateren FaUea winde beaondeiB der Umatand spreeheD,
daea aleh der Geeofaleehtatacieb niöht nnr aof mianliohe nnd weibliebe
Feiaonen, aondem aneli anf Tiere riehtoi
Erafft-Bbing bebt neefa beaondeia berror, daas man, wem
R. T. Krafft-Ebing: Psyekopathia secmdis. Mit besonderer Berück-
siclitignng der kootrftren Sexnalempfindung. £ine klinisch-forenaiache Studie.
9. Auaag«. SlatfegHt 1884. a 944
424
DUBwBDtiaUiaevou.
dio DiagDOse kontelraD Senalempfindimg feitgeitent iA, aooh
Walter imtenbhflidflii miias, ob ei lieh am die erworbene oder mn
die eingeborene Fbrm bandelt Bine eingebende Fngeetellong
wird in Wden FlUen nur Bntsoheidung genflgen, ob sieb vor dem
Anftreten der kontilren Semlempfindnng Zeioben von betanMemeUem
Triebe leigten oder niebt Daae aber dennoeb ndtanter die Bnt-
■ohddnng nidbt so Idebt sein dHrfte^ ist sebon bervorgeboben worden,
nnd immer wieder ist in berdeksiobtigen, dan eine abaolnt eebarfe
Tiennnng swisoben eingeborenen nnd erworbenen Formen flberbanpi
kanm mOgUeb ist^ indem eine eingeborene Bispoeition bd nngflnBtige&
Bedingaogen kOnsÜiob nnterdrOekt werden konnte.
Anf die üntenebddang der kontrlren SeKnalempfindong von
anderen Aibktionen branehe iob wobi niebt ansAlbrlieb efanogeben,
da es kanm eine giebt, die damit verweehselt weiden konnte. Bi^
w&hnen will ich jedoch einen mir bekannten Fall, der einen 25jährigen
Herrn betrifft Er wird sehr hftufig sexuell durch Knaben yon 10
bis 12 Jahren aufgeregt; es kommt bei ihm zur Erektion, aber es
wäre ihm unmöglich, sich jemals an einem männlichen ludividuum
sexuell zu befriedigen. Der Herr glaubt vielmehr, daas die weiblichen
Zöge von Knaben ihm durch abnorme Assoziation den Gedanken des
Weibes nahe legen nnd hierdurch die sexuelle Erregung herbeiführen.
Bei einer solchen Auffassung muss natürlich dieser Fall zur Hyper-
ästhesie des Geschlechtstriebes, der durch ein unter normalen Ver-
h&lbiissen sexuell nicht erregendes Objekt*) hervorgerufen wird, ge-
rechnet werden ; wir dürfen aber den Fall nicht als solchen von Homo-
sexualität betrachten.
Auch ist natariiüh die konträre Sexualempfindung vollkommca zu
scheiden von Geistesstörungen, bei denen sich der geisteskranke Mann
f&r ein Weib hält, sich infoigedesaen als solches kleidet and mit
Mftnnem verkehren wilL
In der zweiten Auflage seiner Neuen Forschungen geht Krafft-
Ebing sehr «nsfUhrlich anf die Frage des Wahnes der Geschlechts-
Verwandlung ein und giebt gewisse Übergangsstnfen von der einfachen
kontrftren Sexudempfindnng bis sn jenem Wabn. YieUeiebt können
- ) Krsfft-Ebing reehnst mit Xumiinghatis tur ktanUiaftMi Hyper^
iitheeie alle Falle, In denen d«a Srwaoben der lAbido bei an «nd IIb' steh ge-
schlechtlich indifferentem Anblick von Personen oder Sachen stattfindot. Dies ist
auch ganz richtig, nur muss DatnrHch die Libülo auf den Koitus gerichtet sein,
nicht auf irgend einen perversen Akt, da wir es sonst mit einer Penreiaionf d. h.
cinar qa»Ut»tiven «ad »klit «tr mit tSauat qaantitativsn BdoMknig das
Gesehleohfestziebes «n thnn hsttan.
Wilui d«r GtaMMaahlifwwandlmig.
425
wir out die Siehe Umlieh denken wie l>6l Walm* und ZwangSTOf-
itellmigeii; bei dieien besteht das BevosetBoii der KnmkhafligkBit
oder jedenftUe der Wnneoh der Ünterdrfiehmg der aDdHogenden
Ideen, wfihrend bei den WahnTortteUangen diese nioht mehr als krank-
haft edaumt werden. Ähnlioh sehen wir bei den meisten Homo-
lexnellen die Erkenntnis der Abnoimitit, ja mitunter den Wnnsob,
die Hbmessnalltit lo nnteidrtteken, die iwar meistens ideht als
krankhaft, aber doch als abnorm erkannt wird; bei dem Wahn der
Geschleohtsverwandlong hingegen handelt es sich um eine Fonn der
Paranoia, bei der das BewussLsein der Krankhaftigkeit durchaus
fehlt. In der zweiten Auflage seiner Neuen Forschungeü hat Krafft-
Ebing einen Fall (16. Beobachtujig) TeröflFeutlicht, der einen Über-
gang zwischen diesen Formen darstellt- Der betreffende Mann, ein
Arzt, hat alle ?ier Wochen fünf Tage hindurch Molimina wie eine
Frau, körperlich und geistig, nur dass er nicht blutet; er hat das
Gefahl, weibliche Genitalien zu liesitzen.
Viele solche Znst&nde g* h(»ren zu denen, die Krafft-Ebing*)
beim Manne als Etnmtw und beim Weibe in analoger Weise
als DefenUnatio bezeichnet. Die in griffe beziehen sich nur auf
erworbene Zustande, und Krufft-Ebing will damit jene Falle be-
zeichnen, bei denen die konträre Sexualemptindung erworben wird
und es dabei zu tiefer greifenden und dauernden Umänderungen der
psychischen Persönlichkeit konmit Wenn jene Erscheinung beim
Manne eine weitere Steigerung erfährt, so kommt er zum Glanben,
dass er ein Weib sei, nnd wir liaben ea dann mit einer Baranoiaf
bezw. TransmuiaÜo sexus paranoka sa thUB. So ist z. B. die
18. Beobachtung m Erafft-Ebings eben sitiertem Werk ein solcher
Fall ; der Betreffende protestiert dagegen, dass er mit Herr angeredet
wird, da er ein Weib sei Die 19. Beobsehtong desselben Buches
ist ttinliofa; der Mann hielt sieh fOr Gilfln Y.; bei der Sektion nnd
der doreh Schule TOigflDommenen mikroskopisohen Untersoohang
des Geliinis wurden ehsiskteristisehe Yerlnderangen im Gehirn nicht
festgestelli Andere hierher gehörige Beohaohtongen worden Ton
Arndt,^ Seriem nnd Bsqnirol gemacht; Niheces darflber
findet man in Kraff t-Bbings »Benen Foisehnngen*. Ähnlich verhllt
B. T. KraffUIblag: Afe*opalMi mmiü, WX bemmdenr Berilflb
siohtigxmg der kontrSren Sexnalempfindaog* JSm kUnisahoforeiMiMha Stadie.
9; AnflAge Stuttgart 1894 S. 204 ff.
- ) Rudolf Arndt: Lehrbaoh der Psychiatrie für Ante nnd Stadieriode.
Wim und Leipzig 1888. B. 179 f.
426
Der StTthoiwaliDaiiUL
mtä die Sidie in einem IUI ▼ui Halb an, mttbtit in Bnlen-
bnrge BeaknejUopIdiet 2. Anfl^ 1>elm Artikel Eontelie Bemal*
empflndnng beriehtet isL Der beMTende ICann, der ?or einigen
Jabien ale Beligimuetlfter in Weetgeliiien anftntt, lebte sogar in
dem Wabn, dan er eehwanger sei nnd eine Doppelfhieht trage.
Erafft*Sbing beepriebi im AneeUnM in derutige FlUe den so-
genannten Sqyttienwahnsinn, den er als Efflsmimtio anfhssl^ den aber
Harandon als einen Wabn in dem eben besproohenen Sinne
{BBuramia) aniab. Die Ansiehtsn aber die wffaoe ^iflua der Scjftlien
sind Oberiumpt Teraobieden. Julias Bosenbanm*) teOt die
bierfiber gelnsseiten Aasebammgen mit Kaeb der einen bandelt
ee siob bei dieser Knnldieit nm Fldeiastie, womit sieh angeftbr
die Ansieht Erafft-Bblngs Uber die EffemmaHo deeken würde;
diese Heinnng hatten Longin, Bonhier, Oasanbonns a. a.
Eine zweite Annahme betrachtet die von der voüoog Bi^
griffenen als Eunuchen, die keine Hoden hätten, z. B. Mercnrialis
Stark, der übrigens eine wirkliche Erkrankung' mit sekundärer Um-
wandlung des männlichen Typus in den weiblichen in der AfFektion
erblickt. Eine dritte Ansicht war endlich die, dass die Krankheit
eine Geistesstörung, eine Art Melancholie sei; diese Ansicht wurde
vertreten Ton Sauvages, Friedreich u. a. Genaueres liierflber
findet man bei Kosenbaum.
Wenn wir jetst die Frage erwigen, ob wir die Homosexnslitlt
sls eine krankhafte ESrseheinuig ansehen sollen, so gehen wir
am besten Ton FUlen aus, in denen aasschfiesslieh Homoseinalitftt
besteht mit Fehlen jedes beterosexnellen Triebes. Wir müssen
denn flberlegen, ob dies em pathologisches Phänomen ist Voi^
her wollen wir jedoch festhalten, dass wir mehrere Begriffe nieht
ohne weiteres »isammenwerfbn dlirfen. Gesond nnd krank bieten
swar gewisse Gegensfttse dar; aber sehen das Ton krank hergeleitete
Wort krsnkhaft leigt gewissermassen an, dass es aneh Übergangs-
sostinde giebi Wenn wir B. von dner Erseheinnng sagen, sie sei
krankhaft, so meinen wir sehr oft, dass der Betreifende swar nicht
') Julias Rosenbaam: Oescbiehte der Lastseacbe im ▲Itertam, nebst
ausf)lbrlichen Untersnchnng^n über den Venns- und PhallustailtiiiR, RordeÜA.
ÜOV0O6 ihjUta der Scythen, Päderastie aud andere gescblecbüicbe Aufiscbwei-
hmgta im Altsn. Ab Btitdige nr liebtigea W^inmg ibnr SdbiiftMi ingeMüt
5. Auflag«. Halle a;& 1882. S. 146-887.
Mangel des QeeohleohiBtiiebes eine krankhafte Encheinang. 427
knmk im twa mediiiiundien Smne sei, daes er aber dn Symptom
dari)letet| daa ihn nieiit mebr iMdingangaloa als ganz gesond er-
aeüuiiieii Hast TleMelit kOmien vir In dienm etwas weiten Sbne
anfih daa Wort knmUiaft annieliat anwenden, wenn wir das Symptom
der HomoeexnaHttt als solohes berfltoksiohtigeD. Auch sei erwähnt,
dass man gewdhnlicli das Wort pathologisch schon in etwas weiterem
Sinne brancht als das deutsche Wort krank. Um diese weitere Aus-
dehnung des Begriffes kraukbaft zu zeigen, wollen wir uns ^'cwisser
MissbilduEgen erinnern, die dea Betreffenden im Leben nicht si^erade
als krank erscheinen lassen, die aber nicht nur in das Gebiet des
Abnormen, sondern durchaus in das Gebiet des Krankhaften gehören
wurden. Halten wir dies fest, so wird sich zunächst ergeben, dass
wir unter Umstanden dazu gelangen werden, ein Indiviciuum nicht in
dem gewöhnlichen »Sinne als gesund, aber auch nicht in dem ge\?öhn-
lichen Sinne ;ils krank aufzufassen, sondern gewis-Sirrrmssen eine
Mittelstufe, einen sogenannten Überganprszustand anzunehmen.
Hammond') meint, dass es zweifellos völlicr crpgünde Personen
gebe, die niemals geschlechtliche Triebe empfunden halien. Eine
solche Behauptung erscheint ziemlich wilikürhch, wenn man bedenkt,
dass ein anderer sehr gut einwerfen kann: eine Person, die keinen
Geschlechtstrieb hat, ist an sich nicht gesund. Ich glaube nun in
der That, dass man nun Begriff der Qesmidlieit das Vorhandensein
jener somatischen und p^chisehen Faktoren rechnen muss, die zur
Erhaltung dea Individmims ond der Gattong nötig sind. Sicher halten
wir jene Peraonen nicht ffir gesund, deren seelische ond iLörperliche
Funktionen zur Erhaltung des Individuums nicht genügen. Wenn
also jemand beispielsweise Nahrongsmittel nicbt melur sn sieh nehmen
kami, so halten wir das für ein krankhaftes Symptom.
Qans besondeia aber scheint mir eine patholo|^scfae Srseheinnng
da TOisnliegeD, wo Organe nnd Fbnktionen in einem gewissen Miss-
' Tsrhaitnls m emander steheo. Dies ist bemi homosesaelleD Mann
der fUL Das Mmbnm vküe ist sur JMroäuäia m vagimam be-
atiflunt Daflir sprioht seine Lage nnd seine Porm, die bekanntlich
im erigierten Znstand der Vagim angepasst ist Deshalb finden wir
ancfa, dass beim nonnalen Mensohen ebenso wie beim normalen Tier
der heterosenieUe Trieb nun Kcitos TOihanden ist Wenn dieser
Trieb fehlt nnd statt dessen ein anderer beeteht^ der oiRmbair mit
- ) William A Hammond: Sexuelle ImpotODE beim mSnrtÜchpn nud woib-
lioheji Qesohlechte. Deutsche Ausgabe von Leo Salinger. 2. Aullage. Berlin
im. S.g.
428
Miagtl dM OeMUaeltatrielMS «ioe kmkhillft Bno1itiDnBg>.
der aoatomiscben Gestalt der (Genitalien nioki hAcmonieTt» so iifc
diee ein HiMverhftltoie, das uns den FaU nlelil niir ab abnemi,
aondem ab pathologbeh eneheinan liaaL Emgeboieiie lUb tau
HomoseiitaUtlt bieten deshalb eine gawbse Abnliehkeit mifc Muh
geborten, und denentapreeheiid liat Eduard ?. Hartnaann*) lUb,
wo mftnnliehe innere nnd taeaere OeaeUeebtrteQe mit wdbliaheii ge-
Bobleobtlichen Trieben und Gebimprldiapoaitionen oder nmgekehrfc
TOrlEommen, ab Leib-Seeleniwitter beniohnet Daai aber nrisohen
eingeborenen nnd erworbenen Znatiaden in Bemg an! die Ftage der
EranUiafligkeit kein Unteraeliied beateht, daiaof weide iah noeh
aarfleidramnien»
Aber anek aaa einem anderen Grande betnMdite feh die ana-
acklieesliohe HomoeenialitRi ab ein patkologisokea Fklnomen. WMn
wir mit Laner*) anaekmen, ea gekOre aar Terriehtang des Oetandeut
daaa die ünTergänglicbkeit der Gattong in dem vergänglieben Leben
des IndiTidonme gewUnleiatet werde^ so mfissen wir jene Leute für
pathologisch halten, bei denen die Möglichkeit, die Gattang tn er^
halten, d. h. sich fortzupflanzen, fehlt Es würde also ImpotetUia
geiwrandi das Individuum ohne weiteres in die Gruppe der patho-
logischen bringen, vorausgöHtlzt uatürlich, düsü der betreffende Manu
in dem Lebensalter steht, wo gewöhnlich die Fortpiianzung möglich
ist. Danach sind wir allerdings nicht im stände, das Fehlen des
normalen Geschlechtstriebes an sich fttr etwas Pjitbolo^isches
zu halten, da trotz dessen Fehlens die Möglichkeit einer Zeugung' oft
besteht, sodass nur der Trieb zum Fortpliauzungsakte fehlt. Es kommt
auch mitunter vor, dass Urninge, selbst wenn ihr Trieb ausschliess-
iirh zum Manne geht, sexuell oiit dem Weib verkehren. Dennoch
müssen wir das Pehlen des Geschlechtstriebes bei bestehender Mög-
lichkeit des Beischlafs für eine krankbiifte Erscheinung ansehen.
Um dies zu begründen, muss ich den Weg der Analogie suchen,
da bei den schwankenden Begriffen Ton Oesondheit and Krankhät oft
nur dadaroh ein Anhaltepimkt gefanden werden kann fOr das, was wir
gesund nnd was wir krank nennen. Ich habe oben die Erhaltang der
Gattung ebenso für eine Funktion des Gesunden erklart, wie die Er*
haltong des Individaoms. Verfolgen wir diesen Weg etwas weiter,
so finden wir, dass zor Erhaltang des Individuums die Zofiibr ge-
wiseer NahningaBadttel nOtig bt; daa Bedttrinia, dem Körper an aeiner
') Edaard T. Uartaiau q: rhüoaopkie üos Sohönea, sweiter systomatiscber
M der Istiitlik. Beiün 1887. 8. Wrf.
O. A. Laner: OMoadheit, Knuikhei^ Tod. Berlin 18B5. & 5.
Kangsi dfli OwoUedhtatiitbai «im knnUufte Enoheinimg. 429
JBilialtaiig Nabnmg muflUireD, macht mt danh den Appetit be-
merklMr. Wenn der Appetit ▼oUatindig felüti eo q»redien irir stete
Toa einer kranUieften Eceoheinimg. Ee igt hierbei gern c^eiehgiltig,
ob nnoh ohne Appetit dem Otganiamiii genügend Nahrongemlttel in«
geflkbrt weiden können oder nieht
Wenn wir nun die Analogie «risohen Appetit mid Oeechledht»>
trieb weiter duehfUnen, eo mtbBBen wir das Beetefaen dee ietsfeeren
als eine Yorbedingong dafllr ansehen, dass wir das lodividnam gesond
nennen, and wir werden, wenn der normale Geeehlechtstrieb fehlt,
stets Ton einer patiudogisohen Eischeinang sprechen. Bs ist hierbei
gans ^eiohgiltig, ob an Stelle des nmialen semellen Triebes ein
homoseiaeller tritt oder nicht
Alle diese EiOrtenmgen, bei denen ee sich nm die MOgliohkeit,
den Xcitos bei fehlender Libido ansrafiben, handelt, bestehen sich
natflriich gar nicht auf diejenigen Fille der konträren Sexualempfindmig,
wo Unmöglichkeit des Koitus infolge von Horror gegen das Weib
besteht. Hier liegt eine unzweifelhaft krankhafte Impotenz vor.
Ein Grund konnte allerdings scheinbar vorliegeD, die kon-
träre Sexiuilempfmdung vom Begriff des Krankhaittn zu treunen.
Bekanütlicli fühlen sich Urninge nach Ausübung des humosexuellen
Aktes ganz ebenso wühl wie normale Mäimur nach dem normalen
sexuellen Akt Wenn sich hingegen der Urning zu dem Koitus beim
Weibe zwingt, z. B. durch Vorstellung eines Mannes, so greift ihn
dieser Akt, wie auch Kraf ft-Ebing*) bericht<?t, körperlich Rehr an.
Durch diesen gezwungenen, für den Urning unEatürlichen Verkehr
mit Weibern kann er an seiner Gesundheit geschädigt werden, sodass
der sexuelle Verkehr des Homosexuellen mit dem Mann vom Stand-
punkte der Selbsterhaltung angezeigt ist. Wir haben es dem-
gemftss mit einem Fall zu thun, wo der Urning im Interesse der
Selbsterhaltung handelt, wo er aber der Bestimmung des Individuums,
die Gattung zu erhalten, zuwiderhandelt Man könnte infolge dieses
Dilemmas fragen, ob man diesen Zustand als pathologisch auffassen
soll oder nicht, da natfirlioh das Indindnnm sich selbst sa erhalten
bestrebt sein muss.
Der scheinbare Widerspruch rührt aber nur davon her, dass so
häufig der Geschlechtstrieb und der Geschlechtsakt Ter-
wechselt weiden; nnr der GescUechtstrieb kommt für nnseie Enge
&. V. £rafft-£biug: Payc/iopaihüt sexuaiis. Mit besooderer Berück-
•iobtigang dar kttntiliai 8ezaalempfiiidimg. Eäna klinisch -foretudscke Studie.
9. AiUhge. Stüttgtit 18M. 8. 848,264
430
HomoMxnalttit eine ptfliologMaie Aidieiiumg.
In Betnebt Der Akfe» du dem kiankbaftea Triebe folgt, kenn lehz
woU im einiebieii lUle ib efai der Oeaindlieit mMgOeher betiaohtet
weidetL Das Sssen tod pikenten Seohen ist bei muoher pTepepele
geeignet, den Appetit inzafegen; niobtadestoweniger iit die Dyspepsie
ata solche eine knmkbafte Bisdieinnng.^) Sbenso kann der ana dem
krankbaften Qeadileohtstriebe berrorBebende Akt dem Indifidnnm
aotriglieb sein, ohne dass deshalb der dasu dringende Trieb als ein
gesunder beseichnet werden durfte.
Wenn wir nnn den Geschleditstrieb niobt ab dn Mittel smn
Yeignügen sondern snr Fortpfianiong betraobten, so mttssen wir die
anssäbliessHcbe HomosexuaUtit in das Gebiet der Pathologie Terweisen
nnd dflrfen ein damit bdiaftetes Individanm nie f&r gesnnd erfcttien.
Naohdem wir gesshen haben, dass das Besteben des normalen
Gesohlecbtstriebes eine Vorbedingang fQr die Annahme eines ge-
sunden Zastandes ist, fragt es sich weiter, ob das Besteben der
Homusexualität an sich bereits die Annalmic eines gesunden Zu-
standes ausschliisst Diese beiden Fragen müssen von einander ge-
trennt werden; denn wir sehen, dass in nicht wenigen Fällen eine
psychosexnelle Hermaphrodisie besteht, d. h. Trieb zum Weibe und
Trieb zum Manne. Die eine Vorbedingung der Gesundheit, der Trieb
zum Weibe, ist demnach in diesem Falle vorbanden, und es fragt
sich nur, ob wir nichtsdrstoweniger wegen der konträren Sexual-
empündung solciie Falle lu das Gebiet der PatholuK^ie rechnen sollen.
Die Frage ist schwer ?u beantworten; ich glaube indessen, dass
viir uns auch hier nur mit einer Analogie werden bebelfen können,
wenn wir uns entscheiden wollen. Nehmen wir wieder zum Vergleich
den Appetit. Bekanntlich giebt es Personen, die auf Dinge Appetit
haben, die mit der Ernährung des Organismus nichts zu thun haben.
Wir finden diese Fälle häufig bei GblorotischeD, bei Hysterischen und
Schwangeren; solche Personen essen mit Vorliebe Kreide, Ziegel-
stücke, Eafifeebohnen nnd dergl. mehr. Diese Neigungen betrachten
wir als pathologisch, weil sie auf Dinge gerichtet sind, die zur Er-
haltung des Organismus nichts beitragen. Dass solche Leute gleich-
seitig ancb Appetit anf notwendige Dinge, s. B. FJeiseb nnd der-
') Die alten Arzte haben dioscm Uoiliastinkt ie& Organismua eine gwaz
auMerordentUcbe AisdeliiniDg gogebeii. Sehr oft, wo mthnien ai» wm, acdlte naob
ihm Aindit \m Srkranknngen des Organismus der Kranke selbst empßndea,
was ihm ansagt, was nicht. Freiü^'h sollte dieser Instinkt woscntlich dazu dienen,
die Krankheit zu heben, wovon natürlich bei dem Oesühlecbtstriebe des Homo-
BttiwUcm iiioht die Bede ist. Näheret Aber den Heilinstinkt bei Job. Jak.
Gfinther: Natw und Saust in Heilung der KnnithoiteiL Fnuütfiut s. IL 18&4»
HomoBaxnalität dae patbologiaolie Knohaiaang.
431
gleioheii haben, bum niobt vwAänAm, dasB wir Jena speiiellttn
NeSguiigea als baoUiaft betrachten. Wenn irir diee aber thmi, eo
weiden irir, da wir die HOglioUreit der Foitpflansong des Oiganismoa
ebenso wie sone Erhaltong als eine Yorbedingnng der Geenndheit
kennen gdemi haben, diqenigen Triebe des Genitalajstems, die mit
dieser Funktion niohtB sn thnn haben, als pathologisch^) ansehen
mflssen. Wir weiden demgemlss die Homosexoalit&t, die fftr die
Fortpflansong des Individnams ftberflossig lät, als krankhaft beielohnen
mOssen.*)
Merdings ist eine Einschrftnknng hierbei noch nOtig. Hoc ho
weiset darauf hin, dass homosexuelle Zustände auch unter normalen
Verhältnissen, z. B. bei Schülern, vorkommen. Dies ist vollkommen
richtig, kann aber die Aieinuag nicht widerlegen, dass in einem be-
stimmten Alter trotzdem die Hümosexualitäl ttwas Krankhaftes dar-
stellt. Der Autor vergisst» dass, was in einem Alter krankhaft ist,
dies in einem andern nicht zu sein braucht. Der Grad von In-
telligenz, der bei einem fttnQährigen Knaben normal ist, würde bei
einem Zwanzigjährigeren pathologisch sein, und so kann auch ein
sexuelles Emplioden, das bei einem jungen Mann von 14 — 15 Jahren,
ja sogar von 20 Jahren noch nicht pathologisch ist, bei emem
85jährigen etwas Pathologisches darstellen. In der That betrachte
ich die YoUständige Geschlechtsreife als eine Hauptvorbedingung zu
der Annahme, dass die homosexuelle Liebe eine krankhafte Er-
scheinung sei, da ror dieser Zeit das Stadium der Undifferenziertheit
des Geschlechtstriebes zu berücksichtigen ist
Es gind öfter andere Qr&nde angeführt voiden, um zu beweisen,
daes man es bei homosexuellem Geschlechtstrieb mit einer krankhaften
Eiacheinung m thnn habe; doch finde ich, dass sonstige Begründungen
von sehr hervorragen den Autoren nioht ganz stichhaltig sind. Man
beruft sich oft darauf, dass bei homosexuellen Pefsonen gewülialich
andere Zeichen Ton Kiankhaftigkeit vorhanden seien, s. B. nenia-
- ) Der Ebwaad, dass nidit jed« Swnenentleemig dM IbniteB sur Zeagang
eines Nachkommen führen kann, n. a. mil das Weib neun Monate znr Anstragung
brnnnht, lingt nahe. Man könnte einwenden, dass der normale Gesohlechtstrieb
dann auch beim Manne nur alle neun Monate auftreten düifto. Indessen ist das
nnx ein scheinbarer i^uwand, den zu entkräften hier der Plate feiüt. Ich be-
abilditige «n eber andeni Stodl« dies» Fkvge MBtahrlUdi m «rSrtani; ebenso den
•aderan Bumad, dass auch uorinai«^ Menschen nicht snr nur Selbsterhaltung
nfltifrf?, sond<»m auch andere Stoff«, z. B. Genusainittel osson und trinken, iuil m
(de hierbei mehr auf das Vergnügen als auf die Ernährunf^ des Körpers achten.
A. Hoohe: Zur Frage der forensischen Beurteilung bexuellor Vergehen.
NeimlogiioheB ZsntnlUatt» 16. Jänner 1896y
432 HmmiMziuüütifc &r»nkhgitwymptom o4«r Snnklieit.
sthenisohe, hysterisclie Symptome, Erscheinungeii von Degeneration, ja
sogar Symptome von Geisteskraolvhciten, und auch wenn alles dies
nicht nachweisbar ist, so sei doch wenigstens erbliche Belastung ?or-
handen, and diese an sich weise auf eine abnorme, krankhafte Eoib-
BÜtution hin. Indessen glaube ich, dass wir ans hüten mflmen, dieser
BeweisfQhrang eine übertriebene Bedeatnog beizomessen. Ich sehe
zun&chst TOD dem Umstände ab, dass einzelne Aatoren behaaptea,
die Homosexualität finde sich auch als isoliertes Symptom. Nehmen
wir selbst an, dass stets andere Zeichen von Krankhaftigkeit Tor-
banden sind, so würden wir, glaube ich, trotzdem Bedenken tngon
müsseOf bieiio einen Beweis für die Krankhaftigkeit der Homosexiuli-
tAt BU sehen. Nicht jede Srsoheurang, die man bei kiankbaften
Natnien findet, ist» weil andere ktankbafte Symptome Totbaaden ibid,
an aieb patbologisöb. Wenn eüi Kenrastheniker oder erblieb Be-
lasteter Neigung bat, «n Beefsteak sn essen, so ist diese Nelgong
nieht deshalb kiankbaft, weil sie bei einem Neoiastheniker ?orkommt
Man werfe niebt ein, dass niebt-nenrastbenisobe Personen ebenso
blufig Beefsteak essen wie Kenrasthenisohe, und dass ans diesem
Grande in der Neigoiqr des Nenzastbenikers ein kiankbaftea Sjymptom
nieht an suchen sei Wie mir wohl lablxeicbe Ante zugehen werden,
lassen sieh bei enier anffollend grossen Zahl Ton Sebanspleleni,
Scbanspideiinnen n. s. w. sohwere nenrastheniseibe oder bysterische
Erscbebrangen nachweisen. Deshalb ist aber das Scbauspielertalent
an sich nicbt ein nemasthemsebes oder hysteriscbes Symptom.^)
Bs ksnn eine ErsoheinaDg sogar mit auffallender Hftufigkeit bei
pathologischen Naturen vorkommen, ohne dass hierin allein ein Be-
weis für das Pathologische dieses iSymptomes gefunden werden darl
Die Feststellung anderer krankhafter Symptome ist für die Ätiologie
und Thporie viel wichtiger als für die BeautvTortuüg der Fr^ige, ob
das zur ErürLerung stehende Symptom krankhaft ist oder mcht. Wir
müssen Tielmehr dieses Symptom, das heisst in unserem Falle die
konträre Sexualempfindunp:, stets an sich betrachten und uns über-
legen, ob es durch seinen Fiufluss auf das Individuum und die Fort-
pflanzung als krankliLift iui;ti sehen werden inuss.
Nichtsdestowcnip^cr werden wir in süIcIipti Fälieu, wo wir deut-
liche Zeichen einer Neurose oder Psychose änden, leicht geneigt sein,
I) Man wende hiergegen nicht etwa ein, dass, wie ich selbst an anderer
Stalle «ugttfKhrt habe, ehi hwvewageadei Talent vm SehMwpieMwh anfhUead
eft ans einer abnormen Anlage des Zontrabier\-CD8>8tQ08 hervergeht Es ist oben
n berflcknchtigeo, dsM abDom und pethologiaeh nicht «tontisobe Begriffe aiiid.
KnulklieiiBeliisichk dv UiiiiBge.
433
did kontrare SeiaalempfindiiDg als eiii Symptom des Erankbeits-
nutandes aafzufiuaen. Es mag dies ähnlich liegen wie bei der
I^TBpepsiei die obb sniweilen als isolierte« ßymptom, ab eaaentiene
entgegentxitti in anderen FftQen ^eichzdtig mit sahlieiebeii anderen
Eneheinmigen von NemiBfbeme ab ein Sjmptom der tefarisren.
Uurcli den Weg der Analogie, den ich eingeschiageu habe, bin
ich zu dem Resultat grkummen, den homosexuellen Geschlechtstrieb
als ein pathologisches Phänumen zu beUachten.-') Eiüe weitere Frage
ist es nun, in welche Gruppe von Kranken wir ein Indi?iduum,
bei dem der Geschlechtstrieb himinsexuell ist, einreihen sollen. Ins-
besondere ist die Frage zu heautworteu, ob wir den Patienten bei
einem so schweren psychischen Symptom zu den Nervenkranlieü oder
Geisteskranken rechnen aulien, wenn andere schwere psychische Sym-
ptome fehlen. Wir wissea, dass man das Bestehen von Sinnes-
tftnschungen, die der davon Befalls iiu iiicht als Täuschung: erkennt
sondern ftlr wirkhch vorhanden ausiuht, mitunter als Beweis einer Geistes-
krankheit betrachtet.') Wollten wir auch für den Geschlechtstrieb
annehmen, dass das Erkennen der Krankhaftigkeit entscheidend sein
soll f&r die Frage, ob wir es mit einer Geistesstörung zu thun haben
oder nicht, so würden vir Qe&hr laufen, eine Psychose bei fast allen
Urningen annehmen zu müssen. Ich finde wenigstens, dass nur ver-
hältnismässig selten ein Urning seinen Geschlechtstrieb als etwas
Eraakhaftes beseicbnet, und ich weiche hierin Ton Westpbals An-
nabme ab. Kur als abnorm wird der homosexuelle Trieb von den
meisten Urningen angesehen. Man begegnet mitunter hierüber den
sonderbarsten Anschaamigen. 80 schreibt mir ein 60jfthnger ünung
liber diesem Punkt:
^ Ei ist mehrfach von Juristen den Amen der Tonniif gemacht worden,
dass sie zu oft pathologischo Phännmcn" .sehen, wo es sich um gesunde Menschen
handle. Besondere ist Mendel fi i irtiLT* ii Artpriffen an^gesetzt j^ewosen. Mendel
sielit j&. B. etwas Fathulogischei schon darin, dass inan Charuot kiitisiurt.
- ) Die Autoren sind über diesen Paukt nbht gans ^nig. W. Sander ist
geneigt, in solchen Fällen stets krankhafte Geistesstörung anzanehmen, währond
Krafft-Ebing in seinem I/ehrbuch der Psychiatrie nnnf-he liierlier gehörige
Person noch nicht fttr geisteskrank hält; er erwähnt besouilers bistorischo, nicht
geiste^ranke Personen, deren Hallazinationeu bekannt »ind: Luther, der dem
Tenftt daa Tiutente mehmsi; Sokratea, der aioh ndt seinein Dftinon onter-
liielt, Kohammed n. s. w.
Xoll, Xonfr. SnMlMapfliidiia«. j|8
48i
KnakhmMiiiüht der Unioge.
«Der ünung bestreitet nielit nnr die Nstorwidiigkeiteii Beiner
NeigoDgeD, sondern anch ihren paüiolctgiadifln Ohaniter» er proteetiert
gegen den Vergleich mit dem Lahmen und dem Tauben. Das gelegent-
lichte Znsammeatreffen der konträren Sexnalempfindllfig mit anderen
wirklichen Krankheitszuständen wird för die Frage nichts entscheiden,
auch die Berufimg darauf, dass sie dem Zweck der Fortpflanzung zu-
wider iSnft, ist nicht boweisond; denn wer sagt uns, dass die Natur alle
Menschen zur Fortpflanzung b^timmt habe? Auch der Arbeitsbiene hat
sie Aiesett T?pnif nicht verliehen, obwohl in ihren verkümmerten, weib-
licheu Gescblecbtsorgaaen ein unwillkürlicher Hinweis auf geschlecht-
liches Empfinden vorbanden ist und nicht vorausgesetzt werden darf,
dass sie von jener angeborenen Triebfeder bat ausgeschlossen werden
sollen. Allerdings ist der göschlechtliche Apparat der Homosexuellen
von unverkümmerier anatomischer Beschaffenheit; aber wer wollte be-
haupten, daas ea nidit im Plan der Kator gelegen hftbe, sie, wenn auch
mu ^^jchisch, beaondwB za orgaaiaieren?**
Der in der Vorrede erwfthnte Herr N. N. ist einer der wenigen
▼on den mir bekannten Urningen, die ihren Trieb als krankhaft be-
trachten. Wir würden demgemäss die meisten Urninge für geistes-
krank') ansehen, wenn wir die Entsoheidang naeh dem Bewosstsein
der Krankhaftigkeit treffen wollten.
Dennoch thue ich dies nicht, nnd ieh erklftre den per?eneii Ge-
sehleehteferieb niobt fOx genfigoid, den damit Bebafteten für geistes-
krank vn halten. Ich mochte die Analegie zwisoben GeBehlecbtstrieb uid
Trieb mr Nahrnngsanfiiabme noch weiter dniehlQbren, um die Fiage der
Geiateskrankbeit an entscheiden. Hit Beoht wird von TeEsohiedenen
Antoien die Idebe mit dem Hanger veigUehen. Zwei Gefftble wirken
mit iwingender Notwendigkeit anf jedes belebte Wesen, sagt Laurent:
der Hnnger, der die Erhaltong des Indindnnms zum Zwecke hat» nnd
die Liebe, deren Zweck die Brhaltnng der Gattung ist*) Ebenso
wenig aber, wie die Neigong nnd der Tneb des Menseben m ge-
wissen sonst widerlichen Kabmngsmittebi uns Yeianlassong giebt, den
BetrefEmden für geisteakrank za halten, ebenso wenig möchte loh den
Ee kommt noch hinzu, dass selbst drr von der Krankhaftigkeit des
Triebes Überzoug;to ihn nicht zurückdriingen kann uud schliesahch unter dessen
Jiautluüg iiandelt, wühreud der die SiuueHtäiuuhung als solche Krkenueude von ihr
oft nicht weiter heeinflnsst wird.
- ) Auch Krafft-Ebing stellt den Erhaltonga- and den Oeedilechtstri^
neben einander: ,Das ])hy8iologische Leben kennt ein^n Erhaltnngs- und einen
Geschlechtstrieb. Das krankhafte Leben schafft keine neuen Triebe, wie man
fälschlich angenouiiuen hat. £8 kann die natürlichen Triebe nur vermmdem,
alaigeni oder in pemtaer Weiae aar laaaerang galaagen taaaan.'^
Nennae oder Vü^tlbiot», ^ 435
homosaxiieDen OesoUeohtstrieb ohoe weitem als Bevöa Uerfttr lie-
tnwhten.
Eraffi-EbingO meinti dass Fer?ex8ioneii der Tito Manolts
an und tti deh der Nearaeffaeme niolit asgebdreii, «mdem dem Ge-
biet der peycbieoben, meist erbfiehen Degeneration. Wohl könne one
sesneUe Neorastlienie dmcb Soliwielinng hetenMexoeUer Empfindungen
nur Weoknng einer bisher sofalnmmemden Homoaexualitat ans ihrer
Latenz beitragen. Dinlieh ftossert sich H Ose Ii,*) der gleieiibUs die
konträre Sexnalempfindnng ni<dit rar Kenrastlienie reehnei
Wir wollen aber ftberbaupt nicht vergessen, dass mehr nnd mehr
in neuerer Zeit die Neigung aufgetreten ist, ein Grenzgebiet zwischen
Geisteskrankheit und Geistesgesundheit aufzustellen, und in dieses Ge-
biet hat man ja viele Fälle von psychischen Entartungen — ich
erinnere z. B. an manche Zwangsvorstellungen u. s. w. — gerechnet
Ich glaube, dass wir gut thun werden, auch die konträre Sexual-
empfindung zu diesen Zuständen zu zählen.
Sicherlich sind UnterscheiduDgen von Neurose und Psychose oft
ziemlich willkarlich, und was der eine für eine Neurose erachtet, wird
(\pT andere für eine Psychose ansehen. Duln r kommen auch manche
Widersprüche in der Beurteilung der kontraren Sexualempliiidung bei
verschiedenen, ja sogar bei demselben Autor. ^^ t stph;il *) z B . der
sonst Anstand nahm, die konträre Sexualt mptindung für das Symptom
eines psychopathischen Zustandes 7u erachten, vergleicht sie trotzdem
mit der Moral Insanity, die mau sonst als eine Psychose ansieht,
wenn man sie überhaupt anerkennt. Ich will aber schon hier er-
wähnen, dass Geisteskrankheit im streng psychiatrischen Sinne etwas
anderes bedeutet als „krankhafte Störung der Geistesthltigkeit'* im
forensischen. Der letztere Begriff ist, woraof ich noeh ansfohrlich in
dem Kapitel über Forensisches zurflckkommen weide, viel weiter«
Stark vergleicht ganz passend, wie ans meinen Erörterungen
hervorgehen dürfte, die konträre Sexualempfindung mit der Hysterie
oder vielmehr mit gewissen Symptomen, die im Yerlaufe der Hysterie
sich seigen. Es kommt vor, dass bei der Hysterie gewisse Bebe, die
') R- V. Kraf£t-£biDg: Nervoiität und Deoraathenisoho Zustände. Wiea
1895. S.
- ) Handbaeh der Memsthenia, buMisgegebeD von Frans Karl Malier.
Leipzig 1893. S. 18SI. Ein anderer Mitarbeiter dieeee Bnehse spridit jedoek
(8. 5S6) die entgegengesetzto Meinnag^ ans.
- ) C. Westphal: Die konträre Sexualomptindung. Symptom eine» neuro-
pathlMheu (psydiopathischeo) Ztutaades. Archiv für i'äycbiatrie und Nerven-
toanUMlteB. S. Bend. BeiUa 1870. 8. 106.
436 EnuiUiafti^^t der eingebonii«ii voA dar erworbenen Homosexualität
wx sonst als angenehm und woUthne&d empfindeOf s. B. Wohlgerflolie
Ekd enegen, wfthiend Empfindmigen, dio bei nonnaleii Mansoheii
WidenriUen hemmifeii, Ton HjstensdiMi als wohltbaeiid empftindeii
werden» s. B. der Gesdhnuuk fon Am foeUätu
Es ist oft genug in der Benrtennng der KiaaUiafl^keit ein
üntersohied gemaelit worden zwischen eingeborener nnd erworbener
Homosexualität Indessen glaube ich, dass dies kaum richtig ist
Wenn man annimmt, dass jemand seine Homosexualität durch Aus-
schweifungen verschiedenster Art erworbüii hat, niag uns eme
solche Perbuii unsympathischer sein aU eine andere, bei der wir an-
nehmen dürfen, die Homosexualität sei eingeboren, d. h. unverschuldet
Einen Unterschied für den Begriff der Krankhaftigkeit kann dies je-
doch nicht machen. Ob ein Bludsinn durch Trunksucht oder durch
Ererbung entsteht, ist for die Frage der Krankhaftigkeit gleichgültig.
Ob jemand bei einer selbstverschuldeten Schlugerti eine Hirn-
erschütterung davonträgt oder durch einen nicht vt rs( huldeten Fall,
spielt für die Beurteilung der Krankhaftigkeit keine hioUe. Die Aus-
führungen Hüpedens^) und anderer verkennen die ganze Frage,
wenn sie einen TTnterschied zwischen eingeborener nnd erworhener
Homosexualität nnicheu. Es wäre ein Novum in der Medizin, wenn
solche Unterscheidungen, insbesondere vor Gericht, gemacht ?nirden.
Mag uns der eine Homosexuelle, wie schon angedeutet, unsympathischer
sein als der andere, for den Begriff der Krankhaftigkeit sind diese
Differenzen gleiohgütig*
0 Hüpeden: Bemerkungen 2u v. isLraät-Ebiagä „Der Kontiärsexuale vor
d«n Stnfriekter«. G«rfohtMMa 1886. 61. Baad. 8. 440 £
I
XL Therapeutisches.
Bs ist weaentlioh Kiafft-Bbiag in danken, dass die bisherige
Oleiehgiltigkeit der Ante g^senüber der kontclien Senudempfindnng
eehwindet Infolge seiner ünterandinngeD stehen wir nieht mehr inf
dem abeolnten Standpnokte des Xmsssr aUer,^) Mit Beeht hebt
OynrkoTechkj*) hervor, dass mt Medisiner konTentionelle Logen
meiden mttssen, nnd dass irir snefa Tor imgesehmmkten Worten hi
der Wissenschaft nicht snrflckschreoken dDiüBn, selbst wenn es sieh
mn Gebiete handelt, die dem Axit nnd dem Laien recht anstOssig
shid. Sehr riobtig bemerkt auch Leopold Casper,*) dass das
SexoaUeben des Hensohen, das mit Frehnnt in besprechen eine falsche
Sehen bestanden hat, in seinen Alterationen toi das Forum des Arztes
0 Es sind hl MlltfWr Zeit mduftM^ Angriffe anf die Darstellimg
sexueller Perversionen genuicht worden, die n. a. von Blenlpr Tnrückfrcvi ie'-'en
wurden. £s kann doch keinem Zweifel nnterliegen. dass eine genaue Konntais
des normalen nnd pathologiBcben Geechleohtstriebes die grösste Wichtigkeit
IQr die B«niteUuig tcn Bitinteii hat Teh ^nhe, 4mb Ar den Ant die
genaue Kenntnis des Oeschleohtstriebes des Menschen mindestens dieselbe
Wichtigkeit hat wie das Studium des mikroskopischen Baues der Sf<!!Wf^ine-
leber. Mendel hat aioh an einer Stelle sehr scharf gegen die Behandlung der
eeznfllleB Perrandonen in HllMtftndigen Bttehen statt In wineniekaMidien Zeit-
schriften gewendet. ,JBolohe Dinge gehören in wissemBohaftUflhe AreidTa, niokt
auf den offenen Markt", sagte Mendel. Ich erwilhne dies als Euriosum, weil
Hendel an anderer Stelle sagte: ,Dio Impotenz in ihren Ursachen, ihren
Folgen und ihrer Behandlung entbehrte bisher einer monographischen Be-
«ibeltiiag. LsB TOiliegende Baeh stellt ehw eolohe dar. ... In beeonden daakeiM-
werter Weise hat der Verfasser seine therapeutischen Massnahmen nnd IMolge
mitgeteilt" u. 8 w PI se Worte Mendels stehen in der Vorrede zu einem Buch,
das nur sexuelle Fragen behaiidelt. Ja?? den Titel »Sexuelle Impotenz* führt
und daa zakireiuhe Mltteilnngeu über sexuelle Perversionen in gans de*
taillierter Weise enthält Dsss dieses Bnoh, wenn es auch einen wiBsansohaft-
lichen Verfasser hat^ in einem populär medisinischon Verisge enddAnsB isti
sei nebenbei erwähnt. Difficüe est aatiram non acribere!
- ) Victor T. QyurkoTechky: Patliologie und Therapie der männlichen
Impotens. Wien nnd Leipzig 1689. 8. fl.
- ) Leopold Cesper: StenUtM et impotmUatiriKi. MfinolMn 189a &1.
438
Prognose.
gehOn. Es sfli Iii« in Schuhs AnnpnMdi oinnert^ den er b«i
dner Digitalantenuöhnng des Ifastdam» that» und den Albert^)
anfilhrt. Als nimliefa Aber jene üntonnohimg einige ZohOier Ekel
empfimden, den sie dnroh Ifienen nnd AnsspuoVen sosdiftokteD, da
erUiite Sehnh: „Als ich ein strebsamer Anftnger in der Ohiioigie
wsr, war noch die Xedisin nnd Chirurgie getrennt; die Kedianer
waren Tomehme Herren, die Chirurgen wurden als ?aiiaa behandelt
Es wäre unter der Würde ehies Meäiemae Doirtcrs gewesen, den
Finger in den Mastdarm eines Kranken einzuführen; da rief man
uns, kommandierte uns zu der Untersuchung; dann behandelte man
uns wie ein beschmutztes Hölzchen, mit dem man in einem Mist-
haufen herumgewflhit hat, — man warf uns weg ; aber die Chirurgie
ist gewachsen, und die Leute behandeln uns mit Respekt!**
Wir haben es bei der konträren Sexualem piindung mit Er-
scheinungen zu thun, die vielen Ärzten widerlich erscheinen, und
mancher hält es noch für seine Pflicht, wenn er etwas darüber schreibt,
sich durch Phrasen über Sittlichkeit -i etc. bei seinen medizinischen
Lesern zu entschuldigen, dass er das (iebiet berührt
Was die Frugnose der kontrirsii Sexnalempfindung hetrilR» so
llsst sie sich im aUgemeinen keineswegs als eine günstige besddhnen,
wenn auch die absohite Unheilbsrkeit, von der man früher tlbeneogt
war, nicht mehr angenommen wird. In den Kreisen der Urninge
selbst wird, wie ich schon erwähnte, die Affektion meistens für un-
heilbar gehalten, und es giebt nur wenige unter ihnen, die an die
Möglichkeit einer Heilung glauben.
Die Prognose hängt von vielen Umständen ab ; besonders die
psychosexuelle Hermaphrodisie giebt eine wesentlich bessere Pro-
gnose, als die F&lle, bei denen ausschliesslich Homosexualität besteht
Es wird natdrlioh die Prognose bei den psychischen Hermaphroditen
>) Eduard Albert: Diagnostik der chiniigisdun KiwldMitso in wmaaag
ToriesuDgen. 2. Auflage. Wien 1882. S. 288 1
') Für verbrecherisch halte ich höchstens K)lche ]iervpr?<e Handltinpen, die
nicht aus einer Ferv^ruon des Triebes hervorgehen. Was aber dorch dieie her-
vorgerufen ist, daxf ein Torarteikloser Bfloteoliter nieht ISr «in „VertmehMi*
soMlieQ, aankm mir knaUuift bottaehten.
- ) Ein Urning schreibt an Krafft-Ebing n. a. folgendes: „Man b< uns
allgemein für krank, nnd das ist gänzlich nnrichtig. Denn für jede Krankheit
giebt es ein ileil- oder Lindeningsmittel, nnd einem Urning tcann l^eine Macht
d«r Walt adno pamcM Nafainidag« imIiiimii.*
4d9
von der Stftrke aUdageo, mit der der Trieb znm Weibd Mifbitt; je
mehr der heteiQeexiielle Trieb Tonriegti um ao besser ist die Fiogneee.
Bs bingt ferner die Prognose von der Dauer des Znstsades ab; je
Unger kontrire Empfindungen bestaben, Je tiefer eingewonelt sie
sind, um so imgflnstiger mnss sieb die Prognose gestalten. Ebenso
hat ancb die ganae Umgebung des Kranken einen grossen Einflnsa
aof aie; eine Besaerang wird weaentlioh ersohwert» wenn er danemd
Gelegenheit findet, mit Hfionem sexuell sn verkehren. Krafft-
Ebing^ ateUt der erworbenen kontrtien Sexoalempfindmig eine bei
weitem bessere Prognose als der eingeborenen. Femer mOehte ioh
daianf hinweisen, dasa die ^iache Inversion, die ümkehrong des
Oesehieohtstdebea durahsobnittlich eine achleehtere Pn^gnoee giebt
äla die FftUe, bei denen irgend wdehe Yerwaadtaohaft mit dem hetero-
sexnellen Pohlen beateht Überhaupt kann man eine bessere Prognose
in soleben Fällen stellen, wo sieh deuUiehe Anknfipfangspunkte an
das heterosexnelle Empfinden zeigen, selbst wenn zur Zeit ausschliess-
lich Neigung zum männlichen Geschlecht besteht Solche Anknüpfung
an das Leterosexuelle Empfinden kann sich auf verschiedene Weise
äussern, oft genug z. B. darin, lass ^'pwisse weibliche Eigenschaften
hei dem za liebenden Mciim beauäpruclit werden, ferner dann, dass
kein vollkommener Horror femitiae besteht.
Ganz besonders aber wird die Prognose verschlimmert, wenn der
Urning durch innige Liebe an einen Mann gefesselt ist; kaum je
wird der Arzt in diesem Stadium etwas ausrichten können, es wird
in solchen Fällen auch des Arztes Hilfe nicht gesucht, da sich der
Urning uberglücklich fQhlt, vorausgesetzt natürlich, dass die Liebe
erwidert wird. Dass Neurasthenie und ahnliche Affektionen, wie sie
bei Urningen nicht selten sind, die Prognose verschlechtern, leuchtet
ein. Auf andere Momente, die auf die Prognose einen Eintluss aus-
üben, will ich hier nicht eingehen, sie ergeben sioh aus dem anter
Ätiologie gesagten von selbst
Eigentlich müssen wir nns znn&chst fragen, ob man überhaupt
etwas gegen die Homosexualität therapeutisch unternehmen soll, ob
man mit ihrer Beseitigung nicht dem Urning oder der Gesellschaft
mehr schadet als ntttit. Wenn es feststeht^ dass bei vielen Homo-
sexuellen das ganze psychische Leben ein weibisches ist, wenn wir
finden, dasa von Kindheit aof nioht Gedanken an Weiber, aondem
E. ¥. K rafft- Ebing: PaychojßoÜda ttexuaiis. Uit l>esooUerer Berfiofc-
aichtigong der koattiraa gexnsleiiiplliidmig. Eine Uiaiaeh-foveDsimhe Stodi«.
9. Aaflage. 8tDttK«rt 1894. & 90S.
440
an Männer den Urning beherrschen, so ist die Antwort keineBirflgs
l^okt; aeine ganze Eonstitntion hat sich an den konkftren sexuellen
GMankoi gowohnt und sich ihm angepasst, sodass der Binwiixf
becedhtigt iat» bd der Katnr des BetreflEenden, bei afliaeni weiblieiien
Fehlen und Empfinden, bei sdner Vorliebe (Qr Handarbeiten, bei
seinem Absehen vor mlmüiohem Benehmen nnd Betragen sei die
Liebe som llamie das Natürliche, die som Weibe das ün-
natfirliebe. Wir wfliden also bei der Therapie einer Tollatindig
weiblidi ftthlenden nnd denkenden Katar einen ihr nicht sokonmienden
Trieb einsapflanien eneheo, der mit den sonstigen Geistesanlagen nicht
in Hamonie steht. Wir waiden gerade bei dem ansgesproehenen
TTroing mit Effismination, wenn wir den Geschlechtstrieb anf das
Weib hinlenken, eine Disharmonie in dem psychischen Leben herroi^
mfen. Sollen nnd dürfen wir dies thnn? Wenn wir überhaupt den
Yersndi machen, bei ausgesprochener Effemhiation den Gesohleohte-
trieb heteroeeznell zu gestalten, so seheint es mir unbedingt notwendig,
das sonstige psychische Verhalten in ein mehr mlnnliehesnmsawandefai.
Freilich ist es denkbar, dass, wenn das geschlechtliche Empfinden auf
das Weib gerichtet ist, im Anschluss daran die ganze Natur spontan
einen mehr mänülii hra Typus gewinnt, obwohl dies nach Beendigung
der Entwickehmg lucht gerade wahrscheinlich ist.') Aber immi rliin
ist es auch möglich, dass das Bewusstsein der HeteroSexualität, das
Bewnsstsein, so zu fühlen, wie andere normale Männer, ein mehr
männliches Wesen schafft
Selbstvf rsläüdlich würde der Einwand, den man etwa gegen die
Behandlung ( tfeminierter Hoinn?exueller erhebt, überhaupt nicht gegen
Behandlung der Fälle zu richten sein, bei denen sich liomosexueile
Neigungen mit sonst rollständig männlichem Fuhlen verbinden.
Eine weitere Frage ist die, ob man deswegen auf die Behandlung
verzichten weil die Gefahr der Vererltung der jiathologischen
Disposition immerhin vorliegt Wenn man Xrafft-£bing8 Aa-
- ) Unmöglich ist eine derartigfo spontaDe Uniwandlnnfr nicht; dies lehrt
u. a. ein Fall von erworbener konträrer Sexüalcmplindung, den Krafft-Ebing
veriSffenÜiclite, und bei dem das Umgekehrte eintjat. Der Miurn war ursprünglich
hflleiOMzneU; später, in Alter too etwa SK> JalireD, ttmt hti ihm Neigung sa
Hlniienk auf; gleichzeitig hiermit zeigten sich nnn spontan auch Ersoheinupgea
der EffoTninnM'on, Neigung zu Toilottekünsten , Vorliebe ftlr Weiber^prflcbe
U. 8. w. Ancli die Versuche mit Sngpestion in Hypnose zeigen, dass keitie'^v.-e^^
immer jede ErBcheinnng au sich suggeriert werden muati, dasti sich viehnehr duruh
feete Anaoalion oft gewtee Sb^ptome aa die primlr gegeben« Siggeftum
aefcoiidlr anedhlieiMii.
Orimde flr Ui BehuuUnng'.
441
BAhme ÜBT liobtig hilt, daBs beim Yaier besteheiid« H<»mo86xtialitat
snf den Sohn veiecbt werden kann, und wenn man flberhanpfc die
Yeierlnuig der ESgenaohaften annimmt» wenn man weiter ezwSgt^ daaa
die UfDinge nun gtossen Tefl in die Omppe der Degenerierten ge-
hören, eo ist das ohige BedenlLea nieht ohne weiteres von der Hand
»1 weisen. Naeh Beseitigang der Icontrftran Seraalempfindong besteht
die MogUohkeit» dass den Naobkommen die Zeiehen der Degeneration
in gesteigertem Masse anliaften. Soll man nnter diesen ümstlnden
den ünung Uberhanpt lUiig madhen, Nadilcommen so zengen? leh
glanbe, dass der Ant diese Bedenken dem Patienten gegonober ans-
spredien kann; sddiesslioh aber wird in Wiikliebkeit der Ant doeh
genrangen sein, dem Wnnsebe des Patienten m willlUireD, ein
sdiweres Sraakheitssymptom womöglich zn b^eitigen. Ob der Patient
dann heiratet and Kinder zeugt, ist eine weitere Frage, deren Be-
antwortung der Arzt durch seinen Rat unterstützen kann, die ihn
aber nicht ablialteii ihirf, seiner Pflicht gemäss ein vurliegeudes Ltidua
zu bekämpfen, wenn der Fütient es beansprucht. Rieger*) meint
allerdings mit Bezuer auf diene Frage, es sei nicht nötig, dass aller
Samen in eine Vayina komme. Ich will gar nicht erwähnen, dass
man mit demselben Bechte die Onanie, die Paedicatio mulieris und
jede andere Art nnnatürlicher Befriedif^ung verteidigen könnte. Ich
will nur daranf hinweisen, dass der Arzt sich oft genug nach den
Wünschen des Patienten zu richten hat
Allen theoretischen Auseinandersetzungen gegenüber werden
wir uns in Wirklichkeit oft den Uinstäniien entsprechend verhalten
müssen. Viele Urninge fütilen sich m ihrer perversen Natur nicht
krank; sie verlangen deshalb nicht, behandelt zu werden; die wenigen
aber, die wirklich zum Arzt konmien, um sich behandeln zu lassen,
werden wir behandeln müssen; ihnen ist die sexuelle Per?eTsion ein
Grenel, der sie nnter Umstanden^) zum Selbstmord bringen kann,
und in einem solohen praktischen Falle werden wir allen theoretischen
ürwägungen zum Troti mnoben müssen, die sexuelle Empfindong
ncmnal zu machen.
Wir branohen nns anoh nidit an den sehwftnneiisohen und über-
triebenen DarsteUnngen m stossen, die uns HOssli Uber die Mftuner-
liebe giebt) wenn er sie als ein Glück ftr den Staat preist und
glaubt, dass das alte Griechenland lediglich dundi das Bestdien der
mannmSnnUchen liebe eine so herronagende Stellung in Kunst und
') Erlenmeyers Zentnlblatt für NemokeiUtande, 1898, Jaliheft
- ) s. B. durah die Qefekr, daat ihn pHnrane Aalige bekannt wird.
442
Barjfa^dttigQDf der ABgMndiilwhMMUniiy.
Wissensohaft erlangte Es braucht wohl kaum gesagt- za werden, daas
ea noh in diesem Falle bei Hössli um einfln Intam kuidelt Hier
eiDen ursächlichen Zasammenhang annmelmien, wie er es thoti ist
falaolk^) T¥ir biaaeben vaa deshalb aooli nieht durah Hdaslis
AnsflBhiimgwi abhalten sa laaaeo, die ZnrOdtdiftagoiig der konMren
Sexoaleoiiifiiidmig, soweit sie durah nediiiiiiMhe und hygiemaoh«
Yonehriften mO^oh ist» anmatrabeii.
Sehr oft handelt es sich überhaupt gar nicht darum, bei Homo-
sexuellen die Honiusexuiilit^t uls sitlche zu bpkjlmpfpn. Es giebt
zahlreiche Homosexuell t', di* Hn einer grossen Auk;;Uil neurasthenischer
und anderer Beschwtrfien leiden, zu deren Bekämpfung mindf stens
die Berücksichtigung der eigentümlichen geschlechtlichen Veranhi^'ung
notwendig ist Wenn man also auch auf die Bekämpf im u' der llumo-
sexualität hierbei verzichtet, so wird nur die Birücksichtigung des
gesamten Organismus in solchen Fällen im Stande sein, einen Erfolg
herbeizuführen. Was man in solchem Fall zur Bekämpfung der
nerröeea Besohweiden zu thon hat, kann hier natürlich nicht erörtert
weiden. Aber nur deijenige Arzt wird als sachverständiger Berater
dienen können, der die Homoaemalität hierbei berücksichtigt, selbst
wenn er deren Beseitigung nicht erreicht oder auch nicht anstrebt
Die Aufgabe des Arztes kann, wenn es aieh um einen derartigen
Patienten handeltf anch sonst Torsohieden sein : erstens kann es darauf
ankommen, bei dem Patienten lediglieh die Bethätignng teinea
Triebes an nnterdrQeken; dann aber kann ea aieh darom handeln,
den Trieb selbst nmznwaadeln oder an nnterdrfleken.
Bnrah aonale, wohl auch dnrch gesetaliche Beechitnknngen ahid
einielne üminge an der fkeien BethiUgong des ihnen innewohnenden
Oeschleehtatriebes verhuidert: sie bitten mitonter den Arat, besonders
wenn ihr Geschleehtakrieb hyper&athetiach ist, um Hilfe. Sie be*
ansprachen nicht, daai aie sidi an Wdbem hingeaogen fühlen, aomal
da der giOsate Teil der Urnkge eine derartige ITmwandlmig ihrer Katar
flberhanpt fftr gana anmöglich htit; aber aie wttnadhen doch, dass man
den homoaexnellen Trieb etwas Termindere,*) damit aie nicht fort»
') Für ebenso falsch halte ich allerdings die Annahme derer, die einen
KauHalneras zwiBchen Verfall und Päderastie in Griecheuland behaapten; letztere
bestADd ebenso zur Blütezeit des Landra wie bei dessen Untergang.
- ) Nidk Aaildit dM Hm «. N. ist die HypMtttheai« des OoMhlBditeteiebeB
bei im UningMi die Hauptanedie ^for, dais m vida von Oinen fm Leben
Bekimpftmg der ^TpecbOmiei
443
wihzaid TOB flim beUMigt weiden. Die Hypeitotiiede des Oe-
sdileobtitzieljes bei TTramgen kann man dnnh idle dUgenigen Mittel
beklmpfen, die mm «ooh gegen den hypeiaethetieolien heteioeexaellen
Txieb anwendet, dudi Bromprftparate, Hjdxotbetapie, Bider, psyebiaohe
Etnwirkangeii n. 8. w. Die letzteren sind sehr weaentlieh, nnd es ge-
hört dasn die enggestiTe Behandlung, femer Ablenkung Yom Ge-
scUeehtatiiebe und Hhdenkuig rar Arbdi
leh kenne den Fall mehrerer ümhige, die lediglich durch die
«iaeme Miidit, die sie ra strenger Arbeit iwang, Teraolaaat worden,
ihre sexuellen Gedanken anfirageben oder aioh wenigatene aeltener
ihnen zu überlassen. Ich glaube, dass man nach dieser Kohtung
durch eine gewisse systematische Erziehung bei dem Urning manches
erreichen kann. Mau soll ihm den Rat geben, daas er sich niemals
der geistigen Onanie^) hingebe, dass er niemals willküiiicii seinen
sexuellen Oedanken nachgehe, vielmehr versuche, sich durch Arbeit
und andere Thätigkeit abzulenken. Wenn es dadurch auch nicht
geliniEft, den Urning normal zu machen, so kann man nichtsdesto-
weniL^er die Neij^ung oft vermindern, die Hyperästhesie des Ge-
aohlechtssinnes bekämpfen, und dauiit ist manchem gedient
Eine erfolgreiche therapeutisehe Bekämpfung der Hyperästhesie
dee GescUeohtetriebes gelang beispielsweiee in folgendem falle:
27. FalL 22 Jahre alt, stammt ans seliwer bdesUter Vandlle.
Der Yater ist «ine Terechlossm«, laicht encgban Natur, stark penimistisoh
angehaneht und untar leiiiaii Bamftganoiaen als hervonrsgeader Gelebrter
bekannt Die Muttar xnaeht d«n Eindruck einer Tenlandigan, rahigen
Vma, Sins Sehwestor des X. ist hogoosexnalL Sie hat mit einer
Pireundin Jshre lang zusammengelebt und reist auch heute nooh gam
SU ihr. Die Schwester giebt selbst sn, dass sie homosexuell «mpfind«.
X. macht einen deprimierten mdsnchoHsehon Emdruok. Bis su seinem
14. Lebemsahr kann er sich aa keinerlei sexuelle Empßndungen erinnern.
Allerdings eAlIrt er, dass, als er 12 Jshte alt war, ein gleichaltriger
Sohnlknabe wlhrsnd des Unterrichts «w|i0 genUaiia eius (des X.)
„Terinunmeln* -, sie werden viel m sehr von sexuellen Oedanken beherrscht, als
daat die es fertig brScht«n, sich einem ordentlichen Berufe hinzugeben. Da» es
audt hier zahlreiche Ausnahmen giebt, ist seltmtrerst&ndlich.
') Der Ansdnok geistige Onanie ttaaimt «uHufelaadiHakiobiotik; ,die
geistige Oasnie ist ohne alle Unkenschheit des Körpers mögUch; sie besteht in
der Anfüllung nnd Erhit?ning der Phantasie mit schlBpfrigon nnd woUüatigen
Bildern." Httfeland^; Makrobiotik oder die Knnst, das menschliche Leben zu
Terlängern. Anis Neue durchgesehen und mit Anmerkungen vermehrt vou Dr.
II. Steinthal. Beriin 1871. a 168.
444
BeiipieL
fmifjfilnf. was er auf die Auffordernng des Preimdes hin auch bei diesem
that. X. enntiert sich jedoch nicht, dass er clahei eine sexuelle Er-
refTiinp empfunden hätte, auch trat keiiirilL'i Ejakulation ein. Der Yer-
k. tu- fl* s X. in diesem Alter beschrilnkte sich nur auf seine gleichaltrigen
iSchulgenossen und einige Nachbarkinder. Mädchengesellschaft mied er,
da er dort nicht das En^egenkomnien för seine phantastisch augelegte
i^iaiur lund. Im 1-1. Jahre traten die ersten Pollutionen auf. Dif
Träume hatten immer miUmliche Personen zum Hauptgegeustand. Zu
bMiurkai ui noch, dast ioldie Titnme oft mit sadistischen Phantasien
erfUlt waren, in denen X. nob nadcte Knaben TOcataUto, die minhandelt
wurden. Solohe YorsteUnngan waren anch am Tage hftnfig Toriianden
and ateta Ton Srektionen begleitet^ doch obne jede ^aknlation. Sdion
damala wurde X. beaondera von einem beatiuniten, ibm aelir ajm-
paihisohen Knaben entalioki Abgeaeben davon batle er aach allerlei
an^gespTOobene Neigungen aa intelligentan nnd bftbaoheii ICtBofatUem.
Ln allgemttnen aber hatte er kdne rechte Gelegenheit aeine Wllnache
zu. erfttllen oder ihnen aach nur nBher zu kommen, da er sich gewiShn-
lieh von seinen Mitschülern anrttdciog. «Meine Lieblingsheschiinigung
war es, mich in ein £ckchen zn Terateoken und allerlei phantaatiaehe
Märchen und Abenteuerberichte zu lesen, in denen mich gransame
Scenen am meisten fesselten und erregten. Meine Phantasie wurde be-
sonders durch die Lektüre von E. T. A Hoffmanns Märchen erhitzt,
in denen mich eine Illustration, die einen grausamen Akt an einem
nackten Knaben darstellte, zu wiederholten Erektionen erregt^'." Damals
war X. ca. 14 Jahre alt. Im folgenden Jahre begann er zn masturbieren.
Er glaubt, mit Sicherheit Verführung durch Mitschüler ausschliessen /.u
können. Ei onauierte durchschnittlich drei Mal in der Wocliu, bis er ein
Buch in die Hand bekam, das ihm die Folgen der Onanie in den
aehwineilea Earben Toxhielt Daiaof trat eine lingere Panse ein, in
der er lieh jeder Baoellen Handlnng enthielt. Xinea Tages erregte den
X ein um ein paar Jahre jüngerer Knaheb nnd naeh allirlei i^|liaften
Ywsodien, die sieb ein halbes Jahr hinzogen, kam er allmühlifth dam, mit
dem Knaben den Coüus üUer femora ansraflben. Er stand damals im
16. Jahre. Aueb der Knabe sdbien an dem Verkehr Qefidlen m finden,
nnd so selitan beide diesen mehrere Jahre bindnroh, wenn anch mit
einigln Unterbrechnngen, fort Jedoch übte X. kanm Öfter als einmal
monatUdi den sexneUen Akt mit dem Knaben aus, da sich die Gelegen-
heit, ungestört zusanmien an sein, ziemlich schwer fand. Meist war X
der aktiye Teil, doch kam es auch vor, dass der Knabe, wenn bei üun
keine Ejakulation eintrat, sich an dem X. aktiv befiriedigte. In jener
Zeit war es aber auch, wo bei X. gewisse Anfalle eintraten, die bis in
die neuere Zeit fortbestanden und, wie ich hier bemfrke, sich als
b/steriscbe Anfälle erwiesen. Auch allerlei andere neurasihenisobe Be-
Bflifpifll*
445
aehwerdco, imbcMmdere pliyairoh« Bimsttiuig, traitoii damala nn und
blieben bei X. bis in die neaeste Zeit neobweisbar.
Drei Jabre bindarch, etwa im Alter von 16— 19 Jabzen, war X. in
einem grossen Pensionat mit vielen anderen Knaben zusammen unter-
gebnebik und bi«r batte er Teriiftltnirniftusig leicht Gelegenheit, seinen
Neigaogen nadizugehen, zumal da mehrere Mitpensionäre ihm darin sehr
entgegenkamen. Der Verkehr bestand stets im Coitus inier feniora, wobei
X. aber oft der passive Teil wnr, der sich durch Masturbation während
des Aktes befriedigte. Innerhalb dieser ganzen Zeit hat X. mit weib-
lichen Personen gar nicht verkehrt, und zwar, wie er annimmt, deshalb
nicht, weil ihm die passende Gelegenheit dazu fehlte, aber auch weil ihn
der Anblick eines nackten Mädchens abstiess. Dies bewop auch seine
Mitschüler oft zu Spötteleien und Neckereien, da sie sich im Gegensatz
zu X. häufig an schlüpfrigen weihlichen Bildern ergötzten.
In seinem 20. Lebensjithre äuclite X. eine Pnella publica auf, mit
der er einen normalen Koitus ausübte. Er wurde jedoch durch den Ge-
nidi beaonden der Oemtalien abgestossen, aodaaa er bdnen ToUen Genoaa
batte. Anaaerdem glaubt X. angeben ni Ij^Onutn, daaa er nnr dnrcb die
PbantaaeronteUnng elnea Maones den Koitna anainfiüireii Temodite^
Naob deraaelben fttblte X. aieb sebr ermattet und sefaehlagen und bntte
ttoeb ein aebminbaltea Geffibl an den Genitalien. Er boflte jetit dnrob
Öfteren Koitna aeue atarke Veigoog snr ICaatnrbaMcm einaidUmnieii, endelte
jedooh daa Gegenteil, in8«^em ala er sn der Übenengnng gelangte, daaa ibm
der Koitna nicht die gawflnaebte Befiiedigang gewBbrte nnd er aidi
ngleiob Tom Weibe abgestossen fühlte. Er Termchte trotzdem noch mehrere
Male den Koitus, stets jedoch ohne das erwartete Lnatgefühl. Einmal
boffte er durch eine Fuella, die noob aebr jung und in ihren Formen
unentwickelt war und daher einen gewissen knabenhaften Eindruck machte,
den gewünschten Erfolg im Koitus zu erzielen. Das Mädchen verhieH
sich jedoch sehr passiv, stiess auch den X. durch ihren Gtrucb ab.
Trotzdem kam es bei X. schliesslich zur Eiandafio inter fcmora jiucllfie,
wobei er emen grösseren Genuss als bei den anderen Koitusversuchen
empfand. Seit dieser Zeit hat er aber jeden sexuellen Verkehr mit dem
weiblichen Geschlecht iiufgef.^ol:u ii und befriedigt seine Libido nnr im
homosexuellen Verkehr. X. liiidöt semo volle Befriedigung hitrbei iin
CoUus inter femora. Eine aktive oder passive Päderastie hat er niemals
ausgeübt oder Tenoobt Br bat dnen Hmrror tey<» vui würde aich
niemala dam bewegen lassen.
Einige Erscheinungen in des X. VUa sexualis, die im 15. und
16. Lebensjahr auftraten, laaaen aaaobeinend anf ein gewiaaea maaoobistiaobea
Empfinden leUieaien. El bereitete ibm damali grossea Yergnügen, seine
Fsmoiru mit Bteeknadek ra dvrobbobren, obne daaa er aiob bierbei «ine
andere Penon «la dabei tbStig voratellte. Kr batte hierdoreb krtftige
446
Erektionen. Desgleichen hatte er wollüstige Empfindungen, wenn er sich,
Bach Möglichkeit entkleidet, in den blossen Schnee legte. Gleichzeitig
mit dem Frostgefühl traten dann Erektionen aof, die er durch Martar*
bation beendete. Bei dieser selbst stellte er sich sehr oft Knaben vor,
ohne aber hiermit ir^jend einen masochistischen od< r snrlistischen Gedanken
zu verbinden. Im aligemeinen aber suchte X- diesn Krregungsmittel nach
Möglichkeit zu unterdrücken, weil er vor der Müsturbation eine gewi^e
Furcht hatte. Da es sich bei dem Frost und bei dem Durchbohren mit
Nadeln um rein som;itische Empfindungen handelte, die nicht auf ein
nasseres Wesen bezogen wurden, so kann man diesen Fall nicht ohne
weiteres zum Masochismus rechnen. Nur schein bar handelt es sich um
Mit Homosexuellen hat X. niemuls sexuell verkehrt, obwohl er eme
grosse Anzahl derselben kennen lernte. Kr zielit einen ihm sjrmpathischen
Heterosexuellen einem Homosexuellen vor, obgleich er Gelegenheit fände,
mit solchen zu verkehren. In seinem Bekanntenkreise gilt X. iur einen
TaneUoMMiMi imcl das UngowOlmliehe snchsiidaii tfmscheiL „Niur einige
wenige Beksamtc, densn tOhsr stshe, kltaiien die Mis^ n«iier
Lebenswdse bsniteileii.* Ab efeiras Krankhaftss hat X. Min« Pemrsioii
eigonflieh Hiebt «mpfonden. Wai sem« homosenielleii Ndgongen bstarifft,
so erstreoksD ne sidh baaptrtdüidi auf aUtauiliGb« Ihdividiieit im Altar
T«m 14 — ^19 Jahraii. fiedingong bierbn ist» dass sie ohne jeden Bart-
wuchs sind. In Isthetiseher Beaifllning Icann auf den X, aiber nur «in
ndbudklier Kitrper wirken. „Alles, was als das Üppige am Weibe von
den Heterosexuellen so sehr bevorzugt würd, stOsst mich im höchsten
Grade ab. Ich wünschte, dass alle Knaben m dem von mir bevorzogtsn
Alter eine gewisse Matrosentracht trftgen mit ausgeschnittener Bluse und
kurzen Beinkleidern, so dass die Waden in dunklen imd eng anliegenden
StrümpFen deutlich ihre hübschen Formen zeigten." Auf der Strasse, im
Tlieater u. s. w. interessieren den X. nur junge miinnliche Individuen,
und PS kann ihn ein Knabe in dem oben geschilderten Kostüm, wenn er
zugleich ein sympathisches Äussere hat. in hochgradiges Entzücken
versetzen. „Ich glaube aus vielen Symptomen auf das Originäre meiner
Homosexualität scbliessen zu dürfen, ich zweifle aber nicht, dass die
Perversion durch stark betriebene Onanie noch in ihrem BesLehtju unter-
stützt wurde, zumal da mir während der masturbatorischen Akte stets
sympathisdie Knaben varsobwebten.** FMient hattSi was die Heflnng
betrifil^ kein sn grosses Yertraoen. Er Bnssart darflber folgendes: ,ßo
weit ioh als Lsie nrteUen kann, halte ioh eine Heilnng fltr an^esehlossen,
es sei denn, dass sieh mit der Zeit eine flanwmng meiner Perrendon
insoweit herbeifllihren liesse, dass mein semelles Empfinden som minn-
liehen Qesehleebt sa einer gewissen IndUbrenx herabgemindert wird.**
Zn Znten beecbiftigen den X. stark ansgeprilgte Selbstmardgedanken,
BBVficb&€htigiui|f dtt Konititiilioii.
447
diA «r im Chrnude mir axu BAekddit auf seine AngebOrigen imterdxflek«i
«Idi stunme Nietzsche bei, wenn er sagt, dass der Gedanke an den
Selbf^tmord einem tibpr viele schlaflose Nächte hinweghilft. Die mir
nötige Berohigong finde ich nur in meinem Stadium, im Arbeiten, im
Beisen nnd im Verkehr mit einigen gleiohgeeinnten, ▼erBtSndnigToUen
Kameraden."
X. verlangte eine ärztliche Behandlung. Die Vorwandlung seiner
Homosexualität in eine HeteroSexualität hielt er selbst für auageschlosscu;
hingegen wünschte er, wie schon angedeutet ist, eme Verminderung seines
Geschlechtstriebes, um in sozialer Beziehung dadurch nicht zu sehr ge-
stört zu. werden. Patient wurde einige Wochen behandelt, und zwar durch
allgemeine Einwirkung auf das Nervensystem, indem ick seine nervösen
Beschwerden mugiichst zurückzudrängen versuchte; mit Nutzen wurde
ferner gerade in diesem Falle die hjpnotkKdm Suggestion angewendet
Es gelang, eine gans bedeutende Absohwftehimg der Empfindungen zu
erreiebeo, ond noeb llngere Zeit^ naohdem X. aas der Behandlung ent*
lassen war, stellte sieb berauB, dass die bomoseioellen Regungen nnd aneh
die Selbstmordgedanken, die damals dnroh 8aggesti<m beklmpft worden,
nrftofcgetreten waren.
Eine zweite Gruppe von Patienten verlangt, dass man den per-
versen Trieb in den normalen umwandle. Diese üm-
wandhmg kann nur von einem umsiGhtit^t n, L^ewihsenliafteü und
unerinndlichfii Arzte geleitet werden. Das erste, was dei Arzt be-
rücksichtigen muss, ist, dass er das unbedingte Vertrauen des
Patienten erwerbe. Dieser findet fast nirgends, ausser bei seinen
Leidensgefährten, Verständnis fflr seine Lage; zeigt ihm der Arzt ein
solche»^, m wird er auf den Patienten einen mftohtigen Einflass «□»-
üben können, der ihm Tollkommen entgeht, irenn er doh in der Be-
urteil nng des Leidens eine Blosse giebt.
Die Therapie hat darauf zu sehen, dass niokt nor die Gelegen-
heitsnrsaoben und das Krankheitssjrmptom, sondern aneh die Dis-
position ZOT Krankheit beseitigt werde. Da wir non aber nichts
weiter wissen, als dass eine nervOee Disposition bei den meisten Ur-
ningen gefunden wird, so nehmen wir an, wie bereits anseinandergesetzt
wurde, dass der üraniamiu bei nerrOeer Dispoeltion mit Torliebe
gedeiht. Wir mtissen daher jene allgemeinen und spezlenen tfaera-
pentiaohen Agentien anwenden, die die nerrOse Disposition bekämpfen.
Dass demnach in der Behandlung auf die ganze Konstitution
de* Patienten gesehen werden muss, ist selbstTerstandlidi, und naoh
448
Wert der PMphjItn.
dieser lüchtang hin kann gute Ernährong, ftische Lnft^ Gjnmiastik
erheblichen EiafloM avsftben; doch wird man nicht anner acht laacen
dflifen, dasB diese Mittel eben nur die Behandlimg nntentfltien
können.
In prophylahtiBober Hinddit mttaen Erafft-Ebings*) und
Tainowskys BatschUge berOokBiohtigt weiden* Letrteier') meint»
dasB besonden bei aohwadh entirickelter kontrftier Semalem^diing
die Umgebung im stände iat, die gesohleohtliche Thätigkeit nach der
einen oder anderen BIchtnng ni bestimmen. Er hUt es insbesondere
flir unbedingt notwendig« dass Bltem nnd Erzieher weibische Eigen«
Schäften der Knaben nicht als Scherz anfCsssenf sondern es sich
überlegen, ob nicht ein ernsterer Hintergrand vorhanden ist; der-
artige Regungen sollen bei den Knaben durch Strafen möglichst
frühzeitig unterdrückt werden, damil der Tneb nicht so mächtig
anschwelle, wie es sonst m kurz* m der Fall ist Hierher gehört
z. IJ. der Umstand, dass sich Knaben gern Weiberkleider anziehen.
Der eine Patient von Westphal wurde deswegen, weil er sich
vom achten Jahre an sehr oft die Kleider seiner Mutter nahm
und anzofT, von dieser bestraft Ob aber Strafe überhaupt den Trieb
unterdrücken kann, wenn er mächtig genug ist, halte ich für zweifel-
haft. Tarnowskj glaubt, dass auch eine leichte Verspottung des
Knaben, der in dieser Weise Neigung zu weiblicher Toilette zeigt,
ganz gut sei und die weitere Entwickeiung dos Triebes anfhalten
könne. Eingühende Ratschläge betreffend die Onanie und die mutueiie
Onanie in den Schulen giebt auch Hermann Cohn.') Und zwar
sind es vier Thesen, die er aaÜBteUt:
- ) Krafft« Ebing mint ftbrigeas denurtifaii Ibwregeln bei weiten tüoht
die Bedentasg bei wie Tarnowsky. Ich Bcbliesse mich dem ersteren an.
Natürlich i.st K rafft -Ebing nichts desto wenifror ebenso wie ich der Aniicht,
dass nichts unversucht gelassen werden darf, um dio Krankheit zu bekämpfen.
Da aber nach seiner Ansicht in zahlreichen Fällen die Anlage eingeboren ist,
•0 folge danns die hlsfige Noldasigkeit prophyhiktiidier Hsnregehi. Die Nieht-
nwiignag derartiger Individuen hSit Erafft-Ebing für die wirksamste Propby>
laxe. Filr die erwerbe rifn F«in»^ von k' ntrfirer Scx^alcmpfindiui^^ hat hingegen die
Prophylaxe nach demselben Autor einen sehr grossen Wert. Dass sie auch
bei eingeborener Anlage gelegentlich wirksam ist, halte loh für wahnehnnlioh,
wie ba«ito & 861 anseiaaadeigeMtit iit
B. Tarnowsky: Die knnUiaften Erscheinungen dei OssdUsehlniaasB.
Mat foren«isch-psycbiatri8cbe Stn'!if> Berlin 1886. S. 17.
") Hermann Cohn: Was kann die Schule gegen die Masturbation der
Kinder tban? Beüerat dem achten intsnntimalfln bygieniiehea Eongien la
Bodapwt eistattet. BaHa 1894. 8. 98 ff.
Wert der Prophylaxe.
449
1) SowoU wlliraid des UnterricktB ab wAhrand dar Ptman hat
der Lebrw daranf au aohteoi da« die Sdhfller mdit miitiMlle
Onanie trüben.
2) Der Lehrer rnnas die Sohiaer TOn der flebttdlidikeit der Auto-
onaoie und der amtoellen Onanie ui Kenntma aetsen.
8) StiBflOBigkeit ist denjenigMi Sohflkr an Tenpredien, der die
mutuelle Onanie anr Anzeige bringt.
4) Durch Yorträpfe und gedruckte Belehrungen sind auch die
Eltern und Pensionsgel j er duraul hinzuweisen, dass sie die
Pflicht haben, den Eiadem die Geiahren der Onanie ans*
einanderzoaeUen.
Was die Qelegenheitsarsachen betriift, die mfigfiolieiweifle
in eioielDen Fällen nun Ansbroeh der Homosexoalitit flJixen können,
nnd nnter denen die mntoelle Onanie eewie daa mendiaolie Eontaginm,
somal in der Eindhelti besondera an erwfthnen aind, ao weiden irir
auch hiergegen einaefareiten mflsaen. Daa meiate, waa bierftbef sa
sagen wftre, ergiebt sich ans dem itiologischen Abaoluiitt dea Bneliee
Ton selbst. Es fragt sich, ob nieht dnroh Belehrung der Knaben
durch ältere Leute hier mehr genützt wird, als durch yollkommene
Ignorierung dieser Ersrlit ininiiren. Ich möchte diesen Punkt nur be-
rühren. Es ist, wie loli mir wohl bewusst bin, eine sehr missliche
Sache, sei es für den Vater, sei es für den Lehrer, zu den Kiiniirn
über sexuelle Vorgänge zu sprechen. Wenn es aber gelingen soll,
die konträre sexuelle Empfindung zum Verschwinden zu bringen, dann
ist es nötig, möglichst frühzeitig dagegen anzukämpltiD, da die Heilung
homosexueller Triebe jedenffills dann erschwert wird, wenn sich der
Patient immer mehr in seinem Fühlen dem Verkehr mit Männern
anpasst. Die üruiDge selbst erwarten, wie ich aus ünterh;iltungea
mit ihnen ersehen habe, wenig von einer prophylaktischen Hehand-
lung; dennoch muss auf diesen Punkt geachtet witiIcu. Auch ist nach
Tarnowsky besonders bei perverser Veranlagung darauf zu sehen,
dass die geschlechtliche Thätigkeit selbst möglichst spät
zur Entwickelung komme, da sich hierbei die Prognose bessere.
Hartmann,') Schraube*) erklaren ebenso wie die meisten, die sich
mit der Entwiokelong dea GeBchleehtakiebes besobftftigt haben, daaa
Ph. iv. iiartmaun: Glüukäeligkeitäiehre für das phyiüsche Lebeu dos
Mmuehen; oder die SnnB^ die Leben n benotien nnd daliei Oenudheit) Schta-
heit, Körper- nnd GeisteeatMe ro erhilten und so TirroUkeiiiiiiiieii. DeiBaii onA
Leipsig 1808. S. 180.
Otto Schraube: Ratschläge an das Volk zur Erbaltong der Qestuidheit.
Gekrönte Preisächrift. Berlin 1864. S. 164.
Xoll» Xmte. BwwalwapflidMie. S9
450
Wert dar Prophylaxe.
tiB fiauptponkt der Mi, difi Mitige Entwiokeliiiig du Tiiebtt iiillgliidist
IQ Tecbmdeni. Wenn wir bedenk«!!» dan Bebr viele ünüiige die erstell
Anzeicheii ihrer Perrersioii berdto ale ffinder iiooh vor der Paberttt
beobachteten, so müssen wir dem Qedanken näher treten, ob nicht
der frühe Beginn der geschlechtlichen Entwicklung mitunter den
Kuubeii (bei den unklaren Vorstellungen von sexuellen Differenzen
der Menscheii) infolge der leichteren Nähe von Knaben zur homo-
sexuellen Neigung führte und ob nicht hieraus spater eine dauernde
Perversion hervorgehen kann. tSelbstverständlich steht damit nicht in
Widerspruch der Umstand, dass oft genug die ursprünglichen homo-
sexuellen Neigungen von Knaben nur dem Stadium d- r ündiflferenziertr
heit des Geschlechtstriebes entspringen, nicht aber auf eine dauernde
Homosexualität hinweisen; denn wie ich schon an anderer Stelle ge-
zeigt habp, sind die ersten homosexuellen Nci;^'uiiL-n, die bt i Urningen
in der Kindheit auitrateti, nicht immer als Koliken des undilfpren-
zierten Geschlechtstriebes aufzufassen. In raatu iien ialUn vii lmehr
scheint der Geschlechtstrieb überhaupt nicht undifferenziert zu sein,
und ebenso, wie wir bei manchen Heterosexuellen die ersten hetero-
sexuellen Neigungen als Folgen der primftren Differenzierungen auf-
zufassen haben, ebenso liegt dies bei manchen Fäller; von Homosexiuüitftt
Deshalb würde auch in der Anerkennung eines hftofig Torkommenden
Stadiums der Undifferenziertheit ein Einwand gegen die Bedeutung
bolnoMzneller Neigungen in der Kindheit nicht liegen. A. H. Nie-
meyer*) spricht sieb auf Grund seiner Erfahrung und Beobachtung
keineswegs für eine lange und scharfe Trennung der Geschlechter
am; ja edbtk das lange Hinaassebieben der Liebe and das Verbat
ein IQdehen ni lieben, begflnstigt er nieliti wenn nnr die sinnliohen
Triebe dabei mj^gliobst sorttckgedrCngt werden. Ehlers^ gab den
Bat, dass die Jünglinge niebt allen Umgang mit Personen des acbOnen
Gesebleobts Termeiden sollten; aber man sollte Personen wiblen, die
niobt so jong sind, deren Geist nnd Hers ihnen Wert giebt» nnd die
der Jikafßag ma fteondsehafUioh liebe.
Die Bebanptong Tarnowskys, dass BndsihDng nnd Umgebung
einen ansserordentlioben Einfiuss anf die gesdilecbtliohe Empfindnng
ansOben, ist natflriioh schwer m beweisen. Ttnmftr^itf wftre es mög-
■) August Eemann Kiemey ex: Omndsltie der Entokaiig vad iM Unter-
xidMs fBr latem, Banlehrar und Sobidnilnaer. 1. Teil 9. Aoigsbe, HiUa 1884.
8. 818.
Maitiu Ehlers: Betrachtimgeu über die Sitüicbkeit der Vergnttgaogea
in zween Teilen. 1. Teil. Flensburg und Loipsig 1770. 8. 200.
G«fiUir nnisober ümgebutg.
451
lieb, dass derartige taseie Einflltae hier ndtspieleD, und deshalb hat
auch die Theiapie die in dieser Beiiehang gemachten YerBehlage »i
berfleiknflhtiigeD.
leh halte es Ar denkbar, daes, wenn man bei Kindern m dieser
Weise einsehreitoi kann, dies mitunter von gutem Ebtfolge sein
durfte. Ob aber wirklich, wie Tarnowsky^) meintk so Tiele von
ihm beobaobtete Jünglinge mit angeborener sezaeUer Perversion sp&ter
im Alter von 25—90 Jahren durch Anwendung prophylafctisdier Mase-
regeln normal wurden, seheint mir sweifelhaft
Auf Individuen, die zu kontrSrer Sezoalempfindung veranlagt
sind, wirkt dne ungünstige Umgebang gefUuliob ein, wie Tar-
ne wskj*) betont; er meint, dass in Lehranstalten, wo sich viele
Knaben zasammenfinden, die disponierten Individuen von denen, die
bereits m ausgeprägter Form die Perversion besitzen, auf die patho-
logische Bahn hingcleitet werden. Auch Chevalier spricht die
Meinung aus, dass Institut- , wo viele Knaben zusammenwohnen, die
Ausbreitung der kouirären Sexualempfindung bewirkten, und dass das
Internat, das in französischen Schulen besteht, schon aus diesem Grunde
zu verwerfen sei.') Doch will ich noch erwähnen, dass von anderer
Seite ^) gerade das Zusammenschlateu von Knaben empfohlen wird:
„Tjhamme ne doit jamais etre scuL La solittide appeUe plus de mces
qtw la sodabüüc. 11 fant coucher les eleves deux ä dettx." Ich
glaube aber nicht, dass diese letztere Meinung heute allzuviel Beifall
finden wird.
Es ist aber auch für den erwaclisenea Urning unbeilinLjt nutig,
dass er aus der Gesellschaft anderer Urnmge mögUchst entfernt und
dass ihm die Gelegenheit genommen werde, zu viel mit anderen
Männern zu verkehren, bei denen ihm sexuelle Gedanken aufsteigfm
kdnnen. An diesem Fonkte wird oft die Behandlung der Homo-
B. Tarnow^ky: Die krankhaften Erscheinongen des Gwchleohtasiimes.
Eine foreiiBiBch«pBychiairi8che Stodie. Berlin 1886. S. 88.
^ Kraflt-BbiDflT sagt: ,fai viekn Sdnikii, Peotlmialea wirillfailiiilMlioii
and Unzucht geradezu gezüchtot. . . . "Wenn nur der lyehrstoff peraolviert wird,
da;; ist die Hauptsache. Dass darüber mannhar Schiller an Leib und Seele ver-
dirbt, kommt nicht in Betiacht"
Loi» et Mysievt» de fJMour. Trtuhdl de VBiSbnu par Alexandre
Weill Quatrüme f-ditim. Paria 1880. S. 85. Wie ich aofl der deofanhen
Ausgabe (Gesetze und Mysterien der Liebe. Ins Deutsche ühertmj^en von Karl
Weissbrodt. Berlin 1887. S. 121) ersehe, rührt die Schrift von Dr. Gold-
Hoh mid t her, der in den dreisaiger Jahren aU ä^juhxiger Mann dem jüdischen
Spitil m Fnakftut a. M. TonlMid.
89*
452
SexotUer Vednhr mit Weibern.
sezüeUsn BohfiitflnL loh kenne TTminget die den lebliaften Woneoli
liaben, von ihm geschleohtliolien Perrenion befreit vbl sein, sieh aber
ans der GeseUschaft, in der sie sieh beenden, mefat anroefaieheii
konnten. Besondere sohineiig wird die Behaadlong eines üinings
dann sein, wenn er mit einem anderen Hann ein Liebesverhiltnis
hat Da ein solches gewdhnlieh die ganse Nator des üminga be-
henscht, so kann es nieht Terwnndem, diss man bei dem Versnofa,
den GeseUeohtstrieb nmsnwandeln, hier nooh grosseren Sehwierig-
keiten begegnet, als wenn es gflt, zwei heteroseiaell einander Liebende
von einander an trennen. ThOrieht sind die Eliem oder Angehörigen,
die zwei Liebende dadaroh Ton einander zu trennen suchen, dass sie
ihnen Schwierigkeiten in den Weg legen; solche Hindemisse pflegen
Liebende oft nur noch fester an einander za ketten, nicht aber
emc Erkaltung berbeizulühren.
Weiiii mau beabsichtigt, den Geschlechtstrieb zu Männern nicht
nur zu unterdrücken, sondern ihn durch den Trieb zum Weibe zu
ersetzen, muss man noch auf wesentliche andere Punkte Rficksicht
nehmen; besonders ist es nötig, dass der Urning weiblichen Per-
sonen oder einer weiblichen Person sich nähere, die durch Eigen-
schaften, die der Xatur des betreffenden Mannes angepasst sind, ihn
zu reizen und zu fesseln versteht. Tarnowsky glaubt, dass bei
Individuen, die von Natur aus zu konträrer Sexualempfindung disponiert
sind, durch regelmässigen Verkehr mit dem Weibe eine normale Ge-
schlechtsfunktion ausgebildet werden könnte.
iSatürlich ist gleichzeitig alles zu vermeiden, was geeignet ist,
den homosexuellen Trieb zu begünstigen; hierzu gehören alle Ge-
danken sexueller Art, die sich auf den Mann beziehen. Wenn man
nach dieser Bichtung hin dem Urning einen Rat giebt, so muss es
allerdings in einigermassen verständiger Form geschehen. Man darf
ihm nicht einfach sagen, er solle nicht mehr an sexnelle Akte mit
Männern denken. Wer einen solchen Rat erteilt, mnss anob den
Weg weisen, wie der Homos^^xu lle solche Gedanken zu vermeiden
vermag. Es kommt hinzu, dass oft eine Hyperästhesie des Geschlechts-
triebes besteht, sodass in weit höherem Marae als beim Niohtuming
sezaelle Gedanken auftreten* Ein soleher Urning geht mit ihnen
sddafen; erotische Tr&nme» deren Uhalt Hanner bilden, begleiten
den Sohlaf. Nadi dem Erwachen treten von neuem die bomosexnellen
(bedanken ant Wahrend der Beschäftigong, die den normalen Hann
ToUkommen in Anspruch nimmt» wird der Urning von sexuellen Ge-
danken ergriffen und muss fhaea nachgeben, da er sie nicht sn banuen
Horn» UmaaM».
453
mnag. Dennoch Teimag der Homosexaelle dnxoh Übnng in der
BekAmpftmg homowzneUer Gedanken numdies sa bewirken. Man
moss Ton Anfang an Terrochen, ihm Uar za machen» dass er, wenn
auch nicht plotstteh, so doch dnrdi allmlUiche Übnng und Stärknng
dee Willens im stände sein viid, wenigstens einen Tefl der S^ypezSsthesie
m überwinden. Besonders maebe man ihn aneh datanf anfinerhsam,
dass er, soweit er kann, sieh wiUkOrliidi von derartigen Qedsnken
abnehe nnd niemals noh wiUkQrlioh ihnen hingebe. loh habe in
einigen FSllen gesehen, dass die Pstienten nnr dann der Homo-
seznalitSt wieder Terfielen, wenn sie sich ihr leichtfertig bei der ge-
ringsten Qelegenheit flberliessen. Es war das z. B. dann der FaU,
wenn der Batient einen ihm znsagenden Mann sah nnd sich ihm nnn
sofort niherte. ünterliess er dies, nnd suchte er statt dessen sofort
Ablenkung im Verkehr mit Weibern, so war die Perversion erloschen
nnd swar oft schon Uineihalb weniger Minuten.
Bbenso verkehrt aber ist es, wenn man dem üming ohne weiteies
den Bat giebt, mit Webern den Beischlaf aosinttben. Mancher
üming kann bei einem Weibe gar nicht liegen, ohne von Mwror er-
griffen za werden. Zahlreiche Homosexuelle, die es versnchten, beim
Weibe zu koitieren, wurden sehr bald durch den Ekel vor der sexuellen
Berührung dca Weibes abgestossen und musston infolgedessen auf
den Gesdüechtsakt verzichten. Ich kenne solche, die schon bei der
Entkleidung des Weibes so vou Horror ergriffen wurden, dass sie froh
waren, das Zimmer verlassen zu können. Muss nicht unter solchen
Umständen der üming, selbst wenn er nicht diesen vollständigen
Horror cmtus hat, daran zweifeln, dass der einfach den Koitus an-
ratende Ar/t Verständnis für seine Lage besitzt? Es ist in Wirklich-
keit ein solcher Rat ungefähr dasselbe, wie wenn man einem normal
fühlenden Manne sagen würde, er solle den Geschlechtsakt mit dem
Manne ausführen und nicht mit dem Weibe. Manche Homosexuelle
können auf keine Weise bei dem Weib eine Erektion erzielen, da
ihnen die Berührung desselben so viele Unlustgefühle erweckt, dass
selbst der eifrigste Gedanke an den Mann eine Erektion nicht hervor-
bringen kann, d. h. eine Vorbedingung zur Ausübung des Koitus
fehlt Viele Homosexuelle haben, ohne den Arzt zu fragen, derartige
Versuche gemacht. Das Nichtgelingen des Eoitos eiseagt dann
ein GefQhl der Niedergescbliirenbeit; die Überzeugung Ton der
TJnheilbarkeit des perversen Triebes nimmt zu. Wir haben gesehen^
dass der Homosezn^ von der M(^liohkeit, den perversen Trieb
ni beseitigen, nieht gerade fest ftbenengt ist, nnd es ist doch nOtig,
454 XiMiÜDlg« beim imielteB Terkahr mit Weibani.
alles zu veimeideiif was den Olanbeii an die Heilbarkeit des Leidens
lerstöien kann.
Wenn man demnach die Heiiung^ bezweckt» so mius man die
perretaen Empfindungen bekftmpfen, nicht den per?enen Akt Man
miiaa noimale Boipfindimgett an die Stelle der abnonnen m aetnn
anelien» den nonnalen Akt aber als daa aekondftre ansehen. Selbst
dann, wenn man den Koitoa ausführen lisst, ehe noch ein noimaler
Tdeb Teihanden ist, darf der Koitus nioht als daa eigeatliehe ZSiel
betiaehtet werden. Freilich ist ea denkbar, dass der Eoitns sekondlr
mitnnter das Entstehen der normalen Bmpfindnng begOnstigt, wenn
es anoh nur dmeh kflnatliehe Mittel, i. E die YorsteUang eines
Hannes eimöglieht wird; mdessen darf man nicht in fiel darauf
Tsrtcanen, dass anf diese Welse heterosezaeller Oescfalechtstrieb ent»
steht Stets ist es aber verfehlt^ einem Urning den sexneUen Vei^
kehr mit dem Weibe ansniaten, ao lange die Wahrscheinlichkeit der
Pntenz nicht besteht Jeder lUsserfolg vergrosaert nur die Zweifel
des Patienten an sanier HeUong.
Besonders ist anch zu beraoksiehtigen, daas selbst diejenigen
Homosexnellen, die in psychosexaeller Beziehnng hermaphroditisch
veranlagt sind, oft nicht bei jedem Weibe ^) potent sind, ja, dass sie
mitunter nur durch ein ganz bestimmtes Weib gereizt werden. Es
muss dies um so mehr berücksichtigt werden, als ein mclirlaches
Misslingen des Koitus, wie mehrere Autoreu angeben, die homoseiueUe
Verwandt hiermit sind dicgen^pen FUl«^ bei deiMii swar nur hetanwaanifllle
Neignogen, aber aiunohliesslich zu gewissea Weib«rn bestehen. Fürbringer
sagt über diese merkwürdigen Fülle in dem Artikel Impotenz in Ealenbargs
fiealmoyklopädie, 2. Aufl.: qSchwdr Terstäudlich und bereits in das Bereich der
pervmen SexnakmpfliidiiBgni herübeispi^eiid afaid jene m«ht biofigeii Fonnen
TMi Impoteiis, ia deaea du gewissea l^elgefttbl vor dem oder jenem Weibe die
Erektion nicht zulässt, obwohl weder körperlichf? Gohrechen noch ekelerre^^de
Dincp, noch Unschönheit überhaupt vorliffft Bi'^>rpilcn fügt es die Tücke des
Schickaals, dass gerade die eigene Ehefrau nicht den Anreiz za gewähren ver-
mag, welehen Uederliehe Ftaaeosimmer atusnlBseii päegen, ohne dtee der Hami
anter dem Eiufluss einer durch aiunchweifendeo Leben Torderbten Phantasie n.
leben braucht. T.i- sind dies Fälle von relativnr Impotenz. " Mit Recht weisen
übrigens Beni-Barde nnd Materne {L' Hydrotherapie f^afi.^ Us malinlies
chroniques ti ies maiadies aerieimes, Paria 1894, B. 483) daraui hin, dass manche
lUitner nur bei einnn beatimmteii Weibe potent sind. BewmderB nnd mir
mehrere Fälle bekannt, wo aufrichtige Liebesleidenschaften dazu führten, daas
sexuelle Erregbarkeit ausschliesslich durch dio geliebte Person bewirkt wurde.
Bei Frauen ist dies gleichfalls etwas sehr häuüges, und es dürften sich mau che
Fälle von ArmesthMta aexualia des Weibes, auf die ich noch im letzten Kapitel
m tpreohen komme, dadurch erkliren, dass Artfsthfiine anderen HSonsni, aelbtt
dem lühsmimn gogenttbor beiteli^ iiieht aber dem wiiUioh fdiebten gegnaber.
f olgesiBohiriiUDigeii dw BeiMUalM beim Weib«.
455
Neigung begünstigt ^lan hat also in solchen Fällen, in denen iiei
psjcboscxüpller Hennaphrodisie die Neigung zum Koitus mit einem
Weibe oder einer bestimmten Art von Weibern besteht, darauf zu
achten, dass der Patient nicht duich MiBsecfolge bei ihn ahstoBsenden
Weibern gesobftdigt werde.
Abgesehen von der Enttäuschung nnd Yenwdfliizig, die den
Patienten bei Nichtgelingen de^ Koitus erfasst, muss der Arzt auch
berOcksichtigeii, dass der BeiBoblaf beim Weibe den echten Homo*
sexuellen ausserordentlich angreift; er fühlt sich nach ihm gesehwächt
Die meistea Uininge erklären, dass sie entschieden mehr Genuss und
Kr&ftignng von der einfaohen Onanie haben, tia von dem BeieoUaf
beim Weibe; selbst wenn er gelingt, so fehlt ihnen das normale
WoUnstgefltbl nnd Infolgedessen die Beftiedignng, wihrend sie steh
bdm Verkehr mit Mftnnem befnedigt nnd gekrftftigt fohlen. Die
norröse Abgesdhlagenheit, die den Fming nach dem (selbst eifolg-
reiehen) BeiseUaf heim Weibe trifiti kann onen solohen Giad er>
reichen, dass der Ant es sich reiilidi llberlegen moss, ehe er einem
Patienten mit kontiftrer sexneller Empfindnng die Öftere Wiederiiohmg
des Beisohlsfes b^ Wdbe snrftt
Warn aneh der Eoitns einmal gelongen ist, so folgt daiaos noch
lange nicht ein gflnstiges therapentlsehes Besoltat; es gieht vielmehr
Üminge, die sich nach dem Ktdtns voller Ekel von dem Weibe ab-
iranden nnd vor jeder Wiederiiolmig nirflckschieokeiL Dies konmit
selbst dann vor, wenn vor dem Eoitns Trieb zn dem Weibe be*
sland. Noch viel eher ist nach dem Beischlaf JEforror vor dem Weibe
sn beflirohten, wenn er ohne Trieb durch kOnstliche Mittel bewirkt
Würde.
Den Koitus bei dem. Weibe suGhen sich, wie wir salien, manche
Urninge durch Alkoholgenuss oder auf andere Weise /u ermöglichen;
ich weiss eine iieihe von Urningen, die durch Alkohol angeregt beim
Weibe potent sind, mit der Beschränkung jedoch, dass ihnen ein
wirkliches Gefßhl der Befriedigung und der ausgesprochenen Wollust
fehlt Ebenso suchen Urninge beim KoitusTersnch durch Vorstellung
eines Mannes f^rektion und Ejakulation zu erzielen.
Ein Autor misst dem lioitus grosse Bedeutung als Mittel zur
Herbeiführung der Heterosexualität bei, jedoch mit Unrecht. Ein
grosser Teil der Urninge hat, wie schon erwähnt, gelegentlich den
geschlechtiicheu Verkehr mit dem Weibe versucht oder aiisf^eübt,
indem er hierbei durch l^hantasievorstellungen Erektion erzeugte.
Dennoch kam es bei diesen nicht zu heterosexaeller fimpfindong.
456
Thera{>eatisobe Bodentoog der Ehe.
Auch wenn sie, wie ich von einigen weiss, sehr hftofig derartipfo
tünstliche Koitasyereuche machten, konnte dadurch weder die Homo-
sexualität unterdrückt, noch die Heterosexualitiit orz* ugt werden.^) Ein
Patient von mir bezeichnet den Koitus, den der stxuill Perverse dorcb
Phantasievorstellungen ausübt, als Onanie i^er vagmam.
Der Rat d^n man dem TJrninii zuweilen geben muss, mit Weibern
geschlechtlich zu verkehr» n, ist nicht nur deshalb so schwer "auszu-
führen, weil der ürnmg durch seinen Mangel an Libido davon ab-
gestossen ist, sondern auch weil es überhaupt nicht so leicht sein
dürfte, passende weibliche Personen für den Urning zu finden.
£ine anstftndige Dame wird doch selbstverständlich nicht mit dem
TJming spxnell verkehren ; ihn Prostituierten in die Hände zu führen,
ist sehr bedenklich, weil er möglicher Weise von diesen noch mehr
abgestossen wird als von anderen Weibern. Wenn aber nioht ein
geeignetes Weib den Uniing bei seiner Hinlenkong auf den normalen
Trieb la fesseln veimag, so wird man oft auf Heilnng Tenichten
mfiasen»
Die Itage, ob wii Aberbanpt das Beebt haben, atiasetehelioli
aexaell in verkebien, will iob hier nieht erOrteiai da sie an weit
fthien wOide. LOwenfeld*) bat in ^er Arbeit die Torsdiiedenen
Annohten der Inte aber sexaelle Abstineu sosammengeatellt: Lalle-
mand ftrebtete ebenso wie viele andere Ante, dass seznelle Abstinena
zu Gesondbeitssobadigimg fflbre, wfthrend andere, a. B. Forel, dies
in Abrede stellen. So lange wir die beutigen soiialen länriehtangen,
a. R die Frostitation haben nnd das Heiraten der mtamer nnd Franen
dnrobsofamtUich lange Zeit naeh Entwiokelnng der Pnbertftt erfolgt»
80 hinge wird es sobwer mOglieb sein, den aosserebelioben geadüeobt-
liohen Verkehr ans der Welt an sohaifen, nnd wir dflrfen ihn, Toraaa-
gesetatk d>M dabei nioht die Beehte dritter Personen, a. B. T<m Ehe-
männern, Torletat werden, therapeutisdi verwerten.
Dass der Ant in Bezog auf die Bhe, wenn er von einem üming
konsultiert wird, sehr zurückhaltend seinen Rat zn «.'elu^n hat, ist
selbstverständlich. Die Ehe hier als Universalmittcl betrachten zu
wollen, wie es bei anderen Krankheiten mitunter noch geschieht, wäre
durchaus verkehrt. Der Mann würde gewöhnlich sich und seine Frau
ungläcklich machen, wenn er vor Beseitigung seiner Homosexualität
in die Ehe ginge. „Zur Ehre der Damen und zur Schande unseres
- ) Andan Uagfc die Sache bei manoben {MiyohoMKnelleit HennaphioditeD.
^) L. Lüwenfeld: Die oervöMii StBrangen nzoelleB Urapnugi. Wies-
baden 1891. S. 7 ff.
Berecbtigou^^ des annezehalichea YerkebiB.
4ß7
eigenen Gescblechts mass ich sagen, dass in Tielen unglücklichen
Ehen der Mann die Hauptursache ist." Dies erklärt Most^)
Ich glaube, dass des Mannes huldkonto in diesem Punkte wesent-
lich hela^tet werden dürfte, wenn er leicditainnig in die Ehe geht
trotz nmischer Veranlagung'.
Die Homosexualität ohne Unterschied dadurch zu bekämpfen,
dass man sie ä tmä prix in eine Heterosexnalität umzuwandeln sacht,
kann ich aber überhaupt nicht für richtig halten. Oerade hier ist es
unbedingt notwendig, auf den einzelnen Fall Rücksicht zu nehmen
and stets die Vorteile nnd Nachteile der Behandlung gleichzeitig zq
erw&gen. Wenn heispielsweise dem Homosezoellen empfohlen wird,
ndh mit pzostitnierten Weibern einzolassen» am sich dadurch Ton
seiner Homosenuüitftt sa lie&eien, so sei hieraher nof folgendes gesagt
Es liegt mir fem, an dieser Stelle auf die Frage einzDgehen, ob der
Ar^t du Beotkt hat, einen solchen ausserehelichen geschlechtlichen
Verkebr zu empfehlen. Effertz*) meint über diesen Punkt» es sei
iliiiL imUtf, wie es Ante geben kann, die einem Patienten sa einem
Eoitns laten, wenn denelbe ^elit in legitimer Weise cdebdeit
wetden kaan.^ Leider giebt aber Efferts uns ein Batsel anl^ da er
an anderer Stelle erUlrt* dass die Hygiene den Beginn des seiaeQen
Verkehrs am Tage naoh dem Be^nn der eisten nnwOlkOrliebai
Rdintten verlangt Da diese Pollution meist sehen seitig etntntt,
im Darehsehnitt woU 16 Jahre beror der Hann heiratet, ist es mir
nicht gans Uax, wie Efferts sieh die Sache •» pnm denkt Mit
einfkdhen theoretisehea Anseinsadenetsongen kommt man doch Uber
die Pkage nicht hinweg. Andh Lionel S. Beale*) spricht sich gegen>
den ansseteheliehen geschlechtlichen Verkehr ans» der etwa ans hygie-
nischen Gründen angeraten würde. Er flüirt sogar einen Bischof an,
der den Bat vieler Arste an Patienten, ansserehefioh gescUeohtlioh
m verkehren, ab eine Empfehlnng der SQnde boeichnete. Beale
beraft sich aneh anf James Paget, der fifmimtkm ans den
Intiieben Ratschlagen streichen wollte und meinte, man könne
mit demselben Kecht Diebst^ und Lüge empfehlen, die ja Gott
Georg Friedrich Host: Über Liebe und Eh« in sitftliöher, natnr»
goschiclitlicher und diätetisch-medizinischer Hinsicht. Nebst oinor Anlcittmg
zur richtigen ])hyäischen und moralisoheu Enieliimg der iKinder. 3. Aofiag«.
Leipzig 1807. 8. öO.
- ) 0. Efferts: Über Neurat&mia tmiaiig. Fhyiiologie der MotnaUen
Oemeingefühlo. Ein Bach für Hausärzte. New-Tork 1894. S. 164.
') Lionel S. Beale: Our Mnraliiij and the moral Qitestion: Mafiy from
the metUeal aide, Smmd edüion, London 1893, S. 127 1
458
BeliaiuUiiiigiaingkiit der HomoMsiulitit
verboten hätte. Wer aber nicht bloss auf Grand theoretischer
Betrachtangen seine Ratschläge giebt, wer femer der Ansicht ist, dass
moderne Ehen Tielfach nichts als ein reines Kauf- oder Tanseli-
geschäft darstellen, wird doch Tielleicht diesen bedingongdosen Gregen-
eati iwuehen ehelioheni und sneserebeUohem Geschlechtsverkehr nicht
ohne weiteres anerkennen dflifen. Trotxdem bin ich weit entfernt»
etwa die EmpfelÜQiig eines ausseiehelichen Gesohleobtsrerkehrs sni
Regel mMfaen za wollen. Er mnss dorohans die Ansnalune, und fwii
niehi nur ans sittlichen, sondern auch ans hygienischen GfOnden sein.
Ifen vergesse anch nicht, dass man miter ümstinden den Patienten
der grossen Ge&hr der Infektion aossetst, nnd wenn anch Tiel&di
die Gonorrhoe fDr eine harmlose £afektlon gehalten wird, so beweisen
doch viele Erfidnongen, dass dies ein Irrtum ist, und dass oft genug
schon die ein&die Gonorrhö die schwersten Folgen hat Kommt
nun gar noch eine syphilitische Ansteckong vor» so mochte ich die
Ftage, was dem Patienten weniger schadet« die Syphilis oder die
Homosexnalltati in dem Sinne beantworten, dass die letrtere meistens
immer noch ein geringeres Übel ist eis die erstere. Der saoh-
Terstftndige Arst wird auf das strengste lu prUfen haben,
welche Fftlle er überhaupt ftr behandlnngsf&hig hält und
in welcher Weise. Es wird stets sn prOfBU sein, ob die Homosenalitlt
in dem dnselnen Falle mit so viel NachteOen verknüpft ist, dass ihre
Bekämpfung notwendig ist, and immer wird man hierbei Yortdäe
und Nachteile jeder Behandlung gegeneinander abzuw^en haben.
Selbst wenn mau aber m bestimnitin l\illcn glaubt, dass es Nutzen
bringt, die Homosexualität zu unterdrücken oder wenigatens ab-
zuschwächen, so folgt daraus noch nicht, dass man den Betreffenden
in einen Heterosexuellen umzuwandeln hat. Vielmehr wird bei dem
einen der Versuch gemacht werden müssen, eine sexuelle Abstinens
zu erzielen, für einen andern wird man wiederum mehr Wert auf die
Unterdrückung anderer neuropathischer und psychopathischer Symptome
7.U le<^pn haben, und nur in einem Teil der Falle wird man dann die
Hcrbi'ilülirung der Heterosexualität als das Hauptziel betrachten
dürfen. Ohne Unterschied und ohne IndividuaMerang dies zu thon,
halte ich für gänzlich verfehlt.
Selbstverständlich muss man den Leuten, die an konträrer
Sexaalempfindnng leiden, die Onanie verbieten, und ganz besonders
ist die Masturbation, die mit Gedanken an Mftnner getrieben wird,
zn verwerfen, damit sich nicht immer mehr und mehr die Katar des
Individuums an den Hsnn gewShne. Weshalb Ton der Hastorbation
459
überhaupt abzaraten ist, braucht kaum erwähnt zu werden, zumal da
sie ein Mittel zur BeibeiftLhrung neurasthenischer Zostftiide bildet
und die Prognose eines günstig verlaufenden Koitus mehr und mehr
veischlechtert Besonden ist schon in der Kindheit darauf zu seheii|
dass die Qnaiiie vermieden werde ; auf eine gute physische Erziehung,
Bewegungen, Aufstehen nach dem Erwachen, kurz auf alle die be-
kannten und häufig uigegebenen, aber nur schwer diir<diiaflUiienden
hjgieniaoben Kasscegehi soll geoohtet werden.
Di« man bei der psyohiachen Behandlung der kontiftien Sexnal-
empfindnng aaf die hypnotiacbe Suggestion tnraekgrexft, ist tta
jeden lelbstrezitSndUch, der dieses Gebiet studiert und die psyidio-'
logische Bedeutung der Suggeetien aus den zaUreiohen Arbeiten von
Li^beault, Bernheim, Forel, Krafft-Ebing, Obersteiner,
Max Dessoir, Sperling u. a. wflrdigen gelernt hat Bass man
unter TJmstSnden durch behanliches und TerstAndigesycrgehen hierbei
Erfolge ezzieltk zeigen Fllle von Er äff t-B hing und anderen. Cor-
▼al>) meinte, dass die bedeutendste Errungenschaft der letiten Zeit
auf dem Gebiet der Fiiyohotherapie die Möglichkeit ist» die kouträie
Sexualemj^dung su bekbnpfen. Dass man die Bethttigung des
Triebes \m tieflsr Hypnose durch posthypnotisohe Suggestion herab-
setsen, dass man die das IndiTidnnm fortwihrend bedrängenden Ge-
danken an Mioner yennindem kann, und dass man dadurch im stände
ist, auch die Ausübung des Geschlechtsaktes zu unterdrücken, kann
ich auf Grund meiner eigenen ärztlichen Thätigkeit als sicher erklären. '
Ebenso sah ich heterosexuelle Ideen durch Suggestion entstehen.
Doch erwarte man nicht etwa, dass man hierbei in wenigen Tageu
einen Erfolg haben mOsse, und man wird, wie Krafft-Ebing be-
murkt, nur bei einer tiefen Hypnose gute Kesultate erzielen kOnnen.
Dass man aber m geeigneten Fällen bei konträrer Sexualempfindung
einen Versnch nach dieser Bichtung machen kann, erkennen teils auf
Grund thi oreti scher Erwäp^ungen, teils auf Grund praktischer Erfah-
rungen zahlreiche Autoreu an. Ich nenne ausser Krafft-Ebing*) noch
- ) EDcyclopadisch-' J Hörbücher, heranag^egeben von Prof. Alb. Eulonbnr^,
2. Jahrgrang', Wieu und Leipzig 1892. Artikel Suggfestivtherapio. Vergl. auch:
Zeitschrift für HypuotüiiBas, Sut^geätiouätherapie, Suggestiuiuilebre und verwandte
pflydulogifldie ftonchiugai, Jalngsog I, Helt 8, Hai 1808, 8. S81>98B.
- ) B. V. Krafft-Ebing: Angeborene konträre Soxualempfindang. Erfolg-
reiche b\T)noti.scbe Absuggeriorang bomosexuellpr Empfindunjjen. Sonderabdnck
aoB dem iatemationalen Zentraiblatt für die Physiologie und Pathologie der Ham-
nnd Sexualorgane, 1. Band, I.Heft Siehe aadi A. t. Krafft-Ebing: Psycho--
palkia temaUM, Ifit boMnienr Berflolttiiditifpmir ^
Sina UiniBoh-loveDliMli« StiidiA. 9. Auflag«. Stnttgirt 1884.
460
Ladame,*) Bernheim,*) Wetterstrand,*) Schrenck-Notzing,*)
Lloyd Tuckey,") Max Hirsch,«) Obersteiner,^) Bingier.O
Forel,«) Löwenfeld.1«)
Dass man sich vor den Übertreibungen gewisser Enthusiasten zu
hfiten hat, wird mit Beoht ?on Havelock EIUb'^) betont Seine
SMhliobeii Gründe gegen diese Übertreibiuigai aeleii besonders im
Gegensati xa den polemischen nnd som Teil geradem naiyen Ans-
jf&hiTingen Benedikts^*) herrorgehoben. HaVeloek Ellis meint s.B.
m Besag auf einen bestimmten Autor, der seine grossartigni Be-
saitete gern TerdffentUoht, dass das Heilmittel hier hänfig schlimmer
sei als die Krankheit.
Man glaabe flbrigens nicfati dass selbst in tiefer Hypnose es
so leicht Bei, jemsndem normale gesehleehtliehe Triebe so soggeiieren;
Laüame: Inversion sexueUc chcx im (Ugnifrt, traitrc arantatjcuscmenl
par la sitggestum ky^pnutiqtte. Commttnieation (aite au Cottyns itüernatianai
MSdeeine mmfah dam ia §kmee du Mardi 6 Aoüt 1889. Bentß dt
mUtme ei !e da Ptifdub^ pkysiologi^. Septembre 1SH9. S. 67—71.
- ) Bernheim: Iltjpneium«, Sugge$tion, Fsyehothirt^pu, ^Xude$ nouuMn.
Paris 1891. 8. 337-339.
Otto G. Wetterstrand: Der Hy^uotiämas und seine Anwendung in
dar pnktiseben Medirin. Wien end Ldps^ 1881. 6. 68.
- ) Freiherr t. Schrenck-Notzing: Über Suggestioostberapie bei k<NlMnr
Bexnalcmpfindang Intf:riiationale klinische Rundschau Nr. 26. 1801.
•) C. Lloyd Tuckey: Psycho- Therapeuttcs, or TreaimeiU by Eyptiotism
and Suggestion. Third Edüion. London 1891. S. 268. Vgl auch Lloyd
Tnokey: Qudqmt ea* dPimmtion ttmiU» tniU» par la mgge^iont Bernte de
VBypmtistne et de la Psychologie fkjftiohg^ue* Mai 1899, S. 345 t
Max n i rs ch : Suggestion nnd HypnoM. Ein kaiMi Lekrbuoh für Ante.
Leipzig 1893. S. 197 -19y.
^) fleinricb Obersteiner: Die Lehre vom Hypnotiamofl. Eine knn ge-
ÜHite Oantellimg. Ldpsig und Wien 1898. S. 48.
") Zeitschrift für Hypnotismus, Suggestion stherapio, SuggcstiMn.sIehre nnd
verwandte pqrohologtseiLe Fonohnngen, Jahrgang % Heft 1, Oktober 1688, 8. 80
bis 84.
- ) August Forel: Der Hypnotismos, seine psycho-phytiologiache, medi-
sinisolift, sttafreohtliolie Bedentimg und selae Handhabiuig. 8. Auflage mit Ad-
nolationen von 0. Vogt. Stuttgatt 1895. S. 155.
L. Löwcnfeld. Lehrbnch der gesamten Paychotherapie. Mit einer ein-
leitenden Darstellung der Uanptthatsachen der medixiaischen Psychologie. Wies*
baden 1807. a Sftl.
'*) Hayelock Ellis nnd A. Symonds: Das kontifre OeschleohtsgeffthL
Deutsche Ausgabe besorgt unter Hitwirknng ?on Hans Kttr ella. Lsipsig 1888.
S. S50ff.
^ Moriz Benedikt: Hypnotismos und Suggestion. Eine klinisch-psycho-
lOgiBohe Studie. Leipzig und Wien 1884. 8. 45, 87. Ick fUire diese Arbeit an,
obwohl sie nicht sehr ernst g^MHdirieben ist und mehr einen HeiteikeitseHlidg be-
flasprnohen dftrfte.
Suggestion.
461
kommbii doch die meistt'ji Leute so späi m ärztliche Behandlun'; und
Beobachtung, dast. gewuhulich schon der abnorme Geschlechtstrieb zu
tief eingewurzelt ist und die ganze Persönlichkeit beherrscht. Ich
erinnere mich, unter meinen Patienten einmal einen Philologen be-
handelt zu haben, der an abnormem Geschlechtstriebe litt Er war
für tiefe Hypnose empfanglich ; so oft ich ihm aber in der Hypnose
die Sugf;« stion pab, dass er in einer Siuiiil ' mit einem gleichfalls
suggerierten Weilie ^'elieii solle, begegnete ich deiu hefti(»stpn Widfr-
stande. Erklärte ich iliiii, dass er sich mit einem Weibe unterhalten
solle, von dem ich ihn träumen iie<^?!, so war ich sicher, die Antwort
zu erhalten : „Es ist ja noch gar nicht die richtige Zeit, erst eine
Stande später sollte ich ja die Dame treffen'^; diese und ähnliche
Ausflüchte zeigen charakteristisch, wie selbst in tiefer Hypnose die
Foioht, mit einem Weibe in Berfihrang zu kommeii, den üming so
beherrscht, dass er jeder Begegnung mit ihm avsniweiohen sucht.
Man wird selbstveistftndlioh oft alle verwendbaren therapeutischen
Agentien aufbieten müssen, um die Homosexualität und auch die
Hyperästhesie des Geschlechtstriebes zu bekämpfen. Man wird als
Hil&mittel oft Medikamente und physikaUsehe Heilmittel^) anwenden
mOssen; aber den Eezn der Behandlung wird doch stets die psychische
Therapie darstelien. Selbst der begeistertste Anhänger der Arznei-
mittel wird zugeben mftssen, dass die Behandlung emes ümings,
wenn sie flberhanpt Erfolg haben soll, nicht durch Aneneien, sondern
auf p^<dii8ofae Weise geschehen mnss. Man kann Empfindungen und
Triehe nicht mit Salssäure oder Aloe bekämpfen, sondern nur durch
gleichartige p^chischeYorgftnge alterieren, wie schon Aurelian wusste.
') Da immer noch einzelne Autoren für die wissenschaftliche Grundlage
der Elektrotherapie eintretea und diese Behandiangsmethode so darstelieD, als ob
wirklioh aohatfe IndikatioiMii bei ihr existierten, ist es Üut erstaonlich, dass noch
memand mu eine wimniehaftliehe etekfttotberapoatliKlieBeliaiidlwig (Or eexnetl«
Per^ersioDen gog^eben hat Nachdem auch der manchmal gwaz verstäudi^a
Löwenfeld sonderbarer Weise sich m den Verteidigern der wissenschaftlichen
Grundlage der Elektrotherapie bekannt hat, sollte es mich nicht wundem, wenn
er eines Tages genanere Yoreehiifteii über die elektioüketmpeatiaolie fiehandlmig
der sexuellen Perversionen gftbe und nw mitteilte, bei welcher Stiomdidite eine
blonde Dame, bei welcher eine brünette geliebt wird, welchen ßollenabstand
wir bei faradischem Strom nStifj haben, um eine alte, welchen um eine junge
Dame lieben zu lassen; wie viele Funken bei der statischen Elektrizitiit übor-
•piingen mllasen, damit eiiie Bngiaiideritt und wie viele Fonkeii notwendig siud,
dwnit eine FrtnzSein gdiebt wird. Wie gesagt, es wQrde rniek nieht mehr sa
sehr wundem, wenn uns LSwenfeld mit einer derartigen Arbeit überraschte,
Dann hätte er in der That, vorans<^eselzt dass ea stiunnt, den Beweif; g-eliefert.
dass iuau der Elektiotherapie auch eine wissenschaftliche Grundlage geben kann.
462
Eastcatbm.
CMciseBflidli wnide auch die Fisge et^^rtert, ob dnroli Kastration
die kontrtire Sanulempfinduig beseitigt wecden kann; wUuend noh
ein Antor (Heyor) dafBr anaepiaeh, üben wir eum anderan, Weat-
pbal, doh dagegen wenden. Ich glaube ans tfaeoietiBoben Grflnden
nidit, dass wir davon viel zn erwarten haben, mid habe in einem
Falle, wo ein Patient mich tun Bat fragte, ob er sich kastrieren lassen
sollte, ihm za der folgenschweren Operation nicht zureden können.
In neuerer Zeit hat Gustav Jäger ^) diese als vom Staatt: geboten
bezeichnet; wenn das Gesetz die homosexuellen Akte für staatsgefähr-
lieh halte, so bleilsu ihm nur übrig, die Urninge entweder so zeitig
wie möglich zu tüten oder zu kastrieren. Beide Mittel sind wohl
vom mediziniöchcn Standpunkt ans etwas zu heroisch. Nach den bis-
her gesammelten Mitt- ihingen ^eht zweifellos in den meisten Fällen
von Kastration*) der heterosexuelle Geschlechtstrieb nicht unter, wenn
die Kastration nach Eintritt der Pubertät vorgenommen wird. Ja,
oft genup: 7.n\iru. sich lu terosexuelle Neigungen selbst bei solchen
Kastraten, die verhältnismassig zeitig operiert worden sind. Üas
gleiche würde sich doch nun auch bei Homosexualität ( rwartrn lassen,
und deshalb würde vielleicht der Drang zur Ausführung mancher
Gesciüeohtaakttt längere Zeit nach der Kastration fortfalleoi sicherlich
aber in den meisten Fällen nloht die fiomosexoalit&t.
- ) Gustav Jäger: ^tdeokimg der Seole. 3. Auflago. 1. Band. Leipzig
- ) Gcnaaeres hierüber s AMm i ( Moll: Untersuchungen Über die lAbido
sexu'fh - 1 Band, 1. Teil, Berlia 1S87, & 74 & niid 1. Band, S. I«U, Berüa 1888,
8. 422, Aom. 1.
XIL Forensisches.
Die Gesetzgebung war in Bezug auf den mannmännlichen ge-
schlechtlichen Verkehr zu verschiedenen Zeiten verschieden. Wir
sahiD bereits, dass unter den altrn Juden Päderastie mit dem Tode
bestraft wunh'. Es wird oft genug angenommen, dass im Orient die
Päderastie sonst stets Tollkommen straflos war, ja sogar mehr oder
weniger anerkannt wurde. Dies scheint aber, auch abgesehen von den
Juden, niuht allgemein zuzutreffen, und verschiedene Autoren, z. B.
Voltaire,') Matter,*) Bocquet,') haben darauf auftnerksam gemacht,
da^s Zoroaster in der Zend-Avesta das widernatürliche Laster ächtete,
und auch Hossbach^) weist gerade im Gegensatz zu der Knabenliebe
der Griechen auf die Gesetzgebung des Zoroaster bin, der sogar
schon die Einehe anbefohlen hätte. Ob und welche Strafen in Griechen-
land bestanden, darüber sind die Meinungen geteilt. Nach Kamdohr*)
haben wir keinen Beweis dafür, dass homosexueller geschlechtlicher
Verkehr im alten Athen jemals dem dreien Bürger durch Gesetz yer-
boten war. Da ein Gesetz des Solon den Sklaven die Minnerliebe
verbot, ist es vielmehr wahrscheinlich, dass dem freien Mann gesetzliek
jflner Verkehr moht nnteisagt wnrde. Bestraft worden bei diesem
^) Voltaire: Dutionnaire phüosopkique , Artikel Amam WOnüqfi» ia
Oemrw eompUtis, Ibme trente-septihne. QoÜta 1786. 8. 257.
^ J. M«tt«r: Ülwr den Eioilass der Sitkoi anf die Gesetze imd der Gesetze
auf die Sttlm. Ana dem TnoMvim 1U»era6tst und mit Anmeckiiiigen iMi^leitet
▼en F. J. Bqb8. Freibarg i. B. 1888. S. 408.
- ) Lncien Bocquet: Lc Oßiibat dam fAntiquia, «nviaagi au pomt dt
vue civil. Paris 1895. S. Öl f.
Johann Jotef Bosahach: Vier Bfieher Oeeofaiehte der Funilie. NSid-
Ungen 1859. S. 221.
") Fried. Willi. Basil v. T^amdohr: Venus Urania. Über die Natur
dr>r Liebe, über ihre Veredeiuuff and VerschOiieniog. Dritten Teils erste Abteilimg.
Leipzig i79a ö. im.
464
MUm» iIi'ifcwihlHAn BetuteiluBg.
dmob S Ol Ott und adne Nachfolger nur die VerfIBIiniiig, die Gewalt
nnd die GewiimsaQht. Wer Mi fBr Geld hingal», Terlor alle Bfligw-
leohte; aehwer beatraft wurde derjenige, der dnroli Banb oder Ver^
flUiniiig joDge Hfamer am ihre ünaohald brachte (£amdohr). Aneh
im Yolke war die mamunioiiliche liebe bei dea altea Grieebea nur
dann Teraohtet, wenn jedes sittliche Element dabei fehlte und nur
körperliche Begierde yorlag. Als ein sehr wichtiges Beweisstock in
dieser Frage darf wohl die liede des Äsohines gegen Timarch
geführt werden.
Sobald also Timarchus die Kinderschnhe abgelegt hatte, so lag er
bei dem Barbier Euthidikus im Pirtius nuf; dem Vorgeben nach, die
Profession zu lernen, in der That aber, um seine Blüte zu verhandelii ....
Eine ehrliche und recbtmiissige Liebe tadele ich nicht ; ebensnwenii^ rri.bo
ich alle Leute von einer f,niten Gestalt tür Hurenbengei aus. Auch
leugne ich nicht, dass ich selber verliebt gewesen bin und noch diese
Stunde bin; kurz, ich verwerfe die Sache selbst nicht, sondern nur den
Missbrauch. Di»^ Liebe gegen wohlgesittete Jünglinge ist das Gefühl
einer wohlgesinnten Seele. Aber um Geld zu dingen, das sehe ich für
das Werk eines frevelhaften Flegels in ... . Baas aber mne aftehtige
Liebe gegen junge Knaben etwas Beehtmiaaiges nnd Shrbsm sei, erhellet
daransi weil der Qesetigeber sie anbefohlen hat Han wird mich fragen,
wo er das gethan habe. loh antworte, da, wo er sie den Knediten unter*
sagt hat ... . ErsÜiefa will ich also die Leute noDnein, die sfiehtig and
ebibar and so gelebt haben, wie sieh gebfihrt Mlaner von Athen, Ihr
kennt Kriton, den Bobn dea Aatyoohna, Perikles, den Sohn des
Pirithoidas, Timesitheus, den lAofer, alles woUgebildate Leute.
Ihnen haben sich sehr Tiele Liebhaber, aber alles Leute von Ehre und
Zucht, zugeseUet .... Im Gegenteil will ich Euch einige Beispiele
Ton Leuten, die eines Gelichters mit Timarchus sind, namhaft machen.
Wer kennt nicht den Diophantus? Nun frage ich Euch, die Ihr den
Unterschied Ton beiden vfisset, in welche Klasse stellt Ihr nun den
Timarchus? zu welcher brincft Ihr ihn, zur Zahl der Geliebten oder
der Verhörten? Unfehlbar unter die Verhörten.^)
In den alten italiaohen Staaten wurde der Knabenaohiader
wie der HochTeniter behandelt mid mit dem Tode bestraft, wie
Mommaen in aeiaer Bdmischen Geachichte mitteUk Ja. der ger-
maniaeben üneit yor Emf&hnmg dea Gbrietentama wurde die
widematOrliohe Unsacht za den Neidmgawerkeo, d. b. den todea-
wfirdigen Yerbrechen geieohnet, sie galt tOx eui Zeichen veriehtlicher
Die deataobe ÜberseUuog nach D. Johann Jakob Beiike. Lemgo 1764.
Frtthfiie BtrafrecbtUcJw Benrtettnng.
QeamnüDg und wurde mit dem Tode bestraft') Htoh dem Geeeti
der Goten*) wurde der Sodomit feEwtOmmelt ond im GeOngnia in
Ketten gelegt, mn Bone m thm Kaeh der Sinftlmmg dee C9iiieten-
tums blieb die Bftdefaetie immer noob ebnfbar, da die AnfKusang
der Juden Aber die der Griechen den Sieg davontnig. Allerdings
spricht Badeck<>) eine andere Ansicht ans. Widematfirliche Befrie-
digung des Geschlechtstriebes, namentlich die Päderastie, ist zwar,
wie er glaubt, den Germunen nicht fremd geblieben, von Strafen
aber üüde sich in deutschen Rechtsbüchern nichts. Erst als ans
politischen und wirtschaftlichen Ursachen das Römische Recht auf-
genommen wurde, sei dies geändert worden, und da sei ausser harten
Strafen auf Kuppelei^ Abtreibung der Leibesfrucht u. s. w. auch auf
widernatürliche Unzucht die Todesstrafo gesetzt worden. So wurde
durch Kaiser Karls V. Peinliche Gerichtsordnung diu Sivdk des
Feuertodes bei Päderastie verhängt. Josef TT. rechiK tc 1787
Bestialität und Unzucht mit dem eigenen Geschlecht unter die poli-
tischen Verbrechen. Tm anf:^eiuemen sind die Strafen immer milder
geworden. Doch wunleu noch im Jahre 1750 in Paris zwei Pftde-
rasten verbrannt.*) In neuerer Zeit giebt es sogar Staaten, wo jeder
mannmännliche Verkehr straflos bleibt, wenn nicht besondere Neben-
umstände, z. B. Anwendung Ton Gewalt, hinzukommen. Mit dieser
Beschr&nknng ist in Holland und Italien mannmännlicher Verkehr
freigegeben, ebenso in Frankreich.'^) Auch der Code Napoleon
hatte die Bestrafung abgeschafft; selbst in mehreren deutschen
Staaten war, bevor nach Begründung des Deutschen Reiches die
Frage einheitlich geregelt wurde, Strafbukeit nicht Torbanden. So
war die Fiderasfeie Drei gegeben in Bayern nnd ancli im ehemaligen
■) Biehard SohrOder: Lehrbnoli der deutschen fiechtsgoeohiohte. 2. Aufl.
Lelprig 1888. S. 78.
') J. Tissot: Le Ihroit penal. EtudU dam sea prineipes, daru ses usagea
et Its hia dam les dfrers peiiphs du monde oh Fntroduotion phüosophxque et
hittorique ä i'etude du droit cnmind. Troiaicme iditum, 2bnt0 Moond. Paria
1888. 8. 806. (la diesem Werke findet sieh ttberiumpt eine gute Ziauimea-
•tflilmtg nicht nur der Strafen gegm Ftderastie, sondevB gena heeondei« ailoh
tber die kriminalistisohe AnIftiBmog der SitÜidikeitsverlaMhen la den yw
Bohiedenen Zeiten )
') Wilhelm Kadeck: Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Deatach-
lend. Mbralhietoriadie Stndieo. Jene 1887. S. 188 nnd 4ia
Bros oder Wörterbuch ttbcr dio Physiologie nnd Über die Natur- und
Knltnrgeschichtc des Menschen in Hinsicht anf seine SeKoalittt 1, Bend. Nene
Attflat^'e. Rtuttgan 1849. S. 662.
") ii&uz V. Liüzt: Lehrbuch des Deutacben Straf rechts. 4. Auflage.
Berlin 188L
Kell, Sontr. BeBnlnfaBdnag. 30
466
IMIme sCnfreehfUehe BftiirteUiiiig.
KOnigratoh Hanno Ter. GeiiohtlieliQ Bedentong iSud sie in Bayern
nur, wenn bei ihr Gewalt angewendet wurde, ans ihr fttr den Ge-
sehSndeten Naohteile entstanden, oder anoh TeifBhrang eines jangen
Henaohen lor Pftdeiastie in Fkage kam.^) Anoh die PreussiBohe
Wissensobaftliche Deputation ftr das Mediiinalwesen hatte sieh seiner
Zeit fttr Streidrang des Stra^aragiaphen ansgesproehen. Damals
sasssn in der Deputation Lehnert, Jüngken, Langen beok,
Honsselle, Tirohow, A. W* Hoffmann, Bardeleben, Skrseoska,
Martin und ?. Horn. Sonntag') bedaneite alleidings mit Beeht»
dass man die Deputation in Tli&tigkeit treten liess, ihre Besohlttsse
aber ignorierte. Das Gutachten stammt Tom 24. März 1869; es
scheint, dass der damalige Justizminister Leonhardt nicht abgeneigt
war, ein Gesetz entsprechend diesem Gutachten zu bednirdgeü,
während der Kultusminister v. Mühier') fflr Beibehaltung dei Be-
strafung eintrat.
Im Kanonischen Recht war die widematOrliche Unzucht stets
verboten. Wie Bocquet*) und andere berichten, haben u. a. die
Konzile zu Tours (567), Aachen (802), London (1102) strenge Be-
stimmungen gegen widirnatüriichen Verkehr aufgeuijmmen. Bur-
chard*) erzählt u. a., dass am 25. Juli 1505 vier Leute in Korn
gehängt wurden, von denen der eine conduxit quemdam suum iuvenem
sodomitis pro pecunia. Während wir in Deutschland die Bestimmung
haben, dass widernatürliche ünzndit zwischen Männern strafbar ist,
besteht eine solche Besch rfinkung für Weiber bei uns nicht. Im
österreiohisohen Stra^esets*) ist dies anders, es werden dort auch
J, B. Friedreich: HaDdhuch der gericht^rztlichen Praxis, 1. Band,
2. Ausgabe. Begensburg 1855. S. 272, und J. Mair: Juristisch-medizinischer
Kommentar der neneu kgl. bayerischen, kgl. preoasisohen und kais. kgl. ö^ier-
nidüidiMi 8tia%iMetzgebaog, fSr StMtssawilte, BiohtaTf Yertoidiger und Inle.
9. BaiuL Angalmig IMS. S. 8 t
- ) Drei Bemerkungen zu dem Entwnrf eines Stni^geseteliDohM. Ooit>
dammers Archiv für Strafrecht 1870, 18. Bd., S. 23.
- ) § 143 des preussischen Strafgesetzbuches und seine Anfrechterhaltung als
§ 169 jm Entwnzfo ein« StnlSfeeetihadieB ftr den NorddentBehen Band. (MEaae,
fiMdbwinanadiiltliehe Zuduift an Seme EzcellMis Hem Dr. LeonhardL
Leipzig 1869. S. 6.
- ) Lucicn Bocquot: Le Oelibat eeäetiß$tigue juaqu'a» Ometie d» ü^enU,
Paris lÖÜö. S. lUö uud 200.
Johanni9 Surekardi Dtarkm, Tute public par L. Thua^ne; IbmB
ni 1885, & 897.
") Eduard R. t. Hof mann: Lehrbuch der gcrichtliohen Medizin. Mit
gleichmässiger Berücksichtigung der deutschen und äBterreiobisohen OMetcgeboBg.
7. Auflage. Wien nnd Leipzig 1895. S. 167.
467
IVmme nadi § 129 strafiraohtlioh Teifolgt^ doch aoU das neue (toter^
nidüMbo Stialigesels die Inkoiueqiieiis des deotsohwi Stiai^aiagnphen
befolgen.
Das BoBsisehe Stn^esetebneh bedroht mit sehweier Strafii die
widemstOifiobe üiuncht. Iq dem Qesetsbaoh der Enminal- xaad
Korrektiensstrafen naflh dem AUgemeinen Bnssisobea Bflichsgesetsbaob
Yom Jalne 1857 lauten die einaclilägigen Paragraphen:
% 1948. Ein des widernatürlichen Verbrechens der Päderastie Über*
wiesener unterliegt hierfür der Entziehung aller Standesrechte und der
Verweisung nach Sibirien zur Ansiedelung, ist aber dem Gesetze nach
von Leibesstrafen nicht ausgenommen, znplpich auch der Bestrafuner mit
der Piette') durch Henkei^hand (in dem in Artikel 22 dieses Gesetzbuclies
für den zweiten Grad der Strafe dieser Art festgesetzten Masse). Übrif^uns
wird er, vvenn er Christ ist, der Kirchenbasse unterworfen, nach An-
ordnung semer geistlichen Obrigkeit.
§ 1349. Wenn das im vorhergehenden Artikel 1348 bezeichnete
Verbrechen mit Gewaltthat verbunden war oder aber an Unmündigen
oder Schwachsimiigeu verübt wurde, so unterliegt der Schuldige der
Entziehung aller Standesrechte und der Verweisung zu schwerer Zwangs-
aibeit in Feitnngen anf eine Zeit sehn bis awSlf Jahren, ist aber
den Gesetse naoh Yoa LtibeMtralini nicht ausgenommen, zugleich rach
der Bestraftug mit der Pletto durah Henkanhand (in dem in Artikel 21
dieses Gesetslmehes fesf^sselstan Masse).
Wie ich höre, sind in neuerer Zeit die Bestimmungen wesentlich
gemildert worden. Dass übrigens trotz der Androhung strenger
Strafen in Bnssland Päderastie und Sodomie, besonders auch in
Adelakreisen vielfach Torkommen, ist sicher. Aus neuester Zeit weiss
ieh von einer Skandalgesohiohte ersten Ranges. Ein angesehener
roasisoher Offizier — in exponiertester SteUmig — Hess sich in homo-
sexuellen Verkehr mit Soldaten ein. Von der Bestraflmg des CMBiiers
habe loh niöhts erfahren.
Qanz in Übereinstimmang mit Voltaire, der die gesetiliohe Prei-
gebang der Pftderastie bei den Mnselmanen beatrltti berichtet Eohler,*)
dass a. B. bei den Sehiiten Pftderastie im dritten oder vierten Bflofc-
M mit dem Tode bestraft worde^ nnd ebenso stand Todesstrafe bei
der Tribsdie anf den vierten BflekfidL An anderer SteUe*) wird sogar
- ) netto ist ein Iiiatxomeat nm Bohlagsn.
«) Kohler: Über das idamitisohe Strafredit Der GeiieUaaaaL 41. Band.
Stnttgart 1RR9. S. 306.
•) Ebenda Ö. 812.
80» .
468
nütgetoilt, duB Fidenrti«, mtm m» FoUsfcfindSg amgeflUirt wntde,
flberluiapt mit dem Tod» l)6stnft iroide, und diBB lelolitfln Stnfoi
um auf unToUlniiimm Ausflihniiig standen.*)
Wi6 Eohlar^ l»oriolitetk ikand bei den Aiteken yUHSuä die
Todentnfe anf «idomattrliohe ünsaeht. In einigen Qegeodea m<
brannte man den Sodonüten oder eiitii^ ihn in Asohe. Dies geeohali
I. B. in Teionce, wo man dem duldenden Veil logldoli die Bingeweide
hennuilsB. In Izcatlan sei jedoch die widematörHohe TJnsaoht straflos
gewesen. In den Staaten von Anahnac wurde diese an gewöhnlichen
Leuten mit dem Strange, an Priestern mit dem Feuertode bestraft,
wie Klemm*) mitteilt. Einige weitere vergleichende ethnoiotiische
Mitteilungen über die Bedeutung und die ^Strafbarkeit des homo-
sexuellen Verkehrs gab Post*) Mit der ihm eigenen Gründlichkeit
erwähnt er das mosaische, altschwedische, norwegische Recht u. s. w.
Auf höheren Kulturstufen, sagt Post^ schwächen sich die Strafen
für unnatttiliohe Ueschlechtsvergehen ab und verschwinden zum
Teil ganz.
Von den Bestimmungen des Strafgesetzbuches für das
Deutsche Reich kommen für die Urninge veracliiedene in Betracht;
der wichtigste ist der § 175; er lautet:
„Die widernatflrfiche ümiioht, wdche iwisohen Pereonen mftimUdheii
QemhleditB oder TOn Hensdten mit Tieren begangen wird, ist mit Oe*
flngnis in bestrafbn; anoh kann anf Verlust der bflzgerlichen Ehrwireohte
erkannt werden.*
Verhältnismässig selten hat das Gericht diesen Paragraphen
anzuwenden. Es wundem sich einige darüber und meinen hierin einen
Widerspruch mit den Angaben über die Häutigkeit homosexueller
AVte 7Ai finden. Ich glaube, dass diese beiden Erscheinungen mit
einander vollständig in Einklang stehen; stets sind bei der wider-
natürlichen Unzucht zwei Personen beteiligt, die sich gewöhnlich
beide strafbar machen. Dass unter dieeen Umetftnden selten einer
- ) Als Quelle hierfUr nennt Kohl er: Querryt Droit Musulmav, IS71 fg.
- ) J. Kobier: Das Recht der Azteken. Zeitschrift füi vergleioheude Hechts-
wisaenschaft, 11. Band. Stuttgart 1892. S. 97.
- ) Onsiair Klemm: AUgmeinelMItar-OeedliiolitoderXeiisehhmt &Biiid.
Die Staaten toh Anahvao und das alte Ägypten. Leipzig 1847. S. 86.
- ) Albert Hermann Postr Gmndriss der ethnoiogiBchen JvlqifflUleilBi
S. Baad. Oldenboig and Leipzig 1895. S. 891 1
BeiohBgerichtsentäckäiduagen.
469
ein JaAentm die Saobe anzuzeigen, und dazs nur In einer relatlT
Idflinen Zelil der iUIe das Gericht von der Yerietsong dee Gesetme
Eenntnis erlOXt, ist selbstyerständlioh. Es kann keinem Zweifel unter-
liegen, dass wenige Gesetze so häufig übertreten werden, wie gerade
der § 175. Betrachtun wir jetzt (lieseu Paragraphen c^enauer. Zweifel-
haft iöt hier, was man unter widernatürlicher Unzucht zu verstehen
bat Die Rechtsprechung Ober diese Frage ist reich und zum Teil
widersprechend. M Es muss widernatürliche Unzucht streng geschieden
werden von unzüchtigen Handlungen,^) die der § 176 des St.-Q.-B.
unter gewissen ümRtnnden bestraft In älteren StrafgesetzbOohem
war der Begriff der widernatürlichen Unzucht noch unklarer gedacht
als im gegenwärtigen; die jet7ip:e Fassung des § 175 ist wesentlich,
dem § 143 des früheren JPreussischen St-Q.-B. nachgebildet Hier
war hauptsächlich nur an Inmissio membri in anum gedacht Die
Motive zum Deutschen St-G.-B. erläuterten den § 175 so, dass die
Bestimmung des früheren Preuesieehen St.-Q.-B.| eoweil sie aioh auf
Sodomie und Päderastie beziehen, in jenes übernommen werden sollte.
Naoh Beichsgerichtsentooheidong i^llt nicht jede sexuelle
Handlung zwischen Männern nnlier den Begriff der vidematfirlichen
Unznelit» vielmehr mms, wo Ton dieier geq^roohea werden sdU, ein
Fall Toiliegen, der dem natargemlasen BeisohUif ähnlich") ist Ednes-
wegs ist aber hiertiei erforderlich irf membnm m atmm immiUaiur;
ja, es ist zur Anwendaag des § 175*) moht einmal notwendig, dass
ftberhanpt das Glied in eine Körperhflhle des Mannes eingeltthrt wdrde.
Ss ist beisplelswäse, wie eine BeiehsgeBchtsentsdieidnng üratgesteUt
haty Beiben des Gliedes am Ohersofaeakel dee anderen als dn dem
Beisehlaf iiinlicher Akt anbofiwsen nnd demgemiss naoh 8 175 za be-
straftn.*) Ebenso ist es nicht notwendig zur Anwendung des § 175,
dass Samen entleert werde; viehnehr kann schon vor Erregung des
Wollnsttriebes eine strafbare Handlung Torhanden sein. Auch ist
durch das Reichsgericht die Möglichkeit ausgesprochen worden, nur
den einen Teil zu beätrafen/') wenn bei dem andern Grande für
^) A. Da Icke: Str&frecht und Strafprozess. Eine tiammlaiig der wiohtigsten
«Ub ginfreeht imd das Stiafgegfakren betrafbaden Owette. Zum Htiidgebiinebe
für den prenfsiscben Praktiker eiUtatact «ttd lienaigtgebeil. 9. Avflagp. Bolin
1880. S. 309. .Anmerkuiit^: 72,
- ) Erkenntnis des Reichngerichts vom 91./IV. 1880.
Eecbtsprfichuug des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. I, S. 662.
- ) Erkemitaii dflt Bcichagniohti vom S8./IV. 1880.
Erkenntnis des Bdohsgeriohts vom 23./IV. 1880.
- ) UrtoU des Beidhigeiifllite im &/IL 1880.
470
8olnrf«rig]GeifaiL in pnot
StniftninoUim ToAinden siiid, s. B. dn SoUaftostand oder Stnf-
fumtodigkeit
Aadereneits ^d uufiehtige Hmdlungen mid widemslBTlnlie
UnniQht dnioh das Bdclisgerielit streng gisdiieden woideo, eltonso wie
bd Entstehung des § 175 eine selelie Trennnng abtHsbClielL verlangt
wnrde. So wurde in einem Fall die Entscheidung des Vorderrichters,
der Manipulationen am Gliedc durch eine zweite Pereon nach § 175
für strafbar erklärt hatte, vom Reichsgericht umgeändert, weil dies zwar
eine unzüchtige Handlung, nicht aber widernatürliche Unzucht sei.*)
Onanie eines Mannes durch einen andern und gegenseitige Oii;tnie
sind daher striiflas, wenn nicht durch gleichzeitige Komplikationen
der Akt „bejschlafsähnlich" wird. Dass hier die Abgrenzung ziemlich
willkürlich ist, liegt auf der Hand; denn es ist dem subjektiven Er-
messen des Richters nnheimgeRtellt, was er unter heischlafsähnlich
versteht. Nach Oppenhöf f^j smd einfache Umarmuni^pn hei der
wechselseitigen Onanie noch nicht genügend, den Thatbestand des
§ 175 zQ erfoUen; daza gehdre vielmehr das Beiben des Gliedes an
dem EOrper des andern.
Wichtig ist endlich noch, dass das freiwillige Dolden der
widernatarliehen Unsacht seitens eines Mannes diesen gleichfalls
strafbar macht, selbst wenn er BeMedigang des eigenen Gesohleohts-
triebes nldht gesnoht hat.
Die Strafbestimmmigen imd die Anslegong des § 175 seheinen
bei oberfliohlioher Betnushtvng recht ein&oh in sein. Die Ftails
aber seigt» wie schwierig es ist, den Thatbestand des § 175 im kon-
kreten FUle ftstsnstellen. Bei Jmmiuio nmtbri in amm ist svar
die Sache kbur. Schwieriger Hegt sie, nnd dies sind wohl die hiofig-
sten Fülle, st mmAnm apprmmtur äUeiti parH eorparia aUerku, In
sohdien lUien hängt die Frage der Stnfbarkeit wesentlioh dam ab,
ob Friktionen ansgeflbt worden sind* Die dnfhche Aneinandei^
lagerung der EOrper genügt, wie wir sshen, nicht, Strafbarkeit her>
') Erkenntnis des Reichsgericht» vom 34./IV. 1880.
^) Das Strafgesetzbuch für das Deatoche Beicb, erläutert durch Friedrich
Oppenhofl 18. Ausgabe, beransgegoben voa Theodor Oppeahoff. Berlin
1896. S. 419. DaM dmoh dio Beielitgwioht— ntabheidimg vom Sft/IT. 1680
hrnnüsio penis in eavum nicht nötig ist, um § 175 an7.uwendeD, sei bei diesem
Antor besonders erwähnt In einer früheren Auflapp dos Bachpf» «iowie nach
Budolf und Stenglei a (Stra^eaetsb. für das Deutsche Beicb) war nämlich,
wi« Krafft-Sbing (JF^chopaAüt uxuaKg, wü b6wmderar Berücksichtigung
dtt hontiirai Sexaalempfilidiiiig. Kno UiniMdi-ftfeDiisQiie Studie, th Anflsgo.
Stuttgart 1891. S. 383) mitteilt, Immissiö penis in eorpm «mmmi flr oiDO
Yorbedingang erklärt worden, vm § 176 aiiniweDdeii.
§§ 183, 180.
471
iMiniftdiim Finden hieibei Eeibimg«n ttatt, d. h. Bevegongen ^es
Koipen oder beider Körper, so tritt Stnfbnkeit ein, weil dadurch
der Akt „beiscUaftUmUeh werden eolL Man Tergcgenwirtige aioli
nnn den konkreten Fan« wo der Beteiligte vor Oericht anssagen soll,
ob er bei dem Akt BewegoDgen gemaekt babe od^ nidit Eine
solche Feststellung ist in Wirklichkeit so schwierig, dass ich mir
Oberhaupt nicht denken kann, wie auf Grund einer solchen
Beurteilung der Frage ein gerechtes Urteil zu stände
kommen soll.
Dem § 175 eine Auslegung zu geben, die den mannmännliohen
Verkehr ohne Beschränkimg gestattet, ist unmöglich, da bei der
Ausle^in? das Gericht die Entstehung des Paragraphen und die
Motive zu (lomselben in Betracht zieht Eigentlich ist es allerdings keine
widernatürliche Unzucht, wenn der rait hümosexnf'lleni Trirliy be-
haftete Mann geschlechtlich mit Männern verkehrt. Dies ist für ihn
ebenso natürlich,*) wie für den weibliebenden tfann der Qeschleohts-
Yorkehr mit dem Weibe.
Wichtig ist anob der § 183 des St-G.-B.:
„Wer dniob eine nnifichtige HBadlaog Olbnflieh ein Ärgemiä giebt,
wild mit Oeftognis bis m iwoi Jabren oder mit Geldstrafe Ms xn
fttnfbnndert Hark bestraft.
Neben der Oeftagnisstrafe kaon auf Verlost der bfiigerlioben Ehren-
redite erkannt werden."
Hieronter worden, wie es in der That bereits in praxi der Eall
war, n. a. öffentliche Befflhningen der minnliohen Genitalien an
rechnen sein.
Anch die Kappelei-Paragraphen kommen nnd kamen achon in
Frage; ao der IBO dea St-G.-B.:
„Wer gewohnt eitsraftssig oder aus Eigennutz durch seine Vcr-
mittelung oder durch Gewährung und Verschaifung von Gelegenheit der
L ozucht Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Getangnis bestraft o. s. w."
Ea ist anadrflekliob Tom Gericht anerkannt worden, daaa dieser
Paragraph anch beiünmdhtTon minnlieben Individuen nnter einander
•) Nach Franz Xav. Biunde (Versuch einer systematischen Behandlung
der empiriBcben Psychologie. 2. Band. Trier 1832. S. 559) enthält jede Unzncht
ein lauiattalidiea Strebes, imd Biunde «orleiidieidel^ dine aber genaner die
üntenehiede aniogeben, «ae nnnatariiehe nnd eine widernatSilidie ümaeht.
Unter der Pflege der ZiriliflatioD rege sieh flbeibanpt der Oe^echtstrieb kaam
noch natttigemlea.
472
angewendet weiden kann- Beispielsweise wntde er gegen einen Mann,
der in einem von ibm gemieteten Baum Znsammenkünfte von P&der>
asten Teranstaltete, lu Anwendung gezogen. Der Einwand des An-
geUagten, dass ea aieh nm Verkehr fon Mftnnem nnter einander handler
wnrde ala nieht atichhaltig inrftekgewieaen.
Anf andere Beatimmmigen dea St-G.-E, die fBr den homo-
sexuellen Yerkehr wichtig sind, mOohte ieh nicht eingehen, da deren
Anwendung keinen weaentliehen Sehwierigküten unterliegen dürfte.
Sa kann t, E aueh § 176 angewendet werden, der unsüohtige Hand?>
lungen an Personen unter 14 Jahren bestraft n. s. w.
Zu berflekriehtigen ist ferner der § 51 dee 8i-Ch.-E Er lantet:
„Eine stt ai bare Handlung ist nicht Vürhanden, wenn der Thftter zur
Zeit der liegt liung der Handlung bicli m einem Zustande von Bewusst-
losigkeit oder krankhafter Stürung der Geistesthätigkeit befand, dnrdi
welchen seine freie Willensbestimmnng ansgeschlossen war."
Wenn sich schwere psychische Erkrankungen, z. B. Dementia
parcUfftka, linden, oder wenn die Befriedigung des perversen sexuellen
Triebes als ein psychisches Äquivalent epileptischer Anf&Ue zu be-
trachten ist, 80 wflrde auf Grundlage dee § 51 iweifeUoe Strafloeig*
keit bestehen.
Es sind aber nnr in einer relati? kleinen Zahl der XUle gleich-
seitig mit der konträren Sexualempfindong schwere psychische
Störungen Torhanden. Freilich haben sieh in neueier Zeit viele saoh-
Tocstfindige medislnisohe Autorititen dahin ausgesprochen, dass es
sich bei perversem Senudtriebe um einen pathologisehen Yeigang
handelt; ja, viele (Krafft*Ebing, Magnan u. s. w.) heben aus-
drflid[Iioh hervor, dass die Erscheinung immer oder ftst immer ein
Symptom sei, das in Begleitung andeier Symptome vorkomme, wie
wir sie gewohnlioh bei Degenerierten antrefifoa. Sicher ist es^ dass
wir in zahlreichen Fällen noch andere nervftse oder psychische
Störungen finden. Der Sachveistlndige wird sich in keiner Weise
durch anseheinende Gesundheit des TTmings dazu bestimmen
lassen, das Yorhandenseln anderer Symptome zu bestreiten. Er wird
insbesondere die normale oder sogai gesteigerte Intelligenz und
sonstige hervorragende geistige Anlagen des Urnings nicht als einen
Beweis von dessen Gt-bundheit betrachten.
Immerhin sind, wie Krafft-Ebiug^) sehr richtig hervorhebt,
') R. V. K rafft- Ebing': Psyrhnpafhia sexnalis, mit besonderer Berück-
sichtigung der kouträieo Bexualenipündaug. £iae klinisch-forauüsohe Studie.
9. Auflage. Btattgart 1894. S. 884.
473
gvwOliiduh doch mu solohe andenraitige StOnnigini Torbandfln, die
bfli dir hemcliendsii Analegnng des gmonton Fftiagnipliea nioht
atraliewehliflagend wirken, yoimesetnmg für die Sizafloeigkeit ist
naeli diesem Pangzaphen, dass entweder ein Zustand von Bewnsst-
losigkeit oder Ton kranUiafter Stönmg der Geistesthatigkeit Torliegt
Dass dnreh einen dieeer Zostlnde ausserdem die freie WiUens^
besttmmnng ansgesoldessen sein mnss, ist eine weitere Yorans-
setnmg.
Da der Begriff der Bewvsstlosigkeit^) nach einigen Auslegern
wesentlich auf transitoriache Störungen des Selbstbewusstseins an-
gewendet werden muss, entsprecheud der Entstchungsgescliichte des
Paragraphen, so wird zwanglos nur ein Teil der perversen sexuellen
Akte unter den Begriff Bewusstlosigkeit fallen. Es wäre diese wesent-
lich bei Handlungen zu vermuten, die entweder im alkoholischen
Eauschzustand oder in epileptischen Zuständen vorgenommen werden
oder die einen so deutlich impulsiven Charakter tragen, dass num sie
gleichfalls aU im Zustande der Bewnsstloeigkeit ausgeführt ansehen
konnte.
Wenn wir weiter untersuchen, ob man die gewöhnUohe Homo-
sexnalit&t eine krankhafte Störung der Geistesthätigkeit nennen kann,
so haben wir zu erwägen, dass dieser Begriff viel mehr nm&sst als
der Begiiff Geisteskrankheit In den Fallen, wo ansser der reinen
HomosexuaUtat noch zahlreiche andere Symptome psjclusoher Ab*
normitftt Yorliegen, wird es niobt so sebwer sem, m diesem weiteren
Sinne die Homosexaalitftt als ehien Znatand krankhafter StOrong der
QeSstesthftti^cdt sn betraebten. Nnn wird aber mebrfSub bebanptet,
dass es PlUe gebe, wo ausser der Homosezoalität kein abnormes
p^jobisobes Yerbalten geAmden wird. Haben wir nnn das Beeht»
aneb bier Ton einer krankbaften StOrong der GMesthätigkeit sn
spreeben? lob glanbe diese Flage bejaben sn kOnnen, weil iob den
bomoseznellen Eontiektationstcieb ftr etwas Erankbaftes*) an sieb
halte nnd weil der Eontnktationstrieb als ein p^oldsebes Symptom
unter dieeen weiteren Begiiff der Geistestbltigkeit ÜBUt loh glaube
niehti dass wir uns Uer imr auf die sogenannte Intelligens sn be-
sehrftnken branoben. Wenn wir femer berücksichtigen, dass in
neuerer Zeit psychische Entartungszuätcindti trotz intakter Intelhgenz
') S. hietHber: Sokwartser: Die ffftW!mrtilctigkffilinBi1iii^i\ TBbiagea
1878 nnd R. t. Krafft-KMng: Ldubagh dar gmoktt. Ayduqiatlifltogie^ 3. Anf-
lage. Stuttgart 1892.
Über Ausnahmen in der Zeit der Pabert&t 8. S. 431.
474
dem Begriff „krankbafte SUnmg der GMateslAfttigkeit* eingefOgt
worden, so werden wir einen kontrir entwickelten p^duedhen Ge-
schleohtediiBrakter f^dehfaUs bierher rechnen dfirfBii. Daee die Zabl
der £|7mptome hierbei keine BoUe epielt» das babe iofaO ai^ anderer
Stelle atugefilbrt
Barans folgt aber noch nioht im mindesten eine Straflodgkeit
des Tbaters; denn yoraassetzmig fOr diese ist naeh § 51 nioht nur
das Vorhandensein eines Znstandes von Bewnsstlosigkeit oder krank-
hafter Stdrong der 0ei8testhAtigkeit> sondern der AnsseUnss der freien
WiUensbestiinmnttg dnreh diesen, nnd in dieser BeaiehTing werden wir
jeden einzelnen Fall genau zu prüfen haben. Ich mochte schon hier
erwähnen, dass die freie Willensbestimmnng, wie sie der § 51 auffaßt,
bei den meisten sexuell perversen Akten nicht fehlen wird. Selbst
wenn eine Hyperästhesie des Geschlechtstriebes vorliegt, y.'m\ m den
meisten Fallen doch nur eine Herabsetzung der freien Willens-
bestimmung, nicht aber ein Ausschluss vorliegen, und deswegen werden
wir den § 51 nur in den aiierseltensten F&llen auf homosexuelle
Akte anwenden dürfen.
Immerhin mtlssen wir doch berücksichtigen, dass bei ver-
brecherischen Handlungen, die sich als Zwangshandlungen Degene-
rierter charakterisieren, kein Bedenken entstehen wtlrde, den § 51
anzuwenden.*) Nicht mit Unrecht identifizieren E. Josch und Birn-
bacher') gewisse sexuelle perverse Akte mit den Zwangshandlongen.
Ähnlich spriobt sich auch Magnan*) aus, der wenigstens die sexuellen
Vorstellungen zum Teil den ZwangsTorsteUnngen an die Seite stellt
Endlich wäre noch die Frage an erOrtem, ob man nicht den
§ 52, der alle diejenigen Handlungen ftr straflos eiUArt» \m denen
der Tbftter unter dem Einflasse einer nnwiderstehlteben Gewalt ge-
handelt hat, aneh fttr homoseznellen Gesehledhtstrieb anwenden könnte.
■) Albert Mnli: ün t^rsacbiiDgea llbet die Ltbido HomaUt, 1. Bind,
2. Tcü. Berliu ihyb. S. 735.
') Vgl. hiensu v. Krafft-£bing, Lehrbuch der gerichtL Pi^ohopathologie,
a Aufl. Stuttgart laW. & 808 ft, wo ^ hnpnkiTtt ImMiii bdundelt ist, und 814 f.
Wer etwa von dieser Äaffassung das Wiederaafleben dor Monomanie beförchte^
don verweise irli auf S. 310 des eben zifierteii Krafft-Ebinffischen Baches,
desgleichen auf Albert Moll: Untersacbougen ttber die IJhHo scrualis^ 1. Bd.,
2. Teil, Berlin 18d8, S. 517—693, wo ein ganzes Kapitel dieser Frage gewidmet ist
') C. Birnbaoher: ffin fUl tob lumtriMr Semileaipflodtnig for dem
StialiKericht, in Fnedreiohs Bl&ttnm t geiicha. Medinn lB9t & 9 f.; hittin
ist auch Joschs Gutachten enthalten.
- ) I.'obscmion crimivrU>' 7}iorhük, übarsetat von Dr. Lewald, 8ap..AhHfHcfc
aus Betx's Irrenljreund, ]\r. a n. 4.
475
IhdfflBeii «dieineB hier zwei Hindeniisse im Wege m stehen: entens
wird man miter Gewalt gewöhnlich nur eine physische Gewalt ver-
stehen, und wenn auch prinzipielle Bedenken nicht entgegenstehen,
so scheint der bisherige Brauch des Strafgesetzes hier nur physische
Gewalt verstanden zn haben; ferner aber würd'e, sdhst wenn man
einen psychischen Akt Lierunter rechnet, es kaum möglich sein, einen
inneren Trieb als Gewalt zu betrachten, da der Begriff der Qewalt
gerade etwas von aussen wirkendes emscJilie.sst.
Anch sonst dürften die Gerichte wohl wenig Neigung haben,
den Geschlt'rhtstrieb für eine unwiderstehliche Macht zu halten. Es
ist Rehr l»edauerlich, dass wir nicht im at:inii(' sind, die Stärke des
Geschlechtstriebes eines andern zu beurteilen. Man darf hier nicht
yerallgemeinern und einfiudi von sich auf andere scbli essen; freilich
ist es vielleicht nicht opportan, eine unwiderstehliche Stärke des
Geschlechtstriebes zundassen; dies darf aber von der Wahrheit nicht
abhalten. Nach Casper und Liman hnt der Geschlechtstiieb nicht dm
Ghankter dar Unbezwinglichkeit; kein anderer Trieb kann nach ihnen
80 gezflgelt irerden, wie der Qesohleditotrieh. Ich glaube, dasa eine
soldie Bflhemdning des Qesehleohtstiiehes oft nur durch physische,
nicht daioh piyohische Hittel möglich ist AhnHch wie Odysseos
bei dem Qesange der SKrenen nnr dadurch gumckgehalten werden
konnte, dass er physisch gehindert wnzde, sich der Yerfllhrong ans^
sosetieiiy ganz ebenso liegt ob mitonter bei dem Geschlecfatstziebe.
Yoistellungen von ungOnstigen Folgen genügen hinfig niohti ^en stark
hervorbrechenden Geschleditstrieb in dem Sinne in zügeln, dass das
Erstreben einer Befriedigung aufgegeben wird. Wenn FMn Keller^)
gegenüber Er äff t-B hinge und meinen Ansfiihrungen einwendet, dass
wir durch sie jedes Yerantwortlichkeitsgefühl aufheben, so trifft das
nicht zu; es kommt auch für den Psychologen hierbei zunächst nicht
auf die weiteren Folgen, sondern auf die Wahrheit au. Ich glLiubo,
dass durch deren Erforschung das EechtsgefQhl mehr gewinnen wird,
als durch ödes Moralisieren.
Halban^) betont, dass in jedem Fall Ton konträrer Scxual-
empfindung die Zure( hnungsfthigkeit des Individuums geprüft werden
müsse. Nach seiner Ansicht soll bei derartigen Leuten seihet dann
diese Frage au^eworfen und erörtert werden, wenn nicht der sexuelle
>) S. Keller: Wird die SiUlichkeitsbewegong nogen? BerUn 1892. S. 6.
SellNrtveilag der deutobhea Sittliehkaitmf^M.
- ) Artikel «Oontm« Sexaalempfindttng* in Bnleabargt R«aIeneyklopiditt.
9. And.
476
ExoesB, sosdem iigend eine andeie leohtswidiige Haadlmig Qegenstaad
geriohüiQher üntenoeliiing ist, weil eben die eeuieQe Pemnioii an
sieh ^ Symptom aei, du die geistige Gesondlidt in Frage stelle.
Sehnohardt,^) Freyer n. Terlangen, daas bei jeder Art wider-
natOrlicher geadhlechtlieber Befnedigong geiiolitsintUelie Gntaebten
eingefordert werden.
Wichtig ist endlieh noeh die Bemerkung von Fftratner,*) der
bei einer Didnuaion Uber die kontriiie Semalempflndnng die
SbnnlatioDBfTage anfwarf. Simalation ist naoh ibm bei Mfennero sn
fftrebten, die perverse sexuelle Akte ausgeführt haben und, weil sie
dafür strafrechtlich verantwortlich gemacht werden sollen, die ihnen
bekannten und vorher studierten Zeichen, z. B. solche der Epilepsie,
simulieren, um dadurch straffrei zu werden.
Für den Fall, dass Immissio petiis in anum vermutet wird, kann
die geriohtsärztliche Diagnose grosse Schwierigkeiten bereiten. Die
verschiedenen Forscher anf dem Gebiete der gerichtlichen Medizin
haben schon seit mehreren hundert Jahren Zeichen gesucht, um
Anhaltepunkte f&r die Ausübung sowohl der aktiven wie der passiven
Fftderaatie zu finden. Ohne aber irgendwie diesen Forschem zn
nahe treten sa wollen, aoheint es mir, dass nnr wenige in der Lage
gewesen sind, persönlich positiTe FeststeUmigen in nuutei. Die
Ton ihnen angegebenen Zeiohen gehen gewöhnlioh ans einem Boeh
in das andere Uber. leh glaube mit siemlieher Sicherheit» die meisten
werden hente sngeben mOsaen, dass mdehs Zeiohen, die besonders flir
passive Flderastle angaben worden, in relatlT wenigen Ftilen tot-
handen sind; man kann daher xonidhst in dem Fehlen der Zeftohen
einen Anhaltepnnht fBr das Unterbleiben der passhren Fiderastie niehfe
finden. Anderersdts aber leigon sieh die oft angegebenen Zeiehen
bei vielen Mtamem, db niemals der Fidensfie oblagen, sodass aaeh
das Vorhandensein jener Zeichen keineswegs als ein Beweis
gelten darf.
Schon Mailiäi im Altertum und Paulus Zacciiias im 17. Jahr-
- ) Schaohardt: Zur krankhaften Erscheinung des Gesohlechtssiniiee.
Zeitaehfift Ar Kedishialbmte. S. Heft Joni 188a
') 14. Vorsammlung der güdweatdeutachen Irrenärste in Karlsruhe am 15.
niifl 16. Oktober 1881. Bericht in der AllgeinfinPTi Zeitschrift für fäjrehiatiie
und psychisch-geiichthohe Medizin. 39. Band. Berlin 1883. S. 80.
Diagnose der PBdewatie.
477
hnndeitk ferner Tardien iL tk. gaben an, daas bei paanver Pidecaatie
der After triehtnföimig eei. Tai dien ^) fügte hinzo, daaa die Notes
eingesnnken, die AfterOffiiimg erweitert^ der Spkinäer am ersohlaft
eei; anoh Einriaae sollen Torkommen. Ednard K Hofmann*)
tritt in objektiver Weise gegen die diagnostiflelie Bedentang dieser
Zeioben anf; da die dntenftnnigen ESnaenkungen, sowie die Ersohlaflbng
der Hinterbaoken viel mehr rom Bmlhmngsioetaiide des Indifidnnms»
▼on seinem Alter abbftngen, und weil andererseits zweifellos babitneQe
passive Päderasten ganz normale Hinterbacken baben. Übrigens ist
in der TJiat das kLztcrc in einem mir ijekannten forensischen Falle
festgestellt worden. Wenn auch miiuater somatiscbe Zeiclieii der
passiven P&derastie vorkommeu mögen, so ist es docb gänzlich ver-
febltf bierans allgemein giltige Gesetze abzuleiten.
Auch die Zeichen, die für den einzelnen Fall wichtig sein sollen,
d. h. nicht für habituelle passive Päderastie, dürften wohl eine
allzu grosse Bedeutung nicht haben. Friedreich') ^ah als diagnostisch
wichtig an, dass unmittelbar naeh dem Akt der After nicht fest ge-
schlossen sei, dass sich an ihm Kotungen, Anschwellungen, Schmerz-
baftigkeit, zuweilen blatige Einrisse zeigten. Da ferner der passive
Teil gewOhnlioh nach dem Akt gleicbfalls Samenergass hat, sei es
spontan, sei es doiob Masturbation durch den aktiven, so ist nach
f riedreioh am Hemde und sonst hierauf zu sehen.
Aucb den Zeiehen, die diagnostisch für die aktive Pftderaatie
wiehtlg sein sollen, messen Caspar,^) Liman und E. v. Hofmann
keine Bedeutung bei. Formyerfindenmgen der Eiobel, wie sie Tardien
beselirieb^ haben naeh diesen Antoren keine foxensisdie Bedenfong.
Wahisehefadieh hat Tardien, sowie die andereui die solche FlUe
hesohriehen haben, ttbereehen, dass anoh ohne Päderastie die Fram
der ESohel erhebliehe indindnelle Diflforsnsen selgt. Bronar del meint,
daas die ]>efoiinitlten der Biehel, die Tardien beaehriebeiL hatte,
wsihnofaeinlieh angeborene Braehdnnngen wazen, die letzterer irr-
tUmBeh in einen nrsäehllehen Znssmmenliang mit der Pftderastie
Ambroise Tardieu: Mude mUieo4egi^ tur Im aUenM$ am moettn,
Bant, 1858. S. 128 ff.
') Ed narr! R. v. Hofmann: Lehrln-^h dor <r<üriohtliohen Medizin. Hit
gleicbmääBiger Berücksichtigung der doutsciieu aod Üsterreiohiaohen OeaetzgebOBg.
7. Auflage. Wien nnd Leipzig 1896. 8. 178—175.
") J. B. Pried reich: Bandbvoh der gwidUsIntlidieB Praxis. 1. Band.
S. Auigaba Begensborg 1866. & fl78 i.
- ) Johann Ludwig Casper: Klinische NoTeUaaiargeriohtliobeiiMedtsiB.
Nach eigonea Brfahxuageiu Berlin 1863. S. 43 f.
478
Diagiuwe der fidüMtia.
brachte. Auch sonst sprach sich BrouAideP) nur sehr Teserrifirt
Aber die objektiven Zaichai der aktiven und passiven Päderastie aus.
Was die eben genannten FonnTerindenrngen betrifft» die dnnb
aktive oder passive PSdemstie an stände kommen sollen, so vergessen
die Autoren hierbei vollstlndig die Haeht oigsnisolier Vorginge.
Wenn man bedenkt, welcher enormen Anstrengongen es bedarf um
kOnstlich Formveiflndenmgen herbeizoflUiren, die der eingeborenen
Bildongstendena des Organismos widerstreben, so ersoheint es kmm
glanbüohf dass selbst dorob binfige passive Fiderastie die Form des
Anus eine sichtbare Andenmg erfahre. Einrisse n. s. w. unmittelbar
naeh solchen Akten halte ich dlenMs noch for denkbar, aber eine voll-
stindige FormverRnderang durfte ksom jemals eintreten, selbst wenn
der Akt ziemlich häufig ausgeübt wird. Es kann dies bei der Päderastie
ebenso wenig erwartet werden wie bei anderen Vorgängen. Wenn
jemand täglich einige Minuten sein etwas abstehendes Ohr an den
Schädel heruudrückt, so wird die organische Bildung hierdurch kaum
merkhcli beeinflusst werden. Es müsste schon ein konstantes oder
wenigstens fast konstantes Andrücken des Obres stattfinden. Ebenso
wenig kann ic-h mir selbst bei verhältnismässig häufig ausgeführten
päderastischea Akten denken, dass aus diesen eine merkliche dauernde
Veränderung des Anus hervorgehen soll. Zerreissungen und Narben-
bildungeu kann ich mir wohl vorstellen ; hingegen scheint es mir
vom theoretischen Standpunkt ausgeschlossen, dass selbst auf Grund
häufiger Formverändernngen, die an dem Anus des passiven PAderasten
vorgenommen werden, dauernde Abweichungen hervorgehen.
Diagnostisch wichtig konnte unter Umständen eine syphilitisohe
Aff'ktion, vielleicht auch Gonorrhöe des Kektums sein; bei dem von
U. Frankel*) veröffentlichten Falle lag diese £rkrankung vor, und
es wurden infolgedessen zahlreiche Personen, die jenen Mann per
itnum gebraucht hatten, infixiert Bei hnmMo penia m o» konnte
Brouardel: Corps 6tranger de VuriOirc, du vatjin d de l'uUrtis. Signes
de pcderaslie passive. Oaxette de« Höpüaitx, 31 Mai 1667; Broaardol:
PidinMi» patm et oetAw. OmtUe d$$ Hopitanmy 28 juin 1887» Coatagae
hat aber in neuerer Zeit bei einem aktiven, während der That überraschtiea
Päderasteu eiuo ring^H^rmigo Furche an der Grenze des vordereu luid mittleren
Drittels der Eichel beobachtet; üofmann, der die« berichtet, sah niomals
Formvcränderongea am rems oder an der Eichel.
- ) Wenn Onstav Jäger (Eotdeefcnng der Seele, 8. Aiifleg«^ enter Band,
Leipdff 1884, S. 258), dessen sonstigre Sacblichkoit in dioMrFrage ich anerküiiMB
mu88, SöWf'it gibt als „eiue besoudere Tugend der Homosexuellen* horvorztiheben,
dass >^M' keine Weiterverbri iter der Syphilis seien, 80 ist dies entschieden eine
uubuiuciiiigte Apologie der ümingo.
Gmtawvoimblige.
47d
eine AifeUum des MandeB ia Füge komnieiL Ein andBober Patient
Erafft-Bbings giebt an, daas er ausser sjphilitisoheii Ulceratioaen
am Ams anoh einen IUI Ton sjpbilifisober Piimfliafifoktion des
weichen OamneiiB bei emem jangen Mann geseben habe, der sich
Yon andern Ulnnem per os benntien liess.
Nachdem ich die Frage erörtert habe, welche Gesetzesparagraphen
bei sexaellen Akten zwischen Männern in Frage kommen, und wie
die gerichtsärztliche Diagnose zu stellen ist, will ich jetzt die Frage
besprechen, ob die augenblicklich herrschenden gesetzlichen Vor-
Schriften nicht einer Abänderung bedürfen. Wenn ich den Vorschlag
mache, dass § 175 aufgehoben oder wenigstens so geändert werde,^)
dass homosexaeller Verkehr nicht strafbar sei, so wird mancher sich
gegen meinen Yoischlag wenden. Es ist nlokt ganz leicht» an Gnnsten
einer Menschenklasse zn spreohen, nnter der sieb die grOssten Lflgner
finden, und sn Gonsten ?on Leuten, die durch ihr widerliches Anf-
treten auf der Strasse nnd an anderen Orten den anständigen
Mensohen oft zorflckstossen mossen. Wer nnr diese wenig sym-
pathischen Urninge berücksichtigt, wud vielleicht die Strafe nicht
streng genug finden, die das Gesetsbnch Uber sie Tcrhingt
Indessen ist hier znnftchst eimawerfen, dass man aoeh die-
jenigen Urninge berfickdchtigen mnss, die sieh gar nicht als solche
in der QffontKchkeit seigen ; ober den Charakter lüeser wird man oft
ein wesentlich günstigeres Urteil gewinnen. Solcher bedauernswerter
Mftnner giebt es aber eine ganze Reihe, und keiner, der Gefühl
besitzt, Wird ihnen seine Teilnahme versagen können. Erst durch
Beobachtung auch dieser Gruppe kommt man zu dem Bewusstsein,
dass es sich bei der konträren Sexualempfindung nicht um eine
lasterhafte Begierde handelt, die man durch Erschwerung ihrer
Befriedigung beseitigen kann, soniitjrn um eine, das Individuum durch-
dringende pathologische Kmpündung, die bald mehr bald weniger
ausgebildet scheint. Auch diese Leute müssen hei einer gerechten
Würdigung berücksichtigt werden. Es kommt ferner hinzu, dass
wir gegen die Urninge selbst, wenn deren Charakter widerlich ist,
- ) D» der § 176 aach Unzucht mit Tieren bestraft, ich diesen Punkt aber
im voriiegttiden Biielie uneiOttert iMse^ so ktme fttr dl« Frage dee mOTnmttan*
liehen Verkehre mir eine Abinderaag, nicht eine AbeohaffuBg dos Paragraphen in
FVage. A^cosehen davon muM, wie wir noch seheii r<li;ri, eine Strafbarkeift
homofiexuüUtir Akte bei gewissen eiüchwerendea Umstaudt^n bestehen bleiben.
480
GtMtoatmnelüige.
unbillige gesetzliche Vorschriften nicht erlassen dürfen. Jedenfidls
kann der Gesetzgeber ebenso wie der Arzt nor dann die Flage ver-
stehen, wenn er beide Kategorien von Urningen kennt
Dass der anstlndige TeU der Urninge sich nur eilten einem
Nichtuming entdeckt, kommt daher, daas so oft die pervers ?er-
snlsgien If&nner nüt den Mitgliedern der mlnnliohen Hnlbwelt kon-
fondiert werden. Qerade infolge dieses Ifiogels an Verständnis bldbt
dem üming oft nnr die Henelielei übrig. Man vecgesse nieht^ dass
hervoiiagende, gebildete nnd hOobst obsnktenroUe M9nner ürmngi»
natnr besttsen oder in froheren Zeiten besessen haben. Ton firOheren
erwihne ioh noehmals: Mnret, Winkelmann, Platen.
Dass man das Becht hat» Aber die Stiafbarkeit der sogenannten
widematArliohen Unsneht in sprechen, geht schon daraus hervor, daaa
manche Staaten diese nicht bestrafen. Der Widerspraoh swischen
Kliniker nnd Geriehtsant wird von Tarne wsky*) erörtert Wo der
letstere oft nor Lasterhaftigkeit sieht, da erkennt der Kliniker einen
krankhaften seelischen Zustand; aber noch wichtiger als der Wider-
spruch zwischen Kliniker und Gerichtsarzt ist der zwischen Kliniker
und Strafgesetz. Der erstere erkennt da einen krankhaften Ge-
schlechtstrieb, wo das Strafgesetz ein Verbrechen oder Verp^ehen sieht
Mit dem Fortschritt der Wissenschaft und der Humanität müssen
aber derartige Widersprüche fallen.
Jedt n falls iSt eine ErCrtt runf? der Frage, ob die jetzige gesetzliche
Reerelune des mannmäunlichen Geschlechtsverkehrs im Deutschen
Keiche begründet oder einer Verbesserung fähig ist, durchaus be-
rechtigt. Der Vorschlag eines Urnings, die Gerichte, die tlber Urninge
urteilen, zur Hälfte mit Urningen zu besetzen, ist wohl nur als
schlechter Witz zu betrachten. So lange widernatOrliohe Unzucht
strafbar ist nach dem Strafgesetzbuch und nach Reichsgerichts-
entsolieidungen, die sich den Motiven zum Strafgesetzbuch anschliessend
so lange ist die Znssmmensetzung des Gerichtshofes ganz gleichgfltig.
Übrigens konnten sonst mit demselben Becht, wie die Urninge^ andh
die Morder nnd Diebe es verlangen, dass der Gerichtshof ans MMdent
nnd Dieben bestehe^ nm ein gereobtes Urteil sn eoielen.
Wie wichtig es isti dass man sich erastlioh mit diesen Dingen
besohftftigt» lehrt der IUI, wo ein 19jBhiiger Menseh in Faiis hin*
gelichtet wnrde^ wdl er einen Lustmord an einem 4Jibrigen Mldchen
B. Tarn 0 W8k;: Diu krankhaften Eraoheicmigen des Geflchleohtasinn«.
Km foMnsbch-psychlalxladhe Steile, fierfin 188S. a %
Absehieokiuigitlieofje.
481
TWÜbt liAtte. Ich will über den Fall nnr das erwäbien, dass mehrere
bekannte Pariser Ante, Laeigne, Bronardel und MotetO den
Angeklagten fbr fdlkommen loieohniuigefUiig erklftrtea, daes aber
Tarnowiky*) dieaee Gataehten «eine Sefaande der Wlseenaehaft*'
nennt Wenn derartige WideraprAehe nriBefaen wiaaenaobafÜiohiBn.
Foraehem Torkommen, dann vtid man dooh angeben mtteaen, daaa
eine Tomrteilaloee Biaknasion tiber diese eigentOmliehen Eraefaeinnngen
notirendig ist
Wir wollen jetzt die Frage, ob eine BestrafiiDg mauumäDDlichen
Geschlechtsverkehrs vom Standpunkt der vereohiedenen Strafrechts-
theo rien aus gerechtfertigt sei, erörtern.
Bekanntlich haben wir drei grondlegoide Strafirechtstheorien.
Auf die zahlreichen unbedeutenden, die von verschiedenen Juristen auf-
gestellt sind, einzugehen, lohnt nicht der Mfihe. Bie drei Uanpt-
theorien sind: 1. Bie StrafB soll dasa dienen, tob der Begehung
eines Yecbredhens abaasehreeken. 2. Die Strafe seil die Sfthne
des Yerbrediens sein, d. h. sie soll für die begangene That gleiohsam
eine Kompensation darstellen. 8* Bie Strafe soll den Yerbreolier
bessern.
Betraehten wir sanflohst die Abs ob r eoknngsthe oxie. Es konnte
nsoh ihr die Bestrafimg minnmfinnliohsn OesohlecktsTeikehrs ihre
Begrtlndnng darin finden, dass dessen Bestrafung von ihm absdhredct
1b ipirs immsriiin mOglich, ja es soheint mir sogar wahrsoheinUoh,
dass m önaelnen FUlen GesoUeohtsakte nnterbldben, die aosgeftbt
werden würden, wenn nieht das Schreckgespenst der Strafe dem Be-
treifenden vor Augen trftte. Dennoch dürfte dies nur in einer relativ
kleinen Zahl von Fällen vorkommen. Bei der Mächtigkeit, mit der
sich diü stixueilen Neiguageii üussern, wird selbst hier eine vollständige
ünterdrflckung des sexuellen Aktes nicht eintreten. Hingegen ist es
wahrscheinlich, dass statt der Befriedigung bei dem andern Manne
der durch die Strafe abgeschreckte sich durch Onani«? befriedigt
Dass aber die Schädiefnng des IndiFifluums durch Onanie nicht geringer
ist, als die beim Verkehr mit emem andern, unterliegt keinem Zweifei.
0 Ob. Lasign», Broaardel et Motet; Affake Uernttihu. Emmm dl»
fälfi< mental de Fineulpe; Rapports et rifiexions. ÄnnaUe d'hygikne ptMiqm et
de medetim legale. Troisüme sirir. Tnvir r]\ PariR ISSO. S. 439 ff.
ß. Tarnowsky: Die kranklKitton Erscheinungen des GMOhleohtnin&eB.
üduo foreujbiäch-psjrchiaürischü iStuiUe. Üerlin iÖäO. 8. 28.
Xoll, SoBlr. SrnHOMavSttdaaf, 31
s
482
BUuMtllMli«.
Ob der Ersatz mannmftonliohai Yerkehn dmoh «"fwna Onanie tnr
Hebung der Sitttiohkeit bettrigt, mAohte ieh flinttweilen beiweifUii.
einer gewitten Stirke des Triebes» wobei aohUeialieh ein andem
Indindnnm Terlangt wird, wird flbrigeni keine Stufe den Urning von
dem bomoeexneUen Akte abeebredken.
Wae die Sohne theorie betrillli ao aeheint aie mir gar niebt
geeignet, die Beatnflmg irideniatOrliidier Unanoht an begründen. Waa
aoU der Betroffonde aohnen? Otebar dooh ein ünieeht TJnreoht
igt aber ein ndatiTer Begriff, nnd wir kdnnen den aemeUen Akt dea
Uminga nieht ala ein ünreeht betnwbten, wenn wir den gewobnlieben
OeadUeobtarerkehr awlaohen Mann und Weib b^ notmalen Manne
fCa Beoht ansehen. Der Mann übt den GeacUeohtaverkebr mit dem
Weibe gewöhnlich nicht in der bewossten Absicht ans, Kinder m
aeugeü, sondern um L'inem ihn niuühtig beheriiichenden Triebe nach-
zugeben, (ri'nau dasselbe Ihut der Urning, der mit dem M;mne
verkehrt. Es kann also der Akt ;ils solcher ihm als ein Ud recht
nicht zugerechnet werden, sodass für ihm IJee^riff der Sühne überhaupt
jede Grundlage fehlt. Bei einer gewi^ben Stärke de« Triebes kann
ihn der Mann eben nicht mehr bekämpfen. Er kann die Neigung
zum Manne weder willkürlich erzengen, noch willkürlich
nnterdrücken. Kr ist an seinem abnormen Triebe schuldlos, wie
von Krafft-Ebing^) und allen vorurteilslosen Forschern anerkannt
wird. £8 findet in sachverständigen Kreisen das Märchen vom Laster
und dem vorbeigegangenen WflaUingBleben kaum noch Qlauben.
Erafft-Ebing nennt die Peiaonen mit perreisem Sexualtrieb die
Stiefkinder der Natur. Dass mancher Urning anweilen im stände ist,
durch Willenskraft und dorob den Zwang sozialer Sohranken, den
päderastischen Alct oder den aonetigen Verkehr mit Mäanem zu unter-
draoken, kommt vor; dennoob beatebt bei dieaen Leuten gewobnlieb
daa Oeflibl der Sebwftobe nnd daa Bewneataein, daaa de bei einer
gewiaaen Stärke deaTiiebea niebt im atande aolen, ibnannnter-
difteken. Bin Fall,*) den J. C. Sbaw nnd N. Ferria 1883 w-
AUinitiiditen, iat in dieaer Benebmig reobt typiaoh geaohildert Der
betraffionde Mann aagt anadrfieUieh, daaa er nnr avm Arate gekommen
') R. ?. Jvrai£t-K b lug: Psyehopaihia s&cualü, mit besonderer Berück-
tiehligaiig der koBteCnn Senudenpflikliiiig. Eine kUslMk^ftnniiMiiA Studie.
9. Annage. Stuttgart 18^. S. 384.
-) I. G. Shaw anf! S. N. Ferris: The Journal of nerv, and meni T^hra-t^s.
Nor. 2. JSS3. Niii l] e:nrni Keferat von Krou im Zontralblatt für Neiveniieii-
kuude, Psyuhiatiiu uud geiiciiLUckü i ^ycliopathologie. b. Jahrgang 1883. S. 375.
BemniDgBdiMfie.
483
sd, mSL er ^nbt| duB er in Zukunft niobt mehi wb liislier jm
Stande sein wflide, Mi von dem geedüeohtliolien TeAehr mit
Jfannem sorfloknihalten, in denen er die giMe Neigang hatte. Der
Aitient vir 85 Jahre alti fohlte aber, wie der Tdeb immer mAehtiger
in ihm woide.
Wae nmi endlich die dritte TheoriOf die der Beseernng an-
langt, 80 wird wohl niemand ernstlich glaabeOf dass Männer mit
konträrer Sexualempfindune: durch eine Bestrafung von ihrem Triebe
befreit ^(^rden- Mag dami und wann bei verbrecherischer Neigung
eine Bolche liesserung erfolgen, mag sie zugegeben wurden bei Leuten,
die ohne konträre Sexaalempfindang lediglich aus verbrecherischer
Gesinnung geschlechtlichen Verkehr mit Männern ausüben; für gänzlich
ausgeschlossen muss ich es halten, dass ein Urning mit konträrer
Sexualempüudung durch i'reiheitsstrafen, sei es von kürzerer, sei es
von längerer Dauer, von seinem Triebe befreit wird. Es wird hier
der perverse Geschlechtstrieb ebenso wenig erlöschen, wie er bei
Urningen erlischt, die wegen irgend eines Verbrechens ins Gefängnis
kommen. Es sind mir verschiedene Homosexuelle bekannt, die bereits
wegen der BeMedignng ihres Triebes bestraft worden sind. Ich habe
aber nicht einen gesehen, bei dem durch die Strafe der Trieb er-
loschen wäre oder die spätere Bethätigang des Thebes hätte verliindert
werden können. Dam ist der Qesohlechtstrieb m mAohtig.
Es 9A hier an . einen Patienten erinnert) der an einer andern
eexueUen Parversion litt Beim Aabliok weisser Ckditlnen empftad
er stets senelle Err^gong. Der Patient ging in ein Kloster, um
Sloh dnreh Fasten and Beten von seiner Leidenschaft in befreien;
doch ist ihm dies natfirUoli nioht gelnngen, da anf solche Weise
Heiinngen niefat erreicht werden. Die Meinoog von G ntb er 1 e t,') dass
der MÜitansmns nnd der PoüMisiodk ^en siclitliehen Einflnss auf*
die Yerletsongen der Sehamhaftigkeit nicht Ube, dass aber die
Beligion im stände sei, diesen gewaltigen Natnrtrieb sa händigen,
halte ioh dodi so lange nicht ftr bOEechtigt, als nioht Gntberlet
angiebt, welche Art von Religion dies vermöge. Einstweilen fehlen
die Beweise, dass die heutigen Religionen darin mehr ausrichten als
gesetzliche Beschränkung. Man kann vielleicht für viele Fälle vun
Geschlechtstrieb etwas Ähniiclies sagen, was HupeP) im vorigen
- ) Konstftntin Gatberlet: Die WiUeasfraiheit wd ihr» Otgnef. Fulda
1898. S. 79.
- ) Aagnst Wilhelm Bnpel: Vom Zweck der Shen, ein Vereaoh, die
Hentath der CMtnten und die Trennniig nngtticklioher Ehen n vertheidigea.
Big» 1771. am
31*
484
Oeftlir llr die BitHiolikflit.
Jabihnndezt flb«r den Himger sagte: ^In Hmigwraot m beton ge-
nicht rar 8e)igk»t| aber nir Sittigimg iit nur am Mittel, daa BiBeii.'^
Bebiohton fir nim die taasuHnm Qrflndep die flkr Stiafbaikeit
der widematdrUoheii üniaoht apreolieii aollen. ESn Hauptgnmd aoU
der aein, dasa die aUgemeiae Sittlichkeit dmeb widarnatOdiolie Tin-
mobt leide. Dann und waim wiid wobl aar BegrOndimg dieser Be-
hauptang angeführt, daaa in Grieehenlaad die Fideraatie gerade bei
dessen Verfall geObt wurde. Nnn ist es aber eine Thatsache, dass
auch zur Hauptblütezeit Griechenlands mannmännlicher Verkehr in
gleicher Weiiiu stattfand wie später. Emen urüachlichen Zusammen-
liang kann man also zwischen diesen beiden Erscheinungen, Verfall
und Knabenliebe, nicht feststellen. Hössli geht allerdings etwas
weit, wenn er den mannmännlicben Geschlechtsverkehr in Griechen-
land gl ^vissermassen für die Ursache von dessen Grösse hält, und ich
glaube nicht, da-^s or sich mit Kocht auf Sulzer beruft, nach dem
die Grdsse der L^riecbischen Künstler nur in der freien Eatwickelung
aller natürlichen Anlagen der Seele ihre Ursache gehabt hat. Ob
Sulz er hierbei gerade an die Päderastie des Altertums dachte^ wie
Hössli anzunehmen scheint, dürfte doch wohl fraglich sein.
Ebenso wie man den Verkehr zwischen Mann und Frau nur in
den Tier Wanden ungestraft ausfahren lässt, bei dieser Vorsichts-
maasragel aber eine Vermehrung der ünsittlichkeit nicht befarchtet,
ebenso dürfte mannmftimlidier Gesolileohtsrerkehr an sich die
Sittlidikeit nidit aehftdigeiu Was dem einen als aittlioli eraoheint»
fallt der andere für nnaitfiliefa, und ea wird vielkiebt der mannmlnn-
fiehe Verkehr nnr deair^gen für nnaitüidh gehalten, weil er nur von
der Hinoritit gefibt wird. In dem engsten Znaammeahaag mit der
Frage, ob die allgemeine Sittliohkeit durah mannmämi]l<dien Ge-
seUeditaYerkehr gesehldigt werde, steht aoeh ein anderaa Motir, daa
für dessen Strafbarkeit geltend gemacht wiid, ntanlieh der Umatend,
dasa er beim Volke einen so grossen Absehen errege und ▼erachtet
s«. Em Hanptgnmd hieifbr dflrfte aber wohl in der Annahme liegen,
dass der Akt dtmh Lmmesh mmiM m amm erfolge; indessen
habe iidi diese Uehrang schon Mher als fidsch snrftckgewieeeD, und
wir haben gesehen, dass gegenwärtig die FSderastie nur yerhSltnis-
massig selten ausgeübt wird. Ein weiterer Grund für die Ächtung
der Humusexuelleu liegt in dem Umstand, dasö mm athi häuiig den
SitUJohkcllsbewuilMiii md QeBetigebnng.
485
gewöhnliolieii HomosemeUm mit den mimdidieii FjnwtLtdfirtoi ?w-
irooliselt, und ondlioli duiD, daw man amiahm, ieraelk Amtdhwtifluigen
IMm die HomoisxDalitft herbeigeführt
Jedenfidb amd im Qeeehkofatflverkehi von Mami and Weib ge-
wiase Akte ebenso elnihafti wie der gewOlmU^e mannmtnnlidie Qe-
aehleebtSTeikehr. Die gesetzlich erlaubte PwcHeaiiOy d. h. hmmssio
mulieris, dürfte wobl an Ekelhaftigkeit dem sexuellen
Verkehr zwischen ilänuern nicht nachstehen. \l ßedenken wir ferner,
wie enorm häufig von Männern der sogenaimien guten Geaell^chaft
heute der ChmniUmjtis beim Weibe ausgeübt wird, und wie diese
Herren es als selbstverständlich betrachten, dass man dies ungestraft
thnn kann, so wird man las Ästhetische eines Aktes doch gewiss
nicht als die Vorbedingxmg der »Straflosigkeit ansehen dürfen. Fügen
wir ferner hinzu, dass auch die Koprophagie erlaubt ist, für deren
Ajjjjetitlichkeit, wie ich hoffe, wohl keiner meiner Tieser eintreten wird.
Endlich erwähne ich nochmals, dass auch der normale Beischlaf beim
Weib doch gewiss wenig Ästhetisches an sich hat Ich meine, dass,
wenn man sich durch das häufige Vorkommen nioht daran gewohnt
hätte, das £kelhalte des Koitus zu übersehen, man kaum annehmen
wftrde, dass er an Ekelhaftigkeit andern Akten nachsteht. Wenn wir
nun auch dem Urning nieht gerade beiatimnuii» der in einem Briefe
die Worte aefareibi:
]>eB üraings 8«ui nnd Walten
Olcioht gOtÜiehm Ckstelten,
so wird CS doch ganz gut sein, diese Leute etwas nachBichtiger zn
behandeln.
Dadurch dass augenblicklich die Befriedigung des homosexuellen
Triebes durch die Gesetzgebung bestraft wird, wird zweifellos zum
grossen Teil das Urteil des Volkes über die Yerächtlichkeit derartiger
Veranlagong genährt; andererseits hat bei der Motiriemng derStraf-
beatimmung der Umstand teilweise den Ansaohlag gegeben, daaa mann-
minnlioher Oesohleohtsrerkebr im Volke grossem Abscheu begegne. Ea
iat aneh nicht annmefamen, daea gleiobieitig mit der Anfhebnng der
') Früher wurde Paedicare in weiterem Sinne gebraucht. Paedieare est
opus pcragere mmtula ciilo sire maris sire frminae inmifisa. Qui paedicat
dieüur peuxiicaior, pardieo, draucut, — qui paedieatur ■palhicua, cinaedtus, cata-
mäuB^ molÜB, dOkahi». Bo wird in den Beolie: Äntonii Panormiiae
Bernuiphrodüus ed. F. C. Forbergius, Cobwrgi 2824 die PaedieaHo daiiriirti
wie Roderich Hellmanu (f'ber Geschlechtsfreiheit Ein philosophischer Ver»
sash xor BrhObiuig des mesfichliohen Olttokes. Berlin 187& 8. Id9) angiAbt
486
uBil OawlifelNDig.
StnfbestüDiiuiog lofbrt ein ÜDscUag bei dem Volke eintietni wefde;
di« ktante not aUmiUidi getdudMi. 'Wenn 68 taeh nidii g«nde
wahnohcüdleli ist, dus di« HomoMXiiafitti bei m» ab dno sehr
eoboiie ISraeheinang aaertaamt weideiL wird, bo ift es doeh möglieh,
dan die labeohite TeiaditiiDg, die die nulsteii heate den Hoomh
sexueUen gegenüber «npfindeii, «UnlUieh abDehmen wiid. Ktmiieriiiii
wollen wir, wu die aodde SteDnog der HomosexnalitAt betrifil, dodi
folgendes bedenken. Aach die gewöhnliche Impotenz ist yom Straf-
gesetzbuch in keiner Weise bedroht, und trotzdem ist der Impotente
sehr oft dem Spotte seiner ^tmenschen ausgesetzt, und zwar deshalb,
weil die Impotenz etwas Unmännliches ist. Körperliche Misäbildongen,
2. B. auffallen il kleiner Wuchs, Verkrllmmnngen, Verkrüppelangen,
Buckel u. 8. w sind gleichfalls meistens nicht verschuldet, und trotz-
dem sehen wir, wie sich die GemOtsroheit vieler in dem Spotte
gegenüber solchen Unglücklichen zei^t. Die Homosexualität hat aber
emerseits gewisse Ähnlichkeit mit der Impotenz, andererseits auch
mit den Missluldungen. Insbesondere zei^^'t sieh das Unharmonische
der letzteren auch bei der Homosexualität, indem männliche Körper-
bildung mit weiblichem Geschlechtstriebe zusammenfällt Jedenfalls
wird man aus diesen AusfahroBgea OEMlieB, dass Stiafbaikeit und
soziale Achtung moht unmittelbar von einander abhängen.
Es ist übrigens sicher, dass selbst in solchen Ländern, wo Straf-
losigkeit schon besteht^ dennoeh der mannliebende Mann «ner ge-
wissen OeringjMdifttsigkeit ansgeeetat ist Keineswegs halte ioli es
ftr rieliftig, dass etwa Straflosigkeit und Ansehen des üranisnnis
absolnt von einaiider abhSngig sind. So sehen wi^t dass sieh aneh
in Frankieieh der Dranismns heote keineswegs einer sonalen Olnoh-
bereohtignng erfreut Br wird dort gedoldet, ebenso wie er froher
in Hapinover geduldet war, wo vor der B^irflndnng des Dentsohen
Beiehes glrtehfidls Strsflosigkeit bestand. Andererseits seigt nns die
Gesdiiohte des alten Giieohenlands, dass aehr wohl ein Staat be-
stehen kann, ohne dass der HomosexaeUe wegen seinen perversen
Geschlechtstriebes im Yolke verachtet ist
über das Verhältnis der Gesetzgebung zom Sittlichkeitsbewusstseiii
des Volkes ist manche geschrieben worden, ohne dass es gelangen wäre,
eine Eifuguaig m dieser Frage herzustellen. Äusfiiiirlich behandelt das
Thema Ed. v. Hartmann ,, Das Moralprinzip der staatlichen Gesetz«
gebong besagt nun, duas an und für sich nichts sittlich oder unsittlich
^) Ednrtrd v. IlartninnTi: Phänompr^ologie des sitUidwil TtlllllMIllnIll
Prolegomeoa sa jeder kttnftigeu Ethik. Berlin 1879. 8. 70 f.
Bibd and OeMtqgelNiiig.
487
sei, sondeiB eist werde durch das Gebot oder Verbot der aiaat*
liohen Getetsgebang. Das Prinzip erweist sich offenbar za eng . . . .
Abgesehen von Ansnahmen lehrt die Geschichte, dass im allgemeinen des
Rechts- und Staatsbewraateein der Völlcw das Frine der geschriebenen
Gesetze und Verfassnngen ist, sodass diese nur aus jenem erklärt werden
können, aber nicht nmgekehrt Eine gewisse Rückwirkung der
Gesetze auf das Sitl lichkeitsbewusstspin des Volkes soll hiermit kpincswegs
geleugnet werden." Zahlreiche Erscheinungen zeigen uns aber, dass
Strafgesetz und Sitte nicht absolut von einander ahhl^n^ig sind. Ein
M&dchea, das sich vor der Verheiratung einem Manne hingegeben hat,
hat zweifellos in sozialer Beziehung dauernd Schaden erlitten, und doch
verbietet dus Strafgesetzbuch einen geschlechtlichen Verkehr ohne Ehe
nicht. Wic Sich Anschauungen und Sitten Sndem, zeigt ferner der Um-
stand, dass im Altertum hUuüg die Kutjungieruug durch einen anderen
Ifami als den Gatten fOr ganz uigemessen galt, z. B. bei den Puniem;
dasselbe war in C^ypem vad In Babylon der Fall. Es kam dies teilweise
daher, dasa das bei dw Defloration fliessende Blnt fBat vmrein gehalten
wurde. In msnolien LSiidem, s. B. in Venedig, mossten sieb nodi im
Mittelalter die Midoheii ibre Mitgift dnrdh Preisgebung selbst verdienen,
wie Bosenbanm') berislttet
Wir dürfen bei der gesetzlichen Regelung der Fnge nicht etwa
auf die Bibel zurückgreifen und die Verwerfung mannmännUoher
Liebe in ihr als ein Motiv für die modezDe Gesetzgebung gelten
luaen. Sonst laufen wir Gefahr, AngiiffiB auf andere Eultorein-
liohtiiiigeii bflrrorzurufen. So wmden m den Memoiiea*) rar Yer-
teidigong der Yielweiberei Stelleii ans der Bibel ätiert, insbesondeie
bedeftm sie sieh auf Abiabam, der sieh ausser der iinfraehti»araii
Sarah noch ein Weib nahot Gegen meme Angabe^ dass die Bibel
meht als Grundlage der modernen Sittengesetse betrachtet werden
dflrfe, hat deh ein Antor, unter dem Ftendonym Profbssox Ludwig,*)
') Jnlins Bosenbanm: GcHchichte der LoBtsenche im Altertum nrbsfc
ansffthilicben üntersachangen über den Venns- und Pballuskultua , j; i lellr«.
Xovaos t^tjleia der Scythen, Päderastie und andere geschlechtliche Aosschweiiimgeu
der Alten alsBeibIge snr ricSttigen Bddlnmg ihrer Sehiifton daigestollt S. Auf-
läge. Halle a. S. S. 57. Anmerkung d.
•) Moritz Buficli (Qoschichte der Mormonen nebst einer Darstellung ihres
Glanbens und ihrer gegenwärtigen sozialen und politischen Verhältnisse. Leipzig
S. 407) berichtet, wie Orson Pratt beweist, dass die Vielweiberei ein beiliges
Inatitat sei; nixgends enthalte die Bibel ein Verbet derselbai, ja ea vielen Biellea
werde sie ansdrttoUich gebilligt Oett habe aneh mitgewirkt, als sich David,
dar bereits mit mehreren Frauen Termfihlt war, auch noch die Weiber San ] ^ nahm.
•) Prof. J. Ludwig: Der § 176 dee E.-St-G.-Buche8 in den Streitlragen.
(WisseDscbaftiiches Fachorgan der deutschen Sittlichkeitsvereine). 1. Berlin
488
QMDadlitttMelildigiuf.
in einer BieeeUlfe gewendet Ludwig itifluni mir flu* in aUen
mdnen aongtigen AnsflUtrongen bei und polesuaiert nnr gegen meine
die Bibel betielfonde BeluHiptang nnd den lüerans gesogenen SdUiiee.
Ich beabnditige, in einer aniftdidioiien PiibUkation m idgen, de»
nneere moderne SittliolikeitageeetigebQng nieht ohne weiteres die Bibel
als ihre Grandlage betnMshten dar£ loh erwähne aber gleiehieitig,
daas hiennit niohto gegen die Religion gesagt aein aoU; im OegenteO,
ich glaube, dasa Bibel nnd Religion in maneher Benehnog von ein-
ander getrennt werden kdnnen.
Die aeUinmun folgen, die der homoaexnene Oeadhleehtaveikehr
nnd beeondera die Pideraatie naoh rfdi sögen, sind in alten Bflehem
oft angeftthrt worden. Schwere Qesandheitsschadigang sollte
die Folge sein; ja es sollten, wie die Alten glaubten, Erkrankungen
der Genitalien gewöbülicb auf unnatttrliche Art der ÖeschlechU-
befriedigung*) zurüokznfohren sein. F. Do bin') hat die Aaüichten
der ?erschiedenen Autoren über die gesundheitsschädlichen Folgen
der Päderastie zusaminengestellt; ich folge seinen Ant^nben.
Nach Nicolai sollen diejemgcu, die sich zur Päderastie gebraachen
lassen, ausser den örtlichen Folgen eine allgemeine Schwäche, be-
sonders eine solche der unteren Gliedmassen, iirid eine Lshmnng der
Geschlechtsfunktionen erleiden. Nach Wildberg ist eine allgemeine
Abzehrung die Folge. Henke giebt an, dass die P&derastie Schwindsiioht
und Wassersucht herrormfe. Naoh Ansicht einiger anderer Antoren
sollte selbst der Tod dee paaai? beteiligten mftgUoh sein. G aaper *>
1808. Bei dieser Oelegwihelt nMbte iofa bemerkeBi dasi die SacUiohkeil^ mit der
Ftafeeeor Ludwig nioe Bebanptaiigen sn etatsea saehl^ aidi foiteiluilt Ton
dem gereizten Tone nnterscheulet, den andere Schriftsteller der Sittlichkeit^-
vereine anscblageo, z. B. Römer, Uoffmann in Braunschweig, der die Pfidenwtie
ein Laster nennte gleichzeitig aber sagt, das« sie jedesmal auf einer kraakhaften
GesoUeoht»' und Oeiitesriohtnng berahe. Han kann wohl einen grObeieo Widei^
epnu^ in einem Salie Intiiai finden.
') Interessant ist übrigens eine in Südamerika verbreitete Annahme, die
Syphilis sei nicht von Europa nach Amerika eingeschleppt, sondern durch den
TieUachcu Verkehr der Ureinwohner mit Haustieren (Lama) entstanden und auf
die XenaoheD ttbeitiagea worden. (PriM» Mitteilung eines doitigen Antes.)
- ) F. Dohfn: Zur Lehre Ton der FMevaide. Viecta^aSmeehiill tat ge-
richtliche und öffentliche Medizin, Berlin 1855 ; 7. Bd., S. 229. Dohm geht hier
so weit, in der durch P iderastio horvorgemfenen Schwächung des Nerrensystems
ein prftdisponierendes üomeut för Nerrenfieber zu sehen and den durch Nerren-
deber aiftlglaii Tod rä pidenstierteB Koaban In «beii geriolidieben Onftsektea
auf die Unaaebl srnftekanflkiett.
') Vgl. insbesondere Caspers Nachschrift zn dem eben erwähnten Artikel
Dohms sowie seinen Aii£nts Aber üotnacht nnd PttdeiMtie im 1. Bende aeiner
YierteijahrsBchrift 1852.
489
iriM indeaM diese Andditeii sahuf sorttofc und meinte, dase sicii
Reuigen, die er als Fidensten kennen leinte, im allgemeinen ebenso
wobl beftmden bitten wie andere Hinner.
Die Behaaptong, die Behiedigung der IcontiSien semellen Em-
pfindung sei der Gesundheit naditeilig, ist miriebtig. Lente, die
derartige Triebe haben, and bei denen es nicht gelingt, die Triebe zu
ändern, werden nicht krank, wenn sie (iem für sie natürlichen Triebe
nachgehen. Zwingt man sie zum Verkehr mit Weibern, so kann
entweder, wie bereits öfter erwähnt, vollständige Impotenz vorhanden
sein, oder, wenn es ihnen gelingt, den Beischlaf auszufahren, so
tritt keinerlei BeCriedißfnn^. vielmehr eine zunächst vorübergehende
Schwächung ein, die bei häutiger Wiederholung vielleicht gesundheits-
schädlich iat. „Schädlich ist der Beischlaf noch, wenn die zu häufige
Wiederholung desselben nicht mit den Kräften des Individnums im
Verhältnisse steht, nnd wenn derselbe nicht aus wahrer Neigung,
sondern vielmehr mit Absehen vor dem Akt mit einer bestimmten
Person vollbracht wird", sagte Jos. Nie. Jägei.^) Wer Homosexaelle
öfter gesehen hat, wird wohl zugeben mflssen, dass sie keineswegs
eine gans entnervte Qmppe der Menschheit bilden; man findet kräftige,
gesond aassehende Leute unter ihnen. Selbst wenn sie aber krank
- und nervös ersebeinen, so ist es viel eher wahrscheinlich, dass sie
doreh die ihnen anfjgeswnngene Enthaltong vom seineUen Verkehr
gesefaadigt sbid, als dnroh diesen selbst Ebenso werden die Necren
Tieler dnioh die soiialen YerbUtnisse MErtttteti da sie sieh ndtnnter
entde^ l^aaben nnd sie unter der Tbatsaehe, dass sie unTenohuldet
SU den Parias der Mensebheit geboren sollen, sefawer leiden. Dass
derartig» Qemfttorerstimmnngen nngOnstig auf den aUgemetnen Ge-
snndbeitsnistand wirken mtkssen, liegt auf der Hand, ^dlieh kommt
noeh bfaun» dass, wie wir sahen, sehr htafig der Urning von Natur
aua krankhaft narrte veranlagt ist» so dass aneh auf diese angebome
Disposition manehs Besohwerde suiflekiufBhiea ist
Wenn man Urninge trifft, die sehwere Zeichen von Nervositftt
oder sogar psychische Störungen darbieten, ist es daher ganz un-
logisch zu behaupten, diese Erschemougeu seien eine Folge der
Befriedigung ihres krankhaften Triebes.
Krafft-Ebing sagt, dass es unter den Urningen Individuen gebe,
die, durch Feinfühiigkeit and Willensstärke ausgezeichnet) ihre Triebe
- ) Jos. Nie. Jäger: Seelcoheilkiiiide, geiMtst anf p^rcfaokgiiQhe Chnnd*
sitae. Wien im, S. 164.
Oigitized
I
490
QgmadheitwchiiHgiiBg'«
zn beherrschen im stunde seien. Gerade aber bei ihnen liegt naeh
demselben Antor die GefUir ▼or, dass eiswongene Abstinens in Neor-
astiienie nnd Oemfltslnranklieiten fllhre. Diese Beobaditnng des
er&hrenen Fkyehiaters wtlide also ein Oesets, das dem Urning Ent-
haltnng Tom mannmlanUehen Terkehr aoferlegt, als ein solches
hinstellen, das die Erkrankung des TTinlngs begünstigt Der
Binwoif, dass der Homosexuelle Abstinens dorch sexuellen Verinlir
beim Weibe vermeide, ist ans den sehen mehxftoh angegebenen
Oranden nnbeiedhtigt Tarnowsky^) meint, dass das Misslingen
des Koitus bei ümingen häufig einen hysterisehen Anfidl aasUtoe.
Bass sexuelle Exsesse dem üming gesnndheitlich ebenso sohftdlieh
sind, wie dem normalen Mann, ist selbstverständlich. Wenn sich z. B.
ein Patient Hammonds,') nachdem er in riner Nacht elfmal die
Päderastie aiisfreübt hat, angegriffen imd ermüdet fühlt, so ist das
nicht wundtirbar. Kbeuso wenig darf es auffallen, d^ss sich Urninge,
unmittelbar nachdem sie mit dem Manne sexuell verkehrt haben, in
einem vorübergehenden Zustand leichter Ers( höpfting befinden; dieser
Voro'ang wird auch nach dem Beischlaf des normalen Mannes beim
Wellie unter physiologischen Verhältnissen beobachtet. Wenn aber
wirklich eine Gesundheitsschädigung die i'olge wäre, imd der Staat
deshalb den homosexuellen Verkehr verbietet, so dürfen wir erwarten,
dass der Staat auch nach anderer Richtung seine Sorge noch aus-
dehnt, und wir werden dann allmählich Zustände bekommen, bei
denen keiner mehr etwas thnn darf, angeblich weil es die Gesondheit
schädigt. Nicht mit Unrecht betrachtet Lorenz') den Vorschlag eines
Psychiaters etwas ironiscliy der mit Rücksicht anf die Bedentang der
Vererbung die Sheechliessung unter Kontrolle der Ante stellen wollte.
Lorenx mehit, dass man dann noeh miter gdien mOsse und nieht
nur bei der Ehesehliessnng, sondern aueh bei dem Koitus, durch den
ja manebmal uneheliohe Kinder gesengt werden, erat untnsuehen
müsse» ob bei dem Terkehr der beiden niehts erblieh Belastendes su
bellliditsii ist
Wenn nun die gewOhnlieh sur Begründung angefthrten und im
- ) B. TarDowsky: Die krankhaften Erschemnngen dM CteBehlechtwiaim.
£ine forensisch-psychiatrische Stmlie. Berlin IöWj S 12
- ) William A. Hammond: Sexuelle Impotenz beim maniüicben und
wiibllflkeii GeMblMhi Deatsch von Leo Saliager. 9. Auflage* Beiün 1888.
a 4S.
■) Ottokar Lorenz: lyehrbuch der gesamten wissenschaftlichon Genealogie.
Stanimbanm nnd Ahnentafel in ihrer geschichtlichen, sociologischeu aad natiir-
wissenschaftUchen Bedontong. Berlin 1896. S. 437, Anmerknng.
G«ftlir dM nonUidicii Xontegiiim
491
Toilifligeboitdeii widerlefiftea Uomeate auch niolit geeignet rind, die
Beetnfirag homoeexaeUen Yeikeim sa leohtfertigeii, so mtUMn wir
mu dooh ftlierlegeii, ob nioht andere Gxflnde dagegen sptedien, dass
man den Veikebr Ton üniingen mit anderen Männern gestatte.
Es giebt, irie wir gesehen haben, Homosexuelle, die nur mit
MSnnem, die keine ürningsnatar haben, Terkebien Unnen nnd nur
von ihnen beftfedigt wndoi. Es Usst sieh nun gegen eine Auf-
hebnng der Strafbestimmmigen einwenden^ derartige normale M&nner
IcSmen moralisch herunter, wenn sie sexuell mit Urningen verkehren;
ja 68 lÄge diü Gefakr vor, dass solche Mflnner durch Gewöhnung die
arnische Natur annehmen. Dieser Funkt bed;^irf sorgfältiger Er-
wägung. Indessen scheinen, soweit Material nach dieser Richtang
znr Verftlgung steht, normal empfindende Mflnner, nachdem sie die
Mannbarkeit hereits erreicht haben, durch einen derartigen Verkehr
keineswegs zur ümingsnatur zu kommen.^) Da sieh ausserdem der
Verkehr des Urnings X. mit einem solchen Manne T. arewöhnlich
darauf beschränkt, dass Y. den Urning masturbiert, während es bei
Y. nur selten zu künstlicher geschlechtlicher Elrregung kommt, so ist
eine solche BefOiohtong nioht beieohtigt Dass Männer, die sich ftkt
Qeld sn solchem sexnellen Akte hergeben, sittlich verdorben werden, ist
genau so dsr Fall, wie bei den weiblichen Prostitoierten, deren £r^
werbszweig zar Hebnng ihrer Sittlichkeit nicht gerade beitragen
dürfte. Wird aber das eine geduldet, so liegt kein Gnmd vor, wes-
halb das andere verboten werden soll Thatstohlieh ist die moderne
Gesetagahnng aneh nieht geeignet» die iwaimiiftiift Prostitatlon in
nnindrttdken*
Sollte man tbiigens die GefUur, dass der normale Mann diuroh
seiaeUen Umgang mit dem Urning homosexneUen Trieb annehme,
ftr begründet halten (eine AuflBusmig, die dnroh Thatsadhen nioht
genehtünrtigt ist), so wflrde ünmerhin dieser Einwarf gegen den
sexuellen Yerkehr der Unünge anter einander hinftUig sein. Es
wOrde sieh dann fragen, ob man Mit die gesetsliohe Regelung
wenigstens so macht, dass der Urning stets straflos ist, wenn er mit
Homosexuellen den Geschlechtstrieb befriedigt, dass hingegen Be-
friedigung desselben mit normalen Miinnern bestraft wird. In etwas
anderer Weise spricht sich Liszt aus, der nur Bestrafung der ge-
>) Etwas sadeiM iai BatQrlieh der Xhutaiid, dan der wnnule Hnib, der
iidi na Abnuht elnon Urning zor Be&iedigrong anbietet, den Ekel, den ihm
der Akt anfanj^«? vpmrsacht, dnrch How ninng allmählich Oberwinden durfte.
Dies ist aber etwas anderes als die Annahme eines perveiaea Triebes.
492
BniflliliolM Wiikmig der 0«M«igebiuig.
werbsmftsBigen PAderaatie fOr angezeigt halt^ tun einen Hemm-
flohiih gegen die pftderMtieohe Frostitation «uolegen.
Es Ilett rieh nun noeh ein Moment m, Gunsten der Beetniiing
mannm&nnlielien OescbleohtsTerkelizB anüBhren: die ersiehllolie
Wirkung der Gesetsgebnng anf die Allgemeinhut „Es kommt
in der Gesetigebimg nnd Beohtspflege niefat nnr daranf an, allen
Individaen in ihrem spodeUsten Beohte xn veihelfflo, sondern aneh
die Idee nnd Intention des Beohts anf recht sn erhalten," sagt
Goltz.^) Von diesem Gesiehtsponkte ans könnte eine Bestraftmg
gerechtfertigt erscheinen. Was Nietzsche von der Sitte sagt, könnte
man auch von der Gesetzgebung behaupten. Der Ursprung der Sitte
geht nach Niet/,sche') auf zwei üedaüken zurück: die (lemeinde
ist mehr wert als der einzelne, und der dauernde VorUil ist dem
flftchtigen vorzuziehen. Wenn man nun den ersten Gesic]its{)unkt
bei der (Gesetzgebung berücksichtigt, so könnte man die Bestrafung
mannmännlichen Geschlechtsverkehrs für notwendig erklären, wenn
man damit der Ailgeinemheit nützt, obschon der einzelue dabei
Schaden leidet. Sobald man die Erziehung des Volkes durch die
Gesetzgebung ins Auge fasst, könnte eine Bestrafung dadurch gerecht-
fertigt erscheinen, dass das Volk zu dem Glauben erzogen werden
muss, ein mamunännlicher Geschlechtsverkehr sei fdr den Staat nicht
wünschenswert. Ich glaube aber nicht, dass irir einen derartigen
Standpunkt einnehmen dürfen; er würde an selir in das Beoht des
einzelnen einsohneiden. Es würden aber ausserdem, wenn dieser Ge-
siohtspnnkt massgebend wäre, Inkonsequenzen in der Gesetzgebung
begangen sein ; insbesondere würden dann laUreiche andere gescfaleeht-
liehe Akte {BuäieaHo nmüma, Onanie a dergL) hestisft werden
mfissen. Wurden irir aber die ernehliohe Wirkung der Gesetigehmig
anefa allgemein beiüduichtigeo, so mllssten wir nns doch sagen, dass
gegen den einselnen hier im konkreten lUle sohweie üngereohtig-
ktften begangen werden, die lediglieh im Inteiesse des Gänsen ge-
leditfertigt waren. Ob solehes Unrecht gegen eimelne aber als
gnte Grundlage einer Geset^sebnng nnd eines Staales m betnehten
ist, besweifle ich. FreilUdi mnss der einiehie sehr oft Unrecht leiden
im Interesse des Staates. Wer ohne Heuchelei die Beohtsprechnngea
ansieht, wird keinen AngenblhA dazAber tan Zweifel sein, dass oft
>)Bogaiiiil Golts: Zur VkjtSopum» mtd Chanktsristik dis ToUtesL
Berlin 1869. S. 215.
- ) Friedr. Nietssobe: Menflohliohes, albm M«iUNiUiolM6 1886. fl. Band.
S. 3&
WideraprÜche in der G«Mtsge!niiig.
493
gmag sumnmm wb mmma imuria, und daas Strange Venirteilangeii,
die TOB Biehtem oft im Abaoliieolning ansgesproehen werden, fufc
immer ein Unreeht gegen den TerorteOten sind, da die Strafe
dann gewöhnlich in keinem Verhältnis zn dem subjektiven ünreobt
steht. Immerhin wird man sich doch fragen müssen, ob dieser
Gruüdbatz richtig ist, wenu so viele Bedenken vorliegen, wie sie
gegenüber der Bestrafung homosexueller Akte vorgebracht werden
können. Und jedenfalls scheint es mir, dass vom erziehUchen Stand-
punkte aus in Bezuc; auf geschlechtliche Sittlichkeit der Staat noch
viel dringendere Aufgaben hat. Mit Recht hat Fritz Schnitze*)
auf unsittliche Handlungen im heterosexuellen Verkehr hingewiesen,
bei denen zwar der normale Koitus das Ziel ist, wo aber trotzdem
meines Knu hlt ns die sittlichen Bedenken viel schwerwiegender sind als
bei dem homosexuellen Verkehr Erwachsener. Ich erinnere nur an den
▼on Schnitze so sehr gegeisselten Donjuanismus, bei dem junge Männer
planmäsaig und absiohÜioh auf die Yeifähnmg junger unerfahrener
MAdehen ansgeben, Männer, auf die von ihm mit Recht die Bezeich-
nung Bestien und Teufel angewendet wird. Wenn der Staat den ansser-
ehelichen gesolüeohtliolien Verkehr oder jeden heterosexuellen perversen
Verkehr bestrafen würde, so hfttte er anoh das Beeht, den homo-
seiaeUen sn liestzafini, nnd ieh glanbe^ dass sioh maaehes snr Beeht^
fertigong dieses Standpunktes anführen Hesse. Aber gani beliebig
eines heianssagreifen und zn bestiafen and saUreiehe andere, niohi
weniger nndttliehe Hsadlnngen m gestatten, das sebeint mir mit der
endeUiehen Wirkung der Qesetigebung moht im usinfcUiig sn stehen.
Ieh glanbe, dass die Hebung der Sittliohkeit dureh die heutige 6e*
setigebung einigermassen an den Ukas der Königin Ton Arragonien
erinnert, die, um die Wolitlstigkeit der Ittnner su beilhmen, an-
ordnete^ dass kenie Fnu sohuldig wftre, mehr als seohsmal im Tftge
den BeisoUaf lu dulden.*)
Aueh den Einwand, dass bei Freigabe mannmftnnlichen Ge-
schlechtsverkehrs dieser gleich einer psychischen Epidemie zu-
nähme, halte ich nicht lür gerechtfertigt. Ich glaube, der normal
fühlende Mann wird sich hüten, sexuellen Verkehr mit dem Manne
') Fritz Schnitze: Üher geschlechtliche Sittlichkeit. Ein Vortrag der
Studentenschaft der K. Technischen üochschule zu Dresden gehalten am 12.Mail887
und allen deutschen Studenten gewidmet Leipzig 1897.
^ M. A. Weikard: FkUosophiMhe AiMnefkoBst oiar fon QebxeohKi 4ar
Seotttionflii, das Ventandei und dea WUleoa (8. Band yom Plulomphisolien Anfe).
Frankftiit a. M. 1790. S. 167. Weikatd benilt sich auf Leyser alsOewih»>
mann.
494 Wttaprfiolifl ia 4ar 0«ietqr*biiiff.
aii9iaiU>en, blon weil er gewtslieh gaatittot ist Iba kOimto mit
demaelbeii Beebt heute l>ereite enrarten, da« viele nomiale er-
mobsene M tamer deewegen mit andern mutoeU onaiiiefeii, weil diee
straflos ist loii glaabe nieht dasSp wenn uiolit eine lEentrilie sexuelle
Teranlagong vodiegt, dies so leiidit geselielien wiid. Übrigens nimmt
in Lindem, wo der Yezkebr freigegeben ist dieser keineswegs c|i-
demiscb zn* MitReebt bat deshalb Beass^) tot einer Überselüttsanf
dieser Qefohr gewsmt
Der Einwarf^ dass gewisse Akte mannmAnnllohen Verkehrs, be-
sonders mntuelle Onanie isestattet seien, mithin der üruinp heute
genügend berücksichtigt bei, ist gleichfalls ohne Wert, du die Neigungen
hier sehr verschiedene sind, dem einen z. B. Applicatw ntenihn ad
corpus altcrius allein die adäquate Befriedigung seines Triebes ist,
während mutuelle Onanie für ihn gleichbedeutend mit gewöhnlicher
Onanie ist.
Endlich aber sei erwähnt, dass die augenblickliche gesetzUche
Kegeluüg zum Teil nnlofrisch ist Alle Gründe, die man gegnn die
sogenannte widernattlrliche ünzuciit anführen kann, lassen sich auch
gegen die gesetzlich gestattete matnelle Onanie anführen. Sowohl die
Gefährdung der Sittlichkeit als aach die Gesundheitsschädigang Dud
alle andern Einwände lassen sieh mit demselben Becht gegen alle
sexuellen Akte zwischen Männern anfahren. In einem Gutachten der
Königlichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal wesen in
Berhn war sogar der Passus enthalteni dass vom Standpnnlrt der
QesnndheitsiobidigQng ans die mntnelle Onanie gsflUurlioher ssi,
wlhreod die widematOrliehe ünsnehl mit Kaehabmnng des Koitus
höchstens dnreh denExsess nachteilig werden kOnne.^ Qeiade wegen
der Unklarheit der Gesetsesbestbnmnngen steht aneh das forensische
Ergebnis oft genng in keinem Yerbflltnis an der angewandten Mflhe.
Ich «innere an den Paderasteaprosess, der ?or einigen Jahren in
einer grossen Stadt spielte, wo mehrere himdert Personen Tcrnommen
worden nnd schliesslich die ganse Angelegenheit im Sande i9ßaiA
Ein femeier WideEspraob der augeublicfcfichen Gesetsg^nng ist
es, dsss der senelle Verkehr der Weiber nntar einander In Denlseb-
') Bens 8: Des aherrattom du sem genuique chex, l' komme. Antuüe«
d'hygüne publique et de midecine Ugale. Troütihm terie, Tome XVL Paru 1886.
^ E. Freihorr v. Krafft-Eblng: Der konträr Sexuale Tor dem Straf-
rl hter. De Sodouiin ratione smt.^ pitnienda. De iegß lata et d» kg9 ferenda.
Jüue i>0Dkachnft Leipzig und Wien 1^ S. 37.
Widersprüche in der QeBetzgebaag.
495
laad keineii Stnlbeatimniiiiigni «nteiliegt; die Weiber koimeii aaoh
dieser Biohtong thim, was sie wollen. Vielleicht fehlen bier die
Strafbestimnuingen deshalb, weil man über den Verkehr der Weiber
unter L'inandrr hm der neueren Gesetzgebung nicht genügend unter-
richtet war. Ks tiihrtai aljer die Weiber zum Teil genau dieselben
Akte wie. die Mimner aus, ohne sich stran)ar zu machen, z. B. lambutU
UrufiuL genilaliu alteriits, was bei M&unera strafbar sein dürfte.
Die Gründe, die mitunter fttr die verschiedene Beurteilung des
homosexuellen Verkehrs der Weiber und der Männer angegeben
wurden, sind darchans nicht stichhaltig. Es sind ungcßhr dieselben,
die Johann Jakob Cella') bereits 1787 auseinandergesetzt hat.
Er meinte, dass die Gefahr für die allgemeine Sittlichkeit bei ge-
schlechtlichem Verkehr der Weiber deshalb nicht so gross sei, weil
die Freuden des Beischlafes bei diesem Verkehr der Weiber doch nur
whr nnTollkommen seien; ferner werde der Durst nach Wollust bei
imiüchtigen Umarmungen zwischen Weib und Weib mehr erhitzt und
genibrt als gestillt und befriedigt Unxflohtige Madchen, die dieeen
Weg eiuschlOgen, würden daher immer noch eher auf den normalen
Weg der Natur zurückkehren als denurtige Männer. Ausserdem sei
die ZsJil der KnibenBeli&idar bedentend grösser als die Zahl der
USdohen nnd Wäber, die ihre Lnst in weobsdseitigen ümarmongen be-
friedigten. Audi sei beim weiblioben Oesdileobt die Quelle der nn-
natflrliohen Befriedignng gewObnlioh die Fnioht vor Sebwingerong
im Yerkebr mit dem Manne, feiner der Stolz, sieb nicbt bei Manns-
penonen dvieb sebnelle Hingabe verlebtlicb sa madben nnd dgL mebr.
leb glaabe niebt» dass diese Oxtlnde sliebbaltig sind. Bass die Zabl
der bomosexoellen Weiber geiinger sei als die der Mftnner, ist keines-
wegs festgestellt; leb babe im GegentiBil in nenerer Zeit die Homo-
seraaUtftt der Weiber in Berlin in einer Ansdebnnng nnd in Kreisen
gefunden, wo ich sie früher gar nicht vermutet bfttte. Ferner findet
bei dem geschlechtlichen Verkehr zwischen W^eibern ganz dieselbe
Stiirkü der Befriedigung statt wie sonst. Ich finde, dass der homo-
sexuelle Verkehr der Weiber vom Standpunkt der Sittlichkeit nicht
anders aufgefasbt werden kann als der der Männer. Und wie steht
es mit anderen perrersen Akten von Männern?
Wie Weisbrod*) erwähnt, ging das kanonische Gesetz viel
- ) Johann Jakob Cella: Über Verbreohen und Strafe in UnzuchtsfiÜleD.
ZwdteOsikflB lud Leip^ 1787.
') E. Weisbrod: Die Sittlichkoitoverbrccben vor dem OesetM. HiBtorisch
und kritisch beleoohtet fieilin nnd ieipxig 1891. & 87.
49a
Folgen der modernen OeeeAifebiuig.
weiter. „GertOtit auf die Bibel, erblidct es in jedem Akte der
WoUoati welcher nioht der natuigeniftsaeii BeiseMilerollMehnng ent-
Bpiioht, ein Yerbieohen*" Demnaeh beatiaft ee Akte, die »die welt-
liche Gesetigebiing nie in das Bereich ihrer Beetinunungen gesogen
hat» die sogenannte Sotkmna raHtme ordinis nalnra^ d. h. den natoi-
widrigen BeisoUaf mit einer Ftoison anderen GescUeehts, feiner den
Eoitos mit einem LeifAnam nnd endfioh anch die Onanie." Dniin
fiegt jedenfalls System mid ein Prinzip, wihrend sieh ein solches in
der modernen Gesetzgebong des Deutschen Beiches nicht nachweisen
iasüt, vielmehr willkürlich dies oder jenes unter Strafe gestellt ist.
Bei jedem Gesetz muss man üicli scLliüSslich die Frage vorlegten,
ob es sich als Gesetz bewährt hat, oder ob es mehr Sckadeii
als Nutzen gebracht hat. Wenn wir nun finden, dass das Gesetz,
das die widernatürliche Unzucht bestraft, durch Züchtung einer Er-
[ ri';,it 1 Ii Hüde viel Schaden gebracht hat, so müssen wir uns über-
legen, ob nicht eine Anfhebung des (u-sctäes der Hebung der Sittlich-
keit und der Förderung (Ins GerochtigkeitsgefTihls im Volke mehr
nutzen wird, als die Bestrafung der widematüriioheu Unzucht
In nenerer Zeit zirkulierte in Deutschland eine Petition an den
Bundesrat und den Kelchstagi in der eine Abänderung des § 176
des Beichsstrafgesetzbuchs verlangt wurde. Insbesondere 'sollten
homosexuelle Akte zwischen ^lännem nnr dann strafbar sein, wenn
sie nnter Anwendung von Gewalt, wenn sie an Personen unter 16
Jahren, oder wenn sie in einer öffentliches Ärgernis erregenden Weise
ToUiogen werden. Die Petition hat lahhreiolie Untersohxiften gefonden.
Vielleicht Usst sieh gegen einzelne Pnnirte der Petition mannhea
einwenden. Besonders hat Gramer^) versncht, die hanptslohMiaten
medisiniflöhen Genohtspnnkte der Petitton als irrig m erweisen. In-
dessen finde ioh, so interessant anoh seine Ansfthmngen sein mAgen,
dass er nichts gegen die Petition Torgebraoht hat Er statst aldi
hanptsftehlieh daran^ dass nicht alle homoseKnsillen Akte als krank-
haft nachgewiesen werden kOnnen. Gramer maoht hierbei dnen
doppelten Fehler. Entens meint er, wenn nachgewiesen wire, dasa
alle homosezaellen Akte etwas krankhaft Bedingtes arien, dann mOsste
') A. Cramor: Die konträre SexaalflmpfinillUIg in ihren Bmelnngai asni
§ 175 des StrafgosGUbochs. Bediiier Uinische Woohenschcift. 95. Oktober nnd
1. November 1897.
GiHinn AtttfiOfangen.
497
selbstverständlich vom medizinischen Gesichtspunkt aus der § 175
geändert werden- Dies ist ein Irrtum. Es kann vorkommen, dass
eine Handlung zwar krankhaft bedingt ist, aber aus Zweolmiftsag-
keits- and sogar aas GereohtigkeitsgrQnden bestraft werden moss.
Wenn eine Hysterische auf Grand einer krankhaften Appetitregung
sich widerrechtlich etwis aneignet, so liegt in dem Umstand, dass
diese Appetitregang etwas Krankhaftes ist, kein genügender Grand,
den Diehetafal unbestraft za lassen. Die krankhafte Grundlage einer
Handlimg kann ikmals als aUeiaige YoiaittaetaiiDg geaoimiieii werden,
diese Handlung nioht mit Strafe %n liediolien. Wenn die nider-
natfliliche ünmeht eine gemeingefiAdielie Handlang ist» so dflifen
aneh diejenigen, die eine krankhefke Yeranlagnng fnr yorliegend an-
sehen, diese keineswegs als einen genllgeaden Grand fOr Straflo^
keit anfuhren. Besteht ja gerade der g 51 deshalb, damit nnter
bestimmten Yoraussetsnngen krankhaft bedingte Handlongen
strafficei blähen. Der swelte Fehler, den Cramer begeht, ist
der, dass er sagt, nnr wenn alle homoseznellen Akte oder anoh
Neigangen als krankhaft bedingt angesehen werden, wMe sich eine
Aufhebung des § 175 rechtfertigen. Wenn Cramer hier konsequent
wÄre, mflsste er verlangen, dass in FftUen, wo die krankhafte Neit^ung
nachweisbar ist, 8traffrtulitiit eintreten solle. Er leugnet nicht, dass
krankhafte Neigungen zu homosexuellen Akten Veranlassung geben;
er ist nur anderer Ansicht über die Frage, wie oft dies der Fall ist.
Nun hat aber bisher kaum ein Sachverständiger geleugnet, dass
homosexuelle Akte auch einmal ohne Homostixualität und ohne krank-
hafte Anlage vorkommen können. Es ist also nicht recht einzusehen,
was Cramer in seinen Ausfübrnn^en bezweckt Mindestens hatte
er doch dann die Konsequenz ziehen müssen, dass fÖr pathologische
Fälle Straffreiheit bestehe, mithin eine dementspzeohende Änderung
des S 176 eintrete.
Ganz selbveiatändlioh ist es, dass BestcaAmg der Urninge wegen
sensUer Akte dann erfolgen muss, wenn Gewalt angewendet wurde,
um den andern snr Dnldnng des Aktes su iwingen. Es llsst sieh
ftvMk hier einwenden, dass maneher dnreh die Stirke seines Triebes
gezwungen werde, Gewalt gegenüber dem anderen anzuwenden, so
dass nnter Ümstinden sneh hier mehr em pathologisohes FhSoomen,
als ein Teibieeheriseher Akt vorliegen wfirde. Dies mag s«n; indessen
wQide doeh ein GewaltakI gegen einen Mann diesen nnd die Ge-
498
Gmuen der Straflosigkeit
Bellschaft ebenso schädigen, wie es bei der Notzucht eines weiblichen
Wesens grs( hiebt Eine solche Gefahr fflr Personen hat der Staat
entschieden zu beseitigen. Sollte aber der Gewaltakt hv\ dem einen
oder andern pathologischen Ursprungs sein, und sollte jemand nicht
im stände sein, ihn 7n unterdrücken, so bliebe zum Schutze der
Gesellschaft nur übng, den Mann statt in dm Oeflln^nis in die Irren-
anstalt zu bringen. Wer die Gesellsohaft sch&digt, moss aoa ihr
entfernt werden.
Ebenso mnss Bestrafung eintietea, wenn dorch sexuelle Akte der
Urninge ein öffentliches Ärgernis erregt wird. Es dürfen un-
züchtige Handlungen nicht öffentlich vorgenommen werden, ebenso
wie ein Mann nicht das Beoht hat^ untüchtige Handlangen mit einem
Weibe öffentlieh TOEmehmen, wihrend ee ihm nnter vier Augen
gestattet ist
Yoraoflsetnmg für Stialfreiheit rnnss es ferner sein, daas der dem
ünnng rieh Hingebende bennts ein gewisses Alter tbersohritten
hat Denn dass man solehen Homosexnellen» die rieh in Knaben
liingezogen üBhlen, den Veifcehz mit ihnen geeetslioh gestatte» wire
▼erkehrt Knaben, die ein bestimmtes Alter, ssgen wir das seohsehnte
oder aehtiehnte Jahr neoh nioht eireicht haben, müseea Tom Qesets
beeondeis gesehfttst werden, da sie noch nieht die nOtige Einsieht
besitzen; rie müssen femer gesehütst werden, weil immerhin die
entfernte Möglichkeit besteht, dass Knaben, die die PnbertSt noch
nicht überschritten haben, durch den Verkehr mit Urningen homo-
sexuelle Natur annehmen. Ausserdem besteht die grosse Gefahr, dass
der Knabe durch solchen Verkehr in seinen sittlichea Anschauungen
geschädigt und demoralisiert werde. Unter allen Umständen mu&s
aus diesem Grunde eine Sfrafbestimmimg bestehen bleiben, die Knaben
schützt. Wie hoch man die Grenze setzen, welches Lebensjahr man
als Grenze nehmen soll, das möchte ich hier nicht benrteilea.
Da nicht geleugnet werden kann, dass die Urninge nach tausen-
den zahlen, sollte der Staat sie we^en der Befriedigung eines der
stärksten Naturtriebe nicht mit den gemeinen Verbrechern auf eine
Stufe stellen. Soweit ich in der Lage war, gerichtliche Akten sa
studieren, scheint es mir, dass in der letzten Zeit eine milde Praxis
in der Beurteilung stattfindet, dass die Strafen, auf die bei wider-
natürlicher Unzucht erkannt wird, niedrig sind, und dass diejenigen,
die einem krankhaften Geschlechtstrieb erliegen, von den Gerichts*
höfen nadisichtig beurteilt wenden. Dennoch ist anoh eine niedrige
Stnfe ohne weiteies geeignet, die meisten Mensehen sns der besseran
Ermirbiiiie HomoBexiialiliL
499
GeseUsdiift aofort «unuohliessen; ja uHM eine ünteieacliiiiig, in
die die Leate wegen einer sexneDen Sache Terwickelt weiden, genügt
nieht selten, sie geeeUeeluiftiieh nnmÖgBeii in maohen. So lange
aber, der § 175 besteht, gilt Ton ihm das, was Beanssire*) im all-
gemeinen erklärte, als er das Recht des Staates and das des Indivi-
duums einander gegenüberstellte : „Mais quand je me serai convaincu
qtie la loi de man j)ays est crud, tyranniqtie et funeste, je ncn
devrai pas tnoins recminanre que cesi la l<n, et <iuelU a droit ä
nmh obeissance : Dura lex scd lex." Wenn nach Ansicht des Staates
die Urninge bei Befriedigung ihres Triebes die Sittlichkeit in si lchem
Grade schädigen, dass ein Schutz geschaffen werden moss, anderer-
seits aber festgestellt ist, dass sie meistens schuldlos an ihrer Per-
rersion sind, und dass es sich um einen krankhaftiii, ihnen innewohnenden
Trieb handelt, dann hat der Staat nur einen Ausweg: nämlich die
Irrenanstalt GefäagniBse sind nur für Verbrecher; als solche aber
kann man die Urninge heate nioht mehr ansehen. Wenn einzelne
meinen, dass man diejenigen HomoeeKnellen, die ohne eigene Schuld
die Perveraion besitzen, ftlr homosexuelle Akte nicht bestrafen solle,
die andern aber zur Verantwortung ziehen müsse, so berücksichtigen
- diese Autoren nieht den Geist des Beohts. Wenn im konkreten
FaUe der homeaexneUe Geseldechteakt ans einem starken Triebe
hervorgeht, so ist ee ftr die stia&eehtUehe Beniteilung dea Aktes
gaiut gleiehgfltig, ob der Trieb durch annohweifendefl Leben herbei-
geftohrt wurde oder nidbi Geisteskranke bleiben von Strafe frei, und
es ist bierbd gleichgütig, ob sie die Geisteskrankheit selbt ?etaohnldet
haben oder nicht Trunkenbolde werden, wenn sie im Bansefasnstand
ein Veibreohen ansfilhren, sobald ne hierbei ftr inzeohnnngsnnlUiig
gelten, nicht bestraft; ob die Trunkenheit veischnldet oder unver-
acfanldet war, ist bedeutungslos. Bs kannte nach dem Geist des
Biohtes das ausschweifende Leben, das sur Homosexuatitftt fllhrt, be-
straft werden, nicht aber der ans letzterer hervorgegangene Qesohlechts^
akt, ebenso wie in neuerer Zeit der Vorschlag gemacht wurde, das
Betrinken zu bestrafen, wenn hieraus strafrechtliche K;indlun,c:en
hervorgehen, die letzteren selbst aber straflos zu lassen, da man
niemanden für eine Handlung bestrafen dürfe, die er im zurechnungs-
unfähigen Zustande begangen hat
') Emile Beanssiro: f.n Libertc dam Fmkr»
Eluda» de Droit ttaturek Paria 1866, 8.
88*
500
AUndenuf dts § 861.
Warn ieh im Yoifaergehenden die Abiobaffdiig odor khbuäamg
dei § 175 des St-G.>B* vorgwoUagni lube,') so mOobte ich booIi
eine andere Indamiig in dem Si^G.-B. TonoUag^ ne betiifft den
sedisten Absati dee § 861. Er lautet:
„Mit Haft wird bostraft isine Weibsperson, welche wegen gewerbs-
niAssiger ünz\icht eiuer polizeilichen Aufsicht unterstollt ist, wenn sie
den in dieser Hinsicht zur Sicherung der üesondlieit, der öffenüiohen
Ordnung und des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vor-
sohrillen nwideibattdelt, od«r wetolM, oIum «faiar solchen Aofsicbt unter-
stellt SU sein, gewerbsminig« ünsfielit treibt.**
Dieser Paragraph gicbt der Polizei scharfe Mittel in die Hand,
gegen die weibliche ProsÜtotion TOixngehen; die öffentlichen Weiber
können durch die Polizei von gewissen Stnaeen anageeolÜMaeD werden.
Nun besteht eine derartige Bestimmung gegenüber der mannlichen
Froetitntion niclit') Die proetitiiierten Mloner kOnnen, ohne daaa
^) Die yorangegaogeneo Aosfühnuigen, besonders der Vorschlag, die wider-
natürliche Unnwht nldit ohne weltens wa biatnfeii, ttaaden bereits in der
eiBtea Auflage dieeee Bnehei. Bs wir nur gaas interanaot» ans aaUreidieii Zih
Schriften zu ersehea, wie schwer es ist, es allen recht m nutcben. Die einen
warfen mir zu grosse Toleranz gegenüber den Urningen vor und meinten, dass
durch meinen Vorschliig die Sittlichkeit geSUurdet würde; einige beriefen sich
auf die Bibel Aber anob der entgegeogeietite Torwuif ist mir gemacht worden,
dass ich gegen die Urninge nicht gerecht gsung sei Da es Tielleioht von all-
gemeinem Interesse ist, so teile ich einige Zeilen mit, die n. a. an mich in
letztprem Sinne gerichtet wurden. Ein Briefschreiber meinte: .Sie plädieren ftir
die konträr Empfindenden, wie etwa eine Herrschaft zu Gunsten der Veränderung
eber GeeindeordDUiig j^idieien wttrde. Welch gnädige Besoltafe aaoh in stüida
komml^ Qfldnde mnss Geeinde bleiben .... Sia leanm Jenen IjidiTidiiia ein
Becht, aber nur ein Schandrecht ein ... . Wer aber stolz ist in seiner homo-
sexuellen Seele, der wird Ihre Güte zwar hoch schätzen; or wird es aber ab-
lehnen, sich unter dieselbe gestellt zu sehen. Wer ein Hecht hat, soll dasselbe
njbdil ffir eine Abflndong hergeben, andi dam nicht, wena ihm sein Beeht nie
nni niiBiiiir wird. SUten die HemoiezaeUfln Qesetae la diktieien, wie gar
schlecht würde es da den Hcteroseraellen ergehen!* Dieee Worte erinnern
übrigens an die vielen Erörterungen über den Ursprung der Sitten und der Qe-
setae, die im grossen und ganzen sich den Gefahlen und Bedüifhissen der Majuriät
aapeiien 8o ssgt Bmannel Jaesohe (Seela nad Geist ia streng wissensidisfl-
Hoher AniflMsang. Lelpsig IM & 88); i,Daicih die sieh aneUUenden Trieh«,
welche sie zu einander in bestimmte Beaehnngea bringen, kommt es bei ge-
wissen Gruppen der bewussten Geschöpfe zu einer Übereinstimmung in ihrem
Wesen. Wir nennen eine solche in gleicher Weise sich eriialtende Cber-
einsrimBwmg der bewussten Wesen die Bitte."
^ Sehen in alter Zeit nar Unigens eine poliieiHehe Konfndle der mlan*
liehen Prostitntion vorhanden. In Athen verpachtete der Magistrat den Huren-
zins an Pächter, die eine Uste der Steuerpflichtigen itthrtea, woaa aaoh die
BcUkiei gehörten. (Roseubaum l. c, S. 96.)
Lücken im Strafgesets. 501
die Polizei oder das Gericht es ihnen Terwehran ksDn, in unbesohiliilter
Weise ihrem onsittlichen Gewerbe nachgehen. Die vielen gewerhs-
mässig Unzucht treibenden Männer, zumal in Berlin, sind jeder polizei-
lichen Beaufsichtigung entzogen. Da der § 175 des St.-G.-B. sich
nur gegen gewisse Formen des mannmftnnlichen Geschlechtsverkehrs
richteti so stehen die Behörden gerade der männlicbeu Halbwelt
machtlos gegenüber. Es würde sich dies sofort ändern, wenn der
§ 361, Abs. 6, 80 gefasst wUrde, dass nicht nur weibliche, sondern
anch männliche Personen unter ihn üelen, wenn also die Bestimmong
lauten wfiide:
^Ißt Haft wird beatzaft «Ine Person, welebe wegen gewerbs*
masaigar üuaeht eio»*
Freilich kann man ülierhfiupt einwenden, dass der Staat in keiner
Weise sich um die Prostitution kümmern soll, da er dadurch den
aussereheliohen Geechlechtsrerkehr beganstigt. Ich will diesen Stand-
punkt hier nicht erOrtem. Wenn aber der Staat den heterotexuellen
anaserehelichen Verkehr in solcher Weise flberwaclit, dann mnss
er auch das Becht haben, den homosexuellen in der Weise zu fibar-
waohen, daaa die mftnnliche Prostitntion denselben Beaohrftnkungen
unterliegt wie die weiblidie. Ea sollte der Staat stets auf Kon-
aequeus in aeiiMii Toraehrifteu aebten, und diea mftsate auch In
Beivg anf die Froetttution geaeliebeD, wenn der Staat flberhanpt
gläubig diese bemeksiebtigen ni mflssen. Die Inkensequent ist atets
m tadebi.
Aueh sonst sind Im Btrafgesetsbnch Bestimmungen enthalten,
die nicht der Billigkeit entsprechen. Ich glaube allerdings, dass sie
zum Teil dadurch in das Gesetzbuch aufgenommen wurden, danä der
Gesetzgeber au gewisse Möglichkeiten gar nicht dachte.
§ 176 bestimmt eise Zuebthsosstraf« bis an lehn Jalirai: erstens
fBr den, der aut Qtwalt unstleli%e Bsndlnngen aa einer Frauensperson
▼ornimmti aweiteas für den, der eine in einem willenloeen oder bewnsst-
lossn Zustande b«findfiobe nrooeasperMm sum Misserelieliebea Beisehlel
gebraucht, dritteaa Ar den, der mit Personen unter yiemhn Jahren
anzüchtige Handlangen vonmnmt. Bei mildernden Umstanden tritt Ge-
ftcgnisstrafe ni^t anter sechs Monaten ein. § 177 ergänzt tdlweise
die Bestimmungen des % 176, ind«n«r noch besondere Strafbestimmangen
für denjenigen festsetzt, der den aosserehelichen BeisohUlf mit einer
Fraaensperson ausübt, nachdem er sie zn diesem Zweoke in einen willen«
losen oder bewumtlosen Znstand versettt hat
502
LBdBttt im StxvigfiMti.
Zonftchst ist ein/.uwenden, dass 176 gewaltsam an einer Frauens-
person Torgenommene unzachtige Handlangen sehr streng bestraft,
dass er aber für gewaltsam an einer mftnnlichen Person vorgenommene
nmaohtige fiaadlongen keine Strafe festsetzt Höchstens wäre dies
dann der Fall, wenn die betreffende männliche Penon jünger als
vierzehn Jahn ist (nach § 176, Abs. 8). Ebenso sind unzüchtige
HaDdlnogen, die an einer im wiUeii> oder bewvBStloseii Zustande be-
findlichen erwaduenen Penon vofgenoimnen weiden» nioht besonden
strafbar; es k(innen infolgedeeaen an IfSnneni, die sieh im bewnss^
losen oder villenloeen Znstande befinden« wenn sie Aber 14 Jahie alt
Buid, alle mO^ioben Handinngen foigenommen werden, ohne dass
die entspreohenden Parsgiaplien des StnljseBetibnofaes dne Handhabe
fttr die geziehtüiehe Verfolgung geben. Die einzige Möglieblceit wtie,
den betreüiBnden AttentUer anf Qmnd des Helditigongsparagrapben
sn belangen, da es als eine Beleidigung angesehen werden kann, wenn
er eine bewnsstloee oder willenlose Person als WerkMog seiner Lnst
betraohtet.
Bass derartige Lücken des Gesetzes nnter ümst&nden praktisch
wichtig,' werden können, lehrt ein Fall, der zur Kenntnis einer Be-
hörde gelangte und mir von dieser mitgeteilt wurde. Ob die Anzeige
begründet war, halte ich für sehr zweifelhaft; ich gewann den Ein-
druck, dass liier eine unbegründete Denunziation vorlag. Es handelte
sich um einen fünfzehnjährigen Jungen, der behauptete, er sei von
einem Manne in hypnotischen Zustand versetzt und dann zu un-
züchtigen Handlungeu benutzt worden. Da der Junge bereits älter als
vierzehn Jahre war, so konnte Absatz 3 des § 176 nicht angewendet
werden. Da ferner Absatz 2 des § 176 nur den Beischlaf an Franens-
personen im willen- oder bewusstlosen Zustande bestraft, konnte auch
dMser Passus keine Anwendung finden, und es musste den Angehörigen
des Jungen gesagt werden, dass sie bei dem bestehenden Straf-
gesetzbuch lediglich auf Grund des Beleidignngsparagraphen gegen den
angeblichen Attentäter einsohreiten konnten.
Es sind also die Inkonsequenzen, die in den zuletzt genannten
Fällen das Strai^sesetsbnoh enthUt, n. a. folgende: erstens, gewalt-
ssm oder an i^wnsstlosen vorgenemmene widematOrliGbe ünsoeht
kann nioht strenger bestraft werden als widenatOrliebe ünsoeht selbst;
zweitens, nnsflefatige Handinngen an mtnnliohen Personen Aber vier-
lehn Jahren können, wenn es sieh um einen willenlosen oder bewnsst-
losen Znstand handelt^ m denen aneh der Schlaf gehört^ nnr anf
Qmnd des Beleidignngsparagnphen geahndet werden. Iis wird Jeder
ZiTÜrechtüohea.
503
zugeben, dass dies wenig angemessen ist. Sonntag hat in dem be-
reits erwähnten Artikel auf die zuerst genannte Inkonsequenz hin-
gewiesen, ohne dass sie damals geändert worden wäre.
Anch Zivilrecht Ii oh kann die Homosexualitftt Bedeutung ge-
winnen nnd zwar mit Beeng auf die Ehescheidung. Die neueren
Gesetzgebungen haben den Qnmdsntz aufgestellt, dass Ehebruch zu
einer Ehescheidung berechtigt; es ist ferner in nenerar Zeit von der
Gesetzgebung im allgemeinen der Standponkt eingenommen woiden,
daes Faderastie und tiudiehe Haadlangeik dem Ehebmoh
gwtoUl weiden. Das gegenwirtig in Prenseen gütige Allgemeine
LandfeehtO beetimmt im § 672, Teil n, Tii 1, dms Sodomiterei
nnd nnnatfliliehe Laster ilmlioher Art dem Ehebmeh gleich geachtet
weiden. Die Frage der GeisteestOrang dürfte bei bomoaexneUen Akten
wobl nnr leiten anüsewoifBn werden. Wtiuend die GeietesstSnmg
dei dnen TeÜB den andern getegentlieh inr Bhendieidnng berechtigt,
Tcrlieien manche Handlnngen, z. B. Ehebroeh, bamoeexnelle Akte
n. 8. w., wenn ae im Znstinde Ton OeisteskianUieit begangen werden,
dleee Bedentnng.
Avf die Bestimmungen des Bürgerlichen Geeetzbuches, die
eventuell fAr unsere Frage von Bedeutung sein kennen, komme ich
sp&ter bei Besprechung der Homuäejiiiälität des Wuibeä zurück.
Ällgem. lAodreoht fBr die Preassiechen Staaten, mit Kommentar von Dr.
C. F. Koch. Bearbeitet von A. Schiller, P. Hinschius, B. Johow, F.
Yiorhans VIII. Auf! BorÜn xini Leipzig 1886. 8. Band S. 238; vgl. a.
Duruburg, Lehrbuch d. I'reuäs. Pn%'atrechts. III. Aufl. 8 Bd. Halle 1884. S. 56.
XilL Konträre Sexualempfindung beim
Weibe,
Wenn ich im Yeilillttüs m der HomowxiuüitAt des Hannes der
des Weibes nnr wenig Raum in diesem Bnclie einräume, so gesdiieht
es nicht etwa deshalb, weil ich dieser Erscheinung beim weiblichen
Geschlecht eine geringe praktiscliü liedeutune^ beimesse: vielmehr
sind mehrere andere Umstände daran schuld. Erstens ist das
Material, das wir Aber diese Erscheinung beim weiblichen Geschlecht
besitzen, nir.ht so gross wie das auf den Mann bezügliche. Allerdings
muss ich bemerken, dass ich im Laufe der letzten vier Jahre meine
Erfahrungen auf dem Gebiete sexueller T'erversionen beim weiblichen
Geschlecht und besonders auf dem der Ho in o Sexualität ausserordent-
lich vpirnphren konnte. Zweitens aber ergeben sich viele Punkte in
Bezug auf die Homosexualität des Weibes ziemlich leicht, wenn man
die gleichen Erscheinungen beim Manne berücksiGhtigt : die Ätiologie,
die Behandlung dieser Affektion, ihre Diagnose und vieles andere.
Brittens können die Weiber infolge der herrschenden Sitten niclit
80 Itioht unter einander Terkehren wie die Mftnner, so diH mk die
vielen sozialen Beziehungen, die wir bei den Urningen kennea lemteo,
beim Weibe nicht wiederfinden. Endlioli ftllt tOn die Erseheinmig
beim Weibe die ftnenmBohe Bedeatmig fktt gaai fbrt» da du Stnf-
gefletibnoh des Dentschen Beiohes ihnen den homoflexaellen Verkehr
«rlmbt*) Biese OrlHide durften es wobl reditfertigen, wenn ioli die
Ersoheinnngen beim Weibe nur kon bespreche.
- ) Eduard R. v. Hofmann (Lfhrlnioli der gerichtlich nn Medizin. Mit
gleichm&Haiger Beiftcksichtigung der deutücheu und uäterreiobi^chen Gesetzgebung.
7. Auflage. Wien «od Leipzig 1886. 8. 167) meint über die widenatürhcbe
Unzacht der Frauen: ^Dieser kommt, mtm lie nur zwieohen Erwaehse&en statt-
findet, gewiss nach keüier Biohtong hin j^e moralische und insbeeondere straf-
rechtliche Bedeutung zu, wie der Päderastie. •* Ich kann mich ^em nicht an-
schüessen, hier einen Ontersohied zwischen homosexuellem Verkehr der Weiber
mMl Ifibuwir sa ouköhen; washall» ioUte das eine weniger moralisch sein ab dm
andera? Idi linde, düi baispielsweiie der Oumürngm dar Weiber dooii nicht
nülder inigeMlwii werden darf; als Jfpnnio nmnM virOit ad torfiu olMtt.
Ferren« Handlnng ohne Perrersioo.
505
Dass beim Weib ganz ebenso geschlechtliche Perversionen auf-
treten wie beim Manne, haben die neuereu Untersuchungen besonders
Krafft-EbingB gezeigt In manchen Fällen mag allerdings bei
einer etwas merkwürdigen Befriedigung der Weiber nicht gerade » in
krankhiifter Trieb vorüpf^en. Mantegazza erwähnt, dass mimcbe
Damen ihr Schosshündchen zu sexuellen Zwecken gebrauchen; ich
kenne mehrere Fälle von Frauen, die sich von ihren Hunden bis zur
BeMedigong gmiUUia lambere liessen und noch lassen. Einzehie
haben mir dies selbst mitgeteilt, und zwar dio einei weil de fbiohtete»
sich eine Krankheit bei dem Akte ragezogen la haben, eine andere,
weil sie nachher unter der Zwangarorstellung litt, ein todeswürdiges
Verbieehen dadnioli Tttübl an haben. In mehieien andeien Fällen habe
loh mehr gelegentlieh davon Mitteihuig eihalteiL
Wt haben anoh bei dem Weib swiaehen der aemeUen Per?eiaion
und der perrenen Handlung m unteiaeheiden. Die Pervemon be-
trifib das Otgekt dea Eontrddaitionatriebea. Wir liaben aber bei der
eigentliolien geaobleehfUehen Befidedigung den kOiperliohen und den
aeeliaehen Akt in trennen. Wenn die Fran, um auf den genannten Fall
lurflekinkenimen, den Hnnd lediglieh dasn benntst, sieh peripheriaehe
SltaetempflndoBgen sn TeraehaflSni, ao kann hier ?on einer Permdon
nieht die Bede sein. Eine solche würde nur dann Torliegen, wenn
der Eontrektationstrieb die Frau zur Berührung mit dem Hunde yer-
anlassen würde, d. h. weun die Frau sich gedrängt fühlte, körperlich
und seelisch für den Hund bü zu fühlen wie sonst für den Maua.
Bei diesen rein körperlichen Akten hingegen, wie sie einzelne Frauen
mit ihren Schosshündchen ausführen, handelt es sich um etwas
anderes, nämlich um den rein örtlichen Kitzel, den eben die Frau
durch dieses Tier intensiver zu finden hofft als auf anderem Wege.
Wie stark bei einzelnen Frauen der Drang ist, sich in dieser Weise
durch Hunde befriedigen m lassen, dafür möge der Umstand sprechen, dass
einzelne hervorragende praktische Kriminalisten selbst bei steckbrieflicher
VerfolfTim^ einzelner Franen die Begleitung durch den Hund für etwas
besonders Charakteristisches lialtpn; es ist thats'Lchlich in oincra bekannten
Falle die Verhaftung eines Hochstapierpaares nur dadurch gelungeu, dass
maii den begleiten den Hund als besonderes Merkmal in dem Strckijnef
anführte. (Ifirfidr dieses zur Woilust benutzte Hündchen, von dem sich
die hetrefiende Jb'rau nicht trennen konnte, wurde ihr Verräter.
Wag aexiuUe Pemnioiieii hdm Weibe betrifft^ eo sind mir mi
Pille von StieüBlfirtisobjsiiuiB bekannt gewefden und eine ganse Beihe
nUe von sadiatie^ Tennlagtm Frauen. Ein Ton mir heobadhteter
500
PaU, der «ine Andeatong Ton Sadiimiis «nthilt, irt bereite tea
Erafft-BbiDg Inui pnbUiiert weiden. leh erwlhne den Fdl. der
iieh «if eine verheinitete Fnn belieb^ Ue? noeb einmal anifbbr-
Keber.
28. Fall. ¥m 26 Jahre alt, stammt ans einer Familie, in der
sich NerreBknaUieiten oder psyohiacbe StörangMi «Dgeblioh nicht finden,
doch hahen genaaere Nachforschungen gezeigt, dass gewisse Exzentrlzitüten
bei mehreren Angehörigen vorkamen. Die Patientin selbst bietet Zeichen
von hochgradiger Hystprie nnä Nenrasthenie; besonders y.cigt sich die
erstere. Abgesehen von ilen gt-wohn liehen Symptomen findet sich bei der
Patientin anch ein ausi^esproi'lien hy.-terischer Charakter, L»unenb>iftLjj;keit,
\'erijtöllungskun8t, Kokettene. Obwohl Frau X. acht Jahre verheiratet
und Mutter eines Kindes ist, hatte sie niemals Verlangen, den Koitus
anszufahren. Als junges Mädchen ist sie streng sittlich erlogen worden,
sie blieb bis zur Verheiratung in fiist naner Unkenntnis über die sexuellen
Vorgänge. Seit dem 15. Lebensjulat^ ist bie mtnätruiert. £ine wesentliche
Abnormit&t an den Genitalien scheint nicht Yorhanden sa sein, wenigstens
niidit in dam Sbuia, dm irgendwia ma orsttchlichar Znaammanhang mit
dtn betfedModaii MiaaUai Pamr^onim iiMbg«iriM«ii wvrdan kaim. Pasi
die Fatianftin damuxdi llngara Znt und Oftar bei Fnoanflntaii in Ba-
bandlnng war, kamit da na an Bjytiana leidet» nicbt Terwondenu Wird
doeb inunar noab flilaehliaharwwae ndtontar die Qjnfceria von aimgen a«f
«in Loden an den Genitalien snrflekgafllbrti)
Der Eoitna ist der Patientin nidit nvr bmn Vergnügen, sondeni
gendesn em unangenehmer Akt; der Absehen tot ihm bat immer mehr
angeoonunen. Es ist der Patientin dnrtthans nnUar, wie aian einen sokhen
Akt -als bOcbsten Gennas der Liebe beseiebneit kann, die ibr etwas bei
weitem Höheres sei, das nieht mit selehen aimiliohen Trieben snssaimenhiage.
Dennoch llsst Tran X. dorob ihren ICann den Koitus bei sieh voll-
sieben, weQ es diesem Veigntigen bereitet Naoh ibzen Angaben mnss
man sehfiessen, dass dies das wahre Mothr sei; sie fttgt binm, dass sie
es ihrem Manne gar nidbt Terdenken wfirde, wenn er m JMWs putUeit
geben wUrde, nnd dass es ibr selbst Tielkiebt lieber wflre^ wenn er bei
derartigen Personen seinen Geaehleditstrieb befriedigte, wofern nur sone
Liebe fOx m selbst bestehen bliebe, ffieranf legt Fran X. offenbar
grossen Wert; denn es würde ihr zweifellos sehr schmerzlich sdn, wenn
sie wfisste, dass ihr Mann ein anderes Weib liebt. Die Patientin trennt
hier streng den Koitus von der Liebe, die sie als ein seelisches Band
betrachtet, das zwei Personen aneinander fesselt. Frau X. selbst liebt
anch ihren Mann sehr. Damit würde es nicht so sehr in Widerspmcb
stehen, dass sie bei günstiger Gelegenheit auch einmal einem andern ihre
Liebe vorübergehend schenken würde; ja ich glaube aas ihren eigenen
BdqiAL 507
IGttfliliuigai soUiessen in dflrftn, dasa dies b« "Fnea X. ihstalflUicli scbon
der IUI gwwweii isi
Die Pitientiii hat am Eflltteo ihres Maones einen entschiedenen Ge-
nius, den sie aber oioht genauer beBducmben kann; daas jedoeh die
Genitalitii izgind etwas nit der Liebe an tfaim haben, kann ihr nicht
eiolenchten. Im ftbrigen ist Fraa X» eine entschieden sehr verstlndige
nad Unge Fraa mit weiblichem Wesen imd sehr feiner Bildong.
8i oscuia dat caniugi magnam volupi€Uem ptreipU m moräendo
eum. GrcUissimum ei essei, eonmgm mordere ßo modo, ut aangiUs
fluat. ConierUa esset, si hco coitus morderetur a eomuge ipsiguo eum
mordere IkereL Tamm etm poenüerei, st morm ma^mm dohrm
faeorei,
tfan riekt alaot dass hier ein IUI Ton Aiutethene in Benig auf
das nonnale Geaoblechtdeben Torliegt» daaa hingegen die Neigung
zoni Koitus dnrdh Andeatongen Ton masookiBtisehen nnd sadistisdien
Akten eiseirt ist.
Nook deittlioker treten letrtere in folgeBdem FaHe ker?or.
29. Fall. Pran X., 28 .Jahre alt, verheiratet. Frau X. ist eine
grosse, gesTiitd aussehende, kräftig gebaute Person. Sie selbst bezeichnet
sich als sehr launenhafk. In der Familii sind ihr Krankheiten nicht
beitannt. Insbesondere versichert sie, dass sie von irgend welchen sadistischen
Neignngen weder bei ihren Schwestern noch sonst in der Familie etwas
wisse; auch suust sei das Geschlechtsleben, soweit sie beobachten kümite,
in der Familie durchaus normal.
Ihre eigenen perversen Neigungen kann sie bis in das 18. Jahr
deutlich mrftoiereifolgen. Von damals an beherrschte sie immer der
Gedanke, dass sie einen Haan acibbig«! ind sonst qnilen mUsse. ffie
glsnbt aber, dass sie bereits bis auf das 14. Jahr die Aaftnge ihrer
Perfsnion nndeatUch snrftokdatierea kOnne. „Denn wenn ioh es mir
jetat ftberlege, so ist es mir kOohst aofiaUend, wie ich damals immer die
Neigong katte, Henen m widenprecken; dieser Widenpmohsgdst ist
mir niemals Ftanen gegenflber gekommen. Wenn ein Herr, der bei ons
im Hanse verkehrte^ etwas sagte, so war ioh fiut stets bereit» das Gegen-
teil Sil thon oder sa behaupten.** Die X. Iist ihre sexnellen Gedenken
bisher kaum je ins Praktische llbertragen kflnnen. Nor schwache AnsitM
dam hat sie in der Ehe ihrem Manne gegenüber gemadit. Weiter zu
gehen würde ihr das Schamgefühl, wie sie glanbt, verbieten. Fast alle
Gedanken spielten sich bisher in der Phantasie der X ab, die es aber
anfrichtig beklagt, dass sie dnrch die modernen sozialen Verhftltinsse
verhindert sei, in der Weise, wie sie es wünsche, sich geschlechtlich zn
befriedigen. Der Hanpirri/ für sie ist es, den Mann, m dem sie sich
hingesogen fühlt, auf jede denkbare Weise zu qn&len. Körperliche nnd
508
BeispteL
MeUiehe SdunnMO gewilmn Sur wua glaiehan Qmm. wird«
dan Batreffindan beiaaen, Ina daa Blnt kommti und idt luAe ^ai amdi
Öfter mit inain«!!! XaiuM galhaiL HiariMi wttrd« fb mkh jadea IGlgtfllU
vwaohwindaiL Js ioh wflrdft dSaaan Sobnani oiabt mir in d«m Angan-
blick d«r hOohsUn gaacMadittiahan Bnragnng ala ainan (kmam baMMtn,
aondani ftuak «uaarlidb dandban wM« diaa bei air dar Fall tanu Uli
kann nicht sagen, dass ich zu meinem MamMi aina bawmdare Naigug
überhaupt habe. Ich keime eimaD Herren, dar mieb Tiel mehr reizen
wflrdei und oft etelle ich mir vor, wie ich diesen Mann, dem ich sehr
gol bin, behandeln würde. lek wfirde ihn zn einem SteHdiebem bestelleo,
ich würde in meinem Wagen zwar hingefahren kommen; aber der
Herr müsste längere Zeit in grosser Kälte auf mich warten, nnd dann
würde ich meine T.nst fiarin finden, ihn meine Macht empfinden 7\\
lassen. Er niüsstp unter mrin Joch sich beug'^n und vollständig in
meine Hand gegeben sein Kr hätte sich als meinen willenlosen Sklaven
SU betfachten, und ich würde ihn nach Gutdünken mit verschiedenen
Werkzeugen martern. Ich würde ihn mit der Rute und mit der Reit-
gerte schlagen nnd dergleichen mehr. Es würde mir dies zwar im
allgemeinen nur d&mi Genuss gewähren, wenn der Betreffende sich mit
einer gewissen Wollust solchen Quälereien unterzieht. Er mu&jt« sich
aber dabei vor Sdmierz winden, während er aich gleichzeitig in sexueUer
Ekstase befindet und hierbtt befriedigt wird. Bei mir telbai wflrde aa»
wie ieh fürchte, zu «iner mgaiilili<dien Befriedigung gar niobt konuiMii,
weniggfteiis kann ieb mir gar nidit denkan, wie diss der Fall aain sollte.
Ba ataigari ndi swar bei mir das Lnstgafllbl an soleban MiashsadliMgea
aaitwaiae; sbar tOt wie man es vom gewdbiiliobaa Koitas erslbU^ dsaa es
SR dnam Hooient kommt, wo Be&iedigiuig sfeattfiadsti und wo nisUiar
der Bais Tatgebt» dsa, ^anbe iob» wttrde bei mir nio darPall aain. Ich
wflrde soboD, wn sn wiaaeii, ob iah flbeibaapt efaie BefKedigong in diesem
Yerkebr baben kOnata, ibn gern einmal TamudiaiL Wem tob mm ansb
der Ansiebt Irin, dass dar andere, om eben befinadigsnden Verkehr mit
mir ansniüben, eine gewisse Wollust empfinden muss, so baba iah doob
mitunter das Gefühl, als ob dies mir in manchen Momenten unangenehm
wftre. Sobald das Wollustgefühl bei dem andern an sehr überwiegt nnd
der Schmerz nicht deutlich f Tnpfunden wird, so würde ich wohl, wie
ich glaube, zu manchen Zeiten keinen Genuss haben. Auch in meiner
Ehe beobacÄtete ich dies bpi'm Küsspn meines Mannes. Wenn ich ihn
beim Küssen rtwas biss, er aber dabei einen gewissen Genuss hatte, stnnd
ich schnell hiervon nh, nnd ich £fl«ul>p, iLbnlich wurde es mir bei einem
mich wirklich betriedigenden gescblechtiichen Verhältnis, das memem
Fühlen entspricht, ergehen Immer müsste, wenn ich mit einem von mir
geliebten Manne so verkclii te, der Betreffende mich als die , grosse Dwoe*
betrachten, ich würde ihm Autträgc geben, und wenn es die uu^mnigsten
509
wlnn, die er za erfüllen hätte; wenn er sie iu<dit erfüllte, würde
ich ihn durdi Schläge ttn&n* Man kann sich kaum vorstellen, wie an-
sinnig die Ideen sind, die ich mir mitanter mache. Wenn ich in meinem
Salon sitze, so denke ioh mir oft, dess nur der Betrefiende hei mir sein
mfisste; bloss tun meine Lenne zn befriedigen, hätte er einen Stnhl auf
den Tisch zu stellen und pinen Tisch an eine andere Ecke dos Zimmers
zu tragen, nrid bei dem i^'cnrififst/'n Widerspruch hiitte ich die Rute zur
Hand. Ich würde ihn binden, an Ketten legen, und so gefesselt würde
ich ihn meine Macht fühlen lassen, und je mehr er, wenn er geschlagen
wird, um Milde bäte, um so ruülir würde ich ihn züchtigen.*
Auf weiteres Befragen erklärt die X. noch, dass nur der von ihr
selbst dem Manne zugefügte Schmerz ihr Lust verursachen koimte.
Wenn der Betreffende etwa durch einen Unfall eiue Verletzung, einen
Knochenbrach oder dergleichen Schmerz litte, so würde sie, wie sie über-
zeugt ist, von lebhaftem Mitgefühl ergriffen werden. Ausserhalb des
gexoellea Bmpfindow spielt tfberhanpi das Hil^eflÜil bei der X. eine
Bolle. Sie giebt Leaten, da» ihr bedürftig «csdhemeD, reidilidi, and sie
ist mäum hlu6g hierbei ansgenatit wordMi.
Auf die Fkage, wie ne dem wdblidien Gesdhleeht gegenüber empfinde,
meint rie» daes hier Ton irgend welohem Beiz niofat die Bede sei. Dum
und wann ui ihr swar der Gedanke gikorameo, dasB ide eine weiUiehe
Person etwas qullan mOohte^ aber sie glaubt nicht» dass dieser Oedanke
wirfcUoh ernsthaft bei ihr sei, nnd keineswegs konnte der einer weibliofaen
Person zugefügte Schmers ihr andi nur im entferntesten eine Lost
bereiten wie der Sohmen eines Mannes.
Die X. meint, dass sie, wenn sie emem Mann gegenftbertritt» aaoh
auf ihre Kleidung einen besonderen Wert legen würde. In eleganter "
Toilette oder auch in elegantem Schlafrock dabei auf dem Sofa sitzend
und besonders mit elegantem Schuhwerk hierbei versehen zu sein, würde
ihr den Genuss erst voll gewähren. .Meine Schuhe, die ich sonst mit
breiten, niedrigen Hacken trage, müssten mit hohen Absätzen versehen
sein." Sip selbst würde ihr ganzes Wes'^n, das sonst einen durchaus
sanften Eindruck macht, voilkommen wechseln. ,£lm8t und Strenge
müsste die ganze äcene beherrschen."
Die %'.^eiterf; Fmpe, ob sie denn Treue seitens des Mannes verlangen
würde, mit dem sie so verkehrt, bejaht sie nnbedinG|+.. ,Der Mann, der
mit mir so verkehrt, müsste mir absolut treu sein. Er dürfte nur mir
angehören, und die geringste Untreue würd< mich zur höchsten Wut
bringen, die dann nicht nur zu sadistischen, mich sexuell befriedigenden
Akten, sondern, wie ich glaube, m Handlangen führen würde, die einfach
dem Jähzorn entsprängen. Andererseits aber halte ich mich bei ruhiger
Überlegung für unfähig, jemand dauernd zu lieben. Ich glaube nicht,
dass ich dem Betreffenden, wenn er in dieser Weise mit mir verkehren
610
Sexuelle Anistbesie.
würde, daupnid trea w&re. Ich würde vielleicht sogar mit mdmireii in
denselben Zeitabschnitten sadistisch verkehren kOnnen.*
Den Koitus hat die X. mit ihrem Manne öfter ausgeführt; aber er
gt'\vilhi-t ihr nicht den mindost^n Reiz, Er ist ihr ein fast clcclhaflor Akt,
und niemals ist es bei ihr zur Befriedigung gi kouiinen Wie erw;lhrit,
hat sie diese aber auch bei ihren sadistischen Vorstellungen noch nie
gehabt, und nur einige Male, wo sie sich durch alkoholisrhe Getränke
in einen gewissen £rregungs/,astaud vorsetzt hatte, kum os bei ihr zu
einer stärkeren Empfindnng in den Gcnitalorganen. Sie erinnert sich
besonders eines Falles ganz genau, wo sie sich solchen Gedanken allein
zu Hause hingab und wo dies bei ihr dvi Fall war.
Frau X. macht sonst, wie schon gesagt, einen durchaus normalen
Eindrnek. Bi« tarnt gern und liebt Musik. Sie ist eine intelligente Frau;
ne niMdite mir dieie ICtteilnngen lediglioli rat winoepachftftKchem LrtcrMBt.
Sie wflide niMiialSi wie tie erldtrti mAk wegen Smr aadirtifldien Neigung
einer IntUohen Behtndlung hingeben, da ihr die Fhaiitisiegebild« yiel m
lieb geworden leieo, daM rie raf nie Tendchten mOdit*.
Ebenso man, wie andere Perversioneii, findet sich beim Weibe
hftofigHomoMXiuilit'it, wobei es siok in sexneller Beziehung moht zum
Manne, sondern znm Weibe hingezogen fühlt, d. h. ebenso homosexaell
empfindet, wie der Urning, von dem ioh aaafbhrlich gesproehea habe.
Die Beieiohnuigeii, die man toloben homoeezaelleii Weibern giebt« eind
veiaehieden, wonuif ieh noeh sorfiokkommen weide. Ulrichs
beieidmeto ein derartiges Weib als Urnigin nnd nahm an, dass
Urninge nad Umigmnen in ongelUir s^oober Zahl voihanden aeiea.
Selbstveratfindlich ist es oft ansseroidentUch schwer, ftber sesoelie
Penreiaionen des Weibes genaues Mateiial m erlangen, nnd man moss
bei dessen Yerwertong vorsichtig sem. Wir wissen nnr sa wenig Uber
die Sexualität des Weibes. Ich wiU hier i. B. erwflhnen, dass nach
sahlreicben neneren Informationen, die ich eifaalten habe, die oexnelle
Anftsthesle des Wellm fiel Unflger ist, ala nun geirilludkli
annimmt. Ich meine hiermit allerdings nur die Anftsthesie vom
sinnlichen Standpunkt aus betrachtet: das Wollastgefühl und das
Gefühl des Befriedigtseins beim Beiscliiaf, sowie den Trieb zum Bei-
schlaf. Letzterer ist beim Weibe seltener, :ils man gew^^hnlicli an-
nimmt Die seelische Seite der Liebe tritt andererseits bei weiblichen
Personen hänfig deutlicher hervor, als beim Manne. Die Annahme
Ton Sollier,^) dass diese Art sexueller Frigidität des Weibes ein
») Paul SoUier: Qmtse et Natur c de, l'ByaUne. Toim pretnier, Paris
1897. S. all.
BibeL
511
Symptom dw Hysterie sei, eoheint mir nicht latreffend za sein. Die
Hoiiiimg andern Antoien, z. Bw Mantegaiias/) daw diese aexaelle
Fiigiditit des Weibes niobt bestehe, ja dasa das Weib naoh dem
Koitus viel mehr dringe als der Mann, sdheint mir im aUgemeinen
nicht ri<ditig. „Die Frau, obgleich sie das Klopfen des Bosens and
die hftnfigen Begierden nnter weiten Kleidern Yerbiigt^ sehnt sich doch
mit stirkerem GefOU als der Mann nach diesen Genflssen; weil die-
selben für sie wegen des Mysterinms, das ihr von der Seham «id
den sonalen Gewohnheiten anfeilegt wird, noch Terflihreriseher sind."
In dieser höchst nnwahisohdnlicheD Weise sacht Mantegasaa seine
Ansicht in reditüntigen. Ich denke in mefaiem Bache „ünteraachaDgen
Aber die Libido sexwtU^ sp&to: ansfahrlich auf diesen Ponkt larflok-
zukommen nnd werde anch vereachen, die Gründe der vielen Wider-
spräche einzugeben, die zwiäclieii deu Autoren über diesen Punkt
bestehen.
Bbeoso wie mannmSnnlicher Geschlechtsrerkefar ist aach homo-
8«xneller Verkehr der Weiber in der Bibel erwShai In der Epistel
Si Pauli an die Bfimer werden im enten Kapitel die Sfladeo der
Heiden geschildert and hierbei die wideinatflrliidie Unsacht der
Mftimer and Franen in folgender Weise beschrieben : „Darum gab sie
auch Gott dahin, in den Gelüsten ihrer Herzen, in diu Unremigkeit,
ihre Leiber untereinander zu schänden: sie, welche die Wahrheit
Gottes mit der Lüge vertauschten und den Geschöpfen Ehre und
Dienst erwiesen, melir als dem Schöpfer . . . Barum gab sie Gott
dahin in schändliche Gelüste; denn ihre Weiber verwandelten den
natürlichen Gebrauch in den unnatürlichen. Gleicher Weise auch die
Männer verliessen den natürlichen Gebrauch der Weiber imd ent-
brannten in ihrer Begierde gegen einander, also dass J^IaiiDcr mit
Männern Schande trieben and den ¥eidienten Lohn ihrer Yerirrong
an sich selbst empfingen/'
Sehr stark soll die homosexueilü Fraueniiebe im Altertum auf
der Imal Lesbos verbreitet gewesen sein; besonders der Dichterin
Sappbo wurde der Vorwurf gemacht, dass sie der Liebe zu Weibern
huldigte. Yixe; und viele andere halten die Beschaldigang £Br er-
') Panl Man tegazjBa: Physiologie dea Gennsses. Autorisiert© Überset^ant?
Dach der 9. Auflage aus dem Italienischen. S. Auflage. Styrum und Leipzig 1888.
a 80.
512
Sappho.
wiesen, während audere Erklarer, z. B. Airmld,') Moncaut^) meinen,
dass man mit Unrecht der Sappho Weiberliebe zum Vorwurf mache;
sie habe nur mit einiger Übertreibung statt Worte der Freondsohaft
solche der Liebe gebraucht. Einzelne^) halten die Sappho geradezu
für eine streng sittliche Fraa; schon die die Ehe benngendcn Lieder
seien ein Beweis für die Ungerechtigkeit der ihr gemaohten Vorwürfe.
Indessen muss ich bemerken, dass Moacaut, so fleissig seine ge-
schichtliche Studie über die Liebe ausgearbeitet ist, in Bezug auf
eeiaelle Ferferüon kein zayerlässiger Beurteiler ist» da er aie kaum
zo kennen scheint In den Oedichten der Sappho scheint mir Liebe
zu Weibern Tortnkommen, nnd dem widerspriiÄt nicht der Umstand,
dass anch die eheliche Liebe Ton Mann mid Weib Ton der Dichterin
besungen wird. Aber wenn das auch der FaU ist, branoht dnrohau
noch nicht der Schloss geiogeo la werden, dass Sappho selbst
Weiberliebe getrieben habe, da es durchaus denkbar ist, dass sie in
ihren Gedichten nur die Stimmnng ihrer Zeitgencsnnnen gemslt hat
Bachofen^) vergleicht die Liebe der Sappho zu MIdchen mit der
des Sokrates zu Jünglingen. Ei widmet diesen AnsliDhiungen einen
längeren Absdudtt sdnes grossen Werkes. „Anf Eniehmig ihres
Geschlechts ist Sapphos Bestreben gerichtet . . . Was sich ewig ans-
zuschliessen scheint, Liebe und Geschlechtsgleicbheit, tritt jetzt in den
innigsten Verein. Mit ruheloser bebender Seele wirbt Sappho um die
Gegenliebe der Madchen ihres Volks; sie die grössere, bemüht sich
dienend um die geringeren Wo immer sie leibliche Schönheit
findet, da treibt sie P^ros, auch die geistige m erzeugen . . . Alles,
was Sokrates als die Kraft des die Seele bescliwiugenden Eros dar-
stellt, hat Sappho an sich selbst persönlich erlebt . . . Weich' ein
Schauspiel, zwei der schönsten Gestalten des Altertums in solcher
Verbindung zu erblicken, Sappho die Wunderbare, neben ihr als
Exeget Sokrates den Göttlichen: dort Eros Kraft in dem Weibe ver-
wirklicht ; hier der Hann durch des Weibes Bede wie mit fremden
Strömen erfüllt*'
') Bernhard Arnold: Sappho. Stnndiing gcmefaiventfadUdMr wiano-
schaitlicher Vortrftge, heransgegelNii von Bad. Yiroliow nnd Fr. Eoltsea-
dorff. Berlin 1871. S. 3 f.
Oenac Monoaut: MükMrede l'Ämour dans i AjUiquüe ehex ies Hebreuz,
Orimtauxt kt Qne$ d l$a Bomaim. Pari» 1892. 8. 901.
- ) Otto Henne am Rhyii: Die Twol in der KelfcoigeMlildite. 9. Aufl.
Beilin 1892.
- ) 3. J. Baohofen: Das Mattenrecht. Eine Uotersuchung Über die Gynaiko-
kratie der alten Welt aaoh ihrer religiösen und rechÜicheD Katar. 2. Aotlage.
BMBlia87. S.887-84i.
TriMk im altni Bon.
513
Am Anfang dieses Jahrimnderts hatte es kein Geringeier als der
tiekannte FMlologe Welokei^ fibenuHnmeii» in einer aufiüiilicfaen
Abhandlmif die Weibeiliebe der Sappho als einen siemlieh spil
entstandmien Irrtum hinzustellen. Erst Domitins Oalderinns, der
1477 starb, habe den Haupteinfliiss damof ansgeftht» dass man in
neuerer Zeit die Sappho für eine ifeibeitoUe Fran gehalten habe.
Suidas hatte gesagt, Sappho sei hinsichtlich dreier Freunditmea
Terleomdet worden. Ol) wohl mau aber nach Welcker gerade aus
den Worten von Suidas annehmen müsse, dass er die tlble Nach-
rede f&r onbegTündet hielt, habe Domitius Oaldorinus die Worte
anders yerstanden, und nachher habe er auch dem Text des Ovid
Gewalt angethan, wodurch anscheinend der Irrtum weiter verbreitet
worden sei. Andere Stellen in den aiten Klassikern lassen sich nach
Wc Icker in ungezwungener Weise ohne die Annahme der Homo-
sexualität der Sappho deuten. Auch em anderer hervorragender
Autor, Barth^lemy,') glaubte am Ende des vorigen Jahrhunderts
die der Sappho gemachten VorwMe zurückweisen zu mflssen. Alle
Nachrichten tou dem ausschweifenden Leben der Sappho fänden
aich nur bei solchen SohriftsteUem, die sehr lange nach ihrer Zeit
gelebt haben.
Im alten Born war die Tribadie naoh Flosa ^ gleichMa sehr
stark verbleitet nnd wnrde nach diesem Antor mitftelB der abnorm
grosaen Klitoris snsgetlbi Die homosezneUen Weiber hiesaen
I^idrim CTertnllian)*). Besonden finden aloh in lOmisdhen
IHohtem lahWdie Stellen, die anf den homoaezuellen Qesehlechts-
verkehr der Fkanen hinweisen. Ich erwftbne hier s. B. Kartial, der
n. a. im 90. Epigranun des 1. Bodies, im 67. nnd ebenso im 70.
des 7. Bndhes die Tribaden sefaüderi
Ipsarum tribcuium tribas, Philaeni
Beete, quam fuiuis, vooae anueauL
') Friedrich Gottlieb Weloker: Sappho Tin einam hemoliAiidaa Vor-
urteil beireit Odttingeo 1816.
- ) Abbi Bafth^Umy: Baiao 4« jilngem AnachMTBiB dnroh Grieehenhaid,
vicrtehalbhiindart Johr wer der gowSludiolNii Zeitraoluniag. Nach der awdtan
Ausgabe des Originals überaaM yob Bann BibliothdHur Blatter. 9. TaU.
% Au߻ge. Berlin 1794. 8. 60.
- ) H. PloBs: Dm Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologisube
Steiiaa. B.Aailaga. Kaoh Tode daa Yaifuaan baaiMtak and harausgegebaa
von Xaz Bartela 1. Baad. I«lp«g 18S7. & 416.
- ) Liber de Pallio Mgk IV, Äitfke hipa» pofnlaHim i&Himm mmdmiat,
iptas qitoquc frictriecs.
Moll, Kontr. Sexualomp&iMUuif. 88
SU
Der Oiimi.
Sbeam finden wir bei anderen Dichtem eatoproobfliide SteUm,
B. in der 6. Satire des 2. Bacfaei dea JarenaL
Te nette ^ betradlitete die MIdohai mift aiiflUlead staifcsr Klitoiis
als eine besondere Grappe der Heimapluoditeii. Es seien dies di«
Ton den alten Griedien alt Tiibaden beieiohneten Peraonen. 8ie
sden Bonet in allen Stocken mtenlifJi; was sie allein nooh als lüdohen
eharakfeerisiere^ sei der Uautand, dass sie jeden Monat ibie Periode
bllten.
Ploss erwfthnt, dsss im Orient die gegenseitige Mastoibation
bei Weibern aebr b&ofig ist Eine Unsiliobe YergrOsserang der
Klitoris soll naeh Ploss mitunter in der Absicht herbeigefOhrt
werden, die SchamteQe vaar Ansflbmig der Tribadie geeignet zu
machen, und zwar soll diese Vergröyserung zuweilen durch vielfiache
Masturbatiüü üu der Klitoris erzeugt werden. Im Orient ist die
Tribiidie nach Ploss von jeher sehr verbreitet gewesen; besonders
kam sie auch bei den Arabern vor. Es soll femer geschlechtlicher
Verkehr von Weibem onter einander, wie Mantegazza') berichtet,
in Harems oft vorkommen. Zyro) erwähnt die Erzählung von
Pouqueville aus dem Jahre 1805, daas die schmacbtt nden Weiber
im Harem des Grosssultans, der die griechisclKj Liebe der natürlichen
vorzog, Liebende ihrer Gespielinnen wurden. Auch Virey*) bringt
uns ähnliche Berichte aas dem Orient Einen hierher gehörigen FaJl,
der in Siam spielte, berichtet Ploss. Es handelte sich dort um
eine grausame Bestrafung der Beischläferinnen des Königs von Siam,
nachdem dieser ei&bxen hatte, dass sie unter einander Tribadie
ausübten.
Auch in dem Eamasutram des Yatsysyana finden sieh Mitteilnngen
Aber bomoseineUen Verkehr in indisohen Hazems. „Da die flaiems
bewaclit werden, kann sie kein Hsnn besuchen, und da nur ein einr
siger Qatte vorbanden und derselbe vielen Frauen gemeinsam ist, so
finden diese keine Befriedigung. Barum mfissen sie sieh unter ein*
Kicoi&s Venette: De la gmeration de l'homme ou taöleau dei anwur
MtfugaL Septi^ idUio», Oohgn» 1696, S. 611.
') Paul Mantegazza: AnthnpolQgisdh-kTiltarhistoriBohe Stadial ttber die
Gescblechtaverh<nisse dw Mmuhtm. 8. AvQage. Siuig aaftodaieito deotnshe
Antgabe. Jena. S. 118.
- ) Ferdinand Friedrich Zyro: Wisseuschafüioh-praktiBciie Beurteilung
des SelbetauiidB naoh tUm seinen Beiiebaiigeii als Lebenfispiegol ftr uiuen Zait.
BttED, Chor und Leipzig 1837. S. 128.
- ) J. J. Virey: Die Ausachwcifurt^ in der Liebe und ihre Folgen für Geist
uiid Körper. Uistori^ch, natür^o<«f;hichthch und medizinisch dargMteUt* Ans
dem französischen Ton L. Hermaua. Leipzig 18S9. S. 16.
Mittelalter. Bogland.
515
ander kflnsdioh zufrieden stellen. Sie schmücken die Milchschwester,
Freundin oder Sklavin nach Art eines Mannes und stillen ihr Ver-
langen durch an l'orm gleiche Glieder in Gestalt von Knollen, Wurzeln
und i'rüchten oder künstliche Glieder."*) Indessen meint Eögla') wohl
mit Recht, dass im Orient der Kultus der Sappho keineswegs auf die
Harems beschrankt sei. Unter den Armenierinnen, den Griechinnen
und den LcTantiueriuueü sei er ebenso weit verbreitet. In Fera und
Galatsi, meint er, hest&nden Orte, wo die jnngereu von den alteren
bei gleichzeitiger Benutzung aller möglichen .Narkotika Wie Haschisch,
fieUadonna u. s. w. unterwiesen würden.
Die morgenländische Poesie bietet manches, was sich hierauf
bezieht. £in altes arabisches Volkslied stellt das Schm&hlied eines
Mannes aof seine Fiaa dar. loh gebe emige Zeilen naeh Baokerts
ÜbeisefaRing wieder:
Gott gab mir «in Ifannweib, so dfiir wie ein Stab,
So freoh und so diebiaeli wie Elster and Bab',
Das lieb hat die W«iber, die UMnner ▼ersobmlhti
Und Bvr sieli mit loeem Gesindel begeht
Ploss erwBbnt auch, dass die Tiibadie olfenbar bei den
dentsohen Vtmm Im Mittelalter geihennolit hat, and er fbhrt als
Belag hierfttr das Verzeichnis der Eirchenstrafen an, das der Bisohof
Burehard von Worms im elften Jahrhundert verfasst hatte, und in
dem über den sexuellen Verkehr von Weibem mit einander ge-
sprochen wird.
Aus England wurden in früheren Jahren eine Reihe verschiedener
Fälle berichtet, von denen William Tegg einige gesammelt hat;
es handelt sich um Weilier, die lauge Zeit für Männer galten und
sich äogar mit anderen ii'rauen verheirateten. Mehrere Fälle stammen
aas dem Ende des 18. Jahrhunderts.
Aus derselben Zeit wird uns über homusexuelle Trauen aus
Frankreich manches berichtet Berühmt geworden ist besonders
eine Abhandlung : La ntmvdk Sapho ou hishire de la sede anandryne,
jntblicc par la C. E Nach den Sohilderangen dieses Baches')
Das Samatianm des rai«yayaiuk Die indltehe Ji« amatoria nebst
dem fdlstiadigea ^moMBtaie des Ta^odlunt. Aas dem Sanskrit ftbenetit
aad heransgesi^ebcn von Richard Schmidt. Leipzig 1897. S. 371.
- ) Paul de Eögla: Les Bat-Fouds de Comiantmi^ifle. Troisieme edätion,
«im J893. S. 116.
^ Die mir f«r Verfttguog steheade Ausgabe tteaunt ans Puls Wie
ich auf einer BlUlogiaphie etwiM, ^d noob mebieie Ansgaben des i^eloliea
Werkes ipiter exschisnaa.
516
ftMikniek.
man allerdings der homoflexoeUe 7edcelir iwiaolieii Fcimui der bettai
und hoduten Sttade in Frankrdoli damak sehr stark atugoflbt worden
sein. Das Buch sohUdert das Terlialten dieser Fnmen nadi Art eines
religiösen Ordens. Unter den hemeaexoellen Kranen, die luer be-
sonders ans der dsmsligen Zeit gensnnfc sind, enrilme lA die be-
rAhmten Sohanspielenttnen: Clairon, Arnonld/) Banoonri Auch
andere Franen, die damals eine herTorragende Stellang einnahmen,
werden hier genannt: die Herzogin von ürbereket, die Miirquise
von Terracent's, iic Marquibc von Töckul, und üoch einige
andere. Die Schilderungen dieses Buches sind, obschon aie manche
Übertreibungen enthalten dürften, charaktenstiscli für die damalige
Zeit. In deutlichster Weise wird übrigens die Vermutung ausge-
sprochen, wie in zahireicht ii relip:iö8en Orden, wo die Mädchen zu
absoluter Keus* hlioit verpflichtet amd, der Tribadismus blühte Von
den Vestalinnrii im Iiis aul die damalige Zeit sei dies stets der l'all
gewesen. Daas auch in neuerer Zeit dies Torl(ommt^ JLanu icii be-
stätigen.*)
Ulriebs giebt eine Beibe Ten Notisen aber bistoiisobe weiblicbe
Persönliehkmteni die bomosexnellen Verkebi aosgeflbt baben sollen;
er bringt aber leider keine sieheien Belege dsfbr, die aUecdings woU
aneb sdbwer an besobsiÜBn sind. Ulriobs*) erwibnt, dass Eatbarina
Howard, GemaUin Heinriobs YIU von Bngland, an kontrlror
Senalempfindnng litti oder, wie er es nennt, ümigin war. Er glanbti
dass sie wegen ibres bomosexneUen^) gesebleebtlieben Yerkefars bin-
geriobtet woide. CbevalierO bebanptet, dass Eatbarina IL von
Basdand in den letrten Jabren geedileobfliehen Yerkebr uH Weibern
- ) übrigens war dieArnonld aaoh durch ihre heterosexnoUta Beziehnngen
Ukannt. Btttthmt geworden iit ihr Veilililbds snm Conte de Laaragaaii.
Über dawolbe bringt dnen llngoren Aufsatz Honor6 Boabomme: La SociiU
galavfr rl lütcrairr au XVITT* sn'ch\ Paris S. 75—118.
- ) VgL Albert Moll; Untersaohiuagea über die Libido Mmati», 1. Baad.
2. Teil Berlin 189& S. aö2 ff.
- } Karl Heinrich Ulriehi: Prometheus. Beiträge sor Erforschung des
NatanfliBelB des Uiainsanu vaA sw BrSrtenuiff der eittlidwn und genellenhift-
lichen Interessen des ürningtums. Leipzig 1870. S. 80.
- ) ^üjist wild erzählt, dass die FrnidTi mit einigen "Hipnern ihres Grote*
vat^TB sexuellen Verkehr gehabt habe, und dass sie deswegen hingenchtat
wurde.
■) J. Cbevalier: IMe MakuUe 4$ BarmmnaMÜ. Vhmnkm iwiaffs,
Pilf^ 'Physiologie, Sociologie, Teratologie, Alietudion mentale, Plggtheiegie
morbide, Änfhropologie, Mcdeeim judioiaire, Brißee <ia IV* X Zraea«aajr«»e,
Ljtoih Paris 1893, & 123.
Historische Tribaden.
517
gepflogen habe. loh finde in einem ftlteien Bnche^ ^^ber die Ans-
schweifongen der Kaiserin Einzelheiten. Was ihre homosexuellen
Be2iiehuDgeu betrillt, so wird kier besonders angegeben, Katharina
sei zuletzt so sehr Mann geworden, dass sie Weiber häben musste;
ihre Belustignngen mit den unzüchtigen Weibern Daschkow,
Protasow und Branitska seien viel besprochen worden, und den
letzten Liebhaber habe sie bloss zum Leuchten gebraucht. Besonders
die Fürstin Daschkow stand offenbar auch sonst') in dem Kufe der
Tribadie. Ulrichs rechnet auch di«' Fechtmeisterin Maupin zu den
historischen ürniginnen, und aus neuerer Zeit wurde einer Cousine
Napoleons IIL, einer Enkelin von Luoian Bonaparte, dem Bruder
Kapoleons L, homosexueller Verkehr nachgesagt.
Gelegentliche Erwähnung des homosexuellen Geschlechtstriebes
des Weibes finden wir schon in der älteren Litteratur. Offenbar hat
Bxantdme*) den homosexuellen Verkehr weiblicher Personen gans
genau gekannt. Er schildert ihn z. B. im ersten Kapitel seines
Bnohes: Ftes des Domes gaUmies, £r bringt hier anch eine ganze
Beihe sehr intecwsanter historisch«: Baten. Jacqnes DiiTal^) hat,
Mmlich wie der heraits ntierte Yenette, homoaeinalle Franen mit-
unter XU den Hermaphroditen gerechnet, wie aus zahlreichen Stellen
seines Bnohes hervorgeht Oenaner hat oifenhar Tisaot*) das psycho-
logische Element bei dem homoeexnellen Verkehr von Frauen, das
heisst, den eigentlichen homosexuellen Trieb, durchschaut L*(m a im
aommt des fmmes otmer ä$s fiUes avec afUani cPempressment gue
les hmmes les plus passionSSf eoncewir mSme la Jalousie la pUns vwe
contre eeux qui parmsoierU emw de Vaffeäion pour dies. Auch
Uber die Befriedigung solcher homosexueller Frauen spricht TIssot,
indem er den Ausdruck Masturbation ditoridienne für die Befriedigung
üeheiine Nachrichteo von Boesland; iosbesondere von dem fiegiomuga-
Bnde Oathaiine IL imd von der Dlironbeateigaog Faid I Bb 8itt«ngwintt4e
von 8t FoteiriNiig n Ende des JYUL Jahihnnderti. 9. TdL Ans dem
AftozQaischen 1802 S. 117.
') Vies des Vatnea galanUs par le Seigimur cU Brantöme. Nomdte
idUkn. BuHs (OanUet JHrwr/ B.1S1S.
^ Jacques Duval: IMU dtt BmnofkrodUm, Bartü» gimUdttt ^
eouchemens de« feminea ete. Ou soni expliquex la figure des laboureur ei verger
du gtnre. huinain, stgnes de pucelage, dffloratinn, ronception. nt la belle industrie
dorU tue Notare cn la protHotion du concept et piaiUc in ulißque. Rümprime
mr rmUm migue (Boum im) BaHe 1890, 8. «8 f.
") Tissot: L'Onamsme. DiumiaHoH mt Im mahdin proimlee par la
«MMiMrMbfi. Lamanm 1768, & 65£
518
WitMoiähalUkbe Utüiifiitr.
finrihut» die er anf di« Sappho imdokiflhrt Auch I. B. Aroseson*)
kannte den homoeezneUen Veikebr des weibUohen OeseUeohli. An
mehiarai Stellen seinee Bnehes enrttmt er ihn; er meint Um eegnr
flohen bot sehr Ueinen Ifidehen beobsehtet zn haben. «Fast aoltte
man die Behaaptnng für flabelhaft halten, daaa es mdehen von
7^8 Jahren giebt, in denen jener Trieb aohon ao lant spriofat» daaa
de tiotB ihrer kOrperliehen Ohnmadit ihn anf dem annatorliebaten
Wege m befriedigen anehen, und dach iat de leidet allsa wahr. Man
findet dergldchen frühreife Dienerinnen der Unsneht In groasen
Städten nur allzn häufig. Welche tranrige Folgen für die Oesondheit
dem Mädchen ans diesen lesbischen Künsten entstehen, lehit die
tägliche Erfahrung."
Häufig sind ferner während der letzten Jahrzehnte homosexuelle
Beziehunp^en der Weiber im Anschlnss an die Besprechung der
Prostitution geschildert wurden. Parent Duchatelet*) hat schon
vor längerer Zeit auf ilio leidenscbiiftlichen hom(»exuellen Liebes-
empfindungen der Prostituierten hingewiesen. Von späteren Autoren
sind noch besonder? Prosper Deapine*) und L. Reu ss*) zu nennen.
Die wissensctiaftlichen Erörterungen des homosexuellen Ge-
aehleehtstriebes bei Weibern haben erst in neuerer Zeit begonnen ; wir
begegnen hier im allgemeinen denselben Kamen, die wir oben fanden;
besonders die Arbeiten von Westphal nnd Krafft-Ebing haben
dieses Gebiet gefördert loh nenne ferner von den Tielen Mitarbeitern:
Chevalier, S^rienx, Kelp,*) Birnbaeher,') Goh^n,^ Zneoa-
- ) L £. Aronsson: Die Knast, das Leben des schönen Oeeohleehts n ver-
llngeiii, Mine SohSnlMit in eriiallen and m in ■dnen eigenttitnlkilmii Xmüc-
heilen vor Missgriffen zu bewahrou. Ein Handbach fOr JUltter and arnfaehwnB
löchter. Neup. Auflage. Berlin 1806. S. 45j auch S. 5.
- ) A. J. B. Parent Dnchatelet: De la ProstütUum dam ia Viüe de
Paris, comidirU »otu U rapport de l'Ifygime publique, de la Marale el de
FAdmiitMraHon, JMeSd$ d^une Naiiee kieHorique »m lane et lee emragee de
VAulenr, pot Fr, LeureL BrmelUs MDCCCXXXVI. 8. 100 f.
■) Prosper Despine: Peychologie naturdle. fyude sur Us Foj'uIWs
irUeUectuelles et moraies dam kur ^!kU normal et dam leura MmUfe^tatumn
anomales chex les AUinie et ehe» lee CHmituU. Ibtne III. Parte 1868. S. S23.
«)L. Banst: La iVofMMMi» au pomt de vue de Ul^gikm et de
f Administration en Franee et ä tttranger. Paris 1889. 8, 89.
^) Kelp. f'bpr im Geistea^nstand der Ehefran Katharine Hargarihe L— r.
Konträre Sexualempiindong. Zeitschrift fUr Psychiatrie. 36. Band. S. 716 ff.
- ) Birnbacher: Ein Fall von kootrftrer Sexnalemi^dung vor dem Straf-
gericht. Friedreiohs BUttar flr geridhiüalie Kedkiii. Nfimbeig 1891. 4S. Jahi^
gang, 1. Haft, 8. 35.
") Tlerinann Coh*n- Dv^'r i!irif>ti«rhf Anfsätzi\ Br^rlin 1893. T. Ein Ver-
brecbensprivil^ der Fianen. £än Beitrag sar Keform des deuteohen ätra^eMtcbnohs.
BfllbtiiBlIk»
619
relli,0 Artlmr Mao Donald»*) P. Ponta, d^TTrao,*) Gimoppo
Ponta.*) ZahMolio Antoien nnd sdboa in den frfllioiMi EapiMn
genaonl
Blandford*) hat anaohcuiond anoh FKUe von HomosexnaUtit
l>ei wolMiolioii Pononon boobaohtat, reebnote aber einige davon m
Erotomanie. Einen aufOhrllehen Artikel Uber die Homosexualität
des Weibes, bei der es sich insbesondere um die Art der Befriedigung
handelte, yerüffentlichte Moraglia*)
Auch die belletristische Literatur hat uns iib<r die konträre
Sexnalempfindung des Weibes vieles gebracht. Chevalier glaubt,
dass im allgemeinen die Romanschriftäteller sich lieber homosexuelle
Liebe beim Weibe als beim Manne aussuchen, weil diese doch im
allgemeinen viel ekelhafter erscheine. Jedenfalls Hoden wir für jene
bei den französischen modernen Naturalisten zahlreiche Beispiele.
Schon früher hat Diderot in La religieuse die homosexnpHe Liebe des
Weibes geschildert. Auf konträre Gesohlechtsneigiin(z:en im Riiseiiden
Roland von Ariost macht Josef Müller^ aufmerksam. £r weist
bin auf die Neigung der Fleur cPespine m ihrer Freundin Biada-
mente, die Ton Richard ette zu tollem Übermut benützt werde.
In neuerer Zeit liafe Zola unter anderm in Nana das Liebes-
TerhAltuis zwischen Nana und ihrer Freundin Satin geschildert Von
sonstigen beUetii8ti80be& Antoieo, die das gleiche Thema bebandehi,
ist Balsao m nennen. Br eehfldert mit Torliebe gevieso Br-
eobeimmgen des penezsen GesoUeebtrtiidtet. Wftbrend er in einer
aemer EnÜUnngen {Um paukm dam U Diaert^ die Leidensohaft
>) Angelo Zuocarelli: JtkMniime «MjfWMto deffiiHiUo mmuäe m due
•) Arthur Mao Dnald: Ix- On'minel-Ti/f)€ daiis (fUfh/iws forvi/'s graves
de ia criminalüi. Traäuii de l'anglais par le Dr. Henri Voutagne. S«**
itfOANK L^p^isos, am— XU.
') P. Petita e A. d'Urto: Sepra un easo d'inversiotie testuak in donna
epüeUiea. Ankmo dtü» ptioopoHt mnuUi. VoU J, Fmo. 3, 1 Fibbraio 1896,
& 83-89.
- ) Giaseppo Penta: Äitro easo dinversione sesmaie in donna. Ebenda:
& 94-90.
- )G. Fieliitlg Blandford: Imanüg nnd its Trent tnent: Lectures om
thf Trrn^wnrt meHetd onA kgtU, of m$mm Patient», Fomik tdition, Eim~
bwgh IsUi!. S. 200.
- ) G. B. Moraglia: Kette Forschongen auf dem Gebiete der weiblichea
KriniiMtitlfe, Fmtitalioo und Psychopathie. Zattfohrill ftr KiimlmlantfaTopologie.
1. Baad. Bnlin 1887. 8. S48.
"*) Jo»ef Müller: Die KenBr.hhrit^Mnf^n in üurer gMohichtlidieii Snfr*
Wickelung und praktisohen Bedeutung. Maina 1887. 8. 64.
520
Gmi|0 Süll
eines Masneg fUr einen Panther zur Dantellong bringt aehildeit er
die homosexuelle Liebe des Weibes in £a FäU «ma» fftm «Tor.^)
Dwaelbe Thema findet sieh in MadtmoMh CHnmd nm femm im
Beloi Auefa der Bemeii Lea IkmhSexes Ton Jane de U Yaudire
wiie nt eiwlhnen. Die hier beeohziebenen Weiber haben sieh, mn
den Polgen des Koitus in entgehen» hastrieren lassen. Zwar eni»
mokelt sieh gende naohher bd der Hanptpezson eme heterosenielle
Neigong, jedodh weiden aneh homoseEodle Lsidensohaften gesdhildect
Strindberg*) beoehieibt ans gleiehfidlt homoseineUe Leidenschaften
eines Weibes. Und bei Gabriele Reuter*) findet sidi in dem
Bneh nAns guter Kunflie ebenfidb homoBenelles Empfinden be-
sdlmeben.
Bei dieser Gelegenheit erwähne ich aoeh die bekannte homo-
seiuelle Erzählung Oamiani ou detix nuits (Texd's; jxir Alcide, haron de
M*** *) In dieser Erzählnng werden woste liomosexueile Orgien vou zwei
Weibern geschildert, die schliesslich anch zn Unzncht mit einem Esel
und sadistischen Akten kommen. Mit Sicherheit ist nicht festgestellt,
wer der Autor ist; doch nimmt man allgemein an, dass es Alfred
de Mnsset gewesen ist, und glaubt, dass die Arbeit ein Kiicbeatück
dieses Schriftstellers gegen die George Sand war, mit der er früher
befreundet war, die sich aber später von ihm zurückzog. Cbrigens
wird Ton anderer Seite in neuerer Zeit wieder behauptet, dass
Musset auch nach der Trennung die Sand bis lu sttnem Tode ge-
liebt habe, was allerdings mit der Annahme, er sei der Autor der
genannten Sohtift» nieht gerade absolvt in Widenpmoh stinde.
D«is die Sand Mhlreirfw» nSmüiohe EignsohaAeD hatte, ist beloBiiit
8i« li«bte es behaimiilieh, in lAüuier1d«daiig tn gelMn imd soll amh
- ) Diese Erz&hlang gehört za HisUnrt des Treixct wovon de den dritten
Teübitdwt
- ) AllSQBt Strindberg: Die Beichte eines numa. BomUL Beiiial888L
& S56 flf., '2m f., B16— 818, 321, 333 -336, 343 ff.
- ) Gabriele Renter: Aus guter Familie. LaldensfMohidite einet jOBgea
Mädchens, ö. Auflege. Berlin 1897. S. 41 ff.
- ) IBi axlitiirai nUieieh« AoigalMB. Die ento enohieD 18B8 in EMtaiel;
doch soU TQO diner kein Exempkr mehr Mifknfliiden Min. Ausser Tersehiedaaea
freszosi sehen Ausgaben bestehen noch mehrere englische f bersetzangen. Von
deutschen Übertragungen ist mir nnr eine bekannt. Über die verschiedenen
Ausgaben und über die Vermutung betreffend die Autoisobaft vergleiche : Biblio-
graphie dei tmmsu rdoHft d tamom, tmx femm» et tm mmiage de, par IL
le a «f/.*^ 4^9 SdiUm por J. Lemonn^eK fbme dmrikitg. LÜk 1897.
8. 886 ff
- ) Paul Mari ton: Une kistoin damom, George Sand et Ä. de MmneL
6» £dition. Paris 1897, 8, 259.
521
nach einigen^) eine üefe Bassatbnme gehabt haben. Mit 15 Jahren toll
sie ,treffliidi sa sohiessen, fechten, reiten und tansen gewnsst haben" and
soll «eine liebenswürdige, mutwillige Amazone* gewesen s«hi. Katscher^)
bestreitet dies allerdings und sucht aooh für die Heignng xu m&nnlicher
Kleidung eine andere Erklärung zu geben. Ebenso wenig erwähnt er
etwas von einer tiefen Bassstimme der Dichterin. Bemerkt sei ausdrück-
lich, dass sich mitunter konträre Sexualempfindung ohne Homosexualität
y.eigt., indem das Weib dann geschlechtliche Neigung zu Milnnern, sonst
aber diese oder jene milnnlichp Kigenstshaft hat, sodass man letztere bei
der Sand vielleiobt ohne Homosexuadität annehmen darf.
Bevor ich nun weiter gehe, mdohte ich dnen Fall von Homo*
Mnuditit dw Weibes eohildeni*
80. Fall. Fnm Z., 32 Jahre elt, wer mit «nem Tapesier Terheiratei
Die Ehe wnrde leditekräftig gerohieden, weil Frau X. sidi mehr Ar
Uidohen intereaäerte nnd lieh dedialb mit ihnm Mmme moht Tertragett
keimte. Als Seheadimgsgnmd iat gegenseitige Abne|giui|f aag^eben.
Fkan X. fügt hmsn, dass sie fiberhanpt niekt an ihvem Maime gepasst habe.
Fran Z. staaamt ans Berlin. Ihre EUeni sittd beide tot Der Vater
war salbstBndIger Haadwedcer. Über schwere KrankhAten in der Familie
weiss die X. nur wenig zu berichten. Ihre Matter litt viel an Krlmpfen;
sie fiel häufig zu Boden und tobte dabei, wobei sie auch öfters das Be-
wnsstaein verlor. Die Brüder der X. sollen nie an Krämpfen oder anderen
Nervenkrankheiten gelitten haben; auch sie selbst hat angeblich nie
Krämpfe gehabt, doch leidet sie seit langer Zeit zuweilen an OlmnuMdits-
anfällen, die mit Blutandrang nach dem Kopfe und Schwarzwerden vor
den Augen beginnen. Beim Umfallen hat sie hiorhei hriufig Haus- und
Küchengerät ?:erschlagen, sie verletzte sich bei einem „Ohnmachtsanfalle",
der gerade eintrat, als sie im Begriffe stand, ein Glas an der Wasser-
leitung mit Waaser zu fiillen, ^iemlinh schwer den Kopf am Hahn der
Leitung. Aus den weitereu Angaben geht mit ziemlicher Sicherheit her>
vor, dass die X., ebenso wie die Mutter, epileptisch ist Stuhlgang,
Appetit u. s. w. sind normal.
Die X. iiut als Mädchen eine höhere Töchterschule besucht und —
wie sie angiebt — ziemlich gut gelernt ; sie ist gern ixuc Schule gegangen
und war im Unterrichte au%ewecki.
- ) Ceeare Lembroao: IBnlaitang und Genie. Nene Stadien. Geaamiielt
ind deutsch henungegeben von Hans Knrella T.eipzig 1894. S. 77.
- ) Leopold Eatsoher: Charakterbilder aus dem 19. Jahrhundert Berlin
lbö4. S. 8, 18 u s. w.
622 BttspieL
T>ie Menstruation trat ein, als sie noch nicht 14 Jahre alt war.
Die X. hat in der Jugend am litibsteo mit Knaben gespielt, sodass
ibr Vater sie immer unter Knaben suchen musste. Beim Katscherapielen
glaubt sie immer Kutscher gewesen zu sein ; besonders gern hat sie auch
mit dem Schaukelpferd ihrer Brüder gespielt. Ubgleich sie sich gern an
den Streichen der Knaben beteiligte, behauptet sie, auch viel und sehr
gern mit Puppen gespielt zu haben.
Aus ihrer Kindheit teilt die X. noch mit, dass sie oft anderen Schul-
mftdohen an den Gesohlechtsteilen gespielt habe. Auch ihre eigenen Ge-
schkcbtiteüe hat de Toa andenB MaddiBn berflhren lusea. Dagegen
hst sie 8idi mit Knaben nie in dieser Weise besehnftigt.
Auf die Rage, wie sie sn den eben erwähnten Handhingen gekommen
SM, msdit sie folgende IGtteilnDgen: „Wir haben oft nut Pappen geqddti
nnd haben ihnen sehr sehOne Windie angesogen; wir qpieiten dann so,
dass die Pnppe die Mntter nnd icli der Yater war.** IHe X war also
gewisBormassen mit ihrer Pnppe Terheiratet; sie besass nnr weibliche
Poppen. An diesen Spielen beteiligte neh noch ein anderes Undohen,
das mit dner anderen Piq»pe Teriienraitet war. Biete S|dsle, die sieh
sehr häufig wiederholten, begannen, als die X. 7 Jahre slt war. Dass
in der Ehe ein Geschlechtsverkehr stattfindet, wusste sie damals noidl
nicht. Dies hat sie erst im Alter Ton 10 Jahren, als ein MAdchen aus
der Kachbazsohoft schwanger wurde, ans Gesprächen erwaefasener Kaoh-
barimien entnommen. Die Spiele mit ihrer Freundin begannen, wie wir
sahen, damit, dass beide Mädchen sich mit ihren Ptippen verheiratet
dachten. Spfitpr wnrdp das Spiel dabin abgeUndert, dass beide Msdchen
sich mit einan u r verheiratf ( lynchten. Hier blieb es nicht bei harmlosen
Spielen, wie Kochen, "Racker, etc , sordem das andere ^-liifkhen berührte
die X. bald an den Geschle -Iiisteilen, was dioi-er sehr getieL Die Be-
rührungen fanden nur mit den Fmgern statt; nunquam Ungua laml>ehant.
Auf Befragen erklärt die X., dass sie damals nur mit dem einen Mädchen
ein festes Verhältnis gehabt habe. Mit anderen MSdchen hat sie auch
später, so lauge sie noch ein Kind war, derartige Handlungen sein selteu
vorgenommen. Bei eigener Onanie — im Alter yon etwa 10 Jahren —
dachte rie stets an die 39^ingennampiilati(men ihrer Freondin. Jene Haad>
lungen Huden Tom 7. bis sum 10. Lebenq|ahr» der Z. sehr oft» wie sie
angiebtt Hut tiglidi statt Sie endeten mit dem Fortzuge der BHem
des anderen Mlddieas. Von diesem Zeiip«mkte an befriedigt» sidi die
Z. selbst» wobei sie jedoeh nieht dasselbe Yeignllgen wie bei dem Spielen
mit ihrer Frenndin empfand.
Die Eltem der Z. bestimmten de später sor Sehneidsnu. Diese
BesdiftftignQg hitte ibr aneh, wie ne meint» zuges^.
Schon früh leinte die X. euL Ukdohen kemien, das im Hanse ihrer
Elteni wohnte. Spiber lente rie aneh den Mann kemien, mit dem jenes
BaiBpid.
528
IfMchcB gcMbleebilkih Terkdirie. Doeh ▼«rkahrfta die X. mt IMtm
nicht fltxafiU. Bald doratif maohto die Z. die BAkaimtsoliAft
mit dem am «in Yerhftltais eingiiig; Sie war zn jener Zeit IS^/^ Jahr
alt, war gut entwickelt und hatte, wi« «rwähnt, damals Bohon längere
Zeit die Menstmation gehabt. Diesen Mann hat sie sehr gern gehabt.
Ifit einem Manne, den sie spttter kennen lernte, reiste sie nach D., U.
und anderen St&dten. Der gescUechtUche Yerkebr mit diesem letsteren
Hanne gewährte ihr Befriedigong.
Nach Berlin zurückgekehrt, lernte die X. ein Mädchen kennen, von
dem sie mit nach seiner Wohnung genommen wtirde, nachdem beide
ziemlich viel Bier getmnlren hatten, und von dem sie dort entkleidet
wurde. Nachdem die X mehrfach vergeblich sich gestriiubt hatte, liess
sie sich von d^m betretleiiden Mädchen genitidia lingna lambere. Nach
laDt,'em Zureden der anderen lührte dio X. denselbeu Akt bei ihr aus,
was der X. auch Befiriedigunj^ gewahrte. Bei beiden Akten war die X.
sehr aufgeregt, doch vermag sie nicht anzugeben, welche Art der Be-
friedigung, ob die aktive oder passive Rolle, ihr damals die meiste Wol-
lust bereitete. Heute ist sie lieber aktiv, doch erfolgt auch Orgasmus,
wenn sie passiv ist. Im ersteren Falle ruft die Aufregung der andern
bei ihr das befriedigende WoDustgefÜhl hervor, mitunter ohne dass ihre
eigenen GeteUeehMeile beriUnri wfirden; mweilen, aber nicht immer,
^MM» oHerNts est mier femora lambenHs X Diese Art der Befriedigung,
wobei Bie aktiv iit, iat ibr lieber, als wenn tie pasdT iai
Jetai bat die X kein bestimmtes Yediltltnis. Früber hat sie 7 Jabre
lang mit einer Frenndin sasammengeleb^ von der sie sehr geliebt wurde;
Die Befriedigung ftnd in der Weise statt» dass die X ibre Frenndin
Imgua kmMai, Sie selbst dnldete niehti dass die andere die akÜTe
Bolle spielte. Jene Freundin erwarb genfigenden Lebensunterhalt für
beide Teile. Ans dem Yerdienste wnzde Eleidnng, Miete, Kost n. s. w«
bestritten, wobei die X die Wirtsöbaft fabtteti Das Znsammenleben
wurde dadurch au^elOst, dass das andere Weib mck ein anderes Ver-
hältnis anschaffte. Seit dreiviertel Jahren verkehrt die X. mit keiner
bestimmten Person. Sie übt seit dieser Zeit den Geschlechtsverkehr nur
mit solchen Weibern aus, die sie gelegentlich kennen lernt Sie behauptet,
es werde ihr nicht sdiwer, derartige Bekanntschaften in Lokalen su
machen; auf dar Strasse macht sie solche Bekanntschaften nicht
Die X schwimmt nicht, dagegen hat sie viel geturnt. Sie raucht
sehr viel Zigarren und trinkt auch viel Bier, jedoch nicht täglich. Sie
geht am liebsten in MJlnnerkleidung und und hat auch einen eigenen
Männeranzug. Schon uu Alter von 12 oder \li Jahren hat sie wieder-
holt in Abwesriilieit ihrer Brüder deren Kleidungsstücke angezogen und
ist mit denselben in der Wohnung und der Werkstatt des Vaters umher-
524
g^gangMi. Anf die Frage, weshalb sie dtB gethao, antwortete sie, ne
wollte sehen, wie ilir die Anzüge stehen.
Syphilitisch ist di(; X. nicht gewesen. Sie ist mnskelkrftftig, bat sich
aber nie an Schliigereim beteiligt; anf Landpartien mit ihresgleichen spielt
sie gern K^el oder Billard. Seit «ng^ft-hr Yi&r Jahren trSgt sie kurzes
Haar.
Bie X. macht einen etwas m&nnlichen, dabei aber keiueswe^ an*
sjmpathischen Eindruck.
Die Untersuchung des Kehlkopfes erfolgte durch Herrn Dr. Theodor
S. Flatau, der folgenden Befand erhob: Schildknorpel verhältnismässig
breit, deatliche Andeutung eines Vorsprunges am vordeitiii Winkel. Auch
bei der lar3mgoskopischen üutersuchung zeigt sich der Kehlkopfeingang
raflUQend gross; lange Stimmbänder; ziemlich kr&ftige, grobgestalteli
EpigloCÜB.
Die Frage, in. welchen Kreisen man die kontrar sexuell ver-
anlagten Weiber am meisten findet, ist schwer sa beantworten, weil
Uber die Franen noch viel weniger in die Öffentlichkat dringt» als
Uber die Männer. Ich habe es Tenacht, dieser Frage, soweit es
möglich war, hier in Berlin naohnspOrei. Ich verdaiike meiaeAiia-
kflnfte som Teil weibliehen Penoneii, die lelbit kontiflr aexoell ver-
anlagt aind und mir in beteiiwiUiger Weise Ifittaflongeii machten,
feiner Ist es mir weh gelnngen, mit Peisonen mich m miteiiiiltett,
die in den Kreisen homosexneller Weiber wohl bekannt smd nnd mhr
einiges Material hierflber liefem konnten.^
Solche Xiebesverldatnisse ton Weibern nnter einander linden sich
nun in sehr Tielen KreiBen; s. B. nnter Sohanspieleiinnen, Kellneiinnen,
femer mehrüMh bei Töchtern ans der sogenannten besseren Gesell-
schaft, wo offmbar mitunter der weite BegriiT der Freondschaft den
sexuellen Hintergmnd terdeckt Baas anoh bei Torheirateten
Frauen köntrSie Sexnalempfindnng vorkommt und nnter ümstSnden
der perverse Trieb befriedigt wird, kann ich als sicher behaupten.
Ein nicht geringes Kontingent scheinen femer Ordensschwestern zu
stellen, die den Männern gegenaber allerdings sehr keusch üind.^)
^ Gana besonders reichhaltige imknnft erhielt ich durch eine Dame, die
wpo'f'n kontrSrer Pexnalempfindnng nach mehrjähriger Ehe si(;h von ihrem Manne
scheiden lassen ruußste und dann mit einer andern weiblichen Person, ihrem
„Verbal tnia" zujBammenlebte. ich habe gerade auf dem Gebiete der Homosexualität
der Weiber viele Naehlbndiangen gemeiiiHun mit meiiieii fteviKleB Vtokuoi
Max DesBoir und Dr. Theodor S. Flftteti angestellt.
-) Vgl. hierzu den erwähnten Roman von Diderot: Im lieligieuse. Paris.
An eijiquihne de la Ri publique ; z. B. S. 240, 2f)i, Ü'iH ff., wo die Lpif^enschaft
einer Oberin für eine Ordenwchweater beaohriebea wird. Karl fluäuulLraaa
Froidtuarte.
525
Audi unter Sohriftstelleiimieii Bind mir mehrere Nie ?on Homo-
eemalittt bekannt; desgleiehen aus der Geborte- wid Geldaristoktitie.
Über engliedhe Yerhiltnieae bnubte in netterer Zeil ein Baeh, das
zwar obscön ist, aber anscheinend auf gnten Infoimationen bembtr
einige Einzelheiten. Die englischen Bühnendamen haben danach
überhaupt kaum eine Neigung für drn Mann, dies auch über-
trieben sein, so geht doch aus den Mitteiluügeu hervor, dass au den
englischen Bühnen die Homosexnalitfit der Frauen ziemlich älark ver-
breitet ist. Es kämen auch häufig wirkliche Verheiratungen zwischen
den Frauen vor, die sich möglichst der Wirklichkeit anpassen, wobei
auch die eine den Namen der anderen annehme.
Unter den einqfeschriebenen Prostituierten Rerlins befinden
sich zweifellos ausserordentlich viele, die der Weiberliebe huldigen.
Von gut unterrichteter Seite wird mir erklärt, dass etwa 25 "/o von
den pxoetitiiierten Weibern Berlins ein Verhältnis mit andern Weibern
haben. Wenn dies der Fall ist, wobei die beiden oft in einer Woh-
nung zusammen leben, so pflegt doch oft nur die eine der Prostitation
naoluugehen ; die andere lebt unter dem Scheine eines Dienstmädchene
oder einer Mieterin bei ihrer Geliebten. Wir werden später sehen,
daae bei den VerhAltniaaen ?on Weibem unter etnandw die akttve
nnd paaeive BoUe mitnnter adiaif getrennt iat, der aktiTe Teil wiid
gewöhnlich ab ||Vater^ der pasaive ala „Hnttei*' beieiidmei „Bbenao
wie in nonnaler Bhe wohl dem Manne ein Abaohwei^ dann nnd
wann Teratattet iat^ dagegen die UnberOhrtheit der Fraa bewahrt werden
aoU, ebenso darf aooh in der homeeexneUen ,Ehe* der Waber nur
der Yater, d. h. der aktive Teil mit Mftanem verkehien.** Dieaea wird
mir von einigen Seiten erilhlt Boeh wird mir Yon anderer dnieb-
ana glaabwOrdiger Seite heriohtet, daaa diea nicht der Fall aei, daaa
mitunter s. IL der durah kdipeiliche Vonflge ausgezeichnete Teil,
gleiohfiel ob im homeaezuellen Verkehr aktir oder passiv, zni Pro-
stitution bestinunt werde.
Ob sich unter den nicht eingeschriebenen, aber für Geld käuf-
lichen Mädchen em amiähernd ebenäu grosser Pro^enLäatz von Homo-
(Didttiota LBbaii imd Werin, 9. Bsnd, L«ipslg 1806^ 8. 186) ngt ttber dioMS Baob:
yDicyenigen, welche dies Bach geleseo haben, wie z. B. der Historiker Schlosser,
gestehen ihm anch nnbodingt m. dass es als eine frctreue Schilderung des Innern
der MonneuklOster einen Idaatuschen Wert ansprechen dttrfe. Die Methoden,
N«uieii st ftmieNii, die Terirrungeu d« Fhaatwie, welch« der luterdrüokte
aeaoUeolitebmb henratnift» «Ilae dies ist tod Diderot nit luuiMludiinliolier
Wahrheit lud mit einer erstaunlichen bis in dM geheiiiMte Detail dringendea
aaohUdiea g^üniaii« geiohildert wofdetL"
526
Fiwlitiiiflito.
MKinUen findet, konnte Ton m^aea GewAbidaatm tuebt ntt
fltimmfhflit behauptet weite; dagegen nnterfiegt ei, wie erwfihnt ist,
keinem Zweifel, daee auob unter anständigen Kftdehen nnd Frauen
pervers Teianlagte Weiber ezietieien. In Paris sind naob Coff ignons^)
Mitteilungen besonders unter den Prostituierten und den Damen der
beben Gesellsebaft viele mit Oesoblechtstrieb zom Weibe Torhandea.
Auch nach Keuss"-) kommt die Tribiulie sehr häufig in Bordellen vor.
Wahrscheinlich damit dio Sittlichkeit und Keuschheit in den Pariser
Bordellen nicht leide, ist es aber den Inhaberinnen derselben von dor Be-
hörde ätxeng verboten, zwei Weiber in einem Bett sosammen t»ohiafen
lu lassen.
Dass einselne weibliobe Personen, die aus besseren Kreisen
stemmen, dureb ibre bomoeexuellen Neigungen der Eunilie entfremdet
werden und dadureb auob in sonaler Beiiebung stark berunterkommen
können, ist sieber; mir sind einselne FUle bekannt, wo derartige
Weiber scMiesslieh, um ungestört mit einer von ibnen geliebten Per-
son zusammenleben su können, die Fsmilie verliessen. Bass db
Weiber, dureb die solobe „Töebter ans guten Ftoiilien gereist werden,
aueb niobt immer den bOebsten OesellsebaftsUassen sngebören, ist
selbstverständlich) and dadarch ist es wobl aueb erkl&rbar, dass in
gesellschaftlicher Beziehung mitunter die Homosexualität des Weibes
zu einem raöcheu Sinken führt. Doch soll dieses nicht etwa ver-
allgemeinert werden, da emzelne weibliebende Weiber, ohne dasa
jemand in der Familie etwas merkt, ihren Trieb befriedigen und mit-
imtei in gleich stehenden Kreisen die geliebte Person hnden.
Die Weiber, die in dieser Weise bomosexueU versnlagt sind,
werden in ihren Kreisen gewöhnlich als „schwul** bezeiehnet, ein
Ausdruck, der übrigens mitunter auch auf die Urninge angewendet
Wird. Wenn zwei Weiber mit einander zusammenleben und ein fe.stes
Verhältnis haben, so spricht man auch von einer schwulen Ehe oder
einem schwulen Verhältnis. In einigen Fällen hört man wohl Öfters
hierfür den Ausdruck Freundschaftsverhältnis. In Wien sollen, wie
- ) A. Coffignon: Paris vivant, La CorrupUon ä Farüt (Le Üemt-MoncU
— Le9 SanteHmm — La FaUe» dn Mmm ~ Bratmim 4» Fmumt ^ FOttt
gahntea — Soim^LaPtan — La OkaiUagej «te. afe.)* Paris. S. 305.
- ) L. Re U88 : La Prostitution an point de vu» dt Pkffgüm tt de t^aämmutrO'
tion m Franc« et ä SEtranger. Paris 1860,
Tsmiaalogi«.
527
da FhtUnt Krafft- Ebings angiebt, kontrilc wxneU empfindende
Wfliber aioh imknuuuMler mit dem Namen Onkal beaeiebneii.
Weiber» die bomooexiiell empfinden, weiden aneh Tribaden ge-
nannt» obwoU einige diesen Ansdrnek nnr für solohe Weiber anwenden,
die rieh in einer bestimmten Weise befriedigen, nftmlioh dnieb Immiamo
dUoridis des einen Weibes in die Vtigina des andern. Dass bier
die Tcrminologiü überhaupt sehr schwciiikend ist und oft in derselben
btadt dasselbe Wort in verschiedunüin Siuoe gebraucht wird, ist silbst-
Terstftndlioh. Alfred Delvau^) nennt die Thbade gan:^ allgemein
eine Frau, die mit einer anderen Fran geschlechtlich verktilirt. Er
bringt aüch mehrere Belegstellen.') Den h omosexuellen Verkehr von
Weibern nennt man auch Tribadismus. Von der Iiisyl Lesboa hat
man anch den Ausdruck Lesbische Liebe für diese Art der
Neigung an^^ewendet; doch wird nach andern diese nur auf solche
Fälle bezogen, wo die Befriedigung lambendo (jetiikdm geschieht.
Mulier lambens wird anch als Cunnüinga bezeichnet, der ganze Akt
als Oumnüingus, ebensowie dieser Name aoob f&r den zweigesohlecht-
lichen Verkehr gewiUt wild, wenn die Befdedigong in gleiebec
Weise geschieht
Physiognomie nnd sonstiges Aussehen der homosexuellen
Weiber sind in vielen Fallen dorobaus normal; insbesondere soiieint
es mir nadi mnnen Beobaebtongen keineswegs, ah ob Weiber, die
etwas stirkeren Haarwuchs anf dem Oedeht haben, besonders sur
kontKiien Sexualempfindnng disponiert sind. Die GeseUeohtsteile
stdoher Weiber smd glejchlMls notmal; Teieinaelt findet rieb die An-
gabe, dass die Genitalien relativ klein seien. In eimeltten Eillen
allerdings seigt das heterosexuelle Weib einen aosgesproohenen männ-
lichen lypns, der sich in der gansen Erscbeuiung, in den Gesiofats-
zflgen, dem Knochenbau, der Behaarung^ kandgiebi Kr äfft- Ebing*)
beieichnet ^^enigen homosexuellen Weiber, bei denen idcht nur der
GeaoUechtifadeb und andere psjchisehe Eigenschaften denen des nor-
') Alfred Delvaa: Dictümnaire irotiqut moderne, par Professeur de
kmgm werte. NoueeUe idfHo», rmme, corrigce, eamidinMmmU augmentie par
tauleur et enri^ü de nombmi»»i oUaUon». Bäh tS9L 6. 380.
Lcs frtbadcs s'wlonmnt ä d'auires femmes aimi que lea hommea vtemee.
(Brantöme.) Die Comtcssc de N meint: Iribadie; amour d'unr femme pow
um autre^ tree rSpanäu daiuf ica pmatonnaitf de jmnes ßliea et dane lee caments
defemmee,
^ B. T. Krafft-Sbing: PityehoptUhia aexucUie. Mit besondaiw Becflok-
BichtirruniT der kontrSrcQ SexoaiempfiiuUuig. Eine UinisclioibiienaiMhe Stadlo.
M. Auflage. iStattgan IdM. S. 888.
528
malen Mannes eatapreehen, eondem aooh in SkelettbUdnng^ Gesiclita-
^jpofl, Stimme, ttbediaiipt In antfaropologMier Hiunobft das Wdb
Mk dem Manne nihert, als Gynandrier» die Aifektion selbst als
Oynandrie.
Besondere Anfinerksamkeit habe ieh In neneier Zeit dem Bau
des EeUkopfes bei hemosexaellen Weibern sagewendet, da dieses
Organ bekanntlieh in nahem Zosammenhange mit dem Sexualleben
stehen soll. Die Kehlkopfbntersnohmigen machte in allen Fällen
Herr Dr. Theodor S. Fiat au. 6 Fälle hat dieser gemeinsam mit
Herrn Profi .ssor Max Dcasuir untersucht, während er mit mir noch
zahlreiche ;inderc iullk untersuchte. Dr. Flatau }i;it eine genaue
Untersuchung des Kehkopfes gemacht, nachdem wir gemeinsam
Anamnese und den sonstigen Status, soweit es notwendig war, auf-
genommen hatten. Ich denke die Resultate später noch zusammen-
fassend genauer zu veröffentlichen; hier bemerke ich nur, dass sich
nach Herrn Dr. Theodor S. Fiataus Äiisicht bei einigen homo-
sexuellen Weibern zweifellos Andeutungen eines männ-
lichen Kehlkopfes fanden, ja dass bei einigen sogar der
Kehlkopf entschieden m&nnliohe Formen darbot Besonders
war dieses letztere bei einigen Personen der Fall, deren homosexnelie
Keigongen bis in die Kindheit verfolgt werden konnten, nnd bei denen
man mit grösster Wahrscheinlichkeit eine eingeborene sexuelle Per-
Teision anznnehmen das Beeht hatte. loh enrfthne nooli, dass Herr
Dr. Flatau ebenso wie ich weit entfernt ist, ans den bisherigen
Besnltaten weit gehende Sohlllsse sn sieben oder diese
aueh nur sn Terallgemeinern. lob gebe nnr das TbatstoUiebe an.
Die Entwiokelung der heterosszaellen Weiber ist Torsohieden.
Viele sind sidi lange Zeit aber ihren Znstand gar nidit klar. Die
eine eddirte mir, dass ae jetst manehes begieiflBn kOnne, was sie in
der Jngend gethan bal^ dass Dur dies aber fiiflher gans nnUar war.
ffie war ftoher lange Zeit Bniehoiin in onem Hanse, und sie erinnert
sieh, dass sie als 16jaliriges MIdehen, wenn die HnmdisA ans»
gegangen war, tich sehr gern die Mionerkleider eines der Sohne
anzog und sich sehr wohl und behaglich darin fühlte. Sie würde
auch heute noch in Mftnnerkleidern gehen, wenn es ihr gestattet wäre.
Zu Hause wird es ihr von der „Mutter (d. h. ihrem sexuellen Ver-
hältnis) untersagt, die überhaopt» trotz ihrer zärtliohen Zoneigong za
der Geliebten, alles Anstössige in ihrem Hause zu entfernen sucht
Eine andere weibliche Person mit konträrer Sexnalenipfindung
war sich ebenfalls lange Zeit gar nicht bewosst, dass sie so ver-
AiranAMbaft und HDiiuMiiuUtfi
529
anlagt sei Als äe 18 Jalue alt war und noh Öfter mit Alten-
genosainnen nnteildelt» hlifte sie mit Vennmderong, wie diese stets
es als so sehOn solülderten, mit einem Bean ein VeiliUtnis m
haben, m einem httbseben Manne gekOsst sa werden nnd mit ilmi
siisanimen so sein. Sie erwiderte darauf immer, dass sie gar nieht
wisse, was man dabei linden könne, es sei doch viel hflbsoher, mit
einer sohflnen Fran snsammen za sein, als mit einem sehOnen Hanne.
In gans naiver Weise ging sie^ ohne sich der Perversion bewosst sa
sein, durch das Leben, 1»s ihr in dem Alter von etwa 20 Jahren
Uber ihre eigentOmliehe Yeranlagimg ein lieht anljpng. Es geschah
dies dnroh eine Frenndin, deren ffimmer sie betreten hatte, nnd die
ihr Aber manches Aaslranft gab.
Schon vor dem Eintritt der Menstruation oder der Geschlechts-
reife treten bei weiblichen Personun zuweilen perverse Triebe auf.
Es kommt zu anschcmenden Freundschüftöverhältiiissen zwischen
MftdcheD, wobei indessen mitunter ein sexueller Hintergrund vermutet
werden kann. Doch kann ebenso wie bei M&nnem auch bei Weibern
später jede Homosexuälitüt bchwmdeu. Es sei hier die Beobachtung
von Karl Juli n s Weber ^) erwähnt, dass überhaupt kleine Mädchen
mehr als Knaben zu Freundschaftsbün inissen geneigt seien, die bis
zum Zusammen.S( hlafen führen. "Derselbe Autor weist darauf hin, wie
schnell oft ein Bräutigam diesen Freundschaftsbund vernichtet. Ich
stimme dieser letzteren Ansicht entschieden bei, möchte aber gerade
dann einen Hinweis auf die sexuelle Grundlage manohes voraus-
gegangenen Freundschaftsbundes sehen. Es ist oft genug die Be-
hauptung aufgestellt worden, dass das weibliche Geschlecht überhaupt
moht zur Freundschaft geschaffen sei „Junge Mftdohen, so lange sie
von der Liebe veisohont bleiben nnd Utete Frauen, welehe veniehtet
haben, mOgon eiiur wirkliohen Freondsdhaft wohl flhig sein,^' meint
Sehott*). Ss wird bei solchen Anssprflohen allerdings gewOhnlioh
auf andere Gründe hhigewiesen, die die Franen an der wahren Frennd-
sdiaft verhinderten. Ohne in eine ErSrterong hieraber emtreten an
wollen, halte ich es ftr wahrsoheinlioh, dass in ehiigen FiUen die
angebUohe Frenndschaft thatsftohlioh ein dentlich sexnelles QeprSge
>)Karl Juiiuä Webers BämÜiche Werke, 17. Band, Stuttgart 1838.
Dtnoolitot oder hinteiltaiaM Ffepiecs «iaes IsdMnden PUkwophen, mft Über-
aetmiig der &m fremden SpradiMi angesogoMik Btdkn venuiirt 9; fiand.
Stuttgart 1838. S. 261.
- ) Siegmand Schott: Aoiiohteo vom Leben. EinVersacb. Brealim 1670.
S. 159.
HoU, Boalr. Somtofffloduk«. 34
530
Tffiilfl'liftBfHtiMiftnftlf
hat. Der Umstand, dass nutnches Mädchen, sobald es einen Mann
liebt, eine „Freundin yemachlästtgt, spriidit dafür, dass bei der
nFEeundschaft" geschlechtliche Begangen stattfanden, die aber dnrclk-
ans nicht als sinnliche Triebe dem Mädchen bewusst zn sein brauchen.
Besonders in manchen Pensionaten, Eldstem und dezgleudien spielen
solche homoseiaeUe LiebesblUidnisse Ton Mädohen eine grosse BoUa^
Dass dies sohon in frohsm Zeiten ebenfiills beobaehtet irarda,
dafOr findet man in der Litteratar maneben Anhalteponkt Ana
15b September 1695 sobreibt die Hersogin ?on Orleans*) ans
St Glend: . . Die kiahne von 8L CÜrv*) ist ärger alsz in dem bnoh
steht nndt anefa jNwsirlicher. Die jnnge jnngfem dort wurden ia
emander Yorliebt» nnd man ertapt sie^ dass sie wQstereyen mit em-
ander thatea. MuL de MtMmm solle htetilidi dartlber geweint
haben nndt alle nUguim exposnrm haben lassen, nmb den teOlfel
der onsodit in Tortreiben . .
Man glaube nicht, dass sich die homosexuellen Weiber durcii
schlechte Charaktereigenschaften auszeicLueui es giebt unter
ihnen solche, die jede Lüge und andere Schlechtigkeiten durchaos
verabscheuen.
Als Kinder spielen viele Tribaden gern Knabenspiele ; sie ziehen
sich von den Puppenspielen anderer Mädchen zurück. Diejenigen
unter den Tribaden, die die Vater-, d. h. die aktive Bolle über-
nehmen, gehen mit Vorliebe auch in M&nnork leidern, doch findet
nach dieser liichtung hin nicht eine absolute Regel statt. So ist
mir auch von mehreren Tribaden, die die passive Bolle haben, be-
luumt, dass sie sich dann und wann gern in Mannerkleider werfen.
Eine kleine Beschreibung von Lieblingskleidungsstüoken der
Lesbierin bringt ein finnsdsischer Antor^); Quant ä Marimme, dU,
- ) Ans allerneoester Zeit kann ich noch einen Fall tufOhwn, der in Amerü^a
spielte. Li einem der «ntoii Colleges, «o mir jange MMehea enogen wtrd«,
war et n elnar wahren Epidemie von Iiomoaexaeltom Yerkehr der Mädchen g«>
kommen; es "vmrde Ounnilinf/tis u. 8. w. ati8gpi\>iv Ang-eMlch soll nach einiger
Zeit die Sache wieder aufgehört haben. Mir wurde der ifall wfthzend meiner
£ei8e durch Amenka von zuverlässiger Seite berichtet.
- ) Ans den Biiefta der Sersogin EUnbeOi Ghaiiotte von Orleaiie la die
Knrfürstin Sophie von Hannover. Ein Beitrag rar Knltargaiddehte des 17. und
18. Jahrhunderts. 1. Band. Hannover 1891. S. 222.
') St. Giro (heute 8t Cyr) heuern eine Abtei, in der von der MaintenoB
eine Erziehungsanstalt fUr SOO Töchter armer Edelleute gestiftet worden war.
«) iMekme^ Diaiogue* dä» Oaurtkam», FaH» 1892. Düdogue K S. 66 1
531
Ufniowtrs sm moking, gns U jowt, noir U sotr, fmtre mou mm mut
pkm» .... dkemsM «rAornnw äplia^ ärwt, ermtUe an^Umt . . . .
ei ä 1a hoiUomnire um tmfft iTovtKsfo Uanes . . . ^ «01» Mtwf
Sf»*eSe IM m«^ jomais de jn/pom; mai» äag^kmeiU une euktte m
peau sous sa robe^
MlDidiolie Eigensobaften apielfln flberhanpt bei den Tribaden
eine grosse Bolle. Wilnend gewöhnlich Damen nicht lanehen,
hdcliatena einige Zigaretten, sehen wir, dasa Tkibaden oft anaser-
oidentlich stark, ja sogar Zigarren lanehen. Ton einer homoeenellen
Frau hörte ich/ dass sie bereits mit dem fOnften (?) Jahre anfing,
Zigarren zu rauchen, die sie auch heote noch den Zigaretten vorzieht
Mancbr Tribaden würden viel lieber irgend einer männlichen
Beschiif tiguüg nachgehen; so giebt eine ratieutm von Westpiial')
an, dass sie stets grosse Vorliebe für Maschinenbauerei gehabt habe.
Ebenso wie wir bei Urningen fanden , dass sie • in manchen Be-
ziehungen das Weibliche angenommen haben, z, B. Neigung und Ge-
schicklichkeit fiir Handarbeiten, linden wir umgekehrt, dass kontrftr
sexuell empliudende Weiber in weiblichen Beschafti^ngen oft wenig
leisten. Eine solche Person erklärte mir z. B., dass sie niemals auch
nur die geringste Neigung zu weiblichen Handarbeiten gehabt hätte;
sie besorgt zwar zu Hause die Wirtschaft, thut es aber nicht etwa,
weil sie daran ein besonderes Vergnögen hat, sondern weil sie als
sogenannte Hntter in dem Verhältnisse die Wirtschaft besorgen mnsa;
Handarbeiten an madien wire ihr aber volULommen tmmj^oh.
Wenn nicht nur der Geschlechtstrieb homosexuell ist, vielmehr auch
die sonstigen Neigungen mehr denen des männlichen Geschlechts ent*
sprechen, so nennt man den Zustand mit Krafft-Ebing Viraginitat, das
befcrslBBiide Weib Yirago. Diassr Anlor aciOdort denrtige W«ibw in
folgander Weiae: »Schon als Uflin«8 Uldchen leigt es die bafardbadok
EnbhttnnngeB. Sein Lieblingsort ist der TomnialplatB der Kiabeo. Von
Poppen will das Midohen niohts wisiw; sone Passion ist daa Stecken*
p&rd, das Soldaten- nnd Bäabenpielen. SSn woibfieih«! Arbeiten leigt es
nieht bloss ünlnst» sondern viel&oh Ungesohiek. Die Tofleite wird tat-
naeUässigl» in einem derben barsohikosfln Wesen Oe&Uen gefimden.
Statt an Kfinstea aeigt sieh Sinn und Neigung au Wiasensohaften. Ge-
legentiich wird ein Aalauf genonuoen, im Banehen nnd Trinken aiob «1
Tccsoohen. Psrfltans nnd Naschereien werden ▼aabscfaenl Befameraliehe
C. Westphal: Die kontr&re Sexnalempfindung. Symptom eines neoro-
pathischen (p^yrhopathisirtiea) ZoBtandes. Arohiv fär Fsjohiatne and Nerrea-
krankbeitei). 2. Baad. Berlin 1870. S. 80.
Ö4*
532
mimllchfii PfimlinHwii
Beflexionen ruft das liewusstsein hervor, als Weib geboren za sein umä
der Universität mit ihrem flotten Leben und dem MUitürstand ferne
bleiben zu müssen. In amazonenhaften Neigungen zu m&nnlichem Sport
ffiebf sirh die münnlicho Seele im weibliclien Busen kund, nicht minder
in Kundgebungen von Mut und männlicher Gesinnung Der weibliche
Urning liebt es, Haar und Zuschnitt der Kleidung mUnnhcii zu tnigen,
und seine höchste Lust wäre und ist os, gelegentlich in miinnlichor
Kleidung zu erscheinen. Seine Ideale sind durch Geist und Thatkraft
hervorragende weibliche Persönlichkeiten der Geschichte and der Gegen-
wart*
Die Bewegungen erscheinen meistens nur dann lo ToUatindig
mflnnliob, wenn die betreffenden Fnuen ach ongeiiningen benehmen.
Sobald de doh beobaobtet glanben, oder sobald de dberhanpt nioht
unter döb dnd, wo jeder Zwang wegOllt, eneben de kttnetlieb das
Wdbliobe mebr naebanahmeD, um ddi nicht m Termten. Ich kenne
eokhe Tribadeni denen ioh Sasaerlieb anoh nieht die Spar von ihm
kontraren SenuUempfindnng angemerkt bfttte. Qani anders Uegt die
Saehe^ wenn doh die betreffende FOraon nngeswnngen bewegt loh
erinnere mich» ein homoaeznettee Wdb in männlichem Kostüm ge-
sehen m haben ; ein Ueiner kftnstlicher Schnnnrbart deokte die
Oberlippe. Die Bewegungen, das gante Aossehen nnd der Bindniek
der Person waren ausgesprochen mftnnliob. Die Art, wie de ihre
Zigarre zum Munde führte, die Bewegungen bei Begrflssung, nichts
Hess micli auch nur eiuen Moment denken, tidss es sich um ein Weib
handle. Wer die Befcreflfende, eine bekannte Berliner Tnbade, nicht
kannte, musste bei ihr männliches Geschlecht aunehmen. Zu meiner
Vorwuiiderung erklärte mir ein in diesen Kreisen wohlbewanderter
Kriminalbeamter, dass es ein Weib sei. Die homosexuellen Weiber
lieben es übrigens auch, mit anderen Weibern zu tanzen. Dem
Tanz mit dem Manne kOunen sie keinen Eeiz abgewinnen.
Es giebt gewisse Perioden in der OMohiebte) wo doh Weibor aaf-
ftllüid oft in ibren Otwohnheiten dem mlmiUohtn GeseUeöht niharleik.
Ldd«r wissen wir über die SVage, wie wdt der Geschlechtstrieb primSr
oder sekundär liierbei beteiligt war, nur ni wenig. Eine solche Periode
finden wir zur Zeit der Römischen Kaiser, worüber Ludwig Fried-
länder einiges berichtet Die Selbständigkeit der Stellung der Weiber
fahrte de nach diesem Autor rar YeisnebHUig, nach Vonttgan so itreben.
- ) Ludwip: FriedlJinder: Darstpl Innren ans der Sittcngeschichto Roms
in der Zeit von August bis zum Ausgang der Antonino. 6. Auflage, 1. Teil. Leipai^
1888. S. 489 f.
Matmwaiber.
533
die ihrem eigenen Geschlecht versagt waren, Beschäftigungen zn w&hlen,
die aa ndi nidit wdbüofaer Natur wann. Ju Tenal «rwfllint die
tuniendea imd in Gladktonflstongai feehteaden, die NUdite Unduroh
seohenden Fnnen; dooh msM Friedlinder darauf anfinerksam, daas
wir keineawegs das Beeht haben, derartige Angaben vbl ▼eraligemeinem.
In Bezog auf die mAunlicben Eigenschaften eines homosexuellen
Weibes berichtet uns F. G. Müllef^) einen Fall ans dem Jahre 1721.
Btne gewisse Katharina Margaretha Lincken war unter dem
Namen Rosenstengel als Mann an^ietreten. Sie hatte sich als Be-
schäftigung das Soldateiileben erwfthlt und in Tenehiedenen Armeen
gedient Diei Jahre mi ne in der hannoTenohen Armee, wurde
aber fidmenflllelitig und snm Tode verorteilt Nor dadaroh, daes im
letttoo Moment das weibliche Geeelileoht bei der Person ftstgestellt
wnrde^ konnte sie vom Tode errettet weiden. Spiter trat sie in die
prewsiBGlie Armee ein, dann in die pdnisohe, madite in demselben
Heere einen FeMiog mit vnd ging seUiesslieh sor hessisohen Armee
Aber, wo sie wegen einer SolilSgeid bestraft worde, sieh also» wie
Mttller meinti nioht gerade sehr weiblioh benahm.
Aneh ans der neoeren Zeit haben wir einen sehr intereessnten
FUl, der ans Amerika stammt» Ton F. M. Wise-Willard beobaefatet
Ist and Uber den Eron*) seiner Zeit refierierte. Es bandelt sich um
ein homosexuelles Weib, das, als gute, tüchtige Jägerin bekanut, im
ganzen Lande als die Jiigerin von Long-E ldy bezeichnet wurde. Sie
lebte eine Zeitlang in den Wäldern mit einem andern Weibe zu-
sammen, wie Mann und Frau, unter dem Namen Joseph Lobdell;
56 Jahre alt, wurde sie wegen maniakalischer Zustände schliesslich
in eine Irrenanstalt gebracht.
Einen andern l^'all, der wohl gleichfalls in dieser Weise zu deuten
ist, und der zur Zeit des bayerischen Erbfolgekrieges, d. h. um 1778
spielte, finde ich in einem älteren Buche. ^) Es handelt sich um ein
Weib Namens Susanne Urban aus Schlesien. Bis in ihr 16. Jahr
wurde sie bei ihren Eltern erzogen. In diesem Alter entfloh sie dem
Elternhaus, trat in einen Dienst^ verüess aber auch diesen sehr bald,
indem sie si<di Leinwandrock, ein Fftar alte Beinkleider nnd eine
») Fried rnirhs Blätter für gmiichtl. Med. u. Sanit&tspol. 1891. 4. Heft.
- ) P. M. Wise-Wi Hardt Gase of «ermU Perversion. The Ali&itst and
Neurologütf Jan. 1883. Eeferat in der Deutschen Medizinalzeitong, 7. Juoi lö83.
s. aoa
■) Erßobelmnigan am CMata nd Kfiiper des Xensehai. 1. Tail. Bnihi 1806.
534
Mannweiber.
HfltM Toa «inem Beitor aneignete und, in dieier Weite mm Mtnne
mngeaelinffen, nmlifliirrte. Eune Zeit begab sie doh in ein Eloetor,
tnt tbtt dann de Wagenkneeht bei einem Bauer drd Jahr lag !d
Dienet Als der bayrische Erbfolgekrieg begann^ warde sie ausgehoben
und als Stückknecht zur Armee des Prinzen Heinrich nach Sachsen
geschickt In diesem Feldzuge zeicbiiete sie sich stets durnli Mut
un<l Kntächlossenheit aus, und sie war stets am leichtesten und ge-
schwindesten zu Pferde. Ihr grösstes Vergnügen war, die wildesten
Pferde zu reiten. Nach Beendigung des Krieges blieb sie ihrer Ver-
kleidung treu. Sie erhielt ihren Abschied und nahm wieder die Stelle
eines Wageuknechtes an. Sie trat dann bei einem katholischen
Geistlichen als Kutscher ein, bis sie nach zehnjähriger Abwesenheit
von Hause wieder zu ihren Verwandten zurückkehrte und hierbei
weibliche Kleidung anlegte. Dass ihr Geschlechtstrieb homosexuell
war, iässt sich zwar nicht mit Sicherheit, wohl aber mit einiger
Wahrscheinlichkeit aus der Mitteilung entnehmen, „dass die Liebe
ftkr sie keinen sonderlichen Beiz hatte'*. Sie schlief sogar bei ihrem
Dienste mn Jahr lang mit dem Grossknecht in einem Bett, ohne ihr
wahres Qeaohlecht zu verraten und suchte sich nicht selten bei lind-
liehen Feiten selbet bei Personen ihres Gesohleehte beliebt lu machen.
Der Heiauageber dee Buches, dem ich diea entnehme^ meuit iwai»
diee aet geachehen, um ihr Oeaehleeht beaaer verbergen sa kOmien;
jedenfidb aber liegt die AattahmA mhei daaa ea ana wirklicher hämo-
aemeller Neigung geaohah.
Mir lat ein Fall ana Berlin bekannt» wo eine weibBehe Feraon
X., die eine oiiginlie kontrtie eexuelle Yeranlagong hatte, lingere
Zeit in Unneikleidein mit minnlioher Beaohlftigung auftmt Anch
heute noch geht die X., wenn ea ihr mögUeh iat, mit Yeiliebe in
mlnnlieher Kleidung, nicht nur lu Hauae, aondem auch gelegentlieh
auf der Stnaaer herum.
Es ist hier zu berfloksiohtigen, dass es eine ganze Beibe Frauen
giebt, die in diesem oder jenem Punkte männliche Neigungen
haben, uud die trotzdem, was den Geschlechtstrieb bctriift, hetero-
sexuell empfinden. In einem kleinen Buche, das Eufemia v. Adlers-
feld-Ball es trem^) herausgab, ist ein Kapitel mit der Überschrift
Vira^o enthalten. Unter diesem Namen werden Frauen geschildert,
die männliche Thatkraft» Energie und Duteraehmungelost in sich tct-
0 Enfemia Y. Adlersfeld-Ballestrem: Aus drr Ruiii|iclkaiiin6r der
WeltgeMkichte. SUbmi und Studien. Berlio. S. 156—178.
Abueigaug gegen den Mann.
535
«inten. Es finden doli danmtor einige, ober deren rein heterosexnellee
Bmpfinden kein Zweifel sein kann. Genannt sind hier n. a. Semiramis
von Assyrien, Königin Margarethe von Dänemark, Schweden und
Norwegen, Elisabeth von EugUüd, Maria Tlieresia von Öster-
reich und aucii die durch ihr seinelles Leben berüchtigte Katharina II.
von Eussland. Es sind femer einige weniger bekannte Frauen aas
der Geschichte genannt, z. B. Eleonora von Aquitanien, die im
12. Jahrhundert lebte, und deren Gatte später als Ludwig VII.
KOnig von Frank reich wurde. Sie hatte den Wunsch, einen Kreuz-
zag von Weibern zu veranstalten und bef^ann bereits ein Amazone n-
heer zu errichten. Ko.stünie wurden angeschafft, die Damen beritten
gemacht, Waffenübungen veranstaltet und dergleichen mehr. Aber
trotz vieler männlicher Neigungen zeigt sich ein ganz ausgesprochenes
heterosexuelles Empfinden bei dieser FOistin, ebenso wie bei vielen
anderen waibliohen Personen, die in dieser oder jener Be«
Ziehung Mannweiber, in sexneller jedoch durchaus Weiber
sind.
In dem sexuellen Verhalten gegenüber dem männlichen
Qesebleoht aeigen sich bei homoaexneUen Frauen aUeilei Ab-
staftmgen. Die pqrohoseiniell heimaphioditisob veranlagten berOeh-
siehtiga ich hier natfirlioh nieht Bei rein homosexuellen Flauen
hingegen kann es Torhcramen, dass nur eine gewisse Gleiehgiltigkeit
gegenflber dem Mann vorhanden ist» wahrend in anderen FKUen
BwffKr wri besteht Die Gewöhnung kann hierbd natOrlieh sehr viel
bewirken. Es kann vorkommen, dass ebenso, wie sieh jeder Hensoh
an gewisse IKnge gewohnt, die ihm anfangs ekelhaft waren, so audi
das Weib den Bomr vwi durah Gewöhnung verliert, und dieser
Punkt ist bei der Frage der Khe mit su berfie]Dii<^tigen. In anderen
Fallen aber gelingt es idefat, diesen Horror su unterdrfieken. Selbst
verständlich hat eine gewisse Antipathie des Weibes gegen den Mann
an sich för den Koitus nicht die praktische Bedeutung wie die des
Urnings ^^egen die Frau, da bei letzterem oft durch die Antipathie
die Erektion verhindert wird, die eine Vorbeding uniz zur Immissio
memhri in vaginam bildet Es ist nhrigens eine im Vuliie verbreitete
Annahme, dass Wollustgefühl des Weibes notwendig sei, um von
einem Beischlafe gravide zu werden. Es ist mir sogar von mehreren
weiblichen Personen als Beweis dafür, dass diese oder jene Person
nicht homoseiueü sei, angegeben worden, dass sie durch den Beischlaf
mit Männern geschwängert worden sei. Eine fhatsächliche Be-
rechtigung hat diese Annahme nichts da ohne jede Libido, lediglich
536
loebe d« hoMoaexadlm W«ilMr.
duToli phjslologiiolte VoiglDge, dne weibliohe Frason doioh den Bei*
■oUaf gravide werden kann.
Bei den nUnnltohen Zügen der Tribaden «eiden vir an Angaben
üba die seknndiren Geaohleohtaeliar akter e erinnert Bs soUbb
aiflli bei Entfernung der Ovarien mitonter Bigenaehaften aeigen, die
unter nematon yerblltniaaen dem mftnnliehen Geiefalecbt ankommen;
besonders sind eoleke Bedwektongen bei TLmi gemacht worden.
So wird erwähnt,*) dass bei einer Henne z. R ein glfinzenderes Ge-
fieder, ein spitziger Sporn, wie beim Hahn auftreten, und dass auch
die liriegerischen Triebe dcü Hahnes öfters erzeugt werden können.
Ebenso wie wir bei homosexuellen Männern sahen, dass die Effe-
mination keineswegs immer eintritt, ja dass sich in manchen Fftllen
keinerlei Zeichen von ihr, in anderen nnr leichte Andeutungen finden,
so beobachten wir Analoges bei homosexuellen Weibern. Es giebt
zahlreiche Tribaden. bei denen sich abgeselien von dem Geschlechts-
trieb keinerlei müiinliche CharakterzOge nachweisen lassen, und die
sonst einen durchaus weiblichen Eiudruck machen. Hei anduren zeigt
sich wohl eine leichte Andeutung, z. B. Neigung zu starkem Rauchen;
aber eine deutliche Viraginität tindet sich auch bei ihnen nicht.
Die Liebe der homosexuellen Weiber ist oft leideneohaftUoh
ebenso wie die der Urninge. Sie fahlen aioh oft aelig, wenn ale
glfloklich lieben. Dennoch ist manchen Ton ihnen ganz ebenso wie
dem Urning der Umetand sehr peinlieh, dass sie sich eine Familie
niekt begriinden können infolge der aezneUai Antii»atliie') gegtn die
minnlieke BerOiimng. Wenn die I^be eines homoaexneilen Weibea
nieht erwidert wird, ao kann daxana eine aohweie StOrong dea Nerven-
^jatema erfolgen, die bis an WntanlUlen gehen kann. Diea woaste
aekon 8 Oranna, wie Tirej*) beriektei Die aogenannten Tribaden,
aagt er, verfolgen junge lOdelien mit einer Wnt, wie ea kanm die
Mbmer thnn.
Aneh der BrieAreehael der Tribaden kann leldenadiafOielie Natur
- j Charles Darwin: Das Variieren der Tiore iin Zustande der Dome-
stikation DcQtech vou V ictor Caros. 2. Bd. 2. Ausgabe. Stuttgart 1673. S. 58.
- ) Naoh den mir Kemaohten Hittmluag« flebeint im gnHoi nad gauen
ImI den Tribaden der Horror vor der Berührung mit dem Mann nicht so groes
zn sein, wie bei den üminf^en der Tor weiblicher Berührun::. Die Äntipatliie
des Weibes gegen den Mann hat für den Koitn-i natürlich lango nicht dip prak-
tiüuhe Bedentang wie die de« Urnings gegen das Weib, wie schon auseinander
g8B6(St ist.
^ J. J. Virey: Die Ansschweifang in der Liebe und ihre Folgen (ttr Geist
nnd KRrper. Ilistorisch. natnrgeschichtlich und roediziniaeh daigeiteOt. Aeb dem
Fnuuöaisoheii von h. Hermann. Leipzig 1889. S. 66.
Briefwdchael.
537
zeigen. Heyböfer enrftbnt folgenden Passns ans dem Brief zweier
Frenndinnen, fü^ aber sehr richtig hinzu, dass dies nicht mehr
Freimdschaft, sondern schon Liebe sei. Die eine Frau schreibt an
die andere, als soziale Verhältnisse eine Trennung veranlasst hatten,
u. a. folgendes:
,M«on iMnan^gateB, geliebt««! sfines, eimigeB, Ueinei, laeuiteB Wetberll
Ifein MigelBgntei KUrcheo! "Wie viel taiuend Thr&aen habe ich sdum
▼esgoesen, daas gerade niuen Liebe getrennt werden miinte! Aber das
schwöre ich Dir zu, dass ich Dich von ganzem Herzen so lieb habe, wie
Dich noch kein Mensch hatte nnd haben wir 1 Du bist meine erste und
eissige Liebe and sollst es bleiben, bis der Tod das Ange bricht. loh
kann doch nicht dafür, Du mein geliebtes Weib, dasi UAi Dich so innig
liebe. Lieber hätte ich mir den Tod selbst gegeben, nnr um in Deinen
Armen sterben zu können, als fortwährend mit dem Zweifel weiter zu
leben: bist Dn auch mein, bleibst Pn mir auch? 0 Kläre, was ist aus
mir gewordt D, seitdem ich weiss, was Liebe heisstl Ich darf gar nicht
daran denken, wip glücklich ich war, wenn ich in Deinen schönen
Armen ruhte, so reoht innig an Dich geschmiegt in Deinem Bette li^en
konnte!*
DiA Tribtden bekommfln bftnfig mfliudtdie Nim du, wonn aneh
mM in dem «ii8g«dehnt0n Masn, wie die üniinge weibliche eifaalteii.
Eine bekaimte Tribade i. denn Namen idb hier in keiner Weise
andeoten wiU, md deren Venuunen ich anders wiedergebe, heisst
allgemein ^^er Mansohettenftite**, weil sie stets etwas anlfiülig heiab*
Ungendo Kansehetten tilgt. (Der Name Frits ist nicht richtig, weil
ich den mir bekannten Namen hier absiehtlioh nicht Teröffentliche.)
Ebenso wie die Urninge erkennen sich angeblich anch die homo-
geinellen Weiber unter einander, wie mir einige derselben versicherten,
am Blick, mituiiter auch an der Art der Begegnung und der Be-
grüssung. Waa es eigentlich in dem Blicke sei, das ihnen die Ge-
nossinnen vor anderen Personen verrät, konnte niemand mit Sicherheit
angeben. Ausführliche Unterhaltungen, die ich zu diesem Zwecke
mit mehreren Tribaden hatte, ercraben indessen als wahrscheinlich
das folgende, was ganz dem analogen i'all bei den Urningen ent-
spricht. In derselben Weise, wie ein Mann eine hübsche weibliche
/ Person auf der Strasse ansieht, lixiert eine Tribade häutig eine andere
weibliche Person. Je nachdem nun diese den Blick erwidert und da-
durch ausdrückt, dass sie sich für die andere Person interessiert,
wird das Urteil geftUt Oft ist es nicht anssohliesslioh der Blick,
sondern die fiewegongen nnd die Unterhaltung venaten eine Tribade
538
ladMilaelle Heigungen.
der tndenn. Der Bliek, an dem Mi die TrilNideii imter einaiider
erkennen, ist alio in iludielief Weise ein begdirliolier, wie ilm die
Urninge unter einander ansteusoheB. Eeineswege darf man hier auf
irgend eine besondere Kraft MMenen.
Aneii geben die heteroiezneUen Weiber an, daaa sie äeh mtnmUs
KnguoB ndtanter, ohne ein Wort zu epreoben, Aber die Art ihres
eTentoellen GeBcbleehtererkehrs yerständigen können, sodaaa sie bei
zwei verschiedenen Bewegungen sogleich erkennen, ob die Betreffende
aktiv oder passiv thätig sein will.
Bekanntschaften machen homosexnelle Weiher auf verschiedene
Weise. Der Weg der Annonce findet sich mitunter. Besonders sollen
Annoncen,') in denen ein Weib eine „Fnundin" sucht, nach dieser
Richtung hin sehr verdächtig sein; ausserdem aber lernen sie sich
auch dann und wann auf der Strasse durch Anlocken kennen.
Die Neigungen sind bei den liomoaexuellen Weibern, ähnlich wie
bei den Urningen, mitunter auf eine ganz bestimmte Kategorie von
Weibern gerichtet. So erklarte mir die eine, dass sie nur dann sexuell
befriedigt wird und nur dann Liebe empfindet, wenn sie mit einer
grossen blonden welbUohen Person verkehrt; brünette und kleine
Weiber konnten sie in keiner Weise reizen. Interessant sind in
dieser Besiehnng die MitteUnngw der GrSfin Sarolta*):
,Ich fthlie nie ma» videre Neigung zu einem Manne, wie höchstens
eine Freondflohafti andi sieht sehr intanaiv; sn meinem eigenen Broder
sagte idi oft: Aohj wie mOobte kdi Diok Heben, adhntaen, beedünncB,
mit Dir pendieren, wenn Du ein Mldehen wirstl So tagte ich aiuh
oft tu ICamn ttber ihn. Jedei Jahr hatte ioh aber eine grOiaere Ab-
neigung gegen Ifanner gefttUti mid ioh ging am liebsten mit nniiehflnen,
nntoheinaiden in DamengeaeUaofaaft, damit ja kmner nüch in Sdiattan
stelle; ieh onteridelt ndeh sehr gern mit geistraehen 'Vtamn, tbeihanpt
letitevea iQg mich fieUeicht noeh mehr an, alt kOiperliehe ScbOnheii
- ) Ich habe diesen Punkt in der neueren Zeit etwas verfolpt; es giebt in
den Zeitongen gewisse Annoncen, die nach dieser Dichtung entschieden Terd&ditig
tmd. Gau eheuo, wie Hexren Damen mit genaner BaeohMihmig nm BleildidheiDa
Uttan, wanden anoli »FieoDdimieB* Sfier in dMi ZSeitangen geeadit Aadi ein
Wiedersehen wird öfter erbeten; so wurde einmal eine Dame, die im Grunewald
tu einer bestimmten Zeit gesebcn worden war, von einer andern Datne auf dem
Wege der Annonce am ein Stelldichein gebeten. Schon der Umstand, dass ge-
wOhnlidi deiartige Anzeigen unter den Heimtaameigen atehen, bealirkt niioh in
mein« Temotang.
') Birnbacher: Ein Fall von konträrer Sexnalempfindnog vor dem Straf-
gericht Friedreichs BlAttar f&r gerichtliche Medisin. Ufimbeig 1691. 48. Jahi^
gang, 1. Heft, S. 18.
Dauer der Neigung.
539
Dm dioken Weiber konnte icb nicht ansttehen» ebenso nidit die so*
genannten mlnneisfichtigen; ioh liebte et, wenn eicih die LeidenaoliafI der
fnu unter dem poetiaehen Sohleier oiEnberte, aUei Sohamlose an einer
Frau war nur ekeL*
Die Neigungen der Tribaden nind auch sonst \erschieden; während
die einen ihrem Veihällüiä vulisUudig treu sind, lieben andere die
Abwechselung nnd lanfen täglich anderen nach.
Unter den Liebesverliültnissen giebt. es viele, die eine lauge
Reihe von Jahren dauern, sodass das Zusammenleben in einem Falle
schon siebzehn Jahre, in mehreren anderen Fällen, die ich genau
kenne, fünf bis zehn Jahre dauert. Ein solches Verhältnis von langer
Bauer ^'ilt bei den Tribaden als einer Ehe gleichwertig. Man be-
hauptet oft, so auch Krafft-Ebing, dass bei heterosexueller Neigxmg
das Weib monogam, der Mann polygam veranlagt sei. Dass es
mindestens Ausnahmen giebt^ kann nicht zweifelhaft sein, und zwar
konunt dies nicht nur bei aoBgesprochen krankhaften Fällen vor, etwa
bei der Nymphomanie, sondern auch im gewöhnlichen Leben, ohne
dass ein deutlich pathologisoher ZuBtaad erkennbar wäre. Leider iiabe
ich bisher nicht Qelegenheit gehAbt^ mit Sicherheit die Frage zu be-
antworten, ob bei homoflcnellflr Neigong des Weibea eine grössere
Anblng^dikeit an die tinmal geliebte Feison beobachtet wird als bei
bcmoseineDen mnnem.
folgender IUI betiiift eine Vkin, die seit 17 Jahren mit der-
eelben Freundin sosanmenlebt
31. FalL Frau X., Witwe, 43 Jahre alt, war zwei Jahre ver-
heiratet Sie stammt vom Laude, hat aber, da ihre Eltern wohlhabend
wraren, eine gute Brsiehung durch eine Qoavemanto fthaltea. Die X.
war die jüagste TOn nenn Geiobwitteni. Was die erbliohe Beiaatong
belrüR, ao waiss die X. nichts von GMSteskrankhaiten, Nerrenlaankheitan,
Selbilancrd, Tnmkraobt oder deigL in der Faanlie. Nor enlUt sie, daas
ein Bruder von ihr «och homosexuell ist Er war stets etwas schwfteh-
Hoh, wahrend alle anderan Oeschwister gross nnd stark nnd; dieser eine
Bmder ist aodi sonst in seinem Wesm etwas absondadich, ainkisdi und
raiibar. Br sollte Olfisier werden; aber als er diente, wurde es sehr
beld bemerkt, dass er sich gern mit Mianam sn ümn madite. BSn
anderer Bruder diente gleichzeitig mit dem eb«ii genannten und erUirte
Öfters, er schlme sich Aber deu Kuf, sem Bruder in der Kbmpagma
habe. Der letitere musste aohliesslich vom Milit&r abgeben, da «r an
Loageiqplithiae erioankte; es wurde ihm dnrch seinen Bruder oft der
Vorwurf gemacht, dass er sich durch seinen Verkehr mit Mlnnem die
Scbwindsnoht sugasogan habe. Auoh wfthrend er. krank wsti Terkehrte
540
«r inunor noeh telir intim mit einem inderen Hanne; er hiqg in jeder
Weist ea dieeera. ,Was einer wollte, wollte «ibh der enden^ and wm
einer hntte^ teilte er mit dem enderen. Wenn mein Bruder einen Tbal«r
bette, geb er dem indem die HUfte oder audh noeh mehr eh. Heute
weite teh, daee beide ein intimes Verbtitnie hattoi, ^udirend ich es
damals noch nicht \^tisstc.* Der Gesnndheitszastand des Bmders besserte
sich allmählich wieder, er lernte die Landwirteebaft und ging schliesslich
ins Ausland. Abgesehen yon diesem Bmder sollen alle Familienmitglieder
gesnnd and normal sein. Die X. hat von ihrem Manne zwei Kinder ge-
habt, von denen das eine knrz nach der Qebnrt gestorben ist; sie selbst
bat es mehrere Wochen gestillt, bis bei ihr die Milch nnsblicb. Das
andere Kind, ein Mädchen, lebt noch und ist vollkommen go<;uiif!. Anf
die Frap^e, ob sie ihre Kinder gern habe, erklärt die X : ,Die Kinder
habe ich Ftets ebenso geliebt wie jede andere Mutter die ibren. Ich bin
auch darüber froh, dass ich materielle Öurgya wegen memer Tochter
nicht habe, da sowohl meine Yermögensverhältnisse als die meiner Mutter
sehr gut sind."
Die X. hatte von Kindheit an nie I^ieigmig 7.11 hinp^en, wohl aber
fühlte sie sich immer zn Mfidchon hingezogen. Ötundenweit ist sie ge-
gangen, um irgend eme Freundin zu besuchen, und jederzeit hatte sie
eine, mit der sie ganz besonders gern verkehrte. Irgend welche ge-
schlechtliche Gedanken hat sie dabei anfangs nicht gehabt; bis zu ihrem
10. Jahre hat die X. von seruellen Dingen überhaupt nichts gewusst.
Von dieser Zeit ab üng sie an /,u onanieren, und von da ab hatte sie
auch grosse Lost, mit anderen Mädchen geschlechtlich zu verkehren,
nunal da de selbst körperlich sehr entwioicelt war. Aber rie war immer
nooh in ängstlich, ihrer Freundin direkte Antrige an madhen, obwohl
sie grosse Neigung sü dieser bstte ; sie liiA ilire Rmudin höchstens ge-
MLsst nnd unarmi Die X sachte es isuner so einsQriohteo, dsss man
Spiele^ s. B. FOndeispiele, bei denen es som Ellssen kamt spisUe. Schon
im 11. Jahre sdiloss sidi die X. an eine bestimmte F^emdin T. an,
die bereits einen «Brintigam* hatte. Die X. war viel mit ihrer Aeondin
tosammen; brnde fohren msammen snr Selrale, wobei die X. stets selbst
kntsobierte. Unterwegs hat die X dann ihre Freundin mnannt imd
herslicih gekflast; aber diese war ihr immer za kalt Zn dieser Zeit
war die X sich bereits darüber klar, dass ihre Sehnsucht weiter gmg;
aber sie wagte niemals, ihrer Freundin einen bezüglichen Antrag za
machen, zumal da diese viel von ihrem , Bräutigam* sprach, für den
sie sehr schwftrmte. Allmählich kamen beide auf geschlechtliohe Dinge
zu sprechen, und ntm erklärte ihre Freundin sehr oft, se mulium amare,
gmitulia a vivo contredari, und die Y. gestand der X, dass sie sich
selbst sehr oft an den Geschlechtsteilen gespielt hatte. Die X. hatte es,
wie wir oben sahen, auch schon gethan. Wie sie darauf gekommen ist)
541
weiss sie niebt genau ansagebeiL Sie erklärt nur, dass sie hinfig sehr
angeregt war, und dann konnte sie sich nicht enthalten, sifih zu manasta-
prieren. Die Periode stellte sich bei der X. im Alter von 13^ Jahren
ein. Ob sie vorher schon geschleolitlicbe Be&riedigong bei der Mastor«
biriiioii hatte, kann sie nicht mehr angeben. Jedenfalls aber wurde sie,
wenn sich auch nicht feststellen lässt, ob vor oder nach dem Eintritt
der Periode, bei der Masturbation mitunter vollkommen befriedigt; ganz
besonders oft übte sie im Alter von 14 und 15 Jahren die Onanie aus.
Im Alter von 17 Jahren scbloss sich die X. an ein anderes Miklehen,
Z. an, das 18 Jahre alt war. Diesem vertraut*' sie sich vollkommen an,
und während sie früher nur selbst Onanie ausgeübt batte, kam sie liior
schliesslich dazu, sich bald von diesem Mädchen manuslupi iercn zu lüs-'-tn,
bnld diese 7:u manustuprieren. Weiter als zu Manipulationen mit duu
Händen kam es nicht.
Etwa 2 Jahre später lernte die X. einen Mann kennen; aber obwohl
sie ihn nicht liebte, verlobt^^ und verheiratete sie sich doch bald mit ihm.
Als Grund ihrer Heirat gicbt sie an, dass es in einem kleinen Orte und
auf dem Lande notwendig sei, zu heilsten: es gelte als (■im» Art Schande,
Wenn oin junges Miklchen keinen ordt nlUcLeu Munu erhalte. Wahrend
die X. vor der Ehe niemals den Cunnüingus ausgeübt hatte, lernte sie
ihn gerade durdi ihm Jlsiiii keniMD, der diese Art des Verkehrs liebte.
Dabei «ufda die X. seihst yoUkommeii befriedigt, wUhxeiid tie beim ge-
wOhnliehen Koitu niemals eine Befiriedigung hatte. Den Koitus Hess
sich die X. von ihrem Msmie, wie sie sagt, nur ans Ffliehtgeftthl ge-
laUeo. ISne Zimeigqng sa ihran Msmie stellte sicih auch irflhrend der
Rhe nicht ein; andi naoh der Qebart der Kmder war hiervon nioht die
Bede. Die Ehe dauerte nur iwei Jahre, da der Hann naeh dieser Zeit
starb. WJflireiid der Ehe hatte die X. niemals mit einem Ifildciien ge-
sdileditliidMii Yerlnihr gehabt, wohl aber tiiat sie dies als Witwe, als sie
ein Madchen kennen lernte, mit dem sie aktiv and passiv durch Cunm-
lingus verkehrte. Dies Verhältnis dauerte mir ein Jahr. Dann lernte
die X. wieder einen Herrn kennen, der sich um sie bewarb; aber da sie
keine Keigong zu ihm hatte, liess sie sich auf dessen Bewerbungen nicht
ein, sondern blieb Witwe. Nach dieser Zeit schaffte sich die X. eine
neue Freundin an, und sie wnrde in ihrem Auftreten immer männlicher.
Besonder?; liess sie sich jetzt, um dem Manne mehr zu ähneln, auch das
Haar kurz, fcb neiden. Die Freundin, an die sie sich anschloss, war eigent«
lieh heterosexuell, nnd verkehrte, wie die X. glaubt, nur aus Gewinn-
sucht mit ihr. Kurz darauf, nachdem ein vorübergehendes Verhältnis
mit einem andern Mädchen anderthalb Jahre bestanden hatte, schloss sich
die X. an ihre jetzige Freundin an, mit der sie bereits seit ungefähr
17 Jalutii /zusammenlebt. Die X. fühlt sich in diesem Verhältnis voll-
kommen glücklich. Mit Ausnahme eines halben Jahres, wo sich die beiden
542
BdipuL
TeroDfliiiigt hatten and Munioaadeigtgiimw wann, haben sie stete sa«
gemmen gelebt.
Die X. hat Öfter erotische Tr&ame, und /war besonders dann, wenn
sie abends em hübsches Mädchen gesehen hat. Sie träomt dann Nachts
von dem Mädchen und von dem Verkehr, den sie mit ihm bat. Bald
kommt im Tmume die Befrirdicfung bei einer Umarmung, bald beim
Küssen, bald bei der Vorstellung des Cunnilimjus.
Als Kind war di« X. immer sehr wild. Sie war zwar lieber mit
Mädchen zusammt^n; doch, wie sie glaubt, bestimmten sie da/u nur
sexuelle Gedanken. Sonst beteiligte sie sich viel an den Spielen der
Knaben, kletterte mit ihnen über Zäune und aut Haume und trieb sich
mit ihnen auf der Strasse herum. Mit Puppen hat sie nie gespielt; sie
hat zwar mehrere Puppen geiiabt, die sie aber um aiiiaäste, und die sie,
wie sie erzählt, jeden Weihnachten wieder bekam, da sie kaum benatst
worden ond infolgedessen immer wie neu blieben. Die X liat als Kind
gern auf Fferden geritten; Om Elteni luslten lelbal Pferde. Die X.
seteto sich beim Betten immer wie ein ICum auf das PÜBrd, imd je trildsr
dieses lief, nm so lieber war es ibr. Dass sieb die Kleider bierbei booh-
streiften, wer der X. egal. Sie Hlgt binsa, dsss sie beim Beiten Öfters
wolltlstige GefUüe batte, und sie bttlt es für mOgliobi dass ne gerade
desbalb andi so gern wie ein llsnn ritt; viellttidit ksm aneh, wie sie
mebty die HiantasieTorstflUimg bmsn, dass sie ein Junge s«. Als Kind
lut mob die X. sdhon immer gem die Hosen ibrer Brflder angesofen.
Hit € oder 7 Jahren fing sb an« Zigaretten nnd Zigarren an ranohen.
Die X. hält sich selbst für ein Rätsel. Sie geht auch geganwirtig mit
Vorliebe männlich gekleidet^ sie trinkt nieht riel, kann aber gnt Reifen.
Die Uftnde sind siemlich gross.
Die von Herrn Dr. Theodor S. Flatsn yorgenommene Unter-
suchung des Kehlkopfes ei^ebt, dass dieser ziemlich geräumig ist. Der
Kehldeckel ist gross und grob; die Schildknorpel sind ziemlich breit.
Das Pfyynnm Adwni ist cpit entwickelt Eine deutliche feminine Form
zeigt nach Annahme des Herrn Dr. If'iataa der Kehlkopf jedenfalls
nicht.
Aach bei den homofleziieliMi Weibem kommt es sa Sifer-
suobtsBie 11611,0 Sobligenien o. b. w., denen aber gewöbnfieh sehr
bald Yersitbnimg folgt Man findet gelegenflicih Notisen in den
Zeitungen, die wenig verstsnden werden, bei denen aber anoh die
') Zola Bohfldeart die Eifennoht b der bomoseneUen Idebe des Weibes.
„Nana sprach davon, Frm Bobert (bei der Nanas Gdiebto Satin war) cii ohr-
feigen." Auch die Eifersacht eines Liebhabers der Nana anf dpren TTcliebte
schildert Z^>!a: ..Vaudoeuvres .sitioltc den Eifersüchtigen ond bedrohte tUe batin
uut einem i/ueil, wuüii aio Naua noch einmal umarmte.**
Bifenooht
HomoBeiiiaUtftt des WdbM nud ma Bifamhinifliie ndtapieleB. In
emem XUlei der vor Ungerer Zeit in den Zeitongwi emigee An&eben
machte, handelte es doh nm ein jUitentat, daa ein Wdb anf ein
andeiea ansühtei daa Hlnigena eine in der Offiantliehheit nicht nn-
hekannte Peiaon war. Vergebliöb wurde nach den Ursachen dieses
Attentates geforscht Wie mir ein in dieses Veifatitnis eingeweihter
Heir mitteilt^ handelte es sieh hierbei nm eine Eifersnchtssaene bei
einem homoseinellen Weibe. Dass andereneits aoch Mftnner mit-
unter eifersfiohtig anf Weiber sind, die TOn einem ihnen selbst sym-
pathischen Weibe flieht werden, wird mehrfach behauptet; n. a.
schildert Catulle Mendts in seiner Erzählung Lesbia die Eifersucht
deö Dioiiters Cajus Valerius Catuiius auf die Skiavm seiuer vuü
ihm angebeteten Lesbia.
Unglückliche Liebe vermag Tribaden seelisch und körperlich
ausserordentlich hemnterzabringen, wie z. B. der Fall von Westphal
beweist, wo die betreffende Person aufgeregt, schlaf- und appetitlos
wurde. Die Trennung von ihrem Verhältnis kamk die Tribaden in
die tmglückliohste Lage versetzen.
Wie findet bei den homosexuellen Weibern die sexuelle Be-
friedigunof statt? Eine häufige Angabe ist die, un.am clitoridem
pertnagnam m vctginam älierius immiitere und dass dabei Befriedigung
beider eintrete. Ob dies dann und wann der Fall ist, weiss ich nicht;
die Regel ist es jedenfalls nicht, soweit meine Erfahrungen darüber
reichen. Eine so abnorme Vergrössemng des Kitzlers, dass er in die
Scheide eines anderen Weibes eingeführt werden kann, dürfte kaum
je Torkommen. Schon Mair^) meinte, die Angabe von einer un-
gewöhnlich langen und stärkerer Aufrichtung fähigen JQitoria sei
durch keinen wirklich beobachteten Fall orh artet. Hingegen genügt
oft daa blosse Aufeinanderiiegen und Friktionen der Geschlechtsteile,
nm Brgnsa nnd BeMedignng bei beiden Weibern herronnnifen. Dass,
wie H antegaisa meuit, die Klitoris sich bei dem sexuellen Veilnhi
des Weihes mit einer anderen TOgrOssere,*) beweist er hi keiner
Weise; die Bicbtigkeit dieser Behaaptong ist sehr fraglich.
0 J. Mair: Jnriatisch-modiriniBcher Kommentar der nonen kgl. bayerisoheo,
kgl prausilMAteB and kftla. MmiebiMdieii Slrafgesetsgebang fix filaati-
anirilta» Bidttir, Verteidigur und Inte. S. Band. Angptaig 1868; 8. SS.
') Aach die Behaaptong Forbergs, dass die Klitoris so verläogert sei,
dass 8ie tm Bcfriedi^ang genücrt ist nach Casper-Liman duioh keinen FaU|
der wirklich beobachtet worden wäre, erwiesen.
544
Ali der BtifHdIgmg.
Nach meinen Infonnationen besteht eine häufige Befriedigung in
lambendo Imgua genital ia aUerius. Hierbei ist mtUier lambens aktiv,
andere passiv. Coffignon meint, dasa eine Trennmig in aktiv
und paaaiT bei den homoBexnellen Weibern seltener dmohgeftthrt aei»
als bei den Pideraaten. Ich kenne die ElUe in Paiia nicht geoaner;
in Berlin ist jedenfidla die Trennung bei den Wdbem mitonter gani
scharf. Bin homosexuell empfindendes Weib X. erU&rte mir, dasa
sie nnr, si ipaa kmärU gemiaUa aUmrku, befriedigt wllide; ich fragte
sie nnn, ob es ihr nicht mOg^oh sei, auch dadurch aetnell befidedigt
zu werdeUi si äUera lambU gmitaHa propriOf sodass sie paasiT sei;
die Antwort der Betreifenden war, dasa ea ihr Tollstlndig vunOgHeh
sei, in dieser Weise erregt an werden. Ich erinnere mich auch notdi,
dass sie diese Frage nüt dner gewhnen Entrflstang anfiiahm, die
ungefähr der entsprach, die ein normaler Mann empfinden wOrde,
wenn ich ihn fragte, ob ea ihm denn nicht möglich sei, sexuell mit
Männern zu yerkehren.
In einem anderen Fall erklärte die „Mutter**, d. h. der passive
Teil, dass sie es niemals über sich gewinnon könnte, aktiv zn sein,
d. h. lingua Inmhere genüalia alterius femimie. Beiden wäre eine
ümkehrung Hes Verhältnisses geradezu unangenehm und ekelhaft
Diese scharfe Trennung findet in zahlreichen derartigen Verhältnissen
statt. Die X., die ich eben erwähnte, hatte bereits früher einmal
ein anderes Verhältnis angebahnt, musste es aber auflösen, weil das
andere Weib verlangte, dass die X. passiv sein sollte; es war ihr
dies unmöglich, sodass sie es vorzog, die Beziehungen aufzugeben.
Im folgenden will ioh awei Weiber, die in einer homosexuellen
„Ehe** mit einander leben, genauer schildern; man wird sehen, dass
eine sdiaife Trennung in die aktive und die passive Bolle vorliegt
Bie Aussagen beider Personen waren exakt; die Anamnese habe ich
80 aufj^ommen, dass keine der Ünteraudiung der anderen beiwohnte;
Widerspruche haben sioh nicht ergeben. Bdde IVUe dürfen als
solche mit eingeborener Anlage lur kontciren Sexaalempfindung be*
trachtet werden.
??2 Fall. Fräulein X. ist jetzt 29 Jahre alt. Bei der X. handelt es
sich, soweit mau die Affektion zurückverfolgen kann, um eine bis in die
Kindheit zurückreichende HomosexTialiÜlt, ebenso wie bei ihrer uaciilier
%n schildernden Freundin Y. Was die Familieuvurhaltnisse betxiff't,
so erwähnt die X., dass in der Verwandtschaft der Mutter mehrere
Selbstmorde vorgekommen sind. Ein Bruder der Maitar sowie deren
Yater n^mcn sich durch Erhängen das Leben, ebenso noeh ein anderer
545
weitläußger Verwandter, der sich durch grosse FjrSmniigkmt ansittehiietei
Awk eine Schweatar der X. war hnmosexnell veraolAgt. Sie hat mit
derselben weiblichen Person (33. P'all) ein Jahr lang geschlechtlich ver-
kehrt, die jetzt das Yerfaftltois der X. bildet Die Schwester ist bereits
tot Die Erziehung der X. wurde, wie sie angiebt, durch den zeitigen
To'l ihrer Mutier vernnchlässigt, da sich die Stiiefinatter sehr wenig der
nicht von ihr stammenden Kinder annahm.
Als die X. 9 Jahre alt war, hatte sie eine Freundin, von der sie schon
einmal lingua lambcbatur: sie hatte auch eine gowis«o leidenschaftliche
Empfindung für die Freundin. Von den Spielen zog sich die X. auf der
Schule gewöhnlich etwas -zurück. Sie war öfters geschhichtlich sfhr frregt
und empfand einen starken Kitzel au den Genitalien; aber der Gedanke,
dass der Mann dazu dienen sollte, diesen Kitzel zu befriedigen, war ihr
immer unsympathisch.
Die Menstruation trat bei der vom Lande stammenden X. schon auf,
als sie erst 12 Jahre alt war. Vom 17. Jahre an hat sie onaniert, erinnert
sich aber nicht, dass sie hierbei au irgend eine bestimmte Person dachte.
Von einem M miic Hess sie sich nicht berühren. Trotzdem hatte sie
auch einmal im Alter von 17 bis 19 Jahren ein Verhältnis mit einem
Manne, der sie aber weder umarmen noch küssen durfte, sie hatte auch
nie einen Beiz, diel hn sich thun zu lassen. Überhaupt liess sie sich
keine andere Berfifarong Tcn ihm geAllen, alt dass sie ihm gelegentlich
die BmuBl xeiolite. Das YerMttiÜB dauerte nrei Jabre nnd wurde von
der X. nur ans ^iratnbaichtNi anfradlit erhalten, w«l ri» von der
Yerheiratiuig eine davenide» siohere Versorgung erhoffte. Scddiesslich
wurde das YerhUtois aber «i%el5si Die X hat dann und wann andi
noeh mit Mftnnem gesdileehtUidi Terkehrt, aber nie ein daiosRideB, wirk*
liehes yeihaltais gehabt. Sie hat es mehrere If ale ans dem nnbestammten
Drange getbao, dodh eimnal la sehen, ob der Akt wirklich ao sohOn sei,
wie ihr andere Ittdoben immer vorgastsUt hatten. Eine Liebe sa einem
Manne hat sie niemals empfunden. Zn Wollnstempfindong kommt es bei
der X. nur, warn sie mit einem Weibe verkehrt. Sie hat es versucht,
auch mit Männern gesehlechtlich zu verkehren ; aber der Akt als solcher
ist ihr beim Manne geradezu widerlich, nnd es kommt auch nicht zu der
geringsten Wollustempfindung. Nur einmal, erklftrt sie, ist es hierbei
vor einer Reilic von Jahren bis zum Flüssigkcitsergnss gekommen; aber
dies beruhte nach ihrer Angabe darauf, dass sie damals sehr stark
sexuell empfindlich war und der geringste smnliohe Hpi/ /.um Erguss
genügte; eine wirkliche Wollust oder ein wirkliches Gefühl der Be-
friedigimg hat sie übrigens dabei nicht gehabt.
Die X. ist in dem Verhältnis, das sie mit der Y. unterh<, fast
immer nur passiv, sie spielt die ^ Mutterroi le". Gelegentlich war sie auch
aktiv, aber es gewährt ihr dies keine so grosse Befriedigung, und sie
Moll, Kvntr. Sezualanpfindung. 35
546
Beispiel
that es diitm höchstens einmal einem andern Weibe zu Gefallen. Bei
ihr selbst wird die Befriedigung, nur wenn sie pasuT ist» bewirkt, und
wenn sie «nmal als akÜTer Tflü fangiert, fto Itak ne aish Baohher TCgeI>
in&ssig dadnroh bafHedigan, daaa aie wieder paaiiT wird. Eni im Altar
Ton 20 Jahna lernte die X eiB anderea homoaezaellea Iftdeheii keim«i,
wenn aie aiiidi aohon vorher too weibliabeoden Weibern fehOrt hatte.
Damala nlherte aidi ihr eine andere Tribade, holte aie in Spanerglngen
ab und kOarte aie vielfach. Dann ging die X mnmal mit dieaem
IDldohen auf ein Zimmer nnd wnrde vcm ihm geaohlefditlioh befriedigt.
öfters hat aie muh. geaefaleditUohe TrftimM, di« aioh aber immer nur
darauf besogen, daaa aie mit einem W«be verkehrte^ und beaondera apielt
ihre FreandiO} mit der aie ein Verhältnis hat, eine gewisse Holle in den
nftchtlichen Träumen. Niemals beziehen sich die geschlechtlichen Träume
auf Männer. Erst seit etwa 6 Jahren erinnert sich die X., wollüstige
Träume zn haben, d. h. ihre Erinnerung reicht nicht weiter als bis zum
23. Jahre surück. Im Traum ist sie bald in der aktiven, bald in der
passiven Rolle. Sie träumt auch von anderen Mädchen, die sie irgendwo
gesehen hat, und nicht ausschliesslich von ihrem Verhältnis.
Was die Befriedigung betrifft, so ist schon erwähnt, dass die X. ge-
wöhnlich nur passiv ist. Da aber hierbei die Freundin mitunter nicht
befriedigt wird, so lässt sich die so von dor X. auch zuweilen masturbieren.
Die X. macht einen sehr iutcUigenten Eindruck, giebt auf Fragen
genaue, klare Antworten und bat von jeher künstlerische Neigungen ge-
habt. Sie malte gern, und auch Leute uuoL ist eine kleine Malerei ihre
Lieblingsbeschäftigung. Das Äussere und das Benehmen der X. sind
durchaus weiblich.
Der von Herrn Dr. Theodor 8. Tlatan aufgenommene Kdilkcpf-
befand ergiebt, dass der Kdilkopf swar etwas mehr vorspringt als bei
den meisten Weibern, aber nicht sehr bedeatend, nnd jedenfalla ist ein
wirklieber Adamsapfel nicht vorhanden. Die innere Üntersnchnng des
Kehlkopfes ergiebt, dass er voUstftndig weibliche Bildung hai
33. F all Fräulein Y., das YerhUtnis der X, ist jetzt 30 Jahre alt
In der Familie der T. soll allea gesund sein. Obwohl die l'kmille sdur
gross ist, sind nadi Angabe der Y. Nerven» ond Qeisteakrankheiten in
ihr me voigekommen.
Die T. hat in der Kindheit nie Heigang snm Spiel«n mit Fappon
gehabt: «Am liebsten apielte ich mit den Sadien meiner Brftder, mit dem
Schaukelpferd nnd Ihnlidhen Qegeastftnden.*
Die T. erinnert sich genau, dass sie bereits in der Kindheit grosse
Znndgnng sn weibliehen Personen hatte. Ala ne 9 Jahr alt war, war
aie in einer Pension mit 25 Haddien tnnmmen. Dia llftdehen waren in
verschiedenem Alter, uid anter ihnoi war auch ein sehr schönes jungea
Madchen von 19 Jahren, in das sich die T. verliebte. Sie lief dam
547
IbdoUn auf Sebritt und nadi und war glüfiklioli, wenn sie es im
Garten traf und» ibm gvganftber ntiend, es l&Dgere Zeit betnohten konnte.
Dieses Mädchen nur zu sehen, war für die Y., wie sie angiebt, Seligkeit.
Die Y. hatte drei verscliiedene Verhältnisse mit Weibern Etwa
vor 12 Jahren knäpfte sie das erste Verhältnis mit einem Weibe an,
das homoaeiaell war, und die Bekanntsohaft der Y. suchte. In dem Ver-
hältnis war gewöhnlich Frl. Y. der aktivft Teil; dieses Verhältnis dauerte
etwa 2' ., Jahre. In dieser Zeit ist die Y. angeblich niemals ihrer
Freundin untren geworden, und es soll eine mifrichtiq^e Liebe zwiscbfn
den beiden bestanden haben. Die Y. knüpffo d mn ein anderes Veriiältnis
an und srhlieRHÜch das jetzige| d. h. das mit Frl. X., mit der sie auoh
ZUSaiiimcn wohnt.
Die Y. iiat früher mit einem Manne verkehrt, aber nur aas geschäft-
lichen Interessen. Einen ganz andern Beiz hat es for sie von je her
gehabt, mit einer weiblichen Person goschlecbtlic}! zn verkehren, wobei
sie die ihr syuipiitliibclieu weiblichen i ersoneii m aktiver Weise linytia
lafnbere solüa erat. Was den geschlechtlichen Verkehr mit dorn Manne
anbeMfll» so bat aia t^matiM dabei anoh nnr die geringste Befriedigung
gehabt Einen Mann Ungua km^ere wttrda ihr widerlich ma. Auch
die nftofatltchen Trtbune bexiaheo sidb nnr auf Weiber; aieraals erinnert
sie aiah, einen gewUaehiliehcn Traum Ton einem Manne gehabt in haben.
Dia T. maoht «inan entaohiaden mUmiliahen Bindrodc; aie tilgt
knraea Haar nnd hat eine mlanliöhe Stimme. Dia Hfaide wfirden, wenn
man sie aieht bei einem Weihe aShe, für di^enigan ebesMannea gehalten
werden.
Dar Kehlkopfbaftud wurde von Herrn Dr. Theodor 8^ Fiat an
aufgenommen, wobei sieh ergab, dass der Kehlkopf selbst aiemlioh deut-
lich hervorspringt, einen Adamsapfel zeigte ShnUoh wie beim Manne.
Wenn auch nicht so deutlich wie beim Manne, so kann es doch keinem
Zweifel unterliegen, dass die Y. in dieser Beziehung sich durch das Her-
vorspringen des Kehlkopfes von den meisten andern Weibern unter-
scheidet. Die Epiglottis ist ziemlich breit und vorgewölbt, die Kehlkopf-
höhle ist sehr gerfinmig, nnd die Stimmbänder sind verhältnismassig gross.
Die grOsste Entfernung der Schildknorpel von einander bctrfigt bei ihr
aussen 6 cm; Herr Dr. Theodor S. Flatau glaubt entschiecler, f^ass
bei der Y. eine abaormOi zum mAnnlicheu Typus neigende Bildung des
Kehlkopfes vorliegt
In maBcben EiUen sliid die aktive und paeriye BoUe keines*
wegs scharf getrennt Hier wird der Akt wechselseitig vorgenommen,
weil keiner der beiden Teile Befriedigung findet, wenn er aktiv ist,
wohl aber der Teil, der passiv ist, sexuell befriedigt wird.
Vieles ist sonst nuch dunkel auf diesem Gebiete, und die Angaben
548
Art der Befttodigmig.
sind oft einander widersprechend. So erklärte mir eine Tribade, im
Gegensatz za anderen mir durchaus zuverl&ssig scheinenden Angaben,
sie glaube es überhaupt nicht, dass ein Weib, das nnr aktiv sei,
eexuell befriedigt werden konnte. Man miua, wenn man hierfiber
ein niTerUissigea Urteil gewinnen will, in den verschiedensten Eieieen
edne Erkondignngen einaelieo» dn offenbaf saUieiehe Vaiintionett be-
stellen. Man darf anoh nicht, wenn man bei swei hemoeenellea
Weibern findet, dau ^ den Akt weolieelfleitig (d. b. obne sobarfe
Tiennnog in aktive nnd paaeiTe Bolle) Tomebmen, diesen Voigang
sofort TeraUgememfini. loh meine im Gogenteil, wie oben anseinander-
geaetst ist, dass bddes vorkommt, sowohl sohailis Trennuig der BoUen
wie Abwediselmig in denselben.
Die Bell i' li^ng himheiuio lingun genitalia alteriua feminae seitens
eines Weibes wiid') auch uls ^Sapphismus* bezeichnet nach der obea
erwähnten Dichterin Sappho. Ol't wird anch der Aasdmck Sapphismus
gleichbedeutend gebraucht mit Tribadie. So heisst es z. B. in einem
Diktionür von Chüux-) beim Aitikel Tribadie: Variante du nwl
prccedent {Trihaderie). Appelcc aussi Saphisme et Jmx leäfiens^ de
la cdebre Le^nenne Sapho.
Die Befriedigung bei Weibem gesohieht mitunter durch wechsel-
seitige Hastoibation. Diese kann nun entweder gleiobzeitig geschehen,
oder so, dass zuerst die eine dnioh liannstopration seitens der anderen
befriedigt wird nnd erst dann diese letstere von der ersteren mann-
stapriert wird. Uitonter kommt es vor, dass die eine von der andern
dniefa Oimmlmgus befriedigt wird, und dass der vorher passive Teil
nachher den voxber aktiven Teil dnreh mannelle Ftiktion an den
Genitalien befriedigt Es finden sieb hier, ebenso wie bei dem bomo-
seiaeUen Verkehr der Mftnner, sahlreiobe Variationen.
Anch die Befriedigung mit nachgemachtem mSnnliohem Glieds
kommt vor; in dem Fall von Birnbaoher trug das Weib ein kflns^
liches Glied; indessen scheint es mir ksineswegs wahiscbeinlich, dass
dieäcä Glied zum sexuellen Verkehr mit einem andern Weibe benutzt
wurde. In F. C Müll erb Fall aus dem IS. Jahrhundert wird be-
^) Mar tineau beschrieb in ,fLe^<m$ ntt tet diformitümt vuhniw
di« Form der homoMxnellen BeMedigmig der Weiber, bei der mm ftUat Kngua
^itoridem aUerius als „Saphisme".
- ) .T. Ch— x: Lc petit Citateur. Noten rf^'iqucs et pomographiques. Beeueü
de mols ei d i rpre^aimus ancietis et modernem, sur ies chogea de l'amour «fo. pomr
servir de cmnplenient au IHciümnaiire (rotique du Brof^Mmt 4» kmgm vtrU.
ViOfkM 1881, 8. 844
Alt der Befriedigung.
549
richtet, dass das Weib sich öiü männliches Glied von Leder machte
und daran einen Beatel von Schweinsblase nnd zwei ausgestopfte, von
Leder gemachte Testikel befestigte; den Apparat band sie mit einem
Riemen an die Scham und brauchte ihn, vorausgesetzt dass die Mit-
teilung auf Wahrheit beruht, zum sexuellen Verkehr. Psychologisch
äusserst wichtig ist aber die Bemerkung Müllers, dass das Weib
niemals das InRtrument zur eigenen Onanie benutzte, da ihm eben
jedes weibliche Gefühl fehlte.
Es dürfte vielleicht interessieren, aus einer Korrespondenz zweier
homosexuellen Frauen einiges zu erfahren. Eine Frau X. hatte auf
dem Wege der Annonce ein solches Freundschaftsverhältnis mit einer
Frau gewflnsoht und auf eine entsprechende Offerte schrieb sie folgendee:
.Liebes Frauchen ! Auf Ihr liebes Briefchen erlaube ich mir, freimd-
lidisi tn erwideni, dass ich es reisend finde, d«w ffi« ab TttbaMetet
T^aoeheii meine BeksnntselMft m mMhen wünsofaen. Ein eoloh reisendes
liebes Frsaehen, wie Sie sind, hebe ich mir gewAnsoht Dass Sie Ter«
heiratet sind, erhöht bei mir den Beis nnd das YerlangeD» Sie kennen
SU lernen. Im Sflden hat ja jede Terharatete Fnm ihre Freundin eben-
fitUs} demü es giebt nur selten einen TBKawwmi^ wdeher seiner Fran g«iügin
kann. Idi wflnsohe eine liebevolle Frenndin in finden snm Ideben und
snm Kossen naeh lesbisdher liebe. Es dfirfte Ihnen nidbt nnbekannt snn,
dass im Altertom anf der haA Lesbos eine KOnigin lebte, welche mit
ihrem Hofe nur so Hebte. Wflnsohen Sie, dass wir nns gegenseitig lieben
wollen? Wissen Sie, wie sich zwei Damen gegenseitig lieben können?
Bitten erslUen Sie, was Sie darüber wissen. In weicher Weise wollen
vir gegenseitig lieben? Haben sie schon Damenliebschaft gehabt?
Was für welche ? Fräuleins oder Franen? Wie lange sind Sie sdion
verheiratet? Haben Sie Kinder?
Ich bin noch FrBulein, 21 Jahre alt, ebenfalls blond und heiter,
Vf rin fügend und xinnbhängig Auf Wunsch bin ich bereit, Ihnen mit-
zuteilen, wie wir uns gegenseitig lieben wollen Auf meine
allerstreni:st-.' Diskretion können Sie r^anz bestimmt rechnen. Toh werde
Ihnen in keiner Weise Verlegenhütten oder Unanuehmlichkeiten bereiten.
Hur Herr Gemahl darf nichts erfahren.
Ich grüsse Sie freundlichst u. 8. w. n. s. w."
In einem anderen Briefe^) schraibt die Fran X. n. a.:
.Ein BiarfaUmt ist ein Membnm virüe Ton Gummi mit Serakm,
welcher mit einer FlflssiglcMti am bestm mit lauwarmer If fldi, gefüllt
^ Die sa obooOnei Ansditteke gebe loh entweder lateinlseh wieder oder
lasse rie gans weg.
550
Art der Befriedigimgr*
waeä und von Damen snr Selbstvollziehang des BeischlafiB gebraucht
wivd. Doroib «n«n IwöhlMi Drriek mit den Fingem In den Avgtnbliek,
w«Bn die Dam« voUandat bat, sphtrt sia siob die FMaaigkait in .... *
(Dia ftlgendan Anifllbnaigan lind lefar obBoOner Natur ond banaban Bidi
aof den biomo>eiiiell«i Yaikabr, den Fran Z. wflnaohti Sia flbrt dann
fort: »Die kleinen Bimfaiieurs sind ftr gans junge IQdflhem . . .
Ea giabt anob BimfaUmrs ram Ümsebnallen, aodaaa die Dam^ waldw
ibn liab nragaachnallt bat» mit einer andern den Koitos angilben kann,
wie diaa ein Ifum timt
Aus einem andern Briefe, der sich auf iiomuaejLueiien Verkehr
bezitiiii, seien folgende Mitteilungen wiedergegeben:
Kann es wohl cfwn?? Reizenderes und Entzückfnrleres geben, als
wenn eino Freundin ihr tiesicht inter femora aUerius eoVo^nt atqtic
Lingua lahiisrf^n hihia pcrmagtm vagifme imhnit, lirifjun))! in rrnjinnm
immittit, mucwn (dentem clüoridis lambit eantodo ut odot üjus vayinae
ebria sU?
leb bolte es lüokt fBr imwabncbeiiüiofa, daas die Art der B»-
ftiedlgang oft genng toh der Umgebung der BetieffiBiideii abkängig
ifli So ist ee wokl am ehesten aneh erfcliibar, dan in einigen
Kreisen ftst nnr OmmSim^M, In anderen fiwt nur mntnelle Masfeor-
kation vorkommt YeEffihrang sidelti glanbe lob, hierbei eine gewisse
Bolle. Damit wflrde es nidit in Widersprooh stehen, dass aach die
Verftiirang nnr bis sn einem gewissen Grade eine Einwirkong ans*
üben kann. Uan Tergesse nie, dass der Mensoh ein Produkt ans er*
erbten nnd erworbenen Eigenschaften ist, nnd dass die strenge
Sobeidang in ererbte und erworbene Eigenschaften, die so oft theo-
retisch gemacht wird, in prasi mitunter nicht darchführbar ist.
Der si'xuelle Verkehr wird verschieden häufig ausgeübt Zwei
mir bekannte Tribaden thun es nur sehr selten; obwohl der aktive
Teil hier sexuell ausserordentlich erregbar ist und mögiichst oft den
Akt ausführen will, wird durch die viel ruhigere „Muttei"* dem ein
Hindernis entgegengesetzt
Dass Weiber, die konträr sexuell veranlagt sind, in Tielen Fällen
durch Onanie ihren Trieb liefriedigen, kann keinem Zweifel unter-
liegen. In einzelnen Fällen onnnieren sie auch an der von ihnen
geliebten Person, betasten deren Schamteile und Beine, wie Krafft-
Ebing und Westphal betonen. Die homosexuellen Weiber pflegen
sich bei der Onanie Mädchen vorzosteUen. Es giebt auch eine ganze
Keihe von „Schwulen", die keinen sexuellen Verkehr unterhalten;
einige werden dnreh sodale mid sittliohe Grflade davon abgebalten;
PUtonisohd liebe.
551
andere aber begnügun sich überhaupt mit einem mehr „platonischen"
Verhältnis, das wir auch dann nn(] wann bei den Urningen fanden.
Ebenso, wie es eine ganze Reihe heterosexueller Fniueii giebt, die
einen leidenschaf tlichen Koufcrektationstrieb haben, auf dem
die innigste geschlechtliche Liebe zum Manne beruht, während alles
sinnliche Begehren zurücktritt, giebt es eine Gruppe von homo-
s^nellen Frauen, die gleichfalls ohne sogenannten intimen geschlecht-
lichen Verkehr bleibeii. Eine solche Frau hat die leidenschaftlichste
Liebe za einem andern Weib; aber es wird kein Akt ausgeübt, bei
dem die Qenitalien eine BoUe spielen, ja, auch der Gedanke daran
kann diese Eian abstossen. Es kann gerade in derartigen FAÜen
vorkommen, dass sieh die betreffende Person gar nicht ihrer Homo-
sexnalittt bewoaat wird. Sie glaubt ihren Eontrektationstrieb be-
liehnngsweiae ihre Liebe als Frenndadiaft beliehnen zu mflsaen.
Wie schon froher angedeutet, finden sich analoge Erseheinangen
auch bei der Heteioeexnalitflt Der Betnmeeeenxtrieb, der bei dem
Kanne so deatUoh anagepiftgt ist« pfiegt eben bei vielen Frauen ans
Orflnden, die ich hier nicht ertrtera kann, sorttoksatraten. Wenn nnn
eine solche Fran homosexaeU nnd Teih^tet ist, so ist natOrlich
der EünflnsB ihres homosexaeUen Eontrektationstriebea auf die Ehe
nichts desto weniger ansserordentlieh gioas. Chuu ebenso, wie bei
der normalen leidenschafOichen Liebe kann der ganae Gedankenkreis
nnd das ganze Interesse dieser Fran Ton der geliebten Person ab-
sorbiert werden, und es müssen nattlrlich die sozialen Folgen dieser
Leidenschaft dann ^anz ebensQ schwer werden, wie wenn zu diesem
KöiitrektatioDstrielie nooh ein intimer geschlecbtliciier homosexueller
Verkehr tritt. Daran ändert Liuch der Umstand nichts, dass eine
solche homosexuelle Frau mitunter entnistet ist, wenn jemand bei
ihr die Hümosexualität vermutet; sie glaubt eben fälschlicher Weise,
dies in Abrede stellen zu dürfen, weil keine sexueüeu Akte ausgeübt
werden.
In den wollüstigen Tr äumen homosexueller Weiber pflegen sich
gleichfalls die perversen Vorstellungen zu zeigen. Derartige Weiber
träumen davon, dass sie mit einem geliebten Weibe zusammenliegen;
männliche Gestalten spielen keine Bolle. Von einigen Fallen wird
mir berichtet, wo sich das Weib im Schlaf voUstandig als Mann
fohlte, wahrend es einen woUflstigen Traum hatte.
Keineswegs Terkehren nur diejenigen weiblichen Personen homo-
sexaeU, die einen homoaexnoUen Trieb haben. Ebenso vielmehr, wie
es beteresexaelle If Inner giebt^ die sich aas pekuniären GrOnden
552
HomoManafllle weibUdie IVoitittitiom.
fieDdoht mitunter aneli am mderBii Hottveii ni gletohgjetohlMlitlMihea
Akten lungabea, so können wir dies anch bei den Welbem beobaeliten;
es giebt entschieden beterosexoelle Weiber, die nor ans materieUen
Orflnden sich sn solehen Akten Yeratehen. Der folgende Fall gehört
wahrscheinlich hierher.
34. Fall. Fräulein X., ^4 Jahre alt, hat jetzt ein fmUs Yerhältois
mit der Frau Y. Die Schildenuigeii d«r X machen den Eindrack, dass
es sich bei ihr entweder um eine psjchosexuelle Hermaphrodisie handelt,
oder — was bei weitem wahrscheinliclier ist — dass sie überhaupt
heterosexuell veranlaj^ ist und den homosexuellen Verkehr entweder nur
aus GefUlligkeit oder aas Geldintt rr^<?e o der aus lokalem sinxüicham
Heize, ohne jedes psychische Verlangen, ausübt.
Im Alter von 20 Jahren wurde die X. durch einen Mann defloriert;
sie verkehrte mit dem Manne nur durch den normalen Koitus; das Ver-
hältnis mit diesem Manne dauerte 8 Jahre lang. Spater gab sie sich
einem anderen Manne und darauf uoch einem dritten hin. Fräulein X.
giebt an, d;^ss der zweite Mann, mit dem sie geschlechtlich verkehrte,
sie veranlassti hliI unnatürliche Weise den \'erkebr auszuüben; er bewo)^
sie nämlich dazu., ut ei liceat filiae gcnUalia litigua lambare, so dass
der Mann selbst aktiv, sie aber passiv war. Diese Art der Befriedigung
gtfiel ihr und übte einen grossen siwiHolMik Beis auf sie ans. Infolge-
dessen hat die X spater mehr&oh diesen nnd den andern Uaoni mit dem
sie ausserdem geschlechtiich verkehrt», dsanun evsnehti in dieser Weise
sie öfters sa befriedigen. Nachdem sie schon 8 Jahre mit Hknaem semeU
verkehrt hatte, wurde sie Ton einer Frau dasn Tenwlssst) sieh aooh
einmal von ihr den Omnilmgus machen wa lassen. Die X» ging darauf
mn, nnd die T., nm die es sich hierbei handelt, veranlasste die X, nvn
dies Öfter bei ihr thun an dürfen. Es entwickelte sich liiecaxis ein regel-
mSsnger gesolileditlicher Yerfcefar, der aber für die X, wie es sehsini,
lediglich ein lokales nnnliches Interesse hat| d. h. der durch die lokalen
Reise an den Glenitalien mit der Znnge ausgeübte Kitzel ist ihr sehr an-
genehm. Eine Zuneigung znm weiblichen Oeschlechte lässt sich in
deutlicher Weise, obschon die X nnn bereits seit vielen Jahren mit Fran
T. verkehrt, nicht nachweisen. Die X. hat übrigens von dieser Art Ver-
kehr mit der Frau Y., die verheiratet war nnd von ihrem Kanne ge-
schieden ist, pekuniäre Vorteile.
Was die nächtlichen Träume betrifft, ro beziehen sie sich immer
nur auf Männer; aber es spielt eine TluujitrollL' in den TrünmfTi die un-
natürliche Art der Befriedigung durch den ('iDinilmgus, wiihvend der
Koitus nach Angabe des Fräulein X nnr selten in den geschlechÜioben
Träumen vorkommt.
Fräulein X war nie sohwanger und hat vor einer Beihe von Jahren
Verheiratung von Tribadon.
558
Lqm doroligMDaeht Dia BUdwig än Kehlkopfes, durch flami
Dr. Theodor 8. Flftiftv gena» untemeht wurde, ist dnrehaiu weiblieh.
Es sei bei dieser Gelegenheit auch erwähnt, dass eine Reihe von
weiblichen Personen, und zwar natürlich Prostituierte, homosexaellen
QeschleohtSTerkehr durch Cunnüingus lediglich ausüben, weil einzelne
Mloner in dem Anblick dieses Aktes einen sezaellen Beiz findieD.
Diese Art Frostitation scheint sich sogar immer mehr und mehr zn
entwiofcehn, und auch ein französischer Autor, dessen Buch zwar sonst
nicht gende einen sehr wissenschaftlichen Charakter trftgt, hat wohl
in dieser Besiehmg in Paris richtig beobaoiitsfei wtm er erwflhnt,
dass manche ChugmUea alten Wostluigen in der Stadt derartige
Vontellnngen geben, die natoilich entsprechend besahlt weiden.
Die Weiber, die an konträrer Sexualempfindung leiden, sind in
einer Reihe von Fällen verheiratet; doch scheint es, das« die
meisten keine grosse Neigung zum Heiraten haben. Eine mir be-
kannte Dame, die homosexuell veranlagt ist, heiratete nur deshalb,
„um als Hausfrau auftreten und mit ihrem Manne reisen zu können";
sie liess sich aber schon nach sechs Jahren scheiden, da die Ehe ihr
nicht behagte und sie» um ihrem Qesohlechtstrieb nachzugehen, mit
einer weiblichen Person sexnell Terkehren musste. In verhältnismässig
vielen Fällen heiraten homosexuelle Frauen Oberhaupt aus den ver-
schiedensten sozialen QrOnden. Die einen sind zu eitel, und es ist
ihnen vor ihren Freundinnen peinlich, „sitzen geblieben sn sein". In
vielen anderen FftUen sind es materielle Qrflnde, die das homosexnelle
HSdchen soi Ehe fahren. Ganz besonders ist es der Umstand, dass
in den meisten enropAischen Lindem unverheiratete weibliche Pcr-
scnen mit vielen gesellschaftlichen Schwierigkeiten sn Umpfen haben,
was viele homcsezneUe Weiber mr Bhe treibt Einige von ihnen
lassen sieb, wie sehen erwihnt« anoh nach koner Zeit wieder sdhdden,
und es ist dann bei ihnen die Ehe nur eine Art Episode. Viele
bleibfln aber Uberiiaapt lieber onverheirateti i. E eine Patientin
Babows, die mehrere Freier abmee, weil sie fbr ein EochemnAdchen
aehwbmie.
In dem folgenden Fall erfolgte einige Jahre nadi derYerhslretung
dne Trennung.
35. Fall. Frau X., 36 Jahr alt, ist verheiratet, lebt über jetzt
vom Manne gatreont^ ohne gerichtiich geschieden sn sein. Die X. stammt
554
Beispiel.
ras eloer grSaaeren ProTinzialstadt, wo sie auch die Schule besuchte.
Ihr Vater war in diaaar SIsdt Baamtar* Die Eltani der X. sind tot;
die Mutter atarb an den PodEfln. Sie war Mae groaie, atazfee und ge-
sunde Fnn, die viel Sorgfalt auf die Enidinng der Kinder Terwendeto.
Der Vater soll gesund gewesen sein. Die X. hat nooh drei QeMhwisler,
über die ne ab«r nicht Tie) aangeben weise. Die andern Gesehirisfeer
seien schon sinnlich seitig ans dem Hanse gekommen, nnd jetst kommt
die X. mit ihnen gar nioht mehr snaanunen. JedenftUs weiss sie aber
Uber NerrenkranUieiten nnd aonatige belaatende Momente niohts ansa-
geben.
Die X. blieb bis ssr VoUendong des 14. Jahres im Bltemhainse.
Geschle<ditlicbe Handlnngen hat sie aoiion vorlier anweilen Torgwiommen.
,Ieb apielte*, so enlUt sie, »als Kind Tiel mit Mldohen, nnd swar mit
Midflkon meines Altws. Bereits im Alter von 12 Jahren kamen wir
darauf, uns gegensritig an die Genitalien sn fiwsen. Wir sind baden
gegangOD und haben dort allerlei Ünsinn gemachl Nidht alle Middien
sagten mir hiebei zu, es war vielmehr gerade eine, die mir besonders
qrmpatfaiscb war. Ich habe mich schon während der Schulzeit fOr
Knaben gar nicht interessiert Obwohl ich Gtolegenheit dazu gehabt
hätte, mich auch mit Knaben in dieser Wmse bemmsntreiben und mich
ihnen zu ntthem, habe ich mich doch immer nur an Hftdchen gehalten.*
Solche homosexiiello Handlungen durch gegenseitige Masturbation trieb
die X. bereits vor dem Eintritt der Periode, die sich, als sie 15 Jahr alt
war, zeifffo. Als die X. das Elternhaus verlassen hatte, nahm sie zu
ihrer Ausbildung und gleichzeitig zur Aushilfe pinp Stellung^ in einer
befreundeten Familie an. Es war dies das Haus einer Witwe, die eine
Tochter, Y., hatte. Die X. musste die Y. öfter kalt abreiben, und hierbei
fülilte sie immer starke sexuelle Erregung. Die Y., damals 18 Jahr alt,
schien bei der Annaiierung der X. sexuelle Eirbgung zu spuren; denn
wie diese angiebt, ging sie bald darauf ein, sich gegenseitig an den
Genitalien zn manipnlieren. Die Witwe hatte noch eine andere Tocbtar,
die v<Hi dem Verkehr awiseban dar X. nnd Y. niofalB wussfee. Fsai täg-
lidi verkelirten nnn die beiden so mit einander. Zuerst hat sieh ba>
sonders die X von der T. in soldier Weise an den Genitalien spielen
lassenf wahrend spiter anub die X. bm der Y. dies oft Toniahm. flehen
naoh einiger Zeit kam es som Otmnüingus, «Wie iob daranf kam*,
erdUt die X., ,kann ieb adbat nieht angeben. Wenn jenes Midnhait
bei mir dtti CunnUingus machte, habe ich mich stets angekleidet auf
das Bett gel^ Iah glanboi dass die Y. merst mir einen enti^eehenden
Antng maehta. Sie ssgte mir, sie kOnne midi sehr gat leiden, sie sei
mir gsAf wir wollten aber unsere Freundschaft TOT allen anderen mög-
lichst Terbergen.« Die X. selbst bat bei dieser Pirenndschaft den Ommi'
Imgus niofat ansgeabt
Beispiel.
Wahrend die X. in dieser Weise mit dem Mädchen verkehrte, lernte
sie emeri Mann kennen, der sich um sie bewarb, und den sie später
heiratete. «Ebenso wenig aber, wie ich je zu anderen Männern Liebe
gehabt habe, hatte ich sie za ihm, and es war wohl nur meine Jugend,
meme DnmmlMit und der Wnudif utor die Hinlw ni kmumen, der
mich WH der Heint Tenudasste. Idi habe in meinor Ehe swei Ki&der
gebabti ohne aber sndi nur ein einziges Mal bei dem Koitos, dem ich
midi meinem Manne in Gefidlen hingab, befriedigt an aun. Wir haben
nns aehUesalidi gelammt, weil das doch hein ertdlf^ieheB Znaammenleben
mehr war, nnd weil mieh mdne seniellen Meigongen immer wieder m
Frauen trieben. Meine Kinder habe ich ra mir genommen. Whrend
meines Zosammenlebena mit meinem Manne habe ioh mit kmner weib»
liohai Penon Terkehrt nnd mudi beionderB tou meiner Ftenndin T.
getcenni»*
Naohdem sich die X ?ob ihrem Manne gefaremit bette, harn sie naeh
Berlin, wo sie bald ein Mädchen, Z., kennen lernte, mit dem sie sexaell
verkehrte. Obwohl die X. von Hanse aus etwas zn leben hatte, sachte
sie doch eine Beschäftigung durch eine Stellnng, und hiorbei lernte sie
die Z., die in einem Geschäft thätig war, kennen. Beide zogen zusammen,
und es bildete sich ein inniges Liebesverhältnis aus. Der Verkehr be-
stand in mutuellem Cunnilingus. Nachdem die beiden sich dann getrennt
hatten, lernte di« X pin anderes Müdchen kennen, mit dem sie jetzt
schon 6 Jahre verkehrt. Auf die Frage, ob sie in der Zeit noch einmal
mit Männern verkehrt, habe, erwidert die X., dass sie es dann nnd wann
wohl gethan, aber nie einen Tvciz tünptundon hätte. Sie hiiiLe eo gethau,
mehr um doch wieder eiriiaal auszuprobieren, ob sie nicht wie andere
v.'ranhicrt sei, und ob iijr nioht der Koitus auch Vergnügen bereite; zudem
sei iln dies '.iwoh eine ganz angenehme Einnahmequelle gewesen, und so
sei siö dazu gekommen.
Die erotisüheu Trliume der X. bö/.iehen bich immer nur Huf jMiidcben.
Meistens träume sie, dass sie den Cunnilingus aktiv aasübt, obgleich sie
in Wirklichkeit bald aktiv, bald passiv ist
Die Z. trinkt gelegenfiioh etwas Bier, dodi macht sie sieb nicht
riel dsnms. Sie raneht nieht, weU ihr des HsmJien Kopftebraeisen yer-
usadit. Gelegentlich fertigt sie Handarbeiten. Pfeifen kann rie gar
nioht
Bei der insseren Uniersochnng desKehlkoplb durah Herrn Dr. Flntan
ergeben sich dnrdbans feminine Verhlltniiae. Es ist keine Spar Ton
einem J^Bmim Adami Torbanden. Der Kehlkopf ist klein. Sine innere
üntersnehnng mnts nnterbleiben, da die X. eine flnide Xiies bat Wo
sie ae sieh ragesogen hat» kann rie nicht genau angeben. Wabnehein-
lieh aber ist rie im Verkehr von einem Manne angesteckt wovden.
556
Psychosoxaelie Hermaphiodisie.
Id Tblen lUlen bestohti ebenso wie wir bei den ürningen eine
psychisehe Hermaphrodisie finden, aoeh bei den Weibem Neigung
za Männern und za Weibem. Die Neigung m den Mionem kann
dabei zeitlich Ton der zu Weibern getrennt sein. Es kann z. B. die
Betreffende anfangs Neigung zu Weibern haben; eines Tages trifft
sie einen Mann, zu dem sie sich doch liingezügen lühit Hiürans kum
sich ein wirkliches Liebesverhältnis und eine Ehe entwickeln. Oft ist
aber die Liebe zu Männern nur eine Art p]pi8ode, nnd es kommt die
Liebe zum Weibe sehr bald wieder in voller Stärke zum Aosbracb.
Hierher gehört z. B. folgender Fall.
Fall Frau X., 31 Ji^r alt, ist von ihrem Ehemann gMchieden.
Als Gnmd der Scheidung erklärt sie nur: ,Wir konnten uns eben nicht
verstehen.* Die X. hat zwei Brüder und eine Schwester; die letztere
soll gleichfalls homosexuell sein. , Meine Schwester verheiratete sich
wie ich. Als sie einige Wivflien verheiratet war, schrieb sie mir einen
Brief, worin die Worte vorkamen: ,Ich habe ja meinen Mann herzlich
lieb; aber hätte ich gewnssi, wie das andere alles ist, so hJltte ich mich
nicht verheiratet'. Daraus scliloss ich, dass der Koitus ihr nicht zusage*.
Andere Gründe für die Homobtxualitat ihrer Schwester kann die X- nicht
angeben. Übrigens hat die Schwester mehrere gesunde Kinder. Der
eine Bruder der X. lebt in sehr glücklicher Ehe; über die Ehe des
andern lässt sich wenig sagen, da er sehr still und versculossen ist. In
der Familie sollen Nervenkrankheiten nicht vorgekommen sein. Dtr
Vater starb an der Cholera, die Mute an den Pooken.
Di« X ist| wie noch bemerkt sei, ein Aiüstenkind; sie begl«tete
ihre Stern oft enf den Fahrten nnd hatte infolgedessen schon frfih
Gdegenhe&t» weite Belsen an madien. Sie wurde dabei TOn der Hntler,
die eine gate SoholbOdnng genossen hatte, wihrend des HeranniBena
regebnissig vntenriebtei Als die X 9 Jabr alt war, wurde sie in eine
Pension gegeben, um die Sdnile an besoehen. Hier wurde sie bald
mit einem gleidialtrigen lAlddh«i intion befireondet, den heute sdion
lange verheiratet ist; mit diesem Hhdflhen bat die X. vieUhch mvtnelle
Onanie getrieben. «Wir wußten nicht, was wir thaten; manchmal kamen
übrigens auch die Knaben hinzu, aber die haben wir immer weggedrängt.
Ich schlief bei meiner Freundin und wir waren nmotrennlich. Ich habe
sp&ter den Leuten, bei denen vnr in Pension waren, oft den Vorwurf
gemacht, dass sie so meiner geschlechtlichen Sntwiokelang die Hanpt»
schuld trügen, indem sie uns so ungestört zusammen sein liessen. Man
liess uns zu viel unseren Willen. Ich kann nur sagen, dass, wenn ich ein
Kind hätte, ich besser aufpassen würde Die Leute, bei denen ich in
Pension war, waren schon sehr alt und konnten es nicht wissen; aber es
hfttte doch aufßäilen müssen, dass wir beide den ganzen Tag nnd die
557
ganze Nacht zusammen waren und uns nie trennten". Das Verhältnis
zwischen diesen beiden Mädchen dauerte 5 Jahre. Die (geschlechtlichen
Handlungen fanden in dioser Zeit fast alltüglich statt. Anfang.s handelte
es sich nur um mutublle Masturbation, später alh r 'ifjif die Freundin
der X. auch ihren Kopf inter femora nUerius. Weitt^i wurde aber
nichts gethan. Nach der Trennung von ihrer Freundin hat die X. viel
miisturbiert, und zwar besonders im Alter von 14 bis 19 Jahren,
i bnguns hat die X. in der Kiudiieit üuck mit Knaben gespielt; .aber
die mussten weg, sobald Marie kam". Die Knaben waren in demselben
Alter wie die X., d. h. also 9 odir 10 Jalm tU, imd m» kann noh der
EmsttUidt«!! noch ganz genau «rinnwn. ,XmnMriim haben wir andh
geleganUioh mit Jnngvn den GeteUaehtoaht naehgeahmt» und ich erinnaro
mich noch des einen Fallee, wo der eine Junge, der mil mir dieiflii Akt
nachgeahmt hatte, mir drohte, es meiner Matter an Mgra. Ich Tereprach
wdilieedidb, ihm einen Eartoffelpiiirer ela Sobweigelohn sn geben*.
Erektion hatte der Knabe dabei nicht; ei waren nor Friktionen, die er
eniabie. «Damala wnsete ich ttgentlich auch noch gaznicht, den es
aweierlei MenBohen giehi Ohne mir irgendwie weiter Beoheneduft ab-
tolegen, habe ich mich mit meiner Trenndbi md diesem Jungen abge-
geben. Das aber weiss ich genau, dass bei meiner Freundin es wirklich
intime Zuneigung war, die ich bei ihr hatt^ wShrend es bei dem Jangen
vielleicht mehr der Wunsch der Nachahmung war, der mich dazu fUhrte*.
Lange nachdem die X. schon mit ihrer Freundin geschlechtlich Tcrkebrt
hatte, sah sie einmal auf der Strasse im ChaoBseegraben eine mtnnliohe
und eine weibliche Person den Koitus miteinander vollziehen. ,Tch
graulte mich, blieb aber doch «fphpn, um die beiden zu beobachten. In
meinem ganzen Leben kann ich nicht vergessen, wie die beiden dalagen,
und ich erinnerte mich dabei sofort an das. was ich mit meiner Kreurulm
gemacht hatte". Aul die weitere FrnEre, ob die X. m dem Verkehr mit
ihrer Freundin schon Wollubtempliodungen, wie als geschlechtsreifcs
Madchen, hatte, kann sie keine genaue Antwort geben. Sie glaubt aber,
dass es schon vor der Menstruation, die im Alter von 12 Jahren bei
ihr eintrat, der i'aÜ war.
Als sich die X. von ihrer Freundin trennte, war sie zuerst sehr
betrübt. Später masturbierie sie; mit 19 Jahren ungefähr verlobte sie
sich. Auch nach der Verlobung masturbierte sie noch sehr viel. Auf
die Frage, was sie sidi jetzt bei der Masturbation gedacht hätte, meinte
sie: ,Bald stellte icli mir vor, wie ich mit meinem Bräutigam, bald auch,
wie ich mit Marie zusammenl&ge. Marie und ich schrieben uns lange
Briefe, und ich lese noch jetzt mit Freuden die Worte, womit sie mich
an die schOnsn Kttcihta erinnert, die wir saaammen Tolebt haben.* Gegen-
wärtig treibt die X. ftbrigens keine Hastnrbation mehr. Sie bedarf, wie
sie erwfthnt, jetat immer der Anregung doroh eine andere. Der Brftutigam
558
BeiflpieL
der X. war Kautmami. Über die Entstehung des Verhältnisses erzählt
die X. folgendes: ,Ich war mehrere Wochen bei einer Familie auf dem
Lande zu Besuch, und dort lernte ich meinen Bräutigam kennen. Wir
gingen zusammen aus, ich weit schon sehr stark entwickelt, und. jedenfalls
hotte sioh mein späterer Bräutigam biJd in mich verliebt. Ich war ihm
«nah, wid iek nidit Ifognta kann, s«hr cageUuui, aber andererseits be-
standen nuiiM Neigimgen su weibliehen Penoaen fort, und iminer ftUte
mir irgend etwef . Oft ging leb mm Bnumen im Garten, wo «ae
nalArliehe Quelle war, holte mir dort firiaohei kftUea Waser, ging auf
mein Zimmer und kflUte meine Qesehleohtateile. leb halte ein Ftiokeln
in ihnen lud konnte ea auf andere Weiie niöbt beaeitigett. Beibit die
MiaatiirbaftioD konnte apfttar nidtta mehr helien, iah hatte keine Be-
Medigmig mehr dabei*
Naeh einiger Z«t trennte aioh die X. Ton ihrem BiAutigam auf
längere Zeit, uid mm lernte sie wieder ein anderea liBdeben kennen, das
sehr xirtlioh la ihr war. Beide fShlten sieh sofort su einander hin-
geaogen, nnd die X aog in die Familie dieaes Mldohena. «Wir hatten
ein gemeiaaamea Sohlaliimmer, und wenn wir anoh Teraohiedeiie Betteo
hatten, ao kamen wir dodh fiwt jede Nacht ansammen, nnd wie auf
Kommando flbten wir miataelle Haatorbation ans,* Nabh ISogerer Zeit
verheiratete aieh die X., aber sie trennte Aek wk einiger Zeit ¥0O ihrem
Manne, „weil aie sich nicht verstehen konnten.* Auf die Frage, weahalb
aie aioh denn verheiratet hätte, erklärt sie : ,Ich glaubte, es müsste so
Bein. Ansserdem konnte ich andi meinen Mann sehr gut leiden. Wir
haben vor der Ehe nie mit einander geschlechtlich verkehrt, wohl aber
während der Ehe; aber ich hatte keine Befriedigung, sondern nur Ekel
dabei. Ein Kind ist in der Ehe nicht gezeugt worden." Es kam ho\ ihr
während des Koitus me bis zu wirklicher Wollust. Wührend der Ehe
hat sie übrigens, als sie merkte, dass die Ehe sie nicht betriedigte, das
Verhältalis mit ihrer letzten Freundin beibehalten. Nachdem sie sich
von ihrem Manne getrennt hatte, wurde sie zum Teil von ihm weiter
unterhalten, znm Teil aber lebte sie von einem GeschUft, das sie sich
einrichtete. Das Verhältnis mit der Freundin dauerte nach der Trennung
von ihrem Manne noch 3 JaJire. Jetzt bat die X. wieder ein Verhältnis
mit einer anderen weiblichen Person, die etwa 10 Jahre älter ist als
aie selbst Es ist überhaupt merkwürdig, dass die X. sehr gern mit
Uftdohen Terkefarte, die aehn Ma awSlf Jahr Alter waren ala sie. Auf die
Frage, ob ihre Freondin nut Männern geaebledillich TeikehreB darf, antwortete
die X.: ,Wenn ich ea weiaa, atflrt ea mich. Aber ea iat trotadem vor-
gekommen, daaa ieh mit Mädchen geaeUeehtlioh ▼erkehrte, die miter
Sitte standen, TOn denan ich alao wnsato, daaa aio mit Iffitamem geacUeoht-
lich verkehrt hatten. Allerdinga mnaa aioh die Betreffende dann vor
meinen Angoi Tc^atändig reinigen.* Der Verkehr beatebt jetat im Ouud'
Pff?eiser Vakehr mit dem Uauie.
559
lingus, wobei die X. bald aktiv, bald passiv ist; eine scharfe Trennung
findet nicht statt. Sie selbst kann den Ounnilingus aktiv nur dann
ansübcu, wenn sie sexuell hochgradig erregt isi So gut wie ihrer ersten
i'reundin Marie, erklärt die X. immer wieder, ist sie noch nie einem
anderen Miidcht^n wesen. «Neulich hat mir meine Freundin, die in der
Hauptstadt emes anderen Landes weilt, geschrieben, dass sie mich bald
einmal besuchen werde. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Ob-
wohl [,Mr nicht daran zu deiiken isi , diiSS bei dieser Gelegenheit die alten
Bezieliuügeu wieder angekuüplt würden, so wird doch die Freude dtjs
Wiedersehens beiderseits eine sehr grosse sein.*
Die X. hat in firfiberen Jalm (BiSbm homotezadle TrSnme gehabt,
wobei lie fint Mf fcn üurer ümuidiii taciuite. Von dneni Manne
glaabi bU nie gefbrttomt an baben. Sie würde sieh aneh nie wieder, wie
ne aogiebt, Tezbeirateii, obwobl läe ee wAx beklagt, kein Kind m baben.
slob wlixde aUea^ was ieb babe, bingeben, wenn ieb em Kind bitte.*
Die X» ffiblt sich im allgemMnen in ibrer jekngen Sitnation gaas
wohl Sie iplt in ihren Ereiflen als gntmfttig, aber als sehr heftig. Sie
selbst memt, dass sie «a etwas hetisofas&cbtiges Temperament habe,
ohne dass dies aber in der seiaellen Bpbftre eine Bolle spielte. In der
Schule hat die X. gut gelernt; allerdings meint sie, dass sie Ton ihrer
Mutter sehr gut dazu vorboeltet war. Die X. pfeift sehr gut, ae hat
«ne auffallend tiefe Stimme. Auf die Frage, ob sie immer so tief gc-
sproohen bab^ giebt sie an, dass sie vielleu^t einmal etwas halsleidend
gewesen sei ; sie habe aber, soweit sie sich erimsere, stets eine yiei tiefere
Stimme als andere Mädchen gehabt. Der larjngoskopische Befund, der
durch Hf»rm Dr. Fiat au aufgenommen wird, ergiebt keine Abweichung
vom feminiaen Typus. Aussen ist allerdings ein vorspriageades P(mmm
Adami vorhanden. Der Kehlkopf selbst ist verh<aiam&ssig nicht breit.
Bei bi»mo8e9Enell«n Weibem pflegt der nonnale Beisohlaf nicht
IUI Befriedigimg ni genflgen. Bine mir bekannte Tribade liess ach
anoh Ton ihrem Hanne Tie! Heber Imgmt lamibere quam immukne
membri reisen; bei dem letiteren Akte bleibt aie kalt» nnd es findet
sehr hfinfig sogar bei ihr nicht einmal WoUnstempfindnng nnd
igsknlation statt Weniger nnaagenehm ist ihr der Omnüitigus
dnreh den Mson; dabei tritt ?iel eher der nötige Beis m nnd zwar,
wie diese Fran mir anadrflcUioh bemerkte, ohne dass sie Phaatasie-
TorstellQDgen sa Hilfe nimmt nnd sieh irgend ein Weib Torstellt,
nm senelle Befriedigung in bewirken. In vielen FÜlen henntat die
Betreffende in ahnlicher Weise FhantasieTorsteUongen, wie es homo-
sexuelle Mftnner thon, um geschlechtliche Befriedignng bei Fraueii
tvL finden. In manchen Fallen wirkt selbstverständlich der CunniUngtis
odei duüh die MdätuibaUon duich den Mami bei der weibliulieii JPexäua
560
lediglich durch den peripherisch eu KitzeL Es ist gerade in diesen Fällen
das zu unterscheideu, was ich bereits früher erwähnt hahe, der rein
peripherische Kitzelreiz und der ei<;t'ntUche Kontrektationstrieb. Ebenso
wie bei unzüchtigen Handlungen mit Hunden lediglich der erstere in
Betracht kommt, finden wir, daas dies auch bei vielen bomosexaelleii
Fraoen der Fall ist, wenn sie mit Männern irgend welohen, sei es
nonnalen, sei es perversen sexuellen Verkehr ausüben. Das Objekt»
an dem sie sich befriedigen, ist dann nioht das Ziel des KontrektaüonB»
tnebes, sondern dient eben, wie angedflotet^ nur zu ganz bestimmten
peripheriacfaen sensiblen Beisen. Dass in sabkeioben FSIlen dieser peii-
pheriscbe Seiz dnrob Uftimer bei bomosexaellen SVanen snr Befrtodignng
nioht genflgti kann nicht tlbeirasohen. Es kann nach den mir bekamitea
Birfabrnngen Aber MBchwole'* Frauen der OmmJl¥iigm dnioh den Mann
ihnen keineswegs den Gennss gew&hren, den sie dann empfinden,
wenn sie ihn vom Weibe Tomehmen lassen. Einige mir bekannte
Franoi liessen sich endlich scheiden, als sie merkten, dass sie doch
in keiner Weise dnroh die Ihe dh) gesdilechtUdie Befriedigung finden
konnten, die sie suchten.
In dem folgenden Fall, der eine Frau betrifft, die sexuellen Ver-
krlir mit Frauen, Männern und auch einem Hunde hatte, Uis.sl'u
Sil h ;mf das Deutlichste die peripherischen Heize von dem Objekt des
Koutrektationstriebes trennen.
87. Fall. Frau X., eine auffallend korpulente Person, 31 Jahre
alt, war Ycrheiratet, ist abeo: jetst von ihrem Manne auf Grund unuber^
windlicher Abneigung gesdhaeden. Die Angehörigen der X. sind ihres
Wissens alle gesund. Weder von Nervenkrankheiten uoob von Selbst-
mord oder Geisteskrankheiten ist ihr etwas bekannt. Kur erwähnt die
X, dass der grösste Teil der Familienmitglieder auffallend heftig sei.
Geschlechtliche Akte hat die X. schon als Kind ausgeführt und zwar
hat sie sich zuerst solchen mit Hunden hingegeben. »Wir hatten Fiun it ,
und von diesen liess ich mir geni geniialia lamhere; wir waren mehrere
Mfidchen, die wir das thaten. Der Hund, den wir dazu benutzten, war
ein grosser Ziehhund. Wie so das kam, dass dieser Hund das bei uns
machte, wissen wir nicht. Er bchnürl'elie nur so, und ohne dass wir ihn
lange dazu abrichteten, that er das Erwähnte.* Die X. erkl&rt, dass sie
nicht etwa irgend eine Neigung für Hunde oder Tiere gehabt habe, es
sei lediglich der örtliche sinnlichü Kitzel geweben, der ihr dabei die
Wollust gewilhrte. Das weitere, was die X. erzählt, dass der Hund
selbst dabei geschlechtliche Erregungen bekam, macht im ZimamiiwitihMig
mit einigen anderen MitteUnngen, die die offenhar hysteriMhe X. noch
maohti einen etwac phantMÜsdieii Bindmok. Sie behauptet, dam Hönde
BeispteL
6dl
liierbei übnlumpt mitnntar tiregt wflrdtn. Man merke diei i. B. an
der Arti wie tpmgm, und anoh beim Anblick der Oemtalien des
Höndes» Die X. Uess tidb jedenftlls miantenlaag Ton dem Himde den
CfimnümffH$ mAehen. Ob er bereits firfiber bei anderen wiibliohen Per-
tanen so etwas gefhan hatte, weiss sie niobt. Bio erinnert siob» dws sie
hiesbei stark semell exregt wurde; aber tn «ner eigenfHehen BcfHedigoQg
sei es nicbt gekomroeD. Später, sls die X. 9 oder 10 Jslire alt war,
Bng sie au, sich beim Baden geschlechtlichen Handlungen mit dner
Freundin hinsageben. Znerst bestanden die Akte in emfachen mtttuclleo
Berfihrongen der Genitalien, ürst sp&ter kam die X. darauf, den
Cunnilingf*s mit ihrer Freundin auszuüben. Ebenso, wie sie sich irfiber,
mitunter tagt&glicb, von dem Hunde den Cunnilingus machen liess, so
erkl&rt sie, dass sie nun auch mit ihrer Freundin häufig Tag für Tag
sich gescblechtlichcn Akten hingsib Wieso sie gerade auf den Cunni-
lingfi^ rrekomiijt u sei, vermag sie nicht mehr genau anzugebcD. Sie hTilt
es aber für nicht unwahrscheinlich, dass der (^tnnüfnffus mit ihrer
Freundin dadurch herbeigeführt wurdo, dass sie selbst sehr häufig von
den Akten sprach, die sie beide von dem Hunde bei sich hatten aus-
fähreu lassen. Auf die Frage, ob es ihr denn nicht ekelhaft ge-
wesen wäre, bei ihrer Freundin das auszufahren, zumal wenn sie daran
dachte, dass sie sich das früher von dem Hunde hatte machen lassen,
erwideit die X., davon könne nicht die iiede sein. In der ersten Zeit,
wo die beiden bereits durch Cunnilinffus mit einander geschlechtlich
verkehrten, liessen sie sich zuweilen noch von dem Hunde den Cunni-'
Ungus machen, und z^ar geschah es mitonter aadi jetrt noch so, dass
sie sowohl ton dem Hnnde wie von ihrer Freondin iiglidi den Akt ans-
fuhren liessen. Bemerkenswert ist, dass die Frenndin, die die X. schon
im 9, Jahre auf der Sehnle gewonnen hatte, «ncik jelit noch mit ihr
snssmmenlebt. ZniAohst hatte das Verbiltnis beider bis lom 17. Lebens-
jähre der X. gedaneri In diesem Alter heimteten beide nnd swar knn
naeheinander. Dadnroh wmrde das Yerhiltnis gelOst
Ihren Haan hat die X. nieht geliebt Sie eiUlvt^ die gante Sache
sei nichts als eine Geldheirat gewesen, weil sie gern versorgt sein
wollte. Sie hat in der Ehe drei Kinder geboren, die bereits tot sbd.
Der Koitos mit ihrem Hanne Termochte sie aber nicht sa befriedigen.
Obwohl sie sa keinem anderen Manne eine bestimmte Neigung hatte,
faAlt sie es doch Ar mOglicth, dass, wenn sie mit einem anderen Manne
geichlechtlich Terkehrt hfttte, sie Tielleiebt mehr Yevgntigen gefimden
hitle; ja, sie meint, dass besonders der Ommilmgua dmrch emen Msnn
ihr, wenn sie aneh niobt eine besondere Neigung in ihm gehabt hätten
dooh genfl^d örÜidien Beis gewBfart haben wfiid^ nm befrie^gt sn
sein. Die X fBgt hinsii, dass ihrer Ansicht nach flbsihaiipt ftr Yiele
Weiber der Koitns gar nicht die richtige Befriedigung bieten kOnne, weil
Moll, Xcnir. SMwri—pSaSws. 8$
562
hierbei das eigentliche Wollagtoxgao, die Klitoris, nieht genügend berührt
und gereizt würde. Dies sei nar dann naögUöh, wenn der Mann entweder
den sexuellen Akt unnatürlich aasübe, oder wenn er den Eoitos in dcr
Weise einrichte, dass hierbei sein Memhntm an die Klitoris gedrückt
würde. Schliesslich liess sich die X. von ihrem Manne scheiden; aber
sie Imt den Mann srhon längere Zeit vor der gerichtlichen Scheidung
verlassen. Die drei Kinder sind, wie erwftbnt, bereits tot. Das eine
starb an Kriinapt'en, ein andereSj wie sie sagt, an Qaiienfieber, das dritte
an Darmkatarrh.
Niichdeni die X. dauernd von ihrem Manne getrennt war, ging sie
in eine undere Stadt. Hier scbloss sie bald ein Freundschaftsverhältnis
mit einem anderen Mädekcji, Was den geschlechtlichen Verkelir zwischen
beiden betrifft, so bestand dieser in abwechselndem Cunmlingus; bald
war das andere Mädchen aktiv, bald sie. Lieber war nnd ist es der X.
im allgemeinen, wenn sie beim Cunnilingus passiv ist. Sie müsse ein
Mädchen sehr leidenschaftlich lieben, wenn sie bei ihm aktiv den Akt
ausüben solle. Das neue Freundschaftsverhältnis dauerte vier Jahre.
Nach dieser Zeit ging die X. wieder in ihre Heimat, wo sie auch mit
ihrer Jogendfreondin auBammentraf, mit der ne das firttlunre Yerhftltnis
fortsetst«. Kadi aiclii linger Zeit gingen beide mi6b. Berlia. Der Ter-
kehr mitMannem bat der X niesuds aneb mir die geringste Befinedigung
bereitet. Ee Bei dies eine Zeitlang für sie nicbts sls eine nine OescbUli'
SBOhe gewesen. Sie bllt m aiudi niobt fttr wshrBcbeialieh, dass sie beute
noob dnrcb den OmmHingus eines Mannes befriedigt werden kffmite. Be*
sonders erinnert sie siöb noob, dass, als sie selbst dnrdb den peripberiscben
B«s mitunter befriedigt wurd^ sie doob niemals Ton ein nnd demsdben
Msan Öfter als einmsl befriedigt werden konnte. Wenn sie sobon einmal
mit ihm yerkebrt batfee, war für ne jede Spar eines Beises gesobwnnden.
Die X. batte fr-fiber, vom 18. Jabre an, Öfter des Naidits gesoUeebt-
liehe Trftome, die sieb nandmial auf Männer bezogen. Aber sdbon da-
mals spielten andi Weiber eine gewisse Bolle in den Träumen, und Jetst
träumt sie nnr noob von weiblichen Personen, von sohOnen Weibern mit
schönen Figuren und grossen Brüsten.
Was ihre Kindheit betrifft, so erklärt die X., dass sie weder Puppen-
spiele nodi andere weibUdie Spiele je geliebt habe. In früherer Zeit
hat sie zwar Handarbeiten gemacht ; aber sie that es nnr gezwungen;
ein Interesse dafür hatte sie nie. Sie behauptet auch für Knabenqnele
nie eine besondere Neigung gehabt zu haben. Das sexuelle Leben sei
schon in der Kindheit so stark bei ihr gewesen, dass die sexuellen Ge-
danken zeitweise alles andere bei ihr aurückdi^gten.
Die X. erklärt weiter, dass sie, ebenso wie die meisten ihrer
Angehörigen, sehr heftig sei. Gesund sei sie immer gewesen. Ihre
Periode ist schon zeitig, nämlich im Alier von 11 Jahren, eingetreten.
Verheintete Thbaden.
563
Die X. kun MdSdleiid gut pfeifen. SU muhi aidit, trinkt ftbor
aebr ^d, nad swar trinkt sie beute aoeh teditidiinttHoli jeden Tag
10 Glaa Bier. Sie moat» du iSge ao ia ihrer Katar.
Die Toa Herrn Dr. Theodor & Flaten TOigenommoie üater-
BDehnng dee EeUkopfea ergiebt, dass diea«r ToUkooiBiea ünniaia gebildet
igt nad kdaerld Aasciehea eiaes ririleo KehDrapfw eathllt
Mantegazza meint, dass manche Ehe, die nnglficklich sei, ohne
dass man über die Ursache klar wird, in der Homosexualität der
Frau die Störung des Glückes finde. Dies ist richtig, und CS stimmt
damit durchaus überein, dass verheiratete Weiber, wenn sie homo-
sexuell sind, hinter dem Backen des Mannes sexuellen Verkehr mit
einem Weibe unterhalten, wie aiMh Martineau beobachtet hat.
Duhousset berichtete 1877 einen merkwürdigen Fall von konträrer
Sexaalempfindung, der kaum glaublich klingt Es handelte sieh um
swei Weiber, die in einander sexuelle Beriehongen batteo. Die eine
von ihnen TurheLntete siob, verkebüte aber trotsdem mit dem von
ihr geliebten Weibe weiter; diese letrtere, die unTerheiiatet war,
wurde nun sohwanger, und wenn man nieht aunebmen wiD, dass hier
eine Hyitiflkatiou Torliegt^ so ist der Fall in der Thai, wie er aueh
Ton einigen erklärt wird, so in deuten, dass die Yerheiistete einen
Teil des Ssmens ibies Mannes bei dem spiterea Yeifcebr auf die
Dmrhnzatete übertrug!!
Gewisse Dinge, die man in Romanen liest, h< man Air that-
sächlich unmöglich, und doch zeigt es sich mitunter, dass die Romane
das schildern, was im Leben vorkümmt. In MademoiseUe Giraud
mi fmum beschreibt Belut das Liebesverhältnis zweier weiblichen
Personen zu einander. Er zeigt, wie die beiden Franen ihre Männer
in einer Weise behandeln, die mau in einer Ehe nicht gerade er-
warten dürfte. Die eme lässt ihren Mann, der vor Sehnsucht brennt,
mit ihr den Beischlaf zu vollziehen, nicht zu; sie schliesst sich in
ihr Zimmer ein Als der Mann ihr verbietet, zu ihrer angeblichen
Freundin, d. h. ihrer Geliebten zu gehen, mietet sie sich mit dieser
gemeinsam eine Wohnung, wo sie sosammenkommen. Der Mann der
Titelperson glaubt, dass seine Frau mit einem andern Manne efal
Verhältnis habe, er folgt ihr und bittet sie fast um Entschuldigung,
als es sieh herausstellt, dass sie sieh nur mit ihrer Freundin trifit
Es kennte mancher Ehemann aus diesem Bomaa eine Lehre lieben.
Es ist mir nach Hitteilungen, die idi ftber homoeeindle Yerhftltnisse
in venchiedencD Lmdem beaitie, iweiftlloe, dass mitunter UnglQek
in Ehen durch Hemoeexualitit der Ftan und durch homoiesiielleii
ae*
664
FtoKioaiMha fioowMsitUttt.
Y«Eke]ir d€t Wabe» Jbinter dem Büisken des Ifiimes «i ttaiide kommt
Wie oft die sogenamite FiemidsoliAft eine gesohleehflielie Liobe be-
deutet« IM eidi natOrlioli niebt entBoheideD; daes es mitanter der
FUl ist^ kann ieh als dober bebaupten, naebdem idh in mebieie
derartige Bben, die dadorob gestOrt sind, Einblick gewonnen habe.
Es sind auch Fälle veröffentlicht worden, wo der perverse Ge-
schlechtstrieb bei Weibern periodisch auftritt und zwar gleichzeitig
mit dem Erscheinen anderer psychischer Abnormitäten. Bei einigen
soll der perverse Trieb iitsonders zur Zeit der Menstruation lebhaft
sein, während sie zu andern Zeiten, wenn auch sexuell nicht ganz
normal, so doch jedenfalls viel ruhiger sind.
Neigung zu unreifen Mädchen scheint beim Ii oraoseiuellen Ver-
kehr der Weiber auch vorzukomtuen. Tardieu berichtete einen Fall,
wo eine Frau mit kleinen Mädchen im Alter von sechs bis elf Jahren
»hlreiche unsittliche Handlungen vorgenommen hatte. In einem
andern Fall bat die eigene Mutter ihre etwa zehnjährige Tochter mit
den Fingern defloriert und Jahre hindurch diese täglich an deren
QesohlechtateUe gebnusht» in die Vagina nnd anoh in den Amt
eingefSbitk
Über fetiaebiatieobe, masoebistisobe imd sadiatiaebe
Neigungen der kontrfli aexnell empfindenden Wdber TOimoobte ieb
gleiobfalla einigea m erfiduen. Von dem bomoieznellen Verblttnia
iwmer Fianen weiaa ieb, daaa die eine, die aktive^ auf Wnnsdb der
paasiTen m Hanse stets in. monarUeidem, ond iwar in kanoi
Sammethosen gebt
Es wird oft genug in Bfihnenstfleken und auch in Romanen dar>
gestellt, wie das Weib nur üea Mann liebt, dessen physische Über-
macht über sich selbst sie erliennt. Dies kann so weit gehen, dasa
des Weibes Liebe gerade dem Manne gegenüber am heftigsten ist,
dessen körperliche Stärke sie am eigenen Leibe erfahren hat, und
sei es selbst in empfangenen Schiftgen. Mag der eine diese Fälle
ftlr pervers und pathologisch, ein anderer für normal halten, diese
Frage soll uns hier nicht beschäftigen. Thatsache ist, dass dies oft
genug vorkommt In analoger Weise sehen wir, dass anrh in manchen
homosexuellen Liebearerhältniaaen von Frauen der eine Teil voll-
ständig dem anderen nnteigeordnet ist. Dann kann es so weit
kommen, dass die Misshandlungen der einen Feiaon dorcb die andere
niobt nor die laebe niebt erkalten Lüsen, sondern sie geradein wieder
Homosexaeller MasochiBmns und Sadismus.
565
SD&ohen. In mehreren mir betamnten homoaaxaellen IdebeererliUt-
nisBon von Weibern wird es for ganz eelbstventSndliob betraehtet,
dass der eine Teil Ton dem andern bei etwaigem Widersprache öfters
durch Schläge gestraft wird. In anderen Fällen findet in dieser Be-
ziehung keine strenge Rollenverteilung statt, sondern gelegentliche
Schlägereien, bei denen heide sich in gleicher Weise beteiUgen, dienen
dann zur Vermehrung der Liebe. Diese Fälle scheinen mir weniger
Interesse zu bieten, als die ersteren, wo eine strenge Bollen?eiteilung
stattfindet
In aUen diesen Frülcn aber haben wir es immer noch mit Er-
scheinungen zu thun, die zwar in der Homosexualität i twas Patho-
logisches zeigen, bei denen aber das Schlagen wohl nicht als etwas
besonders krankhaftes an^Kefasst werden darf. Das Schlagen und der
Streit sind hier gewissermassen Mittel, die Liebe zn befestigen. Anders
liegt es aber in den Fällen, wo das Sohlagen selbst den sexuellen
Beil gewährt, und wo eine andere Art der BeftiedigaDg entweder
niebt gesntdit eder doeh als dss Nebensftohliclie betrachtet wird.
Oerade anf homosexneller Orondlage finden wir derartige Vorginge
Öfters. Soldie Wtiber liaben dami den Gennss darin, entweder das
geliebte Weib selbst zu geissein nnd anf andere Weise zu iflehidgen,
oder der Reis besteht in selbst onpfimgenen Söhligen.
Dass nbrigens ebenso wie GMsselmigen von Knaben anoh Chdsse-
Inngen von Midehen von Dienstheninnen, Pensionsrorsteherinnen
n. s. w. ans Wollast Torgekommen sind, kann keinem Zweifel untere
liegen. Wer die sosfidirliehe Arbeit Ton Cooper^) liest, wird eine
solche Dentnng Tieler Stellen dieses Buches für richtig halten. In
einem stark erotischen und zum grossen Teil obscOnen Böclilein werden
die wildesten Orgien im Anschluss an die homosexuellen Züchtigungen
Ton jungen Mädchen durch ihre Erzieherin geschildert.')
An dieser Stelle will ich noch einen Fall mitteilen, den ich be-
reits an anderer Stelle veröffentlichte. Es handelt sieli um ein homo-
sexuelles Mädchen, das seit langer Zeit dadurch sexuell erregt wird,
dass sie ekelhafte Akte an einer andern weiblichpn Person Tomimmt}
oder dadurch, dass sie Ton dieser geschlagen wird.
88. FalL Franldn X. ist 26 Jahre alt Ihren Vater achilderl die
Patientin als dnen gwnnden, aber sehr jBhioinugen Mann. Was ihr»
The ßev. Wm. M. Co o per: Flagellation and the Flagellants. Ä
Hittonf of Ute Rod in aU Couniries from the earliest Period to the prcsent Time,
566
Bi*1>«ii Gastkwisfcar batiifiki m giebt kb m Btrag auf tincn ToclwintiteB
Bmder an, dui er siob nniMtlirlMdi, nnd sww tedi GbumtZm^ be-
friedige, wie die X. Ton ihrer Sohwägerin gehQrt bat Im ftbiigen ist
der Bruder potent und bat mehrere Rinder gezeugt Einen zweiten
Brader hat die X. in Verdacbti daes er honoeezaeU sei; wenigstens ist
ibr der intime Verkehr, den er mit manoheD IClnnem hat, aufgefallen.
Von sonstigen Nerren- und Qeisteeksankhdten in der Familie weiss
Fraaleio X. nichts anzugeben, ebenra wenig Ton Seibetmord, Trnnksncht
oder anderen Exzentrizitäten.
Bereits im Alter von 5 Tabren hat die X. mit einem kleinen
Knaben sexuelle Handlungen vorgenommen. Sie g-iobt geradezu an, sie
hätte ( in Verhältnis mit dem damals vier Jahre alten Jungen gehabt.
Die Handlungen bestanden in mutuell« m CunniJinffus. Wie die beiden
Kinder darauf verhelen, solche Akte vor/.unehnien, weiss Fräulein X.
nicht anzugeben. Ob sie hierbei Wollustemphndungen gehabt, dessen
kann sich Fräulein X. gleichfalls nicht mehr genau erinnern; aber sie
hiklt es durchaus für möglich. Von einem Erguss war aber weder bei
ihr noch bei dem Knaben ^ie Rede.
Im Alter von 6 Jahren wurde die X. in die Schule geschickt und
kam hier bald mit kleinen Mttdchen in sehr intimen Verkehr. Mit
mehreren derselben hat sie in gleicher Weise wie mit dem Knaben durch
gegenseitigen Cunnilingus sexuell verkehrt. Von dem Augenblicke an,
wo sie mit M^iidclieü zasamiucu war, war die het^rosfMiello Neigung bei
der X. gefachwunden; sie hat mit einem Knaben niemals mehr lu der
geschilderton Weise verkehrt Wir werden sehen, dass sie sich später
gelegenUioli von erwachsenen Hfamern gebrauchen Hess; aber es wird
rieh dabei ergeben, dan nur ein heteroaeiaellflr Akt sfeiltfiuid, ebne daes
geMUeebfliflhe Zuneigung bestand. So oft sidi Qelagephelt dam bot,
bat nun die X im Alter von 6 bia la 10 Jabren in der geadhildeiten
Weil« mit Ueuien Middwm geeohlechtlidi Tericebrt Im 10. od«r 11.
Jabre batte die X nenn Monate Undnrob em feitea VeiblUms mit einem
adfaljAbiigen HMobea; wftbrend der Dauer dieaee Yeriiiltniases veirkebrte
sie mit andoren ÜBdeben gar niobl Aneb ana dieaer Zeit weias sie
Uber WoUuitempibdangen nooh mehta anzugeben, ein FlMigkeitBeigaaa
war bei ihr aweifelloa niobt ▼orbandan.
Im 12. Leben^abze trat bei der X die Periode ein. In der
damaligen Zeit Terkebrte aie ^1 mit den Kmdem einer befreondeten
Familie^ die eine Snläherin bitten, mit der sie, die X, aebr bald ein
intimes VerbftltnSs anknüpfte. Die X wurde von der Enieberin var-
anlattt, mit ihr sexuelle Handlungen, besonders den Cunnilingus, vor-
zunehmen, Bodaesbald die eine, bald die andere den aktiven Tinl bildete.
Bei Lesern Verkehr wurde die X., soweit sie sich erinnert, znm ersten
Maie geeebleditlieh befriedigt Das Yerii<ois zwiaohen bnden dMMrte
Beispiel.
567
liogtt» Zaiti und adir bflnfig word« ihr Ton der BnieheriB eingwwhllrfl>
niemHideiii «twM von ilir«ii gwMinsamwi Handlniigeii m enlhleDt wonmf
sie vm 80 lieber einging» als ibr selbst diese Art des Umgangs sebr
gefiel.
Naehdem die X. ein Jsbr lang in der Enidimn Beiiebnngen ge-
habt hattei yerÜMs diese ihre Stellung, nnd dadurch wurde das Verbfllt-
nis gelöst Nim blieb die X. tinige Jahre allein, ohne mit einem Hkdchen
ges4äileofat]ieh an verksbren, obwohl sie immer das Bedflrfiiis hatte, «in
solohes bei deh an haben. In dieser Znt, wo sie mit anderen weiblicthoi
P«acsonen keinen sezoellen Verkehr hatte, belHedigte sie sieh dordh
Onanie, wobei da rieh in dar Phantasie stets anderere Mlddien nnd ganz
besonders die Ersiehsrin Torstellts. Die Onanie wnrde Ton dar X. in
jener Zeit sehr hliifig «ttgeAbt
Naeh einigen Jahren war die X. in einer grösseren Stadt an Besnch,
und hier lernte sie, etwa 17 Jahre alt, ein Mädchen kennen, zu dem ta»
bald in intime Beziehxingen trat Der Verkehr awisehen beiden bestand
darin, dass die X. stets aktiv den CunnÜingus ausübte, wobei sie selbst
ebenso wie ihre Freundin befriedigt wurde; Wollnstempfindungen und
Flfissigkeitsergass traten bei beiden ein. Nach einiger Zeit gingen die
beiden Freundinnen auseinander. Die X. knüpfte ein neues Verhältnis
an, das aber nur zehn Wochen bestand. Darauf lernte sie ein anderes
Miidchen, Y., kennen, mit dem sie 7 Jabrp -'nsammen gelebt und von
dem sie sich erst vor einigen Monnten getrennt hat. Seitdem unterhält
sie ein Verhältnis mit einem Fräulein Z.: beide leben seit ungefähr
einem halben Jahre sehr glücklich zusammen Die Tremiuiig in einen
aktiven und einen passiven Teil ist bei diesem Verhältnis nicht mt'hr
streng durchgeführt; bald ist der eine Teil aktiv, bald passiv. Häufig
üben beide die Befiriedigung gleichzeitig aus, sodass jede zu gleicher Zeit
lingua lamh'd et lahihiiur: dies ist dei- X, daü angenehmste.
Kuu unterscheidet sich Fniulem X. von gewöhnlichen Tribaden da-
durch, dass sie auch andere Arten der Befriedignug Hebt. Sie kam sehr
bald dasn, nicht aar an den Genitalien, sondon auob an dem Anus
fmbrnnm mnatofum laniber», lindeilioh wSre ihr der Oedanke, bei
einem Hanne einsn solchen Akt anssnftthren. Ebenso, wie wir femer
wissen, dass es euoehie perrerse Hlnner j^bt, die sieh vrmam femmae
tUkäae in os proprium immitiere lassen, ebenso finden wir, dass
Molnn X, bm neh Ton einem andern H&ddien dasselbe gern ihon liest
Schon Yor einer Beihe tob Jahren ist die X dasu gekomneo, faeees
amkae m os proprium imkert wa lassen; hierbei wird sie semeU bis an
WoUnstgefHhl mid Eigoss befiriedigt Die AusfBhnuig solciier Handinngen
hat ne snersfc wifarend des mehijihrigen Yerhtftnissw onsgellb^ das sie
mit dem oben erwihnten Mftdohen T« hattei Einen grossen Beit ttbt es
aneh auf die X. ans» wenn äe mmgumem maufruoHcma amieae lambU e$
568
dtvarai; doch fagt ne hiatn, da» ue diese ekelliiften Handlungen nur
dann ausfiben könnte, wenn das gegenseitige VeitmcB ToUsÜnd^ ist nnd
das Verhältnis schon längere Zeit gew&hri hat
Die Patientin erzählt ferner, dass sie auch, wenn nie mit der Rate
geschlagen wird, sexoell erregt wird. Auf die Frage, wie sie daraof
gekommen i* t, erwiderte sie, sie kannte einen Herrn, der sich von seinem
früheren Verhältnis mit der Eute schlagen Hess. Ob sie mit dem Herrn
ausführlicher darüber gesprochen hat, weiss sie selbst nicht mehr anzu-
geben. Die Schlade, die ihr zugefüct werden, müssen unbedingt von
einem Weiht» herriibren, wenn sie bich sexuell erregen soll. Sie bat sich
sehr oft von ihrer Freundin, mit der sie auch die oben erwähnten ekel-
haften Handlungen uuüiuhrte, flageliieren lassen. Die Schl&ge liess sich
Fräulein X. stets nur auf die Naies geben, niemals auf andeA Körper-
teile. Sie aiusbten ferner ojibediDgt mit üUier HuLe geführt werden, eine
Peitsche oder dergleichen vermochte die X. nicht in der geschilderten
Weise zu reizen. Dia Patientin erklärt ferner, dass sie durch das
Schlagen zwar hochgradig «regt werde; bia nr Befriedigung sei as a]l«r>
dings blarbel moht gakonunen, abar nur deswegen nicht, weil sie selbst
w aiöht wollte. Sobald sie nftailioh markte^ dass diese unnittalbar ba-
Tontaad, bat ma ihre Fraondiot die Sdillge einsostellan, weil ne dia
Bafinadigong salbst lieber dnidi den OimmUngus snohta. Iigeod wdelia
FhaotasiaTorBtaUiuigan xnaeht sich die X. bei dem Scfalageii nidfat Was
aber das soUagaada Mfedahan betrifft^ so nuiss dieses gewisse Eigen«
sahaftan babem. Ob es blond oder sohwan ist, ist glaiehgütig; hingegen
darf es nicbt aUza Uein sein, da sonst die Sehllga fBr dia 3L keinerlei
Beis baben würden. Iigand welobe fetisdhistisolia JCIeignngan lassen sieh
bei Erlnlain X- niobt nachweisen; am liebsten Ist es ibr, wenn dst
Ifidohen bei dem Schlagen nackt ist. Dem Schlagen verwandte Arien
körperlieher Misshandlnngan, s. B. Treten würden die X.| wie sie mainti
nieht reisen.
Sia hat den Wnnsdi, slle dia besehriaboian Handlangsn andi mit
ihrer jetsigan Frenndin vorzmudmien, doch wagt tia niohti es ihr ansn«
bieten, da rie sie nodh nicht ganaxi kennt nnd si^ wann sie sioh trannan
wtirdan, von ihr blos^gesteUt zu werden f&rdhtet.
Erafft-Ebing hat manche Befriedigung durch Flagellataon nnd
anoh die durch ekelhafte Handlungen als eine Form des Masochismus be-
sefarieben. £r nimmt an, dass der Oennss von Kot und Schlage eine
Form der Damfitignng seien; der Wunsch, in dar Unterwerfung und
Demütigung vor der geliebten Person Befriedigung zu sadun, ist aber
das Charakteristikum des Masochismus. Wir wissen femer, dass es
seelische Vorgänge giebt, die dem Menschen nicht bewnsst sind oder
wenigstens zeitweise nicht bewusst sind. Darnnf beruht es, dass diese
Brseheinungea von Kr äfft* Ebing als larvierter Maaochismus anfgfifasst
569
woden, da Im ibnea die Peraos domfitigende Hudlnngtii anafOhrt» obne
in den Hmdlniig«! stUiit du DcmHygondA xo soohen. Wenn die Anf-
ftmug Krafft-Bbiags richtig ist» würden andh die zuletzt beschriebenen
HaadlnDgen bei anserer Patientin vielleicht zun larvierten Masochismna
gehören, da Fräulein X. in ihnen ein Symbol der Demütigung nicht aieht;
weder in der DevofoHo urinae et faecum, noch in Flagellation Tenuag
■e etwaa derartiges m finden.
Es sei noch kurz erwähnt, dass bei dem gegenseitigen Küssen Fräulein
X. es sehr liebt, sich von ihrer Frenndin beissen zn lassen, und zwar
am liebsten ins OhrlRppcben. Es kann hierbei soweit kommen, dass
Sclimerzempfindung eintritt und das Ohrlilppchen stark anschwillt.
IRs ist notwendig, genauer das Vfrhfiltnis von Fräulein X. zum
männliciien Geschlecht zn prortcrn. Sie eriDnert sich nicht, dass
sie jemals eine wahre Ni igimg zu einem Mamie gehabt hat Wohl aber
wurde sie auf einer Geseüachaft nach einem längeren Weingelage von
einem Manne verleitet, bei ihm zu schlalen. Sie hatte sich schon inuner
gewundert, dass sie keine Neigung zum mrmn liehen Geschlecht empfand,
und der Wunsch, hierüher Klarheit zu erkalten und gleichzeitig ihr vom
Trinken herbeigeführter Rauschzustand führte sie dazu, jene 2^acht mit
dem Hanne zu verbringen. Indessen hatte sie bei dem Koitus keinerlei
Vergnügen. Einige Zeit darauf nAherte aieh ilir «In aodenr HoTf der
sleii in sie verliebte, ohne da» de nnefa nur im geringsten die Neigung
erwiderte. Tratidem wollte aie nooli «nmal Tersofiben, ob sie nidit
Neigung für einui Mann erwerben kOnnte. 8Se lieis sidi daiher von jenem
Manne Terieiten, mit ibm einige Male geiofalecAitlieb an Terkeliran; in-
deaaen weiaa rie noch genan, daaa der Koitna anoii nieht die Spar einer
Anftegnng bei ihr herbdfUirte. Die X. Teraalaaate nnii diesen Mann,
den OumMigua mit ihr.anaaitfllliMn. Hierbd wurde sie lezneU erregt
nnd befriedigt; doch ohne nähere Fkage giebt de an, es sei mibedingt
bei ihr notwendig gewesen, aieh in der Phantasie ▼cnostellen, dass der
den Ommüntgtts machmde Mann dn Wdb sd; dran sonst hfttie sie
auch bei dem Cunnilingus eine Befriedigung nicht gehabt Die oben
geschilderten ekelhaften Handlungen mit einem Manne Yononehmeo, wire
der X. im höchsten Qrade widerwftrtig.
Was den Schlaf betrifft, so erklärt die X., dass sie ziemlich oft
sexuell aufregende Träume habe. Diese haben stets den Umgang mit
Mädchen und niemala den mit Männern nun Inhalt Die Art der Be-
friedignng im Traume ist verschieden; meistens nber bezieht sich dcar
Traum daranf^ dass de aelbat aicdy oder pasdy den Cuhmlm^
ansftbt
Die penOnlichen Eigenschaften anlangend, so sei erwähnt, dass
die X. schon Ton Bjndhdt atlf hnnt^ Haar trägt. Sie erinnert sich nicht,
daas de jemals langes Haar getragen habe. AUe Gesohwiater haben bis
570
Ätiologie.
rar Einsagniuig knnes Haar tragan mfiaaeiii und swar, wia die X. glanM^
auf Wanaoh des Yateit. Die Hiode und Tfiase der X. emd nendioli
groBB, die Brfiile anlhllend lehwach entwiokeli Herr Dr. Theodor
B. Platan nahm bei Fitolain Z. eine genama üntenaclniiig des Kehl-
kopfei TOT. Es seigte sieh, dass der Kehlkopf durchaus weiblieh ist
Der Scbildknorpel ist breit entwickelt; es zeigt sieb aber kdn Bmium
Adami; die Spiglottis ist zart, die Koblkopfhdfale klein.
Abgeseh«! Ton ihrem Qesohlecbtstriebe hatte die X. sohon von Kind*
lieit anf gewisse mKnnliche Eigenschaften. Sie wollte am liebsten in das
Geschäft eines Verwandten eintreten, der eine grössere Brauerei hatte.
Sie hat schon als kl&dchen mit Vorliebe tftlditig in der Brauerei geholfen;
anob bat sie sich sehr h&ofig Hosen angezogen und ein Scbnr/feU vor-
gebunden. Es war dies bei ihr der Fall, als sie 10 bis 15 Jahr alt war.
Sieh als Mann unter Miinnern zu zeigen, gewährte ihr immer grossen
ßeiz. Fräulein X. raucht viel und tiiiikt sehr gern Bier.
In der Schule hat die X gut gelernt. Sie macht, wie erwähnt sei,
überhaupt einen sehr intelligenten Eindruck. Ihre Angaben zeichnen sich
durch grosse Exaktheit aus. Was ihren Charakter betrifft, so scheint sie
sehr gutmütig zu sein. Sie bezeichnet sich auch als sehr nachgiebig im
fireundscbaftlichen Verki hr.
Auf Befragen « i kl Irt die X., dass sie sich iji ihren Neigungen, auch
bei ihrem jetzigen Verliultnis, vollkommen glücklich fühlt. Sie kann sich
gar nicht voiBtellen, dass sie den Umgang mit Weibern vermissen sollte.
Was die Ätiologie der kontrtren SexnAlempfindung de» Weibeg
betrUR^ 80 mOnon wir ebenso wie beim Manne oft eine ererbte An-
lage anadunen. Aooh beun Weibe nnteiaoheidet Erafft-Ebing die
eingeborene roa der erworbenen kontiftren Sexoakmpfindnng und
fftbrt als Beispiel für leteteie die Uno» 8. an, sn der er seine berOhmten
hypnotischen YersncheO gemaoht hat Diese Person hatte anihnga
Yerkehr mit einem Manne, den sie innig liebte; eist später seigte
dch bei ihr Neigung som weibliehen Gesohleehi Kach ihrer eigenen
Angabe hat sie ihre sexuelle Znneignng zn MSnnem dadoiefa ver-
loren, dass sie sich in der Liebe zu ihrem Vetter getäuscht sah; sie
selbst meinte, dass sie nie melir im stände scm ^vürde, einen Mann
zu lieben, dass sie überhaupt zu jenen gehöre, die nur einmal im
Leben lieben künnten. Krafft-Ebing, der die Ansicht vertritt, dass
Weiber eher dazu veranlagt seien, nur einmal im Leben zu lieben,
>) Kraff t'Bbing: Eioe exporimsotelle Studie aaf dem Gebiete des HTpao-
tiinniB. a AnfL Statfgwt 1888.
itifliogia.
571
leobnet diesen FaU wa den erworbenen. Jm Gegenseti ni enrorbenen
«ixd fttr andere PsUe von Erafft-Ebin; eine eingebogene kontaüre
Sexnalempfindnng angenommen. WestpbaP) betonte^ daas die
konMie Senalempfinduig beim Weibe eingeboren eai.
Die IcontrSie Sexnalempfindnng bei Wetbem gtti häufig bis in
ein frühes Alter zorück. Die eine Patientin, Ton der uns Westphal
berichtet, führt die ersten Spuren bis auf das achte Lebensjahr zurück.
Damals sciioü hatte sie eine Art Wut, Frauen zu Heben und mit
ihnen ausser Scherzen nnd Kosen Onanie zn treiben. In einem be-
kannten Fall ging ein dreizehnjähriges Mädchen mit einem Weibe
ein LiebesTerh<nis ein, das sogar za gemeinsamem Durchgehen
fahrte.
Qelegenheitsnrsachen wird man auch bei der konträren
Sexualem pfindtmg des Weibes in Yieien Fällen feststellen können.
Ich glaube aber, dass sich die Gelegenheitsnrsachen oft nur auf
Momente beziehen, wo der perverse Trieb entweder mm ersten Mal
befriedigt wird oder der Betreffenden deutlicli zum Bewnssteein kommt.
Latent dürfte er ebenao, wie bei vielen Umingen, oft genng bereite
vorher aein, ao daaa ein loftUiger ioaaerer Anläse ihn ma weeki
Heyn er t giebt in einem Fall an, die wetbiielie Person sei
dadurch, daaa sie von dem Yater in entsprechender Weise als Knabe
erzogen wurde, rar kontiflien Seinatompfi^dnng geAhrt worden. Sie
moaate Ton Kindheit an KnabeoUeidnng tragen, da ihr Yater sehr
enentciseh war. In einer Irleinen Sldsae, Qmmmi cda emmeiie$,
besobieibt O^lConroy*), wie eine normale Fran dnxcfa daa raftUige
Znaammentreffsn mit einer offenbar Prostitnierten in den ersten homo-
semeUen Akten veranlaaBt wurde und von da ab anfing, Franen au
lieben.
Auch für den homosexuellen Verkehr der Weiber wird als
ätiologisches Moment das Znsammenleben von Weibern bei Ausschluss
des männlichen Geschlechts angegeben. Einige Baten hierüber giebt
Hofmann.*) Danach soll in Geftngnissen und Detentionsanstalten
für Prostituierte die Tnbadie sehr häufig sein. „Nach Mayer be-
richtet Dr. Fischer, ein sehr erfahrener Gefängnisarzt, es komme
GL Westphal: Di« kflntim BnaäSemfiaixa^t Qyinptoai thm Beaio-
pathischen (p^chopathischen) Ziutandes. kttSdr ÜBr Ri^robiatiie imd Ncvfonr
knnkheiten. 2. Band. Berlin 1870. 8. 96.
- ) Bichard O'Monroy: Souvent homine varie. Paris. 8. 119.
- ) Eduard B. t. Hofmaun: läMuuk 4er g«iifllit]i«h«B Medixia. Hit
S^eidiiiiiniger Berttokrichtigniig der denlBcheii aid Memieliisdia QeaMigtikmg.
7. AuflacA. Win and Laipilg 1806. 8. ie7.
572
WitJuiitimH
gir nicht aelton vor, daas die an aeindle Qenfiaae gewölinten Hidehen
in der Anatalt aelbat Liebachalten etablieren, ilne Loidenaohaft ent-
brennt naeb dieaer Biobtnng merkwflidig; nnd aie maoben alle Qaalen
der Liebe und Eiferanebt dnroh, wie sie nnr bei Versobiedenheit der
Geschlechter hier und da vorzukommen pflegt** Ähnliche Angaben
maclite Andronioo.*) Ich meine, dass wahrscheinlich der Kausal-
zusammenhaug oft ein anderer ist, als ihn die meisten Autoren an-
nehmen. Unter den Prostituierten finden sich — wenigstens in
Berlin — auffallend viele mit konträrer Sexualempfindung;
wenn diese ins Geßngnis kommen, so fallen ihre Liebesverhältnisse
dem Beobachter auf; aber es ist wahrscheinlich für viele Fälle ein
Irrtum, im Opfflngnis die TTrsache fOr die sexuelle Perversion zu
suchen. Damit steht natürlich nicht im Widerspruch, dass die Homo-
aexoalität solcher Weiber vielleicht eist itUra vitam erworben wurde;
nnr meine ich« daaa aie niobt gerade im Geftngnis, wo der homo-
aexuelle Verkehr am meisten auffällt, erworben zu sein braucht
Mitunter wird auch die Bbeloaigkeit als eine Uraaobe der
Homoaeiaalitftt dea Weibea angenommen. Doeh wird man gut Uran,
die Bedeutung deraelben idoht wa ttberaobftfa»n. Fonillde*) meint,
daas die Ebeloaigbeit allerlei Cbarakterreiinderongen berbeUAbre^ nnd
er Tergleiobt daa ebeloae Weib aogar mit dem kaatrierten. Dennodi
finde loh bei ibm nicbta Uber die Kaigong rar Homoaexoafitlt Im
AnaobloBa an Ferrero meint er*) nnr, daaa daa Weib daa BedUrfiua
babe, ra lieben, acbwaebe Weaen in adbUtnn, nnd daaa die nicht
verheirateten Fnmen dieae ihre üebe beaondecs den Tieren anwenden,
nm dadurch teilweise den Ifntterinatinkt zu beftiedigen. Ob Ehe-
losigkeit zur Homosexualität des Weibes fohren kann, scheint mir
zweifelhaft. Dass andererseits bei deutlich bestehender hümosexueller
<inlage die Ehe sehr oft nicht im stände ist, die Homosexualit&t zu
unterdrücken, kann keinem Zweifel unterliegen. Von den Autoren« die
die Qeschlechtsindividnalität des Weibes bearbeitet haben, wird oft
genug das unverheiratete Weib besonders bertlcksichtigt. Und doch
finde ich nur selten eine Andeutung darüber, dass durch die Ehe-
losigkeit Homosexualität erzeuget werde, w&brend recht bäolig alleriei
andere folgen beobachtet werden.
') Carmelo Andronico: I^roatitute $ Minqttenti : Artkimodii Psichintria,
Scienxe penali ed xlnfropologia criminale per aervire aÜo »twUo ddf uomo aUenato
e ddinqucntc. Volunie terxo. Torino W82. S. 145.
- ) Alfred Fuaillee: Temperament et CaraeUre eelon le» hämAi$, Im
Sbm» et U» Baee». Parü 1896, &.mfL
") BbMidft B, 87$.
573
Mebifiuih nixd aadi angegeben, dus miglfleUiobe Liebe die Ver-
anlasnmg sor HomoMKnalUftt des Weibes gegeben babe; doeb bat
wohl HaTeloob Bllie^ Beofat» mn er meint, daes eine nngltfek*
liehe Liebe keine adftqnate Ursache fttr einen yoUst&ndigen Wechsel
in der Richtuag des soxuelk'u Triebes sein könne.
Ob die auch bei Weibern vorkommende Onanie mi sUnde ist,
konträre Sexnalempündung' zu entwickeln, halte ich für zweifelhaft.
In zwei Monographien über die Onanie beim Wtibe, die von Rozier*}
und Pouillet ') herausge^,'el}L'n wurden, findet sich die Onanie nicht
als ürsaebe homosexueller Piinpündungen erwähnt Pouillet*) meint
nur, dasß eine Abneigung' gp^^'n die Ehr und gegen den normalen
Koitus oft eine Folge der Onanie sei, und ähnheb drückt sich Tissot*)
ans. Übrigens fahrt die Onanie des Weibes nicht immer zu den
schweren Folgezust&nden wie die des Mannes, weil JmpotetUia
eoemMÜ dadniob niobt berbeigefillhrt wird.
DaSB die Onanie beim weiblicben GeeeUeobt vidfaob TOrkommt» igt
nober; sogar in den allerentan Lebea^abrea wird sie beobaditet; des-
gleieben, wie 6. Jftger*) meinti ba attea Jungfern. Ich selbst kenne
mehrere Falle, wo bei M&dchen in den ersten Leben^ahrw Mastarbation
festgestellt werden konnte, and mit Becht wird auch von anderer Seite,
2. B. Gross,^ Ufer,^) darauf hingewiesen, dass die Verführnng
keineewegB immer die Uraache dor Onanie ist, dass vielmehr oft genug
Reize im Neryenqrsiem Torbaadea sind, die ohne alle Inssere Anleitiing
dazu fSUuren.*)
- ) H»Teloek Bllit nad J. A. Symoada: Des kontrUe OesohleohiigefühL
Deutsche Aasgabe, beeoiffc nater Mitwirkung Ton Haas Karella. Leipiigl898.
& 136.
') Bozier: JJcj liaöiiudes seerüe« ou de l'Onanitme dm, tcs femmet.
LtUr» wlfifeafe», «meedoUque» «I menriM. Vmmiim Mition» JMt
^ Pouillet: De ^Onmmme ck» is fimme, SioBÜm» idüim. PlaH».
«) Ebenda 8. 16&
^ Tissot: L'Onanisme. DmrUUiim «tr k» maktim produUea par la
tnasturbatum. Lau^antte 1768.
') Quatar Jäger: Eotdeckimg der Seele. 3. Anflage. 1. Band. Leipiig
1884i B> 960.
K. H. Gross: Geeohleohtliohe Terimagea. la der Bncyklopädie des ge-
aamten Erziehnngs- und ünterrichtswpapns von Dr. K. A. Schmid 1878 S 10?9
") Chr. Ufer: Nervosität and Müdcbenerziehong in Haus ondSohnle. ^Vies-
baden 1890. S. S9.
^ Aaf die vielen nnteteWiidigeii and oft geaug nar moralidereadeii Vor-
■Bhläge zur Unterdrückung der Onanie bei Kbldttn will ich hier nicht eingehen;
nur möchte ich die (^ple^-enhoit benatzen, ausser auf das bereits erwähnte treff-
liche Werk von Niomeyer noch auf die verstfindigeu Ratschläg;« hiIlzu^^ cison,
die R. Webmer giebt (Grnndriss der Schulgesundheitspüege uuter Zugiuudu-
legnng dar flir Frsosm gütigen BeetilBuaaagni. Bedia 1896. 8. 119 ty.
574
JBrblidM Bdutnng.
In Bezog auf die Ittdogie der koiiMmi Smulempfindniig der
Weiber wird ebenso wie bei der der Mlnner oft angenommen, daea
es doli immer um eine p^eho* oder neoxopaChiaohe Eonatitatien anf
berediMrer Grandlage bandle. lob kann dieae Analobti eo weit
meine Inlbnnationen reieben, nicbt in allen FUlen fbr bewieaen balten.
Siober aber werden in vielen FlUen Ton Homoseinalittt dea Weibea
andeie Symptome geflmden; so beobaobtete Westpbal sirkollna
Inesein, Krafft-Ebing Hjsteroepilepsie; iob Üuid mebrfaob Epilepsie
nnd Hysterie bd Tribaden.
Folgender Fall soll zeigen, dass bei einürii konträr sexuell vcr-
anlagten Weib tüne kleine Qelegenheit genflgeu kann, diesen Trieb
ibr zom Bewnsstsein zu bringen.
39. Fall. Die X. ist jetzt 31 Jahre alt; sie wnrde im Alter von
15 Jahren durch einen jungen Mann defloriert, hat aber ihren VerfRhrer
sp'tilcm nicht mehr <:reRchen, nnr^ ps sind ihr ebenso von ihm. wie von
der Entjungtening nur unangenehme I^lindrücke verblieben. Später lernte
die X. einen anderen jungen Mann kennen, der ihr, seinem Ausgeren
zufolge, zusagt«, und mit dem sie den Hoisi hlaf vollzog. Sie wiederholte
den Akt mehrere Male mit dem Manne, wodurch sich bei ihr der volle
Oenuss des KoitüS, einstellte. Mit 18 Jahren, nachdem sie öfters mit
anderen Männern verkehrt hatte, lernte sie ein anderes Mädchen, Y.,
kennen, das sich ihr vertraulich näherte, sie umarmte und besonders an
den Brüsten betabtete. Letzteres erregte ihr sofort, wie sie noch
jetzt mit grosser Begeisterung berichtet, grosses Wohlgefallen. Im
allgemeinen war die zarte weibliche Art der Aontthenmg ihr überhaapi
angenehm. Eum Zeii dirauf wnrde dia Z. Yon ilurar Tnondin t«k<-
anlassiy sieb mit ibr ins Bett so l^gtn. ffi«r wurde die Z. von der
die ektiT war, dorob Ounnüingtts befriedigt; bald darauf wurden die
BdUeo Tertausebt, und beide lebten nun in dieser Weise weitar, sodam
bald die eme, bald die andere akÜT beaw. passiv war.
Von dieser Zeit ab bat die Z. nie mehr einen Qenuss im Yerbebr
mit d«n Manne gefimden, Tieimebr ward ihr Befriedigung nnr durob
dem bontoaezuellen Gesdileehtsakt gewlbrt Sie liess neb Often aneb
TOn MKnnem den CunnÜingus maehe»; das erregte ibr aber fast gar
keine senelle Befriedigung. Seit 8 Jabren lebt jetit die Betreffimda in
Berlin mit einem Ifildoben snsammen, das ibr susagt Beide befriedigen
sieh sexnell gegenseitig.
Über die Familienverhältnisse der Z. ist nichts sn ermitteln,
ebenso wenig Aber Nervenkrankheiten bei ibr selbsfc, die sie in Abrede
steUt
Die Untersuchung des Kehlkopfes durob Herrn Dr. Theodor 8.
Flatau ergiebt, dase der Sobiidkmozpel swar auffallend breit ist; ein
575
«gMitliciher Adama^fal findet sidi aber niolii Ebonso seigt der laxynx
im Lmem ToUstBndig den welbliehen l^ns.
Es wird wohl jeder zugeben, dass die zufällige Berührung des
Weibes, die Umurfflung, die die X. mit einem auderen ihr sym-
pathischen Mädchen anstauschte, und besonders das Betasten der
Brüste Dicht als Ursache für die Homosexualität betrachtet werden
darf. Der Boden war vorbereitet, nnd dieser kleine Anlass hat die
Erscheinung nur driitlich creraacht. Es würde aber später eine andere
analoge Veranlassung, wenn jene gefehlt hätte, dasselbe bewirkt haben.
£8 ist dies ebenso, wie bei der homosexuellen Liebe des Mannes, der
von seiner Homosenalität lange Zeit nichts weiss, eines Tages aber,
wenn er den ihm sympathisohen Mann neht» aoh plotilioli seioer
Perrenton bewnsst wird.
Sbemo nie die HomoMiaaUtit dee HaoDes piimlr und eekundSr
eintreten kann, ist diee mit der des Weibes der FhU. loh bin aber
weit entfernt davon, in dem primären Auftreten einen swtngenden
Beweis ffir das Eingeborene oder in dem sebmdftren einen sololien
Ar das Erworbene an sehen. Beispielsweise halte ieh in dem folgen«
den Fall das letztere niofat im mindesten fttr bewiesen.
40. Fall. Fräulein X., 23 Jahro alt, nnverheiratet. Die Eltern
leben noch. Sie wohnt zwar von den Eltern getrennt, kommt aber doch
noch gelegentlich mit ilyien zuKimmen. Ein Bruder der Mutter war
einige Zeit im Irrenbause; seine Geisteskrankheit soll infolge von Ver-
druss über die eheliche Untreue seiner Frau entstanden sein. Der Vater
der X. soll früliöi leidend gewesen sein. Die X. führt es auf den
Kammer zurück, den ihm ihr Leben machte. £s thui ihr selbst leid,
dass sie infolge ihrer Veranlagang mit den Eltern etwas zerfallen ist,
da diese immor gut in ihr gewwtn und sehr angesehen« Leute seien.
Sie hfttte «8, da Elteni gnt sitniart sind, za Hansa sehr gut gehabt;
aber ihrer Neigung folgend, Tecliees sie das Eltemhans.
Dia X. hat seit dem 15. Lebani^ahre gescbleehÜiche Erregungen
gespdri hat aut Vorliebe dadnrob, dass sie den ZipM eines Kopf-
kissens m ifagkiam niimiMai, Onanie getrieben. Der Akt war, wie
sie angiebt, stets «in rein ^iijmhar ohne jede FhantasieTonteUnng eines
Mannes oder eines Weibes; sie sei nooh viel an doaim gawesan, nm sidi
«in Mmbrum virUe Tomstdlan, obwohl ihr die Hidohan siexnlidi oft
davon exslihlten, wie hftbsA «« doch sein mtes«, einen BiAatigam sa
liab«n. Di« X. war zu unruhig, um lange su Hanse tu bleiben. Sie
ging Öfters an d«n Abenden aus, um zu tanzen. Auf die Frage, ob sie
lieber mit M&nnem oder mit Mädchen getanzt habe, antwortete sie, sie
habe adamaia das mit liftdohen nooh gar nicht Tentaaden' nnd deshalb
576
Beispiel.
■
Ifftnner Torgeiogn. Infolge ihiM ipftteii Naolilisii0ekomm«i8 bild«l«n audi
muner melir Diff«ranieii zwisdbm EUam und Toobter am, nnd idiliMS-
lidt Terliess die X. im 17. Lebensjahre daa KternbailB, tun troti d«r
gatpen Verhältniase ihres Vaters eine Stellang anranehiDeiL
Bald achloss sich die X. einem Herrn Y. an, mit dem sie öfters
geachlecbtlifib verkehrte. Als sie das erste Mal den Beischlaf bei sich
anafiben liess, war sie 17 Jahr. Sia verlobte sich mit T., den sie sehr
gern hatte. Sic hat ihn nicht nur gern gekdsst» sondern auch beim
sexuellen Verkehr GeanBB gefonden. StraitigkeiteD fährten aohlieaalich
aur Trennung.
Die Neigung zu Mädchen trat bei der X. erst im 20. Jahre deutlich
ein. Sie schaffte sich damals eine Freundin an, die sie auch jetzt noch
hat. Sie hat wohl gelegentlieh mit anderen Mädchpn verkehrt, aber ein
festes Freundschaftsverhältnis hat sie ausser diesem nicht gehabt; jetzt
hintergeht sie ihre Freundin nicht mehr, und besonders haben sich beide
intimer an einander geschlossen, seitdem sie infolge eines kleinen Zwistes
einmal 11 Tage von einander getrennt waren. Die Freundin ist auch
hüiiiosexuell, und neigt zum passiven Cnnnilingus, wiilirend die X. ihn
aktiv ausübt, wobei sie vollständig befriedigt wird. Die Befiiedigung
tritt gew()hnlich gleichzeitig ein. Femur amicae npprcssnm est ad
genUalia X., quando haee cunnilingum [acii. Noch me hübeu die beiden
Freundinnen die Böllen getauscht; wohl aber hat die X. sich gelegentlich
von anderen Mädchen passiv den CunnUingus machen lassen.
Im MAnseni bai dia X jatat fpx Icaiiia N^gang mehr, vad läa liai
aneh mit keinem m^ Tarkahxti aeitdam aia daa YerhiltiiiB mit ibier
IVaandin eingegangen iat Sia glanbt ntohti daaa dar OimMngiu von
einem Manne aia beftiedigen kOnnte, nnd da würde niamab im ataode
aein, Aaalogea bei einem Hanne anaiatlben.
Dia Z. erinnert aiek nur eines erotisoben T^unea. Ba mr diea
euunal dar Fall, als sie mit ünar Fraimdin anaammen im Bett lag nnd
von ihrer Freandin trSnmte.
]>te X. hat aia Kind allea HOglioha gaapial^ aber maiatana mit
Knaben, a. B. Boldatanapiele, oder Sebitlamann, wobei gewObnliob dar
eine Spielkamemd aieh als belnraken geberden mnaate nnd von den
andern arretiert wnrde. Doob bat die X. auch mit Puppen gaapielt,
andi Bandttbaitai gemafliht, fllr die aie doh beute noab Istareiaiari Dk
X. bat auf der Sehnle aebr gat gelernt. Sie war blnfig die erste nnd
erinnert sich nicht» dasa sie jemals weiter unten als auf dem dritten Flata
gesessen hätte. Sie verliess die Schule im Alter von 19 Jahren, wo aabli
die Menstruation bei ihr auftrat.
Was den Charakter betrifft, so giebt aie noch an, dass sie sehr
heftig aei. «Wenn ich mich mit jemandem zanke^ 80 kribbelt es mir in allen
Fingern. Iah könnte dann allea entiwat aahlagen; wenn Gelegenheit daaa
Erldäraugen.
577
da Ui, thns igb w moih, llii mnner Franndia habe iah midi oft kcnmi-
gtsohlagcii.* Vi» Z. XMubt viel, und swar am liebaian TagutoL 8i« trinkt»
aber mlsiigi mid geht gem in Iftmierkleidiuig. Sie ist sohoii Öfters so
anf die Strasse gegangen; sie Uebt sieh dann einen Sefammbart an,
^dui kffnne man nieht erkenneB, dass sie ein Weib ist Anoh als ffind
hat sie gen die Ansiige Ton Knaben angesogen. Auf die Fhige, was
sie an liebsten geworden wlroi giebt sie an, sie wflnsohe rioh manrfiwi^i^
dass sie ein Hann geworden wftre. Wenn sie es sieh aber genauer llber-
legCf habe es doch ▼ersohiedene YorsÜge^ ein MSddien sa sein. «Wenn
ieh ein Mann geworden wire, hfttte ioh alle Mfidohen som Narren gehabt;
ich hStte sie alle angeführt, alle betrogen und alle tollen Streiche aus-
geübt.* Auf meinen Einwurf, dass sie doch ihrer Freundin so gnt und
jetzt so trea sei, erwidert sie, dass das auch in der ersten Zeit nicht der
Fall gewesen sei, dass vielmehr die intimere Liebe und besonders die
Trene erst später eingetreten sei. Die X. hat anffaUend männliche Gesichts-
Züge, sehr grosse Hände und Füsse. Ihre Stimme ist auffallend tief.
Sie kann nicht mit Sicherheit angeben, ob ^ies immer der Fall gewesen
ist. In der Schule hat sie Altstimme gesungen. Die X. kann sehr gnt
pfeifen.
Herr Dr. Theodor S. Flatau untersuchte den Kehlkopf und fand
sehr breit entwickölte, grosse und grob formierte Keblderkel in einem
TerhUltuisii Iiis Sil,' sehr geräumigen Kehlkopf vor. Die Stimmbänder sind bei
intakter Sclileimlieit gross und /.ienilich breit; der Kehlkopf zeigte deutlich
männlichen Geschlechtscharakter, wenn er auch nicht typisch viril war.
IGtimtBr hört maa fbr die Homoflenalitilt d«r Weiber gant
IhnKehe EikUbrongeii, wie ftr die der Mlimer, ohne dass lie aber
richtig wären. So giebt mir eine Tribade ab BrUinmg ihiea Jetogen
Veriialteiia imd ihrer Geeehlechtsentwiekeliing an, daaa der Beii des
OumUmgua ein so groseer sei, dass man an dem nonnalen Ge-
BOhleahtBTerkehr keinen Qennm mehr finden kflnne» Ebenso wie der
gewohnbeitnilaaige Onanist die Itlhigkcit und anoh die Frende am
BeiaoUaf mlOie, so bosae die Tribade den Sinn ftr den normalen
Koitoa ein* Es erinnert diese Erklärung an die fbr die Homosexualität
des Mannes von Stark und Mantegazza*) gegebene. Indessen
ist hier ebenso wie dort der Hauptpunkt imberücksiclitigt gelassen,
nämlich die Zuneigung der Tribade zum Weib statt der Neigung
zum Mann; denn der von diesem ausgeübte Cunmlinyus (ührt ent-
weder zu keiner oder zu schwacher Befriedip^unj^, während den Uaupt-
reiz der Umstand bildet, dass ein Weib den Akt Tomimmt
VgL & 888.
Holl,
87
578
Was das media inisoh« Gebist der kontilrai Senulempfindiuig
bei Weibem betrifft^ so dflifte aoh wohl das meiste «u dem ergeben,
was ich in den bssQgli<shui Absdhnitten Aber die üimnge gesagt
habe. Nooh grossere Sehwierigkeiten wird natOrUdi die Diagnose
beim weibfioben Gosebleeht bieten als beim mlmdieben, weü die
Zurttckhaltung hier grösser ist; noch seltener als der Mann wird sich
das Weib wefjen der sexuellen Perversion an einen Arzt wenden.
Nicht selten hingegen kumnit es vor, dass Ehemftnner den Arzt um
Kat fragen, wenn sie aus diesem oder jenem Anzeichen den Verdacht
schöpfen, dass die Frau homosexnellen Verkehr treibe. Bei der Harmi-
losigkeit der meisten Ehemänner und bei ihrer ünerfahrenheit in
diesen Verhältnissen kann man sich nicht wundem, dass in hiinderten
von Fällen der EheiiuiiiTi die Geliebte seiner Frau für deren Freundin
hftlt Im konkreten Fall hat dar Aizt uafeöilich in gleicher Weise
vorzugehen wie beim Mann.
Dass man sich weiblichen Personal gegenober oft in einer sehr
sohwierigen Lage befindet, wenn man auf die sexnellen Vorginge an
sprechen kommt, ist selbstverständlich. So wie man aber von
MSnnem am besten Ansbinft erb&it^ wenn man sie gans sUdn anter
vier Angen Aber sexneUe Toigftnge fragt» so lisgt dis 8aohe aooh
bei weibliehsn Personen. Es ist bei verheirateten Fiaaen sogar an-
soratent eine nnssr Oebist betreffende FragesteUnng nioht in Gegen-
wart des Ehemsnnes in machen, da manche Frau eher geneigt sein
dnrfte einem Arzte, der Teistlndnis hierftlr hat, Hitteilangen fiber
sexuelle Perversionen zu msehen, als ihrem Gattten, dem gewOhnlioh
jedes Urteil hierüber abgeht
^Dass übrigens anch bdm Wdbe bei der Diagnose der Versach
gemal^ht werden kann, Erworbenes und Eingeborenes möglichst zu
trennen, ist selbstverständlich. Andererseits wird man auch hier mit-
unter unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen, so dass man die
eingeborene und die erworbene konträre Seiualempfindang nicht ohne
weiteres von einander wird unterscheiden können. In dem bekannten
Falle der Bma S. z. B. war auch eine Meinungsdifferenz zwischen
Krafft-Ebinßf und einem andern gerichtlichen Sachverständigen Ajtay
vorhanden. 1 letzterer betraclitete den Fall als einen solchen von ari-
geburener kunträrer Sexualemptindung, während Kr;iffl-Ebing^) den
Zustand als erworben ansah. Nebenbei sei bemerkt, dass dies der
0 B. V. Krafft*Sbing: Eine ekpwimeiifielle SfcwKe sof dem Miel» doe
HjpnottBmas. 9. Anfli^ Statligart 1S89. S. 10.
579
PaU Vit, an dem Krafft-Bbing, JendrAssik und ando» ihze be-
kannten SnggestionsTenoehe maebten, die aUedei ofganisebe Ter-
indermigen lum Gegenstand batten.
Der Anl wird ancb bom Weibe berOebiicbtigen müssen, dass
weseotliob nur auf psyofaisebem Wege eine Bebandinn g möglieb ist
Dass man im stände ist, dnreb Suggestion den Trieb weeentlicb sn
minden); hat Krafft-Ebing gezeigt Mantegazzs bebauptet, dass die
Homosciualität des Weibes kurz nach der Verheiratnng leicht beseitigt
werden könne, während später eine Heilung sehr belttiu möglich sei;
doch halte ich dies für eine unbewiesene Behauptung. Für leicht
halte ich die Heilung im allgemeinen nicht, wenn ich sie auch schon
ans theoretischen Gründen keineswegs für ausgeschlossen halte. Be-
sondeis ist zu berücksichtigen, dass die Gewöhnung wohl im stiinde
ist, die anfangs bestehende Antipathie zurückzudrängen, und in dieser
Beziehung wird mitunter ein sacbTerstündiger Eat wenigstens einen
erträglichen Modm vivendi schaffen kömien.
Noch mehr als beim m&nnlioben Qeschleoht wird beim weiblichen
ein wahrer Arzt nur der sein, der nicht alles schablonenmässig be-
bandelt. Ein Arzt, der es nicht für seine einzige AnCgabe bält, die
Homosexualit&t des Weibes in die Heterosexualität sq Tenraadeln,
wild oft dem Weibe nnd deesen Familie einen viel giOsMien Dienst
leisten können, als der sebablonenbaft bändelnde. Man berfteksiebtige,
dass oft genng aneb bomoseinelle Franen aUedd neniastbeniBebe
oder bystorisebe nnd Umliebe Sj^mptome darbieten, anf die mitmter
Yiel mebr eingegangen weiden mnss als anf die Homoienialitlt Ist
die betieffiBnde weibUobe Peison niobt veibeiiateti so iriid nocb fiel
mebr als sonst ein gewissenbafter Amt sieb die Frage Torlegea
mASNn, ob Ubeibanpt eine Bebandbmg der Homoseinalitit aagenigi
ist Aber selbst wenn die Betreflfonde Torbeliatet ist» werden in
manchen Fällen die begleitenden Umstände derartig sein, dass von
einer Behandluug der Homosexualität im Interesse aller Ttile wird
Abstand genommen werden müssen. Auch in der Frage der Ehe-
sclieidung wird nicht selten eines sachveiätandigen Arztes Kat begehrt,
sei es von der Seite des Mannes, sei es von der des homosexuellen
Weibes selbst. Meines Erachtens kann hier nichts mehr Schaden
bringen, als wenn der Arzt nur sein einziges Ziel dann erblickt, die
Homosexualität zu bekämpfen. Er hat in solchen Fällen als Psychologe
mitunter viel schwerere, aber auch viel wichtigere Aufgaben zu erfüllen.
Dass man trotzdem in geeigneten Fällen die Homosexualität des
Weibes sa bebandeln soeben mosa, ist klar; nur bftte man sieb bier
87*
580
StnfredittkhM.
noch mehr als beun Maano vor ÜberMbnngon und yor «uNm be-
stimmten Sohema. Man findet tttnigens nidit selten, dass die be-
trelfiande weibllehe Peison gar nicht bebandelt sdn nill. Sfie Inhlt
sich in ihier homosexoeUen Leidenschaft gläcklicb, nnd selbst wenn
sie dadmoh in anderer Beuehung, z. fi. in der Ehe, Unglflek herbei-
geführt hat, ist es ihr meistens ein sa schmerzUoher Gedanke, die
homoaexneUen Neigangen aufgeben zu sollen, weU ihr eben diese
Ideen lieb geworden sind.
Dass unter bestimmten Umständen die koiiträri' Sexualempünduag
des Wf'iltes atral rechtliche Folgten haben kann, hat bereits die Praxis
gezeigt. Nur kurz \fül ich au Frauen erinnern, die in Mannerkleidung
hernmlaufen, und die ganz ebenso einer Bestrafung wegen groben
Unfugs ausgesetzt sind wie Männer, die in Frauenkleidern gehen.
Aber aaoh sonst sind strafrechtUohe Bedenken mitimter vorhanden.
Ein homosexnelles Weib gab sich als Mann aus und ging so weit»
eine l^annngskomödie ins Werk zu setzen, indem sie sich scheinbar
als Mann mit einem Weibe vemifthlte. Es war dies der bekannte
Fall der Grfifin Sarolta.^) Historisch ist in dieser Beaiehnng tnch
Hallers PabUkation Ton Inteieese, der Fall Lincken. Dieses Weib
hatke i^eichfUls ein anderes WtSb geheiratet, wurde aber, als dies
bekannt mirde, wegen Sodomie zum Tode verartolt nnd mit dem
Schwerte hingeiiohtet
Einen Funkt mochte ich jetit noch erwShneiL Er belriift die
liYilreöhtliehe Bedentnng homcsenieller Akte des Wdbes. Wir
haben bereits festgestellt, dass in DentwUand eine strafrechtliche
Bedentnng nicht Torhanden isi^ wenn nicht, ebenso wie bei heteic-
seinellen Akten, Erregong von öffentlichem Ärgernis, Eheschliessong
zwfeiür Weiber oder dgl. in Betracht kommen. Nun haben wir ge-
sehen, dass iiomosexuelle Mtu deä Mannes iiir eine eventuelle £he>
') £s ist dies dieselbe Person, über die mehrere Zeitungen vor einiger
Zeit eüw Mitteilnng folgenden Inhalte bnohton: „Im Tttri^en Jahn eiregte ein
xomaDhaftes Ereignis, das Tom Wörtber See gemeldet wurde, und dessen Hatip(>
person eiue junge nngTiriBche Oräfiu aas bekannter Familie war, viel Aufaehen.
Sie war zwei Jahre vorher, als Mann verkleidet, in den Sommoifrischon am
Wörther See ei'schieneo, hatte datielbüt die Bekanntschaft eines jungen Mädchens
gemaoht und war mit diesem eine Soheinehe eingegangen, bis sich hefumtdlte^
daas der angebliche Oraf weiblichen Geschleohte sei md deh veiaohiedw
Schwimdalttaii habe sa Bohulden homman lassen . . .**
ZivilieohtUdkes.
581
sdiflidtuig von Bedflutimg adn kOnnen; es fingt sicli: wie verhält
sieh die Stehe bei hanosezneDeii Akten des Weibeef Nach meiner -
Auffittsong Hegt hier die Frage so, dass naoh dem gegenwärtig giltigen
Allgemeinen Prenssischen Landreoht anch bei liomosexoellen A1ri»n
yon Weibern der Mann unter Umstanden die Trennung der Ehe ver-
langen kann. Der bereits (S. 503) erwähnte § 672 im Allgemeinen
prenssischen Landrecht II, 1 spricht ausdrücklich Ton Sodomiterei
und unnatürlichen Lastern ähnlicher Art; daraus geht hervor, dass
auch homosexueller Verkehr des Weibes In erunter gerecluiet werden
kann. Anders lie^ die Sache in dem Bürgerlichen Gesetzbuche für
das Deutsche Keieh. Der § 15ti5 dieses Werkes rechnet dem Ehe-
bruch nur solche Handlungen gleich, die nach >; 171 und 175 des
Strafgesetzbuches strafbar sind. Da nun aber nach § 17ö nur wider-
natflrliche Unzucht von M&nnem, nicht solche von Weibern strafbar
isti 80 würden die Ehemänner erheblich ungünstiger dastehen als die
Ehefrauen. In den Motiven zn dem Bflrgerlichen Gesetzbuch konnte
ich einen Anhaltepnnkt dsfBr, weshalb diese Andemog eintreten soll,
u<dit finden. Qflfonbar soll sieh aber das neae Gesetsbneh mögUehst
an das SkraJ|sfleetBbaoh anlehnen. leh glanbe jedoeh» dass, wenn das
Stia^esetsbneh eine Inkonsequenz begeht, es ni<dit notwendig war,
dass sie Ton dem Bozgerliehen Gesetsboeh naohgeahmtworde. Jeden-
talls aber seheint es mir wflnschenswert, dass die andeien Paiagiaphen,
die erentnell hier in Belneht kommen können, wiikUeh angewendet
weiden, mn niebt innerfiöh gekennte Bhen änsserlieh dnioh Zwang
losammensnhalten. S 1568 des Bflrgerlioben Gesetsbaobes würde for
Tiele derartige Fälle von homosexuellem Verkehr der Fran anwend-
bar sein:
Ein Ehegatte kann anf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte
dnrch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten oder
durch ehrloses oder unsittliches Verhalten eine so tiefe Zerrüttung des
ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, das? den Ehegatten die Fort-
Setzung der Ehe nicht zugemutet werden kann u. s. w.
Dass es sidi hier niefat nnr nm theoretisehe Erwägungen handelt,
lehren mieh veisdhiedene Fälle, z. 6. einer, der mir ans ^er grosseren
dentschen Stadt mitgeteilt wurde, und in dem ich von einigen dabei
beteiligten Personen um meine Auäichl gebeten wurde.
41. FaiL Bine s«t eiingin Jahxoi Terbetntete junge Frau X. hatte
TOT ihrer Verhebmtniig ein intimes Yerhiltnis mit Frftulein Y. Die An-
gebOrigen nahmen an, dass es sieb hierbei lediglieh um eine intime Freond-
682
BaIiiimL
scbaft handelte, obwohl gelegentlich bei einem nahen Verwandten des Hauses
der Verdacht aufpticf?, dass man es hierbei mit ofwas anderem als im't
blosser Freundschaft /.u thun habe. Die bc- Uri üamen kamen sehr biliihg
zusammen und schienen fast untrennbar mit*'ir.;in<ler verbnmlen flie eine tbat
nichts ohne die amler-e unil u in f^'i 'kehrt. Frst stellt, ilass dif beidfii Damen
sich an dritten Orten ohne Wissen der Angehörigen traten, days sn- sich
nicht selten in einem Zimmer einschlössen und sich entkleidet auf das iSofa
zusammen hinlegten. Vor etwa G Jahren verlobte sich Frftulein X. und
heiratete nach einigen Monaten. In der ganzen Zeit der Verlobuno; war
Fräulein X. in ihren Bräutigam Z. sehr verliebt; wenigstens schitn rs so.
Der Verkehr mit der Freundin war etwas seltener geworden, und nichts
wiM darauf hin, dass eine sexuelle Abnormität bei der X. vorlag. Dies
loderte Mk aber kunt niob dorHoohseii Z, der nun mit seiner Fnii
sQMoiiiMii wähnte, lebte in einer anderen Stadt alt biiber die X., md ao
Üuid ninichst efaw lokale Trennong der X. nnd der T. steH Bieber iit
et alladingi nun, daas X. nnd T. anjoh Iran nadi der yeKbearatong viel^
nnd swar leadensobaffUohe Briefe miteinander anstonadhten, tieber iat et
aber anebi daM die X. aoftags neb dnrob Z. son BeisdUaf mbig be-
nnlien lieaa, ja ibn mit Leidenadhaft Teilangte. Aber aobon naeb knner
Zeit Inderte ai«h diea. Die Y. reifte in die Stadt ab, wo X. und Z. ab
Eheleute wohnent nnd nnn be^nnt daa nnglflekaeligtte Ebeleben, daa man
nidi wohl denken kann. Die X. iKaat ihren Hann mitunter nicht ini
Sehla&immer, iddieaat hinter ihm die Thtlr an, Terkahxt aber nach wie
▼or mit der Y. Obaohon die Y. durch Vorstellungen der Angehörigen
des Z. verapradh, sich von dem Verkehr mit der X. zurückzuziehen, ge-
Bohah diea niobt. An dritten Orten und heimlich trafen sich die beiden
Freundinnen immer wieder. Das Verfalltnis zwischen der X. nnd Z.
wnrde immer unleidlicher, und so ist vor einiger Zeit die Frage auf-
geworfen worden, ob nicht eine Ehescheidung im Interesse aller beteiligten
Personen lä?p. Mehrere Male hat Z. in neoerer Zeit angeblich den Bei'
schlaf mit der X. gewaltsam erzwungen.
Zu erwähnen ist, dass die X. als Kind stets mit Puppm gespielt hat.
Den Männern <,^pgeaüber trat sie als eine Natura frigida auf, bie tanzte
gern, war immr r < twr\? exzentrisch und ist hochgradig hjsteriscb. Im
übrigen ist sie eine iduge und energische Frao.
Man wird enehen, daas dia Ftage der Efaeaoheidiing auf Grand
homosexuellen Qesoblwbtsrezkehrs thataflohlicb Bedeutong erlangen
kann. Wohin soll es führen, wenn Franen in dieser Weise mit Wissen
des Manuls emün homüäüxuellen Verkehr ausüben ddrfenV Der
Mann wäre vollständig hilflos und gezwungen, mit seiner Frau
rechtlich verheiratet zn bleiben, obgleich doch ein derartiger Zwang
unter solchen Verhältnissen dem Charakter der £he ToUkommen wider-
583
Bpiidii Im ndetst geschilderton Fall wfirde vielleiobi die Yenmgenug
des getoUMhtliolieD Umgaiigw dnroh die Pnrn dem Manne das Beolit
geben, eine Ehesoheidnngaklage einsnleiten. Aber es giebt aneb Fälle,
wo das Weib mit dem Hanne Verkehrt nnd hinter dessen Backen ein
sexuelles Yerhiltnis mit dnem andern Weibe nnterhftlt Fflr solche
FflUe sollte der Mann nicht geiwnngen sein, die She weiter fort-
snsetmo, nnd eben so wire es natOrHeh wttnschenswerty dass anoh
beim homosexuellen Verkehr des Mannes der Fraa genügende Rechte
znr Ehescheidung eingeräumt werden. Die Störung des Ehelebens
ist genau dieselbe wie bei dem heterosexuellen aussereheiichen Ver-
kehr, oft sogar noch stärker. Obwohl, wie wir sahen, gewisse Be-
scliräiikungen im Bflrgerlichen Gesetzbuch für die Ehescheidung auf
Qrund des homosexuellen Geschlechtsverkehrs bestoben und besonders
§ 1565 des Neuen Bürgerlichen Gesetzbuches nur unter bestimmteu
Bedingungen den homosexuellen Verkehr dem Ehebruch gleich er-
achtet, so haben trotzdem auf Grund des § 1568 die Gerichte einen
ziemlich weiten Spielraum. Gerade im Interesse der Sittlichkeit wäre
es sa wänschen, dass dieser Paragraph auch die entsprechende An-
wendung findet
Zum Schlnss sei noch ein Epigramm des Marti al zitierti der
bereits die Beziefanngen des homosexnellen Verkehrs der Frauen snm
Shebmoh im 90. Epigramm des ersten Bnches sohfldefi
(^od nuiujuam viarihus cinciam te, Bassa, videhamf
Quodque tibi moechum fahida nulla dahcU^
Omne sed officium circa te Semper ohibat
Turha tili sexMS, non adeunte viro ;
JLsse videbaris, fateor, Lucretiu nobis:
Ät tu, proh facinus, Bassa^ fututor eras.
Inier se geminos audes committerc cunnos
MmHkmrgfH» vmm prodigiosa Vetms.
Conmmta €S äigmm ^HtAano tumgmate numtirum,
Eie M vir mm a^, vi sU aäuUmim.
Anhang.
fiiilafiMM aber dm Wart der Kemchlieit Ar den Menii.')
Wenn wir den Finflass der Eeaschheit nnd sittUchen Lebens-
führung auf die Gesundheit des Mannes an Leib und Seele würdigen
wollen, müssen wir uns zunächst über die Begriffe keusch und un-
keusoh einigen. Auf den zweiten Begrifi, den der äittUcUen Lebenä-
- ) Dtt oben wiedetgogelMBe GulielittB babe käi Mf Smuben dei Yn^
bandes der deatschen Sittlicbkeitsyereine abgcfasst. Diese haben eine Umfra^
▼eranstaltet über den hohen Wert, den die Keoschheit und die aittliche Lebens-
ftthraog auch fUr die Geaandheit des Uannea an Leib und Seele hat, and
Biob ueh an mich gewendet Leider kann diese Umfrage niditt Outet itlfteB,
offenbir die BttfliehketoTerefae nxeht dnvw nmgehan, jeden eetne Aa^dit
ngen m lassen and diese snr Düknsaion za stellen, sondern gewissennassen nor
dflfl, was ihnen ihrem oft ?enn? apnoristischi^n Stanipnnkt pa«ist, veröffentlicht
sehen wollen. Die Wahrheit kann aber gerade hei solchen Fragen nor ans Licht
kommen, wenn man die Frage Tsn eilen Oestehtspnokten ans beloachtet loh
habe Tennoht, in meinem OnCsektsn hsmimheben» dass ein Minsen aieht dnzeh
moralische Entrüstang gestiftet werden kann, ind hebe besondm anch die Lttge
nnd Houchf^lH petadelt. die so oft bei Erörtorangen über die Befriedinrnng des
(ieschlechtBtriebes die Herrschaft führen. Ich konnte mich nicht eiitöchli^sen,
nor in den allgemeinen Entrüstungsschrei einzustimmen, wenn es sich um einen
Sterken OenUeehtetrieb bandelt Obwsbl nsin Beteig anf ihss Bitte ab-
geÜBSst weide, haben die Sittliohkeitsrereine es abgelehnt, ihn zn yeröffentliohen.
Ich kann unmöglich über joden den Stab brechen, dnr, ar-i es darch die Starke
senie.H Oeschlechtstriebes, sei es durch die günstigen Geh -renheiten, die zmr Be-
lriedi{;ung gewährt werden, zur äussere beliehen Befriedigung des Triebes gelangt,
leh habe beeoaden noeh auf den Wert dar Brsiebiing beim weibUehea Oea^leebt
hingewiesen, indem ich die Aniidit aussprach, dass zum grossen Teil das PtqibleM
nicht in der Erörterung der ans der BefTicditriiniT de? Geschlechtstriebes cr-
w&i'h senden Folgen, sondern in piner g-uti n auf Selbstbewusstsein und Solbsf-
ständigkeit gerichteten Erziehung der weiblichen Jugend li^gt Ich gebe das
Gntaehtan toUslindig und ungekfiizt eben wieder, naohdeni leb eine KBiMBg,
wie sie der Verband dentsohsr SittliohheltifeKeiiie wHuehte^ nnd die meinen
Standptinlvt in difspr Fr:ig;c ent.strilt hätte, ganz entschieden zurückgewiesen habe.
Nur die Anmerkungeu siu l cr^^t an dieser Stelle hinaugefBgtt sie befanden sich
noch nicht in dem Onginai-ManoBkript
686
ffthnmg gehe ich IlbethMipt nicht ein, da er in dieser Allgemeinlidt
io viel nmfasst, dass es munögliob ist» ihn ia einem mhAltnismflssig
kunen Beferat zu behandehi.
Da das Wort keusch eine Tugend, nnkenseh onen fehler be-
selohnet, njid es uns niebt wundem, wenn jeder von seinem Stand-
ponkt SOS die Worte Tersehieden dentet, nnd dasselbe wflrde uns
begegnen, wenn wir anf den andern Begrüß den der sittiidien Lebens^
flUmmg eingingen. Halten wir innfioht Ibst, dass kenseb nnd nnkenseh
nni lelative Begriffe sind. Bine Handlnng^ die bei einem nnkenseh
ist, kann bei einem anderen dnrehsns nooh keuseh sein. Eän Mann
mit starkem GescUechlitrieb mag einen Gesehlecbtsrerkefar ansftben,
der ihn nooh keineswegs sn dnem nnkeosehen Mensdhen stempelt,
wfthrend die gleiche Handlung bei einem andern mit schwachem Ge-
schlechtstrieb bereits in das Gebiet der Unkeuschheit liele. Ein Armer,
der einen starken Drang und eine gute Geiegeulieit zum Stehlen
einer kleinen Geldsumme hat, wird tugendhaft sein, wenn er lieber
darbt und dem Diebstahl widerstrebt; bei einem andern, der mit
OlllcksgQtem gesegnet ist, ist es kern Zeichen von Tugend, wenn er
sich jenes Geld nicht aneignet. Die bef^leit«nden Umstände müssen
also dazu dienen, die Grenze zwischen Tugend und Laster im ;ill;j;e-
m einen, zwischen Keuschheit und UulLCOSchheit in dem uns speziell
interessierenden Fall zu ziehen.
Gewöhnlich wird wohl jeder anssereheliche Geschlechtsverkehr
als nnkenseh bezeichnet; doch wird auch ein Geschlechtsverkehr
in der £he, der allzu häufig ausgeabt wird, oder der durch seine
Form dem allgem^nen Sittliohkeitsgeftthl widerspricht» als nnkenseh
angesehen werden. JedenfhUs wird aber ein mftssiger Yerkehi in der
Ehe nicht als ehi Zeichen von TJnkenschheit betrachtet weiden. Dar
raus geht hsrror, dass man nicht etwa, wie es so oft geschieht»
keoseh mit seneU enthaltsam identifiiieren darf. Ich Idige hhuni»
dass msn meines Brachtens andererseits anch nicht berechtigt ut,
jeden ansseiehelichen Yerkehr als ein Zeichen der TJnkensohhelt anr
ansehen; wir wflrden sonst dasn kommen, heute ftst alle Mtaner als
nnkenseh betrachten sn mfissen. Wir würden anch manohe sonst
recht achtungswerte Frau, von der es vielleicht mancher in der Ge-
sellschaft nicht vermutet, als unkeusch anschun müssen, wenn wir
bedingungslos den aussereheiiciien Geschlechtsverkehr für den Beweis
der Unkeuschheit ansähen.
Ich mache hier zwischen Mann und Weib keinen Unterschied,
weil die Motive, die dieses zum aosserehelichen Yerkehi fahren, bis-
586
weilen dieselben sind wie bei jenem. Betnwhten wir folgende zwei
FUle. Bin jangee Midchen wnide geswongen, wider ihren Willen einen
Mann zn heii&ten. Sie war eist 18 Jahre alt» als sie dies üist und
ein geistig nnreifes QeaehOpf. Sie kann sieh an ihren Hann dnrah-
ans nicht gewöhnen. Die Folgen dieses Schrittes hatte sie sieh nicht
ILberlegt Eine Trennung der Ehe ist nicht möglich, nnd swar deshalb
nicht, wea der Hann nicht darein willigt Wenn diese Fran non
eine sndere Neigung hat nnd hinter dem Baehen ihres ihr fbimell
aogetranten Mannes mit ihrem GeUehten Terkehrt, so wird gewiss
fast jeder dies nicht nnr als einen juridischen Ehebrnoh, sondern
auch als eine Unkeuschheit betrachten. Nehmen wir nun den zwdten
Fall an, wo die Frau unter ähnlichen Umständen wie die erste
geh(ir;itr;t hat, aber die Scheidung von ihrem Manne durchsetzt,
wenn auch unter Voraussetzungen, die ihr eine neue Ehe unmöglich
machen. Wenn diese Frau nun eim leidenschaftliche Liebe zu einem
andern, und zwar unverheirateten Mann hat und die Liebe erwidert
wird, so wird nach meiner Ansicht ein ausserehelicher Geschlechts-
verkehr zwischen diesen beiden durchaus nicht ohne weiteres als
unkeusch zu bezeichnen sein. Prüft man ohne Heuchelei die Frage
und berücksichtigt, welch ungeheure Macht die Liebe über den
Menschen hat, so wird man nicht allzu Yorachnell das Wort un-
keusch in diesem Falle gebrauchen dürfen, wo ohne irgend welchen
Gedanken an materielle Vorteile ein ansserehelicher Verkehr swischen
dem Geliebten und der geschiedenen Fran stattflndeL IHes nnr TO-
ansgesohiokt» nm von Tomherein meinen Standpunkt hi der Frage sa
prlnsieren, was man unter Unkensehhcit in ferstehen hat» loh
meine also^ dass nicht jeder OeschlechtSTorkehr ausserhalb der Ehe
bedingungslos unter den Begriff der ünkeusohheit ftUi Wenn man
auch im grossen und gansen meistens den ansserehelidhen Geschlecht»-
▼erkehr hierunter Tersteht, so smd, wie ich nochmals betone, die
Begriife Keuschheit nnd Unkeuschheit an sich viel m relatiT, um
letzteren bedingungslos auf jeden Mann anzuwenden, der aussereheüdi
geschlechtlich verkehrt.
Wenn wir die Segnungen der Keuschheit für die Gesundheit des
Mannes an Leib und Seele würdigen wollen, werden wir, glaube ich,
gut thun, einen indirekten Weg einzuschlagen, indem wir die Folgen
der Unkeuschheit betrachten. £s werden sich daraus die der Keusch-
heit ohne weiteres ergeben.
Die Gefahren der Unkeuschheit zerfallen in mehrere Gruppen.
Jene, die Ton der Infektionsgefahr abhängen, sind wohl am klarsten
Ankang.
587
und dflifteo am wenigsten Widenpraeh begegnen. Daas selbst die
oft Ittr baimloe gehaltene gonoirboiache Infektion leoht ernste und
andk dmoisolie Zostind« hexbeÜlOirett kann, sei nnr beOinfig ei>
wihnt; ieh erinnere an die so h&afigen danemden Verengernngen der
Vn^CL Eine wesenLliciie und keineswegs allgemein bekannte Ge-
fahr ergiebt sich aber ferner aus der Infektion des Weibes durch
den ausserehelich infizierten Mann. So manche Fran^ die am weissen
Flass leidet, ist in Wirklichkeit von ihrem Manne infiziert, allerdings
meistens ohne dass sie es ahnt- Weiche Folgen für die Gesundheit
des W^eibes aus dieser Affektion hervorgehen, brauche ich nicht zu
erörtern. Es sei ferner auf die Gefalir hingewiesen, der das Kind
bei der Geburt ausgesetzt ist. Die gefährliche Augenentzündung
neugeborener Kinder ist gewöhnlich die Folge einer gonorrhoischen
Infektion des Anges bei der Geburt, und so ist die Blindheit manches
unserer Mitmenaolien soUiesslioh nur aof die gonorrhoische Infektion
des Vaters beziehungsweise der Matter tnrOokzafQhren. Als die be-
denUiohste Infektionakiankbeit baben wir bler jedooh die Syphilis zu
arwUmen. Was ibie Bedentong betrifft, ao ist sie aelbat noob Jabr^
lebnte nadi der Ansteoknng in labMeben Elllen die üraaobe aehweier
Uranknngen. So aind die meisten Antoren darin bente einig, daas
Iba! alle an Qebbmerweidhnng nnd Bflekenmarkaaebwindsoebt dahin-
aieohenden llinoer qrpbilitiadi angesteckt wann.
Naobdem idi die Infektionen erwibnt babe, will ieh die all-
gemeine BOokwirknng beopreoben, die der nnkeoscfae Qeaobleebts^
Tedtebr an aiob anf daa Kervensystem ansfiben mnsa. lob glaube
niebt, dass ein, sei es ausserhalb, sei es innerhalb der Ehe gelegent-
lich ausgeübter Geschlechts verli ehr irgend eine ernste Schädigung fttr
das Nervcüsjstem nach sich zieht. Nur die Häufung dieses Verkehrs
und die stete Aufsuchung neuer Reizmittel hierbei liann zu schweren
neurasthenischen Zuständen, zur Impotenz und anderen Folgen fähren.
Ja, ich bin der Ansicht, dass der Gesrhlechtsverkehr mitunter im
Interesse der Gesundheit und der geistigen Leistungsfähigkeit des
Individunms lipgt. Der Umstand, dass ein starker Geschlechtstrieb
nicht befriedigt wird, kann einzelne Individuen mindestens vorüber-
gehend gesundheitlich schädigen und ihre intellektuelle Arbeit be-
eintricbtigen. Wenn nnn dieser Trieb bei einem Unverheirateten tot-
kommt und einer Ehe wesentliche Hindernisse im Wege steben, so
wird der Yerkebr eben aneserhalb derselben geaobeben müssen. loh
bin der Anaiofati daaa vom Stand]>ankte elnaelaer Indindaan ana
in solcben Fftllen ein miaaiger ansaerebelicber Geeohleobtsrerkehr eher
588
Yorteüfi als Naohtdle bietet -~ Toraiugeeetit, dass man die Ibfisktioi»-
geUbx mOfl^kliflt «oflaoblieaeii kaiUL
IVeim ich a)»er aneh glaube, daas fittr efnaeliie der geaeUedifUdie
Veffkebr wünedienawert ist, so bin ich dooh weit dam entfomi^ die
aexneUe Abetinens im allgemeinen Mr etwas Oeilhrlielies in halten.
Es ist swar von einielnen Anteren diese Hebung geäussert worden;
indessen glaube iob, dass, wenn phjsiscdie Hindemisee sor senellen
Äbstmenz zwingen, gewöhnlich hieraus ernste Folgen nicht hervorgehen
werden. Die Gelahreu, diö die sexuelle Abstiueoz für das Nerven-
system bringt, dürfen ebensowenig übertrieben werden wie die des
sexuellen Verkehrs.
Die Bi'deutung des unkenschen Verkehrs liegt, wie ich glaube,
in Wirklichkeit nicht in der unmittelbaren Rückwirkung auf das
Nervensystem, sondern mehr in dem Einiluss, den er auf die geistige
Entwiekelung: des Mannes mitunter gewinnt Wenn der Verkehr nur
mit rrostitoieiteu stattündet, so kann das Verständnis für das Geistige
im Weibe mehr und mehr verloren gehen, weil eben hier die körper-
lichen Beize allein massgebend sind. Berücksichtigen wir femer, dass
der Mann ausserhalb der Ehe sehr b&ufig das zur Befriedigung be-
nutzte Weib wie ein Kleidungsstück wechselt, so mnss auch das
Verstftndms für das Individnelle im weiblichen Wesen leiden.^) Des-
gleiehen wird der Sinn fiBr die Bedeutung des Familienlebens sowie
fttr die Formen des geselligen Terkehrs bei denjenigen kioht mrOek-
geben» der in iibeni|isslger Weise anasereheUeh gesöhleelitlieli verkelirt,
und koiz will ielk noeb erwfibnen, dass, wer bedingongdos jeder
geeobleelitlichen Begnng naohgiebt, wohl aneh anderen Antrieben
gegenftber seine Willensstärke aUmlUieh dnbfissen wirl
Am grössten jedoeh wird der Schaden seint den der anssereheUehe
OeseblecbtSTerkehr naeb einer andern Bichtnng, nimlieh in sosialer
Beziehung darbietet, und hierin werden wir, wie lob glsnbe, aneh die
Hauptgefahr für das sittliche Wohl des Individuums sehen müssen;
denn eine Handlunir, die soziale Schäden herbeifüiirt, muss auch auf
das Individuum entsittlichend einwirken. Um diese Gefahren zu
würdigen, kann ich nicht auf alle Möglichkeiten des ausserehelichen
Geschlechtsverkehrs eingehen. Ich mochte nur zwei etwas extreme
Doch sei hier Vicmorkt, daaa das nicht imuier ^titnfft. F.« giöbt eiuerseita
Fälle, wo die von Staat uud ILirche geschlossene Ehe islsl uur einen Geschäila-
yertng daistellti und nidit w«it von der Fkoititatioii entDecnl ist and andenr-
8eit8 giebt M nUe, WD «osseriialb der Ehe die oben «vwihBten GeiUinn nieht
IWBtdMO.
Auhiuig.
589
fUto wiblea: entenB den, wo der Vezkebr in gewohnlieher Weise
mit Frostitoierten stattfindet, und zweitens den der sogenannten
„Verhältnisse", wie sie fast in allen grossen Städten Europas modern
sind. Da^s es i'älle giebt, wo suluhc i^uzialc fechdiieu meiner Ansicht
nach nicht zu befOrchten sind, habe ich bereits bei dem Falle der
geschiedenen Fian erwähnt.
Zu den Gefahren, die der Verkehr mit Prostituierten herbei-
führen muss, rechne ich in erster Linie die Forderung der Prosti-
tütion Oh die Behauptung wahr ist, da&s diese nie aus der Welt
geschafft werden kann, will ich hier nicht erörtern. Dass sie ein
Unglück ist, wird niemand bestreiben, und dass dieses um so grösser
werden muss, je mehr die ünkenschheit einreiBet» wird gleichfalls jedem
klar sein. Die Prostitntion mnss aber ans mehreren GrOnden nnf die
sittlichen Anschauungen dcpravierend wirken* Wie wir wissen, werden
die Prostituierten in sozialer Beziehung als minderwertig, ebenso wie
die Verbreeher, ja als ans der Geaellsohaft ansgesobleden betnehtet
Man beieidbnet sie ja gewflhnfioh anefa ab Auswurf der Hensefaheit,
als Qefollene n. s. w. Anf die Beehtsansohannngen mnss diese Stellung
der Frostttotion gmadeBu Yerwirrend wirken; denn wenn sieh ein
Mftdelien einem Manne fOr Geld ausserhalb der Ehe hingieht^ so
muss es das Beehtshewusstsein Terwiiren, dass allein das Hftdehen
hierbei sls der gefallene Teil hetraefatet wird. Der Umstand, dass
das Madehen fOr den Verkehr Geld nhnmti der Mann sahlt, kann
nidit genügen, die That. beider so verschiedenartig hinzustellen, wie
es gewöhnlich geschieht Setzen wir etwa den Fall, dass ein Mann,
A., einem andern, B., Geld giebt, damit er bei C. einen Diebstahl
ausfahre; nehmen wir an, dass A. sich bei diesem Diebstahl nicht
bereichern wolle, dass es ihm aber irgend welches Vergnügen bereite,
wenn dem C. etwas gestohlen wird, so werden wir in dem Umstand,
dass B. von A. bezahlt wird, doch keinen Grund finden, den A. als
schuldlos an diesem Diebstahl anzusehen. Und in analoger Weise
werden wir auch bei dem Geschlechtsverkehr zwischen Mann und
Prostituierter nur mit Unrecht die letztere als die allein Sohuldige
betrachten dürfen.
EntsitUichend muss es auch auf das Volksbewnsstsein wirken,
dass einerseits die Prostituierten als Auswurf der Menschheit be-
trachtet werden, andererseits aber die Prostitution aus hygienischen
und anderen QrOnden im StEafgesetabnoh offen anerkannt ist Es
gesohieht dies, indem man der PoHsei gewisse Bedite gegen die ge-
werhsmftssigen wdblichen Froatitnierten gieht Jn, der Staat und die
590
Gemeinde nebmen Steaem Ton Penoaen, von denen man dedi nii-
aebwer erkennen kann, daea das Geld, wovon die Stenar gettUI wnd, tob
der Ftoatitntion atanuni Diese offisiflUe Aaerkemrang der Ptostitetion
dtueh den Staat nnd «ndereisata die seoiala Biandmsikimg mnsien
das BechtsgeffÜü sobidigen. Es wQide hiergegen nnr den Ansireg
geben, entweder die Prostitution niobt mehr staatlich anzuerkennen,
und dies würde yielleicht die Infektionsgefahr vermehren, oder die
durch die (Jcßellscbaft zu bewirkendp soziale (Jleichstreüuüg der Pro-
stituierten mit den sogenannten ansündigen Frauen.
Ich habe im Vorhergehenden zu zeigen versacht, welche an*
günstigen sozialen Folgen der auseereheliche <,^tscblechtliche Verkehr
durch die Begünstio:unjT der Prostitution herbeiführen mnss, und welche
bedenklichen Wirkungen dies indirekt wieder für das Rechtsgeföhl
des emzelnen Individuums hat. iSun wird man einwenden icönnen,
dass es auch einen geschlechtlichen Verkehr zwischen Mann nnd
Weib giebt, der gleichfalls fflr unkeusch gilt und doob niebt gerade-
zu mit Frostiuierten stattfindet Es läge dies In dem «weiten zu be-
sprechenden Fall vor, nllmlich bei den sogenannten „Verhältnissen**,
die in dem französiBoben QrisetteDtum ihr Vorbild haben. Indessen
bat diese Biacbeinnng nur ansebeinend niebts mit der Pioetitation
in tbnn. Nehmen wir selbst an» dass der Yerkebr nnmittelbar von
jeder Frootitotion entfernt sei nnd das Hftdoben keine mateiiellen
Vofteile eistrebe^ so haben wk m berneksiebtigent dass ein grosser
TeU dieser Mädehen später der Prostitation. anbeimftlli GewSbnlieb
pflegen naeb einiger Zeit die intimen Besiehnngen swiseben den Be>
treffienden naobndassen, nnd da das HUdöben an dem Verlast der
Jongfransobsft sebwer ni tragen bat^ so sind seme Anssicbten eine
es ernährende Ehe einsagehen, noeh geringer ds vorher. Hhtnr
kommt, dass das M&dchen gewöhnlich in der Zeit dieses VerhUtoisses
liedurfnisse kennen gelernt hat, die in den Kreisen, aus denen sie
stammt, gänzlich unbekannt sind, und es fällt ihr infolgedessen nach-
her schwer, sich wieder in den einfacheren Kreisen der Bevölkerung
heimisch zn fahlen. Auch dadurch wird die Gefahr des Übergangs
zur Prostitution noch wesentlich vermehrt
Berücksichtigen wir ferner, dass so häufig der Mann der Ver-
führende gewesen ist, dass er aber hiervon kaum jemals geseilschafthche
Nachteile zu befürchten hat, während das entjuni^ferte Mädchen fast
stets geschädigt ist, so muss dies, wie es thatsachlich längst geschehen
ist, das Bechtsgefflhl dorchans verwirren. Und ebenso muss es die
Selbstaobtong des Hannes sohadigen, wenn er» wie ee so oft gesohiebti
Aahaiig.
591
eich einerseits Mühe giebt, ein weiblidieB Wesen Ar den gMeUechtlioliflii
Verkehr zu erringen, andererseits er sich Sebent, sich mit dem
Mädchen in der Öffentlichkeit zu zeigen und seinen Verkehr mit ihm
anderen gegenüber verleugnet.
Kniz und gut, wohin wir blicken, werden wir fast immer finden,
dass der unkeusohe Verkehr meistens schwere soziale 8chadigun2;en
für das Weib zur Folge hat, dass er Ungerechtigkeiten gegen dieses her-
beifohrt, die das Beehtsgefahl des Volkes im allgemeinen und daher
•neb das des einselneii IndividmimB imgünstig beeinflussen mossen.
Wir sehen also, dass, abgesehen Yon den nnmittelbarai Gefahren,
dentn der Hann bei dem onkensohen Verkehr ansgesetst ist, eine
Hanptgefthr die ist» dasa die aUgemeinen ReohtBansebairangmi leiden.
Hehr indkekt wird dann, wie wir sahen, dadnreh das Bechtsbewosstp
sein des Mennes gesofaidigt werden.
Henrorheben mdehte ieh aber noch ansdrQokfioh, dass alle diese
ÄnsfQhrungen Qber die soiiale Bedeatnng des anssereheUohen ge-
schlechtlichen Verkehrs nur für das dorohsohnittliche Rechts- und
Moralbewusstseiii unserer Zeit gelten nnd ebenso für unsere jetzige
Staatsverfassung. Es ist möglich, dass die heutigen Anschauungen
in 100 oder 2oü Jahren von anderen abgelöst sein werden. Man
denke an die sozialistischen Bestrebungen in Bezug auf die Faoiilie,
man denke aber auch daran, dass bereits im alten Griechenland
wesentlich andtre Anscb;iuun^,'eri in Bezug auf Familienleben und
Erziehun*:^ der Kinder l)est;iiiden als heute. Welches die richtigen
Anschauungen sind, darüber meine Meinung zu äussern, würde nicht
hierher gehören.
Wenn ieh aber anefa die Ge&hren des onkensohen Verkehrs an^
erkenne^ so kann ieh mein Beferat nicht sehliessen, ohne aaf einen
Punkt hinzaweisen, der mir nm so wichtiger eischeint, als das blosse
Momlisieren, wie es hftofig genbt wird, sidberlich nichts rar Bessemng
dieser VerUUtnisse beitrigt Wichtiger als die Untetanchnng der
Folgen, die der nnkensche Verkehr nach sich sieht, scheint mir eine
TTntersnchmig flbsr die Ursachen, die er hat, nnd der Veisnch,
diese zn beseitigen. Dia eine ünache ist zweifellos die ungünstige
mateiieOe Lage tieler weibficher Personen, die eben deshalb den Ge-
schlechtsverkehr zu einer Aufbesserung ihrer pekuniären Einnahmen
benutzen. Hinzu kommen Neid und riitzsuclit, die manches arme
lliidchen dazu veranlassen, auf dem Wege der Prostitution die Mittel
zu suchen, die es zur Befriedigung dieser Leidenschaften braucht.
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Und eine ganz besondere Rolle spielt der grosse Leichteiiui^) vieler
MftdcheOt die den in der Bninst geleisteten Liebesschwüren und Ehe-
▼enprechongen der MAnner Glaaben scbenkea, imd die sich bei an-
fBoglichem Widentieben dueli einige Gllser Wein in eine wÜIflUirigB
Stimmnng venetien iMien.
Eine weitofe Hnnptniaadie fQi den aunenheUohen Qesohledht»-
Terkebr edieint mir aber die aosBeroidentiliehe Sinnlichkeit des
mAnnlichen Qesdhlechts sn sein, die meines Braohtens ^el grosser
ist* ab die der Weiber. Der QeseUeelitstrieb ist bei eungen
Mflnnem so mlohtig, dass selbst alle Yoiatellnngin der nngttnstigea
Folgen nicht da? on abhalten kOnnen, ihn an befriedigen- 80 lange
man nicht Mittel findet, die ffinnliöhkeit des Hannes entweder sn
bekämpfen oder ihr einen andern Answeg zn schaffen, z. B. dnrch
sehr frilLziitigc \'eriiejratungeü, uud d;is Mädchen vor Verführung zu
schützen, so lange wird man meines iiiiachtens die Polgen des un-
keuschen Verkehrs noch so eingehend untersuchen können — mi\n wird
damit keinen Wandel schaffen. Hierbei erkenne ich vollkommen an,
dass sich einige von denen, (Jie sich der Bekämpfung der Uusittlich-
kt'it widmen, das grösste Verdienst durch ihre guten Absichten er-
werben. Aber ich bemerke hier, dass mancher sexuelle Verkehr
ausserhalb der Ehe nur aus einem organischen Bedürfnis herrorgehi
Wenn die Befriedigung dieses Bedürfmases fOr das Individuom oder
iir die AUgemeinbeit ungünstige Folgen hat, so können wir du iwar
bedauern, wir haben aber nicht das Recht, das Individuom, das
nnter dem Einfluss eines organisch bedingten Triebes steht, beliebig
WBL Terorteilen. f xeilieh gilt dies nur fttr die wenigilen FUle. Meistens
ist der semelle Verkehr nicht in dieser Weise die Folge tines organisch
bedingten Triebes, and sehr oft wird er ledigUdi doioh die bequeme
Gelegenheit dam, dnich das hlofige Erblicken smnlich reisender
Personen bewirkt Die BeMedigong des Geschlechtstriebes findet
daher nm so hftnfiger statt, je beqnemer die Getogenheit dasn ist
80 kommt es, dass m manchen Stidten nnd Lindem, wo diese dnich
soiisls Einrifditangen ecschwert ist, der ansseroheliche Gesohleohts-
Teri[ehr Tiel seltener Torkommt als aaderwixts.
Wenn wir dies berQcksichtigen, so wird man weiter zugeben
müssen, dass ein grosser Teil des ganzen Problems in der Erziehung
des Weibes begründet liegt, uud es wird uuiwendig äein, geiMirliohe
') Leichtgiim und Dommheit sind oft gleichzeitig TOriuuidaa; mitunter abtf
mag auch letztere allein die üauptschold tragen.
Anhang.
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Leidenschaften desselben zu bekämpfen, msbesundere die Q\mn er-
wähnte Patzsacht anbemittelter Mädchen, femer die Suciit, sich
mtthelos za bereichern. In Wirklichkeit ist ja der Glaube des Mäd-
chens, darch die Prostitation sich schnell bereichern zu können, auch
nur ein trdgerischer, da wohl i]irg( nds mehr als hier d;is Wort zu-
trifft, „wie gewonnen, so zerronnen". Man sollte lerner bei der
Erziehunc^ des weiblichen Oesohlechts darauf achten, dass sie einer-
seits zwar keusch sei, andererseits aber dem Mädchen die Gefahren,
die ihm im Yerkehr mit der Männerwelt drohen, nicht yerborgen
bleiben. Aber hier genttgt es nicht, dass dem Mädchen die Gefahren
erklärt werden; es muss ihm vielmehr eine gewisse Selbständigkeit
ÖDgepflanzt werden. Es scheint, als ob in zahlreichen Städten der
Vereinigten Staates, wo jonge Damen in hannloseater Weise mit
jnngen Minnen Terkebien nnd nach ohne Barne öPhomuur mit ihnen
allein ausgehen» diese SeLbsttodigkeit der Jungen Mftdehen fiel mehr
dam heitilgt, sie etwaigen Verlookongen und VerfOhningen gegenüber
wideratandsfihig in naehen,') als die Eniehnng in den meisten Stidten
Bnropas. Wenn es dem Mftdehen doroh den gansen Gang der Srxiehong
eingeimpft wird, welche Folgen ein etwaiger gesohlechtHeher Terkehr flii
das ganze Leben hat nnd es dadurch gewissennassen in einer sdbstflndig
sich welirenden Person wird, so dflrfte man hierdnreh mehr eneiehen
als durch eine gelegentliche Belehrung und Ermahnung. Denn nie-
mals kann diese einen Einfluss ersetzen, der gewissermassen unbewusst
Jahre hindurch gewirkt luit Einem Mädchen gegenüber, dai sich m
dieser Weise selbständig fühlt und benimmt, wird der Mann viel
weniger zudringlich sein als jenen unerfahrenen und unselbständigen
Geschöpfen gegenüber, die sich schon geschmeichelt fahlen, wenn
ein Mann aus „höherem Stande" mit ihnen ein Wörtchen redet.
Jedenfalls wird die Unkeuschheit des Mannes zum gössen Teil auch
von der Erziehung des weiblichen Geschlechtes abhängen. Nur be-
rücksichtige man immer, dass, wenn die Befriedigung so seha^ erleichtert
ist,' wie es heate bei uns der Fall ist, und der eine oder der andere
Mann einen starken Qesoblechtstiieb hat, man nicht in jeder Be-
friedigung eine an sich so verurteilenswerte Handlung sehen darf; zu
verabscheuen sind aber, wie es kürzlich, in einem Vortrage mit Becht
geschah, jene »Bestien unter den Mftnnem, die Midchen der Jnng-
fransohaft beranhen, sieh damit noch brflsten nnd nieht daran denken,
') Dass natfirlieh «hl absoluter Sohatz dadoroh nieht geschaffea wird, braacht
kanm «nrlhnt m werdeit
Moll. Komtr. BmalaMvABdng^ 88
5d4
Anhang.
welches Elend üie über ein di'rartiges Individuum oft genug bringen,
zamal wenn eine Schwangerschaft um dem Verkehr hervorgeht. Sollte
die Bninst eines Mannes so weit gehen, dass sie auch nioht vor der
Unschuld des Mftdchens zurückschreckt, so würden sulche Männer
meines Eracbtens unschftdlich gemacht werden müssen, indem man
sie entweder wie gemeingefährliche Geisteskranke in das lirenhaas
oder wie treßbrliche Verbrerber ins GefUngnis bnngt.
Wir haben gesehen, welche Gefahren der anssereheüche Verkehr
mit sich bringt, wir haben aber aaoh geseheD, dass er oft die not-
wendige Folge der heutigen VerhUtmeee iet und zuweÜMi aoch ans
einem oiganisch bedingten Triebe zwangsm&ssig herYOfgeht Da
nun elneneits der Drang zum QeeoUeohtstiieb aus diesen Tenebiedenen
Grflnden oft sehr stark ist, andererseite aber die individuellen nnd
allgemeinen Folgen des nnkensoben Verkeim niolit m ontersolifttMn
sind, so kommt es eben vor, dass If inner den nnkeosohea Terkebr
angaben» obwohl sie dessen Qefiüueii dnrofaans wordigen. So mag es
mdd anelL eiUftrbar sein, dass es maaohe giebt, die Offentlieh die
Moral predigen, den tmkensohen Verkehr als etwas SOndhaftes dar-
stellen, keineswegs aber selbst diese Moral befolgen. Gerade dies
mdebte ieh lum SoUnss noeh herrorhebeo, um den «isielneD, der
heute den anssereheliehen gesohleehtUehen Verkehr ansaht, nicht mit
meinen AnsfQhrungen an sich zu belasten. Belastet sind ausser denen,
die vor der Jungfrauschaft keine Achtung haben, g;mz besonders noch
diejenigen, die öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken,
die anderen aber ihren sexuellen Verkehr Vorwürfe machen, aber kein
Bedenken tragen, ihn selbst entsprechend ihrem Drang auszuüben;
denn noch verächtlicher als das, was man so oft als ünkeuschheit
bezeichnet, was doch, wie wir sahen, mitunter aus den heutigen
Verhältnissen, mitunter ans einem organischen Triebe herrorgehti ist
nuter allen Umstanden die Lfige und Heuchelei.
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